Bilanz Homes, 1/2008
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Bilanz Homes, 1/2008
Immobilien Christie’s/Sotheby’s Eine Klasse für sich Die Auktionshäuser Christie’s und Sotheby’s vermitteln ihrer Klientel nicht nur hochwertige Kunst, Preziosen oder Weine, sondern auch Immobilien der obersten Preisklasse. Das wissen die Superreichen zu schätzen. Von Francis Müller D ie Anzahl Millionäre wächst. Weltweit. Und bildet eine Gesellschaft für sich. Eine, die ihre Immobilien auf der ganzen Welt kauft und verkauft. Eine, deren Ansprüche an die Immobilienhändler höher sind als die geläufigen. Verkauft etwa ein Firmenbesitzer sein Schloss am Genfersee, ist er möglicherweise dankbar für einen Immobilientipp auf Long Island. Dieser international orientierten, hedonistischen Kundschaft steht ein Immobilienmarkt gegenüber, der weitgehend von regional tätigen Firmen beherrscht wird. Was macht etwa ein Genfer, der in Marbella ein Haus sucht? Ganz einfach: Er wendet sich an eine Institution, die er bereits in einem anderen Zusammenhang kennt und mit der er gute Erfahrungen gemacht hat, der er vertraut – zum Beispiel an eines der international agierenden Auktionshäuser wie Christie’s und Sotheby’s. Wer einen Picasso seriös einschätzt und edle Tropfen wie einen Château Mouton-Rothschild mit Jahrgang 1982 sachkundig versteigert, der wird wohl auch bei Immobilien den Geschmack einer anspruchsvollen Klientel treffen, wobei Immobilien natürlich nicht versteigert werden. Dass unter den Namen der beiden Auktionshäuser auch Immobilien verkauft werden, wissen jene, die sich für das Business interessieren. Was die wenigsten wissen: Die Strategien der bei- 20 BILANZ Homes 1/2008 den Unternehmen in Sachen Immobilien könnten unterschiedlicher nicht sein. So führt Christie’s den Bereich Christie’s Great Estates Europe in Eigenregie. Sotheby’s dagegen hat die Marke Sotheby’s International Realty vor vier Jahren verkauft, sie wird seither von einer Private-Equity-Firma als Franchise-Marke vorangetrieben. Ein Konzept, mit dem hochsystematisierte Marken wie beispielsweise McDonald’s, Burger King oder Avis multipliziert werden. Der Franchisegeber erteilt die Markenrechte einem Franchisenehmer gegen Gebühr, der damit von deren Bekanntheitsgrad profitiert. Davon hält Joachim Wrang-Widén, Direktor von Christie’s Great Estates Europe, wenig. Sein Büro in London befindet sich Tür an Tür mit jenem der Christie’s-Experten für Expressionismus, Uhren, Schmuck und Wein (siehe «Lage und Objekt müs- Verkauft ein Firmenbesitzer sein Schloss am Genfersee, ist er möglicherweise dankbar für einen Immobilientipp auf Long Island. sen stimmen» auf Seite 29). Wrang-Widén ist ein ruheloser Mann – stets auf dem Sprung oder im Flugzeug, um irgendwo in Europa Christie’s Great Estates zu vertreten. «Die Marke Christie’s», sagt der Brite, der fünf Sprachen fliessend spricht, «hat in einem globalen Markt eine enorme Kraft.» Sie geniesst 1/2008 BILANZ Homes 21 Foto: Christie’s Real Estate Charme es Wilden Westens: Wohnzimmer einer Ranch in Aspen/Colorado. Immobilien Christie’s/Sotheby’s Man weiss, wer Christie’s ist, und man vertraut dem Unternehmen: Ranch in Aspen/Colorado. so viel Vorschussvertrauen, dass mögliche Kunden, die ihn zum ersten Mal sehen, gelegentlich auf eine Vorstellung der Firma verzichten. Man weiss, wer Christie’s ist, und man vertraut dem Unternehmen. Im Immobilienmarkt aktiv ist das Auktionshaus seit gut zehn Jahren. Damals hatte Christie’s die Firma Great Estates übernommen und zunächst den US-Markt angepeilt. Von Anfang an Aspen für besondere Ansprüche: Heimkino inbegriffen. 22 BILANZ 1/2008 wurde auf eine finanzstarke Kundschaft gesetzt; so hat das Unternehmen etwa in Kalifornien die Villa von Sophia Loren für 8,3 Millionen Dollar verkauft. Seit 2005 expandiert Christie’s Great Estates in Europa, im Nahen Osten und in Südamerika. Heute arbeitet das Londoner Auktionshaus mit 144 Partnerfirmen in 45 Ländern. Zusammen machen diese Firmen 125 Milliarden Dollar Umsatz, was Christie’s zum Teil eines weltweit führenden Netzwerks für Luxusimmobilien macht. Es gehört zum Geschäftsmodell, dass das Unternehmen nur international relevante Märkte bedient. «Es würde keinen Sinn Fotos: Christie’s Real Estate Christie’s Great Estates hat in Kalifornien zum Beispiel die Villa von Sophia Loren für 8,3 Millionen Dollar verkauft. Immobilien Christie’s/Sotheby’s Aristokratisch: Palast im Angebot von Christie’s in Toronto/Ontario ... Christie’s Foto: Christie’s Great Estates Makler in Eigenregie __ Im Jahr 2007 machte Christie’s 6,3 Milliarden Dollar Umsatz – eine Steigerung von 36 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Hauptsitz des 1766 von James Christie gegründeten Auktionshauses mit weltweit 1800 Angestellten befindet sich in London und hat wichtige Niederlassungen in Paris, New York und Hongkong. Neben Luxusgütern in 80 Kategorien (Kunst, Wein, Bücher usw.) verkauft Christie’s unter der Firma Christie’s Great Estate Immobilien. Christie’s Great Estate unterhält hierzu ein internationales Netzwerk von 144 Partnerfirmen in 45 Ländern. In den 850 Büros arbeiten 35 000 Personen. www.christiesgreatestates.com www.christies.com 24 BILANZ Homes 1/2008 machen, in ein Dorf zu gehen und dort mit Immobilien zu handeln», sagt Wrang-Widén, «das können ortsansässige Immobilienhändler besser.» Christie’s sucht seine Partner in den entsprechenden Ländern sorgfältig aus und recherchiert, ob sie den hohen Erwartungen entsprechen. Die ausgewählten Partner zahlen sodann einen Beitrag, um den begehrten Namen verwenden zu dürfen. Im Gegensatz zu den üblichen Franchise-Verträgen müssen aber keine Umsatzprozente abgegeben werden. In der Schweiz unterhält das Auktionshaus Partnerschaften innerhalb der drei Sprachräume. In der Romandie wird Christie’s durch die Firma SPG Finest Properties vertreten, im Tessin durch Wetag Consulting und in der Deutschschweiz durch Wüst Bei Christie’s bezahlt ein Kunde durchschnittlich 6,5 Millionen Dollar pro Objekt, bei Sotheby’s nur 1,6 Millionen Dollar. und Wüst in Zollikerberg. Zwei Jahre dauerte es, bis Michael Blaser, Geschäftsführer von Wüst und Wüst, die definitive Zusage von Christie’s hatte. Das Warten auf den Zusatz Exclusive Affiliate of Christie’s Great Estates hat sich gelohnt. Die Firma eröffnet nun einen weiteren Ableger in Luzern. «In der deutschen Christie’s Great Estates ... mit repräsentativen Räumen. Schweiz kennt man uns», sagt Blaser, «jetzt sind wir auch international vernetzt.» Wenn also beispielsweise ein Norddeutscher eine Liegenschaft am Zürichsee sucht, meldet er sich bei Christie’s in Hamburg, wo seine Anfrage über London zu Wüst und Wüst weitergeleitet wird. Oder wenn ein Kunde von Wüst und Wüst eine Liegenschaft in Südfrankreich verkaufen möchte, verhilft ihm die Firma zu den entsprechenden Kontakten vor Ort. Christie’s in London verfolgt dieses Geschehen sehr genau. Da Wüst und Wüst im globalen Netzwerk von Christie’s Great Estates ist, hat die Firma Zugang zu einem weltweiten Markt. Anders sieht die Expansionsstrategie bei Sotheby’s aus, das bereits vor über 30 Jahren in diesen Markt eingestiegen ist. Genau genommen ist es aber heute nicht mehr das eigentliche Mutterhaus, das hinter dem grossen, altehrwürdigen Namen Sotheby’s steht. Denn vor vier Jahren verkaufte das Unternehmen seinen Immobilienbereich für 100 Millionen Dollar an das amerikanische Unternehmen Cendant Corporation. Damit hat Cendant den Besitz der 15 Immobilienbüros und – viel wichtiger – die Markenrechte von Sotheby’s für die nächsten 50 Jahre übernommen. Nach mehreren Besitzerwechseln gehört die Marke heute einer amerikanischen Private-Equity-Gesellschaft, die sie BILANZ Homes: Sie sind mit Christie’s Great Estates auf Expansionskurs. Welche Ziele verfolgen Sie? Joachim Wrang-Widén: Wir wollen weiter wachsen, sind aber sehr vorsichtig mit der Wahl unserer Partner. Einige Kandidaten passen, andere nicht. Ich investiere sehr viel Zeit und Arbeit in die Anfangsphase, bis ein Vertrag unterschrieben ist. Erst dann bauen wir eine Geschäftsbeziehung richtig auf. Wie sehen diese Partnerschaften aus? __ Wir sind nicht beteiligt und übernehmen auch keine operativen Aufgaben. Die Partnerfirmen nutzen unseren Firmennamen bloss zur Ergänzung und bezahlen dafür eine Gebühr. Damit haben wir eine sehr gute Kontrolle über unseren Markennamen, was bei einem Franchising-Konzept anders wäre. Die Partnerfirmen sollen an unserem Netzwerk teilnehmen. Sie kooperieren oftmals mit mehreren Partnern innerhalb einer Nation. __ Wenn wir einen intakten Partner auf nationaler Ebene finden, sind wir interessiert. Aber oftmals haben national tätige Firmen ihre Stärken und Schwächen in bestimmten Regionen. Deshalb arbeiten wir meist mit regional spezialisierten Partnerfirmen. In Potsdam funktioniert das Immobiliengeschäft anders als in München oder Stuttgart. Im Schweizer Markt kooperieren wir in jedem der drei Sprachräume mit verschiedenen Partnern, die ihren Markt alle bestens kennen. Die drei Sprachräume widerspiegeln in verschiedene Geschäftsphilosophien. Welche Entwicklungen zeichnen sich auf dem internationalen Markt ab? __ Das variiert stark von Markt zu Markt, und, innerhalb der Märkte, von Segment zu Segment. Einige Märkte wie etwa Spanien haben einen sehr starken Aufschwung hinter sich – worauf eine Bremsung folgt. In Marbella jedoch gibt es immer noch Engpässe, wenn Lage und Objekt stimJoachim men. Wrang-Widén Und in der Schweiz? __ Im Gegensatz zu England, wo schnell Ausschläge nach oben und unten auszumachen sind, ist die Schweiz stabil. Objekte im Tessin, am Genfersee und in Zürich sind sehr gefragt. Es gibt dort deutlich mehr Interessenten als Verkäufer. Joachim Wrang-Widén ist Direktor von Christie’s Great Estates mit Sitz in London. 1/2008 BILANZ Homes 25 Fotos: Christie’s Great Estates «Lage und Objekt müssen stimmen» Immobilien Christie’s/Sotheby’s Grüne Oase: Stadthaus von Sotheby’s in den Hinterhöfen von Greenwich Village, New York, ... Sotheby’s Foto: Sotheby’s Franchising für Makler __ Das Auktionshaus wurde 1744 von Samuel Baker in London gegründet. Es bietet die gesamte Palette an Luxusprodukten an. Sotheby’s, mit Hauptsitzen in London und New York, führt heute 90 Niederlassungen in 36 Ländern und machte 2007 einen erwarteten Umsatz von 6,2 Milliarden Dollar, was einer Steigerung von 51 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Den Immobilienbereich hat Sotheby’s vor 30 Jahren aufgebaut und diesen vor vier Jahren verkauft. Seither wird Sotheby’s International Realty von wechselnden Besitzerfirmen im Franchising-System aufgebaut. Sotheby’s International Realty ist heute in 27 Ländern mit 450 Büros vertreten, in denen gesamthaft 8500 Personen arbeiten. www.sothebysrealty.com www.sothebys.com 26 BILANZ Homes 1/2008 mit dem Franchising-System vorantreibt. Trotz diesen abenteuerlichen Besitzerwechseln ist Sotheby’s International Realty auf Expansionskurs. Die Firma ist mit 450 Immobilienbüros in 27 Ländern vertreten. Zu den Firmen, die unter dem Namen Sotheby’s am Markt sind, gehört auch die Immobilienfirma De Rham in Lausanne, die bisher einzige Schweizer Franchisenehmerin von Sotheby’s. Im Jahr 2006 hat Philippe Cardis, Direktor von De Rham, die Verträge unterzeichnet. Damit beansprucht er den Namen Sotheby’s in der Romandie für die nächsten 25 Jahre. Das Logo wurde angepasst. Er steht am Fenster in seinem Büro und zeigt in Richtung Genfersee: «Das ist unser Gebiet», sagt er. Mit der Resonanz auf den Deal mit Sotheby’s ist der Immobilienprofi sehr zufrieden. Vor allem bei der internationalen Kundschaft, die sich dank bilateralen Verträgen und Steuervorteilen in der Schweiz hier niederlassen will, kann er punkten. In Zukunft will Cardis stärker in Walliser Ferienorten präsent sein. «Wer nicht in Verbier aufgewachsen ist, kommt kaum in diesen Markt hinein. Mit der Marke Sotheby’s schaffen wir das.» Die Nachfrage ist ungebrochen hoch, doch sind exklusive Angebote in der Schweiz noch selten. Cardis kennt nicht wenige Fälle, in denen Besitzer ihr Haus verkauften, weil ein allzu verlo- ckender Preis geboten wurde. Drei Objekte für über 20 Millionen Franken hat De Rham in den letzten Jahren verkauft. Neben solch raren Luxusobjekten verkauft die Firma aber auch kleinere Einfamilienhäuser und Wohnungen. Die durchschnittliche Immobilie kostet 1,5 Millionen Franken. Dieser Durchschnittspreis repräsentiert das internationale Gefälle zwischen Sotheby’s und Christie’s. Eine Untersuchung in den USA zeigt, dass bei Christie’s ein Kunde durchschnittlich Bei Christie’s bezahlt ein Kunde durchschnittlich 6,5 Millionen Dollar pro Objekt, bei Sotheby’s nur 1,6 Millionen Dollar. 6,5 Millionen Dollar pro Objekt zahlt, bei Sotheby’s indessen nur 1,6 Millionen Dollar. Ungefähr 60 Prozent der Angebote bei Sotheby’s in den USA haben einen Verkaufswert von weniger als einer Million Dollar. Unter dem Label des Auktionshauses werden auch Fertighäuser für 40 000 Dollar verscherbelt. Christie’s indes übt mehr Kontrolle auf die Markenführung aus. Wüst und Wüst ist genau dort positioniert, wo sie das Auktionshaus haben möchte: im Luxusbereich. Die durchschnittliche Immobilie wird hier für fünf Millionen Franken verkauft. Das Preisgefälle zwischen den Objekten von Christie’s und jenen von Sotheby’s ist kein Zufall, sondern eine Folge der Multiplikation mit Franchising. Der Franchising-Geber von Sotheby’s möchte möglichst viele Markenrechte vergeben, weil er daran verdient. Quantität kommt somit vor Qualität. Eine Entwicklung, die dem Mythos der alten Marke Sotheby’s nicht gut steht, gegen die das Auktionshaus aber machtlos ist, da es kaum noch Einfluss darauf hat, was mit dem Firmennamen geschieht. Der Kunde nimmt das Ganze nicht einmal wahr. Denn de facto finden ja – wie im Falle von De Rham – auf bilateraler Ebene immer noch Kooperationen zwischen Auktionshaus und Immobilienbereich statt. Und noch heute führt auf der Sotheby’s-Website ein Link zu Sotheby’s International Realty. Im Luxusbereich muss dieses Multiplikationssystem zu einem Konflikt führen zwischen der Motivation des Franchisegebers, möglichst viele Partner zu finden, und den Kernwerten einer traditionellen Marke, die auf Exklusivität basiert. «Wir wollen keine Partner, die weitere Franchisenehmer suchen, sondern Immobilienexperten», sagt Wrang-Widén von Christie’s. Die Welt des Luxus ist hochsensibel, geprägt von persönlichen Beziehungen und von Vertrauen. Diese Werte lassen sich nicht so einfach multiplizieren wie die Verkaufsläden eines Hamburgerkonzerns. 1/2008 BILANZ Homes 27 Fotos: Sotheby’s ... mit lichtdurchfluteten, grosszügigen Räumen.