Schriftliche Kleine Anfrage

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Schriftliche Kleine Anfrage
BÜRGERSCHAFT
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
Drucksache
20/3107
20. Wahlperiode
10.02.12
Schriftliche Kleine Anfrage
der Abgeordneten Christoph de Vries und Dr. Friederike Föcking (CDU)
vom 02.02.12
und
Betr.:
Antwort des Senats
Tod von Chantal – Situation der Pflegefamilien in Hamburg
Aufgrund des aktuellen tragischen Vorfalls um Chantal stellt sich die Frage,
wie es um die Situation der Pflegeeltern und Pflegekinder in Hamburg grundsätzlich bestellt ist.
Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:
1.
Wie hoch war die Anzahl vermittelter und nicht vermittelter Kinder in den
Jahren 2000 bis 2011 in Hamburg (bitte nach Jahren und Bezirken differenziert darstellen)?
2.
Wie viele dieser Kinder waren/sind jeweils unter sechs Jahre alt und
über sechs Jahre alt (bitte nach Jahren differenziert darstellen)?
3.
Was geschieht mit den Kindern, die nicht vermittelt werden können?
In den Jahren 2000 bis 2011 sind insgesamt 8.852 Kinder im Rahmen einer Hilfe zur
Erziehung nach § 33 Sozialgesetzbuch (SGB) Achtes Buch (VIII) zu Pflegepersonen
vermittelt worden (siehe Anlage). Kinder und Jugendliche, die nicht zu einer Pflegeperson vermittelt werden können, insbesondere aus pädagogischen Gründen oder
aus Mangel an einer geeigneten Pflegeperson, werden in einer anderen Betreuungsform stationär untergebracht.
4.
Wie hat sich die Zahl der Pflegeeltern in den Jahren 2000 bis 2011 in
Hamburg entwickelt (bitte nach Jahren und Bezirken differenziert darstellen)?
Die Anzahl der Pflegepersonen wird von den Bezirksämtern nicht statistisch erfasst.
Eine manuelle Aktenauswertung für die zurückliegenden zwölf Jahre wäre nur durch
Prüfung von mehreren Tausend Fallakten möglich, dies ist in der für die Beantwortung
einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.
5.
Wie groß ist nach Ansicht des Senats oder der zuständigen Behörde der
Bedarf an Pflegefamilien in Hamburg?
Das SGB VIII räumt dem Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in einer Familie
grundsätzlich einen Vorrang vor der Heimerziehung ein. Danach müssten jährlich circa 800 neue Plätze in Pflegefamilien zur Verfügung stehen.
6.
Welche Stelle ermittelt den Pflegebedarf und wie ist das Verfahren bis
zur Eingliederung in eine Pflegefamilie gestaltet?
Drucksache 20/3107
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
Die fallführende Fachkraft im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) ermittelt den Hilfebedarf für ein Kind im Rahmen der Hilfeplanung.
• Sofern eine zeitlich befristete oder dauerhafte Hilfe in Form einer Vollzeitpflege
fachlich angezeigt ist, beauftragt die fallzuständige Fachkraft den für ihr Bezirksamt
zuständigen Pflegekinderdienst (PKD) mit der Vermittlung einer geeigneten Pflegeperson. Kriterien hierfür sind unter anderem Alter des Kindes, Problemlagen des
Kindes, Familiendynamik, Akzeptanz durch Kind und Sorgeberechtigte,
• Dieser PKD (in der Regel Teil des Jugendamtes, Ausnahmen siehe Antwort zu 8.)
sucht nach bereits bekannten, passenden, bereits vorberatenen und fortgebildeten
Bewerbern. Sofern diese im eigenen Bereich nicht vorhanden sind, bezieht er die
Pflegekinderdienste in den anderen Bezirken und den Träger „Pflege- und Patenkinder Fachdienst für Familien“ PFIFF gGmbH in die Suche ein.
• Der Pflegekinderdienst, der über einen möglicherweise passenden Bewerber verfügt, informiert den fallzuständigen ASD. Der ASD klärt in Zusammenarbeit mit
diesem Pflegekinderdienst den Fortgang der Hilfeplanung.
• Soll ein Pflegekind vom ASD bei einer bestimmten Person untergebracht werden
(in der Regel Verwandte oder Personen aus dem familiären Umfeld) oder lebt das
Kind bereits bei einer solchen Person, gelten grundsätzlich die gleichen Eignungskriterien, es sind jedoch möglicherweise bereits entstandene Bindungen des Kindes zu berücksichtigen. Der PKD (siehe Antwort zu Frage 8.) wird beauftragt, diese Person zu beraten, einen Eignungsbericht zu erstellen und die Fortbildung einzuleiten.
• Letztverantwortlich entscheidet die fallzuständige Fachkraft im Allgemeinen Sozialen Dienst sowohl bei sogenannter Fremdpflege wie auch bei Verwandtenpflege
und sogenannten Nachvollzügen über die Eignung der Pflegeperson und bewilligt
die Hilfe. Er bedient sich dabei der Unterstützung des Eignungsberichtes des PKD.
• Der PKD begleitet die Integration des Kindes in die Pflegefamilie nach Maßgabe
des Hilfeplans.
7.
Welche durchschnittliche Wartezeit besteht zwischen der Erfassung eines konkreten Pflegebedarfs und der Eingliederung in eine Pflegefamilie
(bitte nach Bezirken getrennt darstellen)?
Da die Lebenssituation des Kindes in der Herkunftsfamilie in der Regel keine längere
Wartezeit zulässt, muss es, sofern keine geeignete Pflegeperson zur Verfügung steht,
in einer Einrichtung der Vollzeitpflege untergebracht werden. Die Dauer der Vermittlung von Kindern in Vollzeitpflege wird daher weder statistisch noch im Übrigen erfasst.
8.
In welchen Bezirken wird die Eignungsprüfung durch das Jugendamt
selbst und in welchen durch freie Träger durchgeführt?
Ein für die Letztentscheidung des ASD benötigter Beratungs- und Eignungsbericht
wird durch den bezirklichen Pflegekinderdienst erstellt.
Diese Aufgabe des Pflegekinderdiensts wird außerdem zurzeit durch drei Freie Träger
durchgeführt:
• PFIFF gGmbH, für alle Bewerber, die sich an diesen Träger wenden,
• SOS-Kinderdörfer, für festgelegte Ortsteile von Eimsbüttel,
• Der Landesbetrieb Erziehung und Beratung (LEB), für festgelegte Ortsteile in
Hamburg-Mitte.
9.
Nach welchen Kriterien erfolgt die Auswahl der für das jeweilige Kind
geeigneten Pflegefamilie?
10. Inwieweit ist die Einhaltung dieser Kriterien verbindlich?
Die Kriterien leiten sich aus den Vorgaben des SGB VIII ab.
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Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
Drucksache 20/3107
Insbesondere sind hierfür Kriterien wie das Alter des Kindes, die Eignung der Familienstruktur und das Erziehungshandeln der Pflegeperson, vorhandene Bindungen des
Pflegekindes, die gegenseitige Akzeptanz der betroffenen Personen und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie für eine Entscheidung mit ausschlaggebend. Ob eine Pflegefamilie als geeignet für das jeweilige Kind erscheint,
wird nach den Gegebenheiten des Einzelfalls entschieden.
11. Wer entscheidet, welches Kind in welche Pflegefamilie vermittelt wird?
Die fallführende Fachkraft im ASD entscheidet über die Vermittlung.
12. Wie oft wurden in den letzten zehn Jahren potenzielle Pflegeeltern abgelehnt (bitte nach Jahren und Bezirken getrennt unter Angabe der Gründe
darstellen)?
Das SGB VIII sieht für Pflegepersonen, die durch Vermittlung des Jugendamtes ein
Kind in ihren Haushalt aufnehmen, kein formales Erlaubnisverfahren vor. Im Rahmen
einer Hilfe zur Erziehung nach § 33 SGB VIII muss in jedem Einzelfall eine Eignung
der Pflegeperson für das in den Haushalt aufzunehmende Kind festgestellt werden. Es
kann daher nur die Anzahl der tatsächlich bewilligten Hilfen in Vollzeitpflege, nicht
aber Zahl der Personen, die wegen mangelnder Eignung kein Pflegekind vermittelt
bekommen haben, statistisch und im Übrigen erfasst werden.
13. Wie oft wurden in den letzten zehn Jahren Pflegekinder aus den Pflegefamilien herausgeholt (bitte nach Jahren und Bezirken getrennt unter
Angabe der Gründe darstellen)?
Die Herausnahme eines Kindes ist eine Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII. Der Aufenthaltsort vor einer Inobhutnahme wird in den Bezirksämtern statistisch nicht erfasst.
Eine manuelle Aktenauswertung von circa 8.000 Fallakten war in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich
(siehe Antwort 4.).
a.
Auf welche Veranlassung hin wurden die Kinder aus den Pflegefamilien herausgenommen?
Eine Herausnahme von Kindern erfolgt in entsprechenden Fällen ausschließlich durch
den ASD beziehungsweise außerhalb der Dienstzeiten des ASD durch den Kinderund Jugendnotdienst.
b.
Was geschah mit den Pflegekindern daraufhin?
Im Rahmen der anzupassenden Hilfeplanung wird, unter Beteiligung der Sorgeberechtigten und des Kindes oder Jugendlichen, in entsprechenden Fällen nach einer
geeigneten Hilfe zur Erziehung zum Beispiel in einer anderen Pflegefamilie oder in
einer Einrichtung gesucht.
14. Wie lange verbleiben Pflegekinder durchschnittlich in einer Pflegefamilie?
Durchschnittliche Dauer aller beendeten Hilfen nach § 33 SGB VIII in Tagen:
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
1.268 Tage
1.439 Tage
1.383 Tage
1.250 Tage
1.359 Tage
1.264 Tage
1.274 Tage
1.236 Tage
1.347 Tage
1.322 Tage
1.384 Tage
1.257 Tage
3
zusammen
38 78 33 56 89
23 43 23 29 52
19 39 23 27 50
14 28 26 19 45
58 106 34 64 98
25 40 19 15 34
39 69 30 33 63
216 403 188 243 431
6 und älter
6 und älter
40
20
20
14
48
15
30
187
zusammen
0 bis unter 6
87 36 43 79
63 14 21 35
49 14 29 43
37 24 24 48
78 31 65 96
34 12 12 24
53 32 32 64
401 163 226 389
2007
0 bis unter 6
2006
zusammen
6 und älter
0 bis unter 6
zusammen
73 36 51
43 22 41
46 23 26
49 17 20
87 27 51
38 10 24
42 27 26
378 162 239
6 und älter
zusammen
39
25
27
24
57
23
19
214
zusammen
0 bis unter 6
6 und älter
zusammen
2011
40
93
26
42
23
37
19
39
58
86
17
31
18
34
201 362
38
16
9
14
33
17
16
143
41
13
14
23
50
17
9
167
79
29
23
37
83
34
25
310
6 und älter
0 bis unter 6
0 bis unter 6
6 und älter
34
18
19
25
30
15
23
164
2005
Anlage
Bezirksamt
(Erstbewilligung)
HH-Mitte
43 59 102 44 36 80 53
Altona
21 28 49 21 20 41 16
Eimsbüttel
8 32 40 19 22 41 14
HH-Nord
19 17 36 12 23 35 20
Wandsbek
27 39 66 27 40 67 28
Bergedorf
15 18 33
9 15 24 14
Harburg
37 15 52
5
8 13 16
Gesamtergebnis 170 208 378 137 164 301 161
2004
0 bis unter 6
zusammen
29
66
32
45
26
48
16
35
51
88
13
29
14
22
181 333
2010
zusammen
6 und älter
0 bis unter 6
2009
zusammen
6 und älter
2008
0 bis unter 6
Aufnahmejahr
2003
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode
Bezirksamt
(Erstbewilligung)
HH-Mitte
26 32 58 41 43 84 37
Altona
29 25 54 16 35 51 13
Eimsbüttel
16 28 44 21 32 53 22
HH-Nord
20 14 34 21 16 37 19
Wandsbek
46 43 89 30 38 68 37
Bergedorf
20 18 38 11 16 27 16
Harburg
20 20 40 38 25 63
8
Gesamtergebnis 177 180 357 178 205 383 152
6 und älter
0 bis unter 6
2002
zusammen
6 und älter
0 bis unter 6
2001
zusammen
6 und älter
2000
0 bis unter 6
Aufnahmejahr
Drucksache 20/3107
4
Anzahl der Neuaufnahmen in Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII in den Jahren 2000 – 2011