Der aktuelle Rohstoffstatus und die Auswirkung auf die

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Der aktuelle Rohstoffstatus und die Auswirkung auf die
6. Internationales Branchenseminar für Frauen|Meran 08
Der aktuelle Rohstoffstatus und die Auswirkung auf die Holzwerkstoffindustrie|Dr. P. Sauerwein
Der aktuelle Rohstoffstatus und die Auswirkung
auf die Holzwerkstoffindustrie
Dr. Peter Sauerwein
Geschäftsführer
Verband der Deutschen
Holzwerkstoffindustrie e. V.
Gießen, Deutschland
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6. Internationales Branchenseminar für Frauen|Meran 08
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Der aktuelle Rohstoffstatus und die Auswirkung auf die Holzwerkstoffindustrie|Dr. P. Sauerwein
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Der aktuelle Rohstoffstatus und die Auswirkung auf die Holzwerkstoffindustrie|Dr. P. Sauerwein
Der aktuelle Rohstoffstatus und die Auswirkung
auf die Holzwerkstoffindustrie
1.
Die Rohstoffpreise steigen auf breiter Front
Die Hausse bei den Rohstoffpreisen dauert nun schon im siebten Jahr an. Die Preisentwicklung ist für die Weltwirtschaft von erheblicher Bedeutung. Für die Verbraucherländer
sind die Rohstoffpreise ein wichtiger Kostenfaktor, für die Entwicklungs- und Schwellenländern, die die Rohstoffe produzieren und exportieren, sind sie ein wichtiger Faktor für
deren wirtschaftliches Vorankommen. Während die Entwicklung bei den Rohstoffpreisen
in den Medien bislang in erster Linie durch Benzin und Diesel geprägt war und beim
Verbraucher an der Zapfsäule direkt spürbar wurde, hat sich die Situation inzwischen
auch auf die Nahrungsmittel ausgeweitet.
Abbildung 1: Die Tortilla-Krise im Januar 2007
Die Tortilla-Krise im Januar 2007 hat zunächstdie Medien und dann auch einige Politiker
wachgerüttelt. In Mexiko betrug im Jahr 2006 der Preisanstieg für eine Kilo Tortilla, dem
Hauptnahrungsmittel 35 %. Die Klage der ärmeren Länder über drastisch gestiegene
Kosten für Lebensmittel hat inzwischen auch die Industrienationen erreicht.
2.
Wo liegen die Ursachen?
Neben der wachsenden Nachfrage nach Lebensmitteln auf Grund der zunehmenden
Weltbevölkerung und der positiven Wirtschaftsentwicklung, die auch in den armen Ländern zu veränderten Essgewohnheiten führt, spielt die wachsende Nachfrage nach Biokraftstoffen eine entscheidende Rolle. So geht beispielsweise das Internationale Forschungsinstitut für Ernährungspolitik (IFPRI) davon aus, dass Grundnahrungsmittel, wie
Mais und Ölsaaten, bis zum Jahr 2020 um bis zu 72 % teurer werden. Ursache für den
erwarteten Anstieg seien das chinesische Wirtschaftswachstum, die Klimaveränderung
und die wachsende Nachfrage nach Biokraftstoffen. Die Zeiten fallender Lebensmittelpreise, wie sie sich in den vergangenen Jahrzehnten darstellten, sind endgültig vorbei.
Vor allem die ehrgeizigen Ziele Europas, der USA und anderer Länder, einen wesentlichen
Teil ihres künftigen Energiebedarfs mit nachwachsenden Rohstoffen zu decken, wird – so
die Einschätzung der Experten – in den nächsten Jahren zu einer deutlichen Verteuerung
der Nahrungsmittel führen. Diese Entwicklung wird in erster Linie die Menschen in armen
Ländern treffen, weil sowohl die Preise nach oben getrieben werden, aber auch die Verfügbarkeit von Nahrung weiter eingeschränkt wird.
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3.
Bioenergie – was steckt dahinter?
Bioenergie ist die energetische Nutzung von Biomasse, also die Erzeugung von Elektrizität, Wärme oder Kraftstoffen aus Energiepflanzen, wie beispielsweise Mais, Raps, Zuckerrüben, Zuckerrohr, Soja oder Waldholz. Daneben spielen auch biogene Reststoffe, wie
Stroh, Gülle, Waldrestholz, Schlachtabfälle oder Deponiegase eine Rolle.
Weltweit wurden 2005 vom Gesamtprimärenergieverbrauch 11 % Bioenergie eingesetzt.
Fossile Energieträger, wie Kohle (25 %), Mineralöl (35 %) und Erdgas (21 %) machten
den Löwenanteil neben der Kernenergie (6 %) und der Wasserkraft (2 %) aus (Abb. 2).
Die Klimadiskussion und die stetig zunehmende CO2-Emission hat die EU veranlasst ein
ehrgeiziges Ziel zur Reduzierung der CO2-Emissionen zu formulieren. Das im Januar 2008
von der EU-Kommission vorgelegte Klimapaket sieht bis 2020 in Europa einen Anteil von
20 % erneuerbarer Energien vor. Deutschland soll seinen Anteil bei der Wärmeerzeugung
von (2007) 6,5 % auf 14 %, bei den Kraftstoffen von 7 % auf 14 % und bei der Stromerzeugung von 14 % auf 25 – 30 % erhöhen (Abb. 3).
Im Jahr 2005 leistete innerhalb der erneuerbaren Energien in Deutschland die Bioenergie
mit 72 % den größten Beitrag, gefolgt von Windenergie (14 %), Wasserkraft (11 %),
Solarenergie (2 %) und Geothermie (1 %) (Abb. 4). Die Bioenergie bzw. die Biomasse
als Energieträger in Europa, setzte sich im Jahr 2005 wie folgt zusammen: Waldholz 85
%, biogene Reststoffe 10 % und Energiepflanzen 5 %. Bislang fehlen im Bereich der Biomasse neben Holz alternative Energiepflanzen, auch sind die Anbauflächen für Energiepflanzen begrenzt. Die Politik fördert und subventioniert die vermehrte Holzverbrennung.
In Deutschland zum Beispiel durch das Marktanreizprogramm zur Holzverbrennung sowie
durch einen ermäßigten Umsatzsteuersatz für Holz als Brennstoff. Dies führt inzwischen
zu einer drastischen Rohholzverknappung.
4.
Rohstoffsituation beim Holz bleibt angespannt – politisches
Handeln gefordert
Seit 2002 stieg der Holzverbrauch in Deutschland überproportional. Mit einem Plus von
35 % (2002 – 2005) wurde der in der Charta Holz ursprünglich für den Zeitraum bis
2012 geplante Verbrauchsanstieg von 20 % bereits deutlich überschritten. In den zurückliegenden vier Jahren wurde fast doppelt so viel Holz verbraucht, wie eigentlich bis 2012
vorgesehen. Der Rohstoff Holz wird also knapp. Auf Grund avisierter oder laufender Investitionen der Holzindustrie wird erwartet, dass der Verbrauch bis 2010 um weitere 23
Mio. Fm (+22 %) zunimmt. Aber insbesondere durch die drastisch gestiegene Energieholznutzung ist politisches Handeln gefordert.
Vor einer weiteren Förderung der Nutzung von Energie aus Holz, müssen zunächst verlässliche Daten über die Rohstoffpotenziale vorliegen und das tatsächliche Nutzungs- und
Mobilisierungspotenzial in Europa richtig beurteilt werden. Bislang wird das energetisch
nutzbare Holzpotenzial in Europa bei weitem überschätzt. So werden in der EU bereits
jetzt rund 50 Mio. m³ Holz mehr eingeschlagen als statistisch erfasst sind. Nach Berechnungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO)
wird, bedingt durch die EU-Pläne zum Klimapaket, der Fehlbedarf an Holz in Europa im
Jahre 2010 185 Mio. m³ betragen und im Jahre 2020 400 Mio. m³.
In Deutschland lag die Energieholznutzung vor 20 Jahren noch bei 10 Mio. m³. Sie betrug
2005 schon 39,5 Mio. m³. Damit werden bereits 40 % des Holzaufkommens (inkl. Altholz) energetisch genutzt. Knapp 60 % davon (22,9 Mio. m³) gelangen unmittelbar aus
dem Wald, ohne vorangestellte Verwendung in der Bau- oder Möbelindustrie, zur Verfeuerung in Kamine und Holzöfen.
Waldholz deckt damit aber nur circa 1,2 % des deutschen Primärenergieverbrauchs. Dass
die Subventionen zur Holzverbrennung (Marktanreizprogramm, ermäßigter Umsatzsteuersatz) sinnlos sind, zeigt auch folgende Rechnung: Selbst bei einer Nutzung des gesamten Jahreseinschlags in Deutschland zu 100 % für energetische Zwecke, könnte der
deutsche Primärenergieverbrauch nur zu circa 3 % aus Holz gedeckt werden.
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5.
VHI-Forderung: verstärkte stoffliche Nutzung von Holz sowie
Kaskadennutzung
Aus sozioökonomischer Sicht und aus Gründen des Klimaschutzes hat der VHI wiederholt
einen Stopp der Subventionen zur direkten Holzverbrennung gefordert und die Politik
dazu aufgerufen, die politischen Rahmenbedingungen so zu setzen, dass Holz nach dem
Grundsatz der Kaskadennutzung "erst stofflich, dann energetisch" verwendet wird (Abb.
5). Diese Forderung findet inzwischen zunehmend Gehör. Nachdem zunächst die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen dies unterstützten, hat sich inzwischen auch das
Bundeswirtschaftsministerium und kürzlich auch das Bundesumweltministerium dieser
Auffassung angeschlossen und der stofflichen Holzverwendung vor der energetischen
Nutzung den Vorrang eingeräumt. In einem Forschungsprojekt, das der VHI mit Unterstützung der FNR und in Zusammenarbeit mit der Internationalen Umweltforschung
GmbH (EPEA) in Kürze starten wird, sollen die entsprechenden Möglichkeiten zur Optimierung dieses Ansatzes weiter vertieft werden.
Schließlich geht es darum, dass der Werkstoff Holz nicht aus den wesentlichen Anwendungsbereichen verdrängt wird, Arbeitsplätze verloren gehen und zusätzliche, erhebliche
Kosten für Substitute aufzuwenden sind. Da Wertschöpfung sowie Beschäftigungsfaktor
in der Holzindustrie um ein vielfaches höher sind als in der Energieerzeugung, muss dieser Grundsatz Einzug halten.
Aber auch aus ökologischer Sicht macht diese Forderung Sinn. Denn durch jeden Kubikmeter Holz, der als Ersatz für andere Baustoffe Verwendung findet, wird die CO2Emission in der Atmosphäre um durchschnittlich 1,1 t reduziert. Da in jedem Kubikmeter
Holz zudem 0,9 t CO2 fixiert sind, werden durch die stoffliche Holzverwendung insgesamt
2 t CO2 pro Kubikmeter eingespart. Ein vermehrter Einsatz von Holz zum Bauen und
Wohnen ist demnach angewandter Klimaschutz und eine größere Unterstützung für die
Erreichung der Klimaziele, als eine sofortige Verbrennung von Holz, bei der das gespeicherte CO2 gleich wieder freigesetzt wird.
6.
Ausblick
Neben der Verknappung des Rohstoffes Holz und den damit gestiegenen Holzkosten, setzen auch die steigenden Preise bei Chemierohstoffen die Holzwerkstoffindustrie unter
Druck. Eurostat berichtete im März 2008 von einem Anstieg der Industrieerzeugerpreise
in Europa gegenüber dem Vorjahresmonat um 5,7 %. Die Teuerungsrate nähert sich damit wieder den Höchstständen vom Herbst 2000 bzw. Mai und Juli 2006. Derzeit bremst
die Euro-Aufwertung noch die in US-Dollar gerechneten Verteuerungen von Öl und Rohstoffen. Während Verbrauchsgüter im Durchschnitt um 5 % zulegten, waren es bei Investitionsgütern 1,5 %. Offenbar ist es einem großen Teil der Industrie gelungen, die weiterhin steigenden Rohstoff- und Energiekosten durch höhere Verkaufspreise weiterzureichen.
Die Holzwerkstoffindustrie sah sich in den letzten 2 ½ Jahren mit einer Steigerung der
Kosten bei Bindemittel um 49 %, bei Energie um 51 % und bei Sägespänen um 60 %
konfrontiert.
Neben dem Rohstoff Holz spielen daher für die Holzwerkstoffhersteller auch die steigenden Preise bei den Chemierohstoffen eine zunehmende Bedeutung. Dies betrifft insbesondere die Preise für Melamin, Harnstoff und Methanol, Vorprodukte zur Leimherstellung. Die VHI-Mitgliedsfirmen berichteten innerhalb des letzten Jahres von einem Preisauftrieb bei Melamin um 23 %, bei Harnstoff um 44 % und bei Methanol allein vom 3. auf
das 4. Quartal 2007 um 74 %. Auch das ist zum Teil auf den Bioboom zurückzuführen.
So wird zur Erzeugung alternativer Kraftstoffe mehr und mehr Biomasse benötigt. Dem
weltweiten wachsenden Hunger nach Produktionsflächen begegnet die Landwirtschaft
durch vermehrten Einsatz von Düngemitteln. Dabei spielt Harnstoff eine zunehmende
Rolle. Aber auch für den Klimaschutz ist Harnstoff begehrt. Um die Stickoxidemissionen
zu reduzieren, wird Harnstoff beispielsweise im Rahmen der Add-Blue-Technologie dem
Kraftstoff zugeführt.
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Der aktuelle Rohstoffstatus und die Auswirkung auf die Holzwerkstoffindustrie|Dr. P. Sauerwein
Der zunehmende Wettstreit um den Rohstoff Holz und die Ausgangsprodukte Erdöl und
Erdgas zur Herstellung von Chemierohstoffen macht wahrscheinlich, dass der Preisauftrieb anhält. Daher wird es für die Holzindustrie weiterhin notwendig sein, die gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise durch die Wertschöpfungskette weiterzugeben. Hierzu
ist ein partnerschaftliches Miteinander zwischen Industrie und Handel mehr denn je nötig.
Abbildung 2: Primärenergieverbrauch 2005 (Quelle: IEA, Word Energy Outlook 2007; AG Energiebilanzen)
Abbildung 3: (Quelle: BMU)
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Abbildung 4: Struktur und Beitrag der erneuerbaren Energien 2005
Abbildung 5: Der Kohlenstoffzyklus von Holzprodukten
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