Chapella – familiär und bündnerisch
Transcription
Chapella – familiär und bündnerisch
5 Donnerstag, 24. Juli 2008 Konzert mit dem Duo «Wiener Glasharmonika» Die 27. Ausgabe des ältesten Bündner Open Airs steht vor der Tür Klänge wie aus einer anderen Welt Chapella – familiär und bündnerisch Einem Konzert in Badehose beizuwohnen ist aussergewöhnlich. Einem einst vergessenen Instrument aus dem 18. Jahrhundert zuzuhören ebenfalls. Anlässlich des Musikfestivals XONG konnten Badegäste und Kulturinteressierte diese beiden Attraktionen im «Alpenquell» in Samnaun erleben. Fadrina Hofmann Estrada 33 Grad Celsius, eine Luftfeuchtigkeit von nahezu 80 Prozent und viel nackte Haut – diese Rahmenbedingungen für ein Konzert waren sogar für das weit gereiste Duo «Wiener Glasharmonika» aussergewöhnlich. «Wir haben bereits in einer Eishöhle gespielt, aber ein Schwimmbad ist für uns Premiere», meinte Christa Schönfeldinger. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Gerold Schönfeldinger bereist die Wienerin ganz Europa, um den Menschen die Musik der Glasharmonika nahe zu bringen. Nur rund ein Dutzend Musiker können dieses Instrument heute noch spielen. «Die Glasharmonika hat uns gefunden» Die Glasharmonika wurde Mitte des 18. Jahrhunderts von Benjamin Franklin erfunden und avancierte zum Modeinstrument. Grosse Komponisten wie Haydn, Bach und Mozart widmeten dem Instrument mit den zerbrechlich wirkenden Tönen Kompositionen. Aus unerklärlichen Gründen verschwand die Glasharmonika während 150 Jahren in die Versenkung. Das Ehepaar Schönfeldinger entdeckte es zufälligerweise in einem Zeitungsrätsel. Bereits die Beschreibung des Instruments faszinierte sie. Später haben die Berufsviolinisten die Glasharmonika in einem Museum gesehen und ein erstes Hörbeispiel erlebt. Heute sagt Christa Schönfeldinger: «Dieses Instrument zu spielen war wie ein innerer Zwang» und ihr Mann ergänzt: «Nicht wir haben die Glasharmonika gefunden, sie hat uns gefunden.» Zu Therapiezwecken Jeder kennt das Spiel mit den Weingläsern und den befeuchteten Fingerkuppen. Indem diese über den Glas- rand gleiten entstehen zarte Töne. Die Glasharmonika funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Glasharmonika ist eigentlich klingendes Glas in Schalen. Halbkugelförmige Glasschalen sind mit Korkstopfen voneinander getrennt. Goldene Streifen haben die gleiche Funktion wie die schwarzen Tasten auf einem Klavier. Die Glasschalen befinden sich auf einer gemeinsamen Achse und werden mit einem Fussantrieb in Rotation versetzt. Die Glasharmonistin sieht somit aus, als würde sie an einer alten Nähmaschine arbeiten. Die Hände allerdings gleiten zart über die Glasschalen und lassen Töne erklingen, die den Zuhörer inne halten lassen. Die Musik der Glasharmonika wird nicht von ungefähr zu Therapiezwecken verwendet. Das Ehepaar Schönfeldinger hat bereits miterlebt, wie ein Tinnitus im Ohr verschwand, wie demente Personen sich verwandelten oder hyperaktive Menschen sich beruhigten. Ein unbeschreiblicher Ton Auch die Menschen im «Alpenquellbad» in Samnaun-Compatsch wurden plötzlich ganz ruhig als die ersten Töne der Glasharmonika erklangen. Ein junger Mann meditierte während des Konzertes, eine Gruppe mit behinderten Menschen sass ganz andächtig in einer Sitzecke, keines der im Raum vorhandenen Babys schrie während der Vorstellung. Christa Schönfeldinger wurde von Gerold Schönfeldinger mit einem Verrophon begleitet. Es handelt sich um ein Instrument mit Glasröhren, die an den oberen Rändern angespielt werden. Die Palette des Musikerpaares umfasste sowohl klassische Stücke, zum Beispiel aus der «Zauberflöte» von Mozart, als auch ein Stück aus einer alten Liedersammlung des 7. Jahrhunderts oder eher experimentalistische Eigenkompositionen. Die Zuhörer verbanden das 50-minütige Hörvergnügen mit gemütlichem Baden in den Bassins oder am Rande der Wasserbecken. Nach der Vorstellung konnte niemand konkret erklären, wie sich eine Glasharmonika anhört. Mit den Worten der Glasharmonistin lässt sich der Klang lediglich umschreiben: «Es ist ein Klang, der berührt, bewegt und unglaubliche Erfahrungen hervorruft.» Das Musik-Open-Air Chapella bietet am Samstag und Sonntag zehn Live-Konzerte, wovon ein Drittel von Bündnern bestritten wird. Das kleine Festival mit der speziell lockeren Ambiance wartet zudem mit Jugendtickets und Kinderanimation auf. Marie-Claire Jur Kommendes Wochenende ist wieder mal Chapella-Time. Das kleine Open Air auf dem malerischen Gelände bei der Sust von Chapella wartet dieses Jahr mit einem vielversprechenden Musikmix und einigen Neuerungen im Rahmenprogramm auf. In gewohnt familiärer Atmosphäre werden Samstag und Sonntag zehn Bands und Solointerpreten auf der Bühne erwartet, davon drei aus der Schweiz und drei aus Graubünden. Wenige Stars, die international gross mitmischen, dafür vielversprechende Talente und bestandene Profimusiker, auch aus der nächsten Umgebung. Das Publikum darf sich auf 13 Stunden Live-Musik freuen (die Zugaben nicht mit eingerechnet) und auf den Sänger/Gitarristen/Moderator Coni Allemann, der schon durch manches Chapella-Festival führte. Auch Music made in GR Als Festival-Opener fungieren gleich zwei Bands aus Graubünden. «Rezia e Iva» mit der Band-Leaderin Ladina Peer aus Ftan bieten einen Mix aus akustischem und verpopptem Jazz: «Engiadina Soul» ganz auf Romanisch und emotional; mal fröhlich, mal melancholisch. Mit dabei die Querflötistin Katina Külling, Rico Baumann (Schlagzeug), Marco Müller (Kontrabass) und Ueli Kempter (Piano). Die zweite Band, die am Samstagnachmittag zum Zug kommt, stammt aus Untervaz: «Pro Zack» bestehen seit 2004 als Quartett. Dagmar Sigrist (Gesang), Reto Ludwig (Gitarre), Pep Ludwig (Gitarre) und Urs Stocker (Gitarre) bieten einen Stilmix aus Funk und Pop mit einem Schuss Disco Beat. Nach diesem Bündner Festivalauftakt kommen zwei Interpreten aus Grossbritannien auf die Bühne: Zuerst Philip Fogarty, der als Solosänger mit seinen Instrumenten und Hintergrundeffekts ein Konzert bestreitet, das den traditionellen irischen Sound abdeckt, aber auch Rockiges und Electronica umfasst. Auf ihn folgt dann ein Powertrio aus England mit Danny Bryant an der Spitze. Der Sänger und Gitarrist hat manche Rock- und Blues-Legende im Verlauf seiner Karriere begleitet, Auch dieses Jahr sind Bündner Musiker am Open Air von Chapella gut vertreten. Die Band «Pro Zack» aus Untervaz beispielsweise wird am Samstagnachmittag zu hören sein. darunter Joe Cocker oder Greg Allman. Die Band hat inzwischen schon sechs Alben produziert. Ob sie nur rauen Rock oder feinfühligen Blues spielen: «Danny Bryant’s Red Eye Band» mit Ken Bryant am Bass und Trevor Barr am Schlagzeug dürften den ersten musikalischen Höhepunkt des Festivals setzen. Mit «Flepp & The Däm Stimulator» steht am Samstag ein weiterer lokaler Star auf der Bühne. Der junge Bündner MC Flepp ist etlichen von den «Liricas Annales» her ein Begriff. In Chapella wird Flepp Rock, Jazz, Funk und Hip-Hop multilingual und mit einer Prise Humor präsentieren. Wer erst um Mitternacht so richtig auf Touren kommt, darf den Top Act des Abends, den Auftritt von «Betty and The Surfmaniacs» nicht verpassen. Diese Combo gehört mittlerweile zu den gefragtesten Party-Bands des Landes und spielt weltbekannte Songs von den 1950er-Jahren bis heute. Musik also, die auch in die Beine fährt. Karibik-Sound am Sonntag Der zweite Festivalstag beginnt traditionell mit sanftem Sound. Am Sonntagmorgen steht die gebürtige Holländerin Kim Bons mit ihrer Band auf der Bühne. Die Sängerin wird ihre eigenen, gefühlvollen Songs singen, von denen einige ab diesem Herbst auf ihrem Debüt-Album zu hören sein werden. Gefühlvoll gehts mit Bergitta Victor weiter. Die Songwriterin, die ursprünglich aus den Seychellen kommt und sich an Vorbildern wie George Benson oder Tracy Chapman orientiert, singt und spielt tiefgehenden Jazz-Soul und Rhythm’n’Blues. Nicht zum ersten Mal tritt William White am Chapella Open Air auf. Dieses Jahr steht er mit einem Quartett auf der Bühne. Man darf gespannt sein, welche musikalischen Überraschungen er diesmal mitbringt. «No Monkey No Stopp My Show» ist ein Calypso-Song von Wally Warning, den mittlerweile nicht nur DRS3-Hörer kennen. Reggae und andere Rhythmen aus der Karibik werden für einen warmherzigen und groovigen Festivalabschluss sorgen. Kinderprogramm ausgebaut Das OK um Präsident Daniel Grunder hat im Rahmenprogramm einige neue Akzente gesetzt: So soll Chapella ab diesem Jahr noch familienfreundlicher werden. Deswegen wurde die kostenlose Kinderbetreuung intensiviert. Zusätzlich werden sich zwei Mitglieder des Kinderzirkus Lollypop um die kleinen Festivalbesucher kümmern und mit ihnen Zirkuskunststücke einstudieren. Im gleichen Kontext sind auch die neuen Eintrittspreise für Kinder und Jugendliche zu sehen. Festivalbesucher bis zum 10. Altersjahr haben in Begleitung ihrer Eltern kostenlosen Zutritt, Kinder zwischen 10 und 16 Jahren kommen in den Genuss eines substanziell vergünstigten Tickets an der Tageskasse. Auch die 27. Ausgabe des Chapella Open Air bleibt ihrer traditionellen Festivalphilosophie treu: Live-Musik unplugged in unkomplizierter Atmosphäre, kostenloses Campieren auf dem Festivalareal, kein Alkoholausschank, kein Kommerz, dafür ein OK, Voluntaris und ein Non-ProfitVerein, die sich voll für den Anlass engagieren Mehr Infos auf www.chapella.ch. Über www.inn-tv.ch ist eine Filmvorschau einzusehen. ZUOZ Neue Ausstellung in der Galleria De Cardenas Christa und Gerold Schönfeldinger spielten im Alpenquell Samnaun-Compatsch. Fotos: Fadrina Hofmann Estrada (ep) Die Galerie Monica De Cardenas in Zuoz zeigt ab kommendem Samstag eine Ausstellung von Francesca Gabbiani mit dem Titel «The Flowers of Romance». Die in Los Angeles lebende Künstlerin ist durch ihre farbintensiven Papiercollagen bekannt geworden, die atmosphärisch aufgeladene, geheimnisvolle Innenräume oder Landschaften darstellen. Ihre neuen Arbeiten kreisen um die Pflanzenwelt: Bäume, Früchte, Blumen und Pilze mit ihrer lebhaften Präsenz in Garten, Feld und Wald, aber auch als architektonische Ornamente auf Balustraden und Stuckaturen. Gabbianis Arbeitsmethode ist komplex und zeitaufwändig: Die farbigen Papiere werden ausgeschnitten und aufgeklebt. Das Bild wird also zuerst in farbige Elemente zerlegt und dann in Schichten neu aufgebaut. Diese Schichten erzeugen eine Tiefe und perspektivische Wirkung, die gleichzeitig malerisch und plastisch ist. Francesca Gabbiani ist in Montreal geboren und in Genf aufgewachsen, wo sie an der Ecole Supérieure des Beaux Arts studierte und dreimal das Eidgenössische Kunststipendium gewann. Sie hatte 2005 eine grosse Ausstellung im Centre PasquArt in Freiburg und zeigte neue Werke im Santa Barbara Arts Forum. Ihre Arbeiten wurden im Los Angeles Museum for Contemporary Art, im Hammer Museum in Los Angeles und im Kunstverein Wolfsburg ausgestellt. Sie befinden sich unter anderen in den Sammlungen des Metropolitan Museum und des Museum of Modern Art in New York, im Los Angeles Museum of Contemporary Art und im The Hammer und Yale University Gallery Collection im New York. Die Ausstellung dauert bis zum 30. August, Dienstag bis Samstag 15.00 bis 19.00 Uhr. www.artnet.com/decardenas.html Wir sind nicht nur kreative Zeitungsmacher. Die Druckerei der Engadiner.