stärkung von unternehmertum und wirtschaftlicher
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stärkung von unternehmertum und wirtschaftlicher
OECD Local Entrepreneurship Reviews STÄRKUNG VON UNTERNEHMERTUM UND WIRTSCHAFTLICHER ENTWICKLUNG IN OSTDEUTSCHLAND: LERNEN VON LOKALER PRAXIS Endbericht Erarbeitet von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung März 2009 INHALTSVERZEICHNIS EINLEITUNG ................................................................................................................................ 6 Teil I: Aktuelle herausforderungen und Chancen für das Unternehmertum und die Entwicklung von KMU in Ostdeutschland ............................................................................... 9 Ostdeutschland – Perspektiven fűr Unternehmertum und regionale Entwicklung ............ 11 Einführung ............................................................................................................................... 11 Regionale Unterschiede in den ostdeutschen Ländern ............................................................ 12 Perspektiven der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung ........................................................ 15 Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf Gründungsaktivitäten ........................ 20 Wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen ............................................................................... 23 Literatur ................................................................................................................................... 26 Förderung des Unternehmertums in Ostdeutschland: Koordinierung verschiedener Politikbereiche in einem sich wandelnden wirtschaftlichen Umfeld .................................... 29 Einleitung................................................................................................................................. 29 Was ist eine unternehmerisch orientierte Wirtschaft? ............................................................. 32 Politikgestaltung in einem Multilevel-Governance-System .................................................... 36 Zusammenfassung und Ausblick ............................................................................................. 48 Literatur ................................................................................................................................... 54 Teil II: Kernbereiche der Unternehmensförderung und der KMU-Entwicklung .............. 59 Kapitel 1: Unternehmerische Kultur und Einstellungen ....................................................... 61 Kulturelle Aspekte des Unternehmertums.............................................................................. 63 Kultur und Einstellungen: Einführung und Abgrenzung ......................................................... 63 Die Situation in Ostdeutschland .............................................................................................. 69 Politische Initiativen zur Verbesserung gründungsbezogener Einstellungen .......................... 70 Literatur ................................................................................................................................... 73 Ergebnisse der lokalen Fallstudien und Handlungsempfehlungen....................................... 77 Kapitel 2: Modernisierung und Diversifizierung bestehender KMU ................................... 81 Bestehende Unternehmen zum Nachdenken über ihr Wachstum anregen ......................... 83 Einleitung................................................................................................................................. 83 Modernisierung und Diversifizierung von KMU – einige theoretische Aspekte .................... 84 Ansätze für staatliche Interventionen ...................................................................................... 94 Literatur ................................................................................................................................. 100 Ergebnisse aus den lokalen Fallstudien und Handlungsempfehlungen ............................. 105 Kapitel 3: Finanzierung des Unternehmertums ................................................................... 113 Politische Fragen bei der Finanzierung des Unternehmertums.......................................... 115 Einleitung............................................................................................................................... 115 3 Modelle des Finanzierungsverhaltens von KMU .................................................................. 116 Modelle des Verhaltens auf der Angebotsseite...................................................................... 117 Finanzmarktineffizienzen in Ostdeutschland......................................................................... 119 Finanzierungsquellen ostdeutscher Unternehmer .................................................................. 125 Handlungsempfehlung für den Abbau von Marktineffizienzen ............................................ 128 Literatur ................................................................................................................................. 132 Anhang ..................................................................................................................................... 138 Ergebnisse der lokalen Fallstudien und Handlungsempfehlungen..................................... 141 Kapitel 4: Universität, Unternehmertum und Technologietransfer ................................... 147 Stärkung von Verknüpfungen zwischen Hochschulen und Industrie ................................ 149 Einleitung............................................................................................................................... 149 Politische Fragen und Herausforderungen ............................................................................. 153 Ansätze in Bezug auf Verknüpfungen zwischen Universität und Industrie in OECDMitgliedsländern .................................................................................................................... 158 Literatur ................................................................................................................................. 161 Ergebnisse der lokalen Fallstudien und Handlungsempfehlungen..................................... 167 Kapitel 5: Unternehmertum im ländlichen Raum ............................................................... 173 Förderung des Unternehmertums im ländlichen Raum ...................................................... 175 Einleitung............................................................................................................................... 175 Probleme und Herausforderungen der Politik in Bezug auf die Entwicklung von Unternehmertum in ländlichen Gebieten ............................................................................... 177 Ansätze der Unternehmenspolitik für den ländlichen Raum in OECD-Mitgliedsländern ........................................................................................................ 186 Implikationen für die Politik zur Förderung des Unternehmertums in ländlichen Regionen Ostdeutschlands ..................................................................................................................... 189 Literatur ................................................................................................................................. 199 Ergebnisse der lokalen Fallstudien und Handlungsempfehlungen..................................... 205 Kapitel 6: Gestaltung und Umsetzung der Unternehmensförderpolitik ............................ 211 Politische Umsetzungsmassnahmen: Schwierigkeiten und Chancen für die Entwicklung des Unternehmertums ............................................................................................................. 213 Einleitung............................................................................................................................... 213 Unternehmertum und politischer Rahmen ............................................................................. 215 Herausforderungen für das Unternehmertum in Ostdeutschland........................................... 222 Schlussfolgerungen und Ausblick ......................................................................................... 231 Literatur ................................................................................................................................. 235 Lokale Fallstudien: Ergebnisse und Handlungsempfehlungen ........................................... 239 Teil III: Schlussfolgerungen und allgemeine Handlungsempfehlungen ............................. 247 Schlussfolgerungen und Empfehlungen für übergreifende Politikmassnamen ................. 249 Zersplitterung bei Politikplanung und -umsetzung angehen ................................................. 250 Unternehmenswachstum fördern ........................................................................................... 252 Unternehmerische Kultur schaffen ........................................................................................ 252 Autoren..................................................................................................................................... 255 4 Tabellen Tabelle 1. Tabelle 2. Tabelle 3. EU Strukturfonds Neue Deutsche Länder (ohne Berlin) ..................................... 38 Umfang und Art des Unternehmertums in Ostdeutschland, 1991-2005............ 214 Entwicklung des Unternehmertums in den lokalen Fallstudien ........................ 215 Abbildungen Abbildung 1. Abbildung 2. Abbildung 3. Abbildung 4. Abbildung 5. Abbildung 6. Abbildung 7. Abbildung 8. Abbildung 9. Abbildung 10. Produktivitätsniveau in den Landkreisen und kreisfreien Städten - BIP je Erwerbstätigen in Euro ................................................................................. 13 Clusterung von Regionen nach Standortfaktoren ......................................... 15 Konvergenzprozess der ostdeutschen Regionen 1999 bis 2004 ................... 18 Altersspezifische Gründungsquoten - nach Art der Selbständigkeit ............ 21 Entwicklung der Gründungszahlen bis 2020 – Ergebnisse einer shift-shareAnalyse ......................................................................................................... 22 Einflussfaktoren auf gründungsbezogene Einstellungen und Fähigkeiten sowie Gründungsaktivitäten ......................................................................... 69 Finanzstruktur bei ostdeutschen und westdeutschen KMU ........................ 120 Bedeutung verschiedener Finanzierungsquellen für ostdeutsche KMU ....................................................................................... 121 Herkunft des Privatkapitals zur Deckung des Finanzierungsbedarfs von KMU........................................................................................................... 126 Handlungsempfehlungen zur Stärkung ostdeutscher Unternehmer ........... 128 Boxen Box 1. Box 2. Box 3. Box 4. Box 5. Box 6. Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in der Förderung von unternehmerischer Einstellungen und Haltungen ............................................... 81 Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in wachsenden existierenden KMU ........................................................................................... 111 Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in der Finanzierung von Unternehmertum ............................................................................................... 146 Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in der Förderung von Unternehmertum aus Hochschulen und sich entwickelnder Verknüpfungen zwischen Hochschulen und Industrie................................................................ 172 Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in der Förderung des Unternehmertums im ländlichen Raum ............................................................ 209 Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in der Politikumsetzung ....... .......................................................................................................................... 245 5 EINLEITUNG Der vorliegende Bericht „Stärkung von Unternehmertum und wirtschaftlicher Entwicklung in Ostdeutschland: Lernen aus lokalen Ansätzen“ ist das Ergebnis eines zweijährigen Arbeitsprogramms, das sich mit den Herausforderungen und Chancen der Entwicklung von Unternehmertum in Ostdeutschland beschäftigt hat. Das Programm wurde von der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und ihrem „Local Economic and Employment Development Programme“ (LEED) in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), Abteilung Angelegenheiten der Neuen Länder durchgeführt. Im Zeitraum 2006 bis 2007 wurden eine Reihe von Treffen der Projektpartner, Vor-Ort-Untersuchungen und Workshops in ausgewählten lokalen Fallstudiengebieten in ganz Ostdeutschland durchgeführt. Auf Vorschlag der sechs beteiligten Länderministerien wurden folgende Gebiete als lokale Fallstudiengebiete ausgewählt: die Landkreise Mittweida (Sachsen) und Altenburger Land (Thüringen); die Landkreise Uckermark (Brandenburg) und Parchim (Mecklenburg-Vorpommern); das Universitätsumfeld in der Stadt Halle/Saale (Sachsen-Anhalt) sowie der Stadtbezirk MarzahnHellersdorf (Berlin). Jedes dieser lokalen Fallstudiengebiete wurde besucht; mit Vertretern kommunaler Organisationen, die in der Förderung unternehmerischen Engagements aktiv sind, sowie mit ausgewählten Unternehmern wurden Interviews und Gespräche über Barrieren und Hindernisse für unternehmerisches Engagement geführt. Im Rahmen nachfolgender regionaler Workshops wurden vorläufige Ergebnisse und Empfehlungen an die Politik mit den örtlichen Beteiligten und Vertretern des Bundesministeriums und der Länderministerien erörtert. Überdies erhielten die Teilnehmer der Workshops durch die Vorstellung von Beispielen für „Gute Praxis“ aus anderen Staaten zur Orientierung für Handlungsempfehlungen die Möglichkeit, einen interaktiven Lernprozess in den Bereichen politische Innovation und neue kommunale Ansätze der Unternehmensförderung zu durchlaufen. Für jedes lokale Fallstudiengebiet wurde ein Diskussionspapier erstellt, das jeweils eine Außenperspektive auf das lokale Unternehmensumfeld - die Chancen, die Barrieren und die allgemeineren Rahmenbedingungen – eröffnete. Die vier erstellten Diskussionspapiere sollen einen Beitrag zur Ermittlung weiteren politischen Handlungsbedarfs sowie örtlicher Maßnahmen zur Stärkung des Unternehmertums leisten. Die Schlüsselbotschaften in Hinblick auf die Empfehlungen an die Politik wurden in Aktionsplänen zusammengefasst, die die Grundlage für Gespräche über die mögliche Umsetzung der politischen Empfehlungen auf kommunaler Ebene bilden sollen. Weder die Erörterung von Stärken und Schwächen noch die Präsentation von Empfehlungen an die Politik sollten ein erschöpfendes Bild der jeweiligen örtlichen Lage zeichnen oder zu direkten politischen Maßnahmen führen. Das Ziel bestand vielmehr darin, einen Prozess zu stimulieren und zu katalysieren, in dessen Rahmen Regionen, Städte und Landkreise in Ostdeutschland die Möglichkeit zu einer Gesamteinschätzung ihrer Optionen, ihres Bedarfs und ihrer Prioritäten erhalten sollten, indem der Informationsaustausch über Innovationen und Gute Praxis zwischen einer Reihe von OECD-Mitgliedsstaaten erleichtert wurde. Die lokalen Fallstudiengebiete wurden anhand zweier Kriterien ausgewählt. Erstens sollten die Projektaktivitäten die Teilnahme dieser Standorte an einem internationalen Austausch über 6 Innovationspolitik und kommunale Ansätze der Förderung von Unternehmertum und wirtschaftliche Entwicklung erleichtern. Zweitens sollten die Resultate aus den vier lokalen Fallstudiengebieten zu einer umfassenderen Einschätzung der Herausforderungen und Chancen für die Entwicklung des Unternehmertums in Ostdeutschland beitragen. Es sollten also die örtlichen Ergebnisse der vier lokalen Fallgebietsstudien (und der sechs beteiligten Standorte) zusammengeführt und in den umfassenderen Kontext der Frage eingeordnet werden, welche Politik am besten zur Förderung und Stärkung des Unternehmertums geeignet ist und wie der kommunale Zuschnitt von Fördermaßnahmen die Effizienz der Förderpolitik erhöhen kann. Im Rahmen der Gesamtbewertung wurden zwei Dokumente erstellt: ein Online- Kompendium von Handlungsempfehlungen und der vorliegende Bericht „Stärkung von Unternehmertum und wirtschaftlicher Entwicklung in Ostdeutschland: Lernen aus lokalen Ansätzen“. Beide Dokumente konzentrieren sich auf sechs Themenfelder für weitere politische Interventionen und lokale Maßnahmen, die für die Einleitung neuer Fördermaßnahmen und/oder die Aufstockung und geographische Erweiterung bereits bestehender Fördermaßnahmen relevant scheinen. Dabei handelt es sich um folgende Themenbereiche: Unternehmenskultur und unternehmerische Einstellungen; Finanzierung unternehmerischer Engagements; Modernisierung und Diversifizierung von kleinen und mittleren Unternehmen; Universitätsumfeld und Unternehmertum; Unternehmertum im ländlichen Raum; und Unternehmenspolitik. Nicht genannte Bereiche für politische Interventionen sind aus der Diskussion nicht ausgeschlossen. In jedem der vorstehend genannten Themenbereiche wird vielmehr eine ganze Anzahl von Unterthemen zusammengeführt. Wichtige Bereiche für politische Interventionen, wie beispielsweise Innovations- und Internationalisierungsaktivitäten von KMU, werden nicht als Einzelthemen aufgeführt, sondern unter dem Aspekt Modernisierung und Diversifizierung bestehender KMU sowie unter dem Aspekt Universitätsumfeld und Unternehmertum behandelt. Der Themenbereich Unternehmertum im ländlichen Raum beinhaltet beispielsweise eine Erörterung der Themenbereiche, die über die Aktivitäten im primären wirtschaftlichen Sektor hinausgehen. Bestimmte Aspekte des Unternehmertums, wie beispielsweise der Aspekt Unternehmenskultur und unternehmerische Einstellungen, Finanzierung und Modernisierung sowie Diversifizierung werden auch in Hinblick auf den Kontext ländlicher Raum behandelt. Das Online-Kompendium (www.oecd.org/cfe/leed/entrepreneurship/compendium) wurde als praktisches Suchinstrument für Handlungsempfehlungen und Umsetzungsmethoden in den sechs genannten Themenfeldern entwickelt. Das Kompendium soll einem breiteren deutschen und internationalen Publikum Zugang zu Projektergebnissen und Handlungsempfehlungen für kommunale Ansätze zur Stärkung des Unternehmertums bieten und die Nutzung dieser Informationen ermöglichen. Überdies können von den ostdeutschen Ländern ausgewählte internationale Lernmodelle eingesehen werden, die Empfehlungen an die Politik illustrieren und Inspiration für politische Innovationen und Beispiele für „Gute Praxis“ in Ostdeutschland bieten. 7 Dieser Bericht betont sowohl die theoretischen wie die praktischen Aspekte des politischen Handelns in denen oben genannten Themenfeldern in Hinblick auf Ostdeutschland insgesamt. In kurzen Übersichten zu jedem Thema werden politische Fragen und in der Fachliteratur diskutierte Herausforderungen mit Bezug auf den ostdeutschen Kontext vorgestellt. Diese Zusammenschau bietet den Lesern des vorlegenden Berichts Einblick in die theoretische Debatte über die Rolle der Förderpolitik in der Entwicklung neuer Politiken und Strategien zur Förderung des Unternehmertums und zur Entwicklung von KMU. Eine Zusammenschau der in den lokalen Fallstudien festgestellten Herausforderungen und der Initiativen zur guten Praxis im Unternehmertum und in der Unternehmensentwicklung wird mit einer Diskussion der zweckmäßigen politischen Reaktionen in ausgewählten OECD-Ländern verbunden, wobei jeweils die Relevanz für Ostdeutschland herausgearbeitet wird. Das Online-Kompendium lässt sich auch als online zugänglicher Anhang zu diesem Bericht rezipieren. Der Bericht umfasst drei Teile. In Teil I werden gegenwärtige Herausforderungen und Chancen für das Unternehmertum und die Entwicklung von KMU in Ostdeutschland vorgestellt und erörtert. Teil II ist in sechs Themenkapitel gegliedert. Jedes Kapitel beginnt mit einem Überblick über die wichtigsten Feststellungen der OECD in den lokalen Fallstudiengebieten. Das jeweils nachfolgende Referat konzentriert sich dann auf die theoretischen und praktischen Aspekte politischer Maßnahmen in Hinblick auf die Entwicklung neuer Politiken und politischer Optionen. Abschließend werden die aus den lokalen Fallstudien hervorgehenden Handlungsempfehlungen der OECD an die Politik in Form einer „Check-Liste“ zusammen mit ausgewählten internationalen Lernmodellen und „GutePraxis“-Beispielen in Ostdeutschland vorgestellt. Teil III beschließt den Bericht mit den zentralen Handlungsempfehlungen in Bezug auf die Herausforderungen, die sich der Entwicklung von Unternehmertum in Ostdeutschland insgesamt stellen. 8 TEIL I AKTUELLE HERAUSFORDERUNGEN UND CHANCEN FÜR DAS UNTERNEHMERTUM UND DIE ENTWICKLUNG VON KMU IN OSTDEUTSCHLAND In Teil I dieses Berichtes werden aktuelle Herausforderungen und Chancen für unternehmerisches Engagement und die Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen in Ostdeutschland dargelegt und erörtert. Der erste Beitrag bietet eine Analyse der Auswirkungen regionaler Unterschiede aufgrund jeweils eigener Standortfaktoren und der jeweils überkommenen wirtschaftlichen Infrastruktur auf das Unternehmertum und die Entwicklung von KMU. Insbesondere demographische Veränderungen und die Abwanderung junger und qualifizierter Arbeitskräfte führen zu dringendem Handlungsbedarf. Ein zweiter Beitrag schließt diesen Teil des Berichtes mit einem Überblick über die bestehenden politischen Rahmenbedingungen für unternehmerisches Engagement und die Entwicklung von KMU ab, wobei sich abzeichnende Trends bei Firmenneugründungen in Ostdeutschland vor allem in den lokalen Fallstudiengebieten vorgestellt werden. 9 OSTDEUTSCHLAND – PERSPEKTIVEN FŰR UNTERNEHMERTUM UND REGIONALE ENTWICKLUNG Dr. Joachim Ragnitz, Duetschland Einführung Siebzehn Jahre nach der deutschen Vereinigung haben sich die einzelnen Regionen Ostdeutschlands spürbar auseinander entwickelt. Auf Ebene der Bundesländer gelten vor allem Sachsen und Thüringen als besonders dynamisch und wirtschaftsstark, während die übrigen drei Bundesländer (wie auch Berlin) gemeinhin als Nachzügler im Konvergenzprozess angesehen werden. Tatsächlich trifft dieses Bild so allgemein aber nicht zu: Bei einer differenzierten Betrachtung sind in allen ostdeutschen Ländern sowohl starke als auch schwache Regionen zu finden; keines der Bundesländer ist so homogen, dass die globale Sicht den besonderen Problemlagen der einzelnen Regionen gerecht würde. Die regionalen Unterschiede auf einer kleinräumigen Ebene sind in erster Linie die Folge regional divergierender Standortbedingungen einerseits und historisch gewachsener Wirtschaftsstrukturen andererseits, die nicht zuletzt als Folge der Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt bis heute überdauert haben. Darüber hinaus spielen Wanderungsentscheidungen der Bevölkerung eine Rolle; wo infolge geringer wirtschaftlicher Aktivität Arbeitsplätze knapp sind, kommt es zu Abwanderungstendenzen, die die räumlichen Disparitäten noch vergrößern. Insoweit ist zu erwarten, dass die sich heute abzeichnenden räumlichen Muster auch in den kommenden Jahrzehnten das Bild prägen dürften. Insoweit ist die Situation ähnlich wie in Westdeutschland – auch haben sich überkommene räumliche Strukturmuster bis heute erhalten. Die Wirtschaftspolitik hat sich zum Ziel gesetzt, derartige räumliche Unterschiede nicht zu groß werden zu lassen und die „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ in allen Teilregionen des Bundesgebietes zu gewährleisten. Neben Angeboten der öffentlichen Daseinsvorsorge (z.B. Zugang zu Bildungs- und Infrastruktureinrichtungen) zählt dazu auch die Schaffung eines hinreichend großen Angebots an Arbeitsplätzen für die ansässige Bevölkerung; speziell mit Blick auf Ostdeutschland wird überdies auch die Verringerung der Einkommensunterschiede hierzu gerechnet. Diesem Zweck dienen zum einen Anreize für Unternehmensansiedlungen, zum anderen aber auch Förderprogramme, die die Gründung neuer Unternehmen innerhalb der jeweiligen Region vorantreiben sollen. Inwieweit diese erfolgreich sind, wird im Rahmen dieses Forschungsprojekts der OECD näher untersucht. Darüber hinaus hat die Wirtschaftspolitik ein breit gefächertes Instrumentarium geschaffen, um Unternehmen auch nach der eigentlichen Gründungsphase Unterstützung zu gewähren, insbesondere für Investitionen sowie Forschung und Entwicklung. Im folgenden wird zunächst herausgearbeitet, welche regionalen Unterschiede in der aktuellen Wachstumsdynamik und in den Wachstumsperspektiven in Ostdeutschland bestehen (Abschnitt 2). Da die weitere Entwicklung in den neuen Ländern stark von demographischen Einflüssen geprägt sein wird, wird den Implikationen von Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung ein eigener Abschnitt gewidmet (Abschnitt 3). Die zu erwartenden Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Gründungstätigkeit in den neuen Ländern wird in Abschnitt 4 näher untersucht; hieran schließen sich 11 dann wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen zur weiteren Regionalförderung in den neuen Ländern an (Abschnitt 5). Regionale Unterschiede in den ostdeutschen Ländern Analysen zur Situation in den neuen Ländern beziehen sich zumeist auf eine aggregierte Ebene und leiten hieraus weitreichende Schlussfolgerungen für die Erfolgsaussichten des Konvergenzprozesses ab. Tatsächlich ist der Aufholprozess der neuen Ländern insgesamt in den letzten Jahren nur noch langsam vorangekommen, wenn man die Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts als Indikator hierfür wählt (durchschnittliche Zuwachsrate 2000-2006 in Ostdeutschland 1,25%, in Westdeutschland 0,8%); etwas günstiger ist das Bild, wenn man die Schrumpfung der Bevölkerung berücksichtigt, denn das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner ist auch in den vergangenen 6 Jahren mit jahresdurchschnittlich 2,0% deutlich schneller gestiegen als in Westdeutschland (1,4%). Dabei wird aber außer Acht gelassen, dass sich die Situation in den Regionen Ostdeutschlands in den vergangenen Jahren zunehmend ausdifferenziert hat. Zwar trifft die Aussage, dass es nach wie vor einen erheblichen Rückstand bei Pro-Kopf-Einkommen und Produktivität gegenüber Westdeutschland gibt, auch auf regionaler Ebene zu. Nur einige wenige Landkreise in den neuen Ländern haben inzwischen – gemessen an der Produktivität – die schwächsten Landkreise des Westen bereits einholen können, bei anderen hingegen ist der Abstand nach wie vor erheblich (vgl. auch Abbildung 1). Angesichts dieses Bildes erscheint es kaum noch sachgerecht, alle Regionen in Ostdeutschland gleich zu behandeln; eine regional differenzierte Analyse ist angebracht. Hohe regionale Produktivitätswerte werden vor allem dort erreicht, wo sich Tochtergesellschaften international orientierter Großunternehmen angesiedelt haben, so beispielsweise im Landkreis Teltow-Fläming (Zweigwerke von Daimler-Chrysler, BMW), in der Stadt Dresden (Zweigwerke von Infineon und AMD einerseits und VW andererseits) oder auch Eisenach (Zweigwerke von General Motors). Zudem spielt die Branchenstruktur in der Region eine bedeutsame Rolle; letzteres erklärt, dass beispielsweise der Landkreis Merseburg-Querfurt und die Uckermark (beides Standorte der Mineralölwirtschaft) eine überdurchschnittlich hohe Produktivität aufweisen, obwohl zumindest letztere ansonsten als Musterbeispiel für eine verlorene Region gilt. Auffällig ist weiterhin, dass eine hohe Produktivität vor allem in den Landkreisen rund um Berlin erzielt wird, Folge von Neuansiedlungen im Umland der deutschen Hauptstadt. Begünstigend wirkt sich darüber hinaus eine gute Anbindung an das Autobahnnetz aus, da diese die Erreichbarkeit der Wirtschaftszentren in Westdeutschland und im angrenzenden Ausland erleichtert. Allerdings ist dieser Faktor keineswegs hinreichend; auch bei guter Verkehrsanbindung ist die Ansiedlung von wachstumsstarken Unternehmen keineswegs gewährleistet, wenn die übrigen Standortbedingungen nicht stimmen. 12 Abbildung 1. Produktivitätsniveau in den Landkreisen und kreisfreien Städten - BIP je Erwerbstätigen in Euro 80000 Produktivität 70000 60000 West Ost 50000 40000 30000 0 200 400 600 Einw ohner Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder; eigene Berechnungen. Am anderen Ende des Skala stehen vor allem periphere Landkreise an der polnischen und tschechischen Grenze, die schon allein aufgrund ihrer Lage für Investoren wenig attraktiv sind. Auch ländlich geprägte Landkreise fallen zumeist in diese Kategorie. Dabei fällt auf, dass sich unter den schwächsten Regionen auch eine Reihe von Landkreisen aus Sachsen und Thüringen befinden; das positive Bild, das in der Öffentlichkeit von diesen beiden Ländern gezeichnet wird, findet sich also auf kleinräumiger Ebene nicht wieder. Vielmehr profitieren beide Länder von der Attraktivität und Wirtschaftskraft ihrer Zentren. Allerdings zeigt genaueres Hinsehen, dass viele ostdeutsche Agglomerationszentren bislang die ihnen zugedachte Funktion eines „Wachstumspols“ bisher noch nicht in ausreichendem Maße erfüllen können (siehe hierzu auch die Ausführungen weiter unten). Verwendet man als alternativen Indikator für die Beschreibung regionaler Unterschiede die Arbeitslosenquote, so ist ebenfalls eine erhebliche Streuung zwischen den einzelnen Landkreisen festzustellen. Dabei fällt auf, dass ein enger Zusammenhang zur regionalen Produktivität nicht besteht (Korrelationskoeffizient -0,05). Die niedrigste Arbeitslosigkeit findet sich in den Landkreisen an der ehemaligen innerdeutschen Grenze, Folge der erleichterten Möglichkeiten, von Ost nach West zu pendeln. Auch die Landkreise im Umland der großen Städte weisen eine unterdurchschnittliche Arbeitslosenquote auf, weil sich hier die Möglichkeit bietet, in der jeweiligen Kernstadt zu arbeiten. Umgekehrt weisen gerade die Landkreise mit einer hohen Produktivität häufig auch eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit auf. Grund hierfür ist der bereits angesprochene hohe Einfluss einzelner Unternehmen auf die Produktivitätskennziffer. Teils handelt es sich dabei um sehr kapitalintensive Betriebe mit entsprechend geringer Beschäftigungswirksamkeit, teils finden sich diese Produktionsstätten in Regionen, die ansonsten durch eine geringe Wirtschaftskraft gekennzeichnet sind. Insoweit sind die erwarteten Ausstrahleffekte derartiger Neuansiedlungen für die Region ganz 13 offenkundig noch nicht eingetreten, was die Sinnhaftigkeit einer Förderung von Neuansiedlungen „auf der grünen Wiese“ zumindest in Frage stellt. Wie bereits angedeutet, erfüllen die ostdeutschen Agglomerationszentren bislang nicht die Funktion eines Wachstumspols, der ihnen aufgrund ihrer Ausstattung mit Potentialfaktoren (Einwohnerdichte, Ausstattung mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Erreichbarkeit, Wirtschaftsstruktur u.a.) gemeinhin zugeschrieben wird. Zwar gibt es einige wenige Großstädte, die sowohl ein hohes Produktivitätsniveau als auch ein starkes Produktivitätswachstum aufweisen (Dresden; mit Abstrichen auch Jena), die meisten dieser Städte weisen diesbezüglich aber nur durchschnittliche oder gar unterdurchschnittliche Werte auf. Dies wiederum hat zur Folge, dass auch potentielle Ausstrahleffekte in die umliegenden Regionen bislang nur ansatzweise zum Tragen kommen. Der wesentliche Grund hierfür ist, dass gerade in den ostdeutschen Städte die transformationsbedingten Anpassungserfordernisse besonders groß waren und teilweise noch sind.1 So dominierten in gerade in den ostdeutschen Städten anfangs überdimensionierte industrielle Strukturen, die nur schwer privatisiert werden konnten; zudem behinderten gerade hier ungeklärte Eigentumsverhältnisse die Neuansiedlung von Unternehmen. Schließlich ist auch nicht zu verkennen, dass viele ostdeutsche Städte eher ungünstige „weiche“ Standortfaktoren (Freizeitmöglichkeiten, städtebauliche Verwerfungen) aufweisen und deswegen für zuziehende Fachkräfte nicht immer attraktiv sind. Letzten Endes hat dies dazu beigetragen, dass Unternehmen sich häufig eher im Umland als in den Kernstädten selbst angesiedelt haben. Eine Rolle spielt darüber hinaus aber auch, dass es in Ostdeutschland nur wenige größere Städte gibt; sieht man von Berlin einmal ab, so weisen lediglich Leipzig und Dresden Einwohnerzahlen von mehr als 500.000 Personen auf. Im Vergleich zu Westdeutschland sind die meisten ostdeutschen Agglomerationszentren lediglich als Mittelstädte anzusehen, die auch in den alten Bundesländern nur in Ausnahmefällen große wachstumsstarke Unternehmen beherbergen, die entsprechende Wachstumsbeiträge leisten können. Betrachtet man abschließend die (wachstumsrelevanten) Standortfaktoren auf einer regionalen Ebene, so lässt sich feststellen, dass viele Regionen in den neuen Ländern diesbezüglich noch immer – und teilweise auch zunehmende – Nachteile gegenüber westdeutschen Regionen aufweisen. So ist die Erreichbarkeit der jeweils nächsten Oberzentren und Agglomerationsräume in den neuen Ländern im ganzen gesehen schlechter als in Westdeutschland, das Autobahnnetz ist weniger dicht geknüpft, und die Bevölkerungsdichte als ein Maß für wirtschaftliche Agglomerationsvorteile ist deutlich niedriger als in den alten Ländern. Zudem ist die Wirtschaftsstruktur geprägt durch einen vergleichsweise hohen Anteil von wenig humankapitalintensiven Produktionen, was sowohl auf die spezifische Branchenstruktur als auch auf die Spezialisierung innerhalb der einzelnen Wirtschaftszweige zurückzuführen ist.2 Dies macht die neuen Länder unattraktiv für technologieorientierte Unternehmensgründungen bzw. –ansiedlungen, da diese häufig auf produktionsaffine Netzwerkpartner in der Region angewiesen sind. Zwar ist die Qualifikationsstruktur der Erwerbspersonen als Folge der Ausbildungswege in der DDR noch immer günstiger als in den alten Ländern, aber ein großer Teil dieser Qualifikationen ist heute – unter Marktbedingungen – nur noch eingeschränkt einsetzbar. Zudem läßt sich zeigen, dass sich die Humankapitalausstattung ostdeutscher Regionen infolge unzureichender Ausbildungsbemühungen der jungen Menschen und infolge von Abwanderung tendenziell verschlechtert.3 1 Vgl. DIW/IAB/IfW/IWH/ZEW (2002) 2 Vgl. Ragnitz (2006). 3 Vgl. Schneider (2005); Brandenburg (2006). 14 In Abbildung 2 ist das Ergebnis einer Clusteranalyse dargestellt, bei der die einzelnen Landkreise in Deutschland nach den Ausprägungen ihrer Standortbedingungen (u.a. Humankapitalintensität in der Produktion; Einwohnerdichte; Erreichbarkeit) klassifiziert worden sind. Es zeigt sich, dass sich die Problemregionen (rötliche Färbung) in den ostdeutschen Ländern häufen, während die Regionen mit günstigen Standortbedingungen (bläuliche Färbung) tendenziell eher im Westen anzutreffen sind. Gleichwohl heißt dies nicht, dass ansiedlungswillige Investoren nicht auch in Ostdeutschland günstige Standorte finden können; diese sind aber weniger reichlich, was mit ein Grund dafür ist, dass es einige wenige Regionen vor allem im südlichen Teil der neuen Länder sind, die auswärtige Unternehmen anziehen. Neben Dresden weist dabei insbesondere der mitteldeutsche Raum um Leipzig und Halle günstige Standortbedingungen auf – was in gewisser Weise damit korrespondiert, dass schon in der Vorkriegszeit sich hier das Kernland der deutschen Industrie befand. Abbildung 2. Clusterung von Regionen nach Standortfaktoren Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen. Perspektiven der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung Man könnte nun geneigt sein, die regionalen Problemlagen in den neuen Ländern als ein Übergangsphänomen anzusehen, das in erster Linie ungelöste Probleme der Vereinigungshistorie widerspiegelt und sich über kurz oder lang von selbst lösen wird. Tatsächlich sprechen aber sowohl die Erfahrungen mit strukturschwachen Regionen in Westdeutschland als auch theoretische Überlegungen gegen diese Sichtweise. So haben auch in den alten Ländern nur wenige Regionen es 15 geschafft, im Konvergenzprozess aufzuholen; den peripheren Regionen im Bayrischen Wald, an der Nordseeküste oder auch in der Südwestpfalz ist es trotz teilweise massiver finanzieller Förderung bis heute nicht gelungen, ihre Strukturschwäche zu überwinden. Neben ungünstigen Standortbedingungen kamen dabei auch erschwerend Anpassungskrisen in dominierenden Branchen (Textilindustrie, Schuhindustrie) hinzu, die in Deutschland kaum mehr wettbewerbsfähig sind. Auch das ehemalige Zonenrandgebiet hat es bislang trotz der Aufwertung seiner Lage durch die deutsche Vereinigung nicht geschafft, den Nimbus einer strukturschwachen Region abzulegen. Wenn diese Regionen dennoch zumindest ansatzweise an den Wachstumsprozessen in Deutschland haben mithalten können, so war dies zu einem nicht unbeträchtlichen Teil durch Wanderungsprozesse verursacht, die durch Rückgang der Zahl der Bevölkerung dazu beigetragen haben, dass das Pro-Kopf-Einkommen auch bei schwacher wirtschaftlicher Leistung steigen konnte. Zudem haben implizite Ausgleichsmechanismen im Rahmen des Steuer- und Transfersystems dazu beigetragen, dass die regionalen Disparitäten nicht zu groß geworden sind.4 Genau hier setzen auch theoretische Überlegungen an. Zwar kommt die neoklassische Wachstumstheorie zum Ergebnis, dass aufgrund divergierender Grenzproduktivitäten des Kapitals Konvergenzprozesse durchaus möglich und wahrscheinlich sind, doch sind die dabei zugrundegelegten Annahmen konstanter (oder sinkender) Skalenerträge und fehlender Faktormobilität in der Realität nicht erfüllt. Wenn aber in den prosperierenden Zentren aufgrund von steigenden Skalenerträgen in der Produktion, aufgrund höherer Diffusionsgeschwindigkeit des technischen Fortschritts oder aufgrund einer besseren Verfügbarkeit gut ausgebildeter Fachkräfte die Grenzproduktivität höher ist als in den strukturschwachen Regionen, kommt es nicht zu Konvergenz-, sondern zu Divergenzprozessen. Die Zentren wachsen in diesem Fall stärker als die Peripherie. Einiges spricht dafür, dass diese Darstellung die Situation in vielen Regionen Ostdeutschlands besser trifft als das einfache Konvergenzmodell. Nach der Vereinigung kam es zu einer starken Schrumpfung der Industrie in Ostdeutschland. Auch wenn sich die Industrie inzwischen auf einem dynamischen Wachstumspfad befindet, ist ihr Gewicht an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung im ganzen mit 19% deutlich kleiner als in Westdeutschland (24%). Es gibt zudem eine ganze Reihe von Landkreisen, in denen der Industrieanteil bei weniger als 10% der Wertschöpfung liegt; dies betrifft (neben den kreisfreien Städten) insbesondere die ländlich geprägten Landkreise im Norden SachsenAnhalts, in Mecklenburg-Vorpommern und in Teilen Brandenburgs. Da der gesamtwirtschaftliche Produktivitätsfortschritt infolge überregionalen Wettbewerbsdrucks und größerer Potentiale technologischen Fortschritts in starkem Maße von der Industrie determiniert wird, wird der Konvergenzprozess durch diese Spezifika der Sektorstruktur beeinträchtigt. Der ab etwa 1994 einsetzende Re-Industrialisierungsprozess wurde vor allem von Tochtergesellschaften westdeutscher bzw. ausländischer Unternehmen getragen, die in den neuen Ländern überwiegend nachgelagerte Produktionsstätten aufgebaut haben, die höherwertigen Unternehmensfunktionen aber an ihren angestammten Hauptsitzen belassen haben. Dies beeinträchtigt die Möglichkeiten zu raschen Produktivitätssteigerungen (die häufig mit der Entwicklung und Anwendung neuer Produkte und Verfahren verknüpft sind). Darüber hinaus reduzieren sich die Beschäftigungsmöglichkeiten für Angehörige bestimmter Berufsgruppen in Ostdeutschland, da in den vorhandenen Produktionsstätten überwiegend Fertigungskräfte benötigt werden. 4 Vgl. Lehmann, H. et al. (2005). 16 Soweit der Wiederaufbau der ostdeutschen Industrie durch die Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt getragen wurde, wurden die regionalökonomischen Weichenstellungen der DDR („Prinzip der dezentralen Konzentration“) fortgeführt. Häufig handelte es sich dabei um Standorte, die unter Marktbedingungen nur eingeschränkt wettbewerbsfähig sind. Aufgrund geringer Vernetzung in der Region (u. a. aufgrund des Fehlens geeigneter Partner) können Spillover-Effekte nicht ausreichend wirksam werden. Unmittelbar nach der Vereinigung und erneut in den Jahren 2000 bis 2004 kam es zu erheblichen Abwanderungen aus Ostdeutschland. Hiervon betroffen waren vor allem die peripheren Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit. Da insbesondere jüngere und gut qualifizierte Personen aus den neuen Ländern abwandern (während die Zuwanderung zu einem erheblichen Teil durch die Rückwanderung älterer Personen gekennzeichnet ist), resultiert hieraus eine Verschlechterung der Humankapitalausstattung der Abwanderungsregionen. Hinzu kommt, dass es typischerweise gerade die überdurchschnittlich leistungsbereiten und aktiven Bevölkerungsgruppen sind, die den Weg in die Fremde wagen; aufgrund dieses Selektionsprozesses verringert sich die Zahl der potentiellen Unternehmensgründer in der Abwanderungsregion. Dies dämpft die Möglichkeiten einer günstigen Wirtschaftsentwicklung zusätzlich. Auch wenn das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Ostdeutschland insgesamt seit Ende der 1990er Jahre also stärker gestiegen ist als in Westdeutschland, ist in einer ganzen Reihe von Regionen zwischen 1999 und 2004 (aktuellere Daten gibt es noch nicht) kein Konvergenzprozess zum westdeutschen Durchschnitt hin mehr festzustellen (vgl. Abbildung 3). Dies betrifft neben einigen ländlich geprägten Regionen Nordostdeutschlands auch eine Reihe von Kernstädten wie Berlin, Rostock, Schwerin oder Erfurt und deren Umland. Einige weniger Regionen haben sogar einen absoluten Rückgang des erreichten Einkommensniveaus (je Einwohner gerechnet) hinnehmen müssen. Ein höheres Wachstum des Bruttoinlandsprodukts je Einwohner als in Westdeutschland ist demgegenüber in den Landkreisen Sömmerda, Merseburg-Querfurt und Teltow-Fläming sowie den Kreisfreien Städten Eisenach und Dresden zu verzeichnen, die als Standorte von erfolgreichen Großunternehmen bekannt sind. 17 Abbildung 3. Konvergenzprozess der ostdeutschen Regionen 1999 bis 2004 40 BIP je Einw. 2004 35 30 25 20 15 10 10 15 20 25 30 35 BIP je Einw. 1999 Ostdeutschland Durchschnitt Westdeutschland Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder; eigene Berechnungen. Die größte Herausforderung für die weitere wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Ländern besteht in der absehbaren Bevölkerungsentwicklung. Natürlich sind Bevölkerungsprognosen über einen Zeitraum von mehreren Jahren nicht ganz unproblematisch, da insbesondere die Wanderungsbewegungen nur schwer prognostiziert werden können. Diese hängen überdies in erheblichem Maße vom wirtschaftlichen Erfolg einer Region (und damit vom Angebot an Arbeitsplätzen) ab, sind insoweit also nicht exogen bestimmt. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass Ostdeutschland in den nächsten 10 bis 15 Jahren weiterhin einen erheblichen Bevölkerungsschwund erleiden wird, verbunden mit einem starken Anstieg des Durchschnittsalters sowohl der Bevölkerung insgesamt als auch der erwerbsfähigen Bevölkerung. Nach den Ergebnissen der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung wird die Bevölkerung in Ostdeutschland von 2005 bis 2020 um etwas mehr als 10% abnehmen, wobei das Durchschnittsalter um mehr als 4 Jahre von jetzt 44,2 auf 48,6 Jahre steigen wird. Noch dramatischer sind die Entwicklungen, wenn man sich allein auf die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter konzentriert; hier beträgt der Rückgang mehr als 20%, und das Durchschnittsalter steigt von 40,4 auf 44,1 Jahre. Noch größer sind die Unsicherheiten einer Bevölkerungsprognose auf kleinräumigerer Ebene, da hier die Wanderungsbewegungen einen noch größeren Einfluss auf die Bevölkerungsentwicklung haben können. Die vorliegenden Schätzungen weisen gleichwohl darauf hin, dass insbesondere die peripheren Regionen Ostdeutschlands ganz erhebliche Bevölkerungsverluste werden hinzunehmen haben, während die ostdeutschen Ballungszentren eher stagnierende oder nur leicht sinkende Bevölkerungszahlen aufweisen werden. Die Veränderung der Bevölkerungszahl beeinflusst nun die wirtschaftliche Entwicklung in einer Region auf mehrfache Weise:5 5 Vgl. hierzu genauer Ragnitz et al (2007). 18 Der Rückgang der Bevölkerung führt für sich genommen zu einer Reduktion der Güternachfrage in der Region. Soweit sich diese auf „nicht-handelbare“ Güter (z.B. viele Dienstleistungen, transportkostenintensive Produkte) richtet, kommt es in der Folge unmittelbar zu Produktionseinschränkungen mit entsprechend negativen Auswirkungen auch auf die Arbeitsnachfrage. Die Produktion von „handelbaren“ Gütern ist hingegen nachfrageseitig weitgehend unabhängig von der demographischen Entwicklung in der Region. Eine Verringerung der Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter kann zu einer Verringerung des Angebots an Arbeitskräften führen, soweit nicht bislang ungenutzte Potentiale (Arbeitslose; Frauen; ältere Erwerbspersonen) ausgeschöpft werden. Unternehmen werden daher zunehmende Schwierigkeiten haben, ihren Arbeitskräftebedarf zu decken, was entweder direkt zu Produktionseinschränkungen oder zu knappheitsbedingt steigenden Arbeitskosten führen kann. Dieser Effekt wird allerdings gedämpft, wenn aufgrund sinkender Nachfrage die Produktion ohnehin gedrosselt werden muss. Die mit dem demographischen Wandel verbundene Alterung des Erwerbspersonenpotentials (und damit auch der Erwerbstätigen) kann zu einer Verlangsamung des Produktivitätsfortschritts führen. Hier ist weniger eine mit dem Alter möglicherweise zurückgehende physische Leistungsfähigkeit von Arbeitskräften relevant, sondern vor allem eine sich verschlechternde Ausstattung mit „modernem“ Humankapital. Da nämlich der Anteil älterer Personen an den Belegschaften der Unternehmen steigt, verringert sich die Diffusionsgeschwindigkeit neuen Wissens, sofern nicht verstärkt in Weiterbildungsaktivitäten investiert wird. Besonders problematisch ist dies in technologieorientierten Bereichen, da die Aufnahme neuen technologischen Wissens entsprechendes Vorwissen voraussetzt. Insoweit kann sich auch die Innovationstätigkeit in einer schrumpfenden und alternden Gesellschaft verringern. Ältere Personen sind in der Tendenz weniger mobil als jüngere Menschen. Dies gilt sowohl mit Blick auf räumliche, sektorale, berufliche und betriebliche Veränderungen. Grund hierfür sind höhere individuelle Kosten eines Wechsels aus bisherigen gesellschaftlichen und betrieblichen Zusammenhängen. Insoweit kann in einer alternden Gesellschaft der Strukturwandel verlangsamt werden, was sich wiederum negativ auf das Produktivitätswachstum auswirken wird, zumal ältere Gesellschaften in der Tendenz wohl auch weniger attraktiv für Neuansiedlungen von Unternehmen (sofern diese nicht altenspezifische Produkte und Dienstleistungen in der Region ansetzen wollen) sein dürften. Schließlich – und das ist im Zusammenhang dieses Projekts von besonderer Bedeutung – können sich Bevölkerungsschrumpfung und -alterung negativ auf die Zahl der Unternehmensgründungen in einer Region auswirken. Dieser Punkt soll im nächsten Abschnitt der Arbeit näher betrachtet werden. Nachfrageseitig sind darüber hinaus Änderungen in der Struktur der Konsumgüternachfrage zu erwarten (Verschiebungen zugunsten „altenspezifischer“ Güter), wobei diese aber nach vorliegenden Studien im ganzen von eher geringer Bedeutung sein dürften (Lehmann (2004)). Für einzelne hochspezialisierte Branchen können aber auch diese Effekte durchaus spürbare Auswirkungen haben. Aus diesem kurzen Abriss möglicher Wirkungen folgt, dass die demographische Entwicklung in Ostdeutschland und seinen Regionen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit negativ in der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung niederschlagen dürfte. Tatsächlich gibt es eine Reihe von Studien, die sich explizit mit den Auswirkungen der Bevölkerungsschrumpfung und –alterung auf das künftige 19 Wirtschaftswachstum in Ostdeutschland beschäftigen, und diese kommen zu eher pessimistischen Einschätzungen. So kommen Ragnitz et al. (2007) zu dem Ergebnis, dass das reale Bruttoinlandsprodukt in den ostdeutschen Ländern wegen der Schrumpfung des Erwerbspersonenpotentials unter bestimmten Annahmen zur Entwicklung von Produktivität und Erwerbstätigenquote bis zum Jahr 2020 nur noch um rund 1,3% jährlich zunehmen dürfte; infolge des gleichzeitigen Rückgangs der Einwohnerzahl insgesamt dürfte zwar das BIP je Einwohner noch um 2% steigen, der Angleichungsprozess zum Westen hin würde aber nur noch verlangsamt vorankommen. Deutsch et al. (2004) kommen in einer Projektionsrechnung auf Basis eines growthaccounting-Ansatzes sogar zu dem Ergebnis, dass das BIP pro Kopf von rund zwei Dritteln des westdeutschen Niveaus im Jahre 2002 infolge demographischer Entwicklung auf weniger als 60% im Jahre 2020 zurückgehen dürfte. Es ist offenkundig, dass diese negativen Trends in Regionen mit besonders starkem Bevölkerungsrückgang noch viel stärker ausgeprägt sein werden. Auch dies spricht dafür, dass der Konvergenzprozess gerade bei regional differenzierter Betrachtung künftig nur noch wenig vorankommen wird. Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf Gründungsaktivitäten Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt angesprochen, dürfte sich die demographische Entwicklung auch negativ auf die Zahl künftiger Unternehmensgründungen auswirken. Hier sind mehrere Wirkungskanäle zu unterscheiden. So ist einerseits zu erwarten, dass sich die Alterung und Schrumpfung des Erwerbspersonenpotentials direkt in einer Verminderung der Zahl potentieller Gründerpersonen niederschlägt, weil eine Unternehmensneugründung typischerweise am Beginn einer Erwerbsbiographie erfolgen. Andererseits verändern die demographischen Trends auch die ökonomischen Rahmenbedingungen, unter denen Neugründungen stattfinden. In diesem Abschnitt sollen diese direkten und indirekten Zusammenhänge empirisch überprüft werden.6 Auch wenn in der Gründungsforschung die primär personenorientierte Sichtweise des Gründungsgeschehens inzwischen an Einfluss verloren hat, wird den individuellen Charakteristika von Existenzgründern doch ein wesentlicher Einfluss zugeschrieben. Insbesondere die im demographischen Kontext wichtigen Eigenschaften des Alters und des Geschlechts, aber auch des Familienstandes werden regelmäßig als signifikante Einflussgrößen identifiziert (KfW (2004)). Eine Auswertung des Mikrozensus 2002 zeigt, dass vor allem in der Generation der 25- bis 39jährigen die Gründungswahrscheinlichkeit überdurchschnittlich hoch ist. In den älteren Kohorten der über 54jährigen hingegen finden Gründungen in nennenswerter Anzahl nicht mehr statt (vgl. Abbildung 4). Regressionsschätzungen zeigen überdies, dass neben dem Alter eine Reihe weiterer personenbezogener Faktoren (Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Familienstand), das Qualifikationsniveau der Gründer sowie auch umweltspezifische Einflüsse (Gemeindegröße, Selbständigenquote im jeweiligen Bundesland) eine gewichtige Rolle spielen (Ragnitz et al (2007) S. 83ff). Aus den Regressionsschätzungen lässt sich dabei ein umgekehrt U-förmiger Verlauf der Gründungsneigung ermitteln, wobei das Maximum der Gründungswahrscheinlichkeit bei 32,6 Jahren liegt. Ab dem Alter von 45 Jahren liegt die Gründungsneigung bereits wieder unter den Werten für die 20jährigen. Dabei sind die Gründer von Unternehmen des sekundären Sektors im Durchschnitt deutlich älter als Gründer von Unternehmen des Dienstleistungssektors. 6 Die Ergebnisse des folgenden Kapitels basieren auf Vorarbeiten, die das IWH in einer Studie für das Bundeswirtschaftsministerium erarbeitet hat. Vgl. Ragnitz et. al. (2007). 20 Abbildung 4. Altersspezifische Gründungsquoten - nach Art der Selbständigkeit 1,2% 1,0% 0,8% 0,6% 0,4% 0,2% 0,0% 18-24 25-29 30-34 Selbstständige o hne B eschäftigte 35-39 40-44 45-49 Selbstständige mit B eschäftigten 50-54 55-59 60-65 M ithelfende Familienangehö rige Quelle: Ragnitz et al. (2007) Für die zurückgehende Gründungsneigung bei zunehmendem Alter gibt es eine ganze Reihe intuitiver Erklärungen. Ein wesentlicher Aspekt ist sicherlich die individuelle Lebensgestaltung (also die Entscheidung zwischen Selbständigkeit und abhängiger Beschäftigung), die in ihren Grundzügen am Anfang des Berufslebens geklärt werden muss. Hinzu kommt, dass mit zunehmendem Alter und sozialer Bindung sowohl die räumliche als auch die berufliche Mobilität abnimmt und einmal eingeschlagene Berufswege nicht mehr so leicht verlassen werden. Hierfür spielen neben psychologischen Faktoren auch ökonomische Gründe eine Rolle, weil etwaige Senioritätskomponenten in der Entlohnung die Opportunitätskosten der Gründung für ältere Beschäftigte erhöhen. Eine weitere entscheidende Rolle dürfte die Entwertung von Humankapital spielen. Im Schnitt liegt die berufliche Ausbildung bei Älteren weiter zurück, wodurch insbesondere Gründungen in wissensintensiven Segmenten unwahrscheinlicher werden. Hinzu kommt, dass mit steigendem Alter der Anteil spezifischen Wissens am individuellen Humankapital zunimmt, das durch einen beruflichen Wechsel (also auch eine Gründung) zum Teil entwertet würde. Auch damit steigen die Opportunitätskosten einer Gründung. Schließlich kommt hinzu, dass die Risikoneigung Älterer tendenziell abnimmt, weil die Zeit zum Aufbau von risikotragendem Vermögen in einer Neugründung mit zunehmendem Alter immer knapper wird. Außerdem dürften junge Existenzgründer weniger Kreditrestriktionen von Banken gegenüberstehen, da der Barwert des zukünftigen Einkommens und damit auch das pfändbare Vermögen ceteris paribus höher ist als bei älteren Personen. Wird unterstellt, dass die aus dem Mikrozensus ermittelten Gründungsquoten in den nächsten Jahren unverändert bleiben (was impliziert, dass die demographische Entwicklung die Rahmenbedingungen für Unternehmensneugründungen unverändert lässt), so kann mit Hilfe einer shift-share-Analyse eine Abschätzung der künftigen Gründungszahlen vorgenommen werden.7 Bei dieser Rechnung wird ermittelt, wie sich die Zahl der Gründungen allein aufgrund demographischer Einflüsse (unterschiedlich starke Veränderung der Besatzziffern in den einzelnen Alterskohorten) verändert. Wie Abbildung 5 zeigt, wird danach bis zum Jahr 2020 die Zahl der neuen Selbstständigen im Ostteil Deutschlands um über 25% sinken. Besonders betroffen davon sind Brandenburg und 7 Wie bereits erwähnt, ist nicht auszuschließen, dass die Gründungsneigung in der Bevölkerung insgesamt auch deswegen sinkt, weil die Wanderungsbereitschaft bei potentiellen Gründern höher. Allerdings liegen hierüber bislang keine empirischen Ergebnisse vor. 21 Mecklenburg-Vorpommern; Berlin hingegen wird nur einen eher geringen Rückgang der Gründungszahlungen hinzunehmen haben. Abbildung 5. Entwicklung der Gründungszahlen bis 2020 – Ergebnisse einer shift-share-Analyse 70000 60000 50000 40000 30000 20000 10000 0 2002 2004 18-24 2006 25-29 2008 30-34 2010 35-39 2012 40-44 2014 45-49 50-54 2016 55-59 2018 2020 60-65 Source: Ragnitz et al. (2007). Eine Aufgliederung in die demographischen Einzeleffekte zeigt, dass der überwiegende Teil des Rückgangs der Gründungszahlen bis 2020 der Bevölkerungsschrumpfung in Ostdeutschland geschuldet ist. Allein dies trägt zu einem Rückgang der Gründungen um 17% bei. Die Alterung, also die Verschiebungen in der Altersstruktur, führt für sich genommen nur zu einem Rückgang der Gründungszahlen um 8%. Die Entscheidung, sich selbständig zu machen, ist allerdings nicht allein von den persönlichen Charakteristika des potentiellen Gründers abhängig. Vielmehr wird die Entscheidung maßgeblich durch die angebots- und nachfrageseitigen Bedingungen in der jeweiligen Region mitbestimmt. Die demographische Entwicklung kann das Gründungsgeschehen damit nicht nur direkt über das Potential an geeigneten Gründerpersonen beeinflussen, sondern ebenfalls über die sich demographiebedingt ändernden ökonomische Rahmenbedingungen. Da mit abnehmender Bevölkerung auch die Güternachfrage in einer Region zurückgeht, verschlechtern sich die Bedingungen für Unternehmensgründungen in Sektoren, die vornehmlich nicht-handelbare Güter herstellen. Hiervon betroffen sind insbesondere der (haushaltsnahe) Dienstleistungssektor sowie das primär lokal orientierte Handwerk. Für die Produktion von handelbaren Gütern sind hingegen eher die angebotsseitigen Bedingungen von Relevanz und damit die Verfügbarkeit und der Preis von Arbeitskräften, Humankapital und Wissen. Eine gute Ausstattung mit Humankapital sollte Gründungen dabei ebenso begünstigen wie ein moderates Lohnniveau. Auch diese Faktoren werden sich aber durch die demographische Entwicklung tendenziell verschlechtern. Ökonometrische Schätzungen bestätigen diese Überlegungen. Neben der Einwohnerdichte hat vor allem in Ostdeutschland auch die Höhe der verfügbaren Einkommen in einer Region einen signifikanten Einfluss auf die Zahl der Unternehmensgründungen; dies gilt insbesondere für eher lokal 22 orientierte Kleingründungen. Darüber hinaus zeigt es sich, dass auch die Erreichbarkeit einer Region einen gewichtigen Einfluss auf die Zahl der Gründungen ausübt; periphere Regionen weisen signifikant geringere Gründungszahlen auf. Dies entspricht dem Vorverständnis, dass Lagegunst und Infrastrukturanbindung einen bedeutsamen Standortfaktor auch für Gründungen darstellen. Alles in allem ist damit zu rechnen, dass die Gründungsintensitäten gerade in den vom demographischen Wandel besonders stark betroffenen Regionen deutlich zurückgehen werden. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass ein alterungsbedingter Strukturwandel zu einem Gründungsimpuls in bestimmten Branchen (z.B. Gesundheits- und Freizeitdienstleistungen) führen könnte. Eine nachlassende Zahl von Gründungen kann negative Impulse auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Ländern auslösen. Unternehmensgründungen sind zum einen wichtig zur Sicherung des Unternehmensbestandes, denn schon aus Altersgründen werden künftig eine ganze Reihe von Unternehmen schließen müssen. Die große Gründungswelle in Ostdeutschland datiert aus den Jahren 1990-1992; unterstellt man, dass der größte Teil der damaligen Unternehmensgründer in den kommenden Jahren in den Ruhestand tritt, so ergeben sich aus der geringeren Zahl potentieller Selbstständiger erhebliche Nachfolgeprobleme in diesen Unternehmen (vgl. Berlemann u.a. (2007)). Zum anderen sind Neugründungen von Unternehmen wichtig zur Erneuerung der technologischen Basis einer Volkswirtschaft und zur Durchsetzung innovativer Ideen; soweit aus demographischen Gründen die Zahl der Gründungen zurückgeht, reduziert sich damit auch die technologische Basis für erhöhtes Wirtschaftswachstum. Beides spricht dafür, dass die Politik der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Existenzgründungen auch künftig hohe Beachtung schenken sollte. Wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen Es stellt sich die Frage, ob und wie die Wirtschaftspolitik auf die gedämpften Konvergenzaussichten der ostdeutschen Wirtschaft mit spezifischen Maßnahmen reagieren soll. Das „ob“ ist dabei keineswegs trivial; es gibt in Europa und weltweit eine ganze Reihe von Beispielen dafür, dass die Wirtschaftspolitik die Entleerung und damit die wirtschaftliche Schwächung auch größerer Gebietsteile hingenommen oder sogar aktiv gefördert hat. Darüber hinaus gibt es Beispiele für altindustrielle Regionen, wo nach mehreren Jahre oder gar Jahrzehnten sich endogene Potentiale neu entwickelt haben und zu wieder steigender Prosperität beigetragen haben. Gerade weil die räumlichen Entfernungen zwischen den peripheren Regionen in Ostdeutschland und den wirtschaftlichen Zentren in den neuen Ländern selbst bzw. in Westdeutschland und dem angrenzenden Ausland nicht besonders groß sind, wäre ein Verzicht auf ausgleichende Regionalpolitik möglicherweise auch mit nur geringen Anpassungslasten für die betroffene Bevölkerung verbunden. Die die deutsche (und zunehmend auch die europäische) Regionalpolitik prägende Vorstellung einer „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ spricht allerdings dafür, dass die Politik auch künftig regionalpolitische Maßnahmen ergreifen wird, die dem Ausgleich regionaler Divergenzen dienen sollen. Insoweit ist die Frage nach dem „ob“ von regionalen Ausgleichspolitiken eher akademischer Natur. Vielmehr ist dann zu überlegen, mit welchen Maßnahmen eine günstigere Entwicklung vor allem in den peripheren Regionen erreicht werden kann. Die bisher verfolgte regionalpolitische Strategie setzte (neben der sozialpolitischen Flankierung) vor allem auf Investitionshilfen für Unternehmen sowie auf die Unterstützung der regionalen Innovationstätigkeit. Dabei ist zunehmend eine Gewichtsverlagerung zugunsten der Innovationsförderung festzustellen. Hierfür spricht tatsächlich einiges, da der Kapitalstock in bestehenden Unternehmen inzwischen weitgehend modernisiert und an westdeutsche Kapitalintensitäten angeglichen ist; lediglich mit Blick auf die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze haben Investitionshilfen weiterhin ihre Berechtigung. Auch aus diesem Grund haben der Bund und die 23 meisten ostdeutschen Länder inzwischen die Gewährung von Investitionszuschüssen und –zulagen an die Bedingung der Schaffung neuer Arbeitsplätze gekoppelt. Die Innovationsförderung hingegen zielt unmittelbar auf die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit bestehender Unternehmen und kann auf diese Weise in stärkerem Maße als die reine Investitionsförderung dazu beitragen, die vorhandene Unternehmensbasis zu stabilisieren. Durch ihren Einsatz als regionalökonomisches Instrument ist die Innovationsförderung dabei zunehmend auch breit einsetzbar, also nicht mehr nur allein auf bestimmte Technologiebereiche beschränkt. Dies hat dazu beigetragen, auch in anderen Sektoren als dem typischen „Hochtechnologiebereich“ die Innovationstätigkeit anzuregen und damit die regionale Wirtschaftsstruktur zu stärken. Zum Ausdruck kommt dies insbesondere in den Förderprogrammen des BMBF, die unter der Überschrift „Unternehmen Region“ firmieren und die in ihren verschiedenen Programmschwerpunkten einen expliziten regionalen Ansatz wählen, der weitgehend unabhängig ist von technologischen Überlegungen. Dementsprechend werden beispielsweise auch innovative Konzepte im Dienstleistungssektor oder im Tourismusbereich als förderfähig angesehen Die stärkere Betonung der Innovationsförderung (bei gleichzeitiger Beibehaltung ausgewählter Investitionsförderprogramme) kann überdies auch als ein Mittel zur Stabilisierung bereits bestehender Unternehmen interpretiert werden. Zwar ist es in einer Marktwirtschaft hinzunehmen, dass nicht wettbewerbsfähige Unternehmen aus dem Markt ausscheiden; angesichts der in vielen Fällen aber noch unzureichenden Eigenkapitaldecke von Unternehmen und bestehender Unvollkommenheiten der Kreditmärkte insbesondere für Innovationsfinanzierungen ist es aber gerechtfertigt, dass der Staat auch „Bestandspflege“ betreibt. Dies darf aber nicht dazu führen, dass unvermeidliche Bereinigungsprozesse unterbunden werden. Hierzu kann es beitragen, wenn Gelder in vermehrtem Maße in Form von Darlehen (anstelle verlorener Zuschüsse) ausgereicht werden. An der skizzierten grundlegenden Ausrichtung der Förderpolitik für die neuen Länder sollte auch künftig festgehalten werden. Grundsätzlich sollte dabei aber eine stärkere Selektivität greifen, und zwar in technologischer und auch regionaler Hinsicht. Fördermittel sollten nach Möglichkeit auf die entwicklungsfähigen Branchen einer Region konzentriert werden, um auf diese Weise nachhaltige Effekte für die weitere wirtschaftliche Entwicklung zu erzielen. Hier ist insbesondere auch an die tatsächlichen und potentiellen Wachstumspole zu denken. Ob dies aber ausreicht, die zu erwartende Erosion der wirtschaftlichen Basis gerade in den peripheren Regionen aufzuhalten, ist eher ungewiss. Vielmehr spricht einiges dafür, hier vermehrt auch auf die Neuansiedlung bzw. Neugründung von Unternehmen zu setzen. Da es aber illusorisch erscheint, durch Ansiedlungshilfen international agierende Großunternehmen zur Wahl eines Standorts gerade in diesen Regionen zu bewegen, wird man sich dabei vor allem auf die Stärkung endogener Gründungspotentiale konzentrieren müssen. Die Ansiedlungsförderung – die auch ihre Berechtigung hat – sollte hingegen vor allem auf die Agglomerationsräume konzentriert werden, auch damit diese sich zu echten „Wachstumspolen“ mit entsprechenden Ausstrahleffekten hin entwickeln können. Wie die Ausführungen in Abschnitt 4 gezeigt haben, wird die Erweiterung der unternehmerischen Basis durch Existenzgründungen vor allem durch die zu erwartende demographische Entwicklung erschwert. Es scheint wenig sinnvoll, dem mit bevölkerungspolitischen Maßnahmen entgegenwirken zu wollen. Soweit diese sich auf Anreize zur Änderung des Gebärverhaltens richten, kann dies bestenfalls langfristige Effekte haben; soweit es um eine Verbesserung der sozialen Lebensbedingungen in von Abwanderung geprägten Regionen handelt, verkennt dies die in den meisten Fällen ausschlaggebende Ursache für Wanderungsbewegungen, nämlich dem Mangel an Arbeitsplätzen und damit an Perspektiven in der Region. Insoweit ist eine Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung auch mit Blick auf demographische Entwicklung zwingend erforderlich. 24 Gleichwohl kann und sollte dem negativen Einfluss des Rückgangs der Bevölkerungszahl in den jüngeren Kohorten im Hinblick auf Gründungsaktivitäten in den einzelnen Regionen in verschiedener Weise entgegengewirkt werden, wobei dies grundsätzlich für ganz Deutschland gilt. Erforderlich ist es zunächst, dass die Selbständigkeit als Alternative zur abhängigen Beschäftigung stärker propagiert wird. Hierzu ist vermutlich bereits in der Schulausbildung anzusetzen, da viele Lehrer – gerade auch in Ostdeutschland – ihren Schülern ein negativ verzerrtes Bild des Unternehmers vermitteln. Auch an den Universitäten sollte verstärkt für die Selbständigkeit geworben und ausgebildet werden, so durch die Vermittlung entsprechender Kenntnisse auch in anderen als betriebswirtschaftlichen Studiengängen. Ein zweiter Ansatz ist es, die Risiken einer Unternehmensgründung gerade auch für ältere Personen zu mindern. Hierzu käme beispielsweise eine Versicherungslösung in Betracht, indem Existenzgründer mit geringen (oder auch: einkommensabhängigen) Beiträgen Ansprüche gegen die Gesetzliche Arbeitslosenversicherung für den Fall eines Scheiterns ihres Vorhabens erwerben können. Darüber hinaus scheint es gerade für ältere Gründer wichtig zu sein, entsprechende Beratungsangebote nutzen zu können; diese sollten gegebenenfalls vom Staat subventioniert werden. Schließlich ist es sicherlich erforderlich, die vorhandenen Instrumente der Gründungsfinanzierung fortzuführen, wobei hier vor allem darauf zu achten ist, dass das Hausbankprinzip nicht dazu missbraucht wird, überhöhte Anforderungen an Bonität und Zukunftsfähigkeit eines Gründungsvorhabens zu stellen. Auch hierbei sollten verstärkt Darlehen (im Sinne revolvierender Fonds) vergeben werden, da diese mit Blick auf ihre Anreizwirkungen (Rückzahlungsverpflichtungen) und ihrer eigenkapitalsubstituierenden Wirkungen (Verbesserung der Kreditwürdigkeit) günstiger einzuschätzen sind als die Förderung mittels „verlorener Zuschüsse“. Zudem kann auf diese Weise der absehbaren Verminderung des verfügbaren Fördermittelvolumens entgegengewirkt werden. Ein bislang nur unzureichend ausgeschöpftes Potential von Unternehmensgründungen stellen Ausgründungen aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen einerseits und forschenden Großunternehmen andererseits dar. Zwar sind dies typischerweise nicht in den peripheren Regionen angesiedelt; gleichwohl könnten vermehrte Gründungen auch in den Agglomerationsräumen die strukturelle Schwäche der ostdeutschen Ballungszentren überwinden helfen und auf mittlere bis lange Sicht dazu beitragen, dass diese die Funktion von Wachstumspolen einnehmen, die dann auch in die Peripherie ausstrahlen. Neben den bereits angesprochenen Anreizen für vermehrte Selbständigkeit können hierzu erleichterte Möglichkeiten eines Wechsels von Forschungseinrichtungen in die Wirtschaft und zurück beitragen. Bei alledem ist freilich zu bedenken, dass Gründungen angesichts schrumpfender Bevölkerung nur dann hohe Wachstumsbeiträge für die regionale Entwicklung leisten können, wenn sie nicht primär auf die lokale Nachfrage ausgerichtet sind, sondern auf die Erschließung überregionaler Märkte abzielen; in diesem Fall entfällt die Abhängigkeit von der tendenziell nur noch schwach zunehmenden Binnennachfrage in Ostdeutschland selbst, weil Einkommen von außen attrahiert werden können. Bei Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmensgründungen sollte dieser strukturelle Effekt beispielsweise durch gestaffelte Fördersätze berücksichtigt werden. Mit Blick auf den demographisch bedingten Fachkräftemangel ist es weiterhin sinnvoll, verstärkt in das Bildungssystem zu investieren. Derzeit verlässt ein überproportional hoher Anteil aller Schüler das Schulsystem ohne jeden Abschluss, was nicht nur damit zu tun haben dürfte, dass es in den neuen Ländern relativ viele bildungsferne Bevölkerungsschichten gibt, sondern auch auf eine zu geringe individuelle Förderung von Schülern mit Lernproblemen zurückzuführen sein dürfte. Zudem ist die Studierneigung insbesondere von jungen Männern in Ostdeutschland deutlich niedriger als in Westdeutschland. Dementsprechend ist die Politik gefordert, auf allen Ebenen des Bildungssystems Verbesserungen zu erzielen, so durch Verjüngung des Lehrpersonals an den Schulen, durch 25 Überarbeitung der Lehrpläne und durch Schaffung attraktiver Studienbedingungen. Nicht zu vernachlässigen ist überdies die Weiterbildung bereits erwerbstätiger Personen; im europäischen Vergleich weist Deutschland insgesamt relativ niedrige Weiterbildungsquoten auf, insbesondere bei Personen im Alter von 50 Jahren und mehr. Auch wenn die Notwendigkeit einer Änderung dieser Situation allmählich erkannt zu sein scheint, ist insbesondere in Ostdeutschland der Zwang zu handeln besonders stark ausgeprägt. Alles in allem ist es notwendig, verstärkt die regionalen Akteure in die Konzipierung regionaler Entwicklungsstrategien einzubinden. Gerade in den peripheren Regionen herrscht vielfach noch eine passive Grundhaltung vor, die auf Impulse „von oben“ vertraut, was nicht zuletzt eine Spätfolge der DDR ist. Gerade dort, wo die engagierteren Bevölkerungsschichten inzwischen abgewandert sind, stellt dies ein nicht zu unterschätzendes mentales Hindernis für die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage dar, das nur durch Aufklärung und Unterstützung zivilgesellschaftlichen Engagements überwunden werden kann. Hierzu sind alle relevanten Akteure auf der regionalen Ebene einzubinden, also sowohl die kommunale Verwaltung, die regionale Unternehmerschaft, und Institutionen der Bürgergesellschaft. Erleichternd kann es dabei wirken, wenn auf regionaler Ebene durch Aufhebung zentral vorgegebener Standards zusätzliche Freiräume für unternehmerisches Engagement geschaffen werden können. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass gerade in den peripheren Regionen häufig die Vernetzung lokaler Akteure noch unzureichend ist. Soweit derartige Initiativen nicht aus eigenem Antrieb zustande kommen, sollten auch von der Bundes- und Landespolitik entsprechende Initiativen unterstützt werden, beispielsweise durch temporäre Finanzierung von Netzwerkmanagern. Auch der Einsatz von „Business Angels“ kann hierfür dienlich sein. Es ist freilich auch bei Umsetzung dieser Maßnahmen wenig realistisch anzunehmen, dass die Auswirkungen der regional differenzierten Bevölkerungsentwicklung bzw. die Unterschiedlichkeit der regionalen Standortbedingungen vollständig überwunden werden können, also eine überall gleichmäßige Wirtschaftsentwicklung erreicht wird. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass eine Reihe von ostdeutschen Regionen dauerhaft zurückbleibt. Angesichts knapper werdender öffentlicher Mittel sollte auch nicht versucht werden, dem durch vermehrte Förderung entgegenzuwirken. Wenn einzelne Regionen sich dauerhaft entleeren, kann dies aus ökologischen Gründen sogar als eine positive Entwicklung angesehen werden. Insoweit scheint es an der Zeit, auch das Prinzip der „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ neu zu interpretieren und Mindeststandards der öffentlichen Daseinsvorsorge regional differenziert auszugestalten. Literatur Berlemann, M. et al. (2007), “Unternehmensnachfolge im sächsischen Mittelstand”, ifo Dresden berichtet, Vol. 1/2007, pp. 15-28. Brandenburg, B. (2006), “Wachsende Heterogenität in der Humankapitalausstattung der Bundesländer‟, Wirtschaft im Wandel, Issue 8/2006, Institut für Wirtschaftsforschung Halle, Halle, pp. 228-235. Deutsch, K. et al. 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Ragnitz, J. (2006), “Explaining the East German Productivity Gap - The Role of Human Capital”, Kiel Working Papers 1310, Kiel Institute for World Economics, Kiel. Ragnitz, J., et al. (2007), “Die demographische Entwicklung in Ostdeutschland: Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie”, ifo Dresden Studien Nr. 41, ifo Institut für Wirtschaftsforschung, Dresden. Schneider, L. (2005), “Ost-West-Binnenwanderung: Gravierender Verlust an Humankapital”, Wirtschaft im Wandel, Issue 10/2005, Institut für Wirtschaftsforschung Halle, Halle, pp. 308314. Sternberg, R., J. Wagner, (2002), “The Role of the Regional Milieu for the Decision to Start a New Firm: Empirical Evidence for Germany”, IZA Discussion Paper, No. 494, Institute for the Study of Labor, Bonn. 27 FÖRDERUNG DES UNTERNEHMERTUMS IN OSTDEUTSCHLAND: KOORDINIERUNG VERSCHIEDENER POLITIKBEREICHE IN EINEM SICH WANDELNDEN WIRTSCHAFTLICHEN UMFELD Heike Grimm, Deutschland Einleitung Der Schlüssel zur Förderung eines Standortes liegt in der umfassenden Kenntnis und Einsicht in die Politiken und Strategien, die einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung leisten. Die Geschichte der Wirtschaftsentwicklung ist bislang oftmals die Geschichte von Nationalstaaten; in den vergangenen Jahren werden jedoch zunehmend Einheiten auf kommunaler Ebene analysiert. Erfolgreiche nationale Entwicklungs-„Modelle“ wurden ausgiebig untersucht, und für weniger erfolgreiche Staaten wurden nationale Handlungsempfehlungen entwickelt (vgl. beispielsweise Reynolds et al. 2003). Das vorrangige Augenmerk gilt jedoch spezifischen, hinter dem Gesamtentwicklungsstand eines Staates zurückbleibenden Regionen und deren erfolgreicher Entwicklung. In diesem Kontext geht es auch um einen spezifischen, für die Wirtschaftsentwicklung einer Region zweckdienlichen Politik-Mix. Damit stellt sich die Kernfrage des räumlichen Aspektes wirtschaftlicher Entwicklung. Weshalb übernehmen manche Regionen die Führung, während andere Regionen zurückbleiben? Diese Frage ist bislang unbeantwortet geblieben, weil keine zureichenden regionalen Fallstudien vorliegen und weil noch nicht ausreichend verstanden wird, welche Politiken und Strategien auf kommunaler Ebene zur Wirtschaftsentwicklung beitragen. Nach wie vor besteht das Risiko, dass bekannte, auf Gesamtstaatsebene gut funktionierende Strategien auch auf regionaler und kommunaler Ebene eingesetzt werden und dass dabei die spezifischen Unterschiede zwischen der gesamtstaatlichen Ebene und den Regionen nicht ausreichend bedacht wird. Überdies besteht eine zunehmende Tendenz zur Übertragung von Politiken über Landesgrenzen und regionale Wirtschaftsräume hinweg, die zwar an manchen Orten zur wirtschaftlichen Entwicklung beizutragen scheint, an anderen Orten jedoch aufgrund ausgeprägter historischer, kultureller und institutioneller Eigenarten wirkungslos bleibt. Fest steht, dass es in diesem Bereich keine einheitliche Patentlösung gibt. Jeder Raum - ein Staat, eine Region oder eine Stadt - muss seinen eigenen optimalen Politik-Mix auf der Grundlage der jeweils eigenen historischen, kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Erfahrungen entwickeln. In diesem Zusammenhang bietet die OECD-LEED-Studie „Stärkung von Unternehmertum und wirtschaftlicher Entwicklung in Ostdeutschland“ neue Einsichten in Politiken und Programme, die in den ostdeutschen Regionen zur Förderung der Wirtschaftsentwicklung und des unternehmerischen Engagements entwickelt und umgesetzt wurden. Die Studie konzentriert sich auf sechs Regionen und ihre spezifischen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Der Schwerpunkt liegt auf der Förderung unternehmerischen Engagements, dessen zentrale Rolle für die Wirtschaftsentwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen inzwischen sowohl von der Wissenschaft wie von der Politik allgemein anerkannt wird. Die Politik und Strategieentwicklung auf europäischer Ebene ist von Bedeutung für die Entwicklung des Unternehmertums in den Mitgliedsstaaten sowohl auf nationaler wie auf subnationaler Ebene. Im EU-Programmzeitraum 2006-2007 wurden verschiedene 29 Kohäsionsinstrumente - vorrangig die Strukturfonds - zur Umsetzung der sog. Lissabon-Strategie geschaffen (Audretsch & Grimm 2005). Mit der Lissabon-Strategie und dem Mandat von Lissabon verpflichtete sich die EU-Kommission zur Förderung des Unternehmertums als Kernelement der Förderung von Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum ab dem Jahr 2000. Mit diesem neuen Mandat und diesem neuen Ansatz zur Schaffung von Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätzen schuf der Europäische Rat in Lissabon eine umfassende Strategie zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) sowie zur Erzielung nachhaltigen Wachstums. Im Jahr 2000 legte der Europäische Rat in Lissabon ein klares strategisches Ziel fest, um die Europäische Union zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt mit nachhaltigem Wirtschaftswachstum, mehr qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen und stärkerem sozialem Zusammenhalt“ zu machen. Ab dem Jahr 2000 entwickelte die Europäische Kommission neben dem europäischen Integrationsprozess neue politische Rahmenbedingungen, zu denen unter anderem eine umfassende Strategie zur Förderung des Unternehmertums in den europäischen Staaten und Regionen gehört. Damit wurde ein Beitrag zur Gestaltung und Umsetzung von Unternehmensfördermaßnahmen auf nationaler und kommunaler Ebene geleistet. Die in Europa mit Beginn des neuen Jahrtausends entwickelten neuen Rahmenbedingungen verfolgen ein gemeinsames Ziel: die Verbesserung des Umfeldes für unternehmerisches Engagement. Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung der neuen europäischen Wachstumsstrategie zu betrachten, wie sie vom Europäischen Rat in Lissabon formuliert wurde, um eine bessere Einsicht in die Umsetzung der neuen europäischen Wachstumsstrategie im Rahmen einer Entwicklungsstrategie unter zentraler Berücksichtigung des Unternehmertums zu gewinnen. Die zentrale Rolle der Unternehmensförderung als wirtschaftliche Entwicklungsstrategie entspricht ganz der europäischen Wachstumspolitik. Die umfassende Anregung des Lissabonner Mandats für die Stärkung des europäischen Wachstums durch Schaffung eines Europa des Unternehmertums ist ohne die kommunale Umsetzung undenkbar. Im Rahmen der Wiedervereinigung wurden sechs neue Bundesländer in die Bundesrepublik Deutschland aufgenommen. Die Bundesregierung stellte umfangreiche Finanzmittel für den Transfer in das vormalige Ostdeutschland in den Haushalt ein, um gleiche Lebensbedingungen und vergleichbare öffentliche Leistungen in den neuen Bundesländern zu gewährleisten. Aufgrund dieses Transfers und des Vereinigungsprozesses wurde die Rolle der Bundesregierung umfassend gestärkt, und zentralistische Tendenzen gewannen an Bedeutung. Diese zentralistischen Entwicklungen innerhalb Deutschlands liefen dem generellen Regionalisierungsprozess in Europa zuwider, der durch die europäische Integration beschleunigt wurde (Burgess und Gagnon 1993). Die wirtschaftliche Transformation und die Entwicklung des Unternehmertums in den ostdeutschen Ländern wurden erst vor dem Hintergrund der genannten Finanztransfers möglich, die von der Europäischen Union gefördert wurden. Im Zeitraum 2000 bis 2006 wurden 226 Milliarden Euro in die sog. Zielregionen 1 in ganz Deutschland, einschließlich der ostdeutschen Länder investiert. Innerhalb von sechs Jahren erhielt Deutschland 33,2 Milliarden Euro vorrangig zur Unterstützung des Wandlungsprozesses in den ostdeutschen Ländern. Die sozioökonomische und politische Transformation konnte mit diesem eindrucksvollen Mitteltransfer sowie mit Hilfe einer neuen (Unternehmens-) Förderpolitik auf Landesebene und kommunaler Ebene in Ostdeutschland umgesetzt werden. Es ist daran zu erinnern, dass die im Wandel begriffenen ehemaligen sozialistischen Staaten andere Entwicklungsziele haben als sonstige deutsche kreative Zentren wie beispielsweise München (Bayern) oder Stuttgart (BadenWürttemberg) und dass hier auch andere Handlungsumfelder gegeben sind. Das Entwicklungsziel besteht hier eher in der Schaffung der Grundlagen für eine nachhaltige künftige Entwicklung als im Wettbewerb mit den „Großen“. Das vorrangige Entwicklungsziel der genannten Regionen lässt sich wie folgt charakterisieren: Schaffung einer wirtschaftlichen und nachhaltigen Basis für den Wettbewerb in einer globalen Marktwirtschaft bei gleichzeitigen beträchtlichen Herausforderungen wie der Abwanderung, die zu einem „langfristigen Wettbewerbsnachteil“ führen (Camagni 2002). 30 Interessant ist die Beobachtung, dass sämtliche deutschen Regierungen seit dem Jahr 2002 ihre Unternehmensförderpolitik stetig intensiviert haben, um das Wirtschaftswachstum in den neuen und alten deutschen Bundesländern zu unterstützen. Die politisch Verantwortlichen streben mit einer großen Bandbreite neuer Programme und Initiativen eine Verbesserung des Umfeldes für Unternehmensneugründungen sowie für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) an. Nachdem sich die Belege dafür gehäuft hatten, dass das nationale, regionale und kommunale Wachstum eng mit einem bedeutenden Jahreszuwachs bei Unternehmensneugründungen sowie mit starken Umsatzzahlen alter und neuer Unternehmen zusammenhängt, wurden zahlreiche Programme zur öffentlichen Förderung von Startups entwickelt und umgesetzt (Audretsch und Fritsch 1992; Sternberg, Otten und Tamàsy 2000; Sternberg und Bergmann 2002; Reynolds et al. 2001; Reynolds und Storey 1994). Mit anderen Worten haben alle deutschen politischen Parteien mehr oder minder umfassend die Ansicht übernommen, dass Wirtschaftswachstum eng mit günstigen Rahmenbedingungen für Unternehmen zusammenhängt, und sie haben seither die Umsetzung neuer Politiken zur Förderung von Unternehmensneugründungen und unternehmerischem Engagement als zentrale Aufgabe erkannt. Ohne Zweifel sind diese Initiativen auf Bundesebene ein Schritt in die richtige Richtung. Nach jüngeren Forschungsergebnissen und Daten wissen wir, dass kommunale Fördermaßnahmen für Unternehmensneugründungen ein wichtiger Wachstumsfaktor sind. Diese Maßnahmen sind von kaum zu überschätzender Bedeutung (wenn sich auch Gestaltung und Schwerpunkte der Förderpolitik nach Regionen und Staaten deutlich voneinander unterscheiden können) und gelten als wichtige Faktoren für die regionale Wirtschaftsentwicklung (Audretsch 2002; Lall und Yilmaz 2001). In Deutschland haben die Bundesländer, die Landkreise und die Gemeinden erfolgreich regionale und kommunale Imagekampagnen, Strategien und Politiken für die Förderung von Unternehmensneugründungen und des interregionalen Wettbewerbs sowie im globalen Kontext zur Förderung des Wettbewerbs mit anderen Regionen und Ballungszentren in der ganzen Welt entwickelt. Die Unterstützung von „Local Heroes“, vorwiegend neue, innovative, kleine Unternehmen und Einzelunternehmer, ist zu einem wichtigen Wachstumsfaktor geworden. Diese „Local Heroes“ haben erfolgreich Arbeitsplätze geschaffen, innovative Nischen besetzt und sich flexibel an ein in permanenter Wandlung begriffenes globales Umfeld angepasst (Audretsch und Wessner 2005). Auch auf kommunaler Ebene gab es bedeutende Anstrengungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen. In einer globalisierten Welt, in der Städte und Regionen um Investoren und Konsumenten konkurrieren, werden kommunale Handlungsansätze immer wichtiger. Das „strategische Standortmanagement“ (Audretsch 2003, 20) wird zu einer zentralen Aufgabe der auf kommunaler Ebene politisch Verantwortlichen, die ihre jeweilige Region oder Stadt mit Nachdruck unterstützen müssen. Die Kommunalpolitiker wissen am besten, wie ihr Standort optimal zu fördern ist. Die Bundespolitik bietet einen wichtigen und hilfreichen Rahmen für die Förderung von Unternehmensneugründungen und KMU an; jedoch werden die wichtigsten Impulse für die Förderung des Wirtschaftswachstums - das sich als regional geprägter Prozess erwiesen hat - vorwiegend von politischen Maßnahmen vor Ort erwartet (Feldman 2001; Bonser und Audretsch 2001; Ohmae 1995; Taylor 2002). Zwar hat die Rolle der kommunalen und regionalen Politik in der Förderung unternehmensfreundlicher Rahmenbedingungen an Bedeutung gewonnen, jedoch haben sich die Handlungsspielräume der vor Ort politisch Verantwortlichen zur Gestaltung des unternehmerischen Umfeldes mit Hilfe neuer unternehmenspolitischer Ansätze in den vergangenen Jahren vermindert. Der Kritik sowohl aus der Forschung wie aus der Politik zufolge ist in den vergangenen 15 Jahren eine allmähliche Schwächung der deutschen Bundesländer zu beobachten, die vor allem auf den europäischen Integrationsprozess und die Wiedervereinigung zurückzuführen ist (Beyme 1993; Sturm 1997; Wagner 2004). Im Rahmen dieser beiden Prozesse haben sich verschiedene Entwicklungstendenzen herauskristallisiert, die vor 1990 kaum bestanden haben. Vor allem wurde durch die Abgabe von immer mehr steuerpolitischen und wirtschaftspolitischen Zuständigkeiten an Brüssel (europäische 31 Ebene) ein Trend zur Zentralisierung gestärkt, womit die politischen und wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten der Bundesregierung (nationale Ebene) auf kommunaler Ebene immer weiter beschnitten wurden. Man muss die Unternehmensrahmenbedingungen auf der Ebene des Bundes und der Länder verstehen, um zu erkennen, ob die unterschiedlichen Rahmenbedingungen auf verschiedenen Ebenen sich zu einem ergiebigen und umfassenden Rahmenwerk für die „Local Heroes“ im Wettbewerb auf kommunaler Ebene zusammenschließen. Nachfolgend werden die Rahmenbedingungen der Unternehmenspolitik von drei deutschen Bundesländern - Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt - sowie von drei Gemeinden innerhalb dieser Bundesländer mit dem Ziel untersucht, die Unternehmensförderpolitik herauszuarbeiten, die in Thüringen, Sachsen und SachsenAnhalt nach der Erklärung der Lissabonner Agenda zur Verbesserung der bestehenden Rahmenbedingungen angepasst, integriert und weiterentwickelt wurde. Das vorliegende Diskussionspapier ist wie folgt strukturiert: in Abschnitt 2 wird der Begriff „unternehmerisch orientierte Wirtschaft“ erläutert, um besser nachvollziehen zu können, weshalb die Unternehmensförderpolitik im Verlauf des letzten Jahrzehnts so wichtig für die Förderung der Wirtschaftsentwicklung wurde und wie die europäische Wirtschaft und andere entwickelte Volkswirtschaften in den vergangenen 10 Jahren den Übergang von einer regulierungszentrierten zu einer unternehmenszentrierten Wirtschaft vollzogen haben. In Abschnitt 3 werden die verschiedenen Ebenen der an der Unternehmensentwicklung beteiligten Regierungsstellen sowie die wachsende Bedeutung unternehmerischen Engagements für die Fortentwicklung industrialisierter Wirtschaftsräume genauer betrachtet, und in Abschnitt 4 schließlich werden umfassende Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen für die Politik vorgestellt. Was ist eine unternehmerisch orientierte Wirtschaft? Wohlstand und Wachstum der Vereinigten Staaten verdanken sich der Stärkung von Unternehmertum und Innovation – beides Leitmotive der amerikanischen Wirtschaft. Diese Stärkung hat in den vergangenen Jahrzehnten weg von einer regulierungszentrierten und hin zu einer unternehmerisch orientierten Wirtschaft geführt (Audretsch 2007). Dabei ist die „neue“ unternehmerisch orientierte Wirtschaft auf Wandel und Innovation ausgerichtet; die daraus resultierende stetige produktive Unruhe widerspiegelt sich in der Vielschichtigkeit des Marktes sowie in der Zahl der Unternehmen, die neu auf den Markt kommen oder wieder aus dem Markt ausscheiden (Audretsch, Keilbach & Lehmann 2006). Sowohl die gesteigerte Unruhe wie die höhere Ausdifferenzierung der Märkte sind Begleiterscheinungen der Transformation hin zu einer „mehr am Unternehmen ausgerichteten Form des Kapitalismus“ (Kauffman Foundation 2007) in den Vereinigten Staaten, belegt durch den dramatischen Zuwachs bei der Zahl der Selbständigen, durch Verhandlungsorientierung der großen und etablierten Unternehmen bei Vertragsabschlüssen (vor allem mit dem Ziel der Kostensenkung) und durch eine wachsende Nachfrage nach ConsultingDiensten. Vorangetrieben wird dieser Wandel von Fachkräften, die stets neue Produkte, bessere Qualität, neue Herstellungsverfahren und neue Organisationsformen suchen, entwickeln und umsetzen (Schumpeter 1946, 1952). Die unternehmerisch orientierte Wirtschaft des 21. Jahrhunderts ist auf globaler Ebene an Markt und Nachfrage ausgerichtet und somit abhängig von einem stetigen Innovationsprozess, der seinerseits wieder Arbeitsplätze, neues Wissen und neue Kompetenzen schafft. Unternehmerisches Engagement wurde so zum Schlüssel für das Wachstum der hoch industrialisierten Volkswirtschaften. Unbestritten in der Forschung ist: Wirtschaftswachstum ist ohne fortdauerndes unternehmerisches Engagement nicht möglich. Daraus ergibt sich für die Politik die Aufgabe, die grundlegenden Rahmenbedingungen für Kreativität und innovative Produktion zu garantieren. Zu diesen Rahmenbedingungen gehören etwa das intellektuelle und kulturelle Umfeld für kreatives Arbeiten, niedrige Markteintrittsschwellen (niedrige Kosten und geringer Zeitaufwand für die formelle 32 Anmeldung neuer Unternehmen), flexible Arbeitsmärkte und ein Patentrecht, das die wirtschaftliche Verwertung innovativer Ideen fördert. Diese Rahmenbedingen unterscheiden sich grundlegend von den Bedingungen, die uns aus dem 20. Jahrhundert vertraut sind. In Deutschland war mit der sog. Ordnungspolitik das aktive Eingreifen des Staates in Markt und Wirtschaft der Normalfall. Die ordoliberalen Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft, charakteristisch für die deutsche Wirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und bis heute, wurden 1947 vom Wirtschaftswissenschaftler Alfred Müller-Armack (Müller-Armack 1948) entwickelt. Müller-Armack entwirft das Bild einer wirtschaftlichen und politischen Ordnung auf marktwirtschaftlicher Basis, angereichert jedoch mit institutionell verankerten und garantierten sozialen Komponenten (die negative Auswirkungen einer reinen Marktdominanz abfedern sollen) und mit bestimmten Rechtsgebungsinstrumenten gegen übermäßige Marktkonzentrationen und Marktmissbräuche (Broyer 1996). Diese Vorstellung basiert zu großen Teilen auf Überlegungen der „Freiburger Schule“ (Rieter und Schmolz 1993). Die ordoliberalen Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft trugen zur Entwicklung regulatorischer und politischer Rahmenbedingungen bei, die vor allem große Unternehmen begünstigten, die die deutsche Volkswirtschaft von den 1950er bis in die 1980er Jahre prägten. Seit die Wissenschaft nachweisen konnte, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen weder vorrangig auf Großunternehmen (wie in der Nachkriegszeit angenommen) noch auf Kleinunternehmen zurückgeht, sondern vielmehr – unabhängig von ihrer Größe - auf neue und innovative Unternehmen, wurde die Unternehmensförderung zunehmend ausgebaut (Birch 1981, 1987; Acs und Audretsch 1992; Reynolds und Storey 1994; Audretsch, Grimm und Wessner 2005). Die Verantwortungsträger in Politik und Verwaltung sollten sich somit eines regulatorischen Rahmens zur Förderung kreativer, unabhängiger Startup-Unternehmen und innovativer Ideen konzentrieren. In einem ersten Schritt wäre daher die Frage zu beantworten: Was ist eine unternehmerisch orientierte Wirtschaft im Gegensatz zur oben beschriebenen regulationsorientierten Wirtschaft? Vor dem Hintergrund dieser Frage lässt sich besser beurteilen, ob die politischen Handlungsträger etwa in Deutschland die richtigen politischen Rahmenbedingungen für die Entwicklung einer unternehmerisch ausgerichteten Gesellschaft geschaffen haben. In diesem Kontext lohnt ein Blick auf die amerikanische Volkswirtschaftsgeschichte, da die Debatte über Amerikas Anziehungskraft für innovative freiheitsliebende Menschen so alt wie die Vereinigten Staaten von Amerika selbst ist. Die Attraktivität Amerikas für unternehmerisch denkende Köpfe beruht auf einzigartigen mikro- und makrosozialen Gegebenheiten für unternehmerische Aktivitäten (Audretsch und Grimm 2005; Grimm 2005). Das vergangene amerikanische Jahrhundert war geprägt von außergewöhnlichen Menschen mit Pioniergeist, Expansionswillen und innovativer Kraft. Die US-Wirtschaftspolitik ist geprägt von den Grundsätzen des klassischen Wirtschaftsliberalismus, dessen theoretische Ausarbeitung auf Adam Smith zurückgeht und der für das amerikanische Alltagsleben ebenso entscheidend ist wie für die einfachen regulatorischen Rahmenbedingungen, die von jedem Einzelnen Eigenverantwortung und Initiative verlangen und einen freien Markt unter bewusster Zurückhaltung des Staates vorsehen. Gesetzliche Regelungen dürfen den Einzelnen nicht an der Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage hindern. Staatliche Sozialleistungen dürfen nicht zur Lähmung von Motivation und Geschäftsaktivität führen. Die Aufgaben der Regierung beschränken sich auf die Garantie von Recht und Ordnung und auf den Schutz der Gesellschaft vor äußeren Feinden. Es gibt kaum ein anderes Land auf der Welt, in dem diese Botschaft auf so fruchtbaren Boden stieß wie in den Vereinigten Staaten von Amerika, und diese Botschaft hat in den späten 1980er und in den 1990er Jahren entscheidend den Übergang von einer regulierungsorientierten zu einer unternehmerisch orientierten Wirtschaft erleichtert. Damit stellt sich die Frage: Was ist eine unternehmerisch orientierte Wirtschaft und wie lässt sie sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts charakterisieren? Und wie und inwieweit unterscheidet sie sich von den Wirtschaftsordnungen der vergangenen Jahrhunderte? 33 Anders als die Generation der alten, regulierungsorientierten Wirtschaft, lebt die Generation der neuen unternehmerisch ausgerichteten Wirtschaft in einer Welt, die dramatische Veränderungen durchlaufen hat (Audretsch und Thurik 2000; Audretsch und Thurik 2002; Uhlaner und Turik 2004). Das Wiedererstarken des Unternehmertums und der Wandel von der regulierungsorientierten zur unternehmerisch ausgerichteten Wirtschaft hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren im Rahmen eines Globalisierungsprozesses, der sich von früheren Globalisierungen deutlich unterscheidet, stark beschleunigt. Mit dem Begriff der Globalisierung wird eine weltweite, vor allem wirtschaftliche Integration beschrieben, die nationale Volkswirtschaften unter Handlungs- und Anpassungsdruck setzt. Die Renaissance des Begriffs „Globalisierung“ seit den späten 80er Jahren lässt sich auf mindestens zwei einschneidende Ereignisse und Trends zurückführen, die zu einem qualitativen Sprung in der Internationalisierung der Wirtschaft geführt haben: Die dramatische Entwicklung der Computer- und Informationstechnologie, die zu einer ganz neuen Art global vernetzter Produktion, Entwicklung, Logistik und weltweiter Finanztransaktionen und Preisvergleichsmöglichkeiten in Sekundenschnelle und damit zu einem dramatisch intensivierten Kostenwettbewerb geführt hat. Der Zusammenbruch des sozialistischen Systems in Ostdeutschland, Mittel- und Osteuropa, verbunden mit dem Übergang von einem vorrangig politisch definierten Systemwettbewerb (zwischen Marktwirtschaft und Sozialismus) hin zu einem vor allem wirtschaftlich definierten und standortbezogenen Wettbewerb zwischen sämtlichen Volkswirtschaften der Welt. Dieser neue Wettbewerb hat ohne große Zeitverzögerung auch die Regionen (Provinzen und Bundesstaten) und Städte weltweit erfasst, die seither intensiver denn je um Kapital und innovative, hoch qualifizierte Arbeitskräfte konkurrieren. Diese technologischen und politischen Veränderungen waren begleitet von zunehmendem Druck in der Standortpolitik. Untersuchungen zeigen, dass das äußere Umfeld von entscheidender Bedeutung für die Schaffung eines zuträglichen Milieus für Unternehmertum und innovative Aktivitäten zur Förderung von Wachstum und Entwicklung ist. Es besteht ein großer Bedarf an modernen und wettbewerbsfähigen Konzeptionen für politisches Handeln auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene, wobei diese Ebenen sich nicht nur wesentlich voneinander unterscheiden, sondern sogar miteinander in Wettbewerb stehen können (Porter 2000; Porter und Stern 2001). Das „strategische Standortmanagement“ (Audretsch 2005, 20) findet Anwendung auf unterschiedlichen geographischen Ebenen; eine spezifische Herausforderung liegt dabei in der Reaktion auf globale Erfordernisse mit Hilfe lokaler, auf bestimmte Regionen zugeschnittener Maßnahmen. Auch Innovations- und Wachstumsprozesse sind, wie Feldman und Audretsch in ihrer Untersuchung zeigen, durch lokale Faktoren bestimmt (Feldman und Audretsch 1996). In seiner jüngsten Veröffentlichung unterstreicht David Audretsch, dass die Welt nicht „flach“ ist, wie Thomas Friedman behauptet (Friedman 2005) und dass Standorte nur prosperieren werden, wo „Local Heroes“ die Initiative ergreifen und Verantwortung übernehmen (Audretsch 2007). Audretsch verweist darauf, dass Standorte auf der ganzen Welt ihre eigenen Konzeptionen entwickeln und um die Ansiedlung neuer Unternehmen und kreativer Köpfe konkurrieren müssen. Da Standorte unterschiedliche Profile, eine jeweils eigene Geschichte und verschiedene Entwicklungsstufen aufweisen, können die politisch Verantwortlichen nicht auf für alle Regionen geltende Patentrezepte zurückgreifen, sondern müssen vielmehr standortabhängige Strategien entwickeln, um den jeweiligen Standort attraktiv und wettbewerbsfähig zu machen (Grimm 2005). Nach Richard Florida ist der wesentliche Faktor bei der Standortentwicklung die Gewinnung hoch qualifizierten kreativen Humankapitals. In den weiter entwickelten Ländern geht es weniger darum, Investmentkapital anzuziehen, als vielmehr um die Schaffung attraktiver Lebensbedingungen für innovative und kreative Mitarbeiter. Für Florida liegt das Geheimrezept für die Förderung von 34 „Hot-Spots“ nicht in niedrigen Betriebskosten oder günstigen Immobilienpreisen. Entscheidend für innovative Entwicklungen sind Technologie, Toleranz und Talent sowie eine hohe Akzeptanz gegenüber innovativen und kreativen Köpfen, gegenüber gleich gesinnten und anders denkenden Menschen und gegenüber der innovativen Elite aus Amerika und dem Ausland (Florida 2002). Florida zufolge verlieren wirtschaftlich bezifferbare Variablen wie niedrige Steuersätze, niedrige Arbeitskosten und geringe Regulierungsauflagen für die Standortattraktivität zunehmend an Bedeutung. Weitere Merkmale für ein unternehmensfreundliches Umfeld sind vor allem die Offenheit für Menschen, die bereit sind, Visionen, Träume und Ideen umzusetzen und nach dem scheinbar Unerreichbaren zu streben. In Amerika werden Risikobereitschaft und die Bereitschaft zur Übernahme persönlicher Verantwortung hoch geschätzt (Leipold 2000; Grimm und Herz 2004). In einem innovativen und in rascher Wandlung begriffenen Wirtschaftsumfeld sind Chancen und Risikobereitschaft von allergrößter Bedeutung. Daher besteht bei unternehmerischen Aktivitäten immer auch das Risiko des Scheiterns. Entscheidend für die Entwicklung günstiger politischer Rahmenbedingungen für Unternehmen sind daher Toleranz für gescheiterte Versuche und Möglichkeiten, solche gescheiterten Unternehmungen doch noch zum Erfolg zuführen. John Haltiwanger legt neue Daten vor, aus denen hervorgeht, dass „kreative Destruktion“ - das heißt eine hohe Anzahl neuer, aber auch vom Markt verschwindender Firmen, ein Merkmal der unternehmerisch orientierten Wirtschaft - ein wichtiger Faktor für wirtschaftliches Wachstum ist (Haltiwanger 2006). Unter Verwendung statistischer Modellierungen einiger longitudinaler Datensätze kann Haltiwanger zeigen, dass neue Arbeitsplätze in den Vereinigten Staaten vor allem von neuen und jungen Unternehmen geschaffen werden. Er betont, dass diese arbeitsplatzschaffenden Jungunternehmen zugleich sehr anfällig sind und nicht selten scheitern. Anders ausgedrückt ist richtig, dass neue und junge Unternehmen zahlreiche neue Stellen schaffen; jedoch sind diese Stellen nicht dauerhaft, was bedeutet, dass Arbeitsplatzsicherheit hier nicht garantiert ist. Hieran wiederum werden erneut die Unterschiede zwischen der regulierungsorientierten und der an unternehmerischer Aktivität orientierten Wirtschaft deutlich. Der Gedanke, dass jedermann in seinem Leben mit stabilen Verhältnissen rechnen kann, ein Gedanke, der in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und bis in die 1970er Jahre hinein vorherrschend war, ist nicht länger haltbar. Die postmoderne Globalisierung hat sich inzwischen rasant beschleunigt. In Deutschland ist eine Fixierung der Reformdebatten auf den Arbeitsmarkt als Grundlage allen Übels und als verantwortlicher Faktor für ein schwaches Wirtschaftswachstum zu beobachten, und es ist zu fragen, ob diese Debatten zu den richtigen Antworten auf die Globalisierung führen können. Viele Länder, unter ihnen Deutschland, aber auch Frankreich oder Italien, bekommen die realen Probleme nicht in den Blick, wie Wirtschaftswissenschaftler, beispielsweise der Nobelpreisträger Paul Romer und weitere prominente Wissenschaftler wie Robert Lucas, David Audretsch und Richard Florida feststellen, die zu den Exponenten der neuen Wachstumstheorie gehören. Ihrer Auffassung nach liegt der Schlüssel zu schnellem und nachhaltigem Wachstum in neuen Ideen. Das von Unternehmen entwickelte neue Wissen führt zu „Spill-Over-Effekten“; anders ausgedrückt regt es die Produktivität anderer Unternehmen an (Lucas 1988; Romer 1986). In Bezug auf die zunehmend wichtige Rolle von Wissen als Quelle von Wettbewerbsvorteilen schien Deutschland als weltweit führende Nation bei Investitionen in neues Wissen, etwa in Forschung und Entwicklung und im Humankapital gut positioniert. Man spricht jedoch inzwischen vom schwedischen oder europäischen Paradox, und in diesem Kontext wurde deutlich, dass Investitionen in die Wissensgenerierung zwar notwendig, keineswegs aber hinreichend sind, um Wirtschaftswachstum und Beschäftigung zu sichern (Audretsch, Keilbach und Lehmann 2006). Stattdessen behinderten Wissensauslesen die wirtschaftliche Verwertung und die effektive Verbreitung von Investitionen in die Wissensgenerierung. Unternehmertum ist nun genau das „Missing Link“ zwischen 35 Wissensinvestitionen und weiter reichender wirtschaftlicher Verwertung (Audretsch und Keilbach 2004). Ein genauer Blick auf die entscheidenden Variablen verdeutlicht, wie wichtig die Förderung von Unternehmergeist zur Freisetzung von Individualität, Kreativität und Talenten Einzelner für die Wettbewerbsfähigkeit von Standorten in einer globalisierten Welt ist. Daher stehen die Politiker und die Verwaltungskräfte vor der Aufgabe, zuträgliche politische Rahmenbedingungen für verstärktes unternehmerisches Engagement zu entwickeln, das seinerseits den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Wandel (im Sinn des Unternehmergeistes des und der Risikobereitschaft) befördern wird (Aernoudt 2003, 5-6). Politikgestaltung in einem Multilevel-Governance-System Die europäische Ebene Nach Jahrzehnten stabilen Wirtschaftswachstums, niedriger Arbeitslosigkeit und allgemeinen Wohlstands brachten die 1990er Jahre eine wirtschaftliche Stagnation und Arbeitslosenzahlen wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Die Europäische Union war gezwungen, eine neue Strategie zur Belebung des Wachstums, zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und zur Senkung der Arbeitslosigkeit zu entwickeln. Unternehmertum stand im Mittelpunkt der europäischen Wachstumspolitik, da immer eindeutiger belegt wurde, dass neue und kleine Unternehmen als „Missing Link“ zwischen Wirtschaftswachstum und Arbeitsplatzschaffung fungieren (Audretsch und Thurik 2000; Audretsch und Keilbach 2004; Audretsch, Keilbach und Lehmann 2006; Audretsch, Grimm und Wessner 2005; Haltiwanger 2006). Mit der sog. Lissabon-Strategie schuf die Europäische Kommission einen neuen Ansatz, um den globalen sozioökonomischen Herausforderungen zu begegnen. In den 50er, 60er und in einem Großteil der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatte sich die Wirtschafts- und Industriepolitik vor allem auf die Unterstützung klar definierter Zielgruppen wie Großunternehmen konzentriert; in den 80er und 90er Jahren wurden dann vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gefördert. Ende der 90er Jahre wurde die Strategie der EU vor dem Hintergrund des Aufstiegs der New Economy radikal geändert (Birch 1981; Acs und Audretsch 1992; Gilbert, Audretsch und McDougall 2004; Rutten und Boekema 2005). Der Erfolg zahlreicher junger Unternehmen sowohl auf den Märkten wie an den Börsen verstärkt den Eindruck, dass Unternehmertum der Schlüssel zu neuem Wirtschaftswachstum ist; man begann mit der Förderung neuer, innovativer Startup-Unternehmen, die ihrerseits neue Arbeitsplätze schaffen und wettbewerbsfähige Produkte und Dienstleistungen auf den Markt bringen sollten. Das Wiedererstarken des Unternehmertums und die Entwicklung weg von der bisherigen Marktwirtschaft hin zu einer unternehmerisch ausgerichteten Wirtschaft beschleunigte sich während der vergangenen 20 Jahre vor dem Hintergrund eines postmodernen Globalisierungsprozesses (Audretsch 2007). Die Vereinigten Staaten reagierten rechtzeitig und erfolgreich auf diese Beschleunigung, wie die wirtschaftlichen Messziffern eindrucksvoll belegen. Festzustellen ist unter anderem eine stärkere Innovation, die zum Beispiel messbar wird am Output von Patenten und an den gestiegenen Ausgaben für Forschung und Entwicklung in der Größenordnung von 3,15% des BIP im Jahr 2005 (Brécard et al. 2006). In der Europäischen Union wurden im Vergleichszeitraum nur 1,9% des BIP in Forschung und Entwicklung investiert. Die Unternehmensberatungsgesellschaft McKinsey veröffentlichte 2005 eine Untersuchung, in der die europäische Wettbewerbsfähigkeit mit der globalen Wettbewerbsfähigkeit verglichen wurde; dabei wurde festgestellt, dass nur noch 17% der größten Hightech-Unternehmen weltweit ihren Sitz in Europa haben.8 Insbesondere die IT- und Softwareindustrie sind an anderen - insbesondere amerikanischen und asiatischen - Standorten 8 Vgl. http:/www.mckinsey.de/presse/051115_bb_hightech.htm. 36 angesiedelt, während der Standort Europa weiterhin prekär ist. In den USA und in Asien ist es den politisch Verantwortlichen gelungen, die Attraktivität ihrer Standorte stetig zu erhöhen und die innovativsten und arbeitsplatzintensivsten Global Players anzuziehen (Kauffman Foundation 2007, 6). In Reaktion auf diese eindeutigen neuen Belege sowie auf die beeindruckende Entwicklung in den USA schlug die Europäische Kommission die Lissabonner Agenda mit dem Ziel vor, aus Europa den wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Beim Treffen des Europarates in Lissabon am 23. und 24. März 2000 wurde ein Signal zur Förderung des Unternehmertums im Rahmen umfassender politischer Flankierungsmaßnahmen zu Gunsten einer unternehmerisch ausgerichteten europäischen Gesellschaft gesendet. Der europäische Rat von Lissabon kam zu dem Schluss, dass Europa sich politisch vorrangig auf die Schaffung einer WissensInfrastruktur, auf die Ankurbelung innovativer Aktivitäten und auf die Schaffung eines der neuen wissensbasierten Wirtschaft angemessenen Bildungs- und Ausbildungssystems konzentrieren müsse. Mit dieser neuen Prioritätensetzung ging eine Verschiebung in der Förderung von KMU hin zu einer Förderung unternehmerischen Engagements als primäres Instrument der Innovations-, Wachstumsund Beschäftigungsförderung einher (Stevenson und Lundström 2005). Entwickelt wurde ein ambitioniertes politisches Rahmenwerk für die Europäische Union, das den Schwerpunkt auf Innovation und Unternehmertum sowie auf die finanzielle Förderung von Forschung und Entwicklung, Infrastrukturinvestitionen und die Verbesserung des informationstechnologischen Ausbildungsstandes setzte. Im Jahr 2003 aktualisierte die Kommission die Haltung der Union in Bezug auf die LissabonStrategie und hob die Bedeutung der engen Verknüpfung von Innovation und Unternehmertum hervor; sowohl von den Akteuren im privaten Sektor wie von den Verantwortlichen des öffentlichen Sektors wurde mehr unternehmerische Orientierung gefordert (EUK 2003, 7-10). Im Jahr 2005 - im fünften Jahr der vorgesehenen Laufzeit - hatte sich die Begeisterung für die Lissabon Strategie verflüchtigt. Die Fortschritte in der EU waren enttäuschend. In einem „Arbeitspapier der Kommissionsmitarbeiter“, das 2005 veröffentlicht wurde, merkten führende politische Akteure in Brüssel an, dass „die Wachstumsentwicklung der EU weit hinter den Erwartungen zum Zeitpunkt der Einführung der Lissabon-Strategie zurückgeblieben ist“ (EUK 2005a, 2). Globale Wettbewerber wie die Vereinigten Staaten haben ihre weltweite wirtschaftliche Führungsrolle in vieler Hinsicht weiter ausgebaut. Und während andere Wettbewerber, wie China, Indien und Brasilien, mit ihrem großen unternehmerischen Potenzial (Reynolds et al. 2003) die Attraktivität ihrer Standorte kontinuierlich steigern, sind die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union noch immer mit Debatten und oftmals Streitigkeiten über die Frage befasst, wie sich die Standortattraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der EU verbessern lässt, wie sich vorteilhaftere Rahmenbedingungen für Unternehmen auf gesamtstaatlicher und auf regionaler Ebene sowie eine verbesserte Förderung des Unternehmertums umsetzen lassen und wie sich individuelle unternehmerische Bemühungen innerhalb der Mitgliedsstaaten der EU am besten fördern lassen. In diesem Zusammenhang merkt das Dänische Technologieinstitut in Bezug auf die LissabonStrategie als politisches Rahmenwerk an, dass „die Schwäche der Agenda in der Schwäche ihres Umsetzungsmechanismus liegt“ (Dänisches Technologieinstitut 2005, 4). Als Reaktion auf diese Schwäche strebte die neue Kommission unter Barroso eine Wiederbelebung der Lissabon-Strategie an, indem das Augenmerk verstärkt auf die Steigerung der Produktivität und der Beschäftigungsraten innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten gerichtet wurde (EUK 2005b). Die Kommission befürwortet mit Nachdruck nationale Handlungsprogramme, die der Tatsache Rechnung tragen, dass die Hauptkompetenzen für die Umsetzung der Strategie bei den Einzelstaaten und insbesondere auf der kommunalen Ebene innerhalb der Einzelstaaten liegen. Kommunale und regionale Initiativen gewinnen innerhalb der EU immer weiter an Bedeutung, wie David Walburn von der EU Enterprise Policy Group (EPG) bemerkt: „Angesichts des Fehlens 37 wichtiger Makro-Initiativen kommt der Konzentration auf lokal greifende Wirtschaftsprogramme verstärkte Bedeutung für die Verwirklichung der neuen Ziele von Lissabon zu“ (Walburn 2005, 305). Die Kohäsionspolitik und der Strukturfonds leisten direkte und indirekte Beiträge in den sechs Politikbereichen, die im Rahmen der Lissabon-Strategie samt deren nachfolgenden Aktualisierungen betont werden. Die Zielsetzungen der Lissabon-Strategie und des Strukturfonds überschneiden sich weitgehend. Die Förderung des Wirtschaftswachstums ist ein gemeinsames Ziel, das in Bezug auf regionale Programme die Förderung der schrittweisen Angleichung des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf in allen europäischen Regionen beinhaltet. Die Programme entsprechen dem Mandat von Lissabon, was unter anderem auf die Zuweisung von Mitteln der Europäischen Strukturfonds an Projekte in den Bereichen Beschäftigung, Informationstechnologie-Infrastruktur, Forschung, Humankapital, Unternehmensentwicklung, soziale Inklusion und nachhaltige Entwicklung zurückzuführen ist. Der Gesamtbetrag von EUR 257 Milliarden für Strukturförderinstrumente zwischen den Jahren 2002 und 2006 entsprach etwa 37% des EU-Haushalts. Die ostdeutsche Unternehmensförderungspolitik war und ist weiterhin in hohem Maße abhängig von denen Finanzhilfen aus dem Strukturfonds. Die Unternehmensförderung sowohl auf Bundes- wie auf Länderebene profitierte in großem Umfang von der finanziellen Unterstützung durch die EU beispielsweise im Rahmen der von der Bundesregierung und den Länderregierungen formulierten Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur und der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes. So ist etwa die Regionalpolitik in Thüringen eng mit den Strategien auf europäischer Ebene koordiniert. KMU erhalten beispielsweise Fördermittel im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GA), die in das Landesinvestitionsprogramm (LIP) eingebettet ist, das seinerseits Mittel aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) erhält (Landesentwicklungsbericht Thüringen 2004). Überdies werden Einzelprojekte in den Bereichen Umwelt und Verkehr aus Mitteln des Kohäsionsfonds und des Strukturpolitischen Instruments zur Vorbereitung auf den Beitritt (ISPA) direkt gefördert. Die Akteure in der gesamten Europäischen Union werden nachhaltig zur Zusammenarbeit in regionalen Netzwerken ermuntert, um sich wechselseitig mit ihren Modellen „Guter Praxis“ vertraut zu machen. Diese Netzwerke werden oftmals im Rahmen grenzüberschreitender Kooperationsinstrumente der EU wie der Gemeinschaftsinitiativen unterstützt, mit denen die Strukturfonds ergänzt werden. Im Zeitraum 2000 bis 2006 bestanden die Gemeinschaftsinitiativen INTERREG III, URBAN II, EQUAL und LEADER +. Im Zeitraum 2008 bis 2013 werden die neuen deutschen Bundesländer wesentlich weniger Fördermittel erhalten; daher müssen die bestehenden Politiken, auch die Unternehmensförderungspolitik, auf den Prüfstand gestellt werden, um künftig eine Konzentration auf weniger und/oder schwerpunktmäßige Ansätze und Strategien zu erreichen. Tabelle 1 EU Strukturfonds Neue Deutsche Länder (ohne Berlin) In Mrd. EUR 2000-2006 Land/Förderperiode Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Total 3.150 2.522 4.930 3.271 2.818 16.691 In Mrd. EUR 2007-2013 2.119 1.670 3.963 2.576 2.106 12.434 Source: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie 2007 38 Mit Beginn der neuen Förderperiode 2007-2013 wird sich die europäische Kohäsionspolitik einschließlich des Struktur- und Kohäsionsfonds auf die Zielsetzungen der Lissabon-Strategie Wachstum und Beschäftigung – konzentrieren. Die Struktur der Förderziele wurde neu definiert: „Konvergenz“, „Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ und „Europäische Territoriale Zusammenarbeit“ bilden nun den Kern der Agenda. In der neuen Förderperiode ist Deutschland der viertgrößte Empfänger von Mitteln aus dem Strukturfonds. Den deutschen Regionen werden zwischen 2007 und 2013 insgesamt ca. 25 Milliarden Euro zur Verfügung stehen; das ist der größte Betrag nach den an Polen, Spanien und Italien fließenden Beträgen. Von den etwa 25 Milliarden Euro im laufenden Förderprogramm gehen ca. 12,4 Milliarden Euro an die neuen Länder (wobei beispielsweise Thüringen im Zeitraum 2007 bis 2013 mit 2,1 statt 2,8 Milliarden Euro wesentlich weniger Mittel erhalten wird).9 Im neuen Strukturrahmen sind Direktförderungen durch Firmen und Kooperationen des privaten und öffentlichen Sektors zentrale Elemente. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos strebt eine verstärkte Nutzung der EU-Mittel zur Förderung von Direktinvestitionen durch Unternehmen an. In der Tat wäre dies von großer Bedeutung insbesondere für die Förderung neuer Unternehmen und für die Förderung junger kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). Ursprünglich beabsichtigte die Europäische Kommission keine Förderung dieser Initiative. Dem Bundeswirtschaftsminister gelang jedoch schließlich die Durchsetzung eines wichtigen und effektiven Mittels der Regionalförderung in benachteiligten Regionen oder in Regionen mit Strukturschwächen. Ebenso wurde verstärkt an der Unterstützung neuer Gemeinschaftsprojekte des privaten und öffentlichen Sektors gearbeitet, nachdem Deutschland die Genehmigung zur Verwendung privater Mittel zur Projekt-Kofinanzierung erwirkt hatte. Dieser neue Strukturrahmen in Verbindung mit der niedrigeren EU-Unterstützung für die Neuen Bundesländer beinhaltet wesentliche Implikationen für die (Unternehmens-) Förderpolitik auf gesamtstaatlicher und insbesondere auf regionaler Ebene, wie nachfolgend darzulegen ist. Eine weitere Neuerung in diesem Zusammenhang ist der Nationale Strategische Rahmenplan, der den künftigen Bezugsrahmen für Strukturhilfen der EU in Deutschland bildet.10 Nationale Ebene Vor dem Hintergrund dieses vielschichtigen, komplexen Förderkonzeptes überrascht auch eine weitere mit der neuen Förderperiode 2007-2013 im Rahmen der europäischen Kohäsionspolitik verbundene Innovation nicht, nämlich die Einführung des vorgenannten Nationalen Strategischen Rahmenplans. In den kommenden Jahren wird dieser Plan den Bezugsrahmen für EU-Strukturhilfen in Deutschland bilden. Mit anderen Worten wurde hier ein politisches Instrument geschaffen, mit dessen Hilfe die nationale Ebene in den Multilevel-Governance-Ansatz bei der Förderung des Unternehmertums und bei der Umsetzung weiterer politischer Zielsetzungen erreicht werden soll. Der neue Nationale Strategische Rahmenplan für Deutschland konzentriert sich auf folgende strategische Ziele: Erneuerung und Erweiterung der Wissensgesellschaft und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen; Steigerung der Attraktivität der Regionen für Investoren und Bewohner mittels nachhaltiger Regionalentwicklung; Ausrichtung des Arbeitsmarktes auf neue Herausforderungen durch Schaffung zusätzlicher und besserer Arbeitsplätze; Weiterentwicklung der Regionen hin zu Ausgleich und neuen Chancen. 9 Daten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Downloads unter: http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/M-O/nsrp-strukturfoerderung-20072013,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf und http://www.bmwi.de/English/Navigation/Europeanpolicy/eu-council-presidency,did=202526.html. 10 Vgl. http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Europa/EU-Strukturpolitik/nationaler-strategie-rahmenplan-07-13.html (vorläufige Fassung vom Dezember 2007). 39 In Deutschland findet derzeit eine intensive öffentliche Debatte über die Frage statt, wie sich die Wettbewerbsfähigkeit des Landes auf dem Weltmarkt verbessern lässt. Die Reformaktivitäten richten sich vorrangig auf die Arbeitsmärkte, die Sozialsysteme und die Unternehmensbesteuerung. Um Deutschland auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurück zu führen und gegen die hohe Arbeitslosigkeit vorzugehen, hat die Bundesregierung im März 2003 unter der Bezeichnung „Agenda 2010“ ein umfassendes Strukturreformprogramm vorgestellt. Seither sind bereits etliche Maßnahmen aus diesem Programm umgesetzt worden. Insbesondere verabschiedete der Bundestag ein Gesetzeswerk zur Umstrukturierung des Arbeitslosengeldes, das auch neue Anreize zur Arbeitsaufnahme vorsieht. Auch das Gesundheitssystem durchläuft umfangreiche Reformen. Die neue Regierung setzt diese Politik in der Hauptsache fort, plant jedoch an einigen Maßnahmen Korrekturen. Die Stärkung von Forschung und Bildung gilt als Schlüssel zur langfristigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Dem entsprechend stehen diese Bereiche im Vordergrund der Aktivitäten der derzeitigen Regierung; sie standen auch schon im Mittelpunkt des von der Bundesregierung im Dezember 2005 veröffentlichten Nationalen Reformprogramms (NRP). In diesem Zusammenhang wurden Programme und Initiativen zur Förderung innovativer Regionen entwickelt und umgesetzt, wobei ein Top-Down-Ansatz verfolgt wurde. Zu diesen Initiativen gehört beispielsweise das Programm InnoRegio im Rahmen der Initiative „Unternehmen Region“, mit dem eine innovative Standortpolitik gefördert werden soll. Weitere Bereiche, die als wichtig für eine weiterhin starke Wirtschaftsentwicklung gelten, sind unter anderem die Liberalisierung der Märkte und die Wettbewerbsstärkung der Gütermärkte, die Verbesserung der Rahmenbedingungen für unternehmerisches Engagement (einschließlich einer Rückführung der Bürokratie und Steuersenkungen), die Verwirklichung einer nachhaltigen Finanzlage der Öffentlichen Hand unter gleichzeitigem Abschluss des Vereinigungsprozesses und die Aufrechterhaltung der Sozialen Sicherungssysteme, wobei ökologische Innovation als Wettbewerbsvorteil genutzt und dem demographischen Wandel auf den Arbeitsmärkten Rechnung getragen wird (Europäische Kommission 2006). Der Nationale Entwicklungsplan der Regierung betont immer wieder die Bedeutung des Unternehmertums für die Wirtschaftsentwicklung und beinhaltet spezifische politische Ansätze und Entwicklungsvorhaben zur Beseitigung diesbezüglicher Barrieren. Einige dieser politischen Zielsetzungen sind in andere politische Rahmenvorgaben wie beispielsweise die KMU-Förderungsund Innovationspolitik eingebettet. Die Bundesregierung hat spezifische Ziele zur Erhöhung der Zahl von Unternehmensneugründungen und zur Erweiterung unternehmerischen Engagements festgesetzt. Ferner wurde ein Etat für Maßnahmen zur Förderung des Unternehmertums eingestellt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie verfügt über eine eigene Abteilung, die vorrangig für die Förderung von KMU und Unternehmertum zuständig ist. Es wurde eine eigene Webseite – das Existenzgründerportal - eingerichtet, um Unternehmern Informationen aus erster Hand zu Fragen der Unternehmensneugründung an die Hand zu geben.11 So wurde für Existenzgründer auf nationaler Ebene eine zentrale Anlaufstelle geschaffen. Die Bewusstseinsförderung und die Unterstützung einer Kultur des Unternehmertums sind inzwischen in Politik und Gesellschaft breit verankert. Unterstützt wird diese Entwicklung durch von der Regierung mit initiierten Veranstaltungen, die über die Rahmenbedingungen von Unternehmensneugründungen informieren. Ferner wird unternehmerisches Engagement von der Regierung in Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor mit Förderpreisen ausgezeichnet. Vielfalt (ethnische Minderheiten, Frauen, Jugendliche etc.) im Unternehmertum wird in verschiedenen Stadien der Unternehmensentwicklung, auch bei Startups und in Entwicklung befindlichen Unternehmen prämiert. 11 Weitere Informationen unter: : www.existenzgruender.de/gruendungswerkstatt/index.php. 40 Politische Ansätze zur Integration von Unternehmertum auf allen Ebenen des Bildungssystems wurden entworfen. Für alle Schulstufen mit Ausnahme der Grundschule existiert inzwischen eine Planungsstrategie zur Integration von Unternehmertum auf allen Ebenen sowie zur Aufnahme in die bundesweiten Lehrpläne. Für alle Schulstufen wurden Lehr- und Lernmaterialien entwickelt, unter ihnen ein Plan zur Förderung der Vermittlung von Unternehmertum auf allen Bildungsstufen. Die Fachhochschulen und Hochschulen bieten eine große Bandbreite von Seminaren in diesem Bereich an, und es bestehen diesbezüglich Austauschmöglichkeiten auf Bundesebene (wie beispielsweise Konferenzen, Seminare, Datenbanken zu Ressourcen). Ferner werden außerschulische Aktivitäten gefördert (z.B. über die Institution „Young Enterprise“). Dennoch sind zahlreiche Politiken in diesem Bereich gerade erst entworfen und noch nicht umgesetzt. Eine wichtige Zielsetzung der Politik besteht in der Erleichterung von Unternehmensgründungen. Überdies wurden Untersuchungen der Barrieren für den Markteintritt und –austritt sowie für den Zeitund Geldaufwand bei Unternehmensgründungen durchgeführt. Die Regierung hat ihre Wettbewerbspolitik überprüft, um für den Markteintritt neuer Unternehmen in allen Sektoren einen möglichst offenen Wettbewerb zu garantieren. Initiativen wie Steuersenkungen und verminderte bürokratische Lasten für neu gegründete Unternehmen wurden aufgelegt. Die Lohnnebenkosten und der Verwaltungsaufwand, die Neueinstellungen durch junge Unternehmen im Wege stehen, werden auf den Prüfstand gestellt. Aktivitäten kleiner und mittlerer Unternehmen im Bereich Forschung und Entwicklung können steuerlich begünstigt werden. Für informelle Investitionen in neue und wachstumsorientierte Unternehmen stehen steuerliche Anreize bereit. Ein weiteres vorrangiges politisches Ziel liegt in der Erhöhung der Fördermittel für Unternehmen während der Gründungs- und Aufbauphase. Die Regierung hat eine Untersuchung der Finanzierungslücken bei Neuunternehmen durchgeführt. Des Weiteren stehen staatlich geförderte Mikrokreditprogramme zur Verfügung, um mehr Menschen die Gründung ihrer eigenen Firma zu ermöglichen. Mikrokreditprogramme wurden für jene Gruppen entwickelt, die nur schwer Zugang zur herkömmlichen Kreditfinanzierung erhalten (Frauen, ethnische Minderheiten u.a.). Darüber hinaus fördert die Regierung die Bereitstellung von Investmentkapital für Firmen in der Aufbauphase sowie den Aufbau von Netzwerken von „Business Angels“ und Datenbanken zur Kontakterleichterung zwischen Unternehmensgründern und informellen Investoren. Auch die Fördermittel für Unternehmensneugründungen und Unternehmen in der Aufbauphase wurden deutlich aufgestockt. In ganz Deutschland wurden Anlaufstellen (First-Stop-Shops und One-Stop-Shops) eingerichtet, an denen Neuunternehmer Informationen zu Startups, Unterstützung und Beratung erhalten können. Ferner hat die Regierung dafür Sorge getragen, dass den Bedürfnissen von Unternehmen in der Gründungs- und Aufbauphase durch Netzwerke für KMU-Services Rechnung getragen wird. Geschäftsnetzwerke in allen Regionen sowie staatlich geförderte Web-Portale wurden zur Vermittlung von Informationen und zur Unterstützung neuer und im Aufbau befindlicher Unternehmen eingerichtet. Die Bundesregierung hat die Einrichtung von Mentorenprogrammen für Neuunternehmen und Wachstumsunternehmen erleichtert. Überdies stehen Zuschüsse zur Förderung von Schulungsmaßnahmen für Neuunternehmer bereit. Eine bundesweite Strategie für Gründungszentren und zu deren staatlicher Förderung in Schlüsselregionen wurde aufgelegt. Kommunale Ebene In Deutschland verteilt sich die Unternehmensförderung auf verschiedene politische Ebenen. Die Bundesregierung stellt einen allgemeinen Rahmen auf Bundesebene bereit, während die Länder für die konkrete Ausgestaltung der Strategien der Bundespolitik mit konkreten politischen Zielsetzungen und Instrumentarien zuständig sind, die den jeweiligen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedingungen der einzelnen Bundesländer angemessen sein sollen. Zu betonen ist hierbei, dass 41 zwischen der Bundes- und der Länderebene keine Hierarchie besteht; jede Ebene besitzt ihre eigenständige Kompetenz zur politischen Gestaltung in unterschiedlichen Bereichen wie Innovationspolitik, Förderung unternehmerischen Engagements, Bildung etc. Eine Vielzahl lokaler Akteure in verschiedenen Institutionen ist auf Länderebene für die Gestaltung, Umsetzung und Auswertung der politischen Initiativen zuständig. Die Zuständigkeit für die Politiken zur Förderung des Unternehmertums liegt vor allem bei den Wirtschafts- und/oder Arbeitsministerien sowie bei den Bildungsministerien. Innerhalb dieser Ministerien sind Fachabteilungen für die Gestaltung und Umsetzung von Projekten und Programmen in den Bereichen Innovation, Industriepolitik, Arbeitsmarktpolitik, wirtschaftliche Entwicklung und Bildung zuständig. Zu den wichtigsten Instrumenten der Förderung des Unternehmertums gehören unter anderem finanzielle Hilfsprogramme wie Anschubfinanzierungen für Unternehmensneugründungen und Schulungen für Jungunternehmer in Schulungszentren und Universitäten. Die Unternehmensförderungspolitik konzentriert sich in Deutschland weiterhin vorrangig auf kleine und mittlere Unternehmen. Wegen der föderalen Struktur Deutschlands kommt den Bundesländern großer Einfluss auf die politische Gestaltung und Umsetzung zu. Dasselbe gilt für die Städte und Gemeinden in den Ländern, die in territorialer, organisatorischer, planerischer, finanzieller und in bestimmtem Maße auch in gesetzgeberischer Hinsicht ein hohes Maß an Unabhängigkeit genießen. Mit der territorialen Unabhängigkeit geht die Befugnis der Kommunen zur Gestaltung der politischen Verwaltung innerhalb ihrer eigenen Grenzen einher. So besitzen die Kommunen das Recht zur Einrichtung von Behörden und zur Zuweisung von Pflichten und Zuständigkeiten an die eigene Verwaltung. Die Kommunen sind selbst vorrangig für die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und in diesem Kontext auch für die Unterstützung von Unternehmensgründungen auf allen Entwicklungsstufen zuständig. Die jeweiligen örtlichen Behörden spielen eine wichtige Rolle in der Gestaltung der Unternehmensförderpolitik, und in ihre Zuständigkeit fällt auch die Verwaltung der unternehmerisch relevanten Infrastruktur am jeweiligen Standort. Die größte Schwierigkeit der kommunalen Unternehmenspolitik liegt in der derzeitigen Finanzknappheit der deutschen Kommunen. Aufgrund finanzieller Einschränkungen können viele kreative und innovative Ideen zur Förderung unternehmerischen Engagements auf kommunaler Ebene derzeit nicht im wünschenswerten Umfang realisiert werden. Hier liegt einer der Hauptgründe dafür, weshalb die Gestaltung politischer Programme in diesem Kontext mit der Beseitigung politischer Barrieren verbunden werden sollte, die Randgemeinden wie beispielsweise das Altenburger Land in Thüringen an einer erfolgreichen Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb hindern. Die nachfolgende Kurzübersicht über die Verwaltungseinheiten und geographischen Grenzziehungen in den Ländern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt zeigt, dass noch zu viele Gemeinden und Landkreise um ihr eigenes Image und ihre eigene Standortpolitik zu ringen haben. Der Freistaat Thüringen beispielsweise umfasst sechs Kreisfreie Städte, 17 Landkreise und 1007 Kommunen. Im Jahr 2002 lebten 62% der Einwohner Thüringens in Gemeinden mit unter 1.000 Einwohnern; 93% wohnten in Kommunen mit unter 5.000 Einwohnern. Sachsen ist in die drei Regierungsbezirke Chemnitz, Dresden und Leipzig unterteilt, die ihrerseits in 22 Landkreise gegliedert sind. Zudem befinden sich im Freistaat sieben Kreisfreie Städte. 42 Sachsen-Anhalt verfügt über 11 Landkreise, 1033 örtliche Behörden und 93 Verwaltungseinheiten. Die drei hauptsächlichen städtischen Ballungsräume sind DessauRoßlau, Halle und Magdeburg. Dieser Überblick verdeutlicht, dass es in diesen nur drei Bundesländern mit geringer Bevölkerungsdichte, starker Abwanderung insbesondere junger und gut ausgebildeter Menschen, einer alternden Bevölkerung und beschränkten Finanzmitteln zur Förderung des Unternehmertums zu viele eigenständige Verwaltungseinheiten gibt. Die Zahl der Landkreise muss daher überprüft werden, um am Ende einer geringeren Anzahl von Verwaltungseinheiten klare Prioritäten und ökonomische Zielsetzungen zu geben und sie so für den gemeinsamen Wettbewerb in der globalisierten Weltwirtschaft zu stärken, statt ihre Konkurrenz untereinander weiter zu fördern. Das wird automatisch zu einer engeren Zusammenarbeit der politisch Verantwortlichen und der Menschen über regionale Grenzen hinweg, zu einer besseren Nutzung der knappen Finanzressourcen und zur Konzentration auf weniger, aber effektivere Politiken und Programme mit spezifischer Ausrichtung auf die jeweiligen regionalen Gegebenheiten führen. Die politische Gestaltung auf kommunaler Ebene ist nicht nur mit der Politik der Länder und des Bundes verknüpft. Die Rahmenbedingungen der politischen Förderung des Unternehmertums auf Bundesebene wurden an den Rahmenbedingungen der europäischen Politik ausgerichtet, während die konkrete Umsetzung sich weitgehend unabhängig von den Verordnungen der EU vollzieht. Wie bereits erwähnt, gilt dies auch für die kommunale Ebene und die Länderebene. Den Neuen Bundesländern stehen auf der Grundlage des Subsidiaritätsprinzips unabhängig von der EU- und der Bundesebene eigenständige Handlungsmöglichkeiten offen, wobei das Subsidiaritätsprinzip die verfassungsgemäße Aufgabenteilung zwischen dem Bund und den Ländern regelt. Dennoch ist die politische Gestaltung in den Neuen Bundesländern in hohem Maße abhängig von und verbunden mit der EU-Politik, sobald es um Fragen der Finanzierung geht. Der im Rahmen der Lissaboner Strategie erarbeitete politische Unternehmensförderrahmen der EU einerseits und die über den Strukturfonds nach Ostdeutschland fließenden Mittel in beträchtlichem Umfang auf der anderen Seite sind zu den beiden tragenden Säulen der Förderung des Unternehmertums und der Umsetzung dieser Förderpolitik in den ostdeutschen Ländern, Landkreisen und Städten geworden. Der erwähnte Nationale Strategische Rahmenplan soll die Attraktivität der Regionen deutlich erhöhen. Die Regionen bzw., wie in Deutschland, die Bundesländer und weniger der Bund, sind vorrangig für die strategische Umsetzung der EU-Strukturfonds in Deutschland zuständig. Zu ihren strukturpolitischen Aufgaben gehört die Entwicklung und Umsetzung zukunftsträchtiger Strategien zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums durch die Förderung ausgewählter Projekte. Von den Regionen wird die Entwicklung von Verwaltungs- und Kontrolleinrichtungen erwartet, die einen effektiven Einsatz der Mittel aus den EU-Fonds und die Verhinderung von Missbrauch ermöglichen. Interessant zu sehen ist hier, wie der Ball auf die Seite der Regionen und Kommunen zurückgespielt wird, die gemeinsam für die Entwicklung eigener Strategien zur Standortförderung verantwortlich sind. Hierzu gehört auch die Entwicklung einer erfolgreichen Unternehmensförderung und vor allem die Überprüfung der Rahmenbedingungen der derzeitigen Unternehmensförderung. In Anbetracht der Tatsache, dass künftig wesentlich weniger Mittel aus der EU nach Ostdeutschland fließen werden, haben die Regionen und die ostdeutschen Bundesländer bereits mit der Umgestaltung ihrer Innovations- und Unternehmensförderpolitik begonnen. So hat beispielsweise Thüringen zum Zweck der weiteren Spezialisierung und Imageverbesserung die Technologiepolitik in den Mittelpunkt seiner Wirtschaftspolitik gerückt. Das größte Augenmerk wird hierbei auf die kleinen und mittleren Unternehmen gerichtet, die in der thüringischen Wirtschaft eine zentrale Rolle spielen (gerade einmal 50 von fast 80.000 Thüringer Unternehmen weisen einen Jahresumsatz von über 50 Millionen Euro auf). Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen in Thüringen können wegen ihrer 43 geringen Größe keine eigenen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten durchführen. Zur Erhöhung der Innovationskraft dieser Unternehmen wird sich die Technologiepolitik der thüringischen Landesregierung künftig vor allem auf folgende Bereiche konzentrieren: 1. Eine effiziente Infrastruktur für Forschung und Entwicklung. Thüringen verfügt inzwischen über ein engmaschiges Netz von Institutionen für Bildung, Forschung und Technologie, das fortwährend weiter ausgebaut wird. 2. Unterstützung der Zusammenarbeit zwischen Universität Zusammenarbeit der Unternehmen in Clustern und Netzwerken. 3. Förderung von Projekten im Bereich Forschung und Entwicklung auf Unternehmensebene. 4. Förderung der Einstellung von Hochqualifizierten (Thüringen-Stipendium, Innovationsassistent zur Verbesserung des Personalwechsels zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen). und Wirtschaft und Diese spezifischen Maßnahmen werden von allgemeinen staatlichen Subventionsprogrammen flankiert. Hierzu gehören die genannten Investitionshilfen mit Zuschüssen und niedrig verzinsten Darlehen sowie Angebote im Bereich Unternehmensfinanzierung (Bereitstellung nachrangiger Darlehen und von Beteiligungskapital). Seit 2004 bietet die Thüringer Aufbaubank das so genannte Thüringen-Kapital zur Verbesserung der Eigenkapitalbasis von KMU an. Auch neue Programme wie Thüringen-Invest und Thüringen-Dynamik wurden aufgelegt. Die besondere Bedeutung, die die Landesregierung der Förderung von Forschung und Entwicklung für die Nachhaltigkeit der thüringischen Wirtschaft zuschreibt, lässt sich auch an der Verwendung der Mittel des europäischen Strukturfonds ablesen. Obgleich der Freistaat Thüringen in der neuen Förderperiode (2007 bis 2013) wesentlich weniger Mittel erhalten wird (2,1 statt 2,8 Milliarden Euro), wurde der Förderumfang im Bereich „Bildung, Forschung, Entwicklung und Innovation“ um etwa 100 Millionen Euro (auf 459 Millionen Euro insgesamt) aufgestockt. Darüber hinaus werden Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds für Bildungs- und Qualifikationsmaßnahmen, zur Förderung von Innovationsnetzwerken und zur Einstellung hoch qualifizierter Mitarbeiter im Bereich Forschung und Entwicklung eingesetzt. Dieser klar und nachhaltig ausgerichtete politische Ansatz macht Folgendes deutlich: Der Freistaat Thüringen (ebenso wie Sachsen und Sachsen-Anhalt) verabschiedet sich von einem politischen Ansatz, der auf die Subventionierung möglichst vieler Einzelpersonen und Unternehmen ohne geographische oder sonstige Auswahlkriterien (die sog. Gießkannenförderung) ausgerichtet war und stellt künftig die Förderung weniger innovativer Cluster in den Mittelpunkt (die sog. Leuchtturmpolitik). Verständlich wird dies vor dem Hintergrund der künftig geringeren Mittel für den Freistaat Thüringen (sowie für andere Neue Bundesländer) und in Anbetracht der Tatsache, dass der Wettbewerb nicht nur auf kommunaler, sondern auch auf globaler Ebene schärfer wird. Daher wird die Förderung bereits bestehender innovativer KMU und innovativer Regionen anstelle der Förderung neuer innovativer Unternehmen in Randgebieten ins Auge gefasst. Mit diesem Top-Down-Ansatz Thüringens wird es für Randgebiete wie das Altenburger Land schwieriger, ihr unternehmerisches Potenzial zu stärken oder auch nur zu erschließen. Im Altenburger Land finden sich vor allem KMU in traditionellen Sektoren wie Maschinenbau, Metallverarbeitung, Kunststoffindustrie, Automobilindustrie, Glasherstellung, Lebensmittelproduktion, Möbelproduktion, Papierindustrie, Verlagswesen, Textilindustrie und Landwirtschaft. Moderne Bereiche unternehmerischer Aktivität finden sich nur selten, in Thüringen vor allem in den Bereichen Kommunikationstechnologie, Mikrosystemtechnologie, Elektronik, IT-Technologie und Solartechnologie. Diese Sektoren müssen 44 und werden von der neuen Landespolitik profitieren. Es ist daher an denen politisch Verantwortlichen, zügig festzustellen, welche Bereiche gefördert werden müssen, um von der Innovationspolitik des Landes profitieren zu können. Darüber hinaus müssen neue unternehmerische und innovative Initiativen entwickelt werden. Das entspricht der Wirtschaftspolitik des Landes, die auf die Stärkung der strukturstarken Regionen sowie auf die Entwicklung benachteiligter Regionen (wie das Altenburger Land) ausgerichtet ist. Anders ausgedrückt ist die Anwendung der Policy-Cycle-Methode auf Landesebene und kommunaler Ebene jetzt von größter Bedeutung. Die Politik- und Programmentwicklung muss durch einen systematischen Ansatz mit vier verknüpften Stadien unterfüttert werden: Problemdefinition (siehe oben), Gestaltung, Umsetzung und vor allem Evaluation. In diesem Zusammenhang sind folgende Tatsachen bei der Neugestaltung der Unternehmensförderpolitik in Landkreisen wie dem Altenburger Land zu berücksichtigen: Nach dem NUI-Ranking (das NUI-Ranking vergleicht die Entwicklung des Unternehmertums in deutschen Städten und Landkreisen).12 Für die Jahre 2005 und 2006 weisen die Indikationsziffern für Unternehmensinitiative und Unternehmensklima im Landkreis Altenburger Land unterdurchschnittliche Werte auf, die zudem zu den niedrigsten in ganz Deutschland gehören. Im Regionenvergleich landete der Landkreis Altenburger Land 2006 in der Schlussgruppe (411 von 439 Landkreisen). Auch die Stadt Halle verlor an Boden und wurde mit NUI 392 eingestuft. Der Landkreis Mittweida weist einen ähnlichen Trend auf: Während das NUI-Ranking 2005 mit dem Leistungsindikator 265 viel versprechend war, erzielte der Landkreis 2006 nur eine Bewertung von 379.13 Kaum überraschend fallen demnach die Ergebnisse einer Erhebung der Industrie- und Handelskammer Ost-Thüringen (2005) aus, die in Bezug auf unternehmerische Einstellungen und Auffassungen ergab, dass die Unternehmen in diesem Landkreis ihre wirtschaftliche Gesamtsituation und ihre Zukunft eher pessimistisch beurteilten. Nur 16% hielten ihre Lage für „gut“, 55% waren im Allgemeinen zufrieden und nur 8% planten Belegschaftsaufstockungen, während 32 Prozent angaben, dass sie in nächster Zukunft wahrscheinlich Mitarbeiter entlassen würden. Die genannten Landkreise, die für lokale Fallstudien im Rahmen der Untersuchung der Entwicklung des Unternehmertums auf kommunaler Ebene in Ostdeutschland ausgewählt wurden, haben im NUI-Ranking 2006 (im Vergleich zu 2005) an Boden verloren. Es stellt sich die kritische Frage, ob die für diese Landkreise entwickelten Rahmenbedingungen der Unternehmensförderung in Bezug auf die Förderung des Unternehmertums wirkungslos geblieben sind. Die vorliegende Untersuchung zeigt eine Reihe relevanter Aspekte für die weitere Analyse und Bewertung auf, verzichtet jedoch auf erschöpfende Antworten. Bewertungen auf lokaler Ebene sind erforderlich, um die politischen Instrumente herauszuarbeiten, die das Unternehmertum fördern. Mit Hilfe einer solchen Bottom-Up-Evaluation lassen sich eine Reihe erfolgreicher politischer Instrumente auswählen und von den lokalen Handlungsträgern (Politikern und Unternehmern) aufeinander abstimmen. In diesem Kontext lohnt ein kurzer Blick auf die Rahmenbedingungen der Unternehmensförderung auf kommunaler Ebene. Im Hinblick auf finanzielle Unterstützungen für Unternehmer unterstützt die Abteilung für Geschäfts- und Tourismusförderung im Landkreis Altenburger Land beispielsweise Jungunternehmen in folgenden Bereichen: Geschäfts- und Beschäftigungsfinanzierung, Regionalentwicklung, Tourismusförderung und Verkehrswesen. Auf der überregionalen Ebene sind weitere Fördereinrichtungen tätig: die Gesellschaft für Arbeits- und Wirtschaftsförderung (GFAW), die finanzielle Hilfestellungen im Bereich Arbeitsmarkt und berufliche Schulung anbietet; die Industrie- und Handelskammer Ostthüringen, die Informationen über Finanzhilfen und Beratung für Start-Ups bereitstellt; das Startup-Netzwerk Thüringen, ein Verbund 12 Der NUI-Indikator zeigt, wie viele Unternehmen je 10.000 Einwohner im erwerbsfähigen Alter innerhalb eines Jahres angemeldet wurden. Vergleiche IfM Bonn 2006 und 2007: www.ifn-bonn.org/index.htm?/dienste/mui.htm. 13 Ebda. 45 von Universitäten, Technologiezentren, Gründerzentren und Industrie- und Handelskammern für technologie- und wissensbasierte Start-Ups; und die Initiativen Thüringer Businessplan Wettbewerb; das Gründer-Monitoringsystem Thüringen (GMS); das virtuelle Startup-Zentrum der Handelskammern Thüringen; der Startup-Preis „Marktlücke“ sowie ein Existenzgründerpass. Überdies stehen verschiedene Zuschüsse und Finanz- und Technologieförderprogramme auf Landesebene zur Verfügung: Landesinvestitionsprogramme der Aufbaubank Thüringen; Zuschüsse für Beratungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für KMU durch das RKW Thüringen; Beteiligungskapital (Beteiligungskapital - Beteiligungsmanagement Thüringen GmbH); Beteiligungskapital (Thüringen Kapital - Landesregierung Thüringen); Private Equity Thüringen, GuW Plus; Konsolidierungsfonds Entwicklungsbank Thüringen); Thüringen Technologiekonzeption; Forschungsschecks und das Thüringenstipendium.14 Anders gesagt wurde ein umfangreiches Netz von Finanzhilfen zur Förderung des Unternehmertums auf kommunaler Ebene und auf Landesebene entwickelt, wobei jedoch eine Gesamtbewertung zu fehlen scheint und ein sachgemäßer Zuschnitt der finanziellen Hilfsprogramme benötigt wird, um die Entwicklung des Unternehmertums voranzutreiben und eine Strategie mit klaren Prioritäten und Ressourcenzuweisungen zu entwickeln. Die Landkreise Mittweida und Halle stehen vor vergleichbaren Herausforderungen. Nach den Resultaten der NUI verschlechterte sich das Unternehmensklima in Mittweida im Jahr 2005 dramatisch, nachdem es sich seit 2003 vor allem wegen der Einführung des Existenzgründungszuschusses und der Ich-AG positiv entwickelt hatte. Zahlreiche Geschäftsneugründungen im Jahr 2003 und später sind eher Verlegenheitsgründungen, von denen viele nur wenige Jahre existieren werden. Für die Unternehmensförderpolitik besitzt der Landkreis Mittweida eine Anlaufstelle für Geschäftsunterstützung und Regionalentwicklung, die im August 2002 eingerichtet wurde und im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur unterstützt wird. Ziel dieser regionalen Managementanstrengungen ist die Profilierung der Identität der Region und die Steigerung der Attraktivität des Landkreises für Betriebsansiedlungen und private Zuwanderung. Unterstützt werden in diesem Rahmen die Schaffung eines besonderen Image, die Raumentwicklung, die Mobilisierung von Geschäftsmöglichkeiten und Wachstumspotentialen, die Schaffung von Netzwerken und Clustern und die Zusammenarbeit mit Nachbarregionen. Die Unterstützung von Seiten der Behörden in Mittweida wurde als effizient und hilfreich bewertet.15 Auf überregionaler Ebene sind als weitere unterstützende Institutionen die Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH – WFS, die Handwerkskammer Chemnitz und die Industrie- und Handelskammer Südwest-Sachsen tätig, die folgende Dienstleistungen anbietet: Sächsisches Existenzgründungsnetzwerk (www.existenzgruendung-sachsen.de), das Existenzgründungsportal Sachsen und einen „Runden Tisch“ für Unternehmen in wirtschaftlichen Notlagen. Überdies bestehen zahlreiche Unterstützungsaktivitäten, vorwiegend Fördermöglichkeiten in den Bereichen Technologie und Finanzierung auf Landesebene: intensive Beratungs- und Schulungsleistungen für KMU (Landesbank Sachsen); Gründungs- und Wachstumsfinanzierung Sachsen; Liquiditätshilfedarlehen; finanzielle Unterstützung für insolvente sächsische KMU; 14 Weitere Informationen unter http://www.tip-jena.de/; http://www.altenburgerland.de/; „Lokaler Diagnosebericht für die Landkreise Mittweida (Sachsen) und Altenburger Land (Thüringen)‟, erstellt von Regionomica - Berlin für die OECDStudie “Stärkung des Unternehmertums und der lokalen Wirtschaftsentwicklung in Ostdeutschland“ (November 2005). 15 Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. 46 Darlehensbürgschaften (Bürgschaftsbank Sachsen); finanzielle Förderung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten in Einzelunternehmen; finanzielle Förderung gemeinsamer Forschungs- und Entwicklungsprojekte und finanzielle Unterstützung für Technologiezentren. Einige dieser staatlichen Programme werden vom Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRD) mit getragen, beispielsweise die finanzielle Unterstützung für Forschungs- und Entwicklungsprojekte in Einzelunternehmen und die finanzielle Unterstützung für gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Beeindruckend im Landkreis Mittweida ist auch ein Technologiepark auf dem neuesten Stand. Der Technologiepark Mittweida ist ein Gründungs- und Innovationszentrum, das als zentrale Anlaufstelle für technologieorientierte Unternehmer, Gesellschaften und Dienstleister im Landkreis fungiert. Es bietet Unterstützung für Start-Ups, Informationen zu Finanzhilfen, Unterstützung und Management-Dienste für innovative Projekte, Geschäftsberatung, Beratung in Kooperationsfragen und Fragen der Beteiligung an regionalen und internationalen Transfernetzen sowie in Fragen des Technologie- und Wissenstransfers mit Universitäten und Forschungseinrichtungen. Das Zentrum arbeitet eng mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Mittweida zusammen. 16 Mittweida hat sich inzwischen eine gute Grundlage für innovative unternehmerische Entwicklung geschaffen. Dieser Erfolg geht Hand in Hand mit dem neuen Ansatz in der Landespolitik. Eine weitere Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen Lokal- und Landespolitik zur Feinabstimmung der Maßnahmen wird empfohlen. Auch die Stadt Halle hat sich eine innovative Basis für die weitere Wirtschaftsentwicklung geschaffen. Die Wirtschaftsförderung der Stadt Halle koordiniert verschiedene Aktivitäten zur Unterstützung von Unternehmern, potenziellen Investoren und bereits bestehenden Unternehmen. In diesem Kontext werden beispielsweise Beratungen zur Geschäftsgründung und zu Finanzhilfen bereitgestellt. Darüber hinaus bietet die Stadt eine umfangreiche Palette an Serviceeinrichtungen zur Unternehmensförderung: Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg mit mehreren Einrichtungen zur Unternehmensförderung; das Netzwerk des Weinberg Campus im Technologiepark Halle/Saale; die Existenzgründungsoffensive Sachsen-Anhalt; das Business-Angels-Netzwerk Sachsen-Anhalt (BAN); UNIVATIONS, das Innovations- und Startup-Netzwerk der Universitäten von Sachsen-Anhalt; das Institut für Innovation und Entrepreneurship; die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau, die Handwerkskammer Halle; die Investitionsbank Sachsen-Anhalt; örtliche Banken und die Arbeitsagenturen. Der Weinberg Campus des Technologieparks fungiert als zentrale Anlaufstelle für technologieorientierte Unternehmen, Fachbereiche der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und externe Forschungseinrichtungen. Er umfasst drei Technologie- und Startup-Zentren sowie das hoch spezialisierte Bio-Zentrum.17 Die Technologieförderung wurde erweitert, aber in Halle ist das unternehmerische Engagement nach wie vor nicht zufrieden stellend. In den vergangenen Jahren ist das Niveau der unternehmerischen Aktivität im Vergleich gesunken. Im Jahr 2005 machten sich von 1.000 16 Weitere Informationen zum Landkreis Mittweida unter: www.landkreis-mittweida.de/cms/250.htm. Diese Informationen basieren auf dem „Lokalen Diagnosebericht für die Landkreise Mittweida (Sachsen) und Altenburger Land (Thüringen)‟, erstellt von Regionomica, Berlin für die OECD-Studie “Stärkung des Unternehmertums und der lokalen Wirtschaftsentwicklung in Ostdeutschland“ (November 2005) 17 Vgl. www.weinbergcampus.halle.de/) sowie den „Lokalen Diagnosebericht für die Stadt Halle (Sachsen-Anhalt), erstellt von Regionomica, Berlin für die OECD-Studie “Stärkung des Unternehmertums und der lokalen Wirtschaftsentwicklung in Ostdeutschland“ (Juni 2006). 47 Beschäftigten nur 1,6% mit einer eigenen Firma selbständig, während die gesamtdeutsche Vergleichszahl bei 3,3% liegt.18 Zusammenfassung und Ausblick Das sozio-ökonomische Umfeld der Neuen Bundesländer und ihrer Landkreise ist durch zahlreiche Herausforderungen, jedoch auch durch beeindruckende Fortschritte gekennzeichnet, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: Alle Bundesländer und Landkreise sehen sich einer massiven Abwanderung vor allem junger und gut ausgebildeter Fachkräfte gegenüber. In sämtlichen Landkreisen ist die Arbeitslosenquote sehr hoch. Der Prozentanteil der Beschäftigten im landwirtschaftlichen Sektor und in der verarbeitenden Industrie liegt weit über dem bundesdeutschen Durchschnitt. Der Produktionssektor dominiert nach wie vor in allen Landkreisen, wenn auch recht erfolgreich. Moderne Wachstumssektoren wurden zwar aufgebaut und gefördert, besitzen jedoch noch nicht die Stellung, die sie in einer unternehmerisch orientierten und im Wandel begriffenen Wirtschaft innehaben sollten.19 In allen ostdeutschen Ländern und Landkreisen wurden Rahmenbedingungen für die Wirtschaftsförderung entwickelt, die sich vorrangig auf die finanzielle Unterstützung von Startup-Initiativen und Geschäftsneugründungen konzentrieren. Das derzeitige Wirtschaftswachstum ist nach wie vor stark vom produzierenden Gewerbe abhängig, das sich auf eine hohe Nachfrage an Konsumgütern aus den Schwellenmärkten Osteuropa, Asien und aktuell auch Russland stützen kann. (The Economist 2007) Ist dieser Bedarf erst gedeckt, wird das produzierende Gewerbe in Deutschland sich dem globalen Wettbewerb mit anderen Ländern ausgesetzt sehen, deren Produktion rasch wächst. Die Notwendigkeit des weiteren Ausbaus moderner Wachstumssektoren in Ostdeutschland ist daher dringlicher als je. In diesem Kontext werden sich die ostdeutschen Bundesländer auf die Förderung weniger, jedoch innovativer Regionen und auf die gezielte Förderung moderner Wachstumsunternehmen sowie auf die Ansiedlung größerer Unternehmen in den Neuen Bundesländern konzentrieren müssen. Auch die niedrigen Arbeitskosten, die dem produzierenden Gewerbe in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bislang Wettbewerbsvorteile verschafft haben, werden angesichts des zunehmenden globalen Wettbewerbs früher oder später keine Erfolgsgarantie mehr sein. Dann wird sich auch die These von Richard Florida bestätigen, der zufolge gut ausgebildete und talentierte Arbeitskräfte für die Standortentscheidungen von Unternehmen letztlich wichtiger als Investitionen, Steueranreize oder niedrige Arbeitskosten sind (Florida 2002; 2004). Wie in Kapitel 2 dargelegt, geht die Schaffung neuer Arbeitsplätze vorrangig auf Unternehmensneugründungen und neu in den Markt eintretende Unternehmen zurück. Daher ist die Verbesserung des Umfeldes für unternehmerische Aktivitäten (gleich ob durch große oder kleinere 18 Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit. 19 Hier könnte einer der Hauptgründe für das nach wie vor ungenügende unternehmerische Klima in Halle und im Altenburger Land liegen. 48 Unternehmen) und Einzelpersonen in Ostdeutschland von großer Bedeutung. Die Struktur der Unternehmensförderung in den Neuen Bundesländern trägt dem zwar Rechnung, konzentriert sich jedoch primär auf Finanzhilfen für Unternehmensneugründungen. Zu diesem Zweck stehen zahlreiche Förderprogramme zur Verfügung. Wollen sich interessierte Unternehmer und Kunden einen allgemeinen Überblick über die landesweiten Förderprogramme verschaffen, stellt sich indes heraus, dass große Teile der betreffenden Informationen zu den Förderprogrammen auf den Webseiten der Länder und Kommunen nur schwer einzusehen sind. Mit dem Schlagwort vom „Förderdschungel“ wird die Situation recht gut beschrieben: Es gibt abschreckend viele Förderprogramme und Zuschussmöglichkeiten. Hilfreich wäre hier die Konzentration auf wenige, klar nachvollziehbare und nutzbare Programme. Daher wird eine Überprüfung der derzeitigen Förder-Rahmenbedingungen mit dem Ziel der Umgestaltung in eine schlanke Struktur einer umfassenden Unternehmensförderstrategie mit eindeutigen Zielsetzungen empfohlen (Grimm 2005). Die Bemühungen der Handlungsträger zur Verbesserung des unternehmerischen Umfeldes in den genannten Landkreisen und Bundesländern haben in den vergangenen zehn Jahren zur Entwicklung und Einführung zahlreicher unterschiedlicher neuer Darlehens- und Förderprogramme für potenzielle Unternehmer geführt. Die Anzahl der Förderprogramme für Start-Ups ist immer weiter gestiegen, so dass heute ein ganzes Netz weit entwickelter und komplexer Fördermöglichkeit für unternehmerische Aktivitäten besteht. Es muss bezweifelt werden, dass dieser politische Ansatz tatsächlich zu einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für das Unternehmertum beigetragen hat. Vielmehr gewinnt man den Eindruck, dass die derzeitigen Darlehensprogramme viel zu kompliziert und zu wenig transparent sind und sich oftmals nur schwer (online) einschätzen lassen. Die meisten finanziellen Förderprogramme sind alles andere als kommunal angelegt. Weder Mittweida noch das Altenburger Land bieten eigene Förderungen an, die spezifisch auf die Unterstützung von „Local Heroes“ in diesen Landkreisen ausgerichtet sind. Es könnte überzogen scheinen, wenn nun die Einrichtung eines strikt kommunal ausgerichteten Förderprogramms zusätzlich zu den bereits bestehenden Förderinstrumenten gefordert wird; die Notwendigkeit indes, den Gegebenheiten vor Ort Rechnung zu tragen sowie der neue Strategieansatz der Landesregierungen mit Beschränkung auf nur ein bis zwei spezifische Programme sollten in ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden. Die Wirtschaftsentwicklung hängt zum großen Teil von unternehmerischen Aktivitäten vor Ort ab, und die Förderung eines günstigen Unternehmensumfeldes auf kommunaler Ebene ist im globalen Kontext von größter Bedeutung. Vor dem Hintergrund dieser Einsichten ist festzustellen, dass es den politischen Handlungsträgern bislang nicht in ausreichendem Maß gelungen ist, eine angemessene kommunal ausgerichtete Wirtschaftsförderung zu entwickeln und umzusetzen. In diesem Zusammenhang scheinen die politischen Akteure der Länder und Landkreise die Aussendung einer klaren Botschaft zu den grundlegenden globalen Veränderungen und der entsprechenden Notwendigkeit der Schaffung neuer wirtschaftlicher Antriebskräfte (etwa durch „Technologie, Toleranz und Talent“) für eine unternehmerisch ausgerichtete Wirtschaft zu scheuen. Solange diese eindeutige Botschaft nicht bei der Bevölkerung angekommen ist, wird nicht verstanden werden, weshalb man sich einer in raschem Wandel begriffenen unternehmerisch ausgerichteten Gesellschaft mit neuen Arbeitsbedingungen und nur begrenzter Arbeitsplatzsicherheit anpassen muss. Unternehmerische Köpfe werden zur Schaffung eines lebendigen Umfeldes für kreative und innovative Gemeinden benötigt. Die politisch Verantwortlichen können Rahmenbedingungen für unternehmerische Aktivitäten schaffen, und sie tun dies auch, wie bereits bemerkt, indem sie vor allem finanzielle Förderung anbieten. Es ist jedoch an den Bürgern, sich diese Angebote zunutze zu machen und etwas zu bewirken. Und die Regierungen müssen den Menschen die Freiheit und den Mut vermitteln, die vorliegenden Förderangebote auch zu nutzen. Der bisherige Top-Down-Ansatz in der Förderung des Unternehmertums ist daher durch einen Bottom-Up-Ansatz zu ergänzen: Ideen und 49 Vorschläge zur Unterstützung der Regionen mit kommunal angepasstem politischen Handeln müssen einbezogen werden. In dieser Hinsicht muss man für Ostdeutschland von Problemen im Multi-Level-GovernanceAnsatz sprechen. Neben dem Top-Down-Ansatz auf Bundes- und Länderebene wird zur Umsetzung der Unternehmensentwicklungsstrategie auf kommunaler Ebene auch Bottom-Up-Wissen benötigt. Die Probleme des Unternehmertums auf kommunaler Ebene scheinen zwar klar, jedoch sind die politischen Handlungsebenen hier noch zersplittert und unterentwickelt (Hofer 2006). Mit Nachdruck wird eine enge und regelmäßige Abstimmung zwischen den kommunalen Einrichtungen und den kommunalpolitischen Verantwortungsträgern empfohlen. Nur so lässt sich eine transparente und allgemein zustimmungsfähige Strategie für die Entwicklung des Unternehmertums umsetzen, in deren Rahmen die Belange der wichtigsten Partner vor Ort formalisiert werden können. Eine solche Strategie sollte das Ergebnis öffentlicher Debatten, Überlegungen und Konsensbildungen der betroffenen kommunalen Einrichtungen sowie von Abstimmungen der betreffenden Gemeinden sein, und sie sollte sich um einen umfassenden und integrierten Ansatz in der Förderung des Unternehmertums bemühen. In einen Aktionsplan umgesetzt, lassen sich so klare Prioritäten und Zuständigkeiten aller Beteiligten sowie Fristen und Ressourcen genau definieren. Empfehlenswert ist ferner eine Debatte zur Rolle der betreffenden Gemeinden im größeren Kontext einer Region und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung auch über Verwaltungsgrenzen hinaus. Eine solche Strategie zur Förderung des Unternehmertums auf kommunaler Ebene sollte sowohl mit dem Strategischen Nationalen Entwicklungsplan wie mit den politischen Rahmenbedingungen der Unternehmensförderung auf EU-Ebene abgestimmt werden. Mit dem Vertrag von Lissabon hat sich die Europäische Kommission zur Förderung des Unternehmertums als zentralem Innovations-, Wettbewerbs- und Wachstumsfaktor verpflichtet. Obgleich sie mit dieser Agenda nicht zufrieden stellend verlinkt sind, konnten die Stadt Halle und die Landkreise Mittweida und Altenburger Land einen politischen Rahmenplan zur finanziellen Unterstützung unternehmerischer Aktivitäten entwickeln, und dies gelang ihnen, ohne auch nur auf die Empfehlungen der Europäischen Kommission zu warten. Die Europäische Kommission entwickelte mit dem Lissabonner Vertrag einen politischen Top-Down-Ansatz mit dem Ziel der Stärkung der Regionalpolitik und des unternehmerischen Engagements Einzelner, statt die Eigenverantwortung und Risikobereitschaft der lokalen Akteure zu fördern. In Europa mangelt es nach wie vor an Vorstellungskraft, wenn es darum geht, sich klarzumachen, wie eine unternehmerisch orientierte Wirtschaft und Rahmenbedingungen mit klaren Erläuterungen zu deren Verwirklichung auf allen politischen Ebenen aussehen sollten. Weniger neue Programme und Initiativen werden gebraucht als vielmehr ein intellektueller Rahmen und ein kulturelles Umfeld für kreative Arbeit und Risikobereitschaft. In diesem Kontext ist auf ein erfolgreich umgesetztes kommunales und den Vorgaben der „Guten Praxis“ genügendes Programm hinzuweisen, das der Vision eines unternehmrisch ausgerichteten und innovativen Europa bestens entspricht. Es handelt sich hierbei um ein jüngst in Thüringen initiiertes Förderprogramm unter dem Namen ENABLE, das eine wichtige Komponente der neuen EUWachstumsstrategie mit dem Schwerpunkt der Förderung des Unternehmertums bildet.20 Das Projekt wurde 2004 begonnen und Ende 2006 abgeschlossen. Finanziert wurde es zum Teil mit Mitteln aus dem INTERREG III Programm der Europäischen Union.21 ENABLE bietet ein gutes Beispiel für die 20 Detaillierte Informationen zu diesem Programm finden sich unter: www.kfw.at/enable/. 21 Im Rahmen von INTERREG III wurden vor allem Erfahrungen im Zuge der Umsetzung der Strukturfondsprogramme sowie die jeweiligen nationalen Politiken berücksichtigt. Damit leistete INTERREG III einen Beitrag zur Kontaktaufnahme und zur Weiterentwicklung der bestehenden Kooperationsnetzwerke, wobei möglichst viele Regionen und unterschiedliche Akteure einbezogen wurden. Dies trug zur Vertiefung der wirtschaftlichen und sozialen Zusammenarbeit in ganz Europa bei (Audretsch und Grimm 2005, 17). 50 Umsetzungen gesamteuropäischer Zielsetzungen auf regionaler Ebene. Vier Regionen beteiligten sich an ENABLE: Kärnten (Österreich), Kaunas (Litauen), Thüringen und die Bezirke Sogn og Fjordane und Hordaland (West-Norwegen). Im Rahmen des Programms wurde eine Reihe von Zielvorgaben verwirklicht, die der Europäische Rat von Lissabon im Jahr 2000 formuliert hatte. So sah die Lissabonner Strategie unter anderem die Schaffung eines Europäischen Forschungs- und Innovationsraums und günstiger Rahmenbedingungen für Unternehmensneugründungen und innovative Geschäftsideen vor. ENABLE konzentrierte sich auf die Förderung und Verbesserung dieser Rahmenbedingungen und unterstützte sowohl Startup-Projekte wie bereits existierende kleine und mittlere Unternehmen (KMU) auf regionaler Ebene. Ein Schwerpunkt des Programms lag auf KMU-Netzwerken und Partnerschaften mit Technologietransfer und der wirtschaftlichen Verwertung von Forschungsergebnissen. Da solche unternehmerischen Netzwerke und der mit ihnen einhergehende Technologietransfer geographisch lokalisiert sind, ist eine Zusammenarbeit der Regionen erforderlich. ENABLE verfügte über das ausdrückliche Mandat, einen Beitrag zur Verbesserung der europäischen und der nationalen Politiken zu leisten. Dieses Ziel wurde erreicht, indem die kollektive Erfahrung genutzt wurde, die im Zuge der Umsetzung einer breiten Palette politischer Instrumente und Projektansätze gesammelt worden waren. Interregionaler Austausch und Kooperation waren die Hauptinstrumente zur Verwirklichung dieser Zielsetzungen. Eine der zahlreichen Aktivitäten im Rahmen des Förderprogramms ENABLE ist die Projektpartnerschaft „Alchymist“, die junge Unternehmer in ihrer schwierigen Startphase unterstützt. Das Hauptziel liegt darin, mehr junge Menschen bei der Existenzgründung (Qualifizierung) zu fördern und die Entscheidung hierzu zu erleichtern (Stimulation). Das Förderprogramm „Alchymist“ ist ein Instrument, das im Rahmen des Projekts Innovation Norwegen, einem der Leitprojekte, mit Erfolg eingesetzt wurde. ENABLE kombiniert die Bemühungen von vier Regionen, die alle weit von den Wirtschaftszentren ihrer Länder entfernt liegen und vor ähnlichen Herausforderungen stehen, aber auch vergleichbare Chancen bieten. Das ENABLE-Programm erfasste somit vergleichbare Regionen, die Alternativstrategien für das strategische Standortmanagement entwickeln müssen, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Zwar ist keine dieser Regionen ein sog. „Hot Spot“, aber alle vier haben Strategien zur Verbesserung ihrer unternehmerischen und technologieorientierten Kompetenzen entwickelt, indem sie vorrangig kleinere Unternehmen und den Mittelstand gefördert haben. Im Rahmen des ENABLE-Programms wurden diese Regionen durch ein hervorragendes Institutionennetzwerk unterstützt, das ihre Belange, Initiativen, Zielsetzungen und Strategien zusammenführte, um ihre Wettbewerbsfähigkeit in einer wissensbasierten globalen Ökonomie zu stärken. Der Dreifachschwerpunkt dieses Programms – Technologietransfer, KMU-Netzwerke und Erleichterung von Unternehmensneugründungen – entspricht den politischen Prioritäten und dem Ansatz, den die Europäische Kommission in ihrem Grünbuch zur Förderung des Unternehmertums formuliert hat. Ebenso entspricht die zentrale Rolle der Unternehmensförderpolitik als Wirtschaftsentwicklungsstrategie im Freistaat Thüringen dem europäischen Ansatz bei der Förderung von Unternehmertum und Wirtschaftswachstum. Damit lässt sich ohne Weiteres der Schluss vertreten, dass die Umsetzung des Förderprogramms ENABLE im Kontext der Wirtschafts- und Wachstumspolitik Thüringens und der europäischen Politik zur Förderung von Unternehmertum und Wachstum diesen politischen Vorgaben nicht nur angemessen war, sondern sie ihrerseits gestützt hat. Der große Wachstumsimpuls des Mandats von Lissabon zur Gestaltung eines unternehmerisch ausgerichteten Europa bliebe ohne die Umsetzung vor Ort wirkungslos. Das Förderprogramm ENABLE gehört zu den Programmen, die die europäische und die kommunale Ebene im Rahmen einer Partnerschaft miteinander verbinden, die eine maßgebliche Rolle in der Gestaltung der Zukunft Europas spielen kann. 51 Ein weiteres Beispiel für Networking und institutionelle Förderung sind die Projekte „Solarvalley Mitteldeutschland“ und „OptoNet“, die nachfolgend kurz beschrieben werden. Solarvalley Mitteldeutschland: Dieses Netzwerk bietet ein weiteres Modell Guter Praxis und zeigt, wie Regionen in Ostdeutschland ihre Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene intensivieren und sich zugleich auf innovative Nischen spezialisieren können. 25 Unternehmen und 12 Forschungseinrichtungen aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt mit Spezialisierung in den Sektoren Solarenergie und Solartechnologie schufen ein neues Netzwerk zum Zweck der verbesserten Kooperation und zur Zusammenführung und Förderung ihres gemeinsamen Sachverstandes. Zu den Teilnehmern gehören das Fraunhofer Center für Silizium-Photovoltaik (CSP) in Halle sowie Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus Halle, Erfurt und Dresden. Ein Modellfall Guter Praxis liegt hier insbesondere vor, weil es sich um ein offenes Netzwerk für neue Firmen und Partner handelt. Die Initiative entspricht ferner der Zielsetzung der Thüringischen Landesregierung, die beabsichtigt, Thüringen bis 2012 zum weltgrößten Produzenten von Solar-Wafern zu machen. Eine ganz besondere Erfolgsgeschichte in diesem Kontext ist die Entwicklung erneuerbarer Energiequellen in Thüringen, das inzwischen den höchsten Verbrauch an erneuerbarer Energie in ganz Deutschland hat und zu einem der wichtigsten europäischen Standorte im Bereich Solarenergiewirtschaft geworden ist. Derzeit sind in diesem Sektor unmittelbar oder mittelbar 47 Unternehmen mit etwa 2.000 Mitarbeitern tätig. Solarvalley Mitteldeutschland ist inzwischen ein Hot-Spot für Solarenergieunternehmen und die Solarzellproduktion. Das Kompetenznetzwerk OptoNet bietet ein weiteres Beispiel für Gute Praxis im Networking. OptoNet hat seinen Sitz in Jena. Über 60 Teilnehmer aus Unternehmen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Banken, Gemeinden und regionalen Verbänden haben sich hier zusammengeschlossen, um eine aktive Rolle in der nationalen und internationalen Entwicklung optischer Technologien zu übernehmen. So werden Forschungsthemen aufgenommen und Bereiche für den konzentrierten Einsatz von Fördermitteln herausgearbeitet. Das Netzwerk beteiligt sich an der politischen Koordination in der Anwerbung von Unternehmensniederlassungen, in der Schaffung neuer Beschäftigungsprofile und in der Schulung von Arbeitskräften im Optik-Sektor. Kernregion ist Thüringen, wo der Optik-Sektor einen Gesamtumsatz von 500 Mio. Euro und 6.000 Beschäftigte besitzt. Das Netzwerk kooperiert jedoch auch mit Partnern in ganz Deutschland, insbesondere in Süddeutschland.22 Dennoch – und das ist wirklich erstaunlich – weiß man nur wenig über die „Local Heroes“, die zu Global Players in der Entwicklung optischer Technologien und erneuerbarer Energiequellen geworden sind. Zur weiteren Stärkung der Idee des Unternehmertums sollte bekannter gemacht werden, wer die Personen hinter den neuen innovativen Produkten und Netzwerken in Mitteldeutschland und in der Stadt Halle eigentlich sind. Die Weitergabe von Erfahrungen wäre gewiss ein gutes Mittel zur Förderung des Unternehmertums und erfolgreichen, selbständigen unternehmerischen Handelns. Die Bürger sollten die verborgenen „Local Heroes“ in ihrem Bundesland und in ihren Landkreisen kennen und sich die Frage stellen: Wer sind die neuen Steve Jobs und Bill Gates in unserer Region? Zuzugestehen ist, dass Landkreise wie das Altenburger Land, Mittweida oder die Uckermark auch künftig mit dem globalen Wettbewerb zu kämpfen haben werden. Die neuen landespolitischen Ansätze mit Schwerpunktförderungen, die sog. Leuchtturmpolitik, bedeutet für Randgebiete wie die Neuen Bundesländer eine weitere Herausforderung. Diese Länder sollten baldmöglichst die PolicyCycle-Methode übernehmen, um einschätzen zu können, welche Politiken zu verfolgen, welche 22 OptoNet wird vom Wirtschaftsministerium im Bericht „Innovationspolitik. Mehr Dynamik für wettbewerbsfähige Arbeitsplätze“ als Beste-Paxis-Beispiel für das Networking in einer innovativen Nische besonders herausgestellt; der Bericht ist einzusehen unter: www.bmbf.de/pub/innovation_policy.pdf. 52 Prioritäten zu setzen und wie die politischen Maßnahmen lokal zuzuschneiden sind. Wird die derzeitige Unternehmensförderung von den lokalen Akteuren nicht baldmöglichst einer kritischen Bewertung unterzogen, werden die betreffenden Standorte in Zukunft noch weiter zurückfallen. Empfohlen wird ferner eine partizipatorische Bewertung abgeschlossener und laufender Programme und Projekte unter Einbeziehung der wichtigsten Akteure und Betroffenen auf kommunaler und regionaler Ebene. Damit könnte eine wirksame Verknüpfung von Top-Down- und Bottom-UpAnsätzen erreicht werden. Jena ist eine der wenigen ostdeutschen Städte, die in der Zeit des Übergangs Erfolgsgeschichte geschrieben haben. In Jena ist das bekannte Optik-Unternehmen Carl Zeiss angesiedelt, das seinen Sitz nach dem Zweiten Weltkrieg hierher verlegt hat. Mit ihrer Verwurzelung im Traditionsunternehmen Zeiss kann die nach 1989 neugegründete Jenoptik auf eine Tradition der Herstellung von Präzisionstechnik zurück blicken. Heute konzentriert sich die Firma auf die Erzeugung von Sternsensoren zur Satelliten-Navigation im All. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Herstellung von Lasern für medizintechnische Geräte und Chipfabriken. Das Unternehmen hat sich eindeutig auf globale Nischen ausgerichtet. In Jena sank die Arbeitslosenquote von 16,3% 1998 auf 11,1% im Jahr 2006. „Mit zwei Universitäten, einem Verbund von Forschungsinstituten und einem Technologiepark für Start-Ups vibriert Jena wie ein neues Silicon Valley.“ (New York Times 2007) Neben der Jenoptik haben Unternehmen wie Zeiss, Schott Jenaer Glas und Jenapharm mit ihren Verwurzelungen in traditionsreichen Firmen Nischen im Spitzentechnik-Sektor besetzt und einen Beitrag zur Konsolidierung der Wirtschaftsregion geleistet. Sie entwickeln visionäre Technologien, die auch weitere Spitzentechnologie-Unternehmen anziehen. Qualitativ hochwertige Arbeit, weltweite Kooperation, ein Exportanteil von über 40% in der Branche, eine gut ausgebaute Infrastruktur und ein wachsendes wirtschaftliches Potenzial – darauf baut der gute Ruf Jenas als Standort für Spitzentechnologie auf. Die effiziente Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft hat gleichfalls dazu beigetragen, dass sich Jena in Ostdeutschland zur erfolgreichen Biotech-Region entwickeln konnte. Die große Anzahl von Unternehmensneugründungen im Biotechnologie-Sektor belegt das hervorragende strategische Standort-Management. Die größte Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Thüringen befindet sich in Jena; zudem verfügt Jena über weitere außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Jena besitzt ein umfangreiches Netzwerk von Wissenschaftlern und Akademikern, das mit Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland und weltweit zusammenarbeitet. Insbesondere Einrichtungen im Bereich Optische Industrie sehen in dieser Region für sich eine Zukunft. Einer der Gründe für die außerordentliche Erfolgsgeschichte Jenas ist der Beitrag der „Local Heroes“. Die politisch Verantwortlichen haben klare Zielsetzungen für die Transformation und die Wirtschaftsentwicklung formuliert (Grimm 2005). Wichtig für die Entwicklung in Jena war einerseits die Jenoptik und andererseits die enge Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Universitäten und politischen Handlungsträgern. Für diese Zusammenarbeit wurde Jena als „Wissenschaftsstadt 2008“ ausgezeichnet, was die Reputation der Stadt als High-Tech-Standort weiter erhöhen wird. Der JuryVorsitzende sagte: „In Jena war zu beobachten, wie die Akteure aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gleichermaßen Herz und Seele in das Projekt einbrachten.“23 Die Preisverleihungsjury betonte insbesondere das Engagement aller Beteiligten in der Stadt. In Jena wurde die vom Europarat in Lissabon formulierte neue europäische Wachstumsstrategie tatsächlich auf kommunaler Ebene umgesetzt, oder vielmehr: Die örtlichen Handlungsträger entwickelten und verwirklichten eine Strategie, mit welcher die Zielsetzungen der Lissabonner 23 Zitat unter www.jena.de/sixcms/detail.php?id=45141&_nav_id1=38869&_lang=de. 53 Agenda ergänzt werden konnten. Weniger Brüssel als vielmehr die lokalen Akteure wie der Stadtrat und die Universitäten entwickelten die Rahmenbedingungen für unternehmerisches Engagement in Jena und setzten klare politische Prioritäten. Unterstützt wurden sie dabei durch beträchtliche Beihilfen der Öffentlichen Hand für die Jenoptik, deren Vorstandschef Lothar Späth – vormals Ministerpräsident von Baden-Württemberg - eine wichtige Rolle für die Entwicklung des Unternehmens und seinen Börsengang im Jahr 1998 spielte. Späth formulierte eine zukunftsorientierte, vorausschauende Politik, die den Stärken des Standortes Rechnung trug, und er förderte ein Klima, das junge Hochschulabsolventen und junge Mitarbeiter von Forschungseinrichtungen zu unternehmerischem Engagement ermutigte. Andere Landkreise wie Mittweida oder das Altenburger Land werden die Erfolgsgeschichte von Jena aus vielen Gründen wohl nicht wiederholen können. Eine engere Zusammenarbeit der Akteure innerhalb des jeweiligen Landkreises und mit den benachbarten Landkreisen, eine nachdrücklichere Schwerpunktsetzung auf moderne Wachstumssektoren, die Formulierung klarer politischer Zielsetzungen und mehr Offenheit für kreative, unternehmerisch orientierte Menschen könnte jedoch auch hier zur Entwicklung einer zukunftsorientierten Perspektive beitragen. Literatur Acs, J. Zoltan & Audretsch, B. David (1992), Innovation durch kleine Unternehmen, Edition Sigma, Berlin. Aernoudt, R. (2003), European Enterprise Policy. 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Schwarz (1993), “Die neuen Selbständigen: Promotoren marktwirtschaftlicher Modernisierung in Ostdeutschland?”, in R. Reißig (ed.), Rückweg in die Zukunft: über den schwierigen Transformationsprozeß in Ostdeutschland, Campus-Verl, Frankfurt. 57 TEIL II KERNBEREICHE DER UNTERNEHMENSFÖRDERUNG UND DER KMUENTWICKLUNG Teil II des vorliegenden Berichtes gliedert sich in sechs thematische Kapitel. Jedes Kapitel beginnt mit einem Überblick über die Ergebnisse der Fallgebietsstudien durch die OECD. In einer nachfolgenden Abhandlung werden sowohl theoretische wie praktische Aspekte des politischen Handelns vor dem Hintergrund neuer politischer Ansätze und Optionen erläutert. Verwiesen wird auf Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland und anderen Regionen in Mitgliedsstaaten der OECD. Es werden politische Handlungsempfehlungen in Form einer Checkliste dargelegt. Im jeweils letzten Abschnitt jedes Kapitels werden internationale Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland vorgestellt; damit soll ein Beitrag zur politischen Innovation und zur Entwicklung lokaler Ansätze zur Förderung des Unternehmertums geleistet werden. 59 KAPITEL 1 UNTERNEHMERISCHE KULTUR UND EINSTELLUNGEN 61 KULTURELLE ASPEKTE DES UNTERNEHMERTUMS Heiko Bergmann, Switzerland Dieser Artikel beschäftigt sich mit politischen Handlungsmöglichkeiten bei der Schaffung einer Gründungskultur und positiven gründungsbezogenen Einstellungen in OECD Ländern. Die Formulierung von politischen Handlungsempfehlungen setzt voraus, dass die Wirkungszusammenhänge zwischen diversen Einflussfaktoren, gründungsbezogenen Einstellungen und Gründungsaktivitäten bekannt sind. Aus diesem Grund wird hier zunächst theoretisch auf den Zusammenhang von Kultur, Einstellungen und Gründungsaktivität eingegangen. Anschließend werden empirische Ergebnisse vorgestellt und ein Modell präsentiert. Danach wird auf die Situation in Ostdeutschland eingegangen und – soweit vorhanden – Erfahrungen aus OECD Ländern mit politischen Initiativen präsentiert. Kultur und Einstellungen: Einführung und Abgrenzung Die Diskussion um kulturelle Merkmale, Einstellungen und Unternehmertum ist nicht neu. Bereits vor mehr 100 Jahren untersuchte Max Weber den Zusammenhang zwischen religiös-ethischen Motiven und Unternehmertum. Er argumentierte, dass die protestantische Arbeitsethik einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des modernen Kapitalismus geleistet hat, da sie die Einstellung zur Arbeit geändert hat (Weber 1905). Auch wenn religiöse Motive im Erwerbsleben in der heutigen Zeit vermutlich weniger von Bedeutung sind, ist die Diskussion um kulturelle Merkmale, unternehmensbezogene Einstellungen und Unternehmertum nach wie vor hoch aktuell. Zunächst soll hier der Begriff „Kultur“ erklärt und definiert werden. Anschließend wird auf den Einfluss kultureller Merkmale auf Gründungsaktivitäten eingegangen, und die Ergebnisse empirischer Studien werden dargestellt. Der Begriff der „Kultur“ ist sehr vielschichtig und wird in verschiedenen Bedeutungen gebraucht. In einer pragmatischen Abgrenzung kann man sagen, dass jede Gruppe von Menschen, deren Denken und Handeln sich von dem anderer Gruppen unterscheidet, eine „Kultur“ hat (vgl. Frick et al. 1998, S. 43). Hofstede betont ebenfalls den Zusammenhang von Kultur und Gruppenzugehörigkeit. Er definiert Kultur anschaulich als „collective programming of the mind which distinguishes the members of one group or category of people from another“ (Hofstede 1994, S. 5). Nach Fukuyama (2001, S. 3130) umfasst Kultur die Werte, Normen, Deutungen und Verhaltensweisen, die Gesellschaften oder andere soziale Gruppen charakterisieren. Die verschiedenen Definitionen machen deutlich, dass Kultur immer ein kollektives Phänomen ist, denn sie wird zumindest teilweise immer auch geteilt mit Menschen, die in der gleichen sozialen Umgebung leben oder der gleichen Gruppe angehören. Jeder Mensch gehört hierbei verschiedenen sozialen Gruppen an und trägt daher auch verschiedene Schichten der „mentalen Programmierung” in sich. Neben einer nationalen Ebene, die üblicherweise mit dem Begriff Kultur in Verbindung gebracht wird, gibt es auch eine regionale Ebene, eine ethnische, religiöse und eine Geschlechterebene (vgl. Shapero 1984, S. 26; Hofstede 1994, S. 10ff). Kultur wird bewusst und unbewusst erlernt und sollte daher von der menschlichen Natur einerseits und der individuellen Persönlichkeit andererseits unterschieden werden. Kulturelle Merkmale werden in Sozialisationsprozessen weitergegeben, weswegen Kultur nicht kurzfristig veränderbar ist, sondern langfristigen Charakter hat (vgl. Hofstede 1994, S. 5). Vor diesem Hintergrund wird bereits an dieser 63 Stelle deutlich, dass politische Programme immer nur einen bedingten und langfristigen Einfluss auf kulturelle Merkmale haben können. In den letzten Jahren hat sich die Forschung vermehrt mit dem Thema Einstellungen ('attitudes') und deren Rolle im Gründungsprozess beschäftigt. Im Unterschied zu kulturellen Merkmalen und Persönlichkeitsmerkmalen sind gründungsbezogene Einstellungen weniger stabil. Sie werden von Umfeldfaktoren beeinflusst und können sich daher mit der Zeit verändern. Zusammenhang von Kultur und Unternehmertum Die Entscheidung über die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit wird von einer Reihe von Faktoren beeinflusst. Der berufliche Hintergrund, der Bildungsstand, die derzeitige Erwerbsstellung, Persönlichkeitsmerkmale und auch das soziale und regionale Umfeld beeinflussen die Gründungsentscheidung. Einzelne Faktoren allein können nicht erklären, warum sich manche Personen selbstständig machen und andere eine abhängige Erwerbstätigkeit vorziehen, worauf Albert Shapero bereits vor mehr als 20 Jahren hingewiesen hat, als er den Gründungsprozess als "overdetermined" bezeichnete (vgl. Shapero 1984, 23). Kultur kann in unterschiedlicher Weise Einfluss auf wirtschaftliche Aktivität nehmen: Kultur beeinflusst die Einstellungen zu Arbeit und Konsum. Kultur hat einen Einfluss auf die Organisation wirtschaftlicher Aktivität und die Ausgestaltung und Effektivität von Institutionen, und Kultur wirkt zudem auf soziale Netzwerke und die Bildung von Vertrauen innerhalb von sozialen Gruppen (vgl. Fukuyama 2001, S. 3132ff). Für die vorliegende Untersuchung ist vor allem von Interesse, welchen Einfluss Kultur auf Gründungsaktivitäten haben kann. Ein solcher Zusammenhang kann auf verschiedene Art und Weise bestehen. Meist erfolgt die Analyse des Zusammenhangs von Kultur und Gründungsaktivitäten beziehungsweise Unternehmertum über Einstellungen zu Entrepreneurship oder Unternehmensgründungen. Es wird davon ausgegangen, dass kulturelle Merkmale gründungsbezogene Einstellungen beeinflussen, und dass diese wiederum auf Gründungsaktivitäten einwirken. Ein solcher Zusammenhang zwischen Kultur, Einstellungen und Gründungsaktivitäten kann auf individueller Ebene und auf regionaler beziehungsweise Gruppenebene bestehen (vgl. Davidsson/Wiklund 1997, S. 182). Ein direkter Zusammenhang auf individueller Ebene besteht dann, wenn aufgrund kultureller Merkmale viele Menschen positive gründungsbezogene Einstellungen haben und sich aufgrund dieser Einstellungen selbstständig machen. In diesem Fall besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Kultur und Gründungsaktivitäten, da es gerade Personen mit positiven Einstellungen sind, die sich selbstständig machen. Diese Argumentation deckt sich mit der von Schumpeter (1934), McClelland (1961) und Kirzner (1985), die ebenfalls eine direkte Verbindung von Einstellungen und Gründungsaktivität beschreiben. Weiterhin kann ein Zusammenhang von Kultur und Gründungsaktivität auf gesellschaftlicher Ebene bestehen. Etzioni (1987) argumentiert, dass die vorherrschenden Werte und Normen im sozialen Umfeld einer Person einen Einfluss auf deren Gründungsneigung haben können. Nach dieser Argumentation kann eine gründungsfeindliche Kultur dazu führen, dass individuelle Gründungsaktivitäten unterbleiben. Dies wäre z.B. der Fall, wenn in einer Gesellschaft oder einer Region Unternehmer und Unternehmertum ein schlechtes Ansehen haben und der Einzelne aufgrund dessen diese Erwerbsalternative nicht in Betracht zieht, obwohl er persönlich keine Vorbehalte gegenüber Unternehmern hat. Ein Zusammenhang zwischen Kultur und Gründungsaktivität besteht in diesem Fall nicht auf individueller Ebene, sondern lediglich auf Gruppen-, Regions- oder gesellschaftlicher Ebene. Auf theoretischer Ebene lässt sich der Zusammenhang von relevanten Einflussgrößen, Gründungseinstellungen und Gründungsaktivitäten durch die Theorie geplanten Verhaltens erklären. Diese aus der Sozialpsychologie stammende Theorie ist eine der am häufigsten verwendeten Ansätze für die Erklärung und Vorhersage menschlichen Verhaltens (vgl. Ajzen/Fishbein 1980; Ajzen 1991). 64 Auch die Institutionenökonomik kann einen Zusammenhang von Kultur und unternehmerischer Aktivität herstellen. Die Institutionenökonomik beschäftigt sich mit Institutionen und deren Wirkungen auf menschliches Verhalten. Der Begriff der Institutionen ist hierbei in einem umfassenden Sinn zu verstehen und meint sowohl formelle Gesetze und Organisationen als auch informelle Verhaltensregeln, wie zum Beispiel Normen, Sitten und Gebräuche. North (1992, S. 3) beschreibt Institutionen als die von Menschen erdachten Beschränkungen menschlicher Interaktion, kurz: als Spielregeln einer Gesellschaft. Üblicherweise beschäftigt sich die Institutionenökonomik mit formellen Institutionen wie Recht, staatliche Regulierungen oder Unternehmen (vgl. Richter 1994, S. 2f). Allerdings spielen auch informelle, oder, wie North sie bezeichnet, „formlose“ Beschränkungen in modernen Gesellschaften eine große Rolle. “Unser täglicher Umgang mit anderen – sei es in der Familie, in gesellschaftlichen Beziehungen, außerhalb derselben oder im Berufsleben – unterliegt einer Ordnung, die überwiegend durch Verhaltenskodizes, Sitten und Gebräuche und Konventionen bestimmt ist” (North 1992, S. 43). Formlose Beschränkungen entstehen aus Informationen, die in der Gesellschaft weitergegeben werden und sind Teil der Kultur. Kulturmerkmale und damit auch formlose Beschränkungen sind äußerst langlebig und verändern sich nur langsam. Auch bei der abrupten Veränderung von formgebundenen Beschränkungen ändern sich die kulturspezifischen formlosen Beschränkungen nur langsam (vgl. North 1992, S. 43ff). Menschliches Verhalten und damit auch Gründungsverhalten wird wesentlich durch Institutionen bestimmt. Institutionen stellen auch für Unternehmer den Handlungsspielraum dar, innerhalb dessen sie tätig werden können. Die jeweilige Ausgestaltung des institutionellen Rahmens beeinflusst das Entscheidungsverhalten für oder gegen eine Unternehmensgründung und damit auch das Angebot an Gründern. Die formellen Institutionen einer Gesellschaft sichern die Existenz von unternehmerischen Möglichkeiten. Die informellen Institutionen, also Einstellungen, Sitten und Gebräuche, bestimmen, inwieweit diese Möglichkeiten auch tatsächlich erkannt und genutzt werden (vgl. Welter 2002, S. 2f). Die formellen und die informellen Institutionen sind hierbei abhängig voneinander. Ein hohes Sicherheitsbedürfnis der Mitglieder einer Gesellschaft bedingt langfristig die Entstehung von formellen Institutionen, die dieses Sicherheitsbedürfnis unterstützen. Die hier dargestellten Ansätze stellen einen Zusammenhang zwischen Kultur, Einstellungen und wirtschaftlicher Aktivität her. Kulturelle Werte und Normen beeinflussen Einstellungen und Verhaltensweisen und wirken dadurch auf wirtschaftliche Aktivitäten. Bei der empirischen Überprüfung dieser Ansätze erweist es sich als problematisch, dass Kultur nicht direkt gemessen werden kann. Kultur fungiert als eine Art Hintergrundvariable, die sich in Einstellungen und Verhaltensweisen manifestiert. Einstellungen und Verhaltensweisen werden aber neben der kulturellen Prägung auch noch von einer Reihe anderer, personenbezogener Einflüsse bestimmt. Darüber hinaus gehören Menschen unterschiedlichen sozialen Gruppen an, weswegen sich regionale kulturelle Merkmale mit gruppenspezifischen kulturellen Merkmalen überlagern (vgl. Hofstede 1994, S. 10ff; Shapero 1984, S. 26). Personen der gleichen regionalen kulturellen Prägung können also unterschiedliche Einstellungen und Verhaltensweisen an den Tag legen. Lediglich in der Summe ist zu erwarten, dass aufgrund kultureller Unterschiede bestimmte Einstellungen in unterschiedlichen Regionen oder Kulturgruppen unterschiedlich häufig auftreten. Daher ist die Unterscheidung zwischen personenbezogenen Merkmalen und Kulturmerkmalen schwierig. Einstellungen und Verhaltensweisen lassen sich erst dann als Kulturmerkmale einstufen, wenn es sich nicht nur um individuelle Merkmale einzelner Personen handelt, sondern diese charakteristisch für Personengruppen sind. Somit ist es eine empirische Frage, ob bestimmte Merkmale als Personenmerkmale oder Kulturmerkmale einer größeren Personengruppe angesehen werden können. Empirische Studien zur Bedeutung kultureller Merkmale für Gründungsaktivitäten Die Bedeutung der regionalen “Gründerkultur” oder des regionalen “Gründerklimas” wird in vielen Untersuchungen zu Unternehmensgründungen hervorgehoben (vgl. Armington/Acs 2002, S. 39; 65 Goetz/Freshwater 2001, S. 59; Johannisson 1984, S. 33f; S. 157ff; Shapero 1984, S. 25f; Shapero/Sokol 1982). Man muss allerdings feststellen, dass die Begriffe Gründungskultur oder Gründungsklima oft nicht eindeutig definiert und operationalisiert und zudem in empirischen Untersuchungen meist nicht direkt erhoben werden. Einige empirische Studien zum regionalen Gründungsgeschehen, die auf die Bedeutung von Kultur- und Umfeldfaktoren hinweisen, erfassen diese nicht direkt, sondern lediglich als Restkategorie. Der Teil der regionalen Varianz, der nicht anhand von strukturellen Faktoren erklärt werden kann, wird der regionalen Gründungskultur oder dem spezifischen regionalen Umfeld für Unternehmensgründer zugeschrieben (vgl. für die USA: Armington/Acs 2002, S. 42f; Goetz/Freshwater 2001, S. 61; für Deutschland: Fritsch/Niese 2000, S. 241f; für GB: Robson 1998). Dieses Vorgehen ist aber unbefriedigend, da offen bleibt, welche Aspekte der regionalen Kultur oder des regionalen Gründungsumfeld tatsächlich von Bedeutung sind oder ob nicht andere, nicht berücksichtigte Faktoren für den unerklärten Rest der Varianz verantwortlich sind. Eine Untersuchung der Bedeutung kultureller Faktoren im Gründungsprozess bedarf einer direkten Erfassung von Werten, Normen und Einstellungen der Bevölkerung einer Region, was bislang nur in wenigen Studien verwirklicht wurde. Angesichts der Tatsache, dass in vielen theoretischen Abhandlungen auf die Bedeutung kultureller Merkmale für Unternehmensgründungen hingewiesen wird, erstaunt diese geringe Anzahl an empirischen Forschungsergebnissen. Davidsson und Wiklund (1997, S. 182) führen diese Forschungslücke vor allem auf die hohen Erhebungskosten und methodische Probleme derartiger Untersuchungen zurück. Aufgrund der Bedeutung für diese Arbeit werden die wenigen Untersuchungen zu Kultur und Unternehmertum kurz dargestellt: Davidsson und Delmar (1992) und Davidsson (1995) beschreiben die Ergebnisse eines empirischen Forschungsprojektes in sechs unterschiedlich strukturierten schwedischen Regionen. Anhand einer schriftlichen Befragung wurden insgesamt 1547 zufällig ausgewählte Personen der gleichen Altersgruppe aus den sechs Regionen nach gründungsbezogenen Werten und Einstellungen befragt. Hierbei wurden solche Bereiche wie Leistungsbereitschaft (achievement motivation), interne Kontrollüberzeugung (locus-of-control), Bedürfnis nach Unabhängigkeit (need for autonomy) und Bereitschaft zum Wandel (change orientation) berücksichtigt. Die regionalen Ausprägungen der Einstellungsbereiche wurden anschließend mit der regionalen Gründungsquote verglichen. Davidsson und Delmar kommen zum Ergebnis, dass Unterschiede bei den gründungsbezogenen Werten zwischen den untersuchten Regionen existieren, diese allerdings relativ klein sind. Nur für Stockholm finden sie signifikant höhere Werte als für die übrigen Regionen. Trotz dieser geringen Unterschiede und einzelner Abweichungen stellen sie tendenziell einen Zusammenhang von gründungsbezogenen Werten und regionalen Gründungsaktivitäten fest (vgl. Davidsson/Delmar 1992, S. 451f; Davidsson 1995, S. 49f). Davidsson (1995, S. 52f) zeigt weiterhin, dass ein Zusammenhang von Gründungsaktivitäten und regionalen strukturellen Merkmalen wie Selbstständigenanteil, Bevölkerungsdichte, Bevölkerungswachstum und Arbeitslosigkeit besteht. Sowohl kulturelle als auch strukturelle Faktoren beeinflussen also Gründungsaktivitäten. Die beiden genannten Gruppen von Einflussfaktoren sind aber möglicherweise nicht unabhängig voneinander: „ ... where the structural (pull) conditions for entrepreneurship are favourable, the culture tends to favour entrepreneurship” (Davidsson 1995, S. 53). Aufgrund der geringen Anzahl an Untersuchungsregionen und des Forschungsdesigns kann Davidsson die Frage der Kausalität von Kultur, Struktur und Gründungsintensität nicht abschließend klären. Er weist aber darauf hin, dass kulturelle Unterschiede möglicherweise nur das Resultat von strukturellen Unterschieden sind: “The possibility would remain, however, that structural pull factors are the real determinants and culture but an epiphenomenon that has no unique causal influence” (Davidsson 1995, S. 55). 66 Um den Zusammenhang von Struktur und Kultur eingehender zu untersuchen, führten Davidsson und Wiklund (1997) eine zweite Untersuchung mit anderem Forschungsdesign durch. Anhand einer Clusteranalyse aller 80 schwedischen Arbeitsmarktregionen identifizieren sie drei strukturell gleiche Regionspaare. Die zwei Regionen eines Regionspaares gehören jeweils zum gleichen Cluster, das heißt sie unterscheiden sich nicht in Bezug auf die Branchenstruktur, Bevölkerungsdichte und andere strukturelle Faktoren, die in anderen Studien häufig als Erklärungsfaktoren für die regionale Gründungsquote herangezogen werden. Die Regionen wurden allerdings so gewählt, dass jeweils eine von ihnen eine hohe und eine eine niedrige Gründungsquote aufweist. Da sich die beiden Regionen nicht in struktureller Hinsicht unterscheiden, vermuten Davidsson und Wiklund, dass kulturelle Unterscheide für die differierenden Gründungsraten verantwortlich sind. In ähnlicher Form wie bei der vorangegangenen Untersuchung wurden die kulturellen Merkmale und Einstellungen der Einwohner der Regionen anhand einer schriftlichen Befragung von zufällig ausgewählten 35-40 Jahre alten Personen erhoben. Ein Vergleich der Befragungsergebnisse für die drei Regionspaare zeigt, dass gründungsbezogene Werte, Ansichten und Einstellungen in den gründungsstarken Regionen meist jeweils positiver ausgeprägt sind. Davidsson und Wiklund (1997, S. 189ff) folgern daher, dass kulturelle Unterschiede einen Teil der Differenz der Gründungsraten erklären. Die kulturellen Unterschiede zwischen den sechs untersuchten schwedischen Regionen sind insgesamt allerdings relativ gering. Da in anderen Studien anhand struktureller Merkmale etwa 70% der Varianz regionaler Gründungsraten erklärt werden können (vgl. Audretsch/Fritsch 1994; Reynolds/Storey/Westhead 1994) und in der schwedischen Untersuchung kulturelle Unterschiede zwischen strukturell gleichen Regionen nur gering sind, folgern Davidsson und Wiklund (1997, S. 193), dass kulturelle Faktoren insgesamt einen geringeren Anteil der Varianz regionaler Gründungsquoten erklären als strukturelle Merkmale: „Our preferred interpretation of the results is that the cultural differences are minor and that their effects are likely to be small in comparison to the effects of some structural factors“ (Davidsson/Wiklund 1997, S. 196). Mueller und Goić (2002) untersuchen gründungsbezogene Einstellungen in sechs Transformationsländern. Auch sie kommen zum Ergebnis, dass die Unterschiede zwischen den Ländern im wesentlichen durch das Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung und nicht durch Faktoren wie Kultur oder Erfahrungen mit der Marktwirtschaft erklärt werden können. Die beschriebenen Untersuchungen leisten einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Zusammenhangs von kulturellen Merkmalen und regionalen Gründungsaktivitäten: Kulturelle Faktoren spielen eine Rolle im Gründungsprozess, vermutlich sind diese aber von geringerer Bedeutung als wirtschafts- und bevölkerungsstrukturelle Merkmale. Die Rolle von Einstellungen im Gründungsprozess Während es nur sehr wenige Untersuchungen gibt, die kulturelle Merkmale direkt erfassen und in Bezug zu Gründungsaktivitäten untersuchen, wurde der Zusammenhang von gründungsbezogenen Einstellungen und Gründungsaktivitäten bereits häufiger untersucht. Es lässt sich zeigen, dass gründungsbezogene Einstellungen und Fähigkeiten einen signifikanten Einfluss auf Gründungsaktivitäten ausüben (Arenius /Minitti 2005, Sternberg/Brixy/Hundt, 2007; Bergmann 2004a, 2004b; Koellinger/Minniti/Schade 2007; Lee/Wong/Ho 2004). Für die Ableitung von politischen Handlungsempfehlungen stellt sich nun die Frage, wodurch positive gründungsbezogene Einstellungen determiniert werden. In der Literatur finden sich bislang nur wenige Untersuchungen zu den Determinanten von positiven oder negativen Gründungseinstellungen. Die meisten Untersuchungen befassen sich mit dem Zusammenhang von Einstellungen und Gründungsaktivitäten und lassen die Herkunft von Gründungseinstellungen unberücksichtigt. Bergmann (2004, 2005) untersucht die Einflussfaktoren auf individuelle 67 Gründungseinstellungen für zehn deutsche Regionen auf Basis einer repräsentativen telefonischen Bevölkerungsbefragung. Entsprechend der Bevölkerungsverteilung wurden zwei Regionen in Ostdeutschland und acht Regionen in Westdeutschland berücksichtigt. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen drei gründungsbezogene Einstellungen, die sich bei vorherigen Analysen als relevant in Bezug auf die individuelle Gründungsneigung herausgestellt haben. Hierbei handelt es sich um die Einschätzung der eigenen Gründungsfähigkeiten, die Wahrnehmung der Möglichkeiten für eine Unternehmensgründung in der Region sowie die individuelle Risikoaversion, also die Frage, ob die Angst zu scheitern von einer Gründung abhalten würde. Das individuelle Vertrauen in die eigenen Gründungsfähigkeiten ist fast ausschließlich von Merkmalen der befragten Person und ihrer Einbindung in soziale Netzwerke abhängig. Regionsbezogene Merkmale sind zwar signifikant, haben allerdings nur eine geringe Bedeutung. Personen trauen sich eine Gründung insbesondere dann eher zu, wenn sie bereits selbstständig sind, in der Vergangenheit bereits einmal gegründet haben oder andere Menschen kennen, die erfolgreich ein Unternehmen gegründet haben. Auch bei den anderen beiden untersuchten Einstellungsfragen, der Wahrnehmung guter Gründungsmöglichkeiten und der individuellen Risikoaversion, sind personenbezogene und mikrosoziale Faktoren von großer Bedeutung. Persönliche Selbstständigkeitserfahrungen und/oder die Kenntnis von anderen Gründern führen zu einer positiveren Einstellung zu Gründungen. Bei diesen beiden Einstellungsfragen kommt aber auch der regionalen Ebene eine wesentliche Bedeutung zu: Gute Gründungsmöglichkeiten werden vor allen in Regionen mit einer hohen Kaufkraft bzw. Agglomerationsräumen gesehen. Auch die Qualität der gründungsbezogenen Infrastruktur hat einen signifikanten Einfluss, wobei es eine enge Beziehung zwischen den drei zuletzt genannten Variablen gibt: Die Kaufkraft ist tendenziell in Agglomerationsräumen hoch, wo auch die Qualität der gründungsbezogenen Infrastruktur meist gut eingeschätzt wird. Der festgestellte regionale Einfluss auf die individuelle Wahrnehmung guter Gründungsmöglichkeiten wird also vor allem von der Wirtschaftsstruktur der Region bestimmt. Die individuelle Risikoaversion wird ebenfalls deutlich von der regionalen Ebene beeinflusst. Allerdings fällt es schwer, diesen regionalen Einfluss anhand der Ausprägung von wirtschafts- oder bevölkerungsstrukturellen Faktoren der Region zu erklären. Lediglich die Ost/West-Unterscheidung erweist sich hier als relevant. Die Tatsache, dass sich zwar ein signifikanter regionaler Einfluss auf die individuelle Risikoaversion feststellen lässt, dieser aber offensichtlich kaum von wirtschafts- oder bevölkerungsstrukturellen Merkmalen der Region abhängt, deutet auf kulturelle bzw. Mentalitätsunterschiede zwischen den untersuchten Regionen hin. Dieses Ergebnis ist dahingehend von Bedeutung, dass Mentalitätsunterschiede verhaltsrelevant sein können, indem sie die Erwerbswahl beeinflussen. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen lässt sich das folgende Modell über die Bedeutung und die Rolle von kulturellen Merkmalen und gründungsbezogenen Einstellungen im Gründungsprozess aufstellen: Individuelle Gründungsaktivitäten sind abhängig von Merkmalen der Person und der jeweiligen Region. Der Einfluss dieser Merkmale erfolgt – quasi indirekt – über gründungsbezogene Einstellungen und Fähigkeiten. Positive gründungsbezogene Einstellungen sind damit in hohem Masse abhängig von Merkmalen der Person und der Wirtschaftsstruktur einer Region und nur zum kleinen Teil Ergebnis von kultureller Prägung. Gründungsbezogene Einstellungen und Fähigkeiten spielen somit eine intermediäre Rolle im Gründungsprozess. Politische Programme, die versuchen gründungsbezogene Einstellungen zu beeinflussen, sollten diese Zusammenhänge berücksichtigen und zur Kenntnis nehmen, dass gründungsbezogene Einstellungen im hohen Masse von Merkmalen der Person und seinem regionalen Umfeld abhängig sind. 68 Abbildung 6. Einflussfaktoren auf gründungsbezogene Einstellungen und Fähigkeiten sowie Gründungsaktivitäten mikrosoziales Umfeld Region Person Geschlecht Alter Ausbildung Erwerbsstellung Einkommen Selbstständigkeitserfahrung Unternehmensstruktur (Branche, Größe) Allgemeine wirtschaftliche Rahmenbedingungen (z.B. Verdichtungsgrad, Kaufkraft) Gründungsbezogene Rahmenbedingungen Kulturelle Merkmale Gründungsbezogene Einstellungen und Fähigkeiten Gründungsaktivität Quelle: Eigene Darstellung. Die Situation in Ostdeutschland In Bezug auf die Gründungsdynamik zeigt sich für Ostdeutschland folgendes Bild: Die Anzahl der Unternehmensgründungen war Anfang der 90er Jahre zunächst stark angestiegen, um dann anschließend unter das Niveau Westdeutschlands abzusinken. In den Jahren 2003 und 2004 stieg die Anzahl der Unternehmensgründungen in Ostdeutschland wieder deutlich an, vor allem aufgrund der massiven Förderung von Gründungen aus der Arbeitslosigkeit (Sternberg/Lückgen 2005: 14f, , Bergmann/Sternberg 2007). Mit der Einschränkung der Förderung von Gründungen aus der Arbeitslosigkeit war dieser „Höhenflug“ 2005 aber auch schon wieder beendet (Heger/Metzger 2006). 69 Aufgrund der hohen Arbeitslosenquote ist der Anteil der Gründungen aufgrund fehlender besserer Erwerbsalternative in Ostdeutschland höher als in Westdeutschland. Die Wachstumsabsichten dieser „Gründungen aus der Not“ sind meist allerdings geringer als bei Gründungen wegen einer guten Geschäftsidee. In verschiedenen Untersuchungen ist deutlich geworden, dass auch mehr als 15 Jahre nach der Wiedervereinigung die gründungsbezogenen Einstellungen in Ostdeutschland etwas verhaltener ausgeprägt sind als in Westdeutschland. Der jüngste Länderbericht Deutschland des Global Entrepreneurship Monitor (GEM) macht diese Unterschiede deutlich: Die Ostdeutschen schätzen ihr Gründungsumfeld pessimistischer ein als die Westdeutschen. Zudem gibt es einen großen, signifikanten Unterschied in Bezug auf die Frage, ob die Angst zu scheitern ein Gründungshemmnis wäre: Der Wert Ostdeutschlands liegt hier mit 53% Ja-Antworten acht Prozentpunkte über dem Wert Westdeutschlands. Keinen Unterschied gibt es hingegen bei der Einschätzung der eigenen Gründungsfähigkeiten. Diese werden in Ost- und Westdeutschland nahezu gleich gut eingeschätzt (vgl. Sternberg/Brixy/Hundt, 2007: 21). Oben wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Wahrnehmung der Gründungsmöglichkeiten vor allem von der regionalen Kaufkraft abhängt. Ein spezifischer Effekt für Ostdeutschland lässt sich nicht feststellen. Damit besteht von den untersuchten Variablen nur in Bezug auf die Risikoaversion tatsächlich ein kultureller Unterschied zwischen Ostund Westdeutschland. Diese hohe Risikoaversion ist vermutlich das Resultat der sozialistischen Vergangenheit Ostdeutschland, in der Eigeninitiative und das persönliche Tragen von wirtschaftlichen Risiken unterdrückt wurden. Die über viele Jahre unterdurchschnittliche Gründungsaktivität in Ostdeutschland erklärt sich allerdings nur zu einem kleinen Teil durch diesen kulturellen Hintergrund sondern ist vor allem das Resultat der vergleichsweise schwachen wirtschaftlichen Entwicklung. Zumindest in der Anfangsphase arbeiten die meisten Gründer für einen lokalen oder regionalen Markt. Insbesondere eine geringe Kaufkraft vermindert daher den Anreiz sich selbständig zu machen, was auch in den regionalen Fallstudien als wichtiges Hemmnis genannt wird (vgl. OECD 2006b: 16). Der Gründungsboom direkt nach dem Fall der Mauer hat gezeigt, dass auch in einem Umfeld, dass durch einen wenig förderlichen kulturellen Hintergrund geprägt ist, bei Vorliegen einer Vielzahl guter unternehmerischer Möglichkeiten auch in großer Zahl der Schritt in die Selbständigkeit vollzogen wird. Politische Initiativen zur Verbesserung gründungsbezogener Einstellungen Ein Review von politischen Programmen, die bei gründungsbezogene Einstellungen oder der Gründungskultur einer Region ansetzen ist schwierig, da derartige Programme nur sehr schwer wissenschaftlich evaluiert werden können und daher auch nur wenige entsprechende Veröffentlichungen vorliegen. Der Erfolg von Förderinitiativen, die auf die Schaffung einer “entrepreneurial culture” abzielen, messen den Erfolg von Maßnahmen oft anhand der Kenntnis des Programms in der Bevölkerung bzw. bei einer bestimmten Personengruppe oder der Gründungsmotivation (Vgl. Landtag Mecklenburg-Vorpommern 2005; BMWI 2006). Ob es durch solche Förderinitiativen tatsächlich zu einer steigenden Anzahl an Unternehmensgründungen kommt, wird nicht überprüft. Im Falle Mecklenburg-Vorpommerns ist die Zunahme der Selbständigenquote von 7% auf knapp 10% im Verlauf der Kampagne “Einfach Anfangen” mit großer Wahrscheinlichkeit nur zu einem kleinen Teil auf diese Kampagne zurückzuführen sondern eher das Resultat der massiven Förderung von Gründungen aus der Arbeitslosigkeit (vgl. Bergmann/Sternberg 2007) und eines allgemeinen Trends zu mehr Selbständigkeit. Hierdurch soll nicht gesagt werden, dass diese Förderinstrumente unwirksam werden. Wissenschaftlich fundiert lässt sich allerdings in aller Regel nicht nachweisen, dass Programme zur Schaffung einer „entrepreneurial culture“ oder der Verbesserung gründungsbezogener Einstellungen tatsächlich zu einer höheren Anzahl an 70 Unternehmensgründungen führen (vgl. Storey 2003). Daher ist auch nur bedingt ein Überblick über derartige Politikmaßnahmen möglich. Eine wichtige politische Initiative, die die Gründungseinstellung von Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeitern positiv beeinflussen will, ist das Förderprogramm „EXIST Existenzgründungen aus Hochschulen“. Das Förderprogramm will im ersten Schritt Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter für die Berufsoption unternehmerische Selbständigkeit sensibilisieren. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Aus- und Weiterbildung potenzieller Gründer und als Drittes sollen konkrete Gründungsvorhaben durch Beratung, Coaching und infrastrukturelle Hilfen unterstützt werden. Im Zeitraum 1998 bis 2005 wurden durch EXIST insgesamt 15 regionale Gründungsförderungsnetzwerke unterstützt, die zuvor auf Basis eines Wettbewerbs ausgewählt worden waren. Die Gestaltung und Umsetzung der einzelnen Maßnahmen erfolgte durch die einzelnen regionalen Akteure. Eine Darstellung aller Maßnahmen würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Es lässt sich sagen, dass EXIST in den beteiligten Hochschulen zur Erhöhung der Motivation für eine selbständige Tätigkeit geführt hat. Im Vergleich zur Ausgangssituation 1997 sind erheblich Fortschritte im Bereich Entrepreneurship-Aus- und Weiterbildung an den Hochschulen zu verzeichnen Die Langwierigkeit von Veränderungsprozessen, die im Bereich der Förderung einer Kultur der unternehmerischen Selbständigkeit ansetzen, wird auch von der wissenschaftlichen Begleitung des Förderprogramms hervorgehoben. Hierdurch wurden die Leitziele des Programms insgesamt erst teilweise erreicht. (vgl. BMWI 2006). Als Erfolgsfaktoren von EXIST lassen sich der Wettbewerbscharakter bei der Auswahl von Förderregionen und die Freiheit bei der Gestaltung individueller Maßnahmen anführen. Fraglich ist allerdings noch, ob durch EXIST tatsächlich dauerhafte Veränderungsprozesse initiiert und nachhaltige Förderinstitutionen geschaffen werden konnten oder ob diese mit dem Auslaufen der Förderung wieder verschwinden werden. Zudem kann noch nicht gesagt werden, ob es durch das Förderprogramm langfristig zu vermehrten Gründungsaktivitäten und positiven Wirkungen auf die Regionalwirtschaft kommen wird (vgl. Koch/Kautonen/Grünhagen 2006). Trotz dieser Einschränkungen können Regionen mit bedeutenden Hochschulstandorten, wie beispielsweise Halle, sicherlich von den Erfahrungen des EXISTProgramms profitieren (vgl. OECD 2007a). Autio, Kronlund und Kovalainen (2007) untersuchen in neun verschiedenen Ländern politische Programme und Förderinitiativen, die wachstumsstarke Unternehmen unterstützen. Die meisten der untersuchten Programme zielen hierbei nicht auf Einstellungen oder die Gründungskultur einer bestimmten Personengruppe ab, sondern bieten konkrete Unterstützungsmaßnahmen für bestehende Unternehmen in der Form von beispielsweise Beratungsleistungen, Exportunterstützung und Finanzierungsmöglichkeiten. The Mastering Growth Program in den Niederlanden ist eines der wenigen Programme, das sich auf das Erreichen und das Management von Wachstum aus einer Management-Perspektive fokussiert. Das Programm unterstützt Workshops, in denen ambitionierte Unternehmen voneinander lernen können, wie unternehmerisches Wachstum erreicht werden kann. Ziele des Programms sind die Motivation zu wachsen zu erhöhen und gleichzeitig auch die Management-Fähigkeiten des Unternehmers zu verbessern. Die Beteiligten sollen hierbei primär voneinander lernen. Das Programm wurde 2006 gestartet und es ist daher zu früh für eine endgültige Beurteilung. Allerdings ruhen großen Erwartungen auf dem Programm (Autio/Kronlund/Kovalainen 2007: 55f). High-Growth Start-up ist ein regionales Projekt in South Yorkshire in Großbritannien, dass von der der Organisation Business Link initiiert wurde. Das Programm bietet über 18 Monate Mentoringund Coaching-Unterstützung für wachstumsstarke Unternehmen an. Die Unternehmer sollen hierbei mit den notwendigen Management-Fähigkeiten für unternehmerisches Wachstum ausgestattet werden. 71 Das Programm hat bereits mehrere hundert Firmen unterstützt und wird in aller Regel als sehr erfolgreich eingeschätzt (Autio/Kronlund/Kovalainen 2007: 63f.). Die Handlungsempfehlungen von Autio, Kronlund und Kovalainen (2007: 76) zur Förderung von wachstumsstarken Unternehmen decken sich in vielen Punkten mit den Handlungsempfehlungen der OECD-Fallstudie für Halle (OECD 2007a: 58ff), insbesondere was die Fokussierung auf wenige, wachstumsstarke Unternehmen, die Motivation der Unternehmer und die enge Zusammenarbeit mit privatwirtschaftlichen Akteuren angeht. Was kann man tun und was sollte man tun? Gründungsbezogene Einstellungen und Fähigkeiten nehmen eine wichtige Rolle im Gründungsprozess ein. Sie beeinflussen signifikant Gründungsaktivitäten und werden ihrerseits von Merkmalen der Person und der Region bestimmt. Vor diesem Hintergrund kann man sagen, dass sie eine intermediäre Rolle im Gründungsprozess spielen. Die meisten Entrepreneurship-Förderinitiativen sind nicht direkt auf eine reine Verbesserung von Einstellungen sondern auf eine Verbesserung der gründungsbezogenen Rahmenbedingungen ausgerichtet. Bei den existierenden Programmen gibt es bislang noch keinen wissenschaftlich fundierten Beleg dafür, dass sich über politische Initiativen, die auf eine Verbesserung gründungsbezogener Einstellungen abzielen, tatsächlich eine Erhöhung der Gründungszahlen erreichen lässt. Die Zahl der Einflussfaktoren auf die letztendliche Gründungsentscheidung ist zu groß, um eindeutige Aussagen zuzulassen. Es gibt zwar Hinweise darauf, dass sich über politische Initiativen eine Verbesserung von Einstellungen und Fähigkeiten erreichen lässt. Oft bedarf es allerdings noch eines auslösenden Ereignisses (triggering event), damit tatsächlich der Schritt in die Selbständigkeit vollzogen wird. Bei der Gestaltung von politischen Programmen, die auf gründungsbezogene Einstellungen abzielen, sollte beachtet werden, dass gründungsbezogene Einstellungen in hohem Masse von persönlichen Merkmalen, der Einbindung in mikrosoziale Netzwerke und regionalen Merkmalen abhängig sind. Der regionale Einfluss auf gründungsbezogene Einstellungen lässt sich recht gut durch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einer Region erklären. Insbesondere in wirtschaftsstarken Regionen haben die Menschen positive Einstellungen zur Selbstständigkeit. Politische Maßnahmen haben vor diesem Hintergrund immer nur einen vergleichsweise kleinen und langfristigen Einfluss auf Gründungseinstellungen und die Gründungskultur in einer Region. Das Vertrauen in die eigenen Gründungsfähigkeiten ist fast ausschließlich von Merkmalen der jeweiligen Person und ihrer Einbindung in soziale Netzwerke abhängig. Insbesondere die Dauer der eigenen Erwerbstätigkeit, ein hoher Bildungsabschluss, Selbstständigkeitserfahrungen sowie der Kenntnis von anderen Gründern hat einen positiven Einfluss darauf, dass man sich eine Gründung selbst zutraut. Auch bei der Wahrnehmung guter Möglichkeiten für eine Unternehmensgründung und der individuellen Risikoaversion sind personenbezogene und mikrosoziale Faktoren von großer Bedeutung: Gute Gründungsmöglichkeiten werden vor allen in Agglomerationsräumen und Regionen mit einer hohen Kaufkraft wahrgenommen. Darüber hinaus führen die individuelle Kenntnis von anderen Gründern und persönliche Selbständigkeitserfahrungen zu einer besseren Wahrnehmung von Gründungsmöglichkeiten. In Bezug auf die Angst zu scheitern (Risikoaversion) lässt sich ein signifikanter Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland aufzeigen, der nicht vollständig anhand von wirtschafts- und bevölkerungsstrukturellen Faktoren erklärt werden kann. Es stellt sich die Frage, ob man mit geeigneten Maßnahmen versuchen sollte, diesen Unterschied zu verringern. Bei der Diskussion um die 72 hohe Risikoaversion in Ostdeutschland sollte man bedenken, dass Deutschland insgesamt durch eine ausgeprägte Risikoaversion gekennzeichnet ist: 46.5% der 18- bis 64-Jährigen würden aus Angst vor dem Scheitern auf eine Unternehmensgründung verzichten. Im Durchschnitt aller betrachteten Länder liegt dieser Wert bei 35.4% und in den USA bei nur 21% (vgl. Sternberg/Brixy/Hundt, 2007: 19). Daher kann man argumentieren, dass in Deutschland generell versucht werden sollte, die Risikoaversion zu vermindern. Die Förderung von Eigeninitiative und der Bereitschaft, individuelle Risiken zu tragen, sollte möglichst früh erfolgen und in allen Teilen des Bildungssystems verankert werden. Erfolge sind hier allerdings erst mittelfristig zu erwarten (vgl. OECD 2007b: 32). Der positive Einfluss der Kenntnis anderer Gründer und auch eigener Gründungserfahrungen auf gründungsbezogene Einstellungen legt den Schluss nah, in diesem Bereich mit Fördermaßnahmen tätig zu werden, beispielsweise über die Vernetzung von gründungsinteressierten Personen und die Präsentation von Rollenvorbildern. Dieser Ansatz wird auch in den regionalen Fallstudien aufgegriffen (vgl. OECD 2006a: 38f; OECD 2006b: 17). Andere der in den lokalen Fallstudien vorgeschlagenen Maßnahmen, wie beispielsweise die Schaffung von Gründungsinkubatoren (vgl. 2006a: 12) erscheinen weniger geeignet, eine tatsächliche Verbesserung der Gründungskultur in einer Region zu erreichen, da es die internationalen Erfahrungen in Bezug auf Gründungsinkubatoren eher verhalten sind. Wie bereits angeführt zeigen empirische Untersuchungen, dass kulturelle Merkmale nur zu einem kleinen Teil für den Umfang an Unternehmertum in einer Region verantwortlich sind. Unternehmer selbst wünschen sich meist nicht Förderprogramme sondern eine geringe administrative Belastung, eine große Handlungsfreiheit und niedrige Steuern. Über Verbesserungen in diesem Bereich lassen sich vermutlich am besten die Einstellungen zu einer unternehmerischen Tätigkeit nachhaltig verbessern. Literatur Ajzen, I. (1991), “The Theory of Planned Behaviour”, Organizational Behaviour and Human Decision Processes, Vol. 50, Elsevier, pp. 179-211. Ajzen, I., M. Fishbein (1980), Understanding Attitudes and Predicting Social Behaviour, Prentice Hall, New Jersey. Arenius, P., M. Minitti (2005), “Perceptual Variables and Nascent Entrepreneurship”, Small Business Economics, Vol. 24, No. 3, Springer Netherlands, pp. 233-247. Armington, C., Z. J. Acs (2002), “The Determinants of Regional Variation in New Firm Formation”, Regional Studies, Vol. 36, Issue 1, Routledge, pp. 33-45. Audretsch, D.B., M. 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Die Bedeutung einer unternehmerischen Kultur und die Förderung günstigerer Einstellungen und Motivationen zur Umsetzung neuer Ideen sind inzwischen in Regierungshandeln und gemeinsame Initiativen der Öffentlichen Hand und des privaten Sektors gemündet. Diese Initiativen gehen vor allem von Institutionen des Bundes und der Länder aus, jedoch werden auch auf kommunaler Ebene Initiativen wie beispielsweise die Unternehmertage und die Wettbewerbe und Preisauslobungen für Geschäftsideen organisiert. Einige Partnerschaften wurden auf Landesebene zwischen den Industrieund Handelskammern, den Handwerkskammern und den Arbeitsagenturen in eine formellere Form gegossen. Das Ziel ist die Anregung und Begleitung von Initiativen über Internetportale, Workshops und Einzelveranstaltungen. Auf lokaler Ebene ergaben einige der Fallstudien, dass es an identifizierbaren Rollenmodellen und Erfolgsgeschichten vor Ort mangelt. Erfolgreiche Unternehmer stoßen sogar mancherorts eher auf Neid denn auf Bewunderung. Die Prüfung der lokalen Fallstudien ergab zwei Haupttendenzen der Wirtschaftsaktivität und des Unternehmertums. Einerseits suchen die Menschen nach Beschäftigung in etablierten Unternehmen oder im öffentlichen Dienst, statt eigene Geschäfte zu gründen. Diese Grundeinstellung fördert die Übernahme von Standardaufgaben und die Erwartung, die eigene berufliche Laufbahn im Rahmen wohl geordneter Arbeitsmarktstrukturen durchlaufen zu können; nicht gefördert werden so Fähigkeiten, die zur Entwicklung neuer und wachstumsorientierter Geschäftsaktivitäten beitragen: Kreativität, Anpassungsfähigkeit, Selbstständigkeit und Risikobereitschaft mit Urteilsvermögen sowie die Erwartung, im Zuge der Karriereplanung das Unternehmen zu wechseln und auch selbständig zu werden. Auf der anderen Seite sind die Aktivitäten von Menschen, die tatsächlich ihr eigenes Geschäft betreiben, oftmals von dem Wunsch geprägt, Arbeitslosigkeit zu vermeiden; weniger wichtig ist das Motiv, erkannte Marktchancen und Markttrends zu nutzen, so das die Wachstums- und Überlebenschancen dieser Geschäfte in der Regel nicht sehr hoch sind. Gewiss könnte man in diesem Kontext auf das sozioökonomische Erbe der Kommandowirtschaft aus DDR-Zeiten verweisen, das der Entwicklung unternehmerischen Engagements im Wege steht; die Unternehmenstätigkeit und die Unternehmensentwicklung im weltweiten Maßstab zeigen jedoch, dass es bei der Förderung von Unternehmertum und entsprechender Motivation nicht nur in Übergangsgesellschaften, sondern auch in vielen anderen Regionen der OECD, die bislang von großen Industriebetrieben mit nachfolgendem Niedergang geprägt worden, Schwierigkeiten gibt. Das gilt insbesondere für die alten Industrieregionen Europas und Nordamerikas. Viele dieser Regionen sind heute um die Schaffung unternehmerischer Fähigkeiten und Motivationen bemüht, weil sie der Überzeugung sind, dass dies ein erster Schritt sowohl für eine wirtschaftliche Neubelebung wie für die Entwicklung und das Wachstum kleiner Unternehmen ist. Benötigt wird ein langfristiger, integrierter regionaler Aktionsplan zur Umsetzung eines kulturellen Wandlungsprozesses und zur Förderung einer unternehmerisch orientierten Gesellschaft; hierbei spielen Initiativen in den Bereichen Bildung, Ausbildung, Verwaltung, Gesellschaft, Geschäftswelt, Medien etc. eine wichtige Rolle. Viele 77 Standorte, deren Wirtschaft im Strukturwandel begriffen ist, haben den Eindruck, dass die Bewältigung dieses Prozesses sie in ihren Möglichkeiten zur gleichzeitigen Förderung dynamischer und gut ausgebildeter Unternehmer behindert, die in der Lage wären, neue Arbeitsplätze zu schaffen und neue wirtschaftliche Initiativen zu verwirklichen. Wahrscheinlich wegen der Auswirkungen des Übergangsprozesses und wegen der Schließung großer Fabriken ist hier ein Mangel an „Lokalpatriotismus und Stolz“24 zu beobachten, die von mancher Seite als Voraussetzung für Unternehmensneugründungen und unternehmerisches Engagement vor Ort betrachtet werden. Daher erfordert die Förderung unternehmerischer Fähigkeiten und Motivationen eine Strategie, die auch die Attraktivität und das Image der Landkreise als Standort für Geschäftsneugründungen verbessert, Rollenmodelle für erfolgreiches Unternehmertum bietet, das Bewusstsein für unternehmerische Möglichkeiten erhöht und Mentoren für neue und potentielle Unternehmer vorsieht. Zuwanderer und Menschen, die aus familiären oder sonstigen Gründen gern in ihre Landkreise zurückkehren wollen, können einen großen Wert für künftiges Unternehmertum und für die künftige wirtschaftliche Entwicklung darstellen. Für einige der lokalen Fallstudiengebiete wurden erste Ergebnisse mit einer gewissen Anzahl erfolgreicher und unternehmerisch aktiver Menschen ersichtlich, die aus anderen Teilen Deutschlands oder aus dem Ausland in die betreffenden Landkreise kamen und ihre eigenen Firmen gründeten. Die Einsicht, dass es beim Unternehmertum nicht nur um Start-Ups geht, sondern dass Beschäftigungsfähigkeit und Unternehmertum inzwischen untrennbar zusammengehören, sollte den politisch Verantwortlichen auch die Bedeutung der Aus- und Weiterbildung bewusst machen. Die Schaffung unternehmerischer Einstellungen unter den Führungskräften und Belegschaftsmitgliedern der Unternehmen ist ein wichtiger Faktor bei der Erhöhung des Innovationspotenzials und der Innovationsbereitschaft von Unternehmen. In einigen lokalen Fallstudiengebieten lag die Anzahl der gut ausgebildeten Mitarbeiter über dem Bundesdurchschnitt. Dies legt nahe, an eine Erweiterung der laufenden Aktivitäten zu denken, um die Gruppe der potenziell von politischen Initiativen Profitierenden zu vergrößern und gut ausgebildete Mitarbeiter als Zielgruppe mit hohem unternehmerischem Potenzial einzubeziehen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des noch immer schwachen Interesses an der Übernahme von Unternehmensnachfolgen im Vergleich zu Unternehmensneugründungen. Die Beteiligung an einem größeren Wirtschaftsraum ist von Vorteil; die Ansiedelung großer Unternehmen, oftmals multinationaler Art, bietet erweiterte Beschäftigungsmöglichkeiten und damit für die Mitarbeiter die Chance, Erfahrungen zu sammeln, ihre Fähigkeiten zu erweitern und Netzwerken anzugehören. All dies kann für die Aufnahme einer eigenständigen Geschäftstätigkeit von Bedeutung sein. Die Steigerung der Verantwortungsbereitschaft, der Bereitschaft zum Engagement und die Anerkennung der Leistungen anderer sind eng mit einem Prozess kultureller und organisatorischer Veränderungen in den Unternehmen verbunden. In ihrem Vorhaben, die kommunale Wirtschaft in ihren Schlüsselsektoren Gesundheitswesen und Automobilindustrie zu stärken, können die meisten Fallstudiengebiete auf einen großen Pool an qualifizierten jungen Arbeitnehmern mit akademischem Hintergrund und guter Ausbildung sowie auf eine örtliche Business Community zurückgreifen, der Unternehmen unterschiedlicher Größe und mit verschiedenen Spezialgebieten angehören. Die lokalen Fallstudien bestätigten die Annahme, dass sich die Förderung unternehmerischen Engagements bislang zu stark auf die Arbeitslosen konzentriert. Die Vermeidung oder Überwindung von Arbeitslosigkeit steht oftmals im Hintergrund neuer Geschäftsgründungen. Diese der Not entsprungenen Geschäftsgründungen sind jedoch in vielen Fällen im Wettbewerb weniger erfolgreich als Firmen, die aus freien Stücken gegründet worden, und gerade deren Gründung und Wachstum 24 Zit. aus Declan Murphy (2006): Supporting Entrepreneurship: Innovation, Exporting, Infrastructure and Financing, in: Entrepreneurship in the Districts Mittweida (Saxony) and Altenburger Land (Thuringia), OECD Diskussionspapier, OECD Local Entrepreneurship Reviews. 78 sollte im Mittelpunkt der Förderung stehen. Erforderlich ist ein Gleichgewicht zwischen der Förderung unternehmerischer Haltungen und Fähigkeiten in der Bevölkerung als ganzer und der Unterstützung von Unternehmensneugründungen und bestehenden kleinen Unternehmen. Leicht wird jedoch der Fehler gemacht, dass man sich zu sehr auf sog. „harte“ Unterstützungsleistungen wie die Bereitstellung von Geldmitteln, Immobilien und Beratungsleistungen und zu wenig auf „weiche“ Unterstützungsleistungen in Bezug auf die Förderung von Motivation und Fertigkeiten konzentriert. Diese letztgenannte Art der Förderung legt den Schwerpunkt darauf, Menschen unternehmerisches Engagement als echte Karrierechance nahe zu bringen und unternehmerisches Handeln als Chance zu vermitteln, selbst von der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, von neuen Märkten und neuen Wegen der Produktion zu profitieren. Weit verbreitetes aus Not geborenes unternehmerisches Engagement führt eher zu Problemen, da so neue Unternehmer aus der Gruppe der Langzeitarbeitslosen aktiv werden, die nur über begrenztes Eigenkapital und begrenzte Fähigkeiten verfügen. Diese Art des unternehmerischen Engagements ist in Hinblick auf die Produkt- und Verfahrensinnovation, das Unternehmenswachstum, die Produktqualität und die räumliche Reichweite ihrer Märkte verhältnismäßig schwach. Die meisten der Not geschuldeten Unternehmensgründungen konzentrieren sich auf bloße Nischen innerhalb lokaler Märkte, wobei jedoch langfristig nur die Expansion über den lokalen Standort hinaus mit Wahrscheinlichkeit zu weiteren Einkünften führt, die langfristig allein den wirtschaftlichen Niedergang auf lokaler Ebene umkehren können. Daher sind Maßnahmen zur Förderung unternehmerischer Motivation und unternehmerischer Fähigkeiten wichtig nicht nur für die Erweiterung des Pools von Personen, die Interesse und Fähigkeiten für die Gründung und Führung eines Geschäftes mitbringen, sondern auch für die Fortentwicklung der Geschäftsaktivität in den Landkreisen weg von bloßen Notgründungen und hin zu Gründungen aus freier Eigeninitiative mit wachstumsorientierten Innovationen bei Produkten, Märkten und Herstellungsverfahren, die lokale Firmen wettbewerbsfähiger machen. Die Verbesserung der unternehmerischen Haltungen geht einher mit einem größeren Bewusstsein der Chancen und Vorteile des Unternehmertums; damit wird für einen weiteren Personenkreis die Gründung oder Erweiterung eines eigenen Geschäftsbetriebes attraktiver, und in den Institutionen, Gemeinden und Unternehmen wird die Unternehmenskultur besser verankert. Verbunden mit einer unternehmensorientierten Kultur ist somit das rechte Verständnis der Markt- und Geschäftschancen, die kleinen und traditionellen Unternehmen helfen, innerhalb der lokalen Wirtschaft und/oder über deren Grenzen hinaus neue Chancen wahrzunehmen. Die lokalen Fallstudien lassen darauf schließen, dass sich für die Mehrheit der bestehenden KMU eine zu eng gefasste Auffassung der Märkte und der Wachstumschancen negativ auf den Wachstumswillen und die Innovationskapazitäten auswirkt. Darüber hinaus stehen die Personalentwicklung und die Personalschulung oftmals nicht im Mittelpunkt der Prioritäten der Geschäftsführungen von KMU; diese sind einen Großteil ihrer Zeit mit der Regelung zahlreicher dringlicher Probleme beschäftigt. Wichtig ist die regelmäßige Qualitätsprüfung von Schulungsangeboten, einschließlich Coaching- und Beratungsleistungen, wobei lokale Geschäftserfordernisse zu berücksichtigen sind. Als für den weiteren Ausbau geeignetes Modell Guter Praxis können verschiedene Pilotinitiativen unter Zusammenarbeit von Kammern und Unternehmensverbänden angeführt werden. Die derzeitigen Maßnahmen zu Schulung und Bewusstseinsförderung scheinen sich indes zu einem großen Teil auf berufliche Schulung und Erwachsenenbildung zu konzentrieren, was wenig Spielraum für die Förderung unternehmerischer Einstellungen in Schulen und für die Motivation von Studenten in Hinblick auf die Alternative selbstständigen Unternehmertums statt abhängiger Beschäftigung lässt. Die Maßnahmen zur Förderung des Unternehmertums sollten daher auch auf neue Publikumskreise ausgeweitet werden. Die lokalen Fallstudien in Ostdeutschland führten zu einer Reihe von Handlungsempfehlungen für die auf nationaler und lokaler Ebene politisch Verantwortlichen, die mit der Entwicklung und Stärkung des Unternehmertums und der kommunalen Wirtschaft befasst sind und sowohl auf lokaler Ebene wie auf weiteren Regierungsebenen tätig sind. Obgleich die Handlungsempfehlungen 79 schwerpunktmäßig die kommunale Ebene betreffen, beinhalten sie doch eine gewisse Relevanz für andere Standorte in Ostdeutschland und andernorts. Daher sollte die nachfolgende Aufstellung von Handlungsempfehlungen als Checkliste für politische Akteure und lokale Organisationen zu Rate gezogen werden, wo es um die Innovation der Unternehmenspolitik und die Entwicklung lokaler Aktivitäten mit dem Ziel der Erweiterung der Unternehmenskultur und um die Förderung und Verbreitung günstiger Einstellungen und Motivationen für die Aufnahme und Erweiterung unternehmerischen Engagements geht. Handlungsempfehlungen zur Stärkung und Verbreitung unternehmerischer Haltungen und Einstellungen Bewusstsein für unternehmerische Chancen stärken. Werbeaktionen und Werbematerialien sollten entwickelt werden, um Chancen, die sich aus der Unternehmensgründung ergeben, einem breiten Publikum nahe zu bringen. Landkreise sollten innovativ sein und Werbung für die eigene Region voranbringen. Imageaufwertung in Regionen und Landkreisen. Eine Veränderung der Unternehmermentalität erfordert ebenfalls eine Imageaufwertung der jeweiligen Region oder des Landkreises bei der ansässigen und externen Bevölkerung. Wenn die Leute nicht glauben, dass ein Ort attraktiv genug ist, um dort zu leben oder dass dort die Entwicklung innovativer und wachstumsorientierter Tätigkeiten möglich ist, werden sie dort keine Unternehmen gründen oder ihre Unternehmen anderswo betreiben. Es sollten daher Kampagnen gestartet werden, um das Vertrauen in die Zukunft der Region zu stärken. Hierbei sollten Regionen ihre spezifischen Schlüsselstärken oder „Anziehungspunkte‟ fördern. Sensibilisierungskampagnen für erfolgreiches Unternehmertum. Langfristig betrachtet wirkt sich eine Förderung des unternehmerischen Denkens und Handelns während des gesamten schulischen Bildungssystems bis hin zur Universitätsausbildung positiv und steigernd auf unternehmerisches Streben, Denken und Verhalten aus. Die Erziehung sollte schon von Kindesalter an gleichermaßen Kreativität und Selbständigkeit fördern und jungen Menschen eine realistische Vorstellung von Unternehmertum als existenzfähige, auch zeitweilige Alternative in einem Arbeitsleben, das zukünftig verstärkt aus einem Wechsel zwischen selbstständigen und abhängigen Beschäftigungen bestehen wird. Schaffung von Vorbildern und Champions. Regionale/örtliche Erfolgsgeschichten sollten von öffentlichen und privaten Akteuren in unterschiedlicher Form (z.B. Auszeichnungen, Erfolgsgeschichten) bei lokalen und überregionalen Anlässen (z.B. Konferenzen, Messen, Veranstaltungen usw.) durch Medien (Fernsehen, Rundfunk, Tageszeitungen, Zeitschriften, Internet usw.) bekannt gemacht werden. Anschauliche Lebens- und Erfahrungsberichte erleichtern es zu verstehen, was es bedeutet, ein Unternehmer zu sein. Mentoren- und Patengruppen bilden . Eine Vorgehensweise, die in anderen OECD-Ländern in der Förderung von KMU Anwendung findet, ist die Einbindung von erfahrenen Geschäftsleuten im Ruhestand in die strategische Beratung von jungen und expandierenden Unternehmen. Solch eine Betreuung durch Mentoren ist sowohl für Kleinbetriebe als auch für größere mittelständische Unternehmen während aller Entwicklungsphasen von Bedeutung. Schaffung von Anreizen und Förderprogrammen in der Unternehmensnachfolge. Angesichts des immer noch niedrigen Interesses an Geschäftsnachfolgen im Vergleich zu Unternehmensneugründungen sollten vermehrt Anreiz- und Förderstrukturen geschaffen werden. Die Einbeziehung hochqualifizierter Angestellter mit einem großen Potential für unternehmerische Aktivität sollte als Zielgruppe für Trainingsprogramme in der Unternehmensnachfolge verstärkt in Betracht gezogen werden. Schaffung von Anreizen für KMU zur Einstellung von Auszubildenden. Ausbildungsplätze geben jungen Menschen die Möglichkeit, Berufserfahrung zu sammeln. Unternehmen wird dadurch eine Gelegenheit geboten, um junge Arbeitskräfte zu testen, ihre Fähigkeiten zu prüfen und sie entsprechend den Bedürfnissen des Unternehmens auszubilden. Unternehmertum ist weit mehr als nur Firmenneugründungen: Arbeitsfähigkeit und Unternehmertum sind untrennbar miteinander verbunden. Daher ist es wichtig, Initiativen auszuweiten, die die Bedeutung beruflicher Qualifikation vermehrt ins Bewusstsein rufen und Anreize für KMU schaffen, um Auszubildende einzustellen. Förderung von Intrapreneurship. Die Förderung von unternehmerischem Denken bei Managern und Angestellten ist wichtig für Innovation in KMU. Mehr Verantwortung und Engagement sowie Anerkennung der Leistung von Mitarbeitern, die sich allesamt positiv auf das Innovationspotential eines Unternehmens auswirken können, setzt kulturelle und organisatorische Veränderungen voraus. 80 Box 7. Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in der Förderung von unternehmerischer Einstellungen und Haltungen Y4 - Unternehmerfreundliche Regionen schaffen – Finnland: Barrieren für Unternehmertum abbauen. “4x4 pour entreprendre“ in Wallonien – Belgien: Fördern eines positiven Klimas für das Unternehmertum – Jeden mit ins Boot holen. Der Walisische „Aktionsplan für Unternehmertum“ (EAP) Einstellungen und Haltungen verändern, um eine Unternehmenskultur zu schaffen, die Studenten, Arbeitnehmer, Unternehmer und den öffentlichen Sektor miteinbezieht. Schottlands Strategie zur Erhöhung der Rate von Unternehmensgründungen – Vereinigtes Königreich: Unternehmerische Haltung und Unternehmenskultur; Politikumsetzung in der Förderung von Unternehmertum. Baskenland: Auf Strategie bauen in der Konsolidierung einer unternehmerischen Gesellschaft – Spanien: Regionaler Aktionsplan für einen kulturellen Wandel der unternehmerischen Denkens und Handelns fördert. "Determined to succeed": Sicher auf dem Weg zum Erfolg – Schottland – Vereinigtes Königreich: Bildungsprogramm für Unternehmen. Vom Angestellten zum Unternehmer: das Enterprise Start Programm – Irland: Hochqualifizierte Arbeitnehmer für Ausgründungen gewinnen, um die Anzahl der viel versprechenden Unternehmensneugründungen zu steigern. „ViestinVaihto-ohjelma“: Betriebsübernahme einfach gemacht – Finnland: Programm für Führungskräfte in KMU, mit dem die Planung der Firmennachfolge betreuend unterstützt werden soll. Futurego – der Schüler-Businessplanwettbewerb des Landes Sachsen-Anhalt – Deutschland. Deutsche Gründer- und Unternehmertage 2007- „Gründer-Champions 2007“. Unternehmerinnen- und Gründerinnentag des Landes Brandenburg (UGT) „Unternehmerin des Landes Brandenburg 2007“. 81 KAPITEL 2 MODERNISIERUNG UND DIVERSIFIZIERUNG BESTEHENDER KMU 82 BESTEHENDE UNTERNEHMEN ZUM NACHDENKEN ÜBER IHR WACHSTUM ANREGEN Markku Virtanen, Finnland Einleitung Die Förderung von Unternehmertum und Wirtschaftswachstum ist ein wichtiger Faktor für die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Entwicklung jeder Volkswirtschaft. Der Übergang von der Planwirtschaft zur freien Marktwirtschaft unterstreicht die Bedeutung des Unternehmertums, da eine Kultur des Unternehmertums in dieser Tradition nicht bestand. In den meisten Fällen beinhaltet der Transformationsprozess Privatisierungen öffentlichen Eigentums und somit Änderungen in der Eigentumsstruktur der Wirtschaft. Mit der Änderung der Eigentumsverhältnisse sind verschiedene Herausforderungen verbunden, um den potenziellen Nutzen möglichst optimal einzusetzen. Angemessene physische und institutionelle Infrastrukturen werden zur Anziehung privater Investitionen benötigt, und wohl definierte Strategien und Politiken sind einzuführen, um für ein berechenbares Geschäftsumfeld zu sorgen. Wie Smallbone und Welter (2001a) hervorheben, ist die gesellschaftliche Transformation weit mehr als nur ein wirtschaftlicher Prozess, sie umfasst vielmehr auch soziale Veränderungen. Das Hauptziel der regionalen oder kommunalen Wirtschaftsentwicklung besteht in der Stimulation von Beschäftigungsmöglichkeiten vor Ort in Branchen, die in den Kommunen Wohlstand schaffen, indem sie menschliche, natürliche und institutionelle Ressourcen nutzen (Blakely und Bradschaw 2002). Die Strategien der Regionalentwicklung durch die Anregung und Förderung von Geschäftsaktivitäten und Beschäftigung beinhalten auch vermehrtes unternehmerisches Engagement und die Verbesserung der Unternehmenskultur im betreffenden Gebiet sowie die Förderung von Unternehmensneugründungen und Innovationen zur Anwerbung von Geschäften und Investitionen und zur Fortentwicklung und Expansion bestehender Unternehmen. Das Unternehmensumfeld, einschließlich kultureller, demographischer, politischer und technologischer Faktoren und natürlicher Ressourcen, soweit vorhanden, sowie neuer gesetzlicher Regelungen für Unternehmen ist zwischen den Staaten und innerhalb einzelner Staaten recht unterschiedlich. Es liegt auf der Hand, dass die Hauptprobleme in der Förderung des Unternehmertums in Übergangswirtschaften auf den kulturellen Hintergrund und das fehlende unternehmerische Erbe zurückzuführen sein könnten. Im Laufe der Zeit kann der Transformationsprozess jedoch zur Erschließung ganz neuer Potenziale und Chancen führen. Möglicherweise verbirgt sich in den derzeit bestehenden Unternehmen ein nicht offen sichtbares Innovations- und Wachstumspotenzial, das sich durch Anreize und Initiativen zur Verbesserung der geschäftlichen Fähigkeiten und des wirtschaftlichen Know-how, des Unternehmergeistes, des Expansionswillens und einer angemessenen Unternehmenskultur aktivieren lässt. Die zu unternehmenden Anstrengungen sollten jedoch nicht auf Innovation und Wachstum beschränkt bleiben, sondern die ganze Vielfalt der lokalen Unternehmen und der von diesen geschaffenen Arbeitsplätze berücksichtigen (Stark und Brown 1997). 83 Die KMU-Politik aus der Perspektive der Modernisierung und Diversifizierung ist in Übergangswirtschaften eine ganz andere, da es in diesen Regionen vor dem Zusammenbruch der zentralisierten Planwirtschaft so gut wie keine kleinen Unternehmen gegeben hat, wobei Polen eine Ausnahme bildet (Konopielko und Bell 1998). Daher konnten die Entwicklungs- und Expansionsbemühungen zu Anfang der Neunziger Jahre noch nicht so ergiebig sein, wie sie es heute sein können. Die vorliegende Studie konzentriert sich auf die Modernisierung und Diversifizierung von KMU in Ostdeutschland. Daher wird es in ihr vorrangig um die Politiken zur Bestandssicherung und Erweiterung bestehender Unternehmen gehen; Strategien und Maßnahmen zur Förderung von Unternehmensneugründungen bleiben weitgehend unberücksichtigt. Die Hauptfrage der Untersuchung lautet: Welche Art politischer Maßnahmen und Charakteristika sind im Zuge der Modernisierung und Diversifizierung von KMU in Ostdeutschland von Bedeutung? Mit dieser Studie werden die meisten vorhergehenden Studien überarbeitet, und die Schlüsselkonzepte werden beschrieben. Nachfolgend werden Handlungsbereiche für die politische Intervention beschrieben und zweckdienliche Reaktionen in ausgewählten OECD-Mitgliedsstaaten sowie deren Relevanz für Ostdeutschland erörtert. Modernisierung und Diversifizierung von KMU – einige theoretische Aspekte Kleine und mittlere Unternehmen Als KMU werden Unternehmen in Deutschland eingestuft, wenn sie weniger als 500 Mitarbeiter besitzen und einen Jahresumsatz von unter 50 Millionen Euro ausweisen (FMET 2006). Trotz abweichender Definitionen im Vergleich mit vielen anderen europäischen Ländern werden in der vorliegenden Studie keine abweichenden Definitionen berücksichtigt. Nach der vorstehenden Definition sind 99,7% sämtlicher Unternehmen in Deutschland KMU (ca. 3,5 Millionen); sie stellen über 70% sämtlicher Arbeitsplätze und erwirtschaften ca. zwei Fünftel des steuerpflichtigen Umsatzes. KMU sind ein Schlüsselfaktor der Wirtschaftsentwicklung in Ostdeutschland (FMET 2006). Modernisierung und Diversifizierung Die politischen Fragen und Ansätze zum Thema Modernisierung und Diversifizierung von KMU sind nicht leicht zu beantworten, da die Konzepte nicht eindeutig sind und Untersuchungen dieser Prozesse bislang kaum vorliegen. Zur Modernisierung und Diversifizierung von KMU gehört sowohl die Schaffung neuer unternehmerischer Projekte, um die Wirtschaftsstruktur zu verändern, als auch die Transformation bestehender Unternehmen. Zu den politischen Maßnahmen zur Modernisierung und Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur (Unternehmensverteilung) könnte der Einsatz von Instrumenten zur Schaffung von Potenzialen für neue Branchen und zur Abschreckung von unternehmerischem Engagement in traditionellen Sektoren (wie beispielsweise Landwirtschaft und Fischerei) gehören. Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich vorrangig auf bestehende KMU in herkömmlichen und handelsfähigen Sektoren; das bedeutet, dass politische Maßnahmen mit dem Ziel der Veränderung der Wirtschaftsstruktur weniger Berücksichtigung finden. Malecki (1997) vertritt die Auffassung, dass der Modernisierungsprozess in kleinen Unternehmen langsamer abläuft, da es diesen an Bewusstsein und am Zugang zu neuen Herstellungsverfahren sowie an praktischen Erfahrungen mit neuen Technologien fehlt. Diese Argumentation, kaum 10 Jahre alt, steht im Gegensatz zur Argumentation von Blakely und Bradshaw (2002), die der Meinung sind, Technologien bewegten sich mühelos über den Globus und die Menschen hätten praktisch weltweit Zugang zu Informationen. Die schnellere Verbreitung von Informationen hat den Zyklus beträchtlich 84 verkürzt. Der Zugang zu Informationen für KMU ist leichter geworden, und der verkürzte Lebenszyklus schafft für sie neue Geschäftsmöglichkeiten, da KMU flexibler als große Unternehmen sind. Zugleich stellt jedoch ein verschärfter Wettbewerb die KMU vor neue Herausforderungen. Modernisierung lässt sich als Einführung von Unternehmertum und Innovationen in bestehende Unternehmen verstehen. Boime (1976) schreibt in diesem Zusammenhang: „Der Entrepreneur schafft, soweit seine Aktivitäten die physikalische Natur der Umwelt und somit die Erfahrungsbedingungen verändern, eine, wie ich sagen möchte, unternehmerische Ökologie. Der Begriff, wie er hier verwendet wird, steht für den sich wandelnden Charakter der heutigen Welt, vermittelt über materielle Zeichen der Modernität. Entrepreneure führen uns nicht nur deutlich den Wandel vor Augen, sie sind auch die ersten, die durch ihren Lebensstil auf ihn aufmerksam machen.“ Dieser Ansatz unterstreicht die Rolle des Unternehmers im Transformationsprozess. Boime (1976) betont den Grund für unsere Annahme, weshalb unternehmerisches Talent von so großer Bedeutung ist: Die Aktivitäten des Unternehmers verändern unsere physische Umwelt. Boime verweist auf einen weiteren interessanten Aspekt in der Rolle des Unternehmertums, nämlich auf die Vorreiterrolle der Unternehmer auf der Konsumentenseite. Die Neugründungsquote in Ostdeutschland lag zu Beginn der Neunziger Jahre während des Übergangs von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft besonders hoch (Irsch 2005). Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die Deutsche Ausgleichsbank (DtA) sind zwei quasi öffentliche Kreditinstitute, die öffentliche Mittel zum Einsatz von Beteiligungskapital nach Ostdeutschland leiten, wobei auch regionale Kriterien berücksichtigt werden (Sunley et al. 2005). Diese Mittel wurden in weit höherem Maße für frühzeitige Investments eingesetzt als dies beispielsweise in Großbritannien der Fall war (Sunley et al. 2005). Um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, konzentrierten sich die noch bestehenden ostdeutschen Unternehmen in der Übergangsphase vorrangig auf die Modernisierung ihrer Anlagen und Maschinen. Das Anlagevermögen ist in den ostdeutschen Firmen noch immer verhältnismäßig groß, und ihr modernisierter Kapitalstock verschafft den ostdeutschen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil (Irsch 2005). Daher steht die Modernisierung von Anlagen und Maschinen nicht im Mittelpunkt der vorliegenden Analyse. Penrose (1959) stellt fest, dass Diversifizierung das in der Analyse der wirtschaftlichen Lage von Unternehmen vielleicht am meisten zu Unrecht vernachlässigte Charakteristikum ist. Die Autorin bemerkt, dass Diversifizierung hier und da auch als Produktionserweiterung oder Integration in Verbindung mit dem Unternehmenswachstum bezeichnet wird. Daher werden sich Politiken zur Förderung der Diversifizierung in KMU eng mit der Wachstumsförderung zusammenschließen müssen. Porter (1985) befasst sich mit Diversifizierungsstrategien im Kontext großer Unternehmen und stellt fest, dass sich die Diversifizierungsstrategie in den 80er Jahren verändert hat, so das die größeren Unternehmen sich inzwischen auf Geschäftszweige konzentrieren, die in großer Nähe zum Kerngeschäft stehen. Penrose (1959) vertritt die Auffassung die Ausnutzung überschüssiger Humankapitalkapazitäten sei der wesentliche Faktor für Unternehmenswachstum und Diversifizierung. Rumelt, Schendel und Teece (1994) sind der Meinung, dass durchgreifende Diversifizierungen die gemeinsame Nutzung von Ressourcen und/oder den Transfer von Fertigkeiten zwischen mindestens zwei ansonsten unterschiedlichen Unternehmen erfordern. Die Verwertung unausgenutzter Ressourcen geht, anders als Wachstum durch Akquisitionen, in den meisten Fällen mit internem Wachstum einher. Ein modernerer Ansatz in der Untersuchung von Diversifikationen arbeitet mit einer ProduktMarkt-Matrix, welche den Neuigkeitsgrad der betreffenden Produkte oder Leistungen im Verhältnis zur Neuheit der betreffenden Märkte beschreibt. Produktdiversifizierung bedeutet die Bereitstellung neuer Produkte für bestehende Märkte, während Marktdiversifizierung für die Möglichkeit steht, bestehende Produkte in neuen Märkten zu verkaufen. In diesem Fall ist der Innovationsgehalt 85 besonders hoch, da Innovationen in jedem Fall neue Erkenntnisse in Verbindung mit neuen Produkten, Technologien oder Märkten voraussetzen (Afuah 1998). Im Falle radikaler Innovationen bedeuten die Kenntnisse, die zur Verwertung der Innovationen erforderlich sind, die Vernichtung von Kompetenzen, während inkrementelle Innovationen mit der Erweiterung von Kompetenzen einhergehen (Afuah 1998). Deakins und Freel (2003) betrachten Diversifizierungsstrategien als Teil von Vermarktungsstrategien und vertreten die Auffassung, dass erfolgreiche Diversifizierung sorgfältige Marktanalysen beispielsweise im Rahmen von Machbarkeitsstudien voraussetzt. Nachdem ein Änderungsbedarf ermittelt wurde, sollte eine konzentrierte Strategie für eine diversifizierte Weiterentwicklung erarbeitet werden. Die Autoren betonen, dass eine erfolgreiche Diversifizierungsstrategie nicht nur Planung, sondern auch die Schulung von Unternehmern in der Umsetzung der angestrebten Veränderungen benötigt. Auf Unternehmensebene sind die Erkennung neuer Geschäftsmöglichkeiten, Aktivitäten bei Forschung und Entwicklung, Innovationspolitik, die Technologiebasis, Technologie- und Geschäftskenntnisse sowie kaufmännische Fähigkeiten das verbindende Element zwischen Diversifizierung und sich wandelnden internen und externen Gegebenheiten mit Auswirkung auf die Produktivitätschancen des Unternehmens (vgl. Penrose 1959). Diese Kräfte fördern zugleich die Diversifizierung und begrenzen die Handlungsmöglichkeiten zur Modernisierung und Diversifizierung. Diese dynamischen Veränderungen (Modernisierung und Diversifizierung) sind somit eng miteinander verbundene Unternehmensprozesse. Iacobucci und Rosa (2002) sind der Auffassung, dass ein wichtiger Grund für Unternehmensneugründungen im Bedarf an organisatorischer Ausdifferenzierung aufgrund der Diversifizierung der unternehmerischen Aktivitäten liegt. Diversifizierung kann entweder die geographische Erweiterung oder den Eintritt in neue Marktsektoren bedeuten (Iacobucci und Rosa 2002). Von einem „Portfolio-Entrepreneur“ sollte man sprechen, wenn die Diversifizierung mit der Gründung eines neuen Unternehmens durch ein und denselben Unternehmer verbunden ist (Huovinen 2007). Triebkräfte und Herausforderungen für die Modernisierung und Diversifizierung von KMU Was sind die Triebkräfte und Herausforderungen, die eine Modernisierung und Diversifizierung von KMU erforderlich machen? Blakely und Bradshaw (2002) unterscheiden vier Merkmale als Triebkräfte der Wirtschaft, aus denen neue Herausforderungen und Chancen erwachsen. Als Triebkräfte werden bestimmt: Globalisierung, wachsende Beschleunigung, Wissensbasis und Netzwerke. Andererseits könnte man dagegenhalten, der Gesamttrend sei die Globalisierung, die auf verschiedene Phänomene zurückzuführen ist und verschiedene Phänomene beinhaltet. Die zugrunde liegenden Faktoren für den Bedarf an Modernisierung und Diversifizierung sind: wachsende Beschleunigung und schnellere Verbreitung von Informationen und technischen Entwicklungen (Wissensbasis), die zu einer Verkürzung der Produktlebenszyklen führen; Bedarf an Outsourcing (in Niedriglohnländer) aufgrund der Notwendigkeit, wettbewerbsfähig zu bleiben; dies führt zu einer Mobilität von Ressourcen und betrifft kleine und mittelständische Subunternehmer größerer Unternehmen; die Notwendigkeit einer Erweiterung der Ressourcenbasis durch Netzwerkbildung; Harmonisierung von Zahlungsverkehrsraum) Normen und Richtlinien (z.B. einheitlicher Euro- verstärktes Sicherheitsbedürfnis aufgrund interkultureller und interreligiöser Spannungen. 86 Neben der Globalisierung ist die digitale Entwicklung ein weiterer Trend, der sich auf neue Geschäftsmöglichkeiten auswirkt (Malecki 2003). Die Vorteile, die sich aus der digitalen Entwicklung ergeben, insbesondere aus der Entwicklung der Telekommunikationsinfrastruktur und der Telekommunikationstechnologie in ländlichen Gebieten, sind jedoch umstritten. Soweit ein Zugang zu Netzwerken und Einrichtungen wie Breitband verfügbar ist, können daraus neue Chancen für Unternehmen in ländlichen Gebieten erwachsen und Möglichkeiten für Fernarbeit entstehen. Wie Malecki (2003) jedoch anmerkt, ist die Telekommunikation keine „schnelle Lösung“ für die Entwicklung in ländlichen Gebieten, und die gewünschten Verbesserungen werden auf einen Bruchteil dieser ländlichen Standorte beschränkt sein. Er stellt fest, dass Defizite im Humankapital nicht durch Telekommunikationstechnologie ersetzt werden können. Malecki (2003) ist der Auffassung, dass es förderlicher wäre, die Ressourcen lokaler Unternehmen auf- und auszubauen und weiterhin erfahrene Unternehmer zu gewinnen, die nicht in städtischen Gebieten leben möchten. Unternehmerische Sozialverantwortung (Corporate Social Responsibility, CSR) wird von der einen Seite als Reaktion auf und von anderer Seite als Folge der neuen Herausforderungen der wirtschaftlichen Globalisierung dargestellt. CSR wird zugleich als Reaktion auf die Krise des Wohlfahrtsstaats betrachtet, die ein neues Modell sozialer Unternehmensführung hervorbringt, sowie als Rahmenwerk, das mit der nationalen Wettbewerbsfähigkeit verbunden ist. Treibhauseffekt und Klimawandel führen zu wachsender Besorgnis und begründeten den Trend zu einer nachhaltigen Entwicklung. Die geforderte Nachhaltigkeit der Wirtschaft kann einigen der vorgenannten Trends entgegenstehen, schafft jedoch auch neue Chancen aus erneuerbaren Energien. Die geforderte Nachhaltigkeit wird bei der Modernisierung der Abfallwirtschaft eine herausragende Bedeutung einnehmen und kann für die Stromproduzenten eine Diversifizierung erforderlich machen. Ferner wird sie zu Aktivitäten im Bereich Forschung und Entwicklung führen und als Plattform für Innovationen dienen. Beispielsweise schafft die neue Technologie Chancen zur Energie- und Treibstoffproduktion aus Biomasse. Die Triebkräfte für diese Art der Entwicklung sind die Normen und Richtlinien, die eine regenerative Erzeugung („carbon free“) verlangen. Laut der 2006 von IBM durchgeführten CEO-Studie streben zwei Drittel der befragten CEO grundlegende Veränderungen in ihren Unternehmen an. Als Gründe werden genannt: verschärfter Wettbewerb, ständig steigende Kundenerwartungen, unerwartete Marktverschiebungen, Personalfragen, technische Neuerungen, Herausforderungen durch Regulierung und Globalisierung. Die aktuellen Entwicklungen in den Unternehmen gehen in Richtung Open-Source-Innovationen, neue Geschäftsmodelle und Auslagerung von Forschung und Entwicklung. In der IBM-Studie (2006) hatten die Unternehmen, die im Vergleich zu den Markterwartungen ein schnelleres Wachstum vorweisen konnten, gegenüber ihren Wettbewerbern 30% mehr externe Quellen für innovative Ideen eingesetzt. Die Hälfte der Befragten gab Geschäftspartner und Kunden als wichtigste Quelle für neue Ideen an. Ginni Rometty, Leiter des Unternehmensberatungsbereichs von IBM, stellt fest: „Sie sollten in der Lage sein, die neuen Chancen zu erkennen, die sich in neuen Geschäftsmodellen, operativen Prozessen und geplanten Änderungen der Managementpraxis verbergen.“ Das bedeutet, dass Unternehmen neben Humankapital und physischem Kapital zunehmend von sozialem Kapital abhängig werden. Soziales Kapital beinhaltet eine strukturelle Dimension (Netzwerke, Netzwerkverbindungen, Kontakte, Interaktion und Organisation von Netzwerken), eine relationale Dimension (Vertrauen, Normen und Verpflichtungen) und eine kognitive Dimension (Sprache, Codes, geteilte Erzählungen und Geschichten (Narrative), gemeinsame Wertvorstellungen) (Nahapiet and Ghoshal 1998). Open-Source-Innovationen und die Auslagerung von Forschung und Entwicklung werden von einem starken Sozialkapital des Unternehmens, d.h. von Netzwerken und Netzwerkbeziehungen, jedoch auch von der Fähigkeit des Unternehmens profitieren, einen Konsens mit seinen Partnern herzustellen. 87 Wie kann die Politik KMU dabei unterstützen, sich bei der Entwicklung ihrer Geschäftschancen an die Veränderungen und Trends anzupassen? Qualifizierung und Schulung sowie sonstige Formen der Informationsvermittlung können das Erkenntnis- und Wissensniveau anheben. Dem könnte entgegengehalten werden, dass der Schwerpunkt branchenunabhängig auf die Rolle von geschäftlichem Know-how und Kommerzialisierungsprozessen gelegt werden sollte, um die regionale Entwicklung sowie das regionale Unternehmertum und seine Verbindungen zu fördern. Es fragt sich, ob die Rahmenbedingungen für regionale Innovationssysteme hin zu fokussierteren Rahmenbedingungen für geschäftliches Know-how und Kompetenzen geändert werden sollten. In den meisten Ländern ist es aktuelle Praxis, ein Umfeld aufzubauen, das technologische Entwicklungen unterstützt, wie etwa Technologiezentren, Wissenschaftsparks und Inkubatoren. Derartige Einrichtungen können entscheidend zum Innovationsprozess beitragen, benötigen jedoch einen geeigneten Kontext (z.B. in Verbindung mit Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten), um Früchte zu tragen. Darüber hinaus liegt ihr Schwerpunkt nicht auf geschäftlichen Chancen. Das auf Entwicklungschancen ausgerichtete Innovationsförderungssystem könnte eingeleitet werden durch Identifizierung der Hersteller, Vermittler und Nutzer von geschäftlichem Know-how, eine Analyse ihrer Bedürfnisse und durch die Einführung maßgeschneiderter Programme für ihre geschäftliche Entwicklung (Virtanen und Heimonen 2006b). Hindernisse bei der Modernisierung und Diversifizierung von KMU Dubini (1989) verweist darauf, dass benachteiligte Gebiete derartige Defizite im Umfeld aufweisen, dass von einem Marktversagen gesprochen werden kann und daher gewisse Eingriffe erforderlich sind. Dubini (1989) gibt als Defizite an: 1) Mangel an unternehmerischer Kultur und unternehmerischen Werten, 2) fehlende Netzwerke und unterstützende Leistungen, 3) Unternehmertum und Familienbetriebe haben in der Region keine Tradition, 4) Fehlen innovativer Branchen, 5) schwache Infrastruktur, 6) schwache Kapitalmärkte, 7) nur wenige wirksame staatliche Anreize. Diese Defizite stellen für das Unternehmertum im Allgemeinen Hindernisse dar, nicht nur für die Modernisierung und Diversifizierung. Hindernisse für die Modernisierung und Diversifizierung von KMU können mit den im Prozess erforderlichen Ressourcen und situativen Faktoren in Verbindung gebracht werden. Die Ressourcen umfassen Humankapital, physisches Kapital und soziales Kapital. Lichtenstein and Lyons (1996) fassen die Hindernisse für das Unternehmertum wie folgt zusammen: 1) Hindernisse beim Einsatz von Ressourcen, 2) Rohstoffverfügbarkeit, 3) Personalverfügbarkeit, 4) Informationen über die Ressourcen (Visibilität), 5) Kosten, 6) Lieferschwierigkeiten und 7) Kapazitätsprobleme. Die Mehrheit dieser Probleme ist sehr konkret und im Wesentlichen operativer Natur. Beim Vergleich der Merkmale kleiner und großer Unternehmen stellt Malecki (1997) fest, dass der wesentliche Nachteil kleiner Unternehmen in der Ressourcenknappheit besteht, insbesondere im Hinblick auf finanzielle Ressourcen, die den großen Unternehmen für ihre Expansion und Diversifizierung zur Verfügung stehen. Diversifizierung als Entwicklungsstrategie war bisher vorwiegend ein Thema für Großunternehmen, bei denen die Ursachen und Folgen der Diversifizierung im Mittelpunkt der Analyse stehen (Iacobucci und Rosa 2002). Wright, Westhead und Ucbasaran (2007) sind der Auffassung, dass auch viele kleine private KMU sich mit Belastungen aufgrund geringer Unternehmensgröße und Unerfahrenheit befassen sollten. Verschiedene Autoren haben betont, dass der Zugang zu einer Finanzierung eine Barriere für die Entwicklung von KMU darstellt (z.B. Malecki 1997). Mit einer staatlichen Unterstützung könnten die Auswirkungen der Marktdefizite (negative externe Effekte) abgeschwächt oder der Wissensstand oder das technische Niveau verbessert und die Internationalisierung der Unternehmen gefördert werden (positive externe Effekte). Die staatliche Unterstützung sollte jedoch so geplant werden, dass 88 Störungen des Marktes vermieden werden. Unterstützende Maßnahmen sollten sich daher eher auf eine Unterstützung des Unternehmens richten, nicht auf Geldzahlungen. Die Förderung positiver externer Effekte führt zu geringeren Marktstörungen, daher ist die Unterstützung der Entwicklung von Maßnahmen zur Begünstigung positiver externer Effekte bei der Innovationsförderung und Unterstützung wissensintensiver Unternehmen hier sinnvoller. Bereits Modigliani and Miller (1958) haben den unterschiedlichen Status kleiner und neuer Unternehmen in Kapitalmärkten festgestellt und vermutet, dass eine Art Eigenkapitallücke vorliegt. Ihre Schlussfolgerung – die mangelnde Bereitschaft des Unternehmers, seinen Betrieb zu teilen, führe zu einem Eigenkapitaldefizit – bedarf jedoch einer gründlicheren Analyse. Diese mangelnde Bereitschaft zu Beteiligungen (Kontrollaversion) kann zu einer Eigenkapitallücke führen. Das Vorliegen einer Eigenkapitallücke ist jedoch nicht offensichtlich, da die Qualität der Unternehmensprojekte, die sich um eine Eigenkapitalfinanzierung bemühen, aus Sicht der Finanzierungsgeber unzureichend sein kann. Virtanen (1988) analysierte die Diskriminierung auf dem finnischen Markt für Geschäftskredite, indem er den Kundenumsatz auf unabhängige Variablen wie Unternehmensgröße und Unternehmensdauer zurückführte. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Klasse der kleinsten Kunden im finnischen Markt für Geschäftskredite nicht diskriminiert wird. Die Existenz von Finanzierungslücken in einigen Bereichen führt zu einer möglichen Korrektur dieses „Marktversagens“ durch staatliche Unterstützung. In Deutschland beispielsweise wird eine staatliche Unterstützung durch eine Risikokapitalfinanzierung bereitgestellt (Sunley u.a.. 2005). Es ist wichtig, diese Unterstützung auf minimale und das Marktversagen korrigierende Eingriffe zu beschränken. Andernfalls könnte sich eine großzügige finanzielle Unterstützung langfristig als desaströs erweisen, da sie Effekte verdrängt, die zur Durchführung von risikoarmen Projekten mit niedrigen Gewinnen führen können. Die verheerendste Folge dieses Verhaltens wäre das Abwandern privaten Beteiligungskapitals zu Anlagemöglichkeiten mit höherer Kapitalrendite. Förderung des Unternehmertums und der Entwicklung der KMU Unternehmertum, KMU und Innovationen Malecki (1997) definiert Unternehmertum recht umfassend, der Begriff beinhaltet bei ihm Firmenneugründungen, Kleinunternehmen, Innovationen sowie die regionale und kommunale Entwicklung. Nach Malecki ist insbesondere die Gründung neuer Firmen für das regionale und örtliche wirtschaftliche Wohlergehen von besonderer Bedeutung. Um schnelle Ergebnisse erzielen zu können, ist die Fokussierung auf Änderungen in bereits bestehenden Unternehmen jedoch möglicherweise effektiver. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist vom Wachstum der Unternehmen in der Region abhängig. Rajan und Zingales (1998) haben ermittelt, dass bestehende Unternehmen zu zwei Dritteln zum Wachstum einer Branche beitragen, während nur ein Drittel des Wachstums auf neue Betriebe entfällt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Storey (1994), der ein vergleichbares Verhältnis zwischen etablierten und jungen Unternehmen feststellt. Bei gesellschaftlichen Veränderungen richten sich vielfältige Erwartungen an Unternehmer und ihre Betriebe. Diese Erwartungen umfassen zum Beispiel Innovativität und eine neue Welle von Entwicklungen in der Gesellschaft, in der die verschiedenen Richtlinien und Programme existieren (Koskinen und Virtanen 1998). Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Unternehmer und Unternehmen können diese Erwartungen jedoch unter Umständen nicht eingelöst werden. Aus der Forschung, die sich mit dem Ursprung von Geschäftsideen befasst, lernen wir, dass wir die anscheinend banalen Geschäftsmöglichkeiten nicht übersehen sollten (Bhide 2000; Vesper 1991). Aktuelle Daten aus den USA zeigen, dass selbst die so genannten „Gazellen“, schnell wachsende KMU, nicht nur in der Hightech-Branche tätig sind, sondern im gleichen Umfang auch in den Bereichen Dienstleistungen und Handel. 89 Stark und Brown (1997) heben hervor, dass zwischen 40 und 70 Prozent der Veränderungen der Beschäftigung in Kleinstädten auf Entscheidungen bestehender Unternehmen zurückzuführen sind. Sie folgern, dass die Erhaltung und der Aufbau der lokalen Wirtschaft möglich werden, wenn lokale Unternehmen wirtschaftlich gesund und zufrieden bleiben und ihr zukünftiges Wachstum gestärkt wird. Stark und Brown (1997) zitieren Larry Ledebur, der in den 1980er Jahren den Begriff „Entwicklung vor der eigenen Haustür“ (backyard development) geprägt hat. Das bedeutet, dass Kommunen sich bemühen, vor der eigenen Haustür Arbeitsplätze zu schaffen, indem das Geschäftsklima für bestehende Unternehmen verbessert wird und unternehmerische Herangehensweisen oder Expansionsgedanken unter den vorhandenen Unternehmensinhabern gefördert werden. Diese Maßnahmen sollten auch proaktive Maßnahmen beinhalten, die die Anziehungskraft erhöhen, z.B. durch Entwicklung des Einzelhandels und der Dienstleistungen, um einer Abwanderung der Kaufkraft entgegenzuwirken (vgl. „Anziehungsmagnete“ (magnets of attraction), Murphy 2006). Die Umwandlung von zentral gesteuerten Planwirtschaften in Marktwirtschaften erfordert eine wirtschaftliche und soziale Umstrukturierung, und in diesem Prozess spielt die Entwicklung kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) eine zentrale Rolle. Smallbone und Welter (2001a; 2001b) stellen fest, dass KMU zur Beschäftigung, zu Innovationen, zur Diversifizierung der wirtschaftlichen Struktur und zur sektoralen Umstrukturierung, zur Entwicklung einer Beschaffungsbasis und zur Umwandlung des Systems im Ganzen beitragen können. Der Beschäftigungsbeitrag umfasst zudem eine Push-Motivation, da kleine Unternehmen auch ein Mittel der Unterstützung durch „Selbsthilfe“ für Arbeitslose bieten können. Die Entwicklung einer Beschaffungsbasis berücksichtigt den Wechsel zentralisierter Systeme hin zu flexibleren Systemen, bei denen KMU die Nachfrage größerer Unternehmen decken (Smallbone und Welter 2001b). Die Herausforderungen für die Umwandlung von Volkswirtschaften durch Entwicklung ihrer Marktsysteme liegen darin, Einzelpersonen und Organisationen zu Produktivität und Innovationen zu motivieren (Behrman und Rondinelli 2000). Insbesondere radikale Innovationen bedeuten, dass das Wissen, das für die Verwertung der Innovationen erforderlich ist, Kompetenzen zerstört (Afuah 1998). Schumpeter (1943) weist auf die Bedeutung von Wissen im unternehmerischen Prozess hin, wenn er feststellt, dass Unternehmen fähig sind, überdurchschnittlich begabte Mitarbeiter zu gewinnen. Diese Fähigkeit ist insbesondere für Hightech-Unternehmen, derzeit jedoch auch in anderen Sektoren von zentraler Bedeutung, da Wissen und Innovationen zunehmend mit neuen Geschäftsmodellen und Märkten verbunden sind (vgl. Afuah 1998). Schumpeters (1943) Begriffsbestimmung des Unternehmertums als „dynamischer Prozess der kreativen Zerstörung“ betrifft vorwiegend den Prozess bestehender Unternehmen. Der Ansatz von Schumpeter betont, dass die Schaffung von etwas Neuem eine wichtige Funktion eines Unternehmens ist. Nach Baumol (1993) geben diese kreativen Prozesse Impulse für die Beweglichkeit der Marktwirtschaft und können daher in bestehenden Unternehmen als Prozesse der Modernisierung und Diversifizierung von Betrieben angesehen werden. KMU sollten zudem der Gesamtentwicklung von Innovationssystemen und neuen Formen der Kooperation folgen. Zunehmend mehr Innovationen sind so genannte offene Innovationen, an deren Entwicklung zunächst Experten verschiedener Unternehmen beteiligt waren. Auf der anderen Seite sind Kommerzialisierungsprozesse in einem ununterbrochenen Zusammenhang von der Idee bis zur Markteinführung zu betrachten. Die wichtigste Frage ist hierbei die Mobilisierung ausreichender Ressourcen in den kritischen Phasen des Prozesses (Jolly 1997). Aus Sicht der KMU-Politik ist das Paradigma der offenen Innovationen interessant, da sich für KMU durch Auslagerung ihrer Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten neue Chancen ergeben können (IBM 2006). 90 Wachstum und Internationalisierung Wie kann von staatlicher Seite das Unternehmenswachstum am wirksamsten unterstützt werden? In den meisten Ländern liegt der Schwerpunkt der politischen Programme auf der Gründung neuer Unternehmen; die bestehenden traditionellen Unternehmen finden in der Regel nur in einem rückschrittlichen Stadium der kommunalen Wirtschaftsentwicklung Aufmerksamkeit. Den politischen Entscheidungsträgern sollten daher detailliertere Kenntnisse über Wachstumsmerkmale zur Verfügung stehen, damit sie spezifische Maßnahmen für Unternehmen mit Wachstumspotenzial entwickeln können. Endogenes Wachstum war einer der wichtigsten Ansätze in Studien über regionales Wachstum (Nijkamp und Stough 2000). Theorien über endogenes Wachstum erklären das Wachstum aus mikrotheoretischer Perspektive so, dass im Hinblick auf die jeweiligen Budgetbeschränkungen Verbraucher ihren Nutzen und Unternehmen ihren Gewinn maximieren. Im Rahmen des endogenen Wachstums spielen die Entwicklung des Humankapitals und neue Technologien eine bemerkenswerte Rolle; daher lässt sich dieser theoretische Hintergrund gut bei der Untersuchung des regionalen Wachstums nutzen, für das die Förderung von Forschung und Entwicklung durch die Öffentliche Hand eine Perspektive darstellt. Auch wenn die Theorie des endogenen Wachstums bei der mikrotheoretischen Perspektive ansetzt, analysiert sie das Wachstum einer bestimmten Region vorwiegend als gesamtwirtschaftliches makrotheoretisches Phänomen. Dieser Ansatz kann problematisch sein, da Unternehmen auch in regressiven Regionen und Branchen wachsen (z.B. Pasanen 2003). Wie Dabson (2006) jedoch vorschlägt, sollte der Schwerpunkt darauf liegen, kommunale und regionale Wirtschaftsgüter zu identifizieren und diese in unternehmerische Tätigkeiten umzuwandeln. Gemäß der Kontingenztheorie kann das Wachstum von Unternehmen und somit die Diversifizierung nicht getrennt von ihrer spezifischen Situation und Umgebung untersucht werden (Gilad und Levine 1986; Littunen 2000). Die Kontingenztheorie berücksichtigt die Änderung situativer Faktoren wie etwa die Strategien eines Unternehmens, die für die Erklärung dynamischer Phänomene wie Wachstum, Modernisierung und Diversifizierung wichtig sind. Die Merkmale von Wachstumsunternehmen und ihre Erfolgsmerkmale wurden noch nicht auf breiter Ebene untersucht; wir setzen jedoch implizit voraus, dass starkes Wachstum positiv mit Erfolg korreliert. Birley und Westhead (1990) heben hervor, dass eine Einschränkung der geleisteten Forschung in der Annahme liegt, dass Leistung und Wachstum nicht nur notwendig miteinander verknüpft sind, sondern geradezu als austauschbar betrachtet werden. Sie stellen fest, dass diese Art der Korrelation durch die Literatur nicht gestützt wird. Pasanen (2003) hält fest, dass der Erfolg von KMU nicht ausschließlich an wachstumsintensive Branchen gebunden, sondern auch in anderen Sektoren zu finden ist. Almus (2002) hat schnell wachsende Unternehmen in Ost- und Westdeutschland durch Analyse von etwa 2000 Beobachtungen aus den Bereichen Fertigung, Bau, Handel, Transport, Telekommunikation und Dienstleistungen untersucht. Ferner unterscheidet Almus zwischen technologieintensiven Unternehmen in Fertigung und unternehmensbezogenen Dienstleistungen auf der einen Seite und nicht technologieintensiven Unternehmen auf der anderen Seite. Nach Almus (2002) wiesen die Bereiche Bau, Transport und Kommunikation sowie nicht-wissensintensive Dienstleistungen eine höhere Wahrscheinlichkeit für schnelles Wachstum auf als der Handel in Ostdeutschland. Zusammenfassend stellt er fest, es gebe keine Anzeichen dafür, dass Firmen in technologieintensiven Fertigungsbranchen oder im Bereich wissensintensive Unternehmensdienstleistungen bessere Chancen auf schnelles Wachstum haben als Firmen in anderen 91 Sektoren. Gemäß Almus (2002) hat das gesamtwirtschaftliche schnelle Wachstum in Deutschland in den 1990er Jahren sehr stark vom schnellen Wachstum in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung profitiert. Die Entwicklung der Wirtschaft kann die Situation ziemlich schnell ändern; das Ergebnis, zu dem Almus (2002) kommt, entspricht jedoch den Ergebnissen von Heimonen und Virtanen (2007). Nach Heimonen und Virtanen ist schnelles Wachstum und besonderer Erfolg nicht auf den HightechBereich beschränkt, sondern kann in verschiedenen Teilen des Landes unterschiedliche Ausprägungen annehmen. Es ist jedoch ziemlich offensichtlich, dass die Wichtigkeit der Entwicklung wissensintensiver Unternehmensdienstleistungen sowie des Handels steigt, wenn die grundlegende unternehmerische Infrastruktur gut etabliert ist. Virtanen und Heimonen (2006a, 2007) und Heimonen und Virtanen (2007) haben die Rolle der Innovativität und regionale Unterschiede in Wachstum und Erfolg bestehender Unternehmen in Ostfinnland untersucht. Virtanen und Heimonen (2007) und Heimonen und Virtanen (2007) definieren „schnelles Wachstum“ als ein kontinuierlich über einen Dreijahreszeitraum erzieltes jährliches Umsatzwachstum von über 30%; „besonderen Erfolg“ definieren sie unter Verwendung des aus den Finanzdaten abgeleiteten Erfolgsindexes. Die beiden Autoren stellen fest, dass lediglich 12% (12 Firmen) der Wachstumsunternehmen im ländlichen Raum (Ostfinnland) sowohl ein schnelles Wachstum (fast growing (FG)) erzielten als auch besonders erfolgreich (highly successful (HS)) waren. Die Verteilung von FG- und HS-Firmen umfasste lediglich zwei produzierende Unternehmen, und nur für zwei Firmen konnte ein gewisser Hightech-Anteil in ihren Produkten und Leistungen festgestellt werden. Die übrigen Unternehmen repräsentierten z.B. die Bauindustrie, Grunddienstleistungen und den Handel. Aus der Studie lässt sich ableiten, dass die politischen Entscheidungsträger sorgfältig die Allokation des Inputs auf Innovationstätigkeiten abwägen sollten. In Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, Wachstum und Erfolg könnte es vernünftig sein, den Schwerpunkt auf traditionellere Wirtschaftszweige zu legen. Die Allokation von Mitteln für die Innovationsförderung ist ebenfalls zu überdenken, wobei verstärktes Augenmerk auf schrittweise Innovationen im geschäftlichen Know-how, einschließlich der Diversifizierung in neue Märkte und der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle gelegt werden sollte. Aus politischer Sicht wird es von zentraler Bedeutung sein, schnell wachsende Unternehmen als solche zu erkennen. Nach Littunen und Virtanen (2005; 2006) sind bei Wachstumsunternehmen die Existenz positiv situativer Faktoren und „Pull“-Faktoren wichtige motivierende und beschleunigende Faktoren beim Aufbau eines neuen Geschäfts, d.h. die unternehmerische Motivation unterscheidet Wachstumsunternehmen von stagnierenden Unternehmen und Wachstumsunternehmen sind eher chancenorientiert (Shane und Venkataraman 2000; Littunen und Virtanen 2006). Bei den Firmengründern anderer Unternehmen waren die Motivationsfaktoren eher Arbeitslosigkeit oder Angst vor Entlassung sowie auch interne Motive. Littunen und Virtanen (2005) fanden heraus, dass die meisten dieser Faktoren, die wachsende Unternehmen von nicht wachsenden unterscheiden, lehrund lernbar sind. Die meisten sind jedoch von den strategischen und operativen Entscheidungen des Unternehmers abhängig. Eine effektive politische Antwort auf diese Problematik sollte indirekt sein, z.B. durch Informationsvermittlung, Qualifizierung und Schulung. Fischer und Reuber (2003) kamen zu der Auffassung, dass Unternehmen mit starkem Wachstum gegenüber externen Ressourcenanbietern der Beratung durch Partner den Vorzug gegeben haben. Sie untersuchten, wie Firmeninhaber, externe Ressourcenanbieter und politische Berater die Rolle des Managements, der externen Ressourcenanbieter und der Regierungen und Verwaltungen bei der Unterstützung eines schnellen Wachstums einschätzen. (Fischer und Reuber 2003). Firmeninhaber haben außerdem aufgrund der Managementprobleme, die sich bei einem starken Wachstum ergeben, einem kontrollierten Wachstum gegenüber einem schnellen Wachstum den Vorzug gegeben. Auf Grundlage ihrer Ergebnisse schlagen die Autoren zur Unterstützung dieser Unternehmen einen Networking-Ansatz auf Basis aktiver Beteiligung von Eigentümern wachstumsstarker Unternehmen 92 vor. Das Netzwerk Innovators Alliance wird in dieser Untersuchung als eine der „Best Practice“Lösungen dargestellt. Internationalisierung ist ein Bestandteil der Wachstumsstrategie; somit ist der Prozess ein dynamischer Vorgang, bei dem wir ähnliche Merkmale der internen Entscheidungsprozesse und ähnliche situative Faktoren vorfinden wie im Wachstumsprozess. In Bezug auf den Internationalisierungsprozess werden wir uns sehr wahrscheinlich jedoch nicht auf firmeneigene Ressourcen aus dem Bereich der Firmenzentralen verlassen können, sondern eher auf externe Beauftragte wie Distributoren, Subunternehmer usw. KMU (und Unternehmer) müssen in Netzwerkverbindungen investieren, um sicherzustellen, dass die geeigneten Ressourcen, Kenntnisse und Fähigkeiten akkumuliert werden, um eine positive Plattform für die Internationalisierung bereitzustellen. (Wright, Westhead und Ucbasaran 2007). Die Internationalisierung erfordert daher eine Verbreiterung der Ressourcenbasis durch den Aufbau von Sozialkapital. Im Internationalisierungsprozess sind nicht nur Netzwerke wichtig, die der strukturellen Dimension des Sozialkapitals zuzuordnen sind, auch die relationalen und kognitiven Dimensionen spielen aufgrund der verschiedenen Kulturen und normativen Umgebungen eine wichtige Rolle (Nahapiet und Ghoshal 1998). Wright, M., Westhead, P. und Ucbasaran, D. (2007) fordern die politischen Entscheidungsträger auf, eine ausgewogenere und differenziertere Unterstützung durch die Politik anzubieten, wenn die Internationalisierung privater KMU gefördert werden soll. In einigen Branchen sollte ein Unternehmen bereits mit globaler Ausrichtung gegründet werden (Virtanen und Pellikka 2004); in traditionellen Sektoren und Sektoren mit handelbaren Produkten und Leistungen folgt die Mehrheit der Unternehmen jedoch einem mehrstufigen Prozess der Internationalisierung. Die politische Unterstützung kann verschiedene Maßnahmen umfassen, etwa Unterstützung beim Zugang zu Informationen, Unterstützung und Beratung bei der Marktanalyse etc. Qualifizierung, Schulung und Beratung Eine Modernisierung und Diversifizierung von KMU erfordert Managementkompetenzen und betriebswirtschaftliche Kompetenzen für die Reorganisation der bestehenden Unternehmen sowie für die Entwicklung und Umsetzung neuer Geschäftsmodelle. Die Schulung und Qualifizierung von Führungskräften und somit die Erhöhung des geistigen Kapitals bestehender KMU könnte eine wirklich kosteneffektive Methode zur Förderung des Wachstums der kommunalen Wirtschaft und des Wohlstands sein (Heinonen 2006). Nach Heinonen (2006) sollte die Schulung folgende Bereiche umfassen: Überleben in den ersten kritischen Jahren („Tal des Todes“), Entwicklung neuer Chancen (Wachstum), Erweiterung der Marktkenntnisse (Wachstum, Internationalisierung) und Business Transfer (Unternehmensnachfolge). Die zunehmende Bedeutung, die dem kognitiven Wissen und den Fähigkeiten zu dessen Erwerb beigemessen wird, stellen Bildung und lebenslanges Lernen in das Zentrum staatlicher Politikinitiativen in modernen Volkswirtschaften. (Lloyd-Reason, Muller und Wal 2002). Radikale Innovationen bedeuten, dass das Wissen, das für die Verwertung von Innovationen erforderlich ist, bestehende Kompetenzen zerstört. Die Ersetzung verschiedener Speichermedien ist ein gutes Beispiel für kompetenzzerstörende Innovationen. Magnetbänder und –scheiben wurden durch Minidisks und Disketten und später durch Memorysticks ersetzt. In allen diesen Fällen hat sich die Kapazität gegenüber der Größe und Nutzbarkeit der alten Medien dramatisch erhöht. Lussier und Corman (1995) haben herausgefunden, dass erfolgreiche Firmen verstärkt professionelle Berater hinzugezogen haben und die Eltern der Firmeninhaber ebenfalls Unternehmer waren, während die Inhaber erfolgloser Unternehmen besser ausgebildet waren und keine Probleme bei der Personalbeschaffung hatten. Dieser Sachverhalt kann so interpretiert werden, dass vermutlich 93 die Inhaber erfolgloser Unternehmen riskantere Chancen verfolgten und bei der Anwerbung neuer Mitarbeiter nicht vorsichtig genug waren. Ansätze für staatliche Interventionen Warum brauchen wir eine Kommunal- und Regionalpolitik? Was sind die Probleme, die bei der Förderung der Modernisierung und Diversifizierung von KMU kommunal- und regionalpolitischer Interventionen bedürfen? Der nachfragegesteuerte Produktionsdruck (Market Pull) ist der Hauptmotor der regionalen Wirtschaftsentwicklung. Aufgrund der starken Marktdynamik haben politische Interventionen nur begrenzten Einfluss auf die regionale Wirtschaft. In der Regel bedarf es in einem gut funktionierenden Markt mit Wettbewerb keiner staatlichen Eingriffe als Instrument der Wirtschaftspolitik (Wright, Westhead und Ucbasaran 2007). Eine staatliche Unterstützung kann sogar durch Wettbewerbsverzerrungen den Wohlstand beeinträchtigen, da sie Auswirkungen auf relative Preise und Kosten der Produkte und Leistungen hat. In Märkten, in denen Marktdefizite, d.h. negative externe Effekte zu beobachten sind, lässt sich das Marktversagen ggf. abzuschwächen und die wirtschaftliche Entwicklung fördern. Die Verbesserung der Marktfunktionalität und die Eliminierung von Marktversagen sollte die Basis einer soliden Wirtschaftspolitik sein. Die Europäische Union hat betont, wie wichtig es ist, das allgemeine Niveau staatlicher Beihilfen zu reduzieren und diese umzuleiten. Es wird jedoch immer einige Marktmängel geben, daher ist eine gewisse staatliche Unterstützung erforderlich. Um Marktstörungen zu vermeiden, sollten sich Fördermaßnahmen eher auf die Unterstützung des Unternehmens richten als auf finanzielle Zuwendungen. Die Förderung positiver externer Effekte führt in geringerem Maße zu Marktstörungen und ist daher für die Förderung von Innovationen und wissensintensiven Unternehmen besser geeignet. Marktversagen kann durch Defizite und Ungleichgewichte in Bezug auf Informationen oder Unternehmensstandorte oder infolge der früheren wirtschaftlichen Entwicklung verursacht werden. Informationsdefizite sind typische Merkmale insbesondere bei Startup-Unternehmen. Diese haben noch keine etablierte Unternehmenshistorie und sind daher nicht in der Lage, auf dem Markt zu normalen Konditionen eine externe Finanzierung zu beschaffen. Im Falle einer Modernisierung oder Diversifizierung bestehen die typischen Probleme einer Unternehmensgründung nicht. Ein standortbedingtes Marktversagen kann durch die Regionalpolitik und Unterstützungssysteme gemildert werden. Unternehmen können aufgrund einer schwachen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in eine Krise geraten; in diesem Fall erfordert die Wirtschaftspolitik besondere umstrukturierende Maßnahmen. Ein Beispiel für diese Krise ist die Bankenkrise in Finnland Anfang der 1990er Jahre. Nachteilige Folgen dieser Krise könnten durch staatliche Beihilfen für die in Not geratenen Unternehmen abgeschwächt werden, was in diesem Fall auch geschah. Ein Marktversagen, das auf unzureichende und asymmetrisch verteilte Informationen, externe Effekte und unvollständige Eigentumsrechte, mangelhafte Marktstrukturen und schlechte Regulierung zurückzuführen ist, kann die Entwicklung von KMU behindern (Wright, Westhead und Ucbasaran 2007). Die weltweit für die kommunale und regionale Entwicklung von Unternehmen eingesetzten Instrumente umfassen sowohl Maßnahmen, die direkte Auswirkung auf das geförderte Unternehmen haben, als auch Instrumente, die die kommunale Entwicklung indirekt betreffen. Der allgemeine Zweck dieser Instrumente kann zusammengefasst werden als Verbesserung des unternehmerischen Klimas und der Unternehmenskultur im Zielbereich (Blakely und Bradshaw 2002). Der Anreiz für Unternehmensneugründungen, Innovationen und Startup-Unternehmen war dabei von besonderem Interesse. Zu den beliebtesten Maßnahmen zählen die Bereitstellung finanzieller Instrumente und Hilfsfinanzierungen, etwa in Form von Beteiligungskapital, Unterstützung bei der Forschungs- und 94 Entwicklungsfinanzierung und Gründungszuschüsse. Zentren für die Entwicklung kleiner Unternehmen, Inkubatoren, Technologiezentren und Wissenschaftsparks sind Beispiele für organisierte Umgebungen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung. Diese Umfelder nutzen in strategischen Schwerpunktgebieten synchronisierte Programme zu Förderung strategischer Cluster (Blakely und Bradshaw 2002, Adamek 2007). Zusammenfassend lässt sich für die vorstehende Erörterung festhalten, dass aufgrund von Marktmängeln (negative externe Effekte) zur Unterstützung von Veränderungen bei KMU kommunale und regionale Maßnahmen erforderlich sind. Ziel der Kommunal- und Regionalpolitik ist die Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im jeweiligen Gebiet durch Förderung unternehmerischer Verhaltensweisen, Innovationen, Wachstum und Internationalisierung der Unternehmen in der betreffenden Region. Die Rolle des Regierungshandelns Der Bedarf an einer KMU-Politik als Bestandteil der Industriepolitik und insbesondere das Interesse an der Wettbewerbsfähigkeit ist eine Folge des raschen Wachstums der neu industrialisierten Länder (Wren 2001). Kurzfristig sollte die Politik sich auf Informationen, Qualifizierung und Identifizierung von Chancen zur Erleichterung unternehmerischen Handelns konzentrieren (Acs und Szerb 2006). Wren (2001) stellt fest, dass die Veränderung der britischen Industriepolitik von einer sektoralen hin zu einer horizontalen Ausrichtung zu einer viel komplexeren Politik geführt hat, die sich auf kleinere etablierte Unternehmen mit Wachstumspotenzial konzentriert. Wren bemerkt, dass die Abgrenzungen zwischen Wissenschaft und Technik, kleinen Unternehmen und regionalen Komponenten sich gleichzeitig verringert und so zu einem begrenzteren Umfang an politischen Maßnahmen geführt haben. Smallbone und Welter (2001b) heben hervor, dass die Gesetzgebung sich auf Unternehmen unterschiedlicher Größe unterschiedlich auswirkt. Diese Gesetzgebung, die die Erstellung und das Einreichen von Dokumenten mit Unterstützung Sachverständiger vorschreibt, führt zu Kosten für die Einhaltung der Vorschriften, was KMU voraussichtlich vermehrt belastet, da diese derartige Kosten in der Regel nicht in ihrem Budget vorgesehen haben. Auf der anderen Seite können beispielsweise die Kosten für Sozialversicherungsbeiträge von Unternehmen zu Unternehmen je nach Größe variieren, was für kleinere Unternehmen ein Vorteil sein kann. Hofer (2006) stellt fest, dass die lokale Anpassung der politischen Maßnahmen und Programme auf Länderebene aufgrund der regionalen Unterschiede eine Voraussetzung für ihre Wirksamkeit ist. Im Hinblick auf die Integration politischer Maßnahmen wird es wichtig sein, dass die durchgeführten Programme und Initiativen, z.B. im Bereich der Modernisierung bestehender KMU, der allgemeinen Personalentwicklung, der Stärkung der kommunalen und regionalen Industriebasis und der Unterstützung des Unternehmertums in Gruppen, in denen Unternehmer nur begrenzt vertreten sind, klar miteinander verknüpft und weiterhin Bestandteil einer übergreifenden Strategie sind (Hofer 2006). Was kann von anderen Ländern gelernt werden? Welche Maßnahmen sollten im Hinblick auf die Modernisierung und Diversifizierung von KMU in Ostdeutschland eingeführt werden? Zur Vorstellung anwendbarer Lernbeispiele und Empfehlungen für spezifische Bereiche und spezifische Umstände wurden Fallstudien aus Diskussionspapieren herangezogen. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Unterschiede der verschiedenen Regionen eines Landes eine sorgfältige Analyse der situativen Faktoren und eine maßgeschneiderte Anpassung der Politik entsprechend der spezifischen Merkmale erforderlich machen. 95 Agglomerationen von wissens- und technologieintensiven Unternehmen erfordern andere politische Maßnahmen als beispielsweise ländliche Regionen mit reichlich vorhandenen natürlichen Ressourcen. In beiden Bereichen jedoch lässt sich von neuen Geschäftsmethoden in neuen Märkten, d.h. von Modernisierung und Diversifizierung profitieren. Schaffung von „Transformationsagenten“, Celemi Sweden ist ein hervorragendes internationales Lernmodell, das für die Modernisierung und Diversifizierung von KMU herangezogen werden kann. Dieses Modell soll Organisationen dabei unterstützen, umfangreiche Veränderungen umzusetzen und Teams mit Transformationsagenten zu bilden, die die gewünschten Ergebnisse liefern (Kuhle 2007). Aus dem internationalen Lernmodell aus der Tschechischen Republik wird ersichtlich, dass staatliche Fördermaßnahmen sich nicht notwendig auf Branchen konzentrieren müssen, die „in Mode“ sind, sondern sich auf die Bereiche konzentrieren können, in denen der relative Wettbewerbsvorteil und die Erfolgschancen am höchsten sind (Adamek 2007). Das bedeutet, dass die Chancen für einen Erfolg auch in den traditionellen Brachen der Wirtschaft gegeben sind. Dies setzt mit hoher Wahrscheinlichkeit jedoch eine Modernisierung und/oder Diversifizierung der Tätigkeiten voraus, wenn ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil erzielt werden soll. Del Castillo (2006) beschreibt das Projekt Barneekintzaile in Katalonien, Spanien, das auf die Stimulierung und Förderung der unternehmerischen Tätigkeit in bestehenden Unternehmen ausgerichtet ist (Binnenunternehmertum, „Intrapreneurship“). Dieses Programm fördert in bestehenden Unternehmen die Entwicklung von Ideen, die zu neuen Produktlinien oder zu Ausgründungen zur Herstellung neuer Produkte führen. Barneekintzaile kombiniert die Leistungen verschiedener Programme und Institutionen in einem einzigen Projekt mit sukzessiven Phasen (Del Castillo 2006). Hervorzuheben ist die Bedeutung der Marktkräfte und Marktdynamik für die Politik. Die Entwicklung der kommunalen und regionalen Wirtschaft wird von Märkten angetrieben, die recht unabhängig von der Politik sind (Walburn 2007). Wie Walburn (2007) feststellt, ist die Schaffung von Anreizen zur Stärkung bereits günstiger Muster geschäftlicher Tätigkeiten voraussichtlich besser dazu geeignet, Ergebnisse zu erzielen, als Maßnahmen, die eine Änderung der grundlegenden Marktkennzahlen anstreben und dabei die vorhandenen Angebots- und Nachfragemuster außer Acht lassen. Eine Herausforderung in der Transformationsphase ist der Ressourcentransfer vom alten Regime in das neue. Für eine effektive Politik ist hier ein effizienter Informationsaustausch und Transfer von Ressourcen, einschließlich Erfahrungen, von der obsoleten Organisation in das neu entstehende Unternehmen erforderlich (Lussier und Corman 1995). Smallbone, Baldock und North (2003) stellen in ihrem Bericht fest, dass zwei Drittel der Befragten im Rahmen der Business-Link-Studie erhöhten Wert auf erweiterte Kenntnisse im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) sowie auf verbesserten Zugang zu diesen Einrichtungen legen. Ersteres könnte auf die Notwendigkeit zurückzuführen sein, bei der Anpassung an zukünftige Entwicklungen proaktiver vorzugehen. Unter Berücksichtigung der Vielfalt der Merkmale verschiedener Regionen sollten klare Visionen der Entwicklung der verschiedenen Länder und Regionen sowie die Entwicklungsstrategien formuliert werden (vgl. Hofer 2006). Eine sorgfältige Analyse der Standortvorteile sowie der „Anziehungsmagnete“ (Murphy, 2006) ist in den Bereichen durchzuführen, in denen die politischen Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Eine derartige Analyse kann beispielsweise durch detaillierte Fallstudien erfolgen, in denen ausgewählte Schlüsselsektoren der Entwicklung untersucht werden. 96 Die Empfehlungen der Fallstudien können in drei Hauptkategorien unterteilt werden: a) Fortbildung, Schulung und Beratung, b) Innovationen und c) Finanzierung und Investitionen. Darüber hinaus werden Netzwerkaktivitäten, der Zugang zu externen Märkten und Pilotprogramme für starkes Wachstum gesondert vorgestellt. Die empfohlenen Maßnahmen beinhalten Dienstleistungen im Bereich Schulung, Beratung und Coaching in verschiedenen Phasen der Geschäftsentwicklung. Diese Dienstleistungen können zur Verbesserung des geschäftlichen Know-how, einschließlich der Kenntnisse in Management und Marketing, sowie zur Verwertung der Wachstumschancen beitragen. Die Vorschläge zur Innovationsförderung umfassten Maßnahmen zur Unterstützung der technologischen Entwicklung, Anregungen zu Business-to-Business-Mentorbetreuung sowie Innovationsförderung in der Landwirtschaft und Lebensmittelbranche, in grundlegenden Industrien und Dienstleistungen und in kleinen, weniger kapitalintensiven Unternehmen. Ferner wurde eine Zusammenarbeit mit anderen KMU sowie mit größeren Unternehmen, höheren Bildungseinrichtungen und benachbarten Landkreisen empfohlen. Ein Ziel dieser Kooperationen ist die Schaffung einer innovationsfördernden Infrastruktur und die Förderung von Innovationen und Exportaktivitäten bei KMU Die Finanzierungs- und Investitionsmaßnahmen umfassten eine Empfehlung zur Beurteilung der eigenen Investitionsbereitschaft der Firma sowie die Einbeziehung von Business Angels. Auch eine Erweiterung der Kenntnisse über die eigenen Wachstums- und Renditepotenziale sowie über Finanzierungsmethoden wurde angeregt. Andere vorgeschlagene Maßnahmen zur Entwicklungsförderung beinhalteten Vorschläge zur verbesserten Durchdringung externer Märkte und zur Einrichtung eines Wachstumsprogramms. Schulungen, Seminare, Wokshops, Rollenspielübungen, Mentorbetreuung, Beratung und Unterstützung bei der Beschaffung privater Investitionen wurden als Maßnahmen zur Erreichung der vorstehenden Ziele vorgeschlagen. In verschiedenen Kontexten können Kontaktvermittlungen (Matching-Service)zur Zusammenführung von Firmen und zur Einbeziehung von Business Angels als Investoren einen Weg zu einem verbesserten Zugang zu Kapital und zu Empfehlungen von Partnern und Experten eröffnen. Netzwerke können für den Ausbau der Informations- und Wissensbasis der Unternehmen eingesetzt werden. Beispielsweise heben Moreno und Casillas (2007) die Bedeutung externer Ressourcen bei der Verbreiterung der Ressourcenbasis durch Netzwerke zur Erzielung von Wachstum hervor. Dandridge und Johannisson (1996) regen für eine erfolgreiche Politik an, dass ein effektiver Austausch von Informationen und der Transfer von Ressourcen, einschließlich Erfahrungen, vom obsoleten Betrieb in den neu entstehenden eingeführt werden sollten. Sie sind der Auffassung, dass die Rolle von Regierung und Verwaltung darin liegen sollte, Informationen für die existierenden Netzwerke bereitzustellen oder die Aufnahme neuer Unternehmer in diese Netzwerke zu erleichtern. Fischer und Reuber (2003) fordern die Anpassung effektiver politischer Programme an einzelne Segmente innerhalb des Gesamtbestandes der Unternehmen. Abhängig vom Zweck des Programms können unterschiedlich angepasste Maßnahmen zur Förderung lokaler Unternehmen zur Verbesserung ihrer Leistung auf allen Ebenen eingesetzt werden (Fischer und Reuber, 2003). Ein hervorragendes Beispiel für erfolgreiche Netzwerke, die durch öffentliche Unterstützung ermöglicht wurden, ist die Innovators Alliance in Ontario, Kanada. Der Ansatz aus der Provinz Ontario in Kanada wurde im Artikel von Pike (2006) als internationales Lernmodell vorgestellt. Die Initiative Innovator Alliance ist ein fokussierterer Ansatz für dieses Fallstudiengebiet, der ursprünglich durch die Regierung von Ontario eingeführt und unterstützt wurde. Die Initiative begann Ende der 1990er Jahre mit der Einrichtung des eintägigen Forums The Wisdom Exchange durch das Ministerium für Wirtschaftsentwicklung und Handel. Die Innovators Alliance ist auf die Erleichterung des Austauschs von geschäftlichem Know-how und Erfahrungen zwischen den CEOs der am schnellsten wachsenden Unternehmen in Ontario ausgerichtet. Aus der Funktion eines Organisators 97 einer einmal jährlich stattfindenden Veranstaltung wurde das Tätigkeitsfeld der Innovators Alliance zu einer Vollzeit-Dienstleistungsorganisation erweitert, die ganzjährig aktiv ist. Die Tätigkeit wurde 1999 aufgenommen, derzeit hat die IA über 100 Mitglieder. Eine andere Studie hat ergeben, dass auf Empfehlungen von Partnern und Kunden großer Wert gelegt wird. Smallbone und Welter (2001a) stellen fest, dass in unstabilen und strukturschwachen Umfeldern informelle Netzwerke oftmals eine wichtige Rolle bei der Mobilisierung von Ressourcen spielen. Auch wenn das Umfeld in Ostdeutschland gegenwärtig stabiler ist, werden Rollenvorbilder und das Messen der eigenen Aktivitäten an Partnern vermutlich sehr wertvoll sein. In den in den Diskussionspapieren enthaltenen Empfehlungen wurden Schulungen und die Beratung durch Partner und Experten als ein Beispiel genannt; zudem würde die vorgestellte Form des Networking zu einer Peer-to-Peer-Unterstützung und zu einer Betreuung durch Mentoren beitragen. Small Business Charter ist ein Beispiel aus Großbritannien (Walburn 2007). Walburn (2007) ist der Auffassung, dass ein Verweis auf die Existenz dieser Charta für kleinere Unternehmen bei internationalen Marketingaktivitäten die Attraktivität des jeweiligen Bezirks als Wirtschaftsstandort erhöht werden könnte, da dadurch der Wille der Kommunalverwaltung zur effektiven Zusammenarbeit mit kleineren Unternehmen herausgestellt wird. Dies hat eine Inward-Internationalisierung d.h. die Gewinnung ausländischer Direktinvestitionen zur Folge. In Hinblick auf das einheimische Wachstum ist es wichtig, die Unternehmen zu entwickeln, die Zugang zu internationalen Märkten erhalten können. Die Kooperation zwischen Anaika Group Oy Ltd. und UPM-Kymmene PLC in Finnland stellt ein herausragendes Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen globalen Großunternehmen und kreativen KMU dar. UPM Timber ist eine Sparte der UPM-Kymmene PLC mit einem Umsatz von 530 Millionen Euro und 1450 Mitarbeitern. Anaika Group Oy Ltd. ist ein mittelständisches Unternehmen mit derzeit 50 Beschäftigten und einem Umsatz von ca. 2 Millionen Euro. Die Anaika Group verarbeitet Leimholz für den japanischen Markt. Außerdem wird Leimholz unter der Marke Wisa von UPM-Kymmene vermarktet. UPM-Kymmene stellt Sägewerkerzeugnisse her, die von der Anaika Group, die die Qualitätszertifikate für den japanischen Markt erworben hat, weiterverarbeitet werden. Die Anaika Group wurde sowohl von Regierungsorganisationen in ihren Aktivitäten im Bereich Forschung und Entwicklung als auch durch das staatliche Kreditinstitut Finnvera mit einem Eigenkapitaldarlehen unterstützt. Diese Art der Zusammenarbeit zwischen KMU und Großunternehmen kann empfohlen werden, da Großunternehmen über die Vertriebskanäle verfügen, während kleinere Unternehmen gegebenenfalls bei der Entwicklung von Produktionssystemen für Nischenprodukte überlegen sind. Die neuseeländische Organisation New Zealand Trade and Enterprise (NZTE) ist ein gutes Beispiel sowohl für die Unterstützung der Wachstumsunternehmen als auch für die Bemühungen um eine Internationalisierung. Ziel der NZTE ist die Anregung einer positiven Einstellung gegenüber geschäftlichen Erfolgen sowie zu Risikobereitschaft und Kreativität. Ziel ist die Förderung einer Kultur, die unternehmerische Aktivitäten und ein geschäftliches Wachstum fördert, da diese in der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes eine zentrale Rolle spielen. Die Organisation arbeitet partnerschaftlich mit Unternehmen, höheren Bildungseinrichtungen und der Privatwirtschaft zusammen, um eine Haltung zu entwickeln, die dem Unternehmertum gegenüber positiv eingestellt ist und dieses unterstützt. Die Aktivitäten umfassen die Bereiche Unternehmensentwicklung, Exportdienstleistungen, Regionalentwicklung und NZ Success (Erfolg in Neuseeland). Alle Abteilungen sind weiter untergliedert, NZ Success beispielsweise in den Enterprise Culture & Skills Activities Fund (Aktionsfonds für Unternehmenskultur und unternehmerische Fähigkeiten), Export Awards (Exportpreise), New Zealand New Thinking (Neues Denken in Neuseeland), World Class New Zealand (Neuseeland auf Weltklasseniveau), und Event Support (Veranstaltungen). 98 Dieser Handlungsansatz lässt sich sehr gut auf Ostdeutschland übertragen, da die genannten Tätigkeiten fast alle Bereiche abdecken, die in den Fallstudien empfohlen werden. Die Sektorentwicklung umfasst sowohl neue Technologien als auch traditionelle Wirtschaftszweige. Regionalentwicklung, regionale Initiativen und die Exportförderung sind ebenso enthalten wie verschiedene Finanzierungsmodelle. Die in den Fallstudien empfohlenen Aktivitäten umfassen Workshops, Rollenspielübungen, Informationen und Beratung über geistige Eigentumsrechte, Analyse der Wertschöpfungskette und Szenarioplanung, Marktforschung, Mentorbetreuung und Beratung sowie Unterstützung bei der Beschaffung privater Investitionen, Informationen und Beratung über geistige Eigentumsrechte, Förderung von Partnerschaften zwischen Großunternehmen und kleineren Unternehmen, externe Unterstützung des geschäftlichen Know-how sowie Schulungen und Beratungsangebote. Die konkreteste Empfehlung für politische Entscheidungsträger ist die Einrichtung oder Unterstützung einer spezialisierten Behörde mit gründlichen Kenntnissen der Technologien und Geschäftsmöglichkeiten, die latente und ungenutzte Ressourcen an geistigem Eigentum in Großunternehmen ermittelt. Auf die Kooperation zwischen großen und kleinen Unternehmen wurde bereits in mehreren Antworten eingegangen. Eine Möglichkeit zur Einbeziehung von Business Angels ist die Kontaktvermittlung, der so genannte Matching-Service. Aus anderen Bereichen können wird die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und höheren Bildungseinrichtungen aufgreifen. Diese ist bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen in der Vorgründungsphase (Virtanen und Laukkkanen, 2002) äußerst wichtig, ist jedoch auch bei bestehenden Unternehmen von Bedeutung, da neues geschäftliches Know-how auch für bestehende Unternehmen verfügbar sein sollte. Gegenwärtig herrscht in vielen Regionen der OECD-Länder die so genannte Triple-Helix-Kooperation (privat – öffentlich – höhere Bildungseinrichtungen) vor. Ferner wird empfohlen, verstärkte Bemühungen auf die Erzielung einheimischen Wachstums zu richten. Am wichtigsten ist es jedoch, Maßnahmen zu identifizieren, die zu Wachstum führen. Hierbei ist zu bemerken, dass die Begriffe Wachstum und Erfolg nicht austauschbar sind. Nicht alle Wachstumsunternehmen sind Erfolgsfirmen, wenn wir nicht eine ähnliche Definition zugrunde legen wie Smallbone, Leigh, und North (1995), die ein Beispiel untersuchten, bei dem Wachstumsunternehmen mit Erfolg in Verbindung gebracht wurden. Die lokale Entwicklung hängt darüber hinaus oftmals entscheidend von stabilen Unternehmen vor Ort ab (Einzelhändler, Bäcker, Restaurants usw.), die Arbeitsplätze schaffen und deren Beschäftigte ein steuerpflichtiges Einkommen erzielen (Stark und Brown 1997). In der Fallstudie für die Landkreise Mittweida und Altenburger Land wurde dargelegt, dass Wachstumsunternehmen verstärkt gefördert werden sollten, ohne jedoch die übrigen KMU zu vernachlässigen (Murphy 2006). Murphy (2006) schlug starke und maßgeschneiderte Maßnahmen zur Unterstützung einer kleinen Anzahl von Wachstumsunternehmen vor, während parallel die übrigen KMU mit kostengünstigeren oder standardisierten Maßnahmen gefördert werden sollten. Murphy (2006) regt überdies die Einrichtung einer speziellen Arbeitsgruppe an, die eine Strategie für den Dienstleistungssektor entwickeln soll; dies soll ein erster Schritt in der Entwicklung einer Strategie für den Landkreis und die Region sein. Im Idealfall sollte sich die Arbeitsgruppe aus Vertretern der zuständigen Ministerien und Behörden zusammensetzen, insbesondere sollten auch (nationale und internationale) Dienstleistungsunternehmen mit Experten vertreten sein (Murphy 2006). Diese Vorschläge sind allesamt wertvoll und können die Modernisierung und Diversifizierung in breiterem Kontext in jeder Region unterstützen. Allerdings sollten die Behörden bei der Einrichtung neuer Institutionen (Task Force) mit Vorsicht vorgehen, um allzu starke Regelungsmechanismen und eine Vergeudung knapper Ressourcen zu vermeiden. 99 Aus der Sicht einer Modernisierung und Diversifizierung von KMU ist die Förderung so genannter Graswurzel-Innovationen eine gute Empfehlung. Diese Empfehlung sieht eine Förderung der Landwirtschaft und der Lebensmittelbranche, der grundlegenden Industrien und Dienstleistungen und kleiner, weniger kapitalintensiver Unternehmen vor. Diese Argumentation wird gestützt durch die Forderung von Dabson (2000) nach Fokussierung auf und Identifizierung lokaler und regionaler Wirtschaftsgüter, die in eine unternehmerische Aktivität überführt werden sollen. Die Politik sollte den Zugang zu Forschung und Entwicklung und zu Marktinformationen unterstützen sowie dabei helfen, Kontakte zu begeisterungsfähigen Vertretern und zu Vertriebskanälen auf dem internationalen Markt zu knüpfen. Diese Art politischer Unterstützung für offene und selbstbewusste Produzenten ist hilfreich bei der Entwicklung von Möglichkeiten und beim Zugang zu internationalen Märkten. Ein gutes Beispiel hierfür ist Just The Berries Ltd.25 Diese Firma stellt funktionelle Produkte her, bei denen schwarze Johannisbeeren als Rohstoff eingesetzt werden. Die Forschungsarbeiten und Tests für die Eigenschaften der schwarzen Johannisbeere wurden durch das renommierte staatliche Labor Crop and Food Research in Neuseeland durchgeführt. Eine Kooperation mit einem großen japanischen Unternehmen führte zur Öffnung des asiatischen Markts, die Aussichten für das künftige Wachstum sind ausgezeichnet. In diesem Artikel wurde an verschiedener Stelle auf Volkswirtschaften im Wandel und auf spezifische Fallstudien Bezug genommen. Es muss darauf hingewiesen werden, dass die Entwicklung der KMU in Ostdeutschland aufgrund der Unterstützung durch Westdeutschland in einem völlig anderen Umfeld verläuft als in anderen Transformationsländern. Es bestehen jedoch Ähnlichkeiten in Bezug auf die unternehmerische Kultur und die Haltung gegenüber dem Unternehmertum und der geschäftlichen Entwicklung. Die Fallstudien und die angeführten Empfehlungen sollten in dem dafür vorgesehenen Zusammenhang geprüft werden. Wahrscheinlich gibt es keine politische KMUInitiative, die allgemein landesweit anwendbar wäre, da sowohl die KMU als auch die Regionen eines Landes beträchtliche Unterschiede aufweisen. Die Empfehlung, Nutzen aus den Chancen zu ziehen, die sich durch Modernisierung und Diversifizierung eröffnen, kann jedoch in verschiedene politische Maßnahmen für KMU Eingang finden. Literatur Acs, Z. J. and L. Szerb (2007), “Entrepreneurship, Economic Growth and Public Policy”, Small Business Economics, Vol. 28, No. 2-3, Springer, pp. 109 – 122. Adamek, P. (2007), “Infrastructure for Innovations and Internationalisation of SME Activity”, in Entrepreneurship Environment and Policies: Exploiting the Science and Technology Base in the Region of Halle. Discussion Paper, OECD, Paris. Afuah, A. (1998), Innovation Management, Strategies, Implementation, and Profits, Oxford University Press. Almus, M. 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Das Überleben der Unternehmen sowie das Unternehmenswachstum hängen nicht nur von Führungsqualitäten und Management in KMU ab, sondern auch von den Qualifikationen und Motivationen der Mitarbeiter. In den Gebieten, in denen die lokalen Fallstudien durchgeführt wurden, bestehen eine Reihe von Schulungsmöglichkeiten für KMU, die sowohl von der Privatwirtschaft als auch von öffentlichen Institutionen angeboten werden. Den Überblick zu behalten und die besten Optionen auszuwählen, kann jedoch zeitintensiv und schwierig sein. Angebote, die mit öffentlichen Zuschüssen unterstützt werden, sind oftmals kostenfrei oder nur mit geringen Kosten verbunden; oft ist für bestimmte Unterstützungsprogramme eine Teilnahme an diesen Angeboten vorgeschrieben. Die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage erhöht sich in einer späteren Phase der Geschäftsentwicklung zunehmend, da Zeit- und Kostenfaktoren zunehmend an Bedeutung gewinnen. Auf der Nachfrageseite ist es vorherrschende Auffassung unter Unternehmern und Geschäftsführern von KMU, dass Schulungen mit zeitlichem Aufwand und Kosten verbunden sind. Mit dieser Einstellung geht eine mangelnde Kenntnis bestehender Schulungsangebote und der Zugänge zu diesen Angeboten einher; darüber hinaus ist ein Mangel an Anreizen und finanzieller Unterstützung zu konstatieren. Alle diese Umstände sind Barrieren für die Qualifizierung in KMU. Die bestehenden KMU in den Fallstudiengebieten werden sich verstärkt auf Kompetenzentwicklung und Unternehmensleistung konzentrieren müssen, wenn sie in einem Umfeld überleben wollen, das von zunehmendem nationalem und internationalem Wettbewerb geprägt ist. Maßgeschneiderte Programme zur Kompetenzentwicklung können das Interesse an Schulungsprogrammen erhöhen. Dabei ist es wichtig, Themen zu finden, die für die Unternehmen vor Ort von zentraler Bedeutung sind, wie etwa der Zugang zu externen Märkten, die Innovationssteigerung in der Produktion und bei der Leistungserbringung, Wachstumsmanagement und Wachstumsfinanzierung. Die Initiative der deutschen Industrie- und Handelskammer „E-Learning Marketplace“ ist ein Beispiel für „Gute Praxis“ in der Einführung von Multimedia in Lernprozesse. Zudem trägt diese Initiative zur Überwindung der Barriere zwischen Schulungs- und Arbeitsplätzen bei. Eine berufliche Neuorientierung, die in Ostdeutschland weit verbreitet ist, muss an die Anforderungen der örtlichen Arbeitsmärkte angepasst werden, um der Nachfrage der lokalen Wirtschaft nach qualifizierten Arbeitskräften besser entsprechen zu können. In einigen Fallstudiengebieten ist es aufgrund der Abwanderung junger Menschen und deren wechselnden Berufswünschen für Unternehmen schwierig, geeignete Mitarbeiter zu finden. Die Existenz individualisierter Schulungsprogramme und eine enge Zusammenarbeit zwischen Bildungsträgern, wie sie in den meisten Fallstudiengebieten auch häufig anzutreffen sind, kann als gute Praxis angesehen werden. 105 Aufgrund des geographischen Vorteils der Lage in Zentraleuropa und der erheblichen Investitionen in die Infrastruktur sind alle Fallstudiengebiete gut positioniert, um Wettbewerbszentren für gehandelte Produkte und Leistungen zu sein. In den meisten der Fallstudiengebiete scheinen jedoch viele lokale Unternehmen mit traditionellen Produkten keinen angemessenen Zugang zu Exportmärkten zu haben. Die Kammern spielen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Internationalisierungsaktivitäten der KMU. Die angebotenen Leistungen stellen eine Art Standardunterstützung für die Förderung der Internationalisierung der Geschäftstätigkeiten dar. Darüber hinaus existieren in einigen der Fallstudiengebiete auf die Gegebenheiten vor Ort zugeschnittene Projekte mit dem Ziel, die Reaktionsfähigkeit örtlicher Traditionsunternehmen auf den internationalen Märkten zu verbessern, Insgesamt gesehen ist der horizontale Fokus nur schwach ausgeprägt, ebenso wie der strategische Handlungsansatz für die Förderung der Internationalisierung der vor Ort entwickelten Ideen und Kompetenzen. Es ist für öffentliche und private Organisationen zur Wirtschaftsförderung wichtig, bei der Gestaltung und Umsetzung der Unterstützungsstrategie für Unternehmen enge Beziehungen zwischen potenziellen Wachstumsunternehmen anzuregen. Die gute Praxis der OECD zeigt, dass das Bereitstellen von Instrumenten zur besseren Einschätzung von Schulungsbedarf und Wachstumspotenzial Unternehmen bei der Feststellung derjenigen Faktoren hilft, die den größten Einfluss auf ihren Fortbestand und ihr Wachstum haben. Einfach umzusetzende Ansätze mit OnlineSchnittstellen erleichtern den Behörden die Ermittlung der besten Wachstumswirkungen ihrer Interventionen. Junge technologieorientierte Unternehmen haben oftmals Probleme damit, das Bedarfprofil der Endbenutzer zu erkennen und darauf zu reagieren; überdies tendieren sie zur Unterschätzung des Kosten- und Zeitaufwandes für den Markteintritt und den Unternehmensfortbestand. Um diese jungen Unternehmen in ihrem Fortbestand und ihrem Wachstum zu unterstützen, sind öffentliche Förderprogramme für Schulung und Coaching in der Nachgründungsphase auch in den Fallstudiengebieten eine erwägenswerte Möglichkeit. Obgleich junge Unternehmen tendenziell wenig Interesse an derartigen Programmen zeigen, da das Tagesgeschäft hierfür oftmals keine Zeit lässt, können diese Leistungsangebote eine wertvolle Unterstützung darstellen. Erfahrungen mit CoachingProgrammen in der Nachgründungsphase in anderen OECD-Ländern zeigen, dass in der Vorgründungs- und Gründungsphase aufgebaute Beziehungen zwischen Unternehmer und Coach in der Nachgründungsphase wertvolle Hilfen geben kann, so dass Jungunternehmer auftretende Probleme schon im Frühstadium erkennen können. Maßgeschneiderte Leistungen auf Kommunalebene können zur Aufrechterhaltung der direkten Interaktion mit vorherigen Kunden in der Nachgründungsphase genutzt werden, indem die anfänglichen Eins-zu-Eins-Interaktionen, die in der Vorgründungs- und Gründungsphase eingeführt wurden, beibehalten werden. Erfahrungen aus anderen OECD-Ländern und Regionen zeigen, dass Programme, die darauf ausgerichtet sind, Unternehmen bei der Einschätzung ihrer eigenen Investitionsbereitschaft zu unterstützen, das Geschäftsvolumen steigern konnten. Diese Programme unterstützen die Unternehmen bei Folgendem: Beurteilung der eigenen Investitionsbereitschaft, Feedback über Stärken und Schwächen des Unternehmens, Zugang zu einer Beteiligungsfinanzierung, Verbesserung der Kontakte der Investoren zu Sektoren mit geringer Investorenbeteiligung. Die zentralen Angebote der Programme umfassen zum Beispiel die intensive Zusammenarbeit mit den einzelnen Unternehmen und die Durchführung interaktiver Workshops auf Basis von Rollenspielübungen. Durchgeführt werden diese Programme von erfahrenen Branchenkennern wie etwa von Wirtschaftsprüfern, Anwälten, Business Angels, Geschäftsbanken, Risikokapitalfirmen und Unternehmensberatungsfirmen (Corporate Finance); zudem wird ein kostenfreies Diagnose-Tool zur Feststellung der Investitionsbereitschaft eingesetzt. In den Fallstudiengebieten sind neben privaten und öffentlichen Förderorganisationen auch lokale KMU-Verbände tätig, die unter ihren Mitgliedern eine 106 wechselseitige Beratung und Betreuung in Form einer „Hilfe zur Selbsthilfe“ bei Fragen zu Unternehmenswachstum und Unternehmensfortbestand organisieren. Abgesehen von diesen Angeboten hat es den Anschein, dass das Interesse vieler Unternehmen an kostenpflichtigen Coaching- und Beratungsangeboten aufgrund begrenzter Eigenmittel und Liquidität eher schwach ausgebildet ist. Aus den OECD-Forschungsarbeiten lässt sich ableiten, dass KMU im Durchschnitt weniger Forschung und Entwicklung betreiben als größere Firmen. Die durchschnittliche Unternehmensgröße in den meisten Fallstudiengebieten macht es schwierig, unternehmensinterne Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zu fördern. Eines der Gebiete, auf dem die meisten Standorte gut abgeschnitten haben, war ihre Technologiebasis und die Vielfalt der Tätigkeiten zur Förderung und Unterstützung von Innovationen. Auf regionaler Ebene konnten bis zu einem gewissen Grad Bundesprogramme zur Verbesserung der Innovationsleistung erfolgreich genutzt werden. Die Herausforderung, diejenigen Innovationstätigkeiten zu fördern, die zur Unterstützung der Modernisierung einer produktiven Struktur beitragen können, bleibt jedoch bestehen. Die Ausbildung, Verwertung und Steuerung von Netzwerkbeziehungen ist wichtig für das Erreichen von Skaleneffekten und für die Kosten- und Zeitrationalisierung sowie für den Zugang zu neuen Kompetenzen, insbesondere in Bezug auf den Zugang zu Ressourcen und Märkten, den Austausch von Technologien und Know-how und den Informationsaustausch über Technologieentwicklungsprozesse. In allen Fallstudiengebieten wurden Projekte zur Entwicklung von Netzwerken und Clustern durchgeführt. In Fallstudiengebieten mit einer Universität in der Region scheinen die Innovationssysteme besser zu sein. Hier nimmt die Universität für das Subsystem der Wissensbildung eine zentrale Stellung ein, und sie spielt zudem eine wichtige Rolle bei der Wissensverwertung, wobei auf langfristige strategische Kernkompetenzen in Grundlagenforschung und angewandter Forschung zurückgegriffen wird. Für Unternehmen aller Größen kann das Vorhandensein einer Universität einen Stimulus für Wachstumspläne und eine Quelle für Innovationen darstellen. Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind in der Regel jedoch nicht die üblichen Ansprechpartner für Firmen. Selbst Hightech-Unternehmen und Wachstumsunternehmen wenden sich bei der Suche nach Unterstützung oder Dialog an die Kammern oder Wirtschaftsverbände. Innerhalb der vorhandenen Innovationsinfrastruktur ist daher eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Universitäten, Forschungseinrichtungen und den Kammern gefragt, um die Distanz und die Hindernisse abzubauen und die wirtschaftliche Verwertung von Wissen und Technologie in einer breiteren Unternehmensbasis sowohl innerhalb der lokalen Wirtschaft als auch darüber hinaus zu erleichtern. Die Infrastruktur für Innovationen ist ein komplexes System aus physischen, personellen und finanziellen Ressourcen, einschließlich Kompetenzen, Kapazitäten, Fähigkeiten und Netzwerken, die innovative Unternehmen bei den Prozessen der Kommerzialisierung der Kenntnisse unterstützen. Die regionale Innovationsinfrastruktur muss Einrichtungen und verbundene Förderangebote umfassen, die an die unterschiedlichen Strategieanforderungen der Unternehmen in den Unternehmensgründungsund Unternehmenswachstumsprozessen angepasst sind. Die lokalen Fallstudien haben ein Risiko der übermäßigen Abhängigkeit von öffentlichen Mitteln bei der Fortsetzung der aktuellen technologiebasierten Entrepreneurship-Initiativen aufgezeigt. An einigen Standorten haben massive öffentliche Investitionen zur Ausbildung einer erstklassigen physischen Infrastruktur für technologieorientierte Firmengründungen und –entwicklungen geführt. Öffentliche Mittel stehen auch für Unternehmensgründungen und Inkubator-Firmen bereit. In den Fallstudiengebieten oder in der näheren Umgebung gibt es eine Reihe von Technologieparks und Business-Inkubatoren. Diese sind in erster Linie, aber nicht ausschließlich für technologieorientierte Unternehmen vorgesehen. Sie sind offenbar gut etabliert und gut an die Schlüsselsektoren der lokalen Wirtschaft wie Elektronik und Elektrotechnik, Lasertechnologie und Spezialmaschinenbau angebunden. Es gibt internationale Verbindungen, die ausgebaut werden. Eine enge Zusammenarbeit zwischen den örtlichen Agenturen 107 ist wichtig, um zu gewährleisten, dass die ansässigen Firmen auch nach der Inkubationsphase vor Ort oder im Landkreis bleiben. Eine anhaltende Herausforderung in der Zukunft wird es sein, die Zuwanderung neuer Unternehmen aufrechtzuerhalten. In diesem Bereich könnte mehr getan werden; zum Beispiel könnten Bundes- und Länderinitiativen dazu eingesetzt werden, die Zusammenarbeit zwischen Landkreisen und Kommunen bei Einrichtung und Betrieb von Technologieparks und Business-Inkubatoren anzuregen. Dadurch würden auch die Entwicklung der Wirtschaftsregionen und die Clusterbildung über mehrere Zuständigkeitsbereiche hinweg gefördert. Für die Mehrheit der Fallstudiengebiete können eine gute Versorgung mit verfügbaren Industriestandorten, eine Mischung aus Gewerbeimmobilien mit attraktiven Mieten und eine angemessene Infrastruktur als Pluspunkte verbucht werden. In urbanen Regionen, in denen die Nachfrage nach Grundstücken und Gebäuden für neue oder expandierende Geschäftstätigkeiten zunächst aus dem vorhandenen Flächenbestand gedeckt werden muss, sind Quantität, Qualität und Zweckmäßigkeit sowie Flexibilität zur Anpassung an neue Anforderungen für die Standortfrage relevant. Es gibt eine Vielzahl hochwertiger Büro-, Gewerbe- und Industrieflächen zu Kosten, die im Vergleich zu entsprechenden Flächen in Westdeutschland wesentlich niedriger sind. Für Unternehmensgründungen und bestehende KMU besteht zudem die Möglichkeit staatlicher Mietzuschüsse. An einigen Standorten haben jedoch Unvollkommenheiten des Immobilienmarkts, verursacht durch Regulierungen und verstärkte Standortentwicklung durch den öffentlichen Sektor sowie durch eine mangelnde Nachfrage, zu Leerständen bei den öffentlich subventionierten Gewerbeflächen und zu einem nachlassenden Engagement privater Bauträger geführt. An Standorten mit niedriger Belegungsquote werden Imageprobleme als Ursache genannt. In allen Fallstudiengebieten wurden verschiedene politische Maßnahmen zur Stimulierung der Entwicklung des Unternehmertums und der Gewinnung beschäftigungswirksamer Investitionen initiiert. Projekte für Stadtentwicklung und Stadtumbau (Urban Regeneration) und die Schaffung moderner, lebendiger Einkaufs- und Freizeitzentren scheinen das Image dieser Orte zu verbessern, was sowohl intern für die Anwohner und ansässigen Firmen als auch extern für Besucher und potenzielle Investoren gilt. Zusätzlich werden Mechanismen des E-Government eingesetzt: erste Erfolge bei der Verringerung bürokratischer Hürden in der Flächennutzung wurden so bereits erzielt. Die Fallstudien in Ostdeutschland haben gezeigt, dass sich zahlreiche Handlungsempfehlungen auf Bundesebene und auf kommunaler Ebene durch Regierung, Verwaltung und Organisationen umsetzen lassen, die aktiv in der Entwicklung und Stärkung des Unternehmertums und der lokalen Wirtschaftsentwicklung tätig sind. Obgleich diese Empfehlungen mit Blick auf die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten entwickelt wurden, haben sie doch Bedeutung für andere Orte in Ostdeutschland oder in anderen Regionen. Die folgende Liste von Empfehlungen kann daher für politische Entscheidungsträger und lokale Organisationen als Checkliste für Neuerungen in der Entrepreneurship-Politik und die Entwicklung lokaler Aktivitäten im Rahmen der Modernisierung und Diversifizierung von KMU und der zugehörigen Motivationsmaßnahmen dienen. Handlungsempfehlungen zur Stärkung von Modernisierungs- und Diversifikationsbemühungen bestehender Unternehmen Durchführen von öffentlichen Kampagnen zur Steigerung des Interesses an und der Nachfrage nach Schulungs- und Beratungsdiensten für KMU. Das Überleben und das Wachstum von KMU hängt nicht allein von deren Leitung und dem Management ab, sondern auch von den Fertigkeiten und der Motivation der Mitarbeiter. Der bei Unternehmern weit verbreitete Glaube, dass Weiterbildung nur Zeit und Geld kostet, gebündelt mit der spärlichen Kenntnis von existierenden Weiterbildungsangeboten, aber auch das eventuelle Fehlen von Zugangsmöglichkeiten, Anreizen und finanzieller Unterstützung müssen als Hindernisse in der Qualifizierung bestehender KMU erkannt und angegangen werden. Erfolgreiche Schulungsprogramme könnten beworben und teilnehmende Unternehmen als Vorbilder genutzt werden, um das Interesse an Schulungs- und Beratungsdiensten zu steigern. Solche Initiativen könnten auch dazu beitragen, die Koordination zwischen den Akteuren zu verbessern und so zu einer Qualitätssteigerung des 108 Angebots beitragen. Unternehmensnetzwerke könnten genutzt werden, um dies zu unterstützen oder um entsprechende Kampagnen durchzuführen. Zugang zu überregionalen Märkten. Eine überregionale Nachfrage nach Produkten und Dienstleitungen eines Unternehmens kann entscheidend für dessen Wachstum sein. Marktforschung durch das Unternehmen, Unternehmensverbände, Kammern und andere Einrichtungen sind ein wichtiges Instrument, um das Nachfragepotenzial auf regionalen, nationalen und internationalen Märkten besser einzuschätzen, und erleichtern ein adäquates Reagieren. Verbesserung der Koordinierung, Transparenz und Qualitätsüberprüfung von Beratungs-, Schulungs- und Coachingdiensten. Das bestehende Angebot sollte einer ausführlichen Evaluierung, Qualitätskontrolle und einem Leistungsvergleich unterzogen werden. Informationen sollten transparent und leicht zugänglich sein. Die so gewonnenen Informationen sollten KMU und öffentliche Behörden bei der Auswahl geeigneter Schulungsanbieter unterstützen. Schulungen zur Unternehmensweiterentwicklung als Bestandteil von Existenzgründungsprogrammen. Innerhalb von Existenzgründungsprogrammen sollte ein größeres Gewicht auf die Entwicklung und den Ausbau von Fähigkeiten im Bereich Unternehmensmanagement und Unternehmensentwicklung gelegt werden. Das bestehende Schulungsangebot sollte so erweitert werden, dass auch das Erkennen von überregionalen Marktpotentialen, die unternehmerische Nachhaltigkeit sowie die Identifizierung und Nutzung von künftigen Wachstumsmöglichkeiten abgedeckt werden. Unterstützende Schulungen für Geschäftsführer bestehender KMU als Teil von Unternehmensnetzwerkaktivitäten. Eine Ausweitung bereits bestehender Weiterbildungsprogramme für KMU-Manager zur Entwicklung ihrer unternehmerischen Kenntnisse über Märkte, Marketing und insbesondere der Fähigkeit, Chancen zu erkennen, sollte angestrebt werden. Das Bildungsangebot sollte die Unternehmen durch neue Erfahrungen, Zusammenarbeit und gemeinsame Diskussion mit anderen Unternehmen darin unterstützen, die notwendigen Veränderungen in ihren Unternehmen zu erkennen und anzugehen. Vor allem sollte man sich hier auf Unternehmen konzentrieren, die eine gewisse Wachstumsorientierung aufweisen. Intensivierung von Unternehmensnetzwerkinitiativen. Die Arbeit in Netzwerken kann durch eine Analyse von Wertschöpfungsketten und Szenarienplanungen unter Einbeziehung der Schlüsselakteure der jeweiligen Branchen angeregt werden. Ausgangspunkt bei der Gründung solcher Netzwerke ist der Versuch, eine zentrale Frage zu beantworten: Wie können wir die lokale Wirtschaft durch Kooperation und Zusammenarbeit von einem „Preisnehmer“ (price-taker) zu einem „Preissetzer“ (price-maker) weiterentwickeln? Unterstützung nach der Start-Up Phase. Um jungen Unternehmen höhere Überlebens- und Wachstumschancen zu sichern, sollten öffentliche Förderprogramme Betreuung und Trainingsmaßnahmen in der Nachgründungsphase berücksichtigen. Sehr häufig nehmen junge Unternehmen nicht wahr, dass ihre bisherigen Geschäftskenntnisse und ihr Know-how unzureichend sind und dass externe Beratung eine Hilfe sein könnte. Erfahrungen aus anderen OECD-Ländern mit Coaching-Programmen in der Nachgründungsphase zeigen, dass eine Beziehung zwischen Unternehmer und Betreuer, die bereits in der Vorgründungs- und Gründungsphase aufgebaut wurden, ein großes Potential für eine Aufrechterhaltung in der Nachgründungsphase darstellt. Eine auf lokale Bedürfnisse zugeschnittene Förderungseinrichtung kann die direkte Beziehung mit früheren Kunden in der Nachgründungsphase fördern, indem die anfängliche eins-zu-eins Interaktion, die in der Vorgründungs- und Gründungsphase aufgebaut wurde, in der Nachgründungsphase weitergeführt wird. Mentorbetreuung von Unternehmen zu Unternehmen (B2B) fördern. Größere Unternehmen können für KMU eine bedeutsame Rolle in deren Innovation und Exporttätigkeit spielen, indem sie diesen erfahrene Führungskräfte für kurze Beratungsseminare zur Seite stellen. Einbeziehung von „Unternehmensengeln‟(Business Angels). Ein entwickeltes VC System benötigt einzelne Investoren sowie Venture Capitalfonds. „Engel‟ d.h. Menschen, die bereit sind, in einzelne Unternehmen zu investieren und oft ihr Know-how einbringen, sind in den meisten OECD-Ländern anzutreffen. Dies können Menschen sein, die in der Vergangenheit eine Firma erfolgreich gestartet und in mehrere Unternehmen investiert haben. Oft geht mit dieser Art Investition eine Mentorfunktion einher, bei der der einzelne Investor oder eine andere dafür benannte Person als Ratgeber gegenüber dem Unternehmer und dem Geschäft wirkt. Das ist besonders wichtig für Unternehmen, die ehrgeizige Wachstumspläne verfolgen oder versuchen in internationale Märkte vorzudringen. Unterstützung in den Bereichen Technologie und Innovation ausweiten. Aufgrund der Kostenstrukturen sind KMU in OECD-Ländern in wachsendem Maße darauf angewiesen, mit Technologie und anderen Wertschöpfungskomponenten ihre Wettbewerbsfähigkeit zu festigen. Eine Inanspruchnahme von externen 109 F&E-Dienstleistungen könnte örtlichen KMU bei ihren Innovationsbestrebungen unterstützen. Sollten sich die Landkreise für die Schaffung der erforderlichen Innovationsinfrastruktur als zu klein empfinden, könnte eine überregionale Zusammenarbeit mit benachbarten Kreisen und/oder mit thematisch verwandten Hochschul- und Forschungseinrichtungen Abhilfe schaffen. Durchführung eines Pilotprogramms für wachstumsorientierte Unternehmen. Ein Pilotprogramm würde ein Ausfindigmachen von jungen und bestehenden Unternehmen mit Wachstumspotentialen erleichtern. Eine solche Initiative könnte öffentliche Förderung koordinieren, eine auf die Bedürfnisse des Unternehmens exakt zugeschnittene Betreuung und Beratung anbieten und zudem bei der Beschaffung von Privatinvestitionen zur Seite stehen. Solch ein Programm würde einen kleinen Kreis von Unternehmen über einen Zeitraum von zwei Jahren einbeziehen (angesichts der wirtschaftlichen Dimension würden pro Jahr vielleicht nur 20 Unternehmen angeworben werden). Dies könnte sich insbesondere für Regionen anbieten, in denen das unternehmerische Klima zwar nahezu den nationalen Durchschnitt erreicht, jedoch strukturelle Probleme das Wachstum von Unternehmen beeinflussen. Förderung von Spitzeninnovation. Die Vermittlung von Geschäftsbeziehungen zwischen größeren regional agierenden Unternehmen, die latente und ungenutzte Ressourcen an geistigem Eigentum aufweisen und diese anbieten wollen, und KMUs, welche über Nutzungskapazität verfügen, sollte Teil der Förderung von Spitzeninnovationen sein. Kleinere Unternehmen könnten geistiges Eigentum erwerben, lizenziert verwenden oder gegen eine Provision im eigenen Betrieb einsetzen. Dieses Vorgehen könnte durch eine spezialisierte Einrichtung begleitet werden, die adäquates Technologie- und unternehmerisches Verständnis und Bewusstsein besitzt, Kontaktmöglichkeiten erkennt und so einen Austausch initiieren und erleichtern kann. Förderung von Basisinnovationen. Es sollte mehr unternommen werden, um Innovationen in der Landwirtschaft, der Nahrungsmittelindustrie, der Grundgüterindustrie und im Dienstleistungssektor sowie in kleineren und weniger kapitalintensiven Unternehmen anzuregen. Innovationsnutzung durch eine weiter gefasste Gruppe von Firmen. Die bestehende Innovationsinfrastruktur sollte stärker dazu genutzt werden die Zusammenarbeit zwischen dem Hochschulsektor, örtlichen Unternehmen (aller Größen) und größeren Firmen andernorts anzukurbeln. Multinationale Unternehmen vor Ort oder anderswo stellen aufgrund ihres starken Zugangs zu Märkten eine Chance für die lokale Wirtschaft dar, um Kommerzialisierungsprozesse zu akzelerieren und aufzuwerten. Derartige Allianzen können dazu beitragen, innovative Produkte und Dienstleistungen unter marktähnlichen Umständen zu testen und die Zeit-zu-Markt ('time-to-market') Beziehung positiv zu beeinflussen. Bei der Aufstellung von derartigen Wertschöpfungsstrategien ist es jedoch wichtig, auf den Schutz von intellektuellem Eigentum zu achten. Firmen dabei helfen, ihre eigene Investitionsbereitschaft einzuschätzen. Es sollten Programme entwickelt werden um dem Mangel an Investitionsbereitschaft in bestimmten Sektoren abzuhelfen, indem Firmenwissen zu Wachstums- und Renditepotenzialen sowie zu Finanzierungsmethoden verbessert wird. Solche Programme haben anderswo erwiesenermaßen zu mehr Investitionen geführt. Als wichtigste Merkmale wären u.a. die intensive Arbeit mit jeder Firma, interaktive Workshops mit Rollenspielübungen unter Leitung erfahrener Branchenexperten wie Wirtschaftsprüfer, Juristen, Business Angels, ClearingBanken, Beteiligungskapitalfirmen und Unternehmensfinanzierungsfirmen, sowie ein kostenloses DiagnoseInstrument für Investitionsbereitschaft zu nennen. Solche Programme versetzen Firmen in die Lage, ihre eigene Investitionsbereitschaft einzuschätzen, geben ihnen Rückmeldungen zu ihren Stärken und Schwächen, bieten Auskunft zur Beschaffung von Beteiligungskapital und schaffen mehr Schnittstellen zwischen Investoren und Sektoren, die durch asymmetrische Informationslagen gekennzeichnet sind. 110 Box 8. Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in wachsenden existierenden KMU SPOTcheck: Wo liegt Potential zum Erfolg – Irland: notwendige Instrumente für KMU bereitstellen, um ihnen zu ermöglichen ihre Ausbildungsbedürfnisse und ihr Wachstumspotential besser zu verstehen und einzuschätzen. Programm "Netzwerk Wachstumsfirmen" – Vereinigtes Königreich: Analyseinstrument welches mithilfe von maßgeschneiderten öffentlichen Förderprogrammen für die Markt- und Produktentwicklung das Wachstumspotential ortsansässiger KMU bestimmt. Sustaining Profitable Growth (SPG): Worauf kommt es beim Unternehmenswachstum an – Vereinigtes Königreich: Ein strategisches Leadership Development Programm über die Dauer von 15 Monaten für KMU. Programm „Ready for Growth“, Vereinigtes Königreich, Spanien und Griechenland: Programm, welches den wahrgenommenen Mangel an Investitionsbereitschaft in kleinen und mittleren Digitaltechnik-Unternehmen in Europa anspricht. Knowledge Transfer Partnerships – KTP – Vereinigtes Königreich: Wissenstransferpartnerschaften, welche Firmen den Zugang zum Fachwissen und den Ressourcen der Universitäten erleichtert und die Steigerung des Umsatzes und den Gewinn von Marktanteilen, geistigen Eigentums und Wettbewerbsvorteilen fördert. Das Industriegebiet Marco-lotto No. 1 – Italien: Unternehmen für die Ansiedlung in ein entwickeltes Industriegebiet anlocken. 111 KAPITEL 3 FINANZIERUNG DES UNTERNEHMERTUMS 113 POLITISCHE FRAGEN BEI DER FINANZIERUNG DES UNTERNEHMERTUMS Dietmar Grichnik, Deutschland Einleitung Auch mehr als 15 Jahre nach der Wiedervereinigung bleibt die wirtschaftliche Entwicklung in den meisten Regionen Ostdeutschlands hinter der in anderen OECD-Ländern zurück. Dies zeigt sich in schlechten Werten bei wichtigen Wirtschaftsindikatoren wie hohe Arbeitslosenquoten, zunehmende Abwanderung des Humankapitals und geringe Kaufkraft (z.B. Statistisches Bundesamt 2006). Aktuelle Studien haben ergeben, dass das Unternehmertum in Hinblick auf die Angleichung des Lebensstandards in Deutschland eine entscheidende Komponente der lokalen Wirtschaftsentwicklung ist (OECD 2003). Die Förderung des Unternehmertums über Förderprogramme für kleine und mittelständische Unternehmen und Unternehmensgründungen ist daher heute ein wichtiges Ziel für politische Entscheidungsträger und Regierungen weltweit. Ein wesentliches Hindernis für Gründung, Wachstum und Fortbestand von Unternehmen ist das Problem der Beschaffung ausreichender finanzieller Ressourcen. Dieses Problem kann auf das Verhalten auf der Angebotsseite und/oder auf der Nachfrageseite zurückzuführen sein. Entsprechend sind vernünftige Handlungsempfehlungen, die externe Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmer sicherstellen und Finanzentscheidungen der KMU beeinflussen, für Politiker von großer Bedeutung. Greift man auf die Definition des Unternehmertums als „Verfolgung von Möglichkeiten über die derzeit zur Verfügung stehenden Ressourcen hinaus“ zurück (Stevenson 1999), wird die zentrale Rolle der Beschaffung finanzieller Mittel sowohl aus Sicht der theoretischen als auch der empirischen Forschung deutlich26. Im Gegensatz zu den Annahmen der üblichen neoklassischen Marktmodelle sind Kapitalmärkte in der Regel nicht vollkommen. Kapitalverknappung infolge der Kapitalmarktmechanismen wird durch das Handeln von Kapitalanbietern wie Banken, Risikokapitalgebern oder Regierungen auf der einen und der Kapital nachfragenden Unternehmen auf der anderen Seite beeinflusst. Der zugrunde liegende theoretische Rahmen basiert daher auf verschiedenen nachfrageorientierten und angebotsorientierten Theorien. Es ist allgemein anerkannt, dass asymmetrische Informationen, Agency-Kosten und verbundene Risiken zwischen KMU und Finanzierungsgebern wichtige Punkte für das Auftreten von Marktunvollkommenheiten und für politische Interventionen sind. In der vorliegenden Studie werden daher vorwiegend mikroökonomische Modelle des Finanzierungsverhaltens in Bezug auf asymmetrische Informationen und Risiken herangezogen. Dieses Diskussionspapier ist wie folgt gegliedert: Kapitel 2 reflektiert die relevanten theoretischen Modelle des Finanzmarktverhaltens und ihre empirische Bedeutung. Da sich Kapitalengpässe sowohl aus dem Verhalten auf der Angebotsseite wie auf der Nachfrageseite ableiten lassen, werden beide Seiten berücksichtigt. In Kapitel 3 werden die bestehenden Ineffizienzen des Finanzmarkts in Ostdeutschland für unternehmerisch orientierte Firmen analysiert, wobei sowohl das Finanzierungsverhalten der Unternehmer wie auch die Finanzierungsquellen im Hinblick auf Förderprogramme, Eigenkapital- und Fremdfinanzierung untersucht werden. Gleichzeitig werden erste Handlungsempfehlungen zur Bekämpfung der festgestellten Ineffizienzen entwickelt. Kapitel 4 26 In diesem Papier werden die Begriffe “Unternehmertum” und “Unternehmer” gleichermaßen für Startup-Firmen und Selbständige wie für Traditionsunternehmen und Hightech-KMU verwendet. 115 schließlich bietet vertiefende Einblicke in die Handlungsempfehlungen; hier werden aktuelle OECDMaßnahmen und internationale Lernmodelle in Bezug auf den in Kapitel 3 dargelegten ostdeutschen Kontext reflektiert. Modelle des Finanzierungsverhaltens von KMU Modell der „Hackordnung“ bei der Kapitalstrukturentscheidung Die Finanzierungsentscheidungen eines Unternehmens widerspiegeln sich in seiner Kapitalstruktur. Seit der bahnbrechenden Arbeit von Modigliani und Miller (1958) wurden zahlreiche theoretische und empirische Untersuchungen zum Thema Kapitalstruktur veröffentlicht. In der jüngeren Forschung wird offensichtlich das Hackordnungsmodell („pecking order“) favorisiert (z.B. Shyam-Sunders und Myers 1999, Fama und French 2002). Die Existenz einer Hackordnung zwischen verfügbaren Finanzierungsquellen wurde erstmals von Donaldson (1961) beobachtet und nachfolgend von Myers (1984) und Myers und Majluf (1984) theoretisch beschrieben. In diesem Modell führt die Informationsasymmetrie zwischen Insidern (Geschäftsleitung oder Unternehmer) und externen Finanzierungsgebern dazu, dass Firmen Finanzierungsquellen in folgender Reihenfolge in Anspruch nehmen: Zunächst setzen sie Eigenmittel ein (Gewinnrücklagen oder von Insidern eingebrachte Eigenmittel), danach langfristige und kurzfristige Verbindlichkeiten; Fremdkapital wird erst eingesetzt, nachdem alle sonstigen Quellen ausgeschöpft sind. Der Umfang der asymmetrischen Informationen zwischen einem Unternehmen und möglichen Kapitalgebern hat direkten Einfluss auf die Kapitalkosten, die aufgrund der Überwachungskosten und des Investitionsrisikos für externe Kapitalgeber entlang der Hackordnung steigen (Pettit und Singer 1985). Zudem stehen insbesondere Unternehmer einer erhöhten Unternehmenstransparenz in Verbindung mit einem Verlust an Kontrolle über das Geschäft eher ablehnend gegenüber (Hamilton und Fox 1998). Obgleich das Modell der Hackordnung nicht in Hinblick auf KMU entwickelt wurde (Ang 1991), geht aus verschiedenen empirischen Studien hervor, dass das Finanzierungsverhalten mit den Hackordnungsprognosen für reife KMU in Einklang steht (Jordan u.a. 1998; Zoppa und McMahon 2002, Börner und Grichnik 2003, Sogorb-Mira und Lopez-Gracia 2003). Da ostdeutsche KMU im Wesentlichen Klein- und Kleinstunternehmen praktisch ohne Transparenz für Außenstehende sind, entspricht ihr Finanzierungsverhalten den Vorhersagen des Hackordnungsmodells. Bei Unternehmensgründungen und Wachstumsunternehmen zeigt sich ein etwas anderes Verhalten: Nach Paul u.a. (2007) folgen Startup-Firmen in ihrem Finanzierungsverhalten eher einer überbrückten Hackordnung: interne Mittel, Eigenkapital und schließlich Fremdkapital. Für Wachstumsunternehmen hat die aktuelle Forschung eine teilweise umgekehrte Hackordnung ermittelt (z.B. Grichnik u.a. 2007). Ebenso führen die Besonderheiten der unternehmerischen Tätigkeit in Ostdeutschland eher zu einem modifizierten Finanzierungsverhalten in Form einer abgekürzten Hackordnung (vgl. auch Börner u.a. 2007). Der hohe Anteil an Unternehmern unter den Startups, die ihr Unternehmen aus einer Notwendigkeit heraus gegründet und nur geringen Finanzierungsbedarf haben, ist für Risikokapitalgeber uninteressant, obgleich deren Eigenfinanzierung aufgrund begrenzter Eigenmittel in der Regel unzureichend ist. Die verfügbaren Finanzierungsquellen für Hightech-Unternehmen in Ostdeutschland sind oftmals auf das weitgehend nicht vorhandene informelle Investorenkapital wie z.B. Business Angels und/oder staatliche Förderprogramme beschränkt; dies ist auf den bereits erwähnten Mangel an persönlichen Ersparnissen und Kapitalerträgen sowie auf bestehende Informationsasymmetrien zurückzuführen, die der Inanspruchnahme von Fremdkapital im Wege stehen. 116 Lebenszyklusmodell der Finanzierungsquellen Lebenszyklusmodelle unterteilen die Dauer eines Unternehmens in verschiedene Phasen, in der Regel Gründung, Wachstum und Reife. Seit den ersten finanzierungstheoretischen Arbeiten (z.B. Walker 1989) hat sich die traditionelle Auffassung des Finanzierungslebenszyklus eines Unternehmens nicht wesentlich geändert. Das Modell des Finanzierungslebenszyklus stellt den Verlauf einer Potenzialdimension bzw. Outcome-Dimension (Erlöse oder Cashflow) abhängig von der Entwicklung eines Unternehmens dar; damit werden der Finanzierungsbedarf und die dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Finanzierungsquellen untersucht. Das traditionelle Modell des Finanzierungslebenszyklus sagt voraus, dass junge und kleine Unternehmen in der Frühphase ihres Lebenszyklus (Startup-Unternehmen) sich einer Situation gegenüber sehen, in der sie weder eine Erfolgsgeschichte noch Sicherheiten vorweisen können. Die Cashflows/Erlöse sind in der Regel negativ, und die Absatzmärkte oftmals noch nicht etabliert, was insbesondere für innovative Hightech-Unternehmensgründungen gilt. Das Unternehmen besteht im Wesentlichen aus der Geschäftsidee, die idealerweise in einem soliden Geschäftsplan dargestellt wird. Asymmetrische Informationen und geschäftsbezogene Risiken sind daher höher als in reifen KMU. Aufgrund einer begrenzten Möglichkeit der Innen- und Fremdfinanzierung greifen Startup-Firmen verstärkt auf persönliche Ersparnisse, Darlehen von Verwandten und/oder Bekannten, Beihilfen wie öffentliche Kredite oder auf eine externe Eigenkapitalzuführung von Business Angels zurück (z.B. Mueller 1972, Hutchinson 1995, Kimhi 1997). Daher sollten insbesondere junge KMU und Unternehmensgründungen in der Anfangsphase durch Business Angels unterstützt werden. Neben finanzieller Unterstützung bieten Business Angels wertvolle Kenntnisse in der Unternehmensleitung und einen Zugang zu ihrem persönlichen Netzwerk an. Überdies stellt die Investition durch einen Business Angel ein positives Signal für die Fähigkeit eines KMU dar, Informationsasymmetrien abzubauen. Die für Unternehmensgründungen zur Verfügung stehenden Finanzierungsquellen sind jedoch aufgrund der Unterschiede bei den persönlichen Sicherheiten des Unternehmers, bei den Wachstumschancen des Unternehmens und beim Investitionsrisiko nicht homogen (Berger und Udell 1998). Im Verlauf des Wachstums und der Reifung eines Unternehmens entwickelt das Unternehmen zunehmend einen guten Ruf (Diamond 1991), wodurch die Bonität steigt und damit einhergehend auch der Zugang zu einer (langfristigen) Fremdfinanzierung erleichtert wird. Kann das Unternehmen eine Erfolgsgeschichte und Sicherheiten vorweisen, sinkt in der Regel das Investitionsrisiko. Abgesehen von einer Fremdfinanzierung sind erfolgreiche Wachstumsunternehmen auch für Risikokapitalgeber interessant. Die meisten ostdeutschen KMU wurden nach dem Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland gegründet und befinden sich daher noch in den Anfangsphasen ihres Lebenszyklus, d.h. sie konnten zu weiten Teilen noch keinen Ruf und keine Bonität aufbauen. Kapital von Business Angels, staatliche Kreditprogramme, kurzfristige Kredite (z.B. Überziehungs- oder Handelskredite), Kleinkredite oder interne Mittel sind daher als Finanzierungsquelle besser geeignet. Modelle des Verhaltens auf der Angebotsseite Marktunvollkommenheiten auf den Kapitalmärkten können auch auf das Verhalten auf der Angebotsseite zurückzuführen sein. Ungeachtet der Vielfalt potenzieller Finanzierungsquellen befasst sich das vorliegende Diskussionspapier ausschließlich mit den angebotsseitigen Theorien, deren Schwerpunkt auf der Erklärung des Verhaltens der Kreditgeber, insbesondere der Banken liegt, da Bankschulden für das Unternehmertum in Ostdeutschland von besonderer Relevanz sind. Wie nachfolgend ausgeführt wird, müssen ostdeutsche Unternehmer aufgrund begrenzter Möglichkeiten der Innenfinanzierung und in Ermangelung eines weit gespannten informellen Investorennetzwerks 117 auf eine externe Fremdfinanzierung zurückgreifen. Aus einer aktuellen KfW-Studie über das Finanzierungsverhalten von KMU geht hervor, dass ostdeutsche KMU langfristige und kurzfristige Schulden als wichtigste externe Finanzierungsquelle ansehen, externes Eigenkapital wird von ihnen hingegen als relativ unwichtig für ihr Geschäft erachtet.(KfW 2006). Modell der Kreditrationierung Die theoretische Literatur zur Kreditrationierung basiert auf dem bekannten Modell von Stiglitz und Weiss (1981). Im Gegensatz zum traditionellen makroökonomischen Modell konnten Stiglitz und Weiss (1981) zeigen, dass auch in einem Kreditmarktgleichgewicht aufgrund von Informationsasymmetrien eine Kreditrationierung auftreten kann. Der Begriff Kreditrationierung wird hiermit definiert als Situation, in Kreditgeber bestimmte Kreditanträge ablehnen, selbst wenn die Antragsteller zur Zahlung höherer Zinsen bereit sind; hier übersteigt somit die Kreditnachfrage das Kreditangebot. Dieses Modell geht von der Voraussetzung aus, dass Banken versuchen, die erwartete Rendite für ihr Kreditportfolio zu maximieren, die vom Zinssatz und dem Risiko für die ausgegebenen Kredite beeinflusst wird. Unter Berücksichtigung der asymmetrischen Informationen zwischen Kreditgeber und KMU kann die Begrenzung der Kreditverfügbarkeit anstelle einer Zinserhöhung oder Verschärfung der Sicherheitenanforderungen für den Kreditgeber im Hinblick auf die Gewinnmaximierung vorteilhaft sein. Durch eine Zinserhöhung oder Verschärfung der Sicherheitenanforderungen kann das inhärente Risiko des Kreditportfolios steigen, und zwar (i) aufgrund des Moral Hazard (wörtlich „moralisches Risiko“, Kreditnehmer sind verleitet, in riskantere Projekte zu investieren, um ihre Gewinnerwartungen zu erreichen) und/oder (ii) aufgrund adverser Selektion (Negativauslese, Kreditnehmer mit Projekten guter Qualität verlassen den Markt). KMU in Ostdeutschland sind vorwiegend kleine Unternehmen mit relativ kurzer Markthistorie. Die Eigentümer der KMU bemühen sich in der Regel, so viele geschäftliche Informationen wie möglich im Unternehmen zu halten, z.B. indem sie eine Rechtsform mit nur geringen Offenlegungspflichten wählen. KMU und insbesondere Startup-Unternehmen sehen sich daher normalerweise wesentlich größeren Informationsasymmetrien gegenüber als große Aktiengesellschaften und sind dadurch von einer Kreditrationierung eher betroffen. Festzuhalten ist, dass durch die Existenz persönlicher Sicherheiten oder Unternehmenssicherheiten die Kreditrationierung begrenzt werden kann (Bester und Hellwig 1987). Die meisten ostdeutschen Unternehmen jedoch, insbesondere kleine und jüngere Unternehmen, können keine ausreichenden Sicherheiten vorweisen und unterliegen somit häufiger Kreditbeschränkungen. Kreditbeschränkungen können zu einer Fehlleitung von finanziellen Ressourcen führen (Evans und Jovanovic 1989, Greenwald und Stiglitz 1993) und darüber hinaus möglicherweise die weitere Entwicklung eines wesentlichen KMU-Sektors durch Unterversorgung mit Investitionen behindern. Um langfristig diese Fehlleitungen und die drohende Unterinvestition zu verringern, müssen Informationsasymmetrien abgebaut werden, etwa indem den Unternehmern Informationen über den Bonitätsbewertungsprozess zur Verfügung gestellt werden oder durch Unterstützung des Hausbankprinzips. Kurzfristig können mit dem Angebot von Ersatzfinanzierungsprodukten, z.B. Leasing oder Sale-and-Leaseback (Verkauf bei gleichzeitiger Rückvermietung an den Verkäufer) oder durch einen Sicherheitenersatz wie Kreditbürgschaften die bestehenden Informationsasymmetrien umgangen werden. Marktmacht-Ansatz Die Auswirkung der Kreditinstitutsstruktur auf die Kreditverfügbarkeit für Unternehmer und damit auf das Wirtschaftswachstum war in jüngster Zeit Gegenstand des Forschungsinteresses (z.B. Berger und Udell 2006; Boot und Thakor 2000). Insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit des Bankensektors scheint eine wichtige Dimension des Bankverhaltens auf dem Kreditmarkt zu sein. 118 Gemäß der traditionellen Marktmachthypothese korreliert der Grad der Wettbewerbsfähigkeit im Bankenmarkt positiv mit der Kreditverfügbarkeit und negativ mit den Kreditzinssätzen für KMU. Eine hohe Wettbewerbsfähigkeit führt in der Regel zu höheren Investitionen in so genannte RelationshipLending-Techniken, die ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Hausbankprinzips sind. Im Gegensatz zu so genannten Transaction-Lending-Techniken, z.B. Kreditvergabe aufgrund der Bilanzkennzahlen oder formalisierter Bonitätsprüfungsverfahren (Credit Scoring) (Berger und Udell, 2002) stützt sich das Relationship Lending nicht nur auf die „harten“, quantitativen Daten wie Bilanzdaten oder Sicherheiten. Einsatz der Relationship-Lending-Technik bedeutet, dass die Kreditentscheidung der Bank sich vorwiegend auf „weiche“, qualitative Informationen über das Unternehmen und dessen Unternehmer stützt, die im Verlauf einer kontinuierlichen Beziehung zwischen Bank und Kunden gesammelt werden (Berger und Udell 2002 2006). Diese den Unternehmer betreffenden Informationen sind von erheblichem Wert, da sie das Potenzial haben, die bestehenden Informationsasymmetrien zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer abzubauen (Boot und Thakor 2000). Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass kleine, lokal tätige Kreditinstitute wie Sparkassen und Genossenschaftsbanken im Rahmen des Relationship-Lending bei der Kreditvergabe an kleine und im Hinblick auf Informationen wenig transparente KMU einen Wettbewerbsvorteil haben (Berger u.a. 2005). Wie bereits bemerkt, sind ostdeutsche KMU meist von Informationsasymmetrien und/oder einem Mangel an Kreditsicherheiten betroffen. Überdies ist der Bankensektor in Ostdeutschland konzentriert und daher weniger hart umkämpft, womit Nichtverfügbarkeiten von Krediten wahrscheinlicher werden. Eine Förderung des Wettbewerbs im ostdeutschen Bankensektor und eine Stärkung des Hausbankprinzips könnten für KMU den Zugang zu Fremdkapital erleichtern. Finanzmarktineffizienzen in Ostdeutschland Existenz einer Finanzierungslücke Die Existenz einer Finanzierungslücke bezieht sich normalerweise auf ein unzureichendes Angebot an Kapital, insbesondere seitens der Banken und Kapitalmärkte, zur Deckung der Nachfrage bei bestimmten Unternehmen, in erster Linie der KMU (OECD 2004, Cressy 2002). Die Finanzierungslücke ist daher eng mit den Konzepten der Kapitalrestriktionen verknüpft. Seit der bahnbrechenden Arbeit von Stiglitz und Weiss (1981) über die Kreditrationierung und ihr Vorrücken in die Eigenkapitalmärkte (Hellmann 1995; Hellmann und Stiglitz 2000) hält die wissenschaftliche Diskussion über die Existenz einer Finanzierungslücke, insbesondere für KMU, mit erstaunlich unterschiedlichen Ergebnissen an. Aus theoretischer Sicht und unter Berücksichtigung von asymmetrischen Informationen und Agency-Problemen lässt sich die Rationierung für kleine und mittelständische Unternehmen auf dem Markt für externe Finanzierungen leicht belegen (z.B. Berger und Udell 1998). Im Gegensatz dazu ist es aufgrund nicht verfügbarer Daten schwierig, direkte empirische Nachweise für die Existenz finanzieller Restriktionen zu finden (Bonnet u.a. 2005, Egeln u.a. 1997). Dennoch gibt es verschiedene Bemühungen, die Existenz einer wenigstens teilweisen Finanzierungslücke für KMU durch empirische Ergebnisse (z.B. Evans und Jovanovic 1989, Audretsch und Elston 1997) oder anekdotische Berichte (z.B. Blanchflower u.a. 2001, OECD 2006a) nachzuweisen. Zur Feststellung bestehender Marktineffizienzen, die zu Finanzierungslücken führen, werden in diesem Kapitel das Finanzierungsverhalten ostdeutscher Unternehmer und die ihnen derzeit zur Verfügung stehenden Finanzierungsquellen untersucht. 119 Finanzverhalten ostdeutscher Unternehmer Traditionelle KMU-Finanzierung in Ostdeutschland Das Finanzierungsverhalten eines Unternehmens wird im Nachhinein (ex post) in der Bilanzstruktur reflektiert, aus der ebenso das zukünftige (ex nunc) Risiko abgeleitet werden kann. Wie Abbildung 1 zu entnehmen ist, führte das Finanzierungsverhalten ostdeutscher KMU vor kurzem zu einer nachteiligen horizontalen Finanzstruktur: Die Sachanlagen werden zum Teil durch kurzfristige Verbindlichkeiten finanziert, womit erhebliche finanzielle Risiken verbunden sind. Ferner führt der hohe Anteil an Sachanlagen zu hohen Abschreibungen, zu Gewinneinbußen und somit zu einer niedrigeren Eigenkapitalrendite. Im Hinblick auf den Verschuldungsgrad haben ostdeutsche KMU aufgeholt, im Vergleich zu Westdeutschland lassen sich keine signifikanten Unterschiede feststellen (Ostdeutschland 2,8 und Westdeutschland 2,7). Abbildung 7. Finanzstruktur bei ostdeutschen und westdeutschen KMU 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Assets Liabilities Assets 1994 Liabilities 2003 Assets Liabilities East Germany Equity Long-term liabilities Assets 1994 Liabilities 2003 West Germany Short-term liabilities Tangible fixed assets Short term assets Quelle: KfW 2005 Die meisten ostdeutschen KMU entsprechen jedoch nicht der herkömmlichen westdeutschen Vorstellung von mittelständischen Unternehmen, was zu einer spezifischen Struktur des KMU-Sektors im Hinblick auf Unternehmensgröße und Branche führt: Ein überwältigender Anteil regional verteilter Klein- und Kleinstunternehmen mit sehr geringer Eigenkapitalquote (die vorwiegend in Traditionsbranchen tätig sind) steht einigen wenigen großen KMU gegenüber, die sich vorwiegend auf Leuchtturmregionen wie Berlin, Leipzig oder Dresden konzentrieren und über adäquate oder hohe Eigenkapitalquoten verfügen (KfW 2005). Die horizontale Finanzstruktur (Verhältnis von langfristigen Vermögenswerten zu langfristigem Kapital) sowie die vertikale Finanzstruktur (Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital) sind daher wahrscheinlich für die meisten ostdeutschen KMU schlechter, als Abbildung 1 vermuten lässt. Das aktuelle Finanzierungsverhalten begünstigt das Auftreten einer Kapitalrationierung für diese KMU, wie im Modell von Stiglitz und Weiss vorausgesagt. Eine Verbesserung der bestehenden Finanzstruktur der KMU sollte für die politisch Verantwortlichen daher auf der Tagesordnung ganz oben stehen. Die Aktivseite der Bilanz kann optimiert werden, indem das Sachanlagevermögen durch 120 Kreditsubstitute wie Leasing- oder Sale-and-Leaseback-Vereinbarungen reduziert wird. Insbesondere Klein- und Kleinstunternehmen stehen dem Einsatz dieser Instrumente zurückhaltend gegenüber (KfW 2006). Auf der anderen Seite sollten rationale Entscheidungen über die Kapitalstruktur durch Politikempfehlungen an Finanzgeber und Unternehmer unterstützt werden. Aus Abbildung 2 lässt sich ersehen, dass ostdeutsche KMU offenbar dazu tendieren, dem deutschen Finanzierungsparadigma zu folgen, die Vielfalt der vorhandenen Finanzierungsquellen außer Acht zu lassen und bevorzugt Gewinnrücklagen und Fremdkapital gegenüber Eigenkapital heranzuziehen. Diese Herangehensweise ist im Hinblick auf die Minimierung der Kapitalkosten im Einklang mit der Hackordnungshypothese rational. Das Finanzierungsverhalten eines Unternehmens wird jedoch auch durch das Finanzierungsumfeld beeinflusst. Abbildung 8. Bedeutung verschiedener Finanzierungsquellen für ostdeutsche KMU 1 2 3 4 5 Other Bonds Factoring Mezzanine capital Equity capital Leasing Trade credit Short-term bank loan Long-term bank loan Retained earnings 6 Quelle: KfW (2006). Hinweis: 1 bedeutet „sehr wichtig“, 6“ „völlig unwichtig“. Ostdeutsche KMU sind oftmals ausschließlich in lokalen Märkten tätig und leiden daher unter der schlechten Wirtschaftslage in den meisten ostdeutschen Regionen. Stagnierende oder rückläufige Umsätze (OECD 2006a, 2006b) beschränken daher die Möglichkeiten der KMU zur Innenfinanzierung. Die Mehrheit der KMU in Ostdeutschland ist infolgedessen sehr stark auf eine externe Finanzierung angewiesen. Der Zugang zu Bankkrediten ist für etablierte ostdeutsche KMU jedoch noch immer schwieriger als in Westdeutschland (KfW 2006), insbesondere auf Regionalebene (OECD 2006a) und für Klein- und Kleinstunternehmen (Engel u.a. 2006), da das Spektrum der Finanzierungsprodukte der Banken auf die traditionellen Merkmale westdeutscher KMU zugeschnitten ist. Im bestehenden strukturellen Umfeld mit hoher Arbeitslosenquote, geringen Eigenkapitalquoten, niedrigen Renditen und unzureichenden oder wertlosen Sicherheiten (KfW 2006) ist eine Kapitalrationierung wahrscheinlich. Kreditanträge, insbesondere für Kapital- und Überbrückungsdarlehen, werden daher oftmals abgelehnt (OECD 2006a). Angemessene Politikempfehlungen sollten daher auf den verstärkten Einsatz von Beteiligungsfinanzierungen abzielen. Unternehmer stehen jedoch traditionell einem Verlust an Kontrolle ablehnend gegenüber (Kuratko u.a. 1997); zudem steht Beteiligungskapital für Klein- und Kleinstunternehmen, die in weniger dynamischen Regionen tätig sind, weitgehend nicht zur Verfügung (Nolan 2003, OECD 121 2006a). Im Hinblick auf die Minimierung der Kapitalkosten und Informationsasymmetrien können Politikempfehlungen zur Verbesserung der Verfügbarkeit und Akzeptanz von MezzaninFinanzierungen eingesetzt werden.27 Daneben spielen Förderprogramme eine wichtige Rolle, die sich im Finanzierungsverhalten der KMU gut etabliert haben: Fast 40% der ostdeutschen KMU stellen jährlich einen Antrag auf ein Kreditprogramm (KfW 2006). Die meisten Antragsteller fallen unter die Gruppe größerer KMU, was darauf hindeutet, dass bei den Klein- und Kleinstunternehmen in Ostdeutschland Informationsbedarf besteht. Darüber hinaus nutzen die meisten KMU in Ostdeutschland ausgiebig staatliche Leistungen, die nicht zur Eigenkapitalbildung beitragen (OECD 2006a). Eine Politikempfehlung, die darauf setzt, verstärkt über die Vielfalt der Förderprogramme für Unternehmer zu informieren, kann zur Unterstützung eines rationalen Finanzierungsverhaltens der KMU beitragen. Gründungsfinanzierung in Ostdeutschland Die Verfügbarkeit ausreichender und geeigneter finanzieller Ressourcen ist eine Grundvoraussetzung für die Gründung und langfristige Nachhaltigkeit neuer Unternehmen (Brettel 2003). Leider wurde erst vor kurzem im Rahmen des Projekts Global Entrepreneurship Monitor (GEM) für Deutschland (Sternberg u.a. 2007) eine Verschlechterung der Kapitalversorgung für deutsche Unternehmensgründungen konstatiert: Die Rahmenbedingung „Finanzierung“ für neue Unternehmen wurde von den befragten Gründungsexperten mit einem unterdurchschnittlichen Indexwert von 2,75 bewertet (wobei „1“ der niedrigste und „5“ der höchstmögliche Indexwert ist). Das heißt, der Indexwert hat sich in den letzten vier Jahren um 0,36 Punkte verschlechtert. Im Vergleich zu anderen Industrieländern rangieren die Rahmenbedingungen in Deutschland auf dem 12. Platz von 15; damit ist Deutschland in den letzten vier Jahren um vier Plätze zurückgefallen. Im Einklang mit den Voraussagen des Modells des Finanzierungslebenszyklus und des Konzepts der abgekürzten Hackordnung (Howorth 2001, Börner u.a. 2007) beschränkt sich die Gründungsfinanzierung in der Regel auf privates Kapital, das durch die „3 Fs“ bereitgestellt wird: Firmengründer, Familie und Freunde, sowie auf Kapital von Business Angels und/oder aus staatlichen Darlehen. Die besondere Struktur des ostdeutschen Gründungssektors führt jedoch zu einem Finanzierungsverhalten, das bis zu einem gewissen Grad von den theoretischen Voraussagen abweicht. Zunächst wird im GEM-Bericht für Ostdeutschland eine signifikant geringere unternehmerische Tätigkeit festgestellt als für Westdeutschland (Sternberg u.a. 2007): Mitte 2006 versuchten 2,9% der Personen zwischen 18 und 64 Jahren in Deutschland, ein Unternehmen zu gründen. Der Prozentsatz für Ostdeutschland beträgt nur 1,7%, etwas mehr als die Hälfte des westdeutschen Wertes. Auch die Gründe für eine Unternehmensgründung scheinen andere zu sein: Über die Hälfte der Unternehmensgründungen in Ostdeutschland (54% im Jahr 2006) sind durch Arbeitslosigkeit motiviert, dies trifft nur auf 24% der Gründer in Westdeutschland zu (KfW 2007d). Diese aus einer Notwendigkeit geborenen Unternehmer, so genannte Necessity-Gründer, sind aller Voraussicht nach schlechter qualifiziert, und ihre Geschäftsideen imitieren in der Regel bereits vorhandene Ideen und sind nicht innovativ (Sternberg u.a. 2007). Der Finanzierungsbedarf dieser Gründer ist eher gering, die meisten Gründer benötigen weniger als € 10.000 (KfW 2007d). Ungeachtet dessen stellen die „3 Fs“ keine geeigneten Finanzierungsquellen dar, da in Ostdeutschland nur wenig Geld angespart wurde; dadurch sind die Gründer in hohem Maß auf eine externe Finanzierung angewiesen. Eine 27 Mezzanin-Kapital ist ein Sammelbegriff für hybride Finanzierungsinstrumente, die bestimmte Merkmale von Fremd- und Eigenkapitalprodukten in sich vereinen (Sinnenberg 2005), damit ist ein großer Spielraum an Möglichkeiten zur Finanzstrukturierung verbunden wie etwa stille Gesellschaften, nachrangige Darlehen, Genussrechte oder Wandelanleihen. 122 Fremdfinanzierung ist jedoch oftmals aus dem schlichten Grund nicht verfügbar, dass niedrige Kreditsummen für die meisten Banken aufgrund der hohen Fixkosten, insbesondere für die Kreditüberwachung und –bearbeitung, unrentabel sind. Auch Business Angels haben kein Interesse an einer Investition in diese im Allgemeinen wachstumsschwachen Gründungen. (Brettel 2003). Ostdeutsche Unternehmensgründer sind daher oftmals auf staatliche Unterstützungsprogramme angewiesen. Die institutionelle und regulatorische Infrastruktur der Gründungsförderprogramme ist weltweit führend, besonders die breite Vielfalt und die Qualität der öffentlichen Programme sind einzigartig (Sternberg u.a. 2007). Die vorhandenen Programme scheinen jedoch als unübersichtlich angesehen zu werden, besonders von weniger qualifizierten Gründern, und auch als weniger effektiv im Vergleich zu anderen Industrieländern. Das zeigt sich in dem Umstand, dass ostdeutsche Gründer hauptsächlich Leistungen der Bundesarbeitsagentur beantragen, z.B. das ehemalige Überbrückungsgeld oder Ich-AG-Zuschüsse, die nur einen begrenzten Finanzierungsspielraum beinhalten. Die vorhandenen Förderprogramme sind daher im Hinblick auf ihre Transparenz zu überarbeiten; ferner ist eine angemessene Bereitstellung von Informationen zu gewährleisten (z.B. über den neu eingerichteten Gründungszuschuss). Den bestehenden Kreditrestriktionen kann darüber hinaus mit der flächendeckenden Einrichtung von Mikrokreditprogrammen (Microlending)28 in Ostdeutschland begegnet werden. Startup-Unternehmen, die mehr Kapital benötigen, tendieren zu einer Finanzierung ihres Wachstums mit externem Eigenkapital und staatlichen Beihilfeprogrammen (KfW 2007d). Die geeignete Kapitalquelle für diese ertragsvolatilen Unternehmen scheint Beteiligungskapital von Business Angels oder Risikokapitalgebern zu sein (Brettel 2003). Obwohl im GEMFinanzierungsbericht für 2006 (Bygrave 2007) festgestellt wurde, dass in Deutschland informelles Investitionskapital ausreichend zur Verfügung steht, kamen aktuelle Fallstudien der OECD (OECD 2006a, 2007b) zu dem Ergebnis, dass in verschiedenen Regionen Ostdeutschlands kein privates informelles Beteiligungskapital vorhanden ist. Der Großteil der Beteiligungskapitalversorgung erfolgt über staatliche Beihilfeprogramme (OECD 2007b), die für gewöhnlich nur befristet zur Verfügung stehen. Der Schwerpunkt der Förderprogramme sollte daher auf dem Ausbau privater, informeller Investorennetzwerke liegen. Neben angebotsseitigen Restriktionen als Ursache geht aus verschiedenen Studien hervor, dass Marktunvollkommenheiten auch dem Verhalten der Unternehmer zugerechnet werden können. Eine Reihe von Kapitalgebern hat erst kürzlich die schlechte Qualität der Businesspläne beklagt, die für die Zwecke einer Due-Diligence-Prüfung des Projekts als ungeeignet angesehen werden (OECD 2006a, 2007b). Überdies geht aus dem GEM-Finanzierungsbericht für 2006 (Bygrave 2007) hervor, dass die meisten angehenden Gründer erwarten, dass ihre Unternehmensgründung durch Bankkredite finanziert wird. Diese falsche Erwartung kann eine erfolgreiche Unternehmensgründung ernsthaft gefährden, da Schulden für neu gegründete Unternehmen, wie vorstehend erläutert, in vielen Fällen keine gute Wahl sind. Aus diesem Grund und wegen der Kosteneffizienz brauchen wir regionale Regierungsprogramme auf Länderebene, die auf eine Erweiterung der betriebswirtschaftlichen Kenntnisse der angehenden Unternehmer abzielen. Finanzierung kleiner und mittelständischer Hightech-Unternehmen in Ostdeutschland Obgleich innovative, unternehmerisch orientierte Firmen nur in geringem Umfang bei den KMU vertreten sind, stellen sie einen Eckpfeiler des Wirtschaftswachstums und des Strukturwandels dar, die ihrerseits zur Verbesserung der makroökonomischen Situation eines Landes führen. (Czarnitzki und Hussinger 2004). Gleichzeitig sind kleine Hightech-Unternehmensgründungen sowie bestehende 28 Der Begriff “Microlending” bezieht sich auf die Vergabe von Kleinstkrediten (Mikrokrediten) an Unternehmer mit geringem externen Finanzierungsbedarf, der in der Regel von den traditionellen Banken nicht gedeckt werden kann. 123 Unternehmen aufgrund ihrer risikoverstärkenden Merkmale wahrscheinlich am meisten von Unvollkommenheiten des Kapitalmarkts betroffen (Colombo und Grilli 2007). Die Gründer innovativer Hightech-Unternehmen sind oft Ingenieure und Wissenschaftler, die tendenziell nur mangelhafte betriebswirtschaftliche Kenntnisse besitzen (Gottschalk u.a. 2007). Darüber hinaus liegt in der Regel keine lange Markthistorie vergleichbarer Fälle vor, und die von den Hightech-Unternehmen angebotenen Produkte und Leistungen sind für gewöhnlich neu auf dem Markt und technisch komplex (Backes-Gellner und Werner 2007); der Markterfolg und das Erzielen angemessener Einnahmen sind damit unsicher. Die Vermögenswerte dieser Unternehmen sind zudem meistens wissensbasiert und damit immateriell. Aus diesen Merkmalen ergeben sich große Informationsasymmetrien zwischen den Unternehmen und den Kapitalgebern, was nach dem Modell von Stiglitz und Weiss (1981) zu Kapitalrestriktionen insbesondere auf den Kreditmärkten führt. Obgleich die Literatur zur Unternehmensfinanzierung (z.B. Denis 2004) darlegt, dass Schulden aufgrund begrenzter Zinszahlungsmöglichkeiten keine geeignete Finanzierungsquelle für HightechUnternehmen darstellen, ist aktuellen Studien zu entnehmen, dass Hightech-Unternehmen in Deutschland sehr wahrscheinlich auf eine Fremdfinanzierung zurückgreifen, soweit sie ihnen zur Verfügung steht (z.B. Gottschalk u.a. 2007). In diesem Zusammenhang berichtet die OECD (2007b), dass Banken in einigen Teilen Ostdeutschlands Finanzierungsprogramme abbauen und die Zugangsbedingungen für Förderprogramme verschärfen. Da die meisten Hightech-Unternehmen in Ostdeutschland keine vorhandenen Erfolge ihrer Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten in Form von Patenten vorweisen können (Czarnitzki und Hussinger 2004; Czarnitzki und Licht 2004), benötigen die Kreditgeber andere Belege, wie etwa Nachweise über den Bildungsweg des Gründers (Beckes-Gellner und Werner 2006), um die Informationsasymmetrien zu umgehen. Ungeachtet dessen werden oder müssen innovative Unternehmen auf andere Finanzierungsquellen als vorrangiges Fremdkapital zurückgreifen, wie im Modell des Finanzierungslebenszyklus prognostiziert (Gottschalk u.a. 2007). Da die persönlichen Ersparnisse in Ostdeutschland relativ gering ausfallen, ist eine Finanzierung über private Mittel (die „3 Fs“) weitgehend ausgeschlossen. Die Finanzierungsentscheidung des Gründers ist daher auf eine Eigenkapitalfinanzierung und oder auf staatliche Förderprogramme beschränkt. Informelle Beteiligungskapitalquellen, insbesondere Business Angels, spielen vermutlich eine Schlüsselrolle für die Deckung der Finanzierungslücke von Hightech-Unternehmen (OECD 2006c, Nolan 2003), da diese neben Risikokapital auch wichtiges „Wissenskapital“ bereitstellen (de Bettignies und Brander 2007). Ungeachtet der aktuellen Kapitalmarktentwicklungen für KMU (z.B. Einführung von Börsensegmenten für KMU), sind private Business Angels und Risikokapitalgeber in vielen Regionen Ostdeutschlands praktisch nicht vorhanden (OECD 2007b; BAND 2007a). Zur Überwindung der Informations- und Suchkostenbarrieren, die auf beiden Seiten des Marktes bestehen, können Handlungsempfehlungen beitragen, die auf eine Weiterentwicklung der Business-Angel-Netzwerke abzielen (Mason und Harrison 1997). Die meisten innovativen Unternehmen in Ostdeutschland nutzen daher staatliche Darlehensund/oder Kapitalbeteiligungsprogramme (Czarnitzki und Licht 2004; OECD 2007b), insbesondere mit finanzieller Unterstützung durch die EU. Dieses Finanzierungsverhalten gibt Anlass zur Sorge, da eine öffentliche Subventionierung sowohl zeitlich als in der Höhe begrenzt ist. Verschiedene Autoren bezweifeln zudem, ob die weit verbreitete staatliche Finanzierung angemessen ist (z.B. Legler u.a. 2004), da die Innovationseffizienz in Ostdeutschland signifikant niedriger ist als in anderen OECDLändern (Aschhoff u.a. 2006; KfW 2005). Daraus ist zu schließen, dass die Abhängigkeit der kleinen und mittelständischen Hightech-Unternehmen von einer staatlichen Finanzierung abgebaut werden muss, idealerweise durch Erleichterung des Zugangs zu Beteiligungskapital. Dazu beitragen können Politikempfehlungen, die auf den Aufbau und die Unterstützung von regionalen Risikokapital- und Business-Angel-Netzwerken abzielen. 124 Finanzierungsquellen ostdeutscher Unternehmer Finanzielle Förderprogramme Tatsächlich gibt es mehr als 300 Förderprogramme für alle neuen Bundesländer, darunter Bundesprogramme, regionale und supranationale Programme. Der Großteil der Förderprogramme wird von der KfW-Bankengruppe angeboten, die zu 80% im Besitz des Bundes und zu 20% im Besitz der Länder ist. Die KfW Mittelstandsbank bietet daher Darlehen, Mezzanin-Finanzierungen und Beteiligungsfinanzierungen sowie Beratungsleistungen und wichtige indirekte Hilfen für KMU, Unternehmensgründungen und Selbständige an. Insbesondere langfristige Darlehen wie klassische Finanzierungsmodule spielen eine zentrale Rolle. Die Mezzanin-Finanzierung und andere innovative Finanzierungsinstrumente dienen dem Zweck, Finanzierungsbarrieren abzubauen und die Finanzstruktur unternehmerisch orientierter Firmen zu stärken. Die bestehenden Programme lassen sich unterteilen in (i) Programme für Unternehmensgründungen in der Anfangsphase, (ii) Programme für Unternehmen aus bestimmten Branchen und (iii) Förderprogramme des jeweiligen Bundeslands. Eines der wichtigsten Programme für Unternehmensgründungen und die Unterstützung des Unternehmertums ist das KfW-Mikorokreditprogramm für Darlehen bis zu € 25.000 für Existenzgründungen (Abbildung 1 enthält einen Überblick über die aktuellen KfW-Programme). Größere Finanzierungsanforderungen können durch das KfW-Startgeld abgedeckt werden, mit dem Unternehmensgründer ihre Projekte mit bis zu €50.000 finanzieren können. Für das Startgeld sind die Konditionen bemerkenswert (z.B. 80% Haftungsfreistellung, Festprovision für die durchleitende Bank, so können auch kleinere Projekte finanziert werden). Diese Programme mit einem Gesamtbetrag von € 107,6 Mio. im Jahr 2006 mit steigender Tendenz (KfW 2007b) sind aufgrund des niedrigen Vermögensstocks gut zur Unterstützung von kostengünstigen Unternehmensgründungen in Ostdeutschland geeignet und können daher auch die (situationsbedingt gründenden) sog. NecessityUnternehmer unterstützen (vgl. Abbildung A-2 für eine Zusammenfassung der Geschäftszahlen der KfW). Außerdem bieten verschiedene Landesbanken neben der Vermittlung von KfW-Programmen auch eigene Förderprogramme für Unternehmensgründungen an, z.B. das Programm „Gründungs- und Wachstumsfinanzierung Sachsen“ (Abbildung A-3 enthält einen Überblick über die wichtigsten und am weitesten verbreiteten Regionalprogramme, die von den jeweiligen Landesbanken angeboten werden). Im Hinblick auf die intensive Gründungstätigkeit in Ostdeutschland und den damit verbundenen Finanzierungsbedarf ist die Summe der Gründungsfinanzierungsprogramme tendenziell nicht ausreichend, hier sollten mehr Angebote entwickelt werden. Die Unterstützung bestimmter Branchen ist ein anderes wichtiges Ziel der Förderprogramme. Wie oben erläutert, sind besonders Unternehmensgründungen im Hightech-Sektor wirtschaftlich wichtig. Die KfW bietet zu diesem Zweck den High-Tech Gründerfonds, eine Kombination aus Beteiligung und Darlehen, in einem Konsortium der deutschen Bundesregierung, der KfW und einigen Industrieunternehmen an. Die Unterstützung von Hightech-Unternehmensgründungen begann mit einem Gesamtvolumen von € 262 Millionen und hat derzeit bereits über 300 technologieorientierte Unternehmen gefördert. Die Unterstützung umfasst (1) eine Managementbetreuung als nützliche Ergänzung, z.B. bei der Erstellung des obligatorischen Businessplans und (ii) das genannte Risikokapital. In einer Anschlussfinanzierung kann der Betrag um weitere € 500.000 aufgestockt werden. Aus diesem Grund arbeitet der High-Tech Gründerfonds mit diversen Investoren zusammen, z.B. mit Beteiligungsgesellschaften, Seedfonds und Venture-Capital-Gesellschaften. In Ostdeutschland müssen die Gründer lediglich 10% Eigenmittel aufbringen (in Westdeutschland 20%). Die Hälfte dieser Summe kann durch Seed-Investoren gestellt werden (High-Tech Gründerfonds 2007). Zusätzlich bietet das ERP-Innovationsprogramm29 der KfW zinsgünstige Darlehen für 29 ERP ist die Abkürzung für European Recovery Programme (Europäisches Wiederaufbauprogramm). 125 innovative Unternehmen an; die Landesbank Brandenburg, als weiteres Beispiel, bietet Sonderdarlehen für Filmproduktionen, Landwirtschaft und technologieorientierte KMU an. Die vorgestellten Programme stellen ausgezeichnete Beispiele für die Förderung bestimmter Wirtschaftszweige dar. Die Effektivität und Effizienz dieser Programme wurde aufgrund fehlender Daten jedoch nicht bewertet. Die Implementierung kontinuierlicher Bewertungssysteme für jedes Programm scheint daher eine nützliche Empfehlung zu sein. Die regionalen Programme mit einem spezifischen Fokus, entweder auf Unternehmensgründungen oder auf bestimmte Branchen, bereitgestellt durch die Bundesbank oder die jeweiligen Bundesländer, haben bereits den Bedarf an regionalen Strukturförderprogrammen sowie eine entsprechende Nachfrage unter Beweis gestellt. Zusätzlich bieten die regionalen ERPFörderprogramme der KfW günstige und langfristige Investitionsfinanzierungen für KMU in strukturschwachen Gebieten (insbesondere in Ostdeutschland) an. Zusammenfassend lässt sich festhalten: (i) Sämtliche Programme sind kontinuierlich zu bewerten, (ii) insbesondere ist die Effizienz jedes Programms zu gewährleisten, und angesichts der Anzahl an Förderprogramme ist (iii) die Einrichtung einer Beratungsstelle zur Überwindung der Informationsdefizite und (iv) eine Optimierung der Anzahl der Angebote durch sinnvolle Zusammenlegung miteinander verbundener Programme ratsam. Die geforderte Implementierung einer heute fehlenden Benchmark-Einrichtung für die Kontrolle der Effizienz der Programme sollte auf der jeweils verantwortlichen Ebene erfolgen. Bundesprogramme sollten auf Bundesebene bewertet werden, regionale Programme auf Länderebene. Aus Effizienzgründen könnte die Beratungsstelle auf Bundesebene eingerichtet werden. Beispielsweise könnte die Bereitstellung der für Unternehmer wichtigen Informationen durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ausgebaut und konzentriert werden. Für eine optimierte Anzahl an Förderprogrammen sollten alle Einrichtungen bei der Erarbeitung eines einfachen und klaren Systems für die Programme zusammenarbeiten, so dass angehende Unternehmer alle passenden Finanzierungsmöglichkeiten ermitteln können. Private Equity Finanzierung Untersucht man den Finanzierungsbedarf von KMU im Allgemeinen und von (Hightech) Unternehmensgründungen im Besonderen, wird der Bedarf an Business Angels deutlich. Abbildung 3 zeigt den Finanzierungsbedarf von KMU mit den jeweiligen Finanzierungsquellen. Abbildung 9. Herkunft des Privatkapitals zur Deckung des Finanzierungsbedarfs von KMU €0 € 200 .000 Firmengründer, Familie und Freunde. € 500 .000 Business A ngels (Staatliche Beihilfe ) € 1.000 .000* Risikokapital Finan zierungs bedarf * Risikokapitalinvestitionen in Hightech -Unternehmensgründungen beginnen in der Regel ab€ 1 Million. Die „3 Fs“ sind im Allgemeinen willig und in der Lage, bis zu € 200.000 aufzubringen. Aufgrund der Vermögenssituation in Ostdeutschland scheint dieser Betrag zu hoch gegriffen. Für Investitionen ab etwa € 500.000 bzw. bei Hightech-Unternehmensgründungen für Investitionen ab etwa € 1 Million steht Risikokapital zur Verfügung. Die resultierende Finanzierungslücke sollte insbesondere durch Investitionen von Business Angels oder durch staatliche Beihilfen im Rahmen von Förderprogrammen oder Subventionen geschlossen werden (Ehrhart und Müller 2007). BAND (Business Angels Netzwerk Deutschland e.V.) geht von einem Maximum von insgesamt 5.000 bis 10.000 aktiven 126 Business Angels aus, die zusammen zwischen € 250 und € 1.000 Millionen investieren (BAND 2007b). Eine Einzelinvestition eines Business Angels beträgt zwischen € 10.000 und € 500.000; unternehmerisch orientierte Firmen benötigen daher für ihren Finanzierungsbedarf häufig mehr als einen Business Angel. Die Anzahl der Business-Angel-Investitionen muss daher höher sein als die Anzahl der Unternehmensgründungen, die Kapital von Business Angels benötigen. Das potenzielle ostdeutsche Marktvolumen für Business-Angel-Finanzierungen kann auf ca. € 2.300 Millionen geschätzt werden30. Ein Vergleich dieser Schätzung mit dem bestehenden Gesamtbetrag von maximal € 1.000 Millionen für Ost- und Westdeutschland zeigt einen dringenden Handlungsbedarf In Hinblick auf die Stärkung und Ermutigung von Business Angels in (Ost-)Deutschland an. In aktuellen Studien (Niefert u.a. 2006) konnte zudem nachgewiesen werden, dass Business Angels mit einem Prozentsatz von 21% die zweitwichtigste Finanzierungsquelle insbesondere für die wichtigen HightechUnternehmensgründungen in Deutschland darstellen; hinzu kommen Förderprogramme (31%) und Risikokapitalfinanzierungen (5,5%). Die Unterstützung von (i) Förderprogrammen, wie in Abschnitt 3.3.1 dargelegt, (ii) von Business Angels und (iii) von Risikokapitalgebern kann daher zur Erweiterung der Kapitalquellen ostdeutscher Unternehmensgründungen empfohlen werden. Fremd- und Mezzanin-Finanzierung in Ostdeutschland Das Finanzierungssystem in Ost- und Westdeutschland kann als traditionell bankorientiert beschrieben werden (z.B. Audretsch und Elston 1997): Der Großteil der externen KMU-Finanzierung im Hinblick auf Fremd- und Mezzaninkapital wird von Banken bereitgestellt. Ende 2005 betrug die Summe der von den 2.344 Banken in Deutschland an deutsche Unternehmen vergebenen Kredite € 792.000 Millionen. (Bundesbank 2007), wobei die örtlichen Sparkassen wichtigster Finanzgeber der deutschen KMU waren (DSGV 2006). Gemäß der Marktmachthypothese der Kreditverfügbarkeit sollte die gegebene Struktur des deutschen Bankensektors vor dem Hintergrund des Wettbewerbs im Marktumfeld zu einer ausreichenden Kreditverfügbarkeit führen. Die Bankensektoren in Ostdeutschland und in Westdeutschland sind jedoch noch immer nicht als gleichwertig anzusehen. Erstens sind die Bankenmärkte in Ostdeutschland wesentlich stärker konzentriert (Fischer 2005), was vermutlich auf die Ausdünnung des Filialnetzes, besonders der Geschäftsbanken, in weniger effizienten Gebieten zurückzuführen ist. Aufgrund des schwächeren Wettbewerbs auf regionaler Ebene vergeben die Banken weniger Kredite im Rahmen von Hausbankbeziehungen (Relationship Lending), was mit nachteiligen Folgen für Klein- und Kleinstunternehmen verbunden ist, die einen Kredit beantragen. Zweitens hat der Bankensektor das Finanzproduktportfolio noch nicht an die spezifische Struktur (im Hinblick auf Größe und Branche) ostdeutscher KMU angepasst (OECD 2006a). Beide Umstände führen bei der Kreditvergabe für KMU in Deutschland zu einem Auseinanderklaffen zwischen Ost und West: Ostdeutsche KMU zahlen höhere Zinsen, verpfänden mehr Sicherheiten und sind stärker von einer Nichtverfügbarkeit von Krediten betroffen (Lehmann u.a. 2004). Aus diesem Grund sind politische Maßnahmen erforderlich, die kurzfristig KMU bei der Aufnahme von Darlehen aus dem Bankensektor, etwa durch Bürgschaften unterstützen; daneben sind auch langfristige Maßnahmen wichtig, die die Entwicklung von Finanzprodukten stärken, die gut an die Merkmale von KMU angepasst sind (z.B. Mezzanin-Kapital, Business Angels). Da Mezzaninkapital-Produkte die Eigenschaften von Fremd- und Eigenkapitalprodukten kombinieren, steht ein breites Spektrum von Finanzstrukturierungsmöglichkeiten zur Verfügung (z.B. stille Gesellschaften, nachrangige Darlehen, Genussrechte oder Wandelanleihen). Dennoch haben Mezzaninkapital-Produkte einige Merkmale gemeinsam: In der Regel sind dies nachrangige, hochverzinsliche Verbindlichkeiten mit wenigen oder keinen Sicherheiten und mit längerer Laufzeit (5 30 BAND geht von einer potenziellen Summe von € 5.000 Millionen für Gesamtdeutschland aus. Angesichts der Gründungsintensität in Ost- und Westdeutschland – 43,9 bis 49,6 (Mittelstandsmonitor 2007) – kann von einem geschätzten Marktvolumen von € 2.300 Millionen für Ostdeutschland ausgegangen werden. 127 bis 15 Jahre) als traditionelles vorrangiges Fremdkapital sowie mit einer in den ersten Jahren nur minimalen Tilgung. Mezzanin-Produkte stellen daher geeignete Instrumente zur Behebung der oben erläuterten Finanzierungsprobleme traditioneller und technologieorientierter KMU in Ostdeutschland dar. Da Mezzanin-Kapital im Allgemeinen wirtschaftlich als Eigenkapital und rechtlich als Fremdkapital behandelt wird (Plankensteiner und Rehbock 2005), sollten Mezzanin-Finanzierungen die Kapitalstrukturen ostdeutscher KMU verbessern und den Zugang zu traditionellen Finanzierungsquellen erleichtern. Derzeit hat der deutsche Markt für Mezzanin-Produkte im Vergleich zum Fremdkapitalmarkt jedoch nur eine marginale Bedeutung. Im Jahr 2006 betrug das Gesamtvolumen des Mezzanin-Marktes in Deutschland ca. € 7.000 Millionen, das entspricht ca. 1% des Marktvolumens für Fremdkapital (Plankensteiner und Rehbock 2005). Eine Ermutigung der Finanzinstitute zur Förderung oder Auflegung von Mezzanin-Programmen ist daher für politische Handlungsträger eine wichtige Aufgabe. Handlungsempfehlung für den Abbau von Marktineffizienzen Die vorangegangenen Kapitel haben einen weit verbreiteten Bedarf an einer Nachbesserung bestehender politischer Maßnahmen gezeigt. In Abbildung 4 werden diese nachstehend erläuterten Vorschläge rekapituliert und zusammengefasst. Abbildung 10.Handlungsempfehlungen zur Stärkung ostdeutscher Unternehmer Unternehmertum Kapitalversorgung Informationsversorgung Ausbau der Vergabe von Mikrokrediten Unterstützung bei der Erstellung des Businessplans Zentrale und dezentrale Unterstützung von Business Angels Informationsangebote Stärkung des Risikokapitals Benchmark Bewertungssystem Abbau des Problems begrenzter Sicherheiten Ostdeutschland Quelle: Verfasser Ausbau der Vergabe von Mikrokrediten Wie in Kapitel 3.2 ausgeführt, ist der Finanzbedarf ostdeutscher KMU im Vergleich zu Westdeutschland tendenziell niedriger, Die Vergabe von Mikrokrediten ist daher ein nützliches Instrument zur Unterstützung der „3 Fs“ durch die Vergabe von Darlehen – im Falle der KfW mit einer Darlehenssumme bis zu € 25.000. Da jedoch über 90% aller deutschen Unternehmensgründungen weiniger als € 50.000 benötigen (KfW 2007d), ist eine Erweiterung der Gesamtsumme dieser Mikrokreditprogramme zu empfehlen. Tatsächlich hat die KfW eine Zusammenlegung ihrer Mikrokreditprogramme und eine Erhöhung der Gesamtsumme, ausgehend von € 22 Millionen im Jahr 2006, bekannt gegeben (KfW 2007c; Abbildung A-2, vgl. auch Kuhle 2007). Dies kann als positives Signal für Unternehmer und als Anzeichen für eine zunehmende Nachfrage nach Klein- und Kleinstkrediten gewertet werden. So ist etwa die Unterstützung von Kleinstunternehmen durch die französische Organisation ADIE (Association Pour le Droit à 128 l’Initiative Economique, Vereinigung für das Recht auf wirtschaftliche Initiative) ein herausragendes Beispiel. ADIE, in Europa vermutlich der größte und erfahrenste Kreditgeber für Mikrokredite, bietet Mikrokredite mit einer Kreditsumme bis zu € 5.000 sowie ein umfangreiches Leistungsspektrum an. Die sehr niedrigen Kosten für die Unterstützung eines Unternehmers (zwischen € 1.800 und € 3.000 gegenüber rund € 18.000 für einen Arbeitslosen), die Rückzahlungsquote von 93% und die durchschnittliche Überlebensrate der Unternehmen von 75% nach zwei Jahren zeigen deutlich, dass dieses Modell besonders auf die (situationsbedingten) Necessity-Unternehmer zugeschnitten ist. Insbesondere die hohe Rückzahlungsquote kann auf die von ADIE angebotene Betreuung durch Mentoren, die „Distriktdarlehensagenten“ zurückgeführt werden. Diese Agenten sind mit dem lokalen Umfeld und den traditionellen Strukturen vertraut; so können angehende Unternehmer in ihrem gewohnten Umfeld bleiben. Aufgrund der abgedeckten Region kann ADIE ein nützliches Bespiel für Ostdeutschland sein, speziell in Brandenburg werden (Necessity)-Unternehmer mit geringerem Finanzierungsbedarf unterstützt (OECD 2006a). Unterstützung der Business Angels Wie vorstehend ausgeführt, können höhere Finanzierungsanforderungen durch Business Angels mit Schwerpunkt auf Ostdeutschland abgedeckt werden. Die Integration von Business Angels in Form stiller Gesellschaften erhöht das Mezzanin-Kapital der KMU und führt zu einer geringeren Abhängigkeit von Fremdkapital. Überdies tragen die Business Angels zu einer größeren finanziellen Unabhängigkeit von Bundesförderprogrammen bei (OECD 2007b). Als Anreiz für die Einbeziehung von Business Angels könnte die Änderung des deutschen Steuersystems ein Schlüsselfaktor sein. BAND schlägt zur Stärkung der Business Angels eine Wiedereinführung der Steuerfreiheit für Kapitalerträge vor, gebunden an spezifische Schlüsseldaten (BAND 2007). Weiterhin kann die Rolle der Business Angels durch Unterstützung eines Business-Angel-Netzwerks gestärkt werden. Aufgrund der fehlenden Finanzkraft in Ostdeutschland sollte die Integration westdeutscher Business Angels in regionale Teilnetzwerke gefördert werden. Westdeutsche Business Angels verfügen (i) über größere Erfahrung bei der Unterstützung von Unternehmensgründungen und (ii) über mehr Kapital: Potenziellen Business Angels aus Westdeutschland stand ein Vermögen von € 141.000 zur Verfügung; im Vergleich dazu besaßen die potenziellen ostdeutschen Business Angels nur € 104.000 (BMWi 2007). Zudem verfügen Business Angels im Allgemeinen über ein hohes Haushaltseinkommen (Brettel, 2002), und auch hier haben die westdeutschen Business Angels einen Vorsprung. Die OECD geht von einer stark positiven Kapitalrendite für diese Investitionen aus, da nur geringe Mittel eingesetzt werden müssen. Darüber hinaus empfiehlt die OECD umfassende Werbekampagnen, um die Tätigkeit der Business Angels bekannter zu machen und das diesbezügliche Interesse zu erhöhen (OECD 2007a). Die Werbekampagnen sollten auf potenzielle Business Angels ausgerichtet sein, die in der Regel männlich, zwischen 45 und 65 alt und wohlhabend (zwei Drittel der deutschen Business Angels haben ein Einkommen von über € 250.000 und ein Vermögen von über € 2,5 Millionen) sind, und auch auf erfolgreiche Unternehmer mit Managementerfahrung abzielen (Ehrhart und Müller 2007). Aus theoretischer Sicht sind für junge Unternehmen besonders örtliche Business-AngelNetzwerke zu empfehlen. Zusätzlich muss ein Bewertungssystem eingerichtet werden, das kontinuierlich die Effektivität und Effizienz dieser Aktivitäten misst. Stärkung des Risikokapitals In späteren Phasen des Unternehmenslebenszyklus spielt zunehmend Risikokapital eine Rolle. Die OECD empfiehlt daher die Überprüfung der aktuellen Risikokapitalprogramme auf ihre Relevanz und Effektivität. Zudem ist der Zugang zu den Beteiligungskapitalmärkten zu verbessern, z.B. durch Aufbau eines Netzwerks für Risikokapitalgeber und Hightech-Firmen mit Kapitalbedarf (OECD 2007a). Wie bereits bemerkt, nutzt nur ein geringer Anteil ostdeutscher KMU eine Risikokapitalfinanzierung, da die Investitionssumme niedriger ist. Zu empfehlen sind daher: (i) eine 129 Bewertung der Risikokapitalprogramme und (ii) die Stärkung des Risikokapitals als Quelle der Unternehmensfinanzierung. Insbesondere Risikokapitalgesellschaften könnten von modifizierten Anreizstrukturen wie zum Beispiel von Steuervorteilen für Risikokapitalinvestitionen profitieren. Das Risikokapital kann auch in Westdeutschland beschafft werden, da dessen Mobilität unbegrenzt ist. Abbau des Problems begrenzter Sicherheiten Zudem ist das Problem der (besonders in Ostdeutschland) nur begrenzten Sicherheiten zu lösen (OECD 2007a). Ein weiteres Bespiel, der Estnische Kredit- und Exportbürgschaftsfonds (Kredex), zeigt, dass insbesondere Unternehmensgründungen mit höherem Risiko (wie HightechUnternehmensgründungen) und etablierte KMU im Allgemeinen ihre Darlehen mit Bürgschaften absichern müssen, damit der Darlehensantrag bewilligt wird. Aufgrund unzureichender Sicherungswerte, einer niedrigen Eigenkapitalquote und begrenzter Liquidität ist es für diese Unternehmen nahezu unmöglich, einen Kredit zu erhalten. Wie vorstehend ausgeführt, sind ostdeutsche Unternehmensgründungen und KMU von vergleichbaren Faktoren betroffen. Die Kredex bietet daher Eigenkapitaldarlehen an, die als Eigenkapital betrachtet werden und somit die Bereitschaft zur Kreditvergabe erhöhen; darüber hinaus werden Kreditbürgschaften angeboten. In diesem Zusammenhang hat die Kredex zur Schaffung von ca. 2.000 Arbeitsplätzen beigetragen, was noch einmal die Notwendigkeit eines Bewertungssystems für ostdeutsche Bürgschaftsprogramme unterstreicht. Eine Mitarbeiterbeteiligung in kleineren, etablierten Unternehmen kann überdies zu einer Eigenkapitalerhöhung beitragen. Als positiver Nebeneffekt ist zu nennen, dass die Beschäftigten sich ihrem Unternehmen stärker verbunden fühlen, was in der Folge zu Produktivitätssteigerungen führen kann. Generell lassen sich eine Unterstützung der Eigenkapitalentwicklung, eine Vereinfachung des Zugangs der KMU zu den Kapitalmärkten sowie eine Ermutigung für den Einsatz von Kreditsubstituten wie Leasing und Factoring empfehlen. Unterstützung bei der Erstellung von Businessplänen und Einrichtung von „Points of Interest“ für Unternehmer Ein überzeugender Businessplan gehört zu den wichtigsten und unverzichtbaren Elementen eines erfolgreichen Kreditantrags und/oder eines Antrags im Rahmen eines Förderprogramms. Daher sind betriebswirtschaftliche Kenntnisse eines Unternehmers über Geschäftsplanung, Managementsysteme und Innovationsmanagement von zentraler Bedeutung: Bestehende Schwächen bei der Ausarbeitung des Businessplans und der Geschäftsplanung müssen behoben werden. Insbesondere in einigen ostdeutschen Regionen musste die OECD feststellen, dass bis zu 90% der Businesspläne, die den Banken vorgelegt wurden, keine Finanzierungsgrundlage darstellten (z.B. OECD 2006b). Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, dass die Erstellung überzeugender Businesspläne erlernt wird (vgl. auch Grichnik und Hisrich 2005). Innovationszentren, wie sie im US-Bundesstaat Kentucky eingerichtet wurden, sind eine gute Möglichkeit für Qualifizierung, Schulung und Mentorbetreuung der angehenden Unternehmer. Hier lässt sich auch eine bislang implizit angenommene Vermutung verifizieren: Es gibt (potenzielle) Unternehmer im ländlichen Raum, die mit Unternehmern in einigen Regionen in Ostdeutschland vergleichbar sind. Das Beispiel Enterprise Estonia, ein weiteres OECD-Lernmodell, zeigt, dass die Unterstützung der unternehmerischen Qualifizierung (z.B. durch Zuschüsse für Beratung, Schulungsmaßnahmen, Planung und Durchführung von Exportprojekten) sehr effektiv sein kann. Insbesondere das Konzept der „One-Stop-Shops“ (alles aus einer Hand) und „First-Stop-Shops“ (erste Anlaufstelle) ist hervorzuheben: Eine einzige Agentur ist hier für die Integration, Koordination und Anpassung der Maßnahmen zur Förderung des Unternehmertums zuständig (OECD 2006a). Für Ostdeutschland mit seiner regional geringen Bevölkerungsdichte empfehlen sich neben dezentralen Anlaufstellen (z.B. Informationsbusse für die Beratung von Unternehmern) zentrale Informations- und 130 Schulungszentren wie in Estland. Die zentralen Informationsstellen sollten sich an stark frequentierten Standorten befinden. Mit dem Fokus auf Necessity-Unternehmer könnten diese Stellen zum Beispiel in der Arbeitsagentur eingerichtet werden. Für etablierte (technologieorientierte) KMU sind aus psychologischen Gründen andere Standorte vorzuziehen, etwa Universitäten. Aufgrund der Kosteneffizienz wird empfohlen, für beide Unternehmertypen einen einzigen „Point of Interest“ (Anlaufstelle) einzurichten. Mobile Informationszentren können dieses Angebot ergänzen und eine Einführung in Fortbildungs- und Förderprogramme bieten. Aus den Abbildungen A-1 und A-3 geht hervor, dass sich das Gesamtspektrum der Förderprogramme für Unternehmensgründungen und KMU fast nicht verwalten lässt. Daher sollte untersucht werden, wie bestehende Verwaltungsverfahren vereinfacht werden können; dies wird von der OECD unterstützt (OECD 2007a). Angesichts der Anzahl an Förderprogrammen benötigen wir einen leichteren Zugang zu diesen Programmen, etwa in Form der genannten zentralen Informationsstelle, in der alle relevanten Förderprogramme zusammen mit einem dezentralen Informationsangebot angeboten werden. Aufgrund der schieren Programmanzahl können Unternehmer schnell von den verfügbaren Informationen überfordert werden. Die Datenbank des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (in der alle Bundes-, Regional- und supranationalen Förderprogramme enthalten sind) stellt hier einen guten Einstieg dar, muss aber kontinuierlich erweitert werden. Neben Online-Datenbanken sollten auch offline verfügbare Datenbanken eingerichtet werden, und zwar aus zwei Gründen: Erstens liegt der Prozentsatz der Internetnutzer in Ostdeutschland noch immer hinter dem in Westdeutschland; zweitens nutzen Personen mit niedrigerem Einkommen, die eher zu Necessity-Unternehmern werden, das Internet in geringerem Umfang (IW 2007). Aufgrund der Skaleneffekte sollten diese Offline-Datenbanken in andere Dienstleistungen integriert werden und so einen einzigen „Point of Interest“ für Unternehmer bilden. Zusätzlich spielen die Hausbanken eine wichtige Rolle für (angehende) Unternehmer und KMU in Ostdeutschland. Im Gegensatz dazu tritt die OECD für eine stärkere Unabhängigkeit der KMU von ihren Hausbanken ein (OECD 2007a). Wie vorstehend ausgeführt, muss die Hausbank als personalisierte Beratungsstelle zum Abbau von Informationsasymmetrien gestärkt werden. Das Hausbank-Prinzip mit dem damit einhergehenden Relationship Lending unterstützt mit dem Fokus auf qualitative Daten ostdeutsche KMU bei der Kreditaufnahme. Selbstverständlich müssen alle diese Maßnahmen kontinuierlich bewertet werden. Benchmark-Bewertungsysteme Die von privaten Einrichtungen angebotenen Finanzierungsinstrumente sind weitgehend nicht auf das Finanzierungsverhalten ostdeutscher KMU ausgerichtet, was teilweise zu Finanzierungslücken führt. Um eine nachhaltig positive Entwicklung der Wirtschaftskennzahlen zu erreichen, sind Förderprogramme zur Schließung dieser Lücken zu empfehlen. Überdies müssen alle Programme und vorgestellten Empfehlungen kontinuierlich auf ihre Effektivität und Effizienz hin überprüft werden, insbesondere bei einer aktuell fehlenden Bewertung. Daher ist zur Vermeidung von Fehlleitungen von Finanzbeihilfen (des Bundes) ein kontinuierliches Benchmark-Programm erforderlich. Die Benchmark-Bewertungen sollten ex post, ex interim und im Falle neu eingerichteter Programme auch ex ante durchgeführt werden. Es ist offensichtlich, dass die jeweiligen Einrichtungen alle entsprechenden Daten erfassen und bewerten müssen, um bei mangelhafter Effektivität und/oder bei wirtschaftlicher Ineffizienz die Programmschwerpunkte umstrukturieren zu können. Es müssen demnach zuverlässige Daten für (i) jedes Förderprogramm, (ii) alle Aktivitäten zur Unterstützung der Business Angels, (iii) die Stärkung des Risikokapitals, (iv) Programme, die Kreditbürgschaften anbieten und (v) über alle Informationsangebote vorliegen. Im Rahmen dieser Arbeit konnten diese Daten allesamt nicht ermittelt werden, was den Schluss nahe legt, dass bis heute keine Bewertungssysteme implementiert wurden. Für kooperierende Einrichtungen empfiehlt sich die Implementierung eines Systems, das einen aktiven Datenaustausch gewährleistet. Als Positivbeispiel 131 hat das integrierte Programm „Regionales Wachstum“ (siehe Überblick 2.3) gezeigt, dass im Jahr 2006 mit einem Zuschuss von € 8.000 für jeden stabilisierten oder neu geschaffenen Arbeitsplatz 214 neue Arbeitsplätze geschaffen und 650 gesichert werden konnten, Diese Daten ermöglichen einen Vergleich der Tätigkeiten (Input) und Erfolge (Output) und lassen einen wesentlichen BenchmarkVergleich dieses Programms zu. Literatur Ang, J. S. (1991), “Small Business Uniqueness and the Theory of Financial Management”, Journal of Small Business Finance, Vol. 1, No. 1, Blackwell, pp. 1-13. Aschhoff, B., et al. 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A-1: Überblick über aktuelle KfW-Programme für Unternehmensgründungen und KMU (Zusammenstellung der KfW, 2007a) Kredite Beteiligungsfinanzierung Zielgruppe Für Freiberufler und etablierte Unternehmen Start-Ups, technologieorientierte Unternehmen und etablierte Mittelständler Finanzierungs zweck Deckung der Betriebskosten Stärkung der Eigenkapitalbasis Programme Programm Mikrodarlehen (Mikrodarlehen bis zu € 25.000 zur Existenzgründung) Startgeld (Darlehen für Existenzgründer, Freiberufler und kleine Unternehmen, deren Projekt nicht mehr als € 50.000 kostet 80% Haftungsfreistellung und Festprovision für die durchleitende Bank; so können auch kleinere Projekte finanziert werden) Unternehmerkapital (Produkte für Existentgründer, junge und etablierte Unternehmen) Unternehmerkredit (der Universalkredite für Investitionen und Betriebsmittel, für etablierte (>2 Jahre) 50 % Haftungsfreistellung) Unternehmerkredit Ausland - (Finanzierung von Investitionen im Ausland) ERP-Regionalförderprogramm (Günstige ERP-Mittel für Investitionen in strukturschwachen Gebieten) ERP-Innovationsprogramm (zinsgünstige Darlehen für innovative Unternehmen) Early Stage (Frühphase): ERP-Startfonds (stellt jungen Technologieunternehmen in der Gründungsphase Eigenkapital zur Verfügung) Later Stage (Anschlussphase): ERP-Beteiligungsprogramm (Eigenkapitalfinanzierung kleiner Mittelständler mit bis zu € 1 Million) Eigenkapital für den breiten Mittelstand (zwischen € 1 und 5 Millionen für Beteiligungen) ERP-Innovationsprogramm (Eigenkapital für junge KMU) KfW-Risikokapitalprogramm Programme (Garantien für Investitionen von Beteiligungsgesellschaften auf anteiliger Basis) Konditionen (programmsp ezifisch) Tilgungsfreie Anlaufzeit Festzinsen bieten eine sichere Kalkulationsgrundlage Auszahlung bis 100% Kombination mit anderen Fördermitteln möglich Antrag erforderlich Sonderkonditionen für Ostdeutschland 138 Abb. A-2: Geschäftszahlen der KfW Mittelstandsbank im Hinblick auf Finanzierungsprogramme 2005 2006 2006 (31 März) 2007 (31 März) € Mrd. KfW Mittelstandsbank 15.5 22.8 5.5 2.8 Davon: Kredite 11.6 13.4 3.0 2.8 Davon: Verbriefungen 4.0 9.5 2.6 - Kreditfinanzierung 10.7 10.2 2.4 2.3 € Mrd. Davon Unternehmerkredit 4 769.4 6 096.2 1 563.3 2 029.1 StartGeld 100.0 85.6 23.8 28.3 Mikrodarlehen 24.0 22.0 6.9 9.8 ERP-Innovationsprogramm * 127.3 6.9 1.9 - Globale Kredite 5 353.1 3 643.1 737.9 154.8 0.6 2.1 0.5 0.3 Unternehmerkapital 511.6 506.2 119.4 117.9 ERP-Innovationsprogramm* 71.5 1 633.5 386.3 197.9 Mezzanin-Finanzierung € Mrd. Davon *Das ERP-Innovationsprogramm wurde zum 1. Dezember 2005 geändert und wird seitdem als Mezzanin-Programm angeboten. 139 Abb. A-3: Überblick über Regionalprogramme Öffentliche Banken in Public bank of Programme Sachsen Gründungs- und Wachstumsfinan-zierung Sachsen Investitionsanreiz (Gemeinsame Vereinbarung für die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturen) Investitionszulage (Investitionszulagengesetz) Investitionsanreiz (regionales Wachstum) Liquiditätsdarlehen der SAB Brandenburg Kredite: Schwerpunkt auf KMU, Filmproduktion, Unternehmensgründungen und Anschlussfinanzierung, landwirtschaftliche und technologieorientierte Unternehmen Teilzahlung: Beratung, Landwirtschaft, technologieorientierte KMU, Anschlussfinanzierung, Netzwerke, Innovationen Beteiligungsfinan-zierung: Risikokapitalfinanzierung (Anschlussfinanzierung, technologieorientierte KMU, Innovationen) 140 Thüringen (einschließlich Hessen) Thüringer Aufbaubank: Kreditbürgschaften, Darlehen und Zuschüsse für alle Branchen und Gründungsphasen Bürgschaftsbank Thüringen: Kreditbürgschaften für Unternehmensgründungen und KMU Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern (einschließlich Niedersachsen) Kredite für Unternehmensgründungen, Landwirtschaft und KMU Beratung Mezzanin-Finanzierung für KMU Investitionsbank Sachsen-Anhalt: Beratung, MezzaninFinanzierung, Kredite, Agrarfinanzierung ERGEBNISSE DER LOKALEN FALLSTUDIEN UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN OECD In Ostdeutschland stehen öffentliche Mittel in erheblichem Umfang zur Verfügung, die von einer großen Anzahl von Unternehmen in Anspruch genommen werden. Wir befinden uns dabei inmitten eines Politikwechsels hin zur Finanzierung von Innovationen und weg von bloßen Investitionszuschüssen. Auch wenn letztere weiterhin bewilligt werden, erfolgt mittlerweile eine Bewertung in Hinblick auf durch diese Investitionen geschaffene und gesicherte Arbeitsplätze. In sämtlichen lokalen Fallstudiengebieten findet man ein breites Spektrum an öffentlichen Finanzierungsprogrammen für Unternehmensneugründungen, bestehende Unternehmen und HighTech-Firmen. Die Verfügbarkeit von Finanzierungen aus privaten Quellen variiert in Abhängigkeit von Alter, Größe und Art der Unternehmen. Insbesondere Startup-Unternehmen mit eingeschränkten Möglichkeiten der Eigenfinanzierung und Kreditfinanzierung sind sehr stark abhängig von persönlichen Ersparnissen, Darlehen aus der Familie und/oder von Freunden bzw. von öffentlichen Finanzmitteln. Im Idealfall sollte ein Unternehmen im Laufe der Zeit seine Kreditwürdigkeit ausbauen, und zwar basierend auf seiner Erfolgsgeschichte und seinen als Sicherheit dienenden Vermögenswerten. So können eventuell bestehende Informationsasymmetrien zwischen Angebot und Nachfrage ausgeglichen werden. In Ostdeutschland, wo die Mehrheit der Unternehmen vor 18 Jahren neu gegründet wurde, war der Zeitraum für einen tatsächlichen Aufbau von Kreditwürdigkeit allerdings meist noch zu kurz. Daher spielen seit geraumer Zeit auch für etablierte Unternehmen staatliche Darlehenspläne, Mikrokredite oder Eigenmittel zur Deckung des Finanzbedarfs eine Rolle. Berichten zufolge stellen für bestehende KMU beschränkte Eigenkapitalmittel und eine relativ hohe Abhängigkeit von externen Krediten und Fremdfinanzierungen mit Zinsen für Darlehen, die in den frühen neunziger Jahren aufgenommen wurden, ein Problem dar. Firmen betrachten das Fehlen von Eigenkapital und Sicherheiten als eine unüberwindliche Barriere bei der Beschaffung günstiger Kredite. Die Verfügbarkeit externer Finanzierungen ist durch eine Rationierung der Kreditvergabe seitens privater Kreditinstitute und durch die Abhängigkeit von Anlagesicherheiten eingeschränkt. Darüber hinaus wird Immobilieneigentum in den meisten der lokalen Fallstudiengebiete von den Banken aufgrund fehlender Marktnachfrage, niedriger Preise auf dem Immobilienmarkt und der Hypothekenbelastung nicht immer als ausreichende Sicherheit eingestuft. Interviews haben gezeigt, dass Geschäftspläne oftmals nicht umsetzbar, zu naiv und zu unsicher sind. Lücken bestehen in den Bereichen Sicherstellung der Durchführbarkeit von Projektkonzepten und bei der Durchführung von Marktforschung bezüglich der Erfolgsaussichten von Produkten und/oder Dienstleistungen. Da die Mehrzahl der staatlichen Finanzierungsplanmaßnahmen über örtliche Zweigstellen von Hausbanken erfolgt, ist der Zugang teilweise eingeschränkt. Bestehende Informationsasymmetrien zwischen Bankinstituten und Darlehensnehmern machen es für die Banken schwierig, den realen Wert eines Projekts festzustellen, was wiederum zu einer Kreditrationierung führt. Diese Rahmenbedingungen könnten die Überlebenschancen von neuen, jungen und bestehenden KMU beeinträchtigen und sich überdies negativ auf die Wachstumsaussichten von Unternehmen auswirken. Alle Banken und insbesondere Sparkassen unterliegen einer klaren treuhänderischen Pflicht zum Schutz der Einlagen und Vermögenswerte ihrer Kunden. Sie sind jedoch auch ein vitaler Bestandteil der örtlichen „Unternehmensinfrastruktur“ innerhalb einer Region und verfügen über das Potenzial zur 141 Beeinflussung oder Nicht-Beeinflussung des strategischen Wandels. In den lokalen Fallstudiengebieten sind Banken, meistens Sparkassen und Genossenschaftsbanken, oftmals unter den Gründungsmitgliedern von Technologie- und Inkubationszentren. Sie sind Mitglieder landesweiter Partnerschaften zur Förderung von Unternehmertum und kleinen und mittleren Unternehmen und unterstützen Innovationen kleiner und mittlerer Unternehmen sowie technologieorientierte Start-Ups. Örtliche Banken sind zwar im Bereich der Finanzierung etablierter KMU und im Verbund mit regionalen Banken im Rahmen von Beteiligungskapitalinitiativen aktiv, sie spielen jedoch bei der direkten Beratung und Finanzierung von Startup-Unternehmen und KMU in frühen Phasen eine verhältnismäßige begrenzte Rolle. Bei der Mehrzahl neuer Startup-Unternehmen handelt es sich hauptsächlich um Kleinst- oder Kleinverkaufsaktivitäten, wobei eine verhältnismäßig starke Abhängigkeit von Finanzierungen aus öffentlichen Unterstützungsprogrammen besteht. Es scheint jedoch, dass diese Programme in ihrer Anpassungsfähigkeit an die Bedürfnisse der unterstützten Unternehmen Einschränkungen unterliegen, insbesondere im Hinblick auf die Tendenz vieler Kleinunternehmen zum schrittweisen Aufbau mit niedrigem Investitions-, jedoch hohem Betriebsressourcenbedarf. Lücken bestehen bei der Finanzierung von Betriebskosten, bei der Zusatzfinanzierung im Rahmen von schwierigen Liquiditätslagen und bei der Anfangsfinanzierung besonderer Zielgruppen (Gründer von Kleinstunternehmen, Nebenunternehmen, Mini-Startups, Teilzeit-Startups, Phasen-Startups). Seitens der Handelskammern, der Handwerkskammern und der Länder wurden beträchtliche Anstrengungen zur Verbesserung der Beratungsmöglichkeiten im Bereich finanzieller Unterstützung für Unternehmensneugründungen und bestehende Unternehmen unternommen. Es besteht jedoch weiterhin beträchtlicher Bedarf an Finanzberatung bezüglich sämtlicher Formen und Phasen des Unternehmertums, einschließlich Beratung in den Bereichen Projekt- und Geschäftspläne und bei der Bonitätsbewertung. Insbesondere die zahlreichen Kleinstunternehmen, die mit Unterstützung öffentlicher Programme gegründet wurden, wie beispielsweise die „Ich-AG“, verfügen nur über sehr eingeschränkten Zugang zu zusätzlichem Kapital, das wiederum Möglichkeiten zur Geschäftsexpansion eröffnen könnte. Die lokalen Fallstudien hinterließen den Eindruck, dass es bei der Finanzierung von Geschäftsgründungen durch Arbeitslose seitens der örtlichen Arbeitsämter an genau der Flexibilität mangelt, die für eine uneingeschränkte Förderung der Vorfinanzierung von Projekten und für die Ausschöpfung entsprechender Wachstumspotenziale nötig wäre. Einige Länder bieten zusätzlich zu den Gründungsförderprogrammen der Arbeitsämter ein ergänzendes Mikrokreditprogramm an. Hierdurch soll die Fehlbedarfsfinanzierung sichergestellt werden. Diese Initiative kann als Beispiel Guter Praxis für andere Regionen gelten. Eine Reihe von Interessenvertretern machte auf folgende Finanzprobleme bei kleinen und mittlerem Unternehmen mit hohen Wachstumsraten aufmerksam: Größere Banken haben ihre Programme zur Unterstützung kleiner Firmen gekürzt, die Bedingungen der staatlichen Finanzierung von Kleinunternehmen (z.B. Vergabebedingungen) sind zu streng, und es besteht eine Lücke im Bereich Finanzierung von Vorphasen des Unternehmensaufbaus. Hightech-Firmen sind zwar in der Anfangsphase in Verbindung mit den sehr hohen Risiken besonderen Problemen ausgesetzt, es bestehen allerdings bei den wenigen erfolgreichen Projekten auch reale Aussichten auf sehr hohe Renditen. Doch auch hier können sich für Investoren, die ein erfolgreiches Projekt unterstützen, Schwierigkeiten bei der Sicherung ihrer Renditen ergeben, wenn nämlich später große Investitionen erforderlich sind. Die ostdeutschen Länder lösen dieses Problem anscheinend erfolgreich mit einem Zwei-Phasen-System, das zwischen Pre-Seed-Financing und Seed-Financing zur Ausreifung und Umsetzung von Geschäftsideen unterscheidet. Da Hausbanken häufig nicht über das erforderliche technische Wissen für eine vollständige Beurteilung der Kreditwürdigkeit einer hightechorientierten Geschäftsidee verfügen, konnte durch die Unterstützung seitens bestimmter Universitätsprofessoren, wie in einem lokalen Fallstudiengebiet berichtet, einer ganzen Reihe von kleinen Firmen bei der 142 Beschaffung von Finanzierungen durch Finanzinstitute geholfen werden. Diese Praxis basiert jedoch auf individueller Bereitwilligkeit und wurde bislang nicht institutionalisiert. Insbesondere Hightech-Unternehmen benötigen externe Finanzierung über einen längeren Zeitraum (normalerweise 3-5 Jahre), und Geschäftsbanken können die Rolle eines solchen Finanzgebers nicht übernehmen. Im Gegensatz zu anderen Ländern und anderen Regionen scheint das Niveau der Verfügbarkeit von realem Wagniskapital in einigen der lokalen Fallstudiengebiete niedrig zu sein oder nahezu gegen Null zu tendieren. Einige Kommentatoren haben darauf hingewiesen, dass eventuell gesetzliche Einschränkungen die Banken vom Eintritt in diesen Bereich abhalten. Sofern jedoch Wagniskapital investiert wurde, erfolgte dies in Form stiller Beteiligungen. Eine aktive Beteiligung der Finanzierungsinstitution an Geschäftsstrategie und Entwicklung des Unternehmens – wie in vielen anderen OECD-Mitgliedsländern in Zusammenhang mit Wagniskapital üblich – erfolgt somit nicht. Einerseits scheinen Unternehmer den Zufluss von Beteiligungskapital zu scheuen, da sie eine Verwässerung ihrer Kontrolle über das Unternehmen fürchten, andererseits konzentrieren sich entsprechende Pläne auf technologieorientierte Unternehmen, für die von einem größeren Marktpotenzial und stärkeren Profitzuwächsen als bei KMU aus anderen Sektoren ausgegangen wird. Letztere leiden somit unter dem Fehlen von entwicklungsorientiertem Wagniskapital. Für gewisse Bereiche bei Wagniskapital und Investitionsaktivitäten ist von einer starken Subventionierung auszugehen. Zwar ist der Einsatz öffentlicher Finanzierung zur Behebung eines sich aus der wirtschaftlichen Entwicklung ergebenden Marktversagens stets erforderlich, ihr Umfang ist jedoch mittelfristig nicht aufrecht zu erhalten, da in Europa hier in Zukunft wohl andere Prioritäten gesetzt werden. Wagniskapitalprogramme mit öffentlicher Finanzierung scheinen dennoch gut organisiert zu sein und gute Ergebnisse zu zeitigen, insbesondere hinsichtlich des Umfangs an Privatfinanzierungen, die neben Eigenmitteln für Investitionsempfängerunternehmen gewonnen werden konnten. Um nachhaltig wirtschaften zu können, werden die betreffenden Unternehmen stets Investitionsmittel aus kommerziellen Quellen für sich gewinnen und ihre Gemeinkosten mittels Investitionsbeiträgen finanzieren müssen. Dies führt zu einer Reduzierung der aufgenommen Mittel und zu einem gewissen Druck zur Senkung der Gemeinkosten. Die Schaffung einer robusten Geschäftsumgebung und ein vertrauensvoller Umgang durch unabhängiges Verhandeln „auf rein geschäftlicher Grundlage“ können einem jüngeren OECD-Bericht zufolge zur Überwindung bzw. Vermeidung von Finanzierungslücken für KMU beitragen (OECD 2006). In OECD-Mitgliedsländern haben Regierungen versucht, die Verfügbarkeit von Finanzierungen für KMU durch Investitions- und Darlehensvergabeanreize für private Finanzquellen zu verbessern. Die Frage der Beteiligungsfinanzierung ist eine wichtige Frage, insbesondere für Wachstums- und Hightech-Unternehmen. Für sämtliche Arten von Unternehmen, insbesondere jedoch für junge, traditionell kleine und mittlere Unternehmen sind Kreditbürgschaftsprogramme für Überleben und Wachstum der Unternehmen wichtig. In diesen Fällen zielen staatliche Programme darauf ab, die potenzielle Rendite zu erhöhen bzw. das Verlustrisiko für private Investoren und Kreditinstitute zu verringern, so dass diese verstärkt in Wirtschaftssektoren investieren , für die auch von staatlicher Seite ein Entwicklungs- und Förderinteresse besteht. Die besondere Struktur des ostdeutschen KMU-Sektors zeigt, dass Kreditvergabebeschränkungen zu einer Fehlverteilung von Finanzressourcen führen können. Um Fehlvergaben und drohende Unterinvestitionen langfristig zu minimieren, müssen bestehende und entstehende Informationsasymmetrien reduziert werden. Hinsichtlich der Vermeidung von Unterinvestitionen haben sich in anderen OECD-Mitgliedsländern eine verbesserte Informationslage und der Aufbau von fundiertem Wissen über Verfahren zur Beurteilung der Bonität sowie Investitionsbereitschaftsprogramme bewährt. Andererseits führt die offenkundige Konzentration im ostdeutschen Bankensektor zu einer Verringerung des Wettbewerbs, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit für Kreditbeschränkungen erhöht. Somit wären von der Politik die Förderung der 143 Wettbewerbsfähigkeit und ein Wiederaufgreifen des Hausbankprinzips anzustreben, um KMU den Zugang zur Finanzierung aus privaten Quellen zu erleichtern. Eine der Eigenschaften des ostdeutschen KMU-Sektors besteht darin, dass ein großer Teil dieses Sektors eine geringe Finanzierungsnachfrage aufweist; insbesondere Unternehmensneugründungen in traditionellen Sektoren haben einen Kapitalbedarf von unter 50.000 Euro (KfW 2007). Vor diesem Hintergrund wären bestehende Mikrokreditprogramme auszuweiten bzw. dort, wo sie bislang nicht vorhanden sind, einzuführen. Für Unternehmen mit höherem Finanzierungsbedarf könnten Business Angels und Beteiligungskapital mögliche Finanzierungswege sein. Um Investoren stärker einzubeziehen, sollte die Integration ihrer Finanzierung in Form stiller Beteiligungen in Erwägung gezogen werden. Dies würde zu einer Zunahme von Mezzanine-Kreditbewilligungen an KMU führen und würde folglich deren Schuldenabhängigkeit verringern. Auf lokaler Ebene nimmt nur eine geringe Anzahl von KMU Wagniskapitalfinanzierung in Anspruch. Eine Evaluierung der bestehenden Wagniskapitalprogramme vor dem Hintergrund einer möglichen Verstärkung der Nachfrage nach Wagniskapital als Quelle unternehmerischer Finanzierung scheint empfehlenswert. Hier dürften Steueranreize, die allerdings nicht allein für Ostdeutschland gelten würden, zu einer Zunahme des Interesses an Wagniskapitalinvestitionen führen. Aus den lokalen Fallstudien hat sich eine Reihe von Handlungsempfehlungen an die Politik ergeben. Diese können von nationalen und kommunalen Regierungen, öffentlichen und privaten Finanzierungsinstitutionen und Unternehmensförderorganisationen, die jeweils kommunal und auf unterschiedlichen Regierungsebenen tätig sind, aufgegriffen werden. Trotz ihrer lokalen Herkunft besitzen die Handlungsempfehlungen Relevanz für andere Orte in Ostdeutschland und anderswo. Die nachfolgende Liste von Empfehlungen versteht sich nicht als erschöpfend. Sie sollte jedoch als Checkliste herangezogen werden, wenn örtliche Rahmenbedingungen zur Finanzierung von Unternehmertum unter Berücksichtigung sowohl der Angebots- wie der Nachfrageseite überprüft werden. Handlungsempfehlungen zur verbesserten Finanzierung von Unternehmertum Regelungen und Verfahrensweisen bei bestehenden Förderprogrammen vereinfachen. Die Regelungen und Bedingungen für bestehende und neue Unternehmensförderprogramme müssen transparent und Prozeduren einfach und verständlich sein. Bürokratie sollte verringert, die Entscheidungsfindung beschleunigt und Informationen sollten leichter zugänglich sein. Eine regelmäßige (jährliche) Bewertung der Wirkung von Regelungen und Verfahrensweisen auf der Grundlage von Rückmeldungen durch Kundenfirmen sollte vorgenommen werden. Diskussion über die Rolle der Banken in der Entwicklung des lokalen Unternehmertums anregen. Örtliche Behörden und Fördereinrichtungen sollten eine Diskussion mit den regionalen und örtlichen Führungskräften aller Finanzinstitutionen darüber in Gang bringen, wie diese eine stärkere und aktivere Rolle bei der Förderung und Finanzierung von Unternehmensneugründungen und bestehender KMU spielen könnten. Schwächen bei der Aufstellung von Businessplänen angehen. Als ein Beitrag zur Problemlösung könnten Banken die Herausgabe eines Leitfadens für Antragsteller einer Unternehmensgründung erwägen. Ebenso könnten „Mentor- und Patengruppen‟ die Unternehmer beraten, bevor sie sich mit einem formellen Antrag an Banken wenden. Firmen dabei helfen, ihre eigene Investitionsbereitschaft einzuschätzen. Es sollten Programme entwickelt werden, um dem Mangel an Investitionsbereitschaft in bestimmten Sektoren zu begegnen, indem Firmenwissen über Wachstums- und Renditepotenziale sowie über Finanzierungsmethoden verbessert wird. Solche Programme haben anderswo erwiesenermaßen zu mehr Investitionen geführt. Als wichtigste Merkmale wären u.a. die intensive Arbeit mit jeder Firma, interaktive Workshops mit Rollenspielübungen unter Leitung erfahrener Branchenexperten wie Wirtschaftsprüfer, Juristen, Business Angels, ClearingBanken, Beteiligungskapitalfirmen und Unternehmensfinanzierungsfirmen, sowie ein kostenloses Diagnose-Instrument für Investitionsbereitschaft zu nennen. Solche Programme versetzen Firmen in die Lage, ihre eigene Investitionsbereitschaft einzuschätzen, geben ihnen Rückmeldungen zu ihren Stärken 144 und Schwächen, bieten Auskunft zur Beschaffung von Beteiligungskapital und schaffen mehr Schnittstellen zwischen Investoren und Sektoren, die durch eine asymmetrische Informationslage gekennzeichnet sind. Erhöhung der Investitionsbereitschaft von KMU. Programme sollten entwickelt werden, um die Investitionsbereitschaft von KMU zu erhöhen und gleichzeitig den Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten zu erleichtern. Diese Initiativen sollten darauf abzielen, Firmen den Zugang zu bereits vorhandenen Finanzierungsmöglichkeiten zu erleichtern, und nicht neue Fonds schaffen. Bestehende Venture Capital Programme auf Inanspruchnahme überprüfen. Die bestehenden Programme für die Bereitstellung von Venture Capital sollten auf Relevanz und Effektivität in der Unterstützung neuer und wachsender KMU überprüft werden. Die örtlichen Behörden sollten im Zusammenwirken mit Finanzinstitutionen untersuchen, wie gemeinsame Finanzierungsinitiativen zum Einsatz von mehr Venture Capital führen könnten. Verbreitung entwicklungsorientierter Finanzierung. Entwicklungsorientierte Finanzierungsinitiativen sollten, ausgehend von einem derzeitigen Schwerpunkt auf Venture Capital, auf weitere Finanzierungsinstrumente ausgedehnt werden (z.B. Bürgschaften). Diese sollten allen Unternehmern und nicht nur Technologieunternehmen angeboten werden. Anstelle der Entwicklung von neuen sollten bereits bestehende Instrumente und Einrichtungen bevorzugt ausgebaut und verbessert werden. Erweiterung der Mikrokreditvergabe. Vergabestrukturen und Instrumente für Mikrokredite sollen verstärkt entwickelt und für private Banken attraktiv gemacht werden. Dies sollte durch ein entsprechendes Angebot an Coaching und Weiterbildungsmaßnahmen begleitet werden. Einbeziehung von „Unternehmensengeln‟ (Business Angels). Ein entwickeltes VC System benötigt einzelne Investoren sowie Venture Capital Fonds. „Engel‟ d.h. Menschen, die bereit sind, in einzelne Unternehmen zu investieren und oft ihr Know-how einbringen, sind in den meisten OECD-Ländern anzutreffen. Dies können Menschen sein, die in der Vergangenheit eine Firma erfolgreich gestartet und geleitet und/oder in mehrere Unternehmen investiert haben. Oft geht mit dieser Art Investition eine Mentorenfunktion einher, bei der der einzelne Investor oder eine andere dafür benannte Person als Ratgeber gegenüber dem Unternehmer und dem Geschäft wirkt. Das ist besonders wichtig für Unternehmen, die in internationale Märkte vorzudringen versuchen oder wenn diese ehrgeizige Wachstumspläne verfolgen. Entwicklung von Initiativen, um die Anzahl von Business Angel zu erhöhen. Zielsetzung solcher Programme und Initiativen ist die Rekrutierung von finanziell gut stehenden Einzelpersonen mit relevanter Unternehmenserfahrung und einem Interesse, Unternehmen mit Wachstumspotential in einem frühen Stadium zu unterstützen, für diese als Mentoren zu wirken und in diese zu investieren. Oftmals sind potentielle Angels jedoch zögerlich bei einer Beteiligung, teils aufgrund mangelnden Wissens, was mit einer solchen Beteiligung verbunden ist, und teils weil Beziehungen zu anderen Angel Investoren fehlen. Die Anwerbung von “Wissens-Engeln” (“knowledge angels”), die relevantes Wissen und Unternehmenserfahrung weitergeben, ohne unbedingt selbst als Investoren aufzutreten, hat sich andernorts als erfolgreicher Bestandteil solcher Programme erwiesen. Breit angelegte Marketingkampagnen können hilfreich sein, um den Bekanntheitsgrad von und das Interesse an den Aktivitäten von Business Angels zu erhöhen. Minimale öffentliche Zuschussfinanzierung der Gemeinkosten von Business Angel Netzwerken. Business Angel Netzwerke sollten nur soviel an öffentlicher Förderung erhalten, um die Fortführung ihrer Tätigkeiten zu gewährleisten. Für eine relativ geringe Geldmenge, um ein Business Angel Netzwerk zu führen, kann die öffentliche Hand eine starke Hebelwirkung erwarten. Anreize, die Investoren zu einer kommerziellen Sponsortätigkeit bewegen, sollten diskutiert werden. Auch Banken, Steuerberater und Rechtsanwälte könnten in Netzwerke miteinbezogen werden. Dies könnte auch dabei behilflich sein, neue Angel Investoren zu akquirieren und Investitionsvereinbarungen abzuschließen. 145 Box 9. Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in der Finanzierung von Unternehmertum Programm „Business Angel Development/Ready2Invest“ in London – Vereinigtes Königreich: Zahl der Business Angels erhöhen, um das Angebot an Eigenkapital für kleine Firmen mit Wachstumspotential zu verbessern. Beteiligungskapital für KMU: FILTRAN – Frankreich: Finanzierungsmöglichkeiten in Form von Garantiefonds ermöglichen. Zugang zu entwicklungs-orientierten Kreditbürgschaftsgesellschaft (Kredex) – Estland: Lücken im Bereich der Absicherung von risikoreichen Jungunternehmen und KMU abdecken. Ein lokales Netzwerk für Bürgschaften: Artigianfidi Ferrara – Italien: Bürgschaften, welche den Zugang zu Kapital erleichtern und lokale Firmen ermöglichen ihr Bedürfnisse gegenüber Banken besser zu vertreten. Unterstützungsmassnahmen für Kleinstunternehmen: A.D.I.E. – Frankreich: Finanzierung von Firmengründungen und des Aufbaus von Kleinstunternehmen durch die Vergabe von Mikrodarlehen. 146 KAPITEL 4 UNIVERSITÄT, UNTERNEHMERTUM UND TECHNOLOGIETRANSFER 147 STÄRKUNG VON VERKNÜPFUNGEN ZWISCHEN HOCHSCHULEN UND INDUSTRIE Rebecca Harding, Großbritannien Einleitung Dieses Diskussionspapier stellt die Problemlage bei der Entwicklung starker Verknüpfungen zwischen Universität und Industrie in Ostdeutschland dar. Die Kommerzialisierung der universitären Forschung wird in der Literatur als Antriebsmotor für mehr Produktivität und als internationaler Wettbewerbsvorteil gesehen. Es leuchtet deshalb ein, dass dieser nicht nur in den OECDMitgliedsländern Priorität eingeräumt wurde, sondern auch in den Schwellenländern (Potter 2008, in Vorbereitung; Mitra 2008, in Vorbereitung). In gewissem Umfang wird ferner über die besten Mechanismen zum Aufbau guter Verbindungen zwischen Höheren Bildungseinrichtungen und Industrie diskutiert (Lissenburgh und Harding 2000). Einfach ausgedrückt: Ein Transfer von bestehendem Forschungswissen in die kommerzielle Anwendung schafft neue Marktmöglichkeiten, die wiederum die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie die Wertschöpfung in der Gesamtwirtschaft ankurbeln und somit die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes im Bereich Innovation verbessern. Entsprechend stellt der Sektor Hochschulbildung im Bereich Bildung- und Ausbildung (einschließlich beruflicher Entwicklung) eine Möglichkeit des Wissenstransfers (Know-how und Know-why) in die Wirtschaft und den öffentlichen Sektor dar. Wie stets jedoch sind die Fragen komplizierter als in dieser einfachen Zusammenfassung dargestellt, und es gibt bestimmte typische Herausforderungen, vor denen politisch Verantwortliche stehen, wenn es darum geht, den Wissenstransferprozess tatsächlich in eine erfolgreiche wirtschaftliche Verwertung zu überführen. Diese Herausforderungen werden nachstehend in Form einer internationalen Literaturrecherche ausführlicher erörtert; zusammengefasst handelt es sich hierbei um Folgendes: Angemessene Formen von Verknüpfungen zwischen höheren Bildungseinrichtungen und Industrie: Im Allgemeinen werden Verknüpfungen zwischen höheren Bildungseinrichtungen und der Wirtschaft im Rahmen von zwei Kategorien behandelt, wobei in beiden Fällen Wissenstransfer erfolgt – Bildung und Ausbildung und Kommerzialisierung/Firmengründungen aus Universitäten heraus (sog. Spin-Outs). Zunehmend wichtig sind auch Verbindungen im Rahmen von Beratung, Jointventures, Partnerschaften und sogar informelles Networking. In gewissem Maße besteht in der Literatur eine Tendenz, Verbindungen zwischen Hochschule und Industrie grundsätzlich positiv zu bewerten und als neues Modell der Zusammenarbeit zu betrachten, das wirtschaftliche, soziale und zunehmend auch umweltrelevante Renditen erbringt. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn angemessene Formen der Zusammenarbeit entwickelt werden – andernfalls können die Verknüpfungen ebenso als „sozial ineffiziente Privatisierung von Forschung und deshalb als Gefahr für die Wissenschaft selbst“ betrachtet werden (Sampat 2006). 149 Messung des Einflusses der Politik: Da die Mechanismen des Wissenstransfers nicht immer klar abgegrenzt sind, ergeben sich Messungs- bzw. Bewertungsprobleme. Die Literatur zur Innovation hat sich historisch auf Zitate und Patente als Anzeichen für Innovationsaktivität und die Effektivität von Innovationssystemen bezogen (wobei Verknüpfungen zwischen Hochschule und Industrie eine Schlüsselrolle spielen). Da der Prozess der Interaktion jedoch mittlerweile auch zunehmend Lizenzierung, informelles Networking, Beratung und gemeinsame Forschungsprojekte sowie formale Kommerzialisierung, Spin-Outs und Investitionen des privaten Sektors umfasst, wird die messende Bewertung schwieriger. Definitionen und Geistiges Eigentum: Der Wissenschaftler, der Innovator und der Unternehmer sind nicht notwendig dieselbe Person, und dies führt zu Unklarheiten in Bezug auf die Frage, wem Gewinne aus der wirtschaftlichen Verwertung zustehen. Schließung der Finanzierungslücke: Es ist viel getan worden, um in den OECDMitgliedsländern Strukturen für Investitionen in der sog. Seed-Finanzierung und in der Wachstumsfinanzierung in Frühphasen von Unternehmen bereitzustellen, wodurch ein Ausgleich für Unzulänglichkeiten des Marktes im Bereich Innovationsprojekte erreicht werden soll. Es bleiben jedoch zwei Herausforderungen bestehen: Die Schließung der „Wissens“-Lücke – d.h. die Verständigungsschwierigkeiten zwischen Wissenschaftler oder Innovator auf der einen Seite und Investor auf der anderen Seite, die sich sowohl als Informationsasymmetrien als auch als fehlende Managementerfahrung manifestieren, und die Bereitstellung eines Finanzierungseskalators, der seinerseits sicherstellt, dass im Zuge des Voranschreitens des Projekts die Weiterführung und der Zugang zu einer Wachstumsfinanzierung gewährleistet sind (Wright et al.. 2006). Globalisierung und „Aufhol“-Geschwindigkeit: In vielen OECD-Mitgliedsländern konzentriert sich die staatliche Politik auf die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung von Wettbewerbsfähigkeit in Marktbereichen mit hohem Mehrwert, um so den Herausforderungen eines rapiden Aufholens in einigen der Schwellenökonomien zu begegnen. Immense politische und wirtschaftliche Möglichkeiten liegen indes in der Stärkung der Verbindungen zwischen höheren Bildungseinrichtungen und Wirtschaft. Zu nennen sind insbesondere folgende Faktoren: Das Potenzial für Schaffung von Innovations-„Clustern“: Hierbei handelt es sich um eine Verdichtung von Akteuren im Bereich einer gemeinsamen Technologie, wie z.B. Nanotechnologie oder Biotechnologie. Der Nutzen einer solchen Clusterbildung besteht in der Schaffung von Synergien zwischen Expertengruppen unter den Hochschulwissenschaftlern mittels Strukturen, die eine wirtschaftliche Verwertung unterstützen; zu solchen Clustern gehören u.a. Großunternehmen, Wagniskapital und spezielle Rechtsberatung (Porter 1998). Potenzial zur Schaffung regionalen Wachstums: In der Literatur besteht Konsens darüber, dass höhere Bildungseinrichtungen Kenntnisse eher auf lokaler und regionaler als auf nationaler Ebene weitergeben und dass die messbaren Nutzeffekte des Wissenstransfers im unmittelbaren Umfeld dieser Institutionen am größten sind (Fritsch und Slavtchev 2007; Davenport 2005). Die politische Implikation aus dieser Feststellung lautet: Die Schaffung einer starken Wissensbasis samt stabilen Beziehungen mit der Industrie auf regionaler Ebene wirkt sich auf die Regionalentwicklung positiv aus. 150 Globalisierung und regionale Entwicklung: Verknüpfungen zwischen Hochschule und Industrie sind ein wesentlicher Bestandteil des regionalen „Innovationssystems“ (Braczyk et al.. 1998; Cooke und Schall 1997; Cooke 1998; Cooke 2001). Regionen stehen mit anderen globalen Regionen zunehmend in Wettbewerb um einen Anteil an den Forschungs- und Qualifikationsinvestitionen sowohl großer wie kleiner Unternehmen. Insgesamt sind Verknüpfungen zwischen höheren Bildungsreinrichtungen und Industrie eine positive Möglichkeit der Schaffung von sozialem und wirtschaftlichem Wohlstand. In den nachfolgenden Abschnitten wird dargelegt, dass die genannten politischen Fragen und Herausforderungen in Ostdeutschland durch spezielle diesbezügliche Initiativen mehr oder weniger bewältigt wurden. Deshalb ist das Wachstum in Ostdeutschland, insbesondere in den Innovationssektoren, mittlerweile größer als in Westdeutschland (IWH 2007). Es verbleiben jedoch eine Reihe von Herausforderungen, die zeigen, dass es sich bei den neuen Bundesländern weiterhin um Übergangsökonomien handelt. Insbesondere die Frage des „allgemeinen Wachstums bei lokaler Arbeitslosigkeit“ stellt ein Problem dar, welches das rapide Wachstumspotenzial, das in der ostdeutschen Wirtschaft zweifelsohne vorhanden ist, weiterhin demotiviert und einschränkt (Harding et al.. 2002; Harding 2007a). Definitionsfragen Bemerkenswert an dem großen Interesse an „Innovation“ und „Unternehmertum“ allgemein und an Verknüpfungen zwischen höheren Bildungseinrichtungen und Wirtschaft im Besonderen ist jedoch, dass diese in der jüngeren Literatur und in der politischen Debatte kaum je definiert und noch seltener in derselben Analyseeinheit miteinander kombiniert werden (Folkerington et al..). Politische Richtlinien in Bezug auf Unternehmertum konzentrieren sich in der Regel auf den Sektor der Kleinunternehmen und im Falle der EU-Politik auf die Förderung von Innovation in diesem Bereich. Daneben werden mehr Menschen ermutigt, eigene Firmen zu gründen. Innovation wird dementsprechend eher im Bereich Forschung und Technik (Science, Engineering and Technology, SET) und deren Kommerzialisierung verortet als im Rahmen von unternehmerischen Prozessen, die hinter dieser wirtschaftlichen Verwertung stehen. Die Erhöhung der Mittel für Forschung und Entwicklung bzw. die Erhöhung der Anzahl der „Kowledge Worker“ in der Wirtschaft wird deshalb per se positiv bewertet. Dies hat wenig zu tun mit der umfassenderen Definition von Innovation als „Veränderung“ und von Unternehmern als derjenigen „Instanz, die Veränderungen an den Regeln herbeiführt und diese Veränderungen umsetzt“ (Metcalfe 2006). Innovationspolitik konzentriert sich vielmehr auf eine Ausweitung der Forschungsbasis im Hochschulbereich und auf die Schaffung von Mechanismen zur Verbesserung des Technologietransfers (durch Finanzierung und Zusammenarbeit im Bereich Forschung), während die Wirtschaftspolitik auf die Erhöhung der Anzahl der Unternehmensgründungen ausgerichtet ist. Beide betrachten „Unternehmen“ letztlich als Geschäftseinheiten und haben weniger den „unternehmerischen Prozess“ im Auge, bei dem es sich um eine Aktivität handelt, in deren Rahmen durch Experimente die Regeln für die Entscheidungsfindung verändert und „Neuerungen“ (neue Denkansätze und Handlungsmuster) in die Wirtschaft eingeführt werden (Metcalfe 2006 op. cit.). Das Ergebnis ist Verwirrung in der Literatur und wohl auch in der Politik und Praxis in Großbritannien und anderswo. Die Begriffe „Unternehmertum“ und „Innovation“ werden auf unterschiedliche Weise benutzt: 1. Synonym: Unternehmer bringen immer etwas Neues auf den Markt und sind deshalb innovativ (Casson et al. 2006). 151 2. Interdependent: Unternehmer sind in den Technologiesektoren aktiv, und die Kleinunternehmen, die sie gründen, leisten einen direkten Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Produktivität (Armington und Acs 2004). 3. Unabhängig: Unternehmer sind definiert durch ihre Entscheidungs- und Risikofähigkeit und nicht durch die von ihnen vorgenommenen Neuerungen. Innovatoren sind definiert durch die von ihnen vorgenommenen Neuerungen. Man kann deshalb unternehmerisch sein, ohne innovativ zu sein und umgekehrt (Hayek 1937, Kirzner 1973). Insgesamt besteht eine Tendenz, die Begriffe „Unternehmertum“ und „Innovation“ als austauschbar zu behandeln; es handelt sich jedoch um sehr unterschiedliche Phänomene. Der „Unternehmer“ ermittelt Möglichkeiten und trifft Entscheidungen bezüglich der Marktfähigkeit (d.h. der Risiken) dieser Möglichkeiten (Casson 1982). Der Innovator ist die Quelle dieser Ideen und Möglichkeiten und bildet den Wissenskanal zwischen der Wissensbasis und ihrer zukünftigen wirtschaftlichen Verwertung, wobei Ungewissheit, die nicht berechenbar ist, effektiv in berechenbare Risiken umgewandelt wird. Diese Unterscheidung war in der Literatur von vor fünfzig Jahren bzw. in der noch älteren Literatur klar, in jüngerer Zeit sind die Grenzen zwischen den beiden Begriffen jedoch schwammig und unklar geworden. Eine brauchbare Definition des Begriffs „innovativer Unternehmer“ wäre folgende: Eine Person, die in einer Innovation eine Chance in sozialer oder wirtschaftlicher Hinsicht erkennt, die ihr Marktpotenzial basierend auf eigenen Wissensnetzen und sozialem, finanziellem oder bildungsrelevantem Kapital ermittelt und eine Organisationsstruktur innerhalb eines bestehenden Unternehmens oder durch Gründung eines neuen aufbaut, wodurch die Entwicklung der Innovation ermöglicht wird (Harding 2007a). Hierbei handelt es sich um eine für die Politik wesentliche Unterscheidung in Bezug auf Verknüpfungen zwischen höheren Bildungsreinrichtungen und Industrie und insbesondere in Bezug auf Spin-Outs. Der Forscher an der Universität generiert die wissenschaftlichen Kenntnisse mit kommerziellem Potenzial. Es ist jedoch der Innovator, der dieses Potenzial erkennt und artikuliert, und es ist der Unternehmer, der das Risiko im Rahmen der Realisierung ihres Marktpotenzials berechnet und übernimmt. Diese Unterscheidungen sind aus vier Gründen wichtig, die nachfolgend ausführlicher erörtert werden sollen: 1. Zweckdienliche Verknüpfungen zwischen Hochschulumfeld und Wirtschaft, die einen Wissenstransfer von der Forschung in die lokale und regionale Wirtschaft ermöglichen, sind ein Eckpfeiler der Regional- bzw. Cluster-Politik. Sie hängen jedoch von einer wirksamen Integration von politischen Maßnahmen zur Innovations- und Unternehmensförderung ab. 2. Geistiges Eigentum (IP, Intellectual Property) ist in vielen OECD-Mitgliedsländern einer der Hemmschuhe für eine wirksame Kommerzialisierung wissenschaftlicher Forschung; eine klare Definition der kollaborativen, jedoch unterschiedlichen Rollen von Forscher, Innovator und Unternehmer wäre bei der Zuschreibung von geistigem Eigentum und somit der entsprechenden Renditen sicherlich hilfreich. 3. Maßnahmen zur Unterstützung anderer Verknüpfungen zwischen höheren Bildungseinrichtungen und Industrie, wie Beratung, Bildung, Schulung und berufliche Entwicklung, sowie die Förderung unternehmerischer Ausbildung in Schulen sollten angeregt und rund um die Entwicklung eines effektiven und effizienten Innovationssystems, das zu einem gesteigerten Mehrwert für regionale und lokale Wirtschaftsräume führt, konzentriert werden. 152 4. Verantwortliche in der Politik brauchen ein effektives Instrumentarium zur Messung der Leistung und zur genauen Ermittlung der durch die Politik entwickelten Innovation; hierzu gehören sowohl Innovationsmaßnahmen als auch Maßnahmen in Bezug auf das Unternehmertum; ferner sollten Vertreter für die informellen Netzwerke, die Qualifikationsbasis und die Partnerschaftsvereinbarungen, die zwischen dem Hochschulsektor und der Industrie bestehen, verfügbar sein (Katz 2006, Corley et al.. 2006). Der Rest der vorliegenden Untersuchung gliedert sich wie folgt. Der nächste Abschnitt beschäftigt sich ausführlicher mit vier wichtigen Politikfragen und Herausforderungen: Regional- und Cluster-Politik, geistiges Eigentum und Finanzierungsbarrieren bei der Anregung von Spin-Outs, sonstige politische Maßnahmen zur Stärkung von formalen Verknüpfungen, zum Beispiel durch Schulung und Beratung, und schließlich die Messung der Auswirkungen politischer Maßnahmen. Politische Fragen und Herausforderungen Innovationspolitik allgemein und Verknüpfungen zwischen höheren Bildungseinrichtungen und der Wirtschaft im Besonderen wurden zunehmend durch zwei wichtige theoretische Entwicklungen in der Literatur angeregt. Die allgemein als endogene Wachstumstheorie bekannte Lehrmeinung (Schumpeter 2006, Romer 2000, Keilbach und Audretsch 2004, Viale und Ghiglione 2000, Audretsch und Lehmann 2005, Audretsch et al. 2006) geht davon aus, dass Innovation und Wissenstransfer innerhalb des Wirtschaftssystems ein zentraler Faktor für wirtschaftliches Wachstum sind. Die Anzahl der Wissensarbeiter und der Umfang der Innovation (gemessen an der Zahl der Patente und der innovationsbasierten Unternehmensgründungen) ist ein ausschlaggebender Faktor bei der Schaffung von Produktivität in kleinen Unternehmen, wobei jedoch dieser Prozess ungeordnet und unvorhersehbar erfolgt (MacPherson, A. und Holt R. 2007). Die zweite Theorie, allgemein als „Triple Helix“-Ansatz bekannt (Etzkowitz 1994, Leydesdorff und Etzkowitz (1997, 2000), Leydesdorff 2005a 2005b), begreift Wissenstransfer als eine Funktion der komplexen Reihe von formalen und informalen Verknüpfungen zwischen Forschungseinrichtungen, Finanz- und Wirtschaftsunternehmen sowie dem Staat (Berg-Jensen, B. et al. 2007). Die Interaktionen zwischen den drei Strängen der „Helix“ bilden die jeweils einzigartigen Merkmale eines Innovationssystems – die „symbiotische Spannung“, worin sich die gleichzeitige Interdependenz und der Wettbewerb zwischen den Akteuren auf nationaler oder auf regionaler Ebene widerspiegelt (Harding 2000, 2001). Regionalpolitik In der Literatur zur Triple Helix gibt es eine bestimmte Gruppe von Autoren, die die Schaffung eines nationalen Wettbewerbs- und Innovationsvorteils eher auf der regionalen als auf der nationalen Ebene verorten (Cooke 1998, Brazyk et al. 1998, Edquist 2001, Cantwell und Iamarrino 2000, Saxenian 2006, Harding 1999, Harding et al. 2002). Die Region ist dabei ein Fokus der sektoralen Spezialisierung und somit der zugehörigen Akkumulation von Know-how. Infolgedessen wird die Entwicklung von symbiotischen Lernbeziehungen zwischen den Institutionen ermöglicht. Regionen werden so zu den Antriebskräften von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit (Azagra-Caro 2006; Hussler und Rondé 2007; Heidenreich 2006; Fritsch und Slavtchev 2007). Lernen und Anpassung an sich verändernde Marktbedingungen und neue Technologien sind auf regionaler Ebene wahrscheinlicher, da selbstverständliche Wissenstransfers zwischen Akteuren in räumlicher Nähe mit klaren Verknüpfungen zwischen gemeinsamen Kenntnissen und Charakteristika des regionalen Arbeitsmarktes zumeist effektiver und nachhaltiger sind (Todtling und Kaufmann 2001, Dodgson 2001, Bracsyk et al. 1998, Porter 1998, Vickers und North 2001). Gleichzeitig mit der 153 Erzeugung von Fachwissen stehen Finanziers mit spezieller Ausrichtung, Rechnungsprüfer und Rechtsanwälte der Basis der Wissensproduktion unterstützend zur Seite, und dem entsprechend ist auch für Firmenneugründungen zweckdienliche und leicht zugängliche Beratung verfügbar. Diese Art der Entwicklung regionaler „Wirtschaftssysteme“ ist der Literatur zufolge in gewissem Umfang exemplarisch für die Entwicklung von Silicon Valley und der Route 128 in den USA (Saxenian 2006). Weitergeführt wird dies von Porter, der das Konzept von regionalen „Clustern“ oder Agglomerationen rund um spezifische Technologien oder Industriesektoren entwickelt. Die Attraktivität dieses „Cluster“-Ansatzes (Porter 1998, 2002) für politisch Verantwortliche liegt auf der Hand, insbesondere im Bereich der Innovationspolitik. Innovatoren sind in Bezug auf Ideen und in Bezug auf Märkte abhängig von Wissenschafts-, Innovations-, Wirtschafts- oder Finanznetzwerken. So ist bekannt, dass Universitäten bzw. die Forschungsabteilungen großer Unternehmen als Antriebskräfte für unternehmerische Aktivität fungieren (Czarnitzki und Kraft 2001), insofern Unternehmer dazu tendieren, sich eng an die Knotenpunkte von Forschung und Wirtschaft zu binden. Sofern diese Reihe von Zwischenbeziehungen systematisiert werden kann, wird regional generiertes Wissen einen Mehrwert durch den kumulierten Lernprozess erbringen. Dadurch wird diejenige Art von Spezialisierung erreicht, die für den internationalen Wettbewerbsvorteil so zentral ist, insbesondere in forschungsintensiven Sektoren wie Informations- und Kommunikationstechnologie oder Biotechnologie (Cooke 2001, 2002; De la Mothe & Paquet 1998). Prinzipiell wird davon ausgegangen, dass durch die institutionelle Basis (bestehend beispielsweise aus Wagniskapital und Investorennetzen, Universitäten und Ansiedelungsaktivitäten (Inward Investment)) unternehmerische Aktivität entfaltet wird und dass Wissen zwischen Wissenserzeugern und Wissensnutzern dabei automatisch transferiert wird. Dieses Konzept der Clusterbildung und der regionalen Entwicklung hat die Politik in den OECDMitgliedsländern und insbesondere in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren dominiert. Große wie kleine Firmen stehen im Bereich Innovation ebenso im Wettbewerb wie im Bereich Produktivität, und ein Clustering von Fachwissen und Erfahrung bedeutet Innovationssynergien zwischen Akteuren in Form von intellektuellen, technologischen und sozialen Effekten (Dohse 2007). Regionen konkurrieren global um Auslandsdirektinvestitionen, Innovation, Qualifikationen und, insbesondere im Kontext dieser Untersuchung, die Ansiedelung von Unternehmen (Gardiner, B. et al. 2004, Kitson et al. 2004, Maleki 2004). Der entscheidende Erfolgsfaktor für eine Region bei der Entwicklung ihrer Wettbewerbsfähigkeit ist ihre Fähigkeit zur Schaffung von lernenden „Netzwerken“ oder „sozialem Kapital“, wobei Wissenstransfers zwischen Akteuren auf eine Weise erfolgen müssen, die auf den globalen Märkten einen Wettbewerbsvorteil einbringt (Saxenian 1997, Cooke 2007). Im Kontext unserer vorliegenden Untersuchung jedoch sind weder Innovationen an sich noch Verknüpfungen zwischen Universität und Wirtschaft an sich ausreichend zur Schaffung von Marktopportunitäten und einer in der Folge gesteigerten Aktivität von Firmengründungen aus der Universität heraus (SpinOuts). Hierzu sind überdies Unternehmer notwendig (Harding 2007a, Levie et al. 2007). Geistiges Eigentum und Finanzierung Technologiebasierte Firmen aus der universitären Forschung eignen sich potenziell besser für Wagniskapitalinvestitionen und werden sich auch eher um diese bemühen. Sie benötigen beträchtliche Kapitalbeträge. Da ihr Geschäft jedoch eher auf Innovation als auf einem etablierten Geschäftskonzept beruht, sind Investitionen in diese Art von Unternehmen ihrer Art nach riskanter. Theoretisch zumindest wäre dies ein Terrain für Risikoträger und somit für Wagniskapitalgeber. In vielen OECDMitgliedsländern besteht jedoch eindeutig eine Kapitallücke bei der Finanzierung von Spin-Outs. Hierin liegt für die Politik eine klare Herausforderung. 154 Die Zusammenführung von Wagniskapital und technologiebasierten Firmengründungen aus der Universität heraus ist – gelinde gesagt – kompliziert: Renditen aus Technologieinvestitionen sind hoch, jedoch ihrer Art nach unsicher: Die Bank of England beziffert die durchschnittliche Rendite aus Technologieinvestitionen auf rund 23% (Bank of England 2000). Ein Technologieinvestor behauptete jedoch, dass die Rendite in Großbritannien bei 45% liege und die Renditeraten in den USA mit 33,7% ebenfalls höher seien (www.nvca.com). Diese Renditeraten sind der Nachweis für das hohe Wachstums- und Wertschöpfungspotenzial technologiebasierter Firmen sowie für ihre Eignung für die Wagniskapitalfinanzierung. Wagniskapitalgeber können jedoch keinen Vorteil aus diesen potenziellen Renditen ziehen, solange sie nicht auch tatsächlich zu den riskanteren technologiebasierten Investitionen ermutigt werden können. Das Wachstumspotenzial dieser Unternehmen wurzelt im Mehrwert, den sie aus ihrem ursprünglichen Konzept erzielen können. Dieser Wert ist ebenso eine Funktion der Menschen und Netzwerke, und somit sind insbesondere die Umsetzungszeiten von Renditen bei Spin-Outs im frühen Stadium für orthodoxe Wagniskapitalgeber zu lang. Alle technologiebasierten Unternehmen beginnen in der Seed-Phase mit einer kommerziell nicht bewährten innovativen Idee – hierin liegt das Risiko. Im Wachstumsprozess muss sich die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Idee oder des Konzepts beweisen. Der Wert ist schließlich die Rendite. Insbesondere in forschungsbasierten Branchen wie der Biotechnologie erfordert dieser Wachstumsprozess eine erhebliche Entwicklungsfinanzierung. Diese Finanzierung kann über einen langen Zeitraum notwendig sein – bis zu zehn Jahren. Für einen derart langen Zeitraum werden die meisten Wagniskapitalgeber – ohne klaren Ausgang – keine Mittel zur Verfügung stellen. Hier ist somit eindeutig die Unterstützung des Staates in der Seed-Phase und auch noch in der Startup-Phase gefordert, damit die Unternehmen in der Folge dann informales und formales Wagniskapital anziehen können. Die Beschaffung umfangreicher Kapitalinvestitionen ermöglicht technologiebasierten Firmen die Anstellung von wichtigen Wissenschaftlern und Innovatoren, was wiederum in einem universitätsgeführten Venture einfacher zu bewerkstelligen ist. Wichtig für diese Unternehmen ist der Zugang zu Personen, die einen hohen Nettomehrwert in das innovative Konzept einbringen. Hierin besteht in erster Linie die Funktion von entsprechenden Mitarbeitern aus Universitäten, Hochschulen und Industrie. Fritsch und Slavtchev (2007) zufolge ist dies leichter, wenn Universitäten in enger räumlicher Nähe zu Finanz- und Wirtschaftsstrukturen arbeiten. Die Rolle der Politik liegt hierbei in der Schaffung einer Infrastruktur, die dieses hochwertige „Humankapital“, in das Wagniskapitalinvestitionen erfolgen sollen, hervorbringt. Damit die Rendite voll realisiert werden kann und Wagniskapitalgeber weiterhin in Technologieprojekte investieren, muss schließlich ein guter Umfang an Investitionsgelegenheiten für Wagniskapitalgeber sichergestellt sein. Diese Investitionsgelegenheiten stammen aus den Universitäten und Hochschulen, von akademischen Unternehmern sowie von einheimischen und ausländischen Hightech-Firmen mit Forschungskapazitäten. Die Regierung und der Staat können viel für die Stimulierung einer Kultur von Forschung und technologiebasiertem Unternehmertum tun, indem sie Grundlagenforschung fördern, umfangreiche Mittel für Partnerschaften zwischen Universität und Wirtschaft, Wissensparks und Gründerzentren sowie Programme zur Förderung von Hightech-Investitionen bereitstellen. Es liegen jedoch Nachweise darüber vor, dass in 155 Europa, insbesondere jedoch in England (Bank of England 2001), Schwächen bei der wirtschaftlichen Verwertung von Ergebnissen aus der Forschung bestehen. Das andere Zentralproblem bei der Schaffung von lebensfähigen Firmengründungen aus der Universität heraus ist die Frage des geistigen Eigentums. Die Bedeutung von stichhaltigen Regelungen zu Fragen des geistigen Eigentums und dessen Schutz wird immer wieder hervorgehoben; Renditen sollen dem jeweils übernommenen Risiko entsprechen. Der Bayh-Dohl Act in den USA enthält eine klare Abgrenzung zwischen universitärer Forschung und Kommerzialisierung und geförderten nicht gewinnorientierten Forschungsorganisationen (insbesondere höhere Bildungseinrichtungen) bis hin zum Patent. Dieses Gesetz wurde in den OECD-Mitgliedsländern, darunter auch in Deutschland, nachgebildet, um Patentanmeldungen aus der universitären Forschung anzuregen. Im Ergebnis erfolgen in Europa tatsächlich mehr Patentanmeldungen aus den Bereichen Universität/höhere Bildungseinrichtungen (Geuna und Nesta 2006). Eigentumsfragen sind jedoch David und Hall (2006) zufolge komplexer geworden. Wo in der Vergangenheit beispielsweise eine klare Abgrenzung vorlag, haben die Häufigkeit des Personalaustauschs zwischen öffentlichen und privaten Forschungseinrichtungen, die wachsenden Renditen in einzelnen Forschungsgebieten des öffentlichen Sektors aus der Kommerzialisierung ihrer Innovationen sowie die hohe Beweglichkeit von Technologie, die eine Verlangsamung der Kommerzialisierung durch den Patentierungsprozess mit sich bringt, dazu geführt, dass Fragen des geistigen Eigentums nicht mehr leicht einzugrenzen sind. Die Verteilung von Risiko und Rendite ist unklar geworden, und komplexe gesetzliche Rahmen verlangsamen Innovationsbemühungen bestenfalls, wenn sie ihnen nicht gar völlig entgegenstehen. Die Aufgabe der Politik liegt somit in der Erhöhung der Flexibilität und Stabilität von entsprechenden Systemen. Bildung, Ausbildung und Beratung: Der wachsende Rahmen informeller Verknüpfungen zwischen Universität und Wirtschaft Die anderen Bereiche, in denen Wissenstransfers zwischen Universitäten und der regionalen Wirtschaft stattfinden, sind eher informell. Dazu zählen Bildung, Ausbildung, berufliche Weiterbildung und Beratung sowie zunehmend informale Kontakte und Networking, ermöglicht einerseits durch räumliche Nähe und andererseits durch Informationsund Kommunikationstechnologien (ICT). Die Auswirkungen dieser eher informellen Wissenstransfermechanismen haben zwei Seiten: 1. Durch Bildung, Ausbildung, Beratung und berufliche Weiterbildung erhalten Personen Zugang zu Forschungswissen und Kenntnissen (Know-how und Know-why), die diese später in ihren eigenen Arbeitsplatz einbringen. Im Ergebnis können spezifischere Kenntnisse zu einer direkten Verbesserung am Arbeitsplatz sowie zu umfassenderem Forschungs- und Erfahrungswissen führen; mit anderen Worten wird so ein Instrumentarium zur Verfügung gestellt, das am Arbeitsplatz eingesetzt werden kann (Mitra 2008, in Vorbereitung). 2. Durch Fördermaßnahmen werden universitäre Unternehmer unterstützt, und durch unternehmerische Schulung wird eine direkte Verbesserung des Wissenstransfers aus der Forschung in die eventuelle wirtschaftliche Verwertung erleichtert (Mitra siehe oben). Der erste Aspekt dieses Wissenstransfers hat wenig mit Firmengründungen aus der Universität heraus bzw. mit der Heranführung der nächsten Generation von Wissenschaftlern an das Unternehmertum zu tun. Die Politik hat sich auf das Letztere konzentriert und stellt Ressourcen für Kurse in Unternehmertum zur Verfügung und bietet studentische Unternehmernetzwerke und Geschäftsplanungswettbewerbe an, um Studenten mit den Gegebenheiten von Wagniskapital und 156 Kommerzialisierung vertraut zu machen. Es sind jedoch eine Reihe von Punkten (wie nachstehend zusammengefasst) zu beachten, wenn sichergestellt sein soll, dass diese Programme örtlich gegebene wirtschaftliche Anforderungen tatsächlich berücksichtigen: 1. Bildung neuer Ventures, Geschäftsplanung und Teamaufbau sind notwendige, jedoch nicht allein ausreichende Bedingungen wirksamer Kommerzialisierung universitärer Forschung. Entsprechende Programme laufen oftmals unabhängig von der Forschungsbasis innerhalb von Universitäten und erfüllen ihre Rolle als übersetzende und entwickelnde Kraft zwischen Forschungsbasis und potenziellen Geschäftspartnern bzw. Finanziers nicht. 2. Der rapide Veränderungsprozess innerhalb der Wirtschaft lässt keine Lehrprogramme mit umfangreicher Vorbereitungszeit mehr zu, wie sie für dynamische, unternehmerische Antworten auf wirtschaftliche Erfordernisse effizient oder wirksam wären (Luczkiw 2008). 3. Kleine und mittlere Unternehmen kennen die Programme, durch die ein zweckdienlicher Wissenstransfer erzeugt werden könnte, oft nicht bzw. können sich diese Programme nicht leisten. Die Heranziehung von Dissertationen und Projekten sowie Einstellungen von Personen aus der Industrie und gegenseitiger Austausch von Mitarbeitern sind einige der Maßnahmen, die in den OECD-Mitgliedsländern zur Verbesserung dieser Situation ergriffen werden. Sie sind allerdings fragmentiert und in ihrer Wirksamkeit unbeständig. Es liegen Hinweise dafür vor, dass einige der effektivsten Mechanismen informeller Art sind und auf nachbarschaftlicher Nähe beruhen. Messung der Wirksamkeit von Politik Traditionell wurden die Ergebnisse von Verknüpfungen zwischen Universität und Wirtschaft durch die Heranziehung von gemeinsamen Berichten und mittels der gemeinsamen Patentanmeldungen gemessen. Zunehmend blicken die politischen Handlungsträger jedoch zum Nachweis von „Wissensverknüpfungen“ und Wissenstransferaktivität auch auf den Umfang von Wagniskapitalinvestitionen, auf die Anzahl von Spin-Outs aus der universitären Forschung, die Anzahl von gemeinsamen Forschungsprojekten, auf Bildung, Ausbildung und berufliche Weiterbildung sowie auf entsprechende Lizenzierungs- und Franchising-Aktivitäten. Sämtliche dieser Messwerte sind ihrer Art nach statisch und setzen voraus, dass Wissen in Form von spezifischen Ergebnissen kodifiziert werden kann. Es sprechen jedoch zwei Gründe dafür, dass entsprechende quantitative Messungen für ein Verständnis der komplexen Zusammenhänge beim Wissenstransfer nicht länger hinreichend sind. Erstens: Verknüpfungen zwischen höheren Bildungseinrichtungen und Industrie müssen im Kontext regionaler und nationaler Innovationssysteme betrachtet werden – im Rahmen derer viele der Interaktionen stillschweigend und unkodifiziert ablaufen. Zweitens: Die informelle Kommunikation verläuft heute im Allgemeinen über ICT-basierte Interaktionen. Jeder Versuch des Einsatzes von Näherungsvariablen erfasst somit nicht den vollen Umfang und die volle Tiefe des Wissenstransfers im Sinne des stillschweigenden Transfers bzw. im Sinne von Spillover-Effekten (Harding 2003; Geuna und Martin 2001). Darüber hinaus wissen wir relativ wenig darüber, wie Wissen tatsächlich übertragen wird (Fritsch und Slavtchev 2007). Wir kennen jedoch größtenteils die Mechanismen zur Stimulierung von Transfer. Zum Beispiel führen Zuschüsse aus dem privaten Sektor eher zur Beteiligung von Forschern an Zusammenarbeitsprojekten als öffentliche Zuschüsse (Bozeman und Gaughan 2007) und Verknüpfungen zwischen Industrie und Forschung, die über Technologietransferstellen mit klaren 157 Zielen ermöglicht werden, bewegen Forscher entsprechend eher zur Zusammenarbeit (Debackere und Veugelers 2005). In einer Welt mit beschränkten Ressourcen des öffentlichen Sektors sind Nachweise jedoch eine wesentliche Grundlage für die Rechtfertigung von staatlichen Ausgaben für bestimmte Initiativen. Da der Prozess der Wohlstandsgenerierung durch Verknüpfungen zwischen Universität und Wirtschaft für die allgemeine Öffentlichkeit nicht offenkundig ist, leuchtet ein, dass politisch Verantwortliche robuste und verlässliche Daten verlangen, nicht allein zur Evaluierung der Wirksamkeit von politischen Maßnahmen, sondern auch zur Feststellung von entstehenden Versorgungslücken und Marktmängeln. Ansätze in Bezug auf Verknüpfungen zwischen Universität und Industrie in OECDMitgliedsländern Die Politik in den OECD-Mitgliedsländern in Zusammenhang mit Verknüpfungen zwischen Universität und Industrie widerspiegelt die definitorische Ambiguität, auf die zu Anfang dieser Untersuchung hingewiesen wurde: Einerseits gibt es umfangreiche Aktivitäten zur Anregung von Firmengründungen aus der Universität heraus mittels Bereitstellung von Seed-Kapital, „Partnerschaftsmaßnahmen“ durch Technologietransferstellen auf dem Universitätsgelände, Gründerunterstützung, Unterstützung für Business Angels etc. Ein Großteil dieser Maßnahmen ist rund um den „Innovator“ fokussiert, der Forschungsergebnisse wirtschaftlich verwertet und dabei die in den nationalen oder regionalen Innovationssystemen bestehenden Infrastrukturen nutzt. Diese Innovationssysteme sind kommunal, regional oder national spezifisch und entwickeln sich demnach auf ganz eigene Weise in Abhängigkeit von der Geschichte der örtlichen Industrie und den entsprechenden Innovationskräften (Lundvall et al. 1992). Andererseits wird von politischer Seite ebensoviel Nachdruck auf die Bedeutung betriebswirtschaftlicher Bildung in Schulen bis hin zu höheren Bildungseinrichtungen sowie im Rahmen von Strukturen der Wirtschaftsförderung gelegt. Akademiker heben hervor, wie wichtig dies bei der Schaffung einer Unternehmenskultur ist, durch die Innovationen in reale Marktgelegenheiten überführt werden können (Sahra und Welter 2008, in Vorbereitung). Als Messlatte gelten oft die USA (Wilson 2008, in Vorbereitung). Politiker werden sich jedoch zunehmend der Notwendigkeit der Berücksichtigung örtlicher Bedingungen, Kulturen und Normen bewusst. Bei der Begründung und Umsetzung einer wirksamen Politik der Verknüpfung von höheren Bildungseinrichtungen und Industrie ist jedoch Vorsicht angebracht. Sowohl Innovation als auch Unternehmertum sind notwendige, jedoch allein nicht ausreichende Bedingungen für einen effektiven Wissenstransfer. Ein Verständnis von Innovation und Unternehmertum als wechselseitig voneinander abhängigen Faktoren, als zwei Seiten derselben Medaille, ist für die Entwicklung wirksamer politischen Maßnahmen innerhalb dieses grundlegenden Bereichs von wesentlicher Bedeutung (Harding 2007a). Zusammenfassung zu den politischen Maßnahmen Somit ist klar, dass Politik Folgendes zu leisten hat: 158 Sie muss strategisch ausgerichtet sein und muss die Integration von Unternehmertum und Innovation fördern, um den Wissenstransfer und das Lernpotenzial von Versuchen zur Schaffung umfassenderer Verknüpfungen zu maximieren. Sie muss über klare Clustering-Prioritäten verfügen, die dem Umstand gerecht werden, dass Wissenstransfers am besten in enger Nachbarschaft zur wissenschaftlichen Basis funktionieren. Sie muss Wege zu einem kulturellen Wandel ermitteln, wodurch verstärkt informale Verknüpfungen zwischen Universitäten und Industrie gefördert (und Wissenslücken geschlossen) werden können. Sie muss über klare Finanzierungswege verfügen. Jeder dieser Punkte wird nachstehend anhand von Erfahrungswerten aus den OECD-Ländern erörtert. Unternehmerische Kultur und Einstellung, Motivationen und Fähigkeiten Kulturen verändern sich nur sehr langsam, durch den Bildungs- und Ausbildungsprozess, durch Rollenmodelle und durch geeignete Fördermaßnahmen kann die Einstellung der Menschen gegenüber dem Unternehmertum jedoch positiv beeinflusst werden. Finanzierungsbeschaffung Eindeutig stellt die Finanzierung das Haupthindernis für Wachstum dar. Finanzierung ist eine Funktion aus beschränktem Zugang zu Mitteln und der oben genannten „Wissenslücke“. Die Wissenslücke ihrerseits entsteht, weil potenzielle Investitionsempfängerunternehmen aus Universitäten ihre Geschäftsmodelle nicht so darstellen können, dass Investoren davon überzeugt werden könnten. Entsprechend wird der Zugang zu Wachstumsfinanzierung ausschlaggebend. In den OECD-Mitgliedsländern wurde die Verfügbarkeit von Seed-Finanzierungen durch Programme wie zum Beispiel den Higher Education Innovation Fund (HEIF) in Großbritannien ermöglicht, der Unternehmer aus der Forschung in einer sehr frühen Phase sowohl in den Bereichen Coaching und Beratung als auch bei der Beschaffung von kleineren Finanzierungen unterstützt. Sobald Unternehmen die Phase der Konzeptprüfung hinter sich gelassen haben, wird die Beschaffung von Wachstumsfinanzierung zum Problem. Die Risiken für Investoren sind noch immer hoch, die Möglichkeiten der Einflussnahme seitens der öffentlichen Politik sind jedoch eingeschränkt, da „Soft Money“ (d.h. Co-Investitionen des öffentlichen Sektors), die lediglich der Wachstumsfinanzierung dienen, anfangs zu einer Untergrabung der Entwicklung des Wachstumsfinanzierungssektors in Deutschland geführt haben. Die Lösung besteht in einem System von Bürgschaften neben effektiven öffentlichen Beschaffungsmaßnahmen. Herausforderungen und Möglichkeiten für die Politik in Ostdeutschland Seit der deutschen Wiedervereinigung hat sich eine Reihe von Bereichen auf die ostdeutschen Regionen ausgewirkt, insbesondere im Rahmen der Konzipierung wirksamer politischer Maßnahmen zur Verknüpfung von Universitäten und Industrie. Diese Punkte werden ausführlich erörtert bei Harding et al. (2002) und Harding (2007b). Zusammengefasst lässt sich Folgendes sagen: 159 Die Schließung eines Großteils der ostdeutschen Betriebe durch die Treuhand als unmittelbare Folge der Wiedervereinigung. Das Ergebnis waren Arbeitslosigkeit und Produktivitätsprobleme in einem vor dem Fall der Berliner Mauer unvorstellbaren Ausmaß. Im Jahr 2002 lag die durchschnittliche Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland bei 18%; an dieser Quote hat sich bis 2007 wenig geändert. Hohe Abwanderung hoch qualifizierter Arbeitskräfte und junger Menschen, insbesondere nach Westdeutschland. Negatives Wirtschaftswachstum in den späten neunziger Jahren. Unmittelbar nach der Wiedervereinigung flossen hohe Geldsummen in Aufbauprogramme, und die Bauindustrie wuchs exponentiell. Dieses Wachstum war jedoch relativ kurzlebig und wurde rasch von einem konjunkturellen Abschwung und schließlich von einer Rezession abgelöst, die durch den Rückgang der Ausgaben im Bausektor und durch den allgemeinen Abschwung in der deutschen Wirtschaft angetrieben wurde. Hohe Lohnkosten im Vergleich zu den westdeutschen Ländern verhinderten umfangreichere Auslandsinvestitionen durch global tätige Unternehmen, wodurch Kooperationen und die Bildung von Partnerschaften eingeschränkt wurden. Fehlendes Vertrauen der Menschen in den ostdeutschen Regionen in den Prozess des Wandels. Es gibt jedoch Hinweise dafür, dass die makroökonomischen Bedingungen in Deutschland sich verbessern und dass ein Großteil des Wachstums insgesamt aus den ostdeutschen Ländern stammt. Die deutsche Wirtschaft erlebte 2006 einen deutlichen Aufschwung, größtenteils infolge des gestiegenen Exports, jedoch auch aufgrund gestiegener Investitionen in Maschinen und Ausrüstung (Economic Forecasts of Joint Research Institutes 2006). Mitte 2007 lag das Wachstum in Ostdeutschland bei 3% und wurde größtenteils durch innovationsbasierte Exporte angetrieben. Der Mittelstand präsentiert sich wettbewerbsstark und ist zunehmend Träger privater Kapitalinvestitionen in Deutschland. Die für privates Kapital und Wagniskapital aufgebrachten Mittel sind gestiegen (BDK 2006). Obgleich der Zusammenbruch des Neuen Marktes Deutschland und die Deutschen in eine echte Vertrauenskrise in Bezug auf die New Economy gestürzt hat, ist festzustellen, dass unternehmerische Aktivitäten wieder zunehmen und das Vertrauen wieder wächst.31 Die neuen Wirtschaftszweige in Deutschland sind stark, ein Abwärtsdruck auf das Wachstum der Reallöhne ist festzustellen, die Handelsöffnung ist fast doppelt so hoch wie in anderen Industrienationen, die Investitionen steigen an und die Produktivität verbessert sich, insbesondere in der Produktion (Deutsche Bank 2006).32 Spillover-Effekte aus dem rasanten Wachstum der „New Economy“ in Bereichen rund um Technologieknotenpunkte wie Jena haben nach einem unbeständigen Start ins 21. 31 Minniti, M. (2006): „Global Entrepreneurship Monitor, 2005 Executive Report“ GEM, London Business School und Babson College. 32 Deutsche Bank Research (2006): „New Economy 2.0: above potential growth continues 2006/7“. www.db.com. Das für diese Prognose verwendete Wachstumsmodell ist dem für den obigen Index verwendeten sehr ähnlich. 160 Jahrhundert nunmehr an Fahrt gewonnen (Buehnstorf und Fornhal 2006). Außerdem ist festzustellen, dass die Initiativen zur Schaffung von regionalen Innovationsknotenpunkten und Netzen erfolgreich waren und mittlerweile reale Wachstumseffekte nach sich ziehen (Eickelpasch und Fritsch 2005, Harding 2003, Audretsch und Lehman 2006). Die ostdeutsche Innovationsbasis wird durch öffentliche Forschungs- und Entwicklungsausgaben stärker als in Westdeutschland unterstützt: Mehr Forschung und Entwicklung wird über Zuschüsse des öffentlichen Sektors gefördert als im Westen, und es gibt einen größeren innovativen Output (zum Beispiel bei Produkten und Dienstleistungen), jedoch weniger Patente (Czarnitzki und Licht 2006). Ein Großteil dieser Entwicklung verdankt sich der effektiven Politik auf Landes- und Bundesebene im Hinblick auf regionales Clustering und Innovation sowie insbesondere in Zusammenhang mit Verknüpfungen zwischen Universität und Industrie. Bei den Innoregio und Bioregio-Programmen handelte es sich um Clusterstrategieprogramme zur Förderung von Verknüpfungen zwischen Universität und Industrie und von Wissenstransfer. Das Bioregio-Programm galt dabei nur für die ostdeutschen Regionen und Innoregio für sämtliche Regionen (allerdings erhielten schließlich nur Jena und Dresden den Status als Bioregion). Der politische Schwerpunkt bei Innoregio lag in der Steuerung einer „dynamischen Entwicklung mittels Strukturen und Unterstützungssystemen zur Förderung von Innovation auf regionaler und kommunaler Ebene“. Hinter der Idee stand die Überzeugung, dass die Regionen selbst am besten ihre örtlichen Arbeitsmärkte und industriellen Bedingungen kennen und diese somit selbst am besten organisieren und stärken können. Ausschlaggebend für den Erfolg war eine klare regionale Strategie zum Wie des Transfers von Wissen und Know-how und zur Erzeugung von Ertrag (Harding 2000, Dohse 2007). Die Programme Innoregio und Bioregio wurden mittlerweile ersetzt, waren jedoch Prototypen der Cluster-Politik. Literatur Audretsch, D. and E. Lehmann (2005), “Does the Knowledge Spillover Theory of Entrepreneurship Hold for Regions?”, Research Policy, Vol. 34, No. 8, Elsevier, pp. 1191-1202. Audretsch, D., M. Keilbach and E. 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Durch diese Maßnahmen werden Umfang und Breite der Forschungsaktivität vergrößert, Akademiker aus dem übrigen Deutschland und der ganzen Welt angezogen, und es werden Verknüpfungen zwischen Universität und Industrie rund um die Spezialisierungsgebiete höherer Bildungseinrichtungen nicht nur innerhalb der Region, sondern auch in einem größeren Bereich gestärkt, der sich eher am Forschungsgegenstand selbst als an der geographischen Nähe ausrichtet. Außerhalb des Lehrplans stehende Workshops und entsprechende Netzwerk-Events allein schöpfen möglicherweise nicht das volle Potenzial universitären Unternehmertums aus. Das Ziel sollte in der Förderung einer positiven Haltung und Motivation in Bezug auf unternehmerisches Engagement bestehen, und zwar über die Existenzgründung hinaus, und überdies in der Förderung einer Kultur des Risikos, in der das Streben nach einem sich seiner Stärken bewussten Unternehmertum mit zum Auftrag der Universität gehört. Die lokalen Fallstudien haben den Eindruck vermittelt, dass Programme zur Förderung des Unternehmertums sich eher auf Quantität als auf Qualität konzentrieren. Damit wird zwar das Ziel der Mobilisierung hoch qualifizierter Kräfte zu unternehmerischen Aktivitäten erreicht, langfristig sollte der Auftrag jedoch in der Schaffung von wachstumsorientierten Geschäftszweigen mit neuen Arbeitsplätze in der Region bestehen. Um Unterstützung somit besser lenken und Initiativen den Gegebenheiten besser anpassen zu können, sollten Verfahren mit dem Zweck einer besseren Überwachung und Evaluierung der ökonomischen und sozialen Auswirkungen von Unternehmensprogrammen in höheren Bildungseinrichtungen konzipiert und implementiert werden. Während sich in vielen OECD-Regionen die meisten Programme zur Förderung des unternehmerischen Engagements auf betriebswirtschaftliche Lehrstätten beschränken und nur wenige Einrichtungen sich mit der Vermittlung betriebswirtschaftlicher Kenntnisse an Studenten mit technischer Fachrichtung befassen, liegt der Ansatz in den lokalen Fallstudiengebieten darin, allen Studenten aus sämtlichen Fakultäten Zugang zu betriebswirtschaftlichen Ausbildungsinhalten zu verschaffen. Interdisziplinäre Projektteams bestehen aus Studenten der Betriebs- und Volkswirtschaft sowie aus Studierenden der naturwissenschaftlichen Fächer. Die Programme bedienen sich des experimentellen Lernens (Engagement in realen Projekten zur Gründung von Unternehmen) und beschäftigen externe Wirtschaftsexperten für die Betreuung der studentischen Teams. Es handelt sich dabei um eine sehr effektive Methode des Lehrens von Unternehmertum, das auch durch Veranschaulichung der Errungenschaften erfolgreicher Unternehmer gefördert wird, wodurch den Studenten Rollenmodelle an die Hand gegeben werden. Auch wenn einige Unternehmensprojekte fehlschlagen, ist der Lehrauftrag dennoch erfüllt. Der Großteil des Lernens erfolgt allerdings anhand konkreter Situationen außerhalb des Klassenzimmers, und die Programme werden von relativ wenigen 167 stark engagierten Professoren vorangetrieben. Lehr- und Forschungsverpflichtungen und Anderes lassen jedoch oftmals nicht genug Zeit oder Motivation, um Studenten bei Unternehmensneugründungen zu unterstützen. Professoren erhalten ihr Gehalt für Forschung und Lehre, ökonomische Errungenschaften werden nicht berücksichtigt. Gerade weil Internationalisierung und ein umfassenderes Arbeiten in Netzwerken für schnell wachsende kleine Unternehmen so wichtig sind, sind sie dies auch für eine forschungsbasierte Universität. Aktuelle Bemühungen im Rahmen der lokalen Fallstudiengebiete zeigen deutlich, dass zur Erzielung größerer nationaler und internationaler Wirkung Investitionen notwendig sind, um Stellen für Akademiker interessant zu machen und attraktive Einrichtungen aufbauen zu können. Ebenso erforderlich ist darüber hinaus eine Werbestrategie, um Universitäten in Ostdeutschland und ihre Arbeit international bekannter zu machen. Dasselbe gilt für die Kooperation mit multinationalen Unternehmen, die bei der Beschleunigung und Ausweitung von Kommerzialisierungsprozessen aufgrund ihres umfassenden Zugangs zu den globalen Märkten hilfreich sein können. Die Einrichtung, Nutzung und Verwaltung umfassenderer Netzwerkbeziehungen ist wichtig zur Nutzung von Skalenund Größenvorteilen sowie für den Zugang zu und den Austausch von Informationen bezüglich neuen Wissens, Ressourcen und Märkten. Um universitäres Unternehmertum effektiv zu fördern, wäre eine größere Reichweite bei der Erhebung und Verbreitung von Informationen über die Vorteile der Internationalisierung hilfreich. Zu diesen Vorteilen zählen Zugang zu Know-how und Technologie, Mittel zur Umgehung von hohen Produktionskosten auf dem Inlandsmarkt, Zugang zu neuen und größeren Märkten für Produkte und Dienstleistungen, zusätzliche Produktionskapazitäten, Zugang zu Kapital und Arbeitskräften. Zu diesem Zweck sollte ferner eine Strategie zum Ausbau von Kontakten zu Ehemaligen und der Austausch mit ihnen ausgebaut werden; die Einbeziehung dieser Absolventen, die mittlerweile erfolgreiche Unternehmer geworden sind, könnte einen wertvollen Beitrag zu Programmen zur Förderung des Unternehmertums darstellen. Einige der höheren Bildungseinrichtungen in den lokalen Fallstudiengebieten verfolgen mit ihren Netzwerkaktivitäten zwei Richtungen. Erstens bauen sie Verknüpfungen mit anderen höheren Bildungseinrichtungen innerhalb der Region auf und stellen die Verbindung zu anderen Netzwerken in Deutschland her; darunter gibt es einige Projekte im Frühstadium mit internationaler Reichweite. In einem lokalen Fallstudiengebiet drückt sich der Geist der Kooperation zwischen den Partnerhochschulen beispielsweise dadurch aus, dass jede Universität studentische Unternehmer an die für deren Zwecke jeweils am besten geeigneten Personalkräfte verweist, auch wenn diese bei einem anderen Institut innerhalb des Verbunds beschäftigt sind. Zweitens ist eine der Universitäten aus den Fallstudien bestrebt, im Rahmen der Förderung von Technologietransfer zwischen Forschungslabor und Industrie einerseits sowie zwischen einzelnen Unternehmen andererseits die Funktion einer Hauptschnittstelle zwischen wichtigen örtlichen Branchen und der örtlichen wissenschaftlichen Basis aufzubauen. Der Ansatz sollte bei der Bündelung öffentlicher Fördermittel und privater Finanzierung für Geschäftsideen mit hohem Wachstumspotenzial und für kleine Firmen mit Wachstumsintentionen und darüber hinaus im Rahmen des Ausbaus von Netzwerken zwischen entsprechenden Firmen zum Tragen kommen. Die beiden beschriebenen Arten von Netzwerkaktivitäten erlauben den Universitäten die Entwicklung individueller und kollaborativer Stärken und unterstützen den Auf- und Ausbau örtlicher Verknüpfungen zwischen Spin-Outs und lokalen Firmen. Eine Ausweitung der anfänglichen Zielgruppe aus Universitätsstudenten, Absolventen und akademischem Personal auf eine neue Zielgruppe, die nunmehr auch lokale Unternehmens-Cluster, Finanzierungsinstitutionen und Wagniskapitalgeber umfasst, kann als vielversprechender Ansatz mit dem Ziel einer umfassenden Nutzung des Netzwerkpotenzials angesehen werden, durch den ein Beitrag zu einer nachhaltigeren ökonomischen Entwicklung innerhalb der Region geleistet wird. Ungeachtet dynamischer unternehmerischer Aktivitäten in den höheren Bildungsinstitutionen erfordern Technologie- und Wissenstransfer in die örtlichen KMU ein aufnahmebereites Umfeld auf 168 beiden Seiten. Ein solches Umfeld ermöglicht die Kommunikation und Interaktion zwischen diesen beiden Bereichen, die sich oft völlig unabhängig voneinander entwickeln. Kulturelle Barrieren zwischen örtlichen KMU und den höheren Bildungseinrichtungen und Forschungsgemeinschaften in der Region verhindern oftmals die Bildung sozialer Netzwerke, die Voraussetzung für den Aufbau formalerer Partnerschaften sind. Die OECD-Untersuchung zeigt, dass nur durch zwischenmenschliche Beziehungen eine Brücke zwischen diesen beiden Welten, die oft strikt von einander getrennt existieren, gebaut werden kann. In den lokalen Fallstudiengebieten scheinen die Anstrengungen der höheren Bildungseinrichtungen, die auf einen Wissens- und Technologietransfer hin zu nicht aus der Hochschule stammenden Unternehmern abzielen, vollständig in die Partnerschaftsarbeit mit Unternehmensfördereinrichtungen eingebettet zu sein, und zwar sowohl auf Kommunal- als auch auf Länderebene. Die bestehenden Netzwerkstrukturen bilden die Grundlage des politischen Handelns und der kommunalen Unternehmensförderprogramme mit dem Ziel des weiteren Ausbaus der Interaktion zwischen Forschung und örtlichem Geschäftssektor. Höhere Bildungseinrichtungen sollten den Wert des infolge ihrer Forschungstätigkeit geschaffenen geistigen Eigentums erkennen. In den lokalen Fallstudiengebieten erfordert die Ausnutzung bislang zu wenig genutzter Mittel der Kommerzialisierung eine maximale Reduzierung der für die Professorenschaft bestehenden Barrieren beim Aufbau von Unternehmen. Universitäten sollten für Professoren langfristig Anreize zur Unternehmensgründung anbieten. Dazu gehören Mittel und Wege zur Sondierung der Möglichkeiten in Bezug auf geistiges Eigentum, auch im Hinblick auf einen potenziellen Technologie- und Wissenstransfer. Technologiebasierte Unternehmen, die aus der Universität heraus gegründet werden, verwerten in erster Linie die Erfindungen von Studenten (einschließlich Diplomanden und Doktoranden, die Forschung in direkter Zusammenarbeit mit Professoren betreiben). Anstrengungen bezüglich der Kommerzialisierung von Technologien, die von Professoren selbst erfunden wurden, gibt es weitaus weniger. Folglich dürfen einige der besten Technologien nicht übertragen werden und die Universitäten, an denen die Technologien erfunden wurden, realisieren dadurch nicht den gesamten möglichen finanziellen Nutzen einer Kommerzialisierung dieser Technologien. Technologietransfer wird auch dadurch erzielt, dass Studenten als Praktikanten in technologiebasierte Unternehmen geschickt werden. In einem der lokalen Fallstudiengebiete, wo es keine höhere Bildungseinrichtung in der näheren Umgebung gab, haben Kommunen, die Handelskammern und eine Fachhochschule eine Partnerschaft gegründet, in deren Rahmen örtliche Unternehmen durch Aufnahme von Diplomanden aus der technologischen Forschung profitierten. Es gibt in lokalen Fallstudiengebieten erste Initiativen, in deren Rahmen höhere Bildungseinrichtungen teuere wissenschaftliche Ausrüstung nach Bedarf an KMU vermieten. So wird die Interaktion zwischen höheren Bildungseinrichtungen mit technologieorientierten KMU erleichtert und den KMU der Zugang zur neuesten Technik ermöglicht. Die KMU können so ihre Qualifikationen auf dem aktuellen Stand halten und ihren relativen Größennachteil ausgleichen. Im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Infrastruktur der Unternehmensförderung in den lokalen Fallstudiengebieten ist es wichtig, den Umfang von öffentlicher Finanzierung und von EU-Finanzierung festzustellen. Die bestehenden politischen Initiativen selbst sind beeindruckend, ohne weiterlaufende öffentliche Finanzierung jedoch könnten sie sich als nicht fortführbar erweisen. Der derzeitige Umfang und Einsatzöffentlicher Finanzierungsmittel müssten im Hinblick auf einen möglichen Übergang zu wirtschaftlicher Unabhängigkeit und weg von Kick-off-Aktivitäten überprüft werden. Sämtliche Akteure aus Wirtschafts- und Innovationsförderung sollten an der Erarbeitung einer für sie geltenden Entwicklungsstrategie mit stärker kommerziellem Ansatz beteiligt werden. Es sollten Wege zum Ausbau einer privaten Beteiligung im Bereich Infrastrukturentwicklung ermittelt werden. Im Sinne der zukünftigen Nachhaltigkeit entsprechender Strukturen sollten im Bereich Innovationsförderung auch Immobilien als Vermögenswert betrachtet werden, mit dem eine kommerzielle Rendite erwirtschaftet werden kann, die unter Umständen zur Sicherung weiterer öffentlicher und privater Investitionen einsetzbar ist. Die in den 169 Fallstudiengebieten bereits laufende graduelle Verringerung der öffentlichen Finanzierung von Gründungsaktivitäten und die wachsenden Anstrengungen bezüglich einer Einbeziehung des privaten Sektors können hier als Beispiele einer Politik der Guten Praxis genannt werden, die weiterverfolgt werden sollte. Weitere Maßnahmen mit diesem Ziel wären beispielsweise private Kapitalbeteiligungen an Unternehmensgründungen aus der Universität heraus und ein zunehmendes finanzielles Sponsoring durch örtlich ansässige Unternehmen. Die lokalen Fallstudien in Ostdeutschland haben eine Reihe von Handlungsempfehlungen an die Politik zutage gefördert, die von Kommunen und örtlichen Organisationen, die im Rahmen von Entwicklung und Stärkung des Unternehmertums tätig sind, umgesetzt werden können. Ungeachtet ihrer lokalen Herkunft scheinen diese Handlungsempfehlungen an die Politik in größerem oder kleinerem Umfang auch für andere Orte in Ostdeutschland und anderswo relevant. Die nachfolgende Auflistung von Empfehlungen könnte somit als Checkliste für politisch Verantwortliche und lokale Organisationen dienen, wenn diese sich mit der Neuaufstellung einer Politik der Unternehmensförderung befassen, durch die der Beitrag des Hochschuldbildungssektors zur Entwicklung des örtlichen Unternehmertums maximiert wird. Besonderer Nachdruck liegt dabei auf der Entwicklung von innovativen und wachstumsorientierten Unternehmen durch Nutzung des vorhandenen wissenschaftlichen und technologischen Kapitals. Handlungsempfehlungen zur Stärkung von Unternehmertum an Hochschulen und lokalen Beziehungen zwischen Wissenschaft und Industrie Einrichtung akademischer Programme rund um Entrepreneurship. Bei Vorhandensein der nötigen Ressourcen sollten Hochschulen, aufbauend auf dem Interesse einer Vielzahl von Studenten aller Fachrichtungen, feste akademische Programme rund um Entrepreneurship einrichten. Angemessene Ergänzungen des Lehrplans sollten über informelle Workshops und Seminare hinausgehen und interessierte Studenten bei der Vorbereitung zur Führung eines Unternehmens in der realen Welt vorbereiten. Darüber hinaus sollten Professoren, wissenschaftliches Personal und Verwaltungsangestellte gleichermaßen mit einer unternehmerischen Einstellung vertraut gemacht werden. Einführung von Methoden, um Programmauswirkungen zu monitorieren und zu evaluieren. Prozesse sollten entwickelt und umgesetzt werden, um sozioökonomische Auswirkungen von EntrepreneurshipAusbildung an Universitäten zu evaluieren. Hierdurch ließen sich der Rollenfindungsprozess und der Einfluss einer Universität innerhalb des regionalen oder lokalen Innovationssystems nachvollziehen, bewerten und gegebenenfalls auch steuern. Ebenso könnte sich eine Ausweitung des Teilnehmerkreises der Entrepreneurship-Ausbildung positiv auf unternehmerische Haltungen und Einstellungen von nicht universitären Unternehmern in der Region auswirken. Weiterer Abbau der Barrieren für Unternehmensgründungen durch Professoren und Universitätsangehörige. Hochschulen sollten versuchen, bestehende inneruniversitäre Hindernisse für Unternehmensgründungen durch Professoren und Wissenschaftler weitgehend abzubauen, um so bestehendes und latentes Kommerzialisierungspotential maximal auszuschöpfen. Langfristig sollten Professoren Anreize zur Unternehmensgründung erhalten. Solche Anreize könnten eine Reduzierung des Lehrpensums, Kapitaleinlagen in Unternehmensgründungen oder eine Nutzungsgebühr aus Lizenzen dieser Unternehmensgründungen beinhalten. Verstärkt auf intellektuelles Eigentum achten. Hochschulen sollten den Wert des aus der Forschung resultierenden intellektuellen Eigentums erkennen, dieses energischer beschützen und Möglichkeiten zur kommerziellen Wertschöpfung wahrnehmen. Förderung von Spitzeninnovation. Die Vermittlung von Geschäftsbeziehungen zwischen größeren regional agierenden Unternehmen, die latente und ungenutzte Ressourcen an geistigem Eigentum aufweisen und diese anbieten wollen, und KMUs, welche über Nutzungskapazität verfügen, sollte Teil der Förderung von Spitzeninnovationen sein. Kleinere Unternehmen könnten geistiges Eigentum erwerben, lizenziert verwenden oder gegen eine Provision im eigenen Betrieb einsetzen. Dieses Vorgehen könnte durch eine spezialisierte Einrichtung begleitet werden, die adäquates Technologie- und unternehmerisches Verständnis und Bewusstsein besitzt, Kontaktmöglichkeiten erkennt und so einen Austausch initiieren und erleichtern kann. 170 Verstärkung der Ausrichtung auf Unternehmen mit hohem Wachstums- und Internationalisierungspotential. Entrepreneurship-Ausbildung an Universitäten und Fachhochschulen sollte ein größeres Augenmerk auf wachstumsorientierte Unternehmen und deren Internationalisierung legen. Vorrangiges Ziel sollte hierbei sein, eine Kultur für Unternehmertum und eigenständige Beschäftigung zu verfestigen. An Hochschulen ausgebildete Unternehmer sollten inspiriert werden, noch energischer und ehrgeiziger über das Potential ihrer Unternehmungen nachzudenken. Hochschule-Industrie-Partnerschaften fördern. Allgemein gesprochen ist eine örtliche Kooperation zwischen Hochschuleinrichtungen und Unternehmen begrenzt. Die Netzwerkbildung kann jedoch durch eine koordinierende Organisation erleichtert werden, die von den örtlichen Unternehmen als neutral angesehen wird und die zumindest einen Spill-over-Effekt von Wissen und Know-how erzeugen kann. Hochschulen sind in der Regel nicht die Gesprächspartner der örtlichen Unternehmen. Selbst High-TechFirmen und Wachstumsunternehmen richten sich mit Unterstützungs- oder Interaktionsanliegen eher an die Kammern. Eine engere Zusammenarbeit zwischen den kleinen und mittleren Unternehmen und den Kammern, eventuell auf stärker formalisierter Ebene, könnte daher zum Abbau von Schwellen und Barrieren zwischen der Universität und den Firmen beitragen. Innovationsnutzung durch eine weiter gefasste Gruppe von Firmen. Die bestehende Innovationsinfrastruktur sollte stärker dazu genutzt werden die Zusammenarbeit zwischen dem Hochschulsektor, örtlichen Unternehmen (aller Größen) und größeren Firmen andernorts anzukurbeln. Multinationale Unternehmen vor Ort oder anderswo stellen aufgrund ihres starken Zugangs zu Märkten eine Chance für die lokale Wirtschaft dar, um Kommerzialisierungsprozesse zu akzelerieren und aufzuwerten. Derartige Allianzen können dazu beitragen, innovative Produkte und Dienstleistungen unter marktähnlichen Umständen zu testen und die Zeit-zu-Markt ('time-to-market') Beziehung positiv zu beeinflussen. Bei der Aufstellung von derartigen Wertschöpfungsstrategien ist es jedoch, wichtig auf den Schutz von intellektuellem Eigentum zu achten. Schaffung von Unternehmensinkubatoren erwägen. Inkubationszentren sind ein wichtiges Instrument, um neuen und kleinen technologieorientierten Unternehmen den Start und die Entwicklung durch Bereitstellung geeigneter Infrastruktur und maßgeschneiderten Service zu vereinfachen. Konzepte, die sich nicht nur auf die Zeit im Inkubator beschränken, sondern auch die Phasen davor und danach (Pre-Inkubator und PostInkubator) mit einschließen, ermöglichen durch ein Eingehen auf phasenabhängige Bedürfnisse der Inkubatorfirmen eine maßgeschneiderte Förderung. Durch eine Post-Inkubationsförderung lassen sich Kontakte zwischen ehemaligen und derzeitigen Inkubationsfirmen, die unterschiedliche Entwicklungsphasen durchlaufen, herstellen. Dies könnte Netzwerkaktivitäten allgemein erleichtern. Der Erfahrungsaustausch mit erfolgreichen und innovativen Inkubatoren andernorts kann eine Angebotsoptimierung ermöglichen. Um Bedarf und Nachfrage nach Inkubationseinrichtungen zu ermitteln, sollten entsprechende Studien durchgeführt werden. Bei nicht ausreichender regionaler Nachfrage sollte überregionale Zusammenarbeit in Betracht gezogen werden. Verstärkung internationaler Netzwerkaktivitäten. Eine aktive Teilnahme an internationalen Netzwerken könnte einen Beitrag zur Internationalisierung der lokalen Wirtschaft leisten. Es ist wichtig, Mitglieder der Universitätsleitung und Politiker mit Kollegen aus anderen Regionen zusammenzubringen. Als Beispiele solcher Netzwerke können genannt werden: die Europäische Vereinigung Regionaler Entwicklungsagenturen (European Association of Development Agencies, EURADA) - diese plant gerade den Start eines europäischen Netzwerks von Universitäten und Regionen -, der Internationale Rat für Wirtschaftliche Entwicklung (International Economic Development Council, IEDC) in den Vereinigten Staaten von Amerika, das Netzwerk der Europäischen Business Engel (European Business Angels Network), die Nationale Vereinigung der Business Inkubatoren (National Business Incubation Association) sowie die Aktivitäten des Programmes für Lokale Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung der OECD (Local Economic and Employment Development, LEED). Weiterentwicklung der Alumni-Netzwerke. Hochschul-Alumni-Netzwerke sollten verstärkt genutzt werden. Der Zugang zu regelmäßigen Informationen in Form von Newslettern und Mailinglisten sowie das Abhalten regelmäßiger Treffen zu ausgewählten wissenschaftlichen Themen könnten dabei helfen, den Kontakt zu halten. Eine Einbindung von erfolgreichen Alumni-Unternehmern kann einen wertvollen Beitrag zur Entrepreneurship-Ausbildung an Hochschulen darstellen. 171 Box 10. Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in der Förderung von Unternehmertum aus Hochschulen und sich entwickelnder Verknüpfungen zwischen Hochschulen und Industrie Zentrum für Innovation und Entrepreneurship (CIE), Universität Linköping – Schweden: Förderung von Hochschulabsolventen, die ein Unternehmen gründen wollen; und Technologiefirmen den Zugang zur universitären Forschung und Lehre für die Gründung und Führung von technologieorientierten Unternehmen erleichtern. San Diego CONNECT – Vereinigte Staaten von Amerika: Nutzen aus der Notwendigkeit und dem Verständnis von Innovation als sozialen Prozess, welches auf Interaktion, Entdeckungen, Vertrauen, und den Austausch von impliziertem Wissen ziehen. Zentrum für geistige Eigentumsstrategien (CIPS) – Japan: Konzipierung und Verwaltung von geistigen Eigentumsstrategien in Form eines „one-stop-shops“. Technology Venture Programme (TVP) – eine Reaktion der Universität Illinois Chicago auf das US Bayh-DoleGesetz von 1980 – Vereinigte Staaten von Amerika: Unternehmen gründen, um universitäres geistiges Eigentum zu kommerzialisieren. Enterprise Champions – Vereinigtes Königreich: Unternehmertum mit der Universität verbinden. Business Inkubator Jyväskylä – Finnland: 360°-Unterstützung für neugegründete Hochtechnologie-Firmen und junge Unternehmen. Alumninetzwerke am Rochester Institut für Technologie – Vereinigte Staaten von Amerika: Den Wissens-Pool und finanzielle Hochschulressourcen erweitern und ausbauen. 172 KAPITEL 5 UNTERNEHMERTUM IM LÄNDLICHEN RAUM 173 FÖRDERUNG DES UNTERNEHMERTUMS IM LÄNDLICHEN RAUM David Smallbone, Großbritannien Einleitung Dieses Diskussionspapier befasst sich mit den Herausforderungen und Möglichkeiten der Entwicklung von Unternehmertum in ländlichen Gebieten und will damit einen Beitrag zur Entwicklung politischer Handlungsstrategien zum Wiederaufbau ländlicher Gebiete in Ostdeutschland leisten. Die Untersuchung basiert auf einer kritischen Sichtung der internationalen Literatur und Modellen Guter Praxis in den OECD-Mitgliedsländern. In einem neueren OECD-Bericht (2005) wurden drei spezifische Herausforderungen für ländliche Gebiete mit Auswirkungen auf unternehmerisches Engagement ermittelt: Rückläufige Beschäftigungsmöglichkeiten im Primärsektor (vor allem in der Landwirtschaft) infolge des Strukturwandels, verstärkt durch Veränderungen der Politik, die sich aus Überprüfungen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (CAP) und durch das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) ergeben. Die Notwendigkeit von Schritten zur Anregung wirtschaftlicher Aktivität mit beschäftigungswirksamem Potenzial in ländlichen Gebieten wird deutlich. Eine alternde Bevölkerung bei gleichzeitiger Abwanderung von jungen Menschen und eventuellem Zuzug von Personen im Ruhestand; beides wirkt sich auf den Nachwuchs an potenziellen Unternehmern aus. Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung einer ausreichenden Anzahl von Einrichtungen für die Unterstützung wirtschaftlicher Entwicklung, einschließlich einer Reihe unternehmerischer Dienstleistungen. Im selben Bericht (OECD op. cit.) wurden jedoch auch neue Möglichkeiten aufgezeigt: Gestiegene Nachfrage nach ländlichen Nahversorgungsmöglichkeiten seitens der städtischen Bevölkerung; Quellen für wirtschaftlichen Erfolg, z.B. dynamische KMU-Cluster; und Entwicklung von diversifizierten Agroindustrien und ländlichem Tourismus. Darüber hinaus bieten Entwicklungen in der Kommunikationsindustrie Unternehmen in ländlichen Randgebieten Möglichkeiten insbesondere bei der Überwindung von Entfernungshindernissen. Positiv fiel weiter die Anpassungsfähigkeit kleiner Firmen in ländlichen Gebieten auf, wodurch externe Umfeldbeschränkungen überwunden werden können (Smallbone et al. 1999, Vaessen und Keeble 1995). Chancen liegen auch in Produkten, in denen sich 175 Qualitätstraditionen und Handwerkskunst, die Verbundenheit mit der Natur und ein Gefühl von Heimat und Kultur widerspiegeln (Dabson 2001). Die Heterogenität ländlicher Umgebungen Bei der Ermittlung von Problemstellungen und Herausforderungen, denen die Politik in ländlichen Gebieten gegenübersteht, ist die Berücksichtigung der Heterogenität dieser Gebiete sowohl international als auch landesintern wesentlich. Teilweise zeigt sich diese Heterogenität auch in der charakteristischen Stellung, die ländliche Gebiete innerhalb ihrer nationalen Volkswirtschaft einnehmen (z.B. ob sie zentral oder peripher gelegen sind). Andere Unterschiede ergeben sich auf nationaler und regionaler Ebene und aus möglichen Wegen ländlicher Entwicklung. Ländliche Randgebiete sind gekennzeichnet durch ihre Entfernung von großen Märkten, Abwanderung, infrastrukturelle Defizite und durch hohe Abhängigkeit von bodengebundene Wirtschaftsaktivitäten. Zugängliche oder zentraler gelegene ländliche Gebiete verfügen demgegenüber im Allgemeinen über eine höhere Bevölkerungsdichte, räumliche Nähe zu Märkten, geringere Abhängigkeit von der Landwirtschaft und eine diversifiziertere ökonomische Basis (Meccheri und Pelloni 2006). Folglich befinden sich ländliche Gebiete im Vergleich mit ihren städtischen Entsprechungen im Hinblick auf unternehmerische Aktivität nicht immer im Nachteil. Tatsächlich gibt es unter den ländlichen Gebieten große Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistung, da in mehr als einem Drittel der OECD-Mitgliedsländer die Region mit dem höchsten Beschäftigungswachstum der ländliche Bereich ist (OECD 2006a). Bessere Fernverkehrsverbindungen und die Zunahme von heimbasierter Arbeit haben die Kombination eines Lebens im ländlichen Bereich mit gleichzeitiger ertragreicher Beschäftigung ermöglicht. Dies hat zusammen mit einer gestiegenen Nachfrage nach ländlichen Werten, einschließlich des gestiegenen Interesses an der Natur, Arbeitskräfte und Investitionen in einige ländliche Gebiete geholt. Entsprechende Faktoren haben in Ländern wie Frankreich, England und den Niederlanden zu einer Umkehr des Abwanderungstrends aus ländlichen Gebieten geführt. Definitionsfragen: Unternehmertum und ländliches Gebiet Die genannten Unterschiede zwischen ländlichen Gebieten führen zur Frage nach der Definition von ländlichen Gebieten an sich. In Europa haben so auch einige Autoren in Frage gestellt, ob es vor dem Hintergrund der Veränderungen in den letzten Jahrzehnten weiterhin sinnvoll ist, von rein „ländlichen“ Gesellschaften zu sprechen (z.B. Perrier-Cornet und Hervieu 2002). Gleichzeitig haben andere Autoren die verbleibenden gemeinsamen Charakteristika der ländlichen Gebiete in Europa in Bezug auf die niedrige Bevölkerungsdichte und die wirtschaftliche, soziale und symbolische Bedeutung von Naturressourcen hervorgehoben (Ferrao und Lopes 2004). Die vorliegende Untersuchung anerkennt zwar die Argumente der erstgenannten Ansicht, konzentriert sich jedoch auf diejenige der zweiten Gruppe. Doch auch hier weichen die Definitionen dessen, was ein „ländliches“ Gebiet ausmacht, noch immer voneinander ab. Mit Bezug auf die USA hat Shields (2005) ländliche Gebiete als „nicht-städtische Gebiete mit niedriger Bevölkerungsdichte“ definiert. Das Merkmal der niedrigen Bevölkerungsdichte findet in die meisten der statistischen Definitionen ländlicher Gebiete Eingang. Die Größenschwellen für Ansiedlungen, die als Ausschlusskriterium dienen, sind in den einzelnen Ländern jedoch noch immer sehr verschieden und rangieren in Europa von weniger als 5.000 Einwohnern in der Slowakei bis zu weniger als 30.000 Einwohnern in Bulgarien (Mandl et al. 2007). Die OECD hat selbst eine Typologie von städtischen und ländlichen Gebieten, basierend auf drei Kriterien entwickelt: Bevölkerungsdichte; Prozentsatz der Personen, die in ländlichen Gemeinden leben; Größe von städtischen Zentren. Damit werden drei Arten von Regionen ermittelt: 176 Vorwiegend ländliche Regionen, in denen mehr als 50% der Bevölkerung in Gemeinden mit einer Bevölkerungsdichte von unter 150 Einwohnern pro Quadratkilometer leben. Im Wesentlichen ländliche Regionen/Zwischenregionen, in denen zwischen 15 und 50% der Bevölkerung in Gemeinden mit einer Bevölkerungsdichte von unter 150 Einwohnern pro Quadratkilometer leben oder in denen ein städtisches Zentrum mit mindestens 200.000 Einwohnern, das mindestens 25% der Bevölkerung ausmacht, in einer ansonsten vorwiegend ländlichen Region vorhanden ist. Vorwiegend städtische Regionen, in denen weniger als 15% der Bevölkerung in Gemeinden mit einer Bevölkerungsdichte von unter 150 Einwohnern pro Quadratkilometer leben. In der Literatur finden sich auch zahlreiche Definitionen des Begriffs „Unternehmertum“. In dieser Untersuchung wird die umfassende Definition aus dem Global Entrepreneurship Monitor verwendet: „Jeder Versuch des Aufbaus eines neuen Geschäftsunternehmens bzw. der Ausbau eines bestehenden Geschäftsunternehmens durch eine Einzelperson, ein Team von Einzelpersonen oder ein bestehendes Unternehmen“ (Zacharis et al. 2000). Enger gefasste Definitionen konzentrieren sich eher auf die Schaffung von Neuheiten (z.B. Wennekers und Thurik 1999) durch Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial, die einen besonders starken potenziellen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung leisten. Einige Autoren haben jedoch schon früher mit Nachdruck festgestellt, dass in vielen ländlichen und benachteiligten Gebieten „alle Arten von kleinen Unternehmen gebraucht werden – solche mit hohem Wachstumspotenzial und solche, die zu Lifestyle-Zwecken oder zur Selbstversorgung gegründet wurden und in erster Linie lokale Bedürfnisse abdecken“ (Dabson 2001, S. 36). Die vorliegende Untersuchung teilt diese Ansicht, da die Zukunftsfähigkeit ländlicher Gemeinden eine solche Mischung erfordert. Die Untersuchung gliedert sich in drei Hauptabschnitte: Im ersten werden die wichtigsten Politikfragen und Herausforderungen für die Entwicklung von Unternehmertum in ländlichen Gebieten herausgearbeitet; der zweite Abschnitt beschreibt die verschiedenen Ansätze der Politik in Bezug auf ländliche Unternehmen in OECD-Mitgliedsländern; der dritte Abschnitt schließlich befasst sich mit den Implikationen für Unternehmenspolitik in den ländlichen Gebieten von Ostdeutschland. Probleme und Herausforderungen der Politik in Bezug auf die Entwicklung von Unternehmertum in ländlichen Gebieten Besonderheiten des ländlichen Raums Ein Kernthema im Rahmen dieser Untersuchung ist die Frage, inwieweit sich ländliche Gebiete aus unternehmerischer Sicht von städtischen unterscheiden. In Bezug auf die USA hat man beispielsweise angenommen, dass ländliche Milieus Eigenschaften aufweisen, die einen unverwechselbaren Kontext für kleine Unternehmen darstellen. So haben beispielsweise die Ergebnisse einer Studie zu 76 ländlichen Unternehmen in der mittelatlantischen Region der USA die Hypothese klar gestützt, dass die Eigentümer ländlicher Kleinunternehmen ihr Geschäft in Übereinstimmung mit ländlichen soziokulturellen Werten führen, woraus der beträchtliche Einfluss ländlicher Besonderheiten auf die Aktivitäten von Kleinunternehmen hervorgeht (Shields 2005, S. 59). Die Beispiele zeigen auch die Bedeutung, die die Eigentümer ländlicher Kleinbetriebe der Mund-zuMund-Propaganda und dem Vorrang von familiären, freundschaftlichen und nachbarschaftlichen Beziehungen für den erfolgreichen Betrieb ihrer Unternehmen beimessen. Shields ist der Ansicht, dass aus diesen Ergebnissen ein Zurücktreten von formalen Quellen der Unternehmensberatung hinter Familie, Freunde und Nachbarn hervorgeht, worin sich die Rolle der Einbettung (d.h. ein Individuum 177 ist in eine Gemeinschaftsstruktur integriert und hilft bei der Aufrechterhaltung dieser Gemeinschaftsstruktur) in den unternehmerischen Prozess zeigt (Jack und Anderson 2002). Andere in den USA durchgeführte Studien weisen als unterscheidende Faktoren für kleine Unternehmen in ländlichen Gebieten auf die niedrige Bevölkerungsdichte (Drabenstott 1999), auf das im Vergleich mit städtischen Gebieten niedrigere Verbrauchereinkommen und den niedrigeren Bildungsstand (Economic Research Service of the US Department of Agriculture 2003) und auf soziokulturelle Werte hin (Allen und Dillman 1994). Politische Initiativen mit dem Ziel der Förderung von Unternehmensgründungen und Unternehmenswachstum in ländlichen Gebieten haben die besonderen Herausforderungen, denen diese Gebiete gegenüberstehen, zu berücksichtigen. Diese hängen mit drei Hauptaspekten zusammen: Besondere wirtschaftliche Rahmenbedingungen; Eigenschaften von ländlichen Bevölkerungen; Aspekte der bestehenden Wirtschaftsstruktur. Merkmale der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in ländlichen Gebieten Zu den besonderen Merkmalen der ländlichen Wirtschaft gehören: Die geringe Größe lokaler Märkte; besondere Charakteristika ländlicher Arbeitsmärkte; Verfügbarkeit von Geschäfts- und Gewerberäumen; Transport- und Kommunikationsinfrastruktur; Zugang zu Informationen, Beratung und Dienstleistungen; Finanzierungsmöglichkeiten; institutionelles Umfeld. Diese Faktoren werden im Folgenden genauer untersucht. Geringe Größe lokaler Märkte Selbstverständlich besteht einer der möglichen Nachteile für ländliche Betriebe im Vergleich mit ihrem städtischen Gegenpart in der geringen Größe des lokalen Marktes, der im Allgemeinen mit der niedrigen Bevölkerungsdichte und in einigen Fällen mit niedrigen Pro-Kopf-Einkommen und Haushaltseinkommen einhergeht (Economic Research Service of the US Department of Agriculture 2003). Gleichzeitig ist das Ausmaß, in dem ländliche KMU von lokalen Märkten abhängig sind, in den einzelnen Sektoren unterschiedlich (North und Smallbone 1996). Dementsprechend wurden hinsichtlich ihrer Abhängigkeit vom ländlichen Standort Unterschiede zwischen Produktionsbetrieben und Dienstleistungs-/Einzelhandelsbetrieben festgestellt. Produktionsbetriebe verkaufen im Normalfall erheblich weniger an dauerhaft Ortsansässige und sind folglich weniger besorgt über eine Vervielfältigung des Angebots durch andere lokale Produkte (was einige Autoren als eine implizite Kooperationsstrategie beschreiben) (Shields 2005, S. 60). Eingriffe seitens der Politik müssen die unterschiedlichen Auswirkungen des ländlichen Raums auf Produktionsund Dienstleistungsunternehmen berücksichtigen. Eine der Folgen kleiner Lokalmärkte besteht darin, dass wachstumsorientierte Unternehmen, besonders wenn sie in ländlichen Randgebieten ansässig sind, in einem früheren Stadium ihrer Entwicklung in nicht-lokale Märkte vordringen müssen als dies bei im städtischen Raum ansässigen Unternehmen der Fall ist. Dies hat Auswirkungen auf die externe Unterstützung, derer sie mit Wahrscheinlichkeit bedürfen (Smallbone et al. 1993a; 2003). Bei stark wachstumsorientierten Firmen wird diese Unterstützung in der Regel von Anfang an benötigt. Gleichzeitig haben die gesunkenen Transportkosten (und die verbesserte Kommunikationstechnologie) im Laufe der Zeit für ländliche Unternehmen zu einer erheblichen Ausweitung potenzieller Marktbereiche geführt (Freshwater 2000). Dennoch brauchen kleine Unternehmen oft Hilfe, um dieses Potenzial voll ausschöpfen zu können. Einer der Wege zur Anpassung an peripher gelegene ländliche Standorte, der von kleineren Firmen eingeschlagen wurde, besteht in der Spezialisierung auf bestimmte Nischenmärkte, in denen 178 die durchschnittliche Anzahl von Wettbewerbern niedriger ist als in anderen Bereichen (Keeble 1993, Cosh und Hughes 1998). Tatsächlich geht aus Untersuchungen auf beiden Seiten des Atlantiks hervor, dass hinsichtlich des geographischen Marktumfangs ländliche Unternehmen im selben Ausmaß Zugang zu Exportmärkten haben wie Unternehmen im städtischen Bereich (Gale 1998). Diese Feststellung wird gestützt durch die Ergebnisse einer Langzeitstudie in Großbritannien, in deren Rahmen das Exportverhalten und die entsprechenden Verfahren von 621 in ländlichen bzw. in städtischen Gebieten ansässigen Firmen untersucht wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass der Anteil an Firmen, die einen Export von Waren und Dienstleistungen zu verzeichnen hatten, unter den ländlichen Firmen größer als unter den städtischen war. Gleichzeitig zeigte sich, dass ländliche Unternehmen stärker durch Reaktion auf Initiativangebotsanfragen von ausländischen Kunden auf ausländische Märkte vordringen konnten als städtische Unternehmen, die im Rahmen ihres Exportmarketings tendenziell proaktiver vorgingen. Eine der sich für die Politik ergebenden Schlussfolgerungen der Autoren ist die Notwendigkeit eines verbesserten Zugangs zu Marktinformationen für ländliche Unternehmen, durch die deren Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden kann (Westhead et al. 2001). Insgesamt zeigen die Untersuchungen jedoch, dass Unterstützung bei der Entwicklung eines strategischeren Zugangs zu ausländischen Märkte erforderlich ist (Wyer und Smallbone 1999). Besondere Charakteristika ländlicher Arbeitsmärkte Zum eingeschränkten Umfang lokaler Produktmärkte kommt oft noch eine geringe Größe und wenig aufgefächerte Zusammensetzung ländlicher Arbeitsmärkte, was sich für rasch wachsende KMU als hinderlich erweisen kann. Aus einer Untersuchung von innovativen Kleinunternehmen in ländlichen Gebieten von Devon und Cornwall in Großbritannien geht zum Beispiel hervor, dass der „Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften“ eine der am häufigsten genannten Hindernisse für ländliche Unternehmen ist. Hier machen sich die geringe Größe und das schmale Angebot auf ländlichen Arbeitsmärkten bemerkbar (Smallbone et al. 2003). Freshwater (2000) geht für die ländlichen Arbeitnehmer von einem niedrigeren Bildungs- und Qualifizierungsstand aus als in städtischen Gebieten. Er weist jedoch darauf hin, dass dies historisch betrachtet kein größerer Hinderungsgrund für die ländliche Entwicklung war, da die spezifischen Aktivitäten in ländlichen Gebieten den Ausgleich eines niedrigeren Qualifizierungsstandes ermöglichen, entweder standortbedingt oder aber durch stellenspezifische Erfahrungen und/oder durch informale Ausbildung innerhalb der Familie oder der örtlichen Gemeinschaft. Hohe Raten beruflicher Nachfolge neben einem begrenzten Umfang an beruflichen Auswahlmöglichkeiten verstärkten diesen Prozess. Traditionelle Berufsmöglichkeiten werden jedoch zunehmend rar, und neue Beschäftigungsmöglichkeiten in aufstrebenden Sektoren, wie betriebliche Dienstleistungen und IT, verlangen im Normalfall einen größeren Umfang an Ausbildung und Qualifizierung als traditionelle Tätigkeiten. In diesem Kontext könnte sich die Qualifizierungsbasis der ländlichen Arbeitnehmerschaft als Hemmnis für die Entwicklung von Unternehmen im ländlichen Raum erweisen. Darüber hinaus ist der Zugang zu entsprechenden Schulungs- und Ausbildungsmaßnahmen in Gebieten mit niedriger Bevölkerungs- und Wirtschaftsdichte unter Umständen teurer. Verfügbarkeit von Geschäfts- und Gewerbeflächen Während es in städtischen Gebieten im Allgemeinen ein großes Angebot an Immobilien für Unternehmen unterschiedlichster Größen gibt, ist dies in ländlichen Gebieten keineswegs so. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich trotz vergleichsweise niedrigerer Kosten für Geschäfts- und Gewerbeflächen in ländlichen Gebieten (z.B. Welsh Assembly Government 2002) für wachsende Unternehmen Schwierigkeiten ergeben können, da größere Betriebsstätten innerhalb einer kurzen Distanz zu ihrem jeweiligen Standort unter Umständen nicht verfügbar sind (Keeble et al. 1992). In einigen ländlichen Gebieten wirken sich auch Planungskontrollen, die dem Umweltschutz in diesem 179 Gebiet dienen, auf die Verfügbarkeit von Geschäfts- und Gewerbeflächen aus. Die Wirtschaftspolitik hat auf die Nachfrage nach mehr Geschäfts- und Gewerbeflächen ohne die mit neuen Gebäuden verbundenen negativen Auswirkungen auf die Umwelt unter anderem mit sog. Redundant Buildings Grants Schemes, d.h. mit Umwandlungszuschüssen reagiert, mit denen die Umwandlung bereits bestehender Gebäude zum Zweck der geschäftlichen Nutzung gefördert wird. Zusammengefasst lässt sich sagen: Ein beschränktes Angebot an Geschäfts- und Gewerbeflächen widerspiegelt unter Umständen geringe Renditen für Bauträger an Standorten mit geringer unternehmerischer Aktivität, wodurch die Nachfrage nach entsprechenden Betriebsstätten naturgemäß gering ist. Unter diesen Umständen liegt ein Fall für das Eingreifen der öffentlichen Politik vor, um so den Markt für Geschäfts- und Gewerbeflächen zu stimulieren. Transport- und Kommunikationsinfrastruktur Die Entlegenheit vieler ländlicher Gemeinden stellt kleine Unternehmen vor transportbedingte logistische Herausforderungen, da die Bevölkerungsverteilung sehr gestreut ist (Barkema und Drabescott 2000) und Entfernungen zu großen nationalen Märkten beträchtlich sein können. In einigen Ländern verstärken die Entfernungen zwischen Knotenpunkten in schwach besiedelten Regionen bzw. zwischen ländlichen und städtischen Gebieten die negativen Auswirkungen von Gelände und rauen klimatischen Bedingungen. Die Infrastruktur ist in diesem Falle besonders wichtig, da sie sich auf die Fähigkeit einer Region auswirkt, Unternehmen und Menschen anzuziehen und am Ort zu halten (OECD 2006a). Gleichzeitig bietet der effektive Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien für ländliche und peripher gelegene Unternehmen ein Mittel zur Überwindung von Problemen aufgrund räumlicher Distanz, soweit die entsprechende Infrastruktur verfügbar ist. Entlegene ländliche Gebiete sind aufgrund der relativ niedrigen und verstreuten Nachfrage im Bereich von Investitionen in die Telekommunikationsinfrastruktur oftmals benachteiligt (Warren 2000). Folglich wird berichtet, dass beispielsweise in den USA ländliche Gemeinden in Bezug auf Investitionen in die Infrastruktur und hinsichtlich der Bandbreitenkapazitäten hinter städtischen Gebieten zurückbleiben (Leatherman 2000), was auf eine Verbindung aus Entfernung und niedriger Bevölkerungsdichte zurückgeführt wird. Gleichzeitig gibt es Hinweise dafür, dass DSL-Anbieter sich durch verstreute Nachfrage und relativ hohe Kosten nicht von Investitionen in entlegene ländliche Gebiete abhalten lassen und dass die den Verbrauchern in Rechnung gestellten Preise nicht notwendig höher sein müssen (OECD 2003). Das Problem gestaltet sich wahrscheinlich in den einzelnen Ländern aufgrund unterschiedlicher Marktund Regulierungsbedingungen unterschiedlich. Andere Probleme in Zusammenhang mit der Kommunikationsinfrastruktur betreffen die Mobilfunkabdeckung. In Großbritannien etwa hat es keiner der Lizenzinhaber bislang geschafft, eine vollständige Abdeckung im ganzen Land anzubieten (Cabinet Office 1999). Dies kann insbesondere für Selbständige und Inhaber von Kleinstbetrieben in einigen entlegenen ländlichen Gebieten zum Problem werden, zumal für Personen, die Dienstleistungen anbieten, zu welchen sie sich für längere Zeiträume außerhalb der eigenen Büros aufhalten müssen, und die als Firma dennoch zu klein sind, um sich eine Vollzeitkraft fürs Büro leisten zu können. Für diese Personengruppe ist eine uneingeschränkte Netzabdeckung für die Ermöglichung von Kontakten zu potenziellen Kunden unentbehrlich. Zugang zu Informationen, Beratung und Geschäftsdienstleistungen Ein weiterer möglicher Nachteil für Unternehmen in ländlichen Gebieten ist eine im Vergleich zu in Städten ansässigen Unternehmen durchschnittlich größere Distanz zu Unternehmensberatung und unterstützenden Dienstleistungen, die der Markt liefert, z.B. durch Banken, Wirtschaftsprüfer und 180 Berater. Ferner gibt es Hinweise dafür, dass ländliche Unternehmen infolge der schlechten Qualität von Dienstleistungen, die durch entsprechende Marktmechanismen erbracht werden, im Nachteil sein können. Selbst bei Verfügbarkeit entsprechender Dienstleistungen sind diese oft eher auf die Bedürfnisse von Landwirten als auf die von anderen Unternehmertypen in ländlichen Gebieten zugeschnitten (Hitchens 1997). In diesen Fällen ist die Bereitstellung von Hilfeleistungen durch den öffentlichen Sektor zur Überwindung der verschiedenen Marktlücken und Beschränkungen besonders wichtig. Ergebnisse aus einer Studie über Kleinunternehmen an fünf repräsentativen Standorten in Großbritannien weisen nachdrücklich auf den Einfluss der Entfernung bezüglich der Neigung kleiner Firmen zur Inanspruchnahme von Unternehmensberatung hin (Bennett et al. 2000). Die Studie hat gezeigt, dass die ausschlaggebenden Faktoren auf der Nachfrageseite Recherche- und Informationskosten und auf der Lieferseite Beschränkungen aufgrund der örtlichen Geschäftsstruktur waren. Aufgrund beider Faktorenreihen sind große Agglomerationszentren gegenüber kleineren im Vorteil, was wiederum die Nachteile von Unternehmen in ländlichen (und insbesondere in entlegenen ländlichen) Bereichen in dieser Hinsicht verdeutlicht (Bennett und Smith 2002). Man hat die Auffassung vertreten, dass die Ergebnisse klar für Eingriffe des öffentlichen Sektors an Standorten sprechen, an denen KMU aufgrund ihres Standorts Schwierigkeiten beim Zugang zu wichtigen Beratungsquellen haben, d.h. in ländlichen und insbesondere in eher peripher gelegenen ländlichen Gebieten (Bennett und Smith, op. cit.). Finanzierungsmöglichkeiten Obgleich Finanzierung für kleine Unternehmen auch allgemein und ungeachtet ihres Standorts ein Hindernis darstellt, wurde in der Literatur darauf hingewiesen, dass ländlichen Unternehmen in den USA zumindest historisch Finanzierungsmöglichkeiten verwehrt blieben, da von den Investoren bevorzugte Unternehmenstypen (d.h. Firmen mit hohem Wachstumspotenzial, allgemein größere Firmen) in ländlichen Gebieten eher gering vertreten sind (Drabenshott und Meeker 1999). Folglich weisen Drabenstott und Henderson (2006) auf den Bedarf nach einer Erhöhung der Verfügbarkeit von Kapitalfinanzierung in ländlichen Gebieten hin und führen dabei innovative Beispiele an, z.B. die Nebraska Community Foundation und andere kommunale Entwicklungsfonds, die gemeinnützige Stiftungen zum Zweck der Aufbringung von Kapitalmitteln zusammenführen und Leistung in Bezug auf wirtschaftlichen Nutzen sowie in Hinblick auf finanzielle Ergebnisse messen. Da Beteiligungsfinanzierungen nur für eine kleine Minderheit von Unternehmen mit potenziell hohen Wachstumsmöglichkeiten von Bedeutung sind, fällt der kleine Prozentsatz von Firmen, die nach Beteiligungskapital suchen oder dieses akzeptieren würden, in der Praxis nicht stärker ins Gewicht. Insgesamt haben sich relativ wenige Studien hauptsächlich mit Finanzierungsmöglichkeiten für ländliche Unternehmen befasst. Eine Ausnahme bildet eine in Großbritannien von Mason und Harrison (1993) durchgeführte Studie, in der auch die Möglichkeiten für ländliche Betriebe in Bezug auf externes Kapital untersucht wurden, und zwar bei Unternehmen in ländlichen Fördergebieten im Vergleich mit anderen geförderten und nicht geförderten Gebieten. Obgleich die Untersuchung in erster Linie bestätigte, dass nur ein kleiner Anteil von KMU (in sämtlichen Bereichen) nach Fremdkapital gesucht hatte, gab es keinen Nachweis dafür, dass Firmen in abgelegenen ländlichen Gebieten gegenüber anderen Firmen benachteiligt wären. Ähnlich gelangte eine Vergleichsuntersuchung über neu gegründete Unternehmen unter Eigentümerleitung (Westhead 1995) zu dem Ergebnis, dass ländliche Unternehmen über eine vergleichbare Finanzbasis wie ihre städtischen Vergleichspartner verfügen und dass es keine Hinweise auf Nachteile in Bezug auf die Eigenkapitalausstattung gibt. Es wurde jedoch ersichtlich, dass die Verbreitung und der Zugang zu Informationen über Finanzierungsmöglichkeiten in ländlichen Gebieten verbessert werden müssen, da Westhead zu dem Ergebnis gelangt war, dass Unternehmensgründer im städtischen Bereich mehr 181 Finanzierungsmöglichkeiten durch Vergleichspartner auf dem Land. Finanzierungseinrichtungen ermitteln konnten als ihre Institutionelles Umfeld Einer der wichtigsten externen Faktoren mit Einfluss auf Art und Umfang von Unternehmertum sind Verhalten und Ausrichtung von örtlichen Institutionen. Dazu kann das Argument vorgebracht werden, dass diesen Faktoren in postsozialistischen Volkswirtschaften eine besondere Bedeutung zukommt (z.B. Smallbone und Welter 2006), also auch in den neuen Bundesländern. Gestützt wird diese These durch Belege aus benachbarten ländlichen Gebieten in Polen. Piasecki und Rogut (2004) weisen hier auf den Bedarf nach einer Stärkung der Bereiche Bildung und Ausbildung, Marktinstitutionen und Bankensystem hin. Basierend auf der polnischen Studie wurde auch argumentiert, dass entsprechende Entwicklungen Hand in Hand mit einer umfassenderen kommunalen Selbstverwaltung erfolgen müssen, um so seitens kommunaler Einrichtungen und Gemeinden zu mehr Innovation anzuregen. Dieses Thema wird im weiteren Verlauf der vorliegenden Untersuchung in Bezug auf die ostdeutschen Bundesländer entwickelt. Der Aufbau einer geeigneten Bildungs- und Ausbildungsinfrastruktur zur Unterstützung des Unternehmertums stellt auch für ländliche Gebiete in Portugal, in denen das Fehlen einer Unternehmenskultur festzustellen ist (North und Smallbone 2006), eine zentrale Priorität für politische Initiativen dar. Merkmale ländlicher Bevölkerungen Die zweite Gruppe von Faktoren, die sich auf die Neigung zu unternehmerischem Engagement innerhalb eines Gebietes auswirkt, bezieht sich auf die Charakteristika seiner Bevölkerung. Dies betrifft erstens die Möglichkeit der Entwicklung einer unternehmerischen Kultur, zweitens die Art, die Zusammensetzung und den Umfang des sozialen Kapitals, das eine bedeutende potenzielle Ressource für die unternehmerische Entwicklung darstellen kann, und drittens die Zuwanderung. Unternehmerische Kultur und Grundhaltung Der Unternehmenskultur wird allgemein ein wichtiger Einfluss auf die Entwicklung des Unternehmertums zuerkannt. Es handelt sich dabei allerdings um einen sehr schwer definierbaren und kategorisierbaren Begriff. Morgan (1997) definiert Kultur als einen „fortlaufenden Prozess der Konstruktion von Realität, der dazu führt, dass Menschen Handlungen und Situationen in bestimmter Weise einordnen“. Diesbezüglich sprechen einige Autoren in Bezug auf bestimmte ländliche Gebiete in den USA von einer identifizierbaren Kultur, die sich auf Geschäftspraktiken und Unternehmertum auswirken kann (Westhead und Wright 1998). Shields (2005) hebt jedoch hervor, dass dies eher auf Annahmen als auf handfesten Nachweisen beruht und bezieht sich dabei auf das Fehlen quantitativer empirischer Untersuchungen über die Beziehung zwischen vorherrschenden soziokulturellen Merkmalen des Alltagslebens in ländlichen Gebieten und dortiger Geschäftspraxis. Shields (2005 op. cit.) anerkennt auf der Grundlage der Literatur, dass ländliche Gemeinden durch distinktive soziokulturelle Werte und Präferenzen charakterisiert sind, die sich mittels ihres Einflusses auf Geschlechterrollen, Kooperation, Kommunikation und Vernetzung auch auf die Entwicklung von Kleinunternehmen auswirken können. Geschlechterrollen beispielsweise sind weniger durch Gleichheit geprägt als in städtischen Gebieten, und traditionelle Auffassungen bezüglich einer bestimmten geschlechtsspezifischen Identität können sich für Frauen als Unternehmensinhaberinnen als hinderlich erweisen (Tigges und Green 1994). Gleichzeitig findet Shields keinen Nachweis dafür, dass Geschlechterstereotypen sich auf weibliches Unternehmertum in ländlichen Gebieten signifikant ausgewirkt hätten. 182 Die in Ostdeutschland durchgeführten Fallstudien betonen den Effekt der „Pfadabhängigkeit“ bei der Einstellung gegenüber Unternehmertum und der Bereitschaft zum Aufbau eines Unternehmens. Dieses Merkmal ist in postsozialistischen Volkswirtschaften allgemein verbreitet und beschränkt sich nicht allein auf ländliche Gebiete. Es schränkt die Möglichkeiten ländlicher Standorte zur Hervorbringung dynamischer Unternehmer mit neuen Geschäftsprojekten ein. In diesem Fall verbindet sich Ländlichkeit mit den Effekten des Übergangs von der zentralen Planwirtschaft. Es wird klar, wie sehr Fragen der ländlichen Entwicklung mit ortsspezifischen Faktoren verknüpft sind. Soziales Kapital Hinsichtlich des sozialen Kapitals gelten enge und starke Bindungen als Charakteristika ländlicher Gemeinden, wo Menschen eher auf langfristige, enge, vertrauensvolle und nachbarschaftszentrierte Beziehungen bauen als in ihren städtischen Vergleichsgebieten (Beggs et al. 1996). Aus dieser Situation können sich für das Unternehmertum durchaus Ressourcen ergeben. Insbesondere basiert soziales Kapital in ländlichen Gebieten auf der Interaktion zwischen Individuen in formellen und informellen Netzwerken. Dazu gehören soziales Vertrauen und manchmal eine kulturelle Dimension, die sich bei der ländlichen Bevölkerung gegenüber der städtischen in einem verstärkten Engagement im Bereich freiwilliger Aktivitäten ausdrückt (Mandl et al. 2007). Bezüglich der neuen EU-Mitgliedstaaten kommt Valentinov (2003) zu dem Ergebnis, dass das soziale Kapital eine der ausschlaggebenden Determinanten des sozioökonomischen Wohlstands ländlicher Gemeinden ist, die sich im Übergang zu einer marktorientierten Wirtschaft befinden. Gleichzeitig wurde argumentiert, dass soziales Kapital im Hinblick auf wirtschaftliche Zwecke in ländlichen Gebieten weniger als in städtischen zum Tragen kommt. Hierin liegt eine spezifische Herausforderung für kommunalpolitische Handlungsträger. Ein weiterer Faktor mit Auswirkungen auf die Verwertbarkeit persönlicher Netzwerke für Geschäftsentwicklungszwecke ist deren Zusammensetzung. Bei unterentwickeltem Unternehmertum bestehen geringere Chancen, dass sich im persönlichen Netzwerk eines potenziellen Unternehmers Personen befinden, die über Wissen und Fähigkeiten und/oder Kontakte mit möglichen praktischen Inputs für den Unternehmer verfügen. Lokale Entwicklungseinrichtungen, zu denen Regierungsvertreter, kommunale Einrichtungen, Entwicklungsagenturen, Unternehmen und Geschäfte, Berufsverbände sowie freiwillige und kommunale Organisationen gehören, stellen eine Möglichkeit der Wertschöpfung aus dem zugrunde liegenden sozialen Kapital dar, das in ländlichen Gemeinden vorhanden ist (OECD 1990). Tatsächlich zielen die EU-Programme Leader und Leader+ auf den Aufbau örtlicher Aktionsgruppen ab, die das Bewusstsein für ländliche Entwicklungsmaßnahmen stärken und einen längerfristigen Lernprozess in Kraft setzen sollen. Daraus ergibt sich im Rahmen der ländlichen Entwicklung ein stark kommunal basierter Bottom-Up-Ansatz (Shucksmith et al. 2006). Obgleich verschiedene Studien soziales Kapital als einen der potenziellen Vermögenswerte für ländliche Unternehmen ansehen, sind die empirischen Nachweise zur Stützung dieser Annahme beschränkt. Meccheri und Pelloni (2006) meinen, dass aufgrund der starken Präferenz ländlicher Unternehmen für einen lokalen Zugang zu unternehmerischer Betreuung ein wichtiges Ziel für die institutionelle Politik die Mobilisierung von Ressourcen (z.B. Wagniskapital) sein müsse, die für die unternehmerische Entwicklung in der örtlichen Kommune eventuell vorhanden sind. Ländliche Fördernetzwerke, die von lokalen Institutionen gesponsort werden, sind eine mögliche Antwort auf eine Verknüpfung ländlicher Unternehmer und neuer Beschaffungsmöglichkeiten hinsichtlich Kapital, Mitarbeitern, Partnerschaften und unternehmerischen Dienstleistungen (Dabson 2001). Entsprechende Netzwerke können verschiedene Formen annehmen, dazu zählen auch Business Angel Investorennetzwerke, nicht-traditionelle Wagniskapitalfonds und Inkubatorennetze, die den jeweiligen örtlichen Bedürfnissen und Bedingungen entsprechen. 183 Die Rolle der Zuwanderung In einigen Ländern führen die Lebensqualität und der landschaftliche Reiz vieler ländlicher Gemeinden zu einer Zuwanderung. Unter den Zuwanderern befindet sich auch ein gewisser Anteil von Personen mit unternehmerischer oder geschäftlicher Erfahrung (Dabson 2001). Wo ein solcher Trend vorliegt, kann die Immigration in einem ländlichen Gebiet zu einer verstärkten unternehmerischen Kapazität beitragen: Direkt, sofern Zuwanderer selbst neue Ventures gründen, jedoch auch indirekt, wenn sie ihre Erfahrung dortigen Unternehmern (und/oder sozialen Unternehmen) zur Verfügung stellen, indem sie als Mentoren oder Berater fungieren. Studienergebnisse aus Großbritannien haben gezeigt, dass Zuwanderer in einer ländlichen Region sich eher in Sektoren mit externer Ausrichtung konzentrieren, während seit Geburt ortsansässige Personen eher im Bereich lokaler Dienstleistungen tätig sind. Im Rahmen derselben Studie hat sich gezeigt, dass zugewanderte Unternehmer über einen größeren Umfang an informellen Geschäftskontakten außerhalb der Region verfügen, und auch das Absatzvolumen in diesem Bereich war größer (Centre for Rural Economy 2000). Gleichzeitig muss man bei der Interpretation der Implikationen dieses Ergebnisses für die Politik vorsichtig sein, da viele Zuwanderer erst im bzw. nahe am Rentenalter in ländliche Gebiete ziehen. Auch wenn ein Teil dieser Gruppe unternehmerische Aktivitäten aufnimmt, ist dies unter Umständen keine Vollzeitbeschäftigung und/oder es bestehen keine Absichten bezüglich eines Geschäftsausbaus oder der Beschäftigung anderer Personen. Ähnlich haben einige US-Studien Verhaltensunterschiede festgestellt zwischen Kleinunternehmen, die sich im Besitz von kurzfristig ansässigen Personen befinden, und Kleinunternehmen im Besitz von länger ansässigen Vergleichspersonen, und zwar sowohl in Bezug auf ihren Kundenstamm als auch hinsichtlich der Neigung zu starken Bindungen. Die erste Gruppe legte dabei weniger Wert auf die Beziehungen zur Familie, zu Freunden und Nachbarn. Ob sich hierin Schwierigkeiten bei der Aufnahme in die Gemeinschaft oder eine positivere Nutzung größerer Netzwerke durch Newcomer widerspiegelt, konnte nicht klar aufgezeigt werden. Anderson und McAuley (1999) sind der Auffassung, dass sich dabei grundsätzliche Unterschiede in den von den Mitgliedern der beiden Gruppen gegründeten Unternehmen manifestieren. Merkmale ländlicher Unternehmen und die Wirtschaftsstruktur ländlicher Gebiete Die unternehmerische Leistung einer Region und ihr Veränderungspotenzial sind auch von der Struktur und Leistung ihrer bestehenden Unternehmen abhängig. In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse hinsichtlich Größenzusammensetzung, Sektorenstruktur sowie Innovations- und Wachstumsergebnissen ländlicher Unternehmen überprüft. Größe Unternehmen in ländlichen Gebieten sind im Allgemeinen kleiner als ihre städtischen Gegenstücke und weisen einen höheren Anteil an Kleinst- und Ein-Mann-Betrieben auf, was darauf schließen lässt, dass sie ihren Bedarf aus eigenen Ressourcen abdecken können. Kleinstunternehmen sind allerdings nicht nur zahlenmäßig vorherrschend, in einigen Regionen bestehen sie größtenteils aus einem einzigen Eigentümer/Geschäftsführer, d.h. es werden keine weiteren Arbeitskräfte beschäftigt (Centre for Rural Economy 2000). Die geringe durchschnittliche Firmengröße in Kombination mit geringer Verbreitungsdichte und entlegenen Standorten erschwert die Bereitstellung von Unternehmensberatungsdiensten für ländliche Unternehmen und steigert im Vergleich zu städtischen Gebieten potenziell die Kosten entsprechender Leistungen. Darüber hinaus handelt es sich bei Kleinstunternehmen um eine für außerbetriebliche Agenturen bekanntermaßen „schwer erreichbare“ Gruppe, da Managementzeit in diesen Firmen für das Ausfindigmachen und die 184 Inanspruchnahme von externer Hilfe nur sehr begrenzt zur Verfügung steht und zudem seitens der Geschäftsinhaber bezüglich des Wertes externer Unterstützung nur geringe Wertschätzung besteht. Sektorenmix Traditionell bestanden in der wirtschaftlichen Struktur städtischer und ländlicher Gebiete sektorale Unterschiede, die bestimmte potenzielle Auswirkungen auf die unternehmerische Entwicklung haben. Es handelt sich hierbei jedoch um einen Aspekt der ländlichen Entwicklung, der sich in jüngerer Zeit in reifen Marktwirtschaften verändert hat und sich weiter fortentwickelt. In den USA beispielsweise ist die traditionell auf der Landwirtschaft basierende ländliche Wirtschaft mittlerweile von einer Mischung aus Produktionsdiensten, Freizeitangeboten und nichtlandwirtschaftlichen Leistungen abhängig (Whitener und McGranahan 2003). Traditionelle Branchen wie Landwirtschaft und Bergbau sind nicht mehr die Hauptbeschäftigungsfaktoren, da neue wirtschaftliche Aktivitäten ihren Einzug in ländliche Gebiete gehalten haben. Produktion und insbesondere Dienstleistungen bringen zunehmend neue Arbeitsplätze. Gleichzeitig kann das Fehlen einer wirtschaftlichen Diversifikation in einigen ländlichen Gebieten zu Abhängigkeit von einem einzigen Produktionsbetrieb führen, was bedeutet, dass die meisten kommunalen Institutionen diesem einen Unternehmen und seinen Angestellten in gewisser Weise dienstbar sein müssen (Dabson 2001). Die negativen Auswirkungen der Dominanz großer Betriebsstätten auf das Vorhandensein und die Qualität von Unternehmertum in einer lokalen Ökonomie sind in der Literatur zum Unternehmertum seit Langem untersucht und bekannt, man spricht hier vom so genannten „Upasbaum“-Effekt (z.B. Fothergill und Gudgin 1982). Ungeachtet dieser strukturellen Veränderungen bleibt die Landwirtschaft in vielen ländlichen Wirtschaftsräumen ein Kernsektor. Trotz des dramatischen prozentualen Rückgangs der in der Landwirtschaft beschäftigten Arbeitskräfte hat die Landwirtschaft weiterhin einen starken Einfluss auf die ländliche Wirtschaft. Eine produktive landwirtschaftliche Basis kann ein Hauptabnehmer lokaler Erzeugnisse, darunter auch Dienstleistungen, sein. Und Landwirtschaft liefert auch Produkte zur lokalen Weiterverarbeitung. Gleichzeitig haben eine Kürzung der landwirtschaftlichen Subventionen und sich verändernde Markttrends den Anpassungsdruck auf die Landwirte erhöht und zu einer Diversifizierung ihrer Aktivitäten geführt. Da Landwirte zunehmend größerem Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind und Unterstützungsleistungen gekappt werden, besteht eine der Herausforderungen für die Politik darin, Landwirte zur Nutzung neuer Geschäftsmöglichkeiten anzuregen. Die Diversifikation von landwirtschaftlichen Betrieben kann eine Reihe von Formen annehmen, dazu zählen auch Einzelhandelsaktivitäten (Bauernhofläden, Handwerkszentren, Selbsternte, Direktverkauf und Lebensmittelverarbeitung), Sport- und Freizeitangebote (Indoor/OutdoorAktivitäten, Informationsveranstaltungen, Wassersport, Pferdesport), Dienstleistungen (landwirtschaftlicher, nicht-landwirtschaftlicher und industrieller Arbeitsbereich) und Tourismus (z.B. Ferien auf dem Bauernhof u. Ä.). Diversifikation bietet ein beträchtliches Spektrum an Möglichkeiten zur Verbesserung der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit landwirtschaftsbasierter Betriebe und leistet überdies einen Beitrag zur lokalen Wirtschaftsentwicklung (MAFF 2000). Dennoch ist Diversifikation kein Allheilmittel, und Landwirte benötigen hier zum Erfolg oftmals gute Beratung. Ferner sind die Möglichkeiten für eine profitable Diversifikation standortabhängig, der Zugang zu großen städtischen Zentren ist dabei ein Schlüsselfaktor. Innovationsleistung Innovation bildet den Kern der Fähigkeit einer Region, sich im internationalen Wettbewerb behaupten zu können. Unternehmer tragen wesentlich zur Wettbewerbsfähigkeit einer Region bei, indem sie neue Produkte und Dienstleistungen schaffen, auf den Markt bringen und ihren 185 Konkurrenten einen Schritt voraus bleiben. Folglich ist die Leistung von (ländlichen) Regionen hinsichtlich Innovation und Unternehmertum für ihre zukünftige Entwicklung von ausschlaggebender Bedeutung. In Bezug auf die USA hat man darauf hingewiesen, das Dilemma ländlicher Regionen liege darin, dass sie bei Innovation und Unternehmertum zurückblieben (Drabenstott und Henderson 2006). Eine Reihe von Studien in Großbritannien in den achtziger und neunziger Jahren zeigte, dass ländliche KMU innovativer als ihre städtischen Vergleichspartner waren (University of Cambridge 1992). Dennoch schlugen sich hohe Levels an Produktinnovation oft nicht in Verfahrensinnovationen nieder, insbesondere bei KMU im Produktionssektor in entlegenen ländlichen Räumen war dies der Fall (Keeble et al. 1992, Smallbone et al. 1993). Hier waren sowohl die Inanspruchnahme überhaupt als auch die Intensität der Computertechnologie relativ niedrig (North et al. 1997). Keeble et al. (op. cit.) gelangten zu dem Ergebnis, dass Unternehmen in leicht zugänglichen ländlichen Gebieten besonders innovationsfreudig sind. Mitte bis Ende der neunziger Jahre war der Unterschied zwischen städtischen und ländlichen Unternehmen hinsichtlich Innovation in den Cambridger Untersuchungen allerdings nicht mehr nachweisbar (Cosh und Hughes 2003). Die Methodik dieser in regelmäßigen Abständen durchgeführten Untersuchungen war dabei im Lauf der Zeit gleich geblieben. Einer der Indikatoren bezüglich der Verfahrenstechnologie bezieht sich auf die Inanspruchnahme und den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT). Obgleich der effektive Einsatz von ICT eine der Möglichkeiten von ländlichen Betrieben zur Überwindung von Nachteilen durch die Entfernung von großen Märkten und Lieferanten darstellt, lassen Forschungsergebnisse darauf schließen, dass ländliche Unternehmen beim Einsatz von ICT im Durchschnitt hinter ihren städtischen Vergleichsunternehmen zurückliegen. Eine in verschiedenen europäischen Ländern durchgeführte Studie bezüglich des Einsatzes von ICT hat ergeben, dass die Haupthindernisse für einen umfangreicheren Einsatz von ICT fehlende Zeit für Schulungen und direkte Anwendung von ICT, fehlende persönliche Fähigkeiten und hohe Ausrüstungskosten sind (Gray und Juhler 2000). Die schnelle Kommunikation durch das Internet und andere Formen der Telekommunikation stellen zwar tatsächlich eine neue „Industrielle Revolution“ dar, es wurde jedoch auch darauf hingewiesen, dass die Veränderungen durch das Internet für ländliche Gebiete von unterschiedlichem Nutzen sind. Diesbezüglich hat Freshwater (2000) die Ansicht vertreten, dass ländliche Gebiete in der Praxis von vielen der Veränderungen in der neuen informationsbasierten Wirtschaft nicht profitieren werden, da die dortigen Arbeitnehmer oftmals nicht über die für eine effektive Nutzung erforderlichen Grundkenntnisse und Fertigkeiten verfügen. Ansätze der Unternehmenspolitik für den ländlichen Raum in OECD-Mitgliedsländern Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Politikansätzen zur Förderung des ländlichen Unternehmertums. Einige davon sind gebietsspezifisch, andere zielen auf bestimmte Wirtschaftssektoren ab, die in einzelnen ländlichen Gebieten eine besondere Bedeutung haben; im Rahmen anderer Ansätze sollen nationale oder regionale Politikansätze so adaptiert werden, dass sie den Bedürfnissen ländlicher Unternehmen besser entsprechen. In den meisten OECD-Mitgliedsländern hat im Laufe der Zeit eine Verschiebung weg von traditionellen sektoralen Politikansätzen (die sich insbesondere auf landwirtschaftliche Subventionen konzentrieren) hin zu standortbasierten Ansätzen stattgefunden. In der Politik bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung in ländlichen Gebieten zeigt sich dies deutlich (OECD 2005). Es wurden drei Faktoren ermittelt, die einen besonderen Einfluss auf die jüngsten Veränderungen der ländlichen Politik in den OECD-Mitgliedsländern haben: Ein verstärkter Fokus auf Einrichtungen wie Denkmalstätten, historische Stätten und andere Erholungsstätten; 186 Druck auf die Reformierung der Landwirtschaftspolitik zur Verringerung von Verzerrungen im internationalen Handel sowie aus Haushaltsgründen; und Dezentralisierungstrends in der Regionalpolitik mit dem Ziel einer Mobilisierung von lokalen Vermögenswerten; hierzu zählt auch ein Bottom-Up-Ansatz in der Politik und verhandelbare Formen von Governance (OECD 2006a). Unter besonderer Bezugnahme auf Politikansätze im Bereich Unternehmertum und Unternehmensentwicklung in ländlichen Gebieten haben North und Smallbone (2006) unterschieden zwischen: Politikansätzen zur Stimulierung und Förderung von Ventureprojekten, dazu zählen auch Ansätze zur Förderung einer Kultur des Unternehmertums; unternehmerischer Bildung und Ansätzen zur Förderung von Personen im Rahmen der Gründung und in der Frühphase eines Unternehmens; „traditionelleren Unternehmensförderansätzen“, die sich mit Wachstumsfähigkeit, Lebensfähigkeit und Wettbewerbfähigkeit bestehender KMU befassen. Im Wesentlichen zielen Ansätze im Bereich der Unternehmenspolitik direkt auf den Aufbau von Kapazitäten in ländlichen Gebieten und die Schaffung neuer Unternehmen ab, während Unternehmensförderansätze auf die Unterstützung im Bereich Modernisierung und Anpassung bestehender Firmen durch die Kombination von finanzieller Unterstützung, Beratung, Schulung und infrastrukturellen Verbesserungen ausgerichtet sind. In den USA ermittelte Henderson (2002) zur Förderung von Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial drei Arten von politischen Interventionsmaßnahmen. Obwohl sie nicht eigens für ländliche Gebiete konzipiert wurden, ist Henderson der Ansicht, dass sie Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial in ländlichen Gebieten unterstützen. Maßnahmen zur Verbesserung der Fähigkeiten einzelner Unternehmer, z.B. durch Managementkurse und sonstige Lehrgänge. In den USA werden diese in der Regel von den Small Business Development Centers (SBDC) angeboten, die oftmals mit Universitäten und Colleges zusammenarbeiten. Maßnahmen zur Stärkung der kommunalen Ressourcen für Unternehmer, insbesondere zur Mobilisierung potenzieller Wagniskapitalgeber, und Maßnahmen zur Unterstützung des Aufbaus einer Unternehmenskultur. Maßnahmen mit dem Ziel der Förderung von Netzwerken, die Unternehmer bei der Nutzung benötigter Ressourcen unterstützen, dazu gehören oft auch bestimmte Inkubatorenprogramme. Viele der Programme, die Finanzierungen für Unternehmertum und Unternehmensentwicklung in ländlichen Gebieten zur Verfügung stellen, konzentrieren sich nicht allein auf ländliche Unternehmen, sondern umfassen auch andere Aspekte der ökonomischen und sozialen Entwicklung in ländlichen Gebieten. Gebietsspezifische oder gebietsbasierte politische Maßnahmen wie das Leader-Programm der EU gehören zu dieser Kategorie, die durch einen holistischen Ansatz zur ländlichen Entwicklung gekennzeichnet ist. Sie umfassen in der Regel auch Infrastrukturinvestitionen, oft jedoch auch Maßnahmen zur Förderung der Gründung neuer Ventures und zur Entwicklung kleiner Unternehmen. In diesem Kontext wurden in einer Analyse bestehender Politikansätze bezüglich ländlicher Unternehmen in zehn verschiedenen europäischen Regionen fünf Programmtypen mit folgenden Ausrichtungen ermittelt: Territorial oder gebietsbasiert; sektoral; in Bezug auf Wirtschaftsentwicklung; in Bezug auf Unternehmensförderung; in Bezug auf den Arbeitsmarkt (North und Smallbone 2006). In derselben Studie wurden außerdem vier wichtige Lektionen in Bezug auf 187 politische Prozesse bzw. politische Prioritäten ermittelt: Die Notwendigkeit, politische Maßnahmen den örtlichen Gegebenheiten anzupassen, die sich ihrerseits auf die Art und den Umfang von Politiktransfer auswirken können; die Notwendigkeit, die interne und externe Kohärenz politischer Eingriffe zu verbessern; die Notwendigkeit, Diversifikation in der Landwirtschaft und ländlich basierten Sektoren anzuregen; außerdem die Notwendigkeit zur Überwindung von Barrieren bei der Annahme neuer Technologien in ländlichen Gebieten. Ungeachtet der Heterogenität der zehn Fallstudiengebiete und des Nachdrucks auf die Angemessenheit von Politik an die Bedürfnisse ländlicher Wirtschaftsgebiete heben North und Smallbone (1996) zwei Hauptprioritäten für die Politik hervor. Bezüglich der Nachfrageseite weisen sie auf die Notwendigkeit der Entwicklung potenzieller Quellen des Unternehmertums in den entlegenen ländlichen Räumen Europas hin, besonders im Hinblick auf junge Menschen, Zuwanderer und bereits vorhandene Unternehmer, die als Vorbilder und Rollenmodelle fungieren können. Bezüglich der Angebotsseite zeigen sie die Notwendigkeit der Infrastrukturentwicklung zur Förderung des Unternehmertums auf; ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf Bildung und Ausbildung, auf der physischen und sozialen Infrastruktur sowie auf Maßnahmen zur Überwindung von Barrieren für Innovation und Unternehmensentwicklung. Institutionelle Entwicklung ist für die erfolgreiche Umsetzung dieser Vorschläge von zentraler Bedeutung. Eine alternative Typologie politischer Eingriffsmöglichkeiten in Bezug auf ländliche Unternehmen wurde von Smallbone et al. (2003c) basierend auf einer Analyse der entsprechenden Praxis in Großbritannien vorgelegt: Initiativen für landwirtschaftliche Betriebe und den ländlichem Raum allgemein, z.B. Diversifizierungsprogramme für landwirtschaftliche Betriebe, langfristige Entwicklungsprogramme, Einbeziehung von Beratern für landwirtschaftliche Betriebe mit dem Ziel einer Integration unternehmerischer Beratung und Förderung von Landwirten im Rahmen von Großprogrammen; Sonstige Initiativen im ländlichen Sektor mit Fokus auf nicht-landwirtschaftlichen Aktivitäten, z.B. Unterstützungsprogramme für den ländlichen Einzelhandel und Tourismusprogramme; Allgemeine Unternehmensberatung/Schulungsprogramme für Kleinunternehmen, z.B. aufsuchende Beratung und Förderung für Start-Ups; Initiativen für Minderheiten oder benachteiligte Gruppen in ländlichen Gebieten, z.B. für Langzeitarbeitslose oder Frauen; Strategische Initiativen zum ländlichen Wiederaufbau; hier steht die Unternehmensförderung im Rahmen umfassenderer wirtschaftlicher Wiederaufbauprogramme. Obgleich sie die Unterschiedlichkeit der 24 Fallstudienprojekte betonten, haben die Autoren eine Reihe von wiederkehrenden und mit einander verbundenen Merkmalen Guter Praxis ermitteln können, die jeweils auf der Angemessenheit von Interventionen in Bezug auf die speziellen Bedürfnisse ländlicher Unternehmen und/oder ländlicher Gebiete basieren. Dabei handelte es sich um folgende Merkmale: Ein integrierter Ansatz, in dessen Rahmen Unternehmensförderung in eine umfassendere Strategie der ländlichen Entwicklung integriert ist; dazu zählen von außen kommende 188 Investitionen, Wohnungsbau, Verkehr, Soziales – stets unter besonderer Berücksichtigung der Interdependenzen innerhalb der ländlichen Wirtschaft. Partnerschaften, die bei der Mobilisierung knapper Ressourcen helfen, Doppelarbeit verringern und den Einsatz der bestehenden ländlichen Infrastruktur steigern helfen können. Beiträge zum Kapazitätsausbau, wodurch langfristiger Nutzen aus dem politischen Eingriff und ein verbessertes Sozialkapital als zukünftige Entwicklungsressource gesichert werden. Ein Bottom-Up-Ansatz, wozu auch anfängliche „Recherche und Nachforschung“ seitens der Kommunen gehört, wodurch kommunales Eigentum und ein fundierter Ansatz im Rahmen der ländlichen Entwicklung gefördert und neues soziales Kapital gebildet wird. Ein proaktiver Ansatz, da mehrjährige Erfahrungen in Großbritannien die einer aufsuchenden Beratung im Rahmen der Unternehmensförderung Gebieten deutlich gemacht haben, insbesondere weil viele ländliche Bauernhöfe und Kleinstunternehmen) in der jüngeren Vergangenheit Zielgruppen von größeren Unternehmensberatungsfirmen lagen. Effektive Koordination sektorspezifischer Unternehmensförderungsleistungen. Unterstützung Notwendigkeit in ländlichen Betriebe (z.B. außerhalb der mit typischen Anreize zu Zusammenarbeit und Networking zwischen Unternehmen, wodurch Einkaufskosten reduziert und durch gemeinsames Marketing Absatz und Wissenstransfer erhöht werden können. So genannte „One-Stop-Shops“ mit einer gemeinsamen Anlaufstelle für sämtliche Anfragen von Unternehmen, die dort entsprechend gebündelt und weitergeleitet werden. Dadurch wird die Fragmentierung verringert, und Einrichtungen können Serviceleistungen effektiver erbringen. Diese Merkmale stellen eine potenziell übertragbare Reihe politischer Grundsätze dar, die auf ländliche Entwicklungspolitik an anderen Orten unter zwei Bedingungen übertragbar sind. Erstens: In Regionen, in denen keine oder nur eine rudimentäre Kultur des Unternehmertums besteht, muss einer Verknüpfung der Entwicklung mit Bildungseinrichtungen mehr Nachdruck verliehen werden, da diese im Sinne einer Veränderung von Einstellungen und Verhaltensmustern in Bezug auf Unternehmertum von grundlegender Bedeutung sind. Zweitens: Ein expliziterer Nachdruck auf institutionellen Kapazitätsaufbau ist für die Anregung zu unternehmerischem Verhalten durch Institutionen in ländlichen Regionen wahrscheinlich ebenfalls grundlegend. Implikationen für die Politik zur Förderung des Unternehmertums in ländlichen Regionen Ostdeutschlands Dieser letzte Abschnitt der Untersuchung befasst sich insbesondere mit den Aufgaben und Möglichkeiten der Entwicklung von Unternehmertum in den ländlichen Gebieten in Ostdeutschland sowie mit den Implikationen, die sich daraus für die Einflussnahme seitens der Politik ergeben. Ländliche Regionen in Ostdeutschland teilen viele Merkmale und Probleme ländlicher Regionen in anderen Ländern; überdies sind sie durch ihren Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft gekennzeichnet. Obgleich sie im Detail voneinander abweichen, ist in sämtlichen ostdeutschen Fallstudiengebieten ein hoher Grad an Abhängigkeit von der Beschäftigung in ländlich basierten 189 Industrien und zudem eine starke Abwanderung, insbesondere junger Menschen, sowie ein schwacher lokaler Markt für Waren und Dienstleistungen zu konstatieren. Bezeichnenderweise waren in diesen ländlichen Regionen unter Anderem eingesetzte bundespolitische Maßnahmen zur Förderung des Unternehmertums bislang darauf ausgerichtet, die bereits bestehende Auffassung in der Bevölkerung, dass Unternehmertum und Selbständigkeit eine Alternative zur Arbeitslosigkeit darstellt, zu untermauern. Der Existenzgründungszuschuss zur sozialen Sicherung für 3 Jahre ist ein Beispiel dafür. Es zeigt sich außerdem, dass höher qualifizierte Personen, die in den Regionen verbleiben, meist Anstellungsmöglichkeiten, sofern diese verfügbar sind, der Selbständigkeit vorziehen. Die vorherrschende Kultur scheint die einer Abhängigkeit von staatlichen Mitteln und Interventionen zu sein, was als Gegenteil einer unternehmerischen Kultur angesehen werden kann. Darüber hinaus führt ein Unternehmertum, das in erster Linie durch ein Fehlen von Anstellungsmöglichkeiten entsteht und nicht durch das Ausfindigmachen von Geschäftsmöglichkeiten, dazu, dass die betreffenden Personen Geschäftsaktivitäten mit niedrigen Zugangsbarrieren in Angriff nehmen, was mit der Zeit wiederum zunehmend gesättigte Märkte und niedrige Renditen für Geschäftsinhaber mit sich bringt. In diesem Umfeld ist, wenn Unternehmertum eine treibende Kraft im Rahmen der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung werden soll, eine groß angelegte Veränderung von Einstellungen und Verhaltensmustern erforderlich, und zwar seitens der politisch Verantwortlichen ebenso wie innerhalb der örtlichen Bevölkerung. Eine detaillierte Analyse der ostdeutschen Fallstudienregionen (Dabson 2006) zeigt eine Reihe von Prioritäten für die Politik zur Förderung von unternehmerischem Engagement, wobei davon ausgegangen werden kann, dass diese Prioritäten auch für andere ländliche Regionen in Ostdeutschland gelten. Im verbleibenden Teil dieses Abschnitts werden potenziell relevante Initiativen im Bereich ländlicher Politik aus OECD-Mitgliedsländern zu diesen Prioritäten in Vergleich gesetzt, woraus Implikationen für Politikansätze zur Förderung des Unternehmertums in Ostdeutschland abgeleitet werden. Förderung unternehmerischen Engagements in ländlichen Gebieten mit historisch gering ausgeprägter Unternehmerkultur Die Veränderung der Kultur in ländlichen Regionen stellt zweifelsohne die größte Herausforderung für politische Handlungsträger in Ostdeutschland dar, und für den Erfolg ist eine Reihe von koordinierten politischen Maßnahmen erforderlich. Dennoch kann eine fundamentale Veränderung von Einstellungen gegenüber dem Unternehmertum mindestens eine Generation dauern, das heißt, eine erfolgreiche Strategie muss sowohl kurzfristige als auch langfristige Ziele und Ergebnisse aufweisen. Bildungsprogramme sind hier ein erstes Beispiel, zielgerichtete Förderung von Unternehmensneugründungen ein zweites. Das Ziel besteht in der Schaffung und Vertiefung eines Bewusstseins für unternehmerische Optionen und in dem Aufweis von Erfolgen durch die aktive Verbreitung von Erfahrungen und unternehmerischen Rollenmodellen. Politische Maßnahmen mit diesem Ziel müssen sich an unterschiedliche Zielgruppen wenden, darunter auch an junge Menschen im schulischen Sekundarbereich sowie an Studenten. Die im Folgenden beschriebenen politischen Initiativen veranschaulichen, wie dies erreicht werden könnte. Der Fall von REAL (Rural Entrepreneurship through Action Learning) in den USA ist dabei ein potenziell relevantes Beispiel, da Lernenden hier 190 unternehmerisches Wissen durch Erfahrung im Rahmen von Praktika über schulbasierte kommunale Entwicklungseinrichtungen vermittelt wird.33 North und Smallbone (2004) beschreiben für Europa einen innovativen Ansatz zur Entwicklung unternehmerischen Bewusstseins bei Jugendlichen in Waldshut (Deutschland) an einer Wirtschaftsschule. Es handelt sich dabei um ein Jungunternehmensprogramm, an dem Schüler der Schule teilnehmen und das als gegründetes Unternehmen mit marktfähigen Produkten und Dienstleistungen auf realen Märkten auftritt. Die Teilnehmer lernen unternehmerisches Denken und unternehmerische Entscheidungsprozesse kennen und werden dadurch für unternehmerische Belange und Möglichkeiten sensibilisiert. Andere Autoren haben auf die Notwendigkeit von Programmen zur Förderung der berufsbegleitenden Weiterbildung unter ländlichen Arbeitnehmern sowie auf die Möglichkeit des Wissenserwerbs durch Unterbringung in bestehenden Unternehmen hingewiesen (z.B. Meccheri und Pelloni 2006). Dennoch ist ein solcher „Learning by doing“-Ansatz in Gebieten schwierig, wo die unternehmerische Mentalität schwach ausgebildet ist und nur wenige dynamische Unternehmen existieren. Unter diesen Bedingungen stellt die Einbeziehung wirtschaftlicher und unternehmerischer Inhalte in der Primarstufe, den Sekundarstufen und den Bildungsplänen von Hochschulen ein Kernelement im Rahmen einer längerfristigen Strategie dar. Um dies zu erreichen, ist jedoch kurzfristig ein nachhaltiges Engagement für die „Ausbildung von Ausbildern“ erforderlich, damit eine hohe Qualität der entsprechenden schulischen und universitären Ausbildung gewährleistet werden kann. Ein Programm wie der neue Masters in International Entrepreneurship Education and Training (IMEET) unter Leitung der Universität Aarhus ist ein Beispiel für ein Programm, das zur Ausbildung von Personal zur Führung entsprechender Initiativen beitragen kann. Beispiel einer potenziell relevanten Start-Up-Initiative ist das Leader+ Projekt in der Region Kellerswald-Dersee in Deutschland.34 Die aktive Förderung von Rollenmodellen erfolgreicher ländlicher Unternehmer ist ein Schlüsselelement beim Aufbau des Bewusstseins ländlicher Bevölkerungen für die bestehenden Möglichkeiten, und dies insbesondere unter jungen Menschen. Ein unlängst veröffentlichter Bericht der australischen Regierung stellt eine besonders relevante Initiative vor (Keynon 2005). Im Bericht wird die Geschichte von 20 dynamischen ländlichen Unternehmen untersucht, wobei sich sechs dieser Unternehmen im Besitz örtlicher Kommunen befanden. Obgleich es sich um eine sehr heterogene Gruppe handelt, ließ sich eine Reihe von Gemeinsamkeiten feststellen: Leidenschaft und Beharrlichkeit, denn ohne sie ist geschäftlicher Erfolg nicht möglich. Zentrale Werte und Visionen, die über die Profitmaximierung hinausgehen. Eingebundenheit in den kommunalen Kontext wurde sowohl von kommunalen als auch von Unternehmen und Geschäften in Privateigentum stets als sehr wichtig eingestuft. Ein hochqualitativer Kundenservice, wobei dieser in sämtlichen Fällen KundenfeedbackMechanismen umfasste. Stets neue Ideen, Innovation und fortdauernde Verbesserung mit dem Ziel, immer um eine Nasenlänge voraus zu sein. 33 Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage. 34 Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage. 191 Entschiedener Führungsstil und qualifizierte Management-Praxis unter Hinzuziehung externer Beratung im Bedarfsfall. Zufriedene und stolze Belegschaft, was im Normalfall mit einem starken Engagement für Personalschulung und Einbeziehung der Mitarbeiter in unternehmerische Belange einhergeht. Produktdifferenzierung und Qualität, die in einigen Fällen auf die Aspekte der ländlichen Umgebung ausgerichtet waren. Zusammenarbeit, Networking und strategische Partnerschaften, auch unter Einbeziehung wichtiger Akteure innerhalb kommunaler Strukturen, sowie innovatives Marketing. Bei vielen dieser Punkte handelt es sich zwar um allgemeingültige unternehmerische Merkmale, bei einigen ist jedoch eine für den ländlichen Kontext typische Ausrichtung festzustellen. Eine der Hauptzielgruppen sind Vermittler, die mit jungen Menschen aus entlegenen ländlichen Gemeinden in Australien im Rahmen von Programmen zur Förderung von Unternehmertum und Selbständigkeit zusammenarbeiten. Vor dem Hintergrund der OECD-Ergebnisse und der Hauptempfehlungen aus den lokalen Fallstudien lassen sich die nachfolgenden Handlungsempfehlungen an die Politik ableiten: Aktive Förderung von Unternehmertum als „Karriereoption“ für junge Menschen in ländlichen Gebieten in der Sekundarstufe und an Hochschulen unter Einsatz einer Kombination aus experimentellem Lernen durch Praktika, Jungunternehmer-Programme und über die aktive Verbreitung von unternehmerischen Rollenmodellen. Angebot von Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrer und Dozenten an Sekundarschulen, weiterführenden Schulen und höheren Bildungseinrichtungen ländlicher Gebiete zum Aufbau einer qualifizierten Ausbildung im Bereich der Vermittlung unternehmerischer Unterrichtsinhalte. Vorrangigkeit des Aufbaus von Förderprogrammen für Unternehmensneugründungen in ländlichen Gebieten, wozu auch die Unterstützung in den Phasen unmittelbar vor und nach der Gründung eines Unternehmens gehört. Einleitung von Maßnahmen zur aktiven Werbung für ländliche Unternehmer in den verschiedenen regionalen Medien. Einrichtung eines Portfolios von Preisen für erfolgreiche Unternehmer und aufstrebende Unternehmer aus ländlichen Regionen, einschließlich des Preises „Jungunternehmer des Jahres“. Anreize für Landwirte zur Diversifizierung und zum Aufbau nicht-landwirtschaftlicher Aktivitäten Der Diversifizierungsdruck auf Landwirte in voll entwickelten Marktwirtschaften besteht nahezu durchgängig, und viele Regierungen haben Maßnahmen zur Förderung und Unterstützung dieses Prozesses ergriffen. Landwirte müssen zunehmend unternehmerischer denken und auftreten und eine Diversifizierung hin zu anderen Aktivitäten vornehmen (z.B. Biolandwirtschaft, nicht konventionelle Viehzucht sowie Aufbau von nicht-landwirtschaftlichen Unternehmen) (Carter und Rosa 1998). Als ganz eigener Geschäftssektor steht die Landwirtschaft dennoch im Kontext einer umfassenderen 192 Lieferkette und ist durch ihre landschaftlichen Gestaltungsmaßnahmen ein wesentlicher Faktor im Rahmen des ländlichen Tourismus. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass landwirtschaftsbezogenen ländlichen Betrieben unternehmerische Unterstützungsleistungen sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Integration in die allgemeine Geschäftswelt offen stehen (Rural Affairs Forum for England 2002). Die Land Management Initiatives der Countryside Agency in England waren ein Versuch einer Anwendung dieser Grundsätze.35 Untersuchungen in Neuseeland haben gezeigt, dass Bauernmärkte für landwirtschaftliche Gelegenheitsunternehmer, die Produkte mit einem hohen Mehrwert herstellen, eine wichtige Rolle spielen und dass dies ebenfalls für Landwirte gilt, die aus der Lieferkette für Nahrungsmittel herausgedrängt wurden (Cameron und de Vries 2006). Auf einem Bauernmarkt verkaufen Landwirte, Züchter und Produzenten regelmäßig frisches Obst, Gemüse und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse direkt an die Verbraucher (Payne 2002). Bauernmärkte können für neu gegründete Geschäfte eine Inkubatorfunktion übernehmen, indem sie einen Geschäftsaufbau mit niedrigen Kosten und minimalem Risiko ermöglichen (Feenstra et al. 2003). Sie stellen eine Möglichkeit dar, in deren Rahmen Landwirte erste Versuche im Bereich unternehmerischer Aktivitäten wagen können, wozu auch der Direktverkauf gehört. Darüber hinaus kann das Konzept auf das örtliche Handwerk und entsprechende Aktivitäten ausgeweitet werden, was mit einigem Erfolg in East Lancashire im Rahmen örtlicher Bestrebungen zur Verbesserung der Marktstellung ländlicher Betriebe und von Jungunternehmern auch getan wurde (Smallbone et al. 2005, S. 49). Die nachfolgenden Empfehlungen an die Politik sind vor dem Hintergrund der OECD-Ergebnisse und der Empfehlungen aus den lokalen Fallstudien zu betrachten: Angebot hochqualitativer Unternehmensberatung und Unterstützungsleistungen für Landwirte mit Interesse an Diversifizierung hin zu nicht-landwirtschaftlichen Aktivitäten und Förderung von Bauernmärkten als Mittel des „Austestens“ neuer Geschäftsideen und neuer Aktivitäten. Förderung und Implementierung eines integrierten Ansatzes in der ländlichen Entwicklung Der Übergang von einer verwalteten und geplanten hin zu einer innovativen und unternehmerisch geprägten Wirtschaft (Audretsch und Thurik 2000) stellt ländliche Regionen vor besondere Herausforderungen. Drabenstott und Henderson (2006) zufolge müssen sich ländliche Kommunen insbesondere um rechtliche Trennungslinien überschreitende Partnerschaften sowie um nicht immer vorhandene Führungskapazitäten bemühen. Angesichts der Entwicklungsherausforderungen, denen ländliche Regionen in den USA gegenüber stehen, stellen diese Autoren drei Hauptprioritäten für die Bundespolitik fest: Unterstützung ländlicher Kommunen beim Aufbau neuer Wettbewerbsstrategien, dabei dem Beispiel Italiens folgend, wo 15% der Mittel für die regionale Entwicklung in die Ausbildung und Schulung kommunaler Funktionsträger im Bereich „Wettbewerbsfähigkeiten“ fließen. 35 Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage. 193 Vernetzung von Forschungsinstrumenten des Bundes (die sich zuvor sehr stark auf Landwirtschaft konzentriert haben) im Sinne des Aufbaus von Innovationsstrategien für den ländlichen Raum innerhalb der New Economy. Aufbau eines effektiveren Fördersystems für Unternehmer im ländlichen Raum mit besonderem Augenmerk auf ländliche Startup-Unternehmen mit hohen Wachstumsaussichten. Man hat die These aufgestellt, dass in den USA einer der erfolgreicheren Versuche des öffentlichen Sektors zur Stimulierung und Förderung ländlichen Unternehmertums von der Appalachian Regional Commission (ARC) kam. Hier wurde der institutionelle Kapazitätsaufbau in den Vordergrund gestellt.36 Ähnlichen Nachdruck auf Kapazitätsaufbau und Führungsqualitäten weist das Rural Leadership Programme 2007 von Scottish Enterprise auf (http://www.scottishenterprise.com/sedotcom_home/services-to-the-community/rural), das der Verbesserung der Führungsqualitäten von leitenden Personen im landwirtschaftlichen und ländlichen Bereich bei Erklärung, Motivierung, Einflussnahme, Förderung und Verteidigung des landwirtschaftlichen Sektors und zur Sicherung von dessen Zukunft innerhalb der schottischen Wirtschaft dient. Es zielt somit direkt auf Teilnehmer aus dem ländlichen Sektor ab und ist Bestandteil der landesweiten Werbekampagne. Das Programm beabsichtigt die Schaffung eines entsprechenden Bewusstseins im Rahmen kommunalpolitischer Fragen bei den Teilnehmern, und im Rahmen dieses Programms soll unter Anderem ein Kontaktnetzwerk zur Maximierung des zukünftigen Einflusses der Teilnehmer aufgebaut werden. Nachdruck auf einem integrierten Ansatz in der ländlichen Entwicklung mit dazugehörigem Kapazitätsaufbau steht im Mittelpunkt des EU-Programms Leader, das zudem sehr leicht an örtliche Gegebenheiten angepasst werden kann. Leader II (1994-99) und Leader+ (2000-2006) zielten auf die Förderung ländlicher Entwicklung und örtlicher Gemeinden mittels lokaler Aktionsgruppen ab und stellten Mittel für ein großes Spektrum von Projekten zur Verfügung; hierzu gehörten kommunal basierte unternehmerische Maßnahmen (North und Smallbone 2004). Im Rahmen zahlreicher Evaluationen wurde die Ausrichtung von Leader-Programmen auf bestimmte Standorte mit stark entwickelter lokaler Eigentumsstruktur nachgewiesen (z.B. Midmore 1998). Das Programm hat zur Diversifizierung ländlicher Wirtschaftsräume beigetragen, hat den Aufbau lokaler Kapazitäten unterstützt und aktiv Gute Praxis gefördert. Zum Schwerpunkt des Aufbaus Guter Praxis gehört die Website von Leader+ „Gute Praxis“-Initiativen aus den 25 EU-Mitgliedstaaten vor der Erweiterung (http://intranet.leaderplus.org). Die Ermittlung „Guter Praxis“ stand in Zusammenhang mit den sieben grundlegenden Ansätzen von Leader+: Territorialer Ansatz; Bottom-up-Ansatz; Regionales Entwicklungskonzept; Innovationsansatz; Integrationsansatz; Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen Gebieten; lokale Finanzierung und Verwaltung. Übertragbarkeit und Nachhaltigkeit sind neu hinzugekommen. Beispiele von Leader+ Initiativen, die für Fallstudienregionen besonders relevant sind, werden in der Anlage beschrieben.37 Die nachfolgenden Empfehlungen an die Politik sind vor dem Hintergrund der OECD-Ergebnisse und der Empfehlungen aus den lokalen Fallstudien zu betrachten: 36 Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage. 37 Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage. 194 Aktive Förderung des Leader-Programms der EU in sämtlichen ländlichen Regionen und Angebot von Workshops, um Interessenten bei der Erstellung von Vorschlägen zu unterstützen. Erwägung der Einrichtung eines zusätzlichen Fonds zur Förderung integrierter ländlicher Entwicklungsprojekte auf der Grundlage von LEADER-Grundsätzen. Bereitstellung von Unterstützung für Führungsentwicklungsprogramme basierend auf dem Modell von Scottish Enterprise, um kommunalen Handlungsträgern in ländlichen Gebieten den Aufbau von Wissen, Fähigkeiten und Kontakten zur Förderung und Anleitung unternehmerischer Entwicklung innerhalb ihrer Kommunen zu ermöglichen. Förderung von Networking zwischen Unternehmern, potenziellen Unternehmern und wichtigen Einrichtungen in ländlichen Gebieten Da Unternehmer im ländlichen Raum isolierter sind und über weniger unmittelbaren Zugang zu Märkten und anderen Ressourcen verfügen, sind für sie unterschiedliche Arten von Netzwerkbildung, Ressourcen und Risiko-Pooling erforderlich. Die beschränkten Ressourcen, die Unternehmen in ländlichen Gebieten zur Verfügung stehen (z.B. unzureichende lokale Märkte, Entfernung von großen Märkten und beschränkte Verfügbarkeit von Kapital), scheinen einen systemischen Ansatz zu verlangen. Vor diesem Hintergrund ist die Förderung unternehmerischer Netzwerke ein Schlüsselelement im Rahmen einer Strategie zur Entwicklung des unternehmerischen Potenzials ländlicher Gebiete, da sie einen Beitrag zum Aufbau wirtschaftlich relevanten Sozialkapitals leisten. Obgleich empirische Daten nur bedingt zur Verfügung stehen, erwägt Lyons (2002) einen Ansatz zum Aufbau sozialen Kapitals für die Unternehmensentwicklung basierend auf drei Fallstudien in den USA: Ein ländliches Geschäftsinkubationssystem in Alabama, ein Geschäftsinkubationsprogramm im ländlichen Humboldt County in Kalifornien sowie ein kommunales Wirtschaftsentwicklungsprogramm in der Region Zentral-Appalachen. Die Analyse der drei Fallstudien durch Lyons stellt eine Reihe von Hauptmerkmalen in Zusammenhang mit dem erfolgreichen Aufbau sozialen Kapitals in ländlichen Regionen zusammen. Dazu gehören: Multiple Verknüpfungen zwischen mehreren Teilnehmern zur Entwicklung einer NetzwerkKultur. Ein prozessorientierter Ansatz im Rahmen wirtschaftlicher Inkubationsverfahren in Verbindung mit Netzwerkaktivitäten, obgleich der Ansatz eher prozessorientiert und weniger auf die Implementierung neuer physischer Strukturen ausgerichtet ist. Eine auf einzelne Sektoren ausgerichtete Unternehmensentwicklungsstrategie, z.B. Lebensmittelverarbeitung, Möbelfertigung und Computerserviceleistungen. Verfahren zum Aufbau sozialen Kapitals, die mit spezifischen Barrieren für die Entwicklung von Unternehmertum im ländlichen Räumen korrelieren, z.B. Verfügbarkeit von Kapital, Verbindungen zu externen Märkten. Dienstleistungsanbieter, die zu unternehmerischem Verhalten bereit und in der Lage sind. Eine Kombination aus formalen und informalen Verknüpfungen. 195 Langfristige Bereitschaft zur Aufrechterhaltung von Netzwerken. Der Ausbau von Einrichtungen zur Förderung unternehmerischen Engagements wurde als ein Schlüsselelement im Rahmen des Aufbaus einer unternehmerisch geprägten Grundhaltung in den ländlichen Gebieten der USA erkannt (Centre for Rural Entrepreneurship 2003). Förderorganisationen sollen dabei ihren Schwerpunkt eher auf Unternehmer als auf die dazugehörigen Betriebe legen, Einrichtungen zur Förderung von unternehmerischem Engagement sollen Unternehmertum im gesamten Verlauf des unternehmerischen Prozesses unterstützen, von der Entwicklung von Geschäftsideen bis hin zum lebensfähigen Unternehmen. Ziel ist der Aufbau unternehmerischer Umfelder mit Unterstützung sowohl des privaten als auch des öffentlichen Sektors, wobei ein strategischer, umfassender und den jeweiligen Gegebenheiten angepasster Ansatz zu verfolgen ist, der den Unternehmern vor Ort gerecht wird. Der Aufbau von Einrichtungen zur Förderung unternehmerischen Engagements muss den Charakter eines Netzwerks, einer Vermittlungsstelle oder eines sektoralen Clusters aufweisen. Zu den spezifischen Aktivitäten gehören: Auffindung, Förderung und Unterstützung von Personen vor Ort mit der erforderlichen Motivation und dem erforderlichen Engagement zum Aufbau eines erfolgreichen Unternehmens, Unterstützung von Fördernetzwerken mit Zugang zu Mentoren und Rollenmodellen, Unterstützung von Unternehmern bei der Finanzierung in unterschiedlichen Phasen der Geschäftsentwicklung, Unterstützung von Unternehmern beim Eintritt in entfernte Märkte, z.B. durch Teilnahme an Fachmessen, Vermittlung von technischer Assistenz verschiedener Art, Engagement im Rahmen einer Art von Unternehmensförderung, die über zeitnahe Schulungen und Wissensaufbauprogramme hinausgeht, hin zur Entwicklung langfristiger Partnerschaften mit Unternehmern. Eine verbreitete Form von Zusammenarbeit und Networking zwischen Unternehmern sind gemeinsame Marketinginitiativen, die im Falle von nahrungsmittelbezogenen Aktivitäten von CoBranding und externen Kostenersparnissen sowie von gesteigerter Wirtschaftlichkeit durch Großproduktion profitieren. Ein Beispiel ist die Clyde Valley Tomato Growers Initiative in Schottland.38 Auf europäischer Ebene beschreiben Mandl et al. (2007) eine Reihe von Fallstudien, in denen spezifische Aktivitäten mit dem Ziel des Aufbaus von sozialem Kapital zu ökonomischen Zwecken in ländlichen Gebieten eine Rolle spielten. Dazu zählen die Schaffung und Förderung traditioneller Cluster in Gebieten, wo es keine Tradition der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen gibt, sowie der Aufbau unternehmerischer Netzwerke zum gemeinsamen Vertrieb von Produkten, zur Stärkung des lokalen Tourismus sowie zum Aufbau weiterer Netzwerke. Ein Beispiel für ein traditionelles Geschäftscluster in Spanien wird in der Anlage zu diesem Bericht beschrieben.39 Die Bedeutung des sozialen Kapitals stellt die Rolle sozialer Unternehmen auf den Prüfstand, die nach Auffassung der britischen Regierung zum Erfolg von ländlichen Kommunen beitragen können (Defra 2005). Soziale Unternehmen sind definiert als „Unternehmen mit primär sozialen Zielen, deren Überschüsse grundsätzlich zu diesem Zweck in das Geschäft oder die Gemeinde reinvestiert werden und die somit nicht der Notwendigkeit der Profitmaximierung für Aktionäre, Anteilseigner und Eigentümer unterliegen“ (www.sbs.gov.uk). Detaillierte Untersuchungen einer Gruppe sozialer Unternehmen im ländlichen Devon wiesen deutlich auf den Beitrag bestimmter Arten sozialer Unternehmen im Bereich ländlicher Dienstleistungen zur sozialen Vernetzung und kommunalen Inklusion hin, wobei diese Unternehmen zudem Standards im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit 38 Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage. 39 Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage. 196 einhielten (Smallbone et al. 2003b). In Großbritannien leisten soziale Unternehmen einen Beitrag im Bereich von Dienstleistungen wie kommunaler Transport, Village Shops und Postämter bis hin zur Kinderbetreuung, wenn diese Dienste aus wirtschaftlichen Gründen weder vom privaten noch vom öffentlichen Sektor angeboten werden. Bestimmte Arten sozialer Unternehmen leisten offenbar einen besonderen Beitrag zur Entwicklung unternehmerischen Engagements in ländlichen Gebieten mit derzeit niedriger unternehmerischer Kapazität.40 Das Beispiel eines sozialen Unternehmens im ländlichen Dorset in Südengland veranschaulicht den Beitrag, der von sozialen Unternehmen zu einer nachhaltigen Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie, insbesondere durch Direktvermarktung an den Verbraucher, geleistet werden kann. Einerseits wird dies durch Bauernmärkte erreicht, auf denen Landwirte neue Kontakte zu Verbrauchern knüpfen und direkt auf die steigende Nachfrage nach lokal erzeugten Lebensmitteln reagieren können. Ein anderes Mittel sind Lebensmittelkooperativen mit dem Ziel, direkte Absatzverbindungen zu schaffen und das Bewusstsein für den gesundheitlichen Nutzen von frischem Obst und Gemüse auch in den einkommensschwächeren Schichten zu schärfen. Die nachfolgenden Empfehlungen an die Politik sind vor dem Hintergrund der OECD-Ergebnisse und der Empfehlungen aus den lokalen Fallstudien zu betrachten: Einräumung einer Vorrangstellung der Entwicklung von Netzwerken in ländlichen Gebieten, die entstehende und neue Unternehmen mit ihren erfahreneren Pendants und mit den entsprechenden Institutionen verbinden. Förderung und Unterstützung der Entwicklung von latenten Clustern der geschäftlichen Aktivität in ländlichen Gebieten. Förderung der Option sozialer Unternehmen für ländliche Kommunen als Mittel der Stimulierung unternehmerischer Aktivität, wodurch das ländliche Dienstleistungsangebot für Unternehmen und/oder die ländliche Bevölkerung verbessert wird. Gewährleistung des Zugangs zu qualifizierter Beratung und Unterstützung für soziale Unternehmen im ländlichen Raum. Einräumung einer Vorrangstellung für die Bereitstellung von Marketingunterstützung für neue und kleine ländliche Firmen, z.B. durch gemeinsame Vermarktungsinitiativen und Events, bei denen Anbieter und potenzielle Kunden aufeinander treffen. Ermittlung innovativer Wege zur Verbesserung des Zugangs zu unternehmerischen Dienstleistungen für neue und bestehende Unternehmer in Gebieten mit niedriger Bevölkerungsdichte Einer der wichtigsten Grundsätze für den Aufbau einer Unternehmensförderinfrastruktur mit Bereitstellung von Beratungs- und Schulungsmöglichkeiten, technischer Unterstützung und Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten für Unternehmer ist die Ausrichtung auf den Kunden. Diese zeigt sich darin, dass Dienstleistungen leicht zugänglich und eher auf die Bedürfnisse des Kunden als die des Finanziers zugeschnitten sind. Die Beispiele aus Nordamerika und Europa, wo Kritiker eine Fragmentierung des Dienstleistungsangebots, fehlende Kontinuität und strategische Vision, oftmals einhergehend mit kurzfristigen Finanzierungsplänen und einer fehlenden Einbettung von Förderagenturen, feststellten, sind zahlreich. Das Projekt Entrepreneurship Development Systems in Rural Development, beschrieben von Lichenstein und Lyons (2001), war ein Versuch, diese Probleme 40 Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage. 197 durch ein Ausschreibungsverfahren zur Erlangung von Finanzierungsmitteln, das von Kommunen aus verschiedenen ländlichen Regionen ausging, zu vermeiden. Zusammenarbeit und Partnerschaft waren Schlüsselkriterien im Rahmen der entsprechenden Evaluierung konkurrierender Gesuche um die von einer privaten Stiftung zur Verfügung gestellten Mittel. Das Prinzip konkurrierender Gesuche zur Erlangung öffentlicher Mittel ist in Europa allgemein üblich und stellt, wie die Programme Leader und Leader+ zeigen, ein Verfahren zur Stimulierung der Zusammenarbeit zwischen Einzelpersonen und Organisationen dar, zwischen denen es traditionell wenig Kooperation gegeben hat. Unternehmensinkubationszentren können insbesondere für die ländlichen Regionen geeignet sein, in denen lokale Beratungsmöglichkeiten und Unternehmensdienstleistungen fehlen. Niedrige Bevölkerungs- und Unternehmensdichten können für ihre Lebensfähigkeit allerdings eine Herausforderung darstellen. Einen innovativen Ansatz im Rahmen dieses Problems bietet Outreach Incubator, eine Erweiterung von Greenhouse Incubator, gegründet 1999 in Inverness, Schottland.41 Gute Beratungsmöglichkeiten, die eine Fragmentierung vermeiden helfen, sind zentrale Anlaufstellen oder „Gateways“ im Rahmen des Unternehmensfördersystems.42 Die nachfolgenden Empfehlungen an die Politik sind vor dem Hintergrund der OECD-Ergebnisse und der Empfehlungen aus den lokalen Fallstudien zu betrachten: Einrichtung eines Fonds für Projekte zur Ermittlung innovativer Förderwege für Leistungen an ländliche Unternehmen, im Rahmen derer Unternehmensfördereinrichtungen und andere Institutionen in ländlichen Gebieten auf Konkurrenzbasis sich um Mittel bewerben, wodurch auch das unternehmerische Verhalten auf deren Seite angeregt wird. Förderung der aktiven Beteiligung höherer Bildungseinrichtungen an der Entwicklung unternehmerischen Engagements in ländlichen Regionen durch Einrichtung eines Fonds Höhere Bildungseinrichtungen/Ländliche Unternehmen zur Förderung der Verknüpfungen zwischen diesen Einrichtungen und Unternehmern. Förderung von Innovation in ländlichen Unternehmen Universitäten leisten einen erheblichen Innovationsbeitrag in einem ländlichen Wirtschaftssystem, wobei sie eng mit anderen Einrichtungen und Institutionen zusammenarbeiten. Die wichtige potenzielle Rolle höherer Bildungseinrichtungen innerhalb der lokalen wirtschaftlichen Entwicklung wird in etablierten Marktwirtschaften zunehmend erkannt, obgleich signifikante Ergebnisse in der Praxis ein starkes institutionelles Engagement und Entschlossenheit verlangen. Der Fall der Innovation Group im Bundesstaat Kentucky veranschaulicht, was diesbezüglich in einem ländlichen Kontext erreicht werden kann.43 Das ländliche Kentucky verfügt über landschaftliche Reize, dort befinden sich jedoch auch einige der wirtschaftlich schwächsten Regionen der USA, da traditionelle Beschäftigungsmöglichkeiten für die regionale Wirtschaft nicht länger tragfähig sind. Zu den Wettbewerbsbarrieren gehören Abwanderung, eine schlecht ausgebildete Arbeiterschaft, Arbeitslosigkeit und eine inadäquate Infrastruktur. 41 Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage. 42 Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage. 43 Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage. 198 Die nachfolgenden Empfehlungen an die Politik sind vor dem Hintergrund der OECD-Ergebnisse und der Empfehlungen aus den lokalen Fallstudien zu betrachten: Bereitstellung von Unterstützung für ein Programm ländlicher Geschäftsinkubatoren mit Schwerpunkt auf dem Prozess der Unternehmensinkubation und der aktiven Beteiligung wichtiger Handlungsträger in ländlichen Kommunen als Partner. Bereitstellung von Mitteln für Universitäten zur Errichtung von Innovations- und Geschäftszentren mit Schwerpunkt auf einer Vergrößerung ihrer Kapazität zur effektiven Unterstützung neuer und kleiner ländlicher Unternehmen. Literatur Allen J. and D. Dillman (1994), Against all the Odds: Rural Communities in the Information Age, Westview Press, Boulder. Anderson A. and A. McAuley (1999), “Marketing Landscapes: the Social Context”, Qualitative Marketing Research, Vol. 2, No. 3, Emerald, pp. 176-188. Beggs J., V. Haines and J. Hurlbert (1996), “Revisiting the Rural-Urban Contrast: Personal Networks in Non-metropolitan and Metropolitan Settings”, Rural Sociology, Vol. 61, No. 2, Rural Sociological Society, pp. 306-325. Audretsch, D. and R. Thurik (2000), What's New about the New Economy? Sources of Growth in the Managed and Entrepreneurial Economies, Discussion paper, Tinbergen Institute, Erasmus University, Rotterdam. Bennett R. and C. 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Letzteres ergibt sich daraus, dass die Diversifikation in ländlichen Wirtschaftsräumen tendenziell weniger ausgeprägt ist als in städtischen. Deshalb weisen Arbeitskräfte im ländlichen Raum oftmals Defizite beim Ausbildungsstand, eine geringe Ausdifferenzierung der Qualifikationen und eine Nichtübereinstimmung mit dem lokalen Arbeitsmarkt auf, eine Asymmetrie, die auch durch die Abwanderung von jungen, gut ausgebildeten Menschen und Fachkräften mit verursacht wird. Erfahrungen aus anderen OECD-Ländern zeigen, dass ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Förderprogrammen im Bereich Unternehmertum darin liegt, Landwirte oder abhängig Beschäftigte im landwirtschaftlichen Sektor von ihrer Fähigkeit zu überzeugen, selber Unternehmer zu werden, neue und profitable Projekte durch neue Initiativen in Angriff zu nehmen und dabei vor Risiken nicht zurückzuscheuen. Landwirte sind oftmals eine attraktive Zielgruppe für entsprechende Förderinitiativen, weil sie durch die Leitung ihres Betriebes bereits über eine Reihe von Fähigkeiten und Kenntnissen verfügen, die für die erfolgreiche Führung eines Geschäfts notwendig sind. Modernisierung und Diversifizierung sind jedoch nicht immer die ersten Ideen eines landwirtschaftlichen Unternehmers. In den Landkreisen Uckermark (Brandenburg) und Parchim (Mecklenburg-Vorpommern), dem Fallstudienbereich mit Schwerpunkt auf ländlichem Unternehmertum, wurden in Verbindung mit diesem Ansatz beträchtliche Erfolge erzielt. Verschiedene Initiativen im Rahmen von LEADER und LEADER PLUS haben eine Förderung des Aufbaus von Partnerschaften, Kooperationsinitiativen und Synergieeffekten zwischen unterschiedlichen Akteuren durch die Gründung lokaler Aktionsgruppen zum Ziel. Ferner sollen verschiedene Initiativen zur Diversifizierung ländlicher Wirtschaftsbereiche in den beiden Landkreisen mit umfassenderen lokalen wirtschaftlichen Entwicklungsstrategien verknüpft werden, deren Ziel in der Förderung des Unternehmertums als Motor für die Schaffung von Arbeitsplätzen und von wirtschaftlichem Wachstum besteht. Die Aktivitäten der Initiativengruppe zielen auf die Förderung des lokalen Tourismus und der Gesundheitsbranche ab; zudem gibt es Bemühungen zur Verbesserung bei der Modernisierung und Diversifizierung bestehender Ventures im Bereich der kommerziellen Landwirtschaft. Beide Landkreise befinden sich in der Nähe der städtischen Zentren Berlin und Hamburg. Somit besteht eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Entwicklung von Aktivitäten im Bereich Freizeit- und Wochenendtourismus. Überdies kann ein Immobilienmarkt, der für Rentner aus der Stadt zugeschnitten ist, entwickelt werden. Der zweite Interventionsbereich unterstützt Unternehmer im Rahmen alternativer Geschäftsausrichtungen wie Bioproduktion in der Landwirtschaft, Produktion und Vermarktung im Rahmen der lokalen Lebensmittelversorgung und innerhalb des gesamten 205 Bereichs von Biomasse und erneuerbaren Energien. Bei beiden Gruppen richten sich die politischen Maßnahmen auf die Entwicklung von Fähigkeiten ländlicher Unternehmer in den Bereichen professionelle Methoden, Geschäftskenntnisse, einschließlich Investitionsbewertung und umfassendere Finanzierungsfragen bezüglich Eigenkapital und externer Finanzierung. Der teilweise ländliche Charakter der beiden Landkreise und ihre Nähe zu wirtschaftlichen Entwicklungszentren innerhalb und außerhalb der Landesgrenzen unterstreicht zusätzlich den grundsätzlichen Bedarf nach einer zunehmenden Integration verschiedener politischer Programme und Initiativen und ihrer Zusammenfassung in lokalen Entwicklungsstrategien, die einen Rahmen für Unternehmertum und die Schaffung von Arbeitsplätzen abgeben können. Ferner machen die regionalen Unterschiede der Gebiete den lokalen Zuschnitt von auf Landesebene konzipierten politischen Maßnahmen und Programmen zur Grundvoraussetzung ihrer Wirksamkeit. Im Sinne der Integration politischer Maßnahmen ist es deshalb wichtig, dass eingeleitete Programme und Initiativen, z.B. in den Bereichen der Modernisierung bestehender KMU, der allgemeinen Weiterbildung der Arbeitnehmer, der Stärkung der lokalen und regionalen wissenschaftlichen Basis, und die Förderung des Unternehmertums innerhalb von Gruppen, in denen Unternehmenseigentümer nur begrenzt vertreten sind, klar miteinander verknüpft und ebenso Teil einer allgemeinen Strategie sind. In den lokalen Fallstudiengebieten findet sich eine Anzahl von Beispielen Guter Praxis zur Überwindung der Barrieren, die einer Entwicklung von Unternehmertum in ländlichen Gebieten entgegenstehen. Integrierte Strategien der ländlichen Entwicklung wurden konzipiert und implementiert. Die Entwicklung der so genannten Integrierten Ländlichen Entwicklungskonzepte und die Einrichtung von regionalen Agenturen, das so genannte Regionalmanagement, haben die Verdeutlichung neuer wirtschaftlicher Perspektiven für ländliche Gebiete zum Ziel. Ein kontinuierlicher Aufbau von Synergien auf Landesebene zwischen dem Landwirtschaftsministerium, führenden ländlichen Entwicklungsbestrebungen und wichtigen Einrichtungen für die Entwicklung des Unternehmertums werden ebenfalls zu einer Minimierung von Koordinationsproblemen auf lokaler Ebene beitragen, die sich aus einer Übertragung unterschiedlicher Prioritätssetzungen auf einzelne Strategien ergeben, die von verschiedenen Agenturen auf lokaler Ebene und/oder auf Landesebene umgesetzt werden. Dies ermöglicht Synergieeffekte zwischen landwirtschaftlicher Produktion und wichtigen Wirtschaftsbereichen, beispielsweise in der Erzeugung erneuerbarer Energie und im Tourismus, und stellt außerdem einen soliden Unterbau für eine effektive Politik zur Förderung ländlichen Unternehmertums dar. Die weitere Förderung unternehmerischer Aktivitäten und wirtschaftlicher Entwicklung könnte durch die demographischen Herausforderungen einer alternden Bevölkerung und einer fortdauernden Abwanderung junger und gut ausgebildeter Menschen beeinträchtigt werden. Wichtig ist, dass neue Möglichkeiten für ländliche Gebiete – wie zum Beispiel eine zunehmende Nachfrage nach ländlichen Erholungsmöglichkeiten seitens der Stadtbevölkerung, ungenutzte Ressourcen der wirtschaftlichen Entwicklung durch eine diversifizierte Landwirtschaft und das steigende Interesse am ländlichen Tourismus, die Niederlassung von Firmen, die sich für ländliche Gebiete als neuen Geschäftsstandort entscheiden – von der Politik erkannt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden. Der Aufbau eines eignen Geschäfts ist jedoch nur in sehr wenigen Fällen eine Alternative zur Migration an andere Orte mit besseren Arbeitsmöglichkeiten. Migration kann jedoch temporär sein, und die Politik kann hierauf Einfluss nehmen. Oftmals möchten Migranten nach einer gewissen Zeit zurückkehren und die neu gewonnen Fähigkeiten und Kenntnisse in der Heimat einbringen. Die Bereitstellung geeigneter Rahmenbedingungen für den Aufbau eines eigenen Unternehmens, den Antritt einer Geschäftsnachfolge oder die Koordination mit dem Bedarf von Unternehmen an qualifizierten und hoch qualifizierten Arbeitskräften sind bewährte Ansätze, die in anderen OECD-Regionen entwickelt wurden. 206 Was kann die Politik tun, und welche Aktivitäten können tatsächlich zur Förderung eines ländlichen Unternehmertums beitragen? Der teilweise ländliche Charakter größerer Teile Ostdeutschlands und die Nähe ländlicher Gebiete zu wirtschaftlichen Entwicklungszentren innerhalb und außerhalb der Landesgrenzen unterstreicht zusätzlich den oben genannten Grundsatz einer Koordination und Integration verschiedener politischer Programme und Initiativen und ihrer Zusammenfassung in lokalen Entwicklungsstrategien, die einen Rahmen für Unternehmertum und die Schaffung von Arbeitsplätzen abgeben können. Darüber hinaus machen die regionalen Unterschiede der Gebiete den lokalen Zuschnitt von auf Landesebene konzipierten politischen Maßnahmen und Programmen zur Grundvoraussetzung ihrer Wirksamkeit. Kommunale Handlungsträger müssen lokales und regionales „Kapital“ ermitteln und es mit Hilfe von staatlichen Programmen in unternehmerische Aktivität umwandeln. Die Erfolgschancen für das Erreichen größerer Märkte sind oft mit der Fähigkeit eines Unternehmers bzw. eines Unternehmens verknüpft, die sich aus dem Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien ergebenden Möglichkeiten der Beschaffung von Produktionsmitteln und des Verkaufs von Produkten und Dienstleistungen zu nutzen. Insbesondere in peripher gelegenen Gebieten ist ein verstärkter Einsatz von E-Commerce bei der Modernisierung und Diversifizierung bestehender Unternehmen von Nutzen und bietet Möglichkeiten zur Überwindung der Barriere einer unzureichenden Kapazität lokaler Märkte. Die lokalen Fallstudien in Ostdeutschland haben eine Reihe von Empfehlungen an die Politik erbracht, die trotz ihrer lokalen Abkunft eine gewisse Relevanz für andere Standorte in Ostdeutschland und anderswo aufweisen. Somit sollten die nachfolgenden Empfehlungen als Checkliste für politisch Verantwortliche und lokale Organisationen im Rahmen einer Erneuerung der Politik zur Förderung von Unternehmertum und der Entwicklung neuer lokaler Initiativen für Aufbau und Stärkung des ländlichen Unternehmertums sowie der Diversifizierung ländlicher Wirtschaftsbereiche durch neue und innovative unternehmerische Aktivitäten herangezogen werden. Handlungsempfehlungen zur Förderung unternehmerischer Aktivität im ländlichen Raum Attraktive Regionen schaffen. Initiativen sollten entwickelt werden, um vermehrt unternehmerisch eingestellte Personen aus anderen Gegenden anzuziehen, die zur Steigerung der Neugründungen vor Ort beitragen können. Marketing- und Werbemaßnahmen der Landkreise sollten auf unternehmerische Persönlichkeiten zielen, wobei deren bereits vorhandene lokale Kontakte genutzt werden sollten. Ehemalige Einwohner der Landkreise, die nun außerhalb leben, aber noch familiäre Bindungen aufrecht halten, sollten eine besondere Zielgruppe für solche Maßnahmen darstellen. Denn gerade sie werden leichter die Lebensqualität und die wirtschaftlichen Möglichkeiten dieser Landkreise erkennen (z.B. niedrigere Lebenshaltungskosten, Zugang zu Fördermitteln, landschaftlich reizvolle Natur usw.). Außerdem bewegen oft gerade soziale Beweggründe zu einer Rückkehr. Identifizierung von lokalen und regionalen Vorteilen und deren mögliche Umsetzung in Unternehmertum. In wirtschaftlich unter Druck stehenden Gegenden überwiegt oftmals die Darstellung von Problemen und Unzulänglichkeiten - auch um öffentliche Investitionen und Förderung anzuziehen. Dies erschwert es Chancen zu erkennen, die sich in wirtschaftliche Vorteile umsetzen lassen. Eine 'Inventarisierung' lokaler und regionaler Vorzüge – selbst wirtschaftlich benachteiligte ländliche Gemeinden verfügen über eine Reihe von Vorteilen – kann Möglichkeiten aufzeigen, um unternehmerische Aktivität anzulocken und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Integration von Entrepreneurship-Ausbildung in Lehrpläne von Schulen, Fach- und Hochschulen sowie in Aus- und Weiterbildungsprogramme. Eine Erweiterung der Erziehung und Berufsausbildung zu Enterpreneurship Themen mit dem Ziel, neues und wachsendes Unternehmertum zu schaffen, ist potentiell ein starkes Mittel, um junge Menschen in ländlichen Gemeinden zu halten. Ein solcher Ansatz kann auch dazu beitragen, Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft sowie in anderen Berufsgruppen mit Unternehmertum vertraut zu machen. Insbesondere dann, wenn diese für ihre abhängige Beschäftigung keine angemessene Entlohnung finden und nicht auf der Suche nach besseren Chancen in die Stadt ziehen möchten. 207 Entwicklung einer lokalen Förder- und Unterstützungshaltung für Unternehmertum bei der örtlichen Bevölkerung, um Chancen für erfolgreiches Unternehmertum auszuweiten. Wenn Menschen bei dem Versuch, ein Unternehmen zu gründen oder auszuweiten, dem Misstrauen und der Geringschätzung durch die örtliche Bevölkerung begegnen, werden sie entweder ihr Unternehmen aufgeben oder wegziehen. Ländliches Unternehmertum muss von der örtlichen politischen Führung als eine effektive Alternative oder Ergänzung zur Anlockung von Unternehmen von außerhalb verstanden und willkommen geheißen werden. Förderleistungen für Unternehmer zu vernetzten effektiven Systemen ausbauen. Ausbildung und technische Unterstützung, Zugang zu Kapital und die Bereitstellung von Gewerbeflächen und -räumen sowie Orientierung zu rechtlichen Vorgaben sollte systemisch vernetzt erfolgen. Ziel eines solchen Ansatzes sollte es sein, Wege und Möglichkeiten einzubringen, um Effizienz zu steigern und Transaktionskosten zu verringern, wobei die Qualität der Förderung von verstreut angesiedelten ländlichen Unternehmern gehalten oder verbessert werden sollte. Beziehungen und Netzwerke zwischen Regierungsstellen, Kammern und anderen Einrichtungen der Unternehmensförderung sind entscheidend um zu gewährleisten, dass jenen Unternehmern mit der Motivation, Arbeitsplätze und Wohlstand in den ländlichen Gemeinden zu schaffen, integrierte und umfassende Unterstützung zuteil wird. Besondere Beachtung gilt dabei den ordnungspolitischen Rahmenbedingungen und der Zeit, die erforderlich ist, um Genehmigungen und andere Zusagen zu erhalten. Ländliche Unternehmer in überregionale Märkte einbinden, um eine Abhängigkeit ihrer Produkte und Dienstleistungen von stagnierenden lokalen Märkten zu reduzieren. Strategien hierzu sollten folgendes einschließen: Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien für E-Commerce, kooperative Vermarktungsstrategien, die sektoral oder geographisch oder beides sein könnten, Stärkung von Netzwerken und ein Austausch zwischen Unternehmern, auch über regionale und nationale Grenzen hinweg. Fördermaßnahmen sowie Aus- und Weiterbildung sollten auf die Bedeutung des Zugangs zu überregionalen Märkten ausgerichtet werden. Förderung von Basisinnovationen. Es sollte mehr unternommen werden, um Innovationen in der Landwirtschaft, der Nahrungsmittelindustrie, der Grundgüterindustrie und in den vor- und nachgelagerten Sektoren und den darin operierenden kleineren und weniger kapitalintensiven Unternehmen anzuregen. Es gilt, Gute Praxis in Basisinnovationen ausfindig zu machen und zur Nachahmung anzuregen. Unterstützungsaktivitäten im Bereich Technologie ausweiten. Eine Inanspruchnahme von externen F&EDienstleistungen könnte KMU im ländlichen Raum bei ihren Innovationsbestrebungen unterstützen. Sollten sich die Landkreise für die Schaffung der erforderlichen Innovationsinfrastruktur als zu klein empfinden, könnte eine überregionale Zusammenarbeit mit benachbarten Kreisen oder thematisch verwandten Hochschul- und Forschungseinrichtungen hier Abhilfe schaffen. 208 Box 11. Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in der Förderung des Unternehmertums im ländlichen Raum Unternehmen leicht gemacht in ländlichen Kansas – Vereinigte Staaten von Amerika: Das Verständnis für ländliches Unternehmertum als eine effektive Alternative um Unternehmen von anderorts anzulocken fördern. Eine integrierte Entwicklungsstrategie in Dundalk – Irland: Den Zugang zu Finanzierungsmitteln durch Partnerschaften mit Banken und Venture Kapital Institutionen erleichtern. Ein System zur Förderung von Unternehmertum im ländlichen Raum – Vereinigte Staaten von Amerika: Ein umfassendes Unterhmensentwicklungssystem aufbauen, welches finanzielle Anreize und technische Assistenz und Gemeinschaftsanstrengungen von öffentlichen, privaten und non-profit Akteuren bündelt. Strategien zur Anlockung von Talenten in Schottland – Vereinigtes Königreich: Wiederbelebung von primär ländlichen, schwach besiedelten und äußerst peripheren Gebieten, wie dem schottischen Hochland und den Inselregionen um Schottland. Innovation und Unternehmertum im ländlichen Kentucky – Vereinigte Staaten von Amerika: sich externe Märkten durch regional Entwicklungscluster in ländlichen Regionen zu Nutze machen. Ein Aktionsprogramm zur Förderung von Unternehmertum im ländlichen Raum (REAL) - North Carolina – Vereinigte Staaten von Amerika: Förderung von unternehmerischen Aktivitäten unter Studenten in ländlichen Regionen. Strategien zur Förderung eines nachhaltigen Unternehmertums in Appalachia – Vereinigte Staaten von Amerika: Regional Märkte für ländliche Unternehmer aufbauen. 209 KAPITEL 6 GESTALTUNG UND UMSETZUNG DER UNTERNEHMENSFÖRDERPOLITIK 211 POLITISCHE UMSETZUNGSMASSNAHMEN: SCHWIERIGKEITEN UND CHANCEN FÜR DIE ENTWICKLUNG DES UNTERNEHMERTUMS Frederike Walter, Deutschland Einleitung Unternehmertum und insbesondere Startup-Unternehmen sind seit Mitte der neunziger Jahre zu einem Schwerpunkt der deutschen Politik auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene geworden. Unternehmertum gilt als Mittel zur Verringerung der Arbeitslosigkeit und zur Verjüngung der Wirtschaft. Zahlreiche Programme und politische Maßnahmen auf allen Ebenen zielen auf die Förderung neuer Unternehmensprojekte ab. Vor diesem Hintergrund erörtert das vorliegende Diskussionspapier in Kürze die derzeitige Entwicklung des Unternehmertums in Ostdeutschland; anschließend werden das politische und institutionelle Umfeld sowie Trends im Rahmen der Förderung des Unternehmertums betrachtet. Darüber hinaus werden aktuelle sozioökonomische Schwierigkeiten unter Berücksichtigung möglicher Anpassungen des bestehenden politischen Umfelds, insbesondere auf kommunaler Ebene, erörtert. Die lokalen Fallstudien werden zur Veranschaulichung des politischen Umfelds, der aktuellen Schwierigkeiten und der möglichen Antworten seitens der Politik herangezogen. Entwicklung des Unternehmertums in Ostdeutschland Mit der Einführung gesetzlicher Regelungen, die eine Veränderung von Eigentumsrechten mit sich brachten, und mit der Zulassung privaten Unternehmertums im Jahr 1990 erlebte das Unternehmertum in Ostdeutschland in den frühen neunziger Jahren einen Boom. Zwischen 1988 und 1991 hat sich die Anzahl der ostdeutschen Unternehmer mehr als verdoppelt.44 Im Jahr 2005 belief sich die Anzahl der Unternehmer auf 689.000 (Tabelle 1). Das rapide Wachstum in den ersten fünf Jahren nach der Wiedervereinigung hat sich jedoch beträchtlich verlangsamt. Dabei folgt die Entwicklung des Unternehmertums in Ostdeutschland dem allgemeinen Muster ehemals sozialistischer Länder, d.h. nach einem anfänglichen Anstieg angesichts der vielen Möglichkeiten und einer Vielzahl von Unternehmensneugründungen verlangsamt sich die unternehmerische Entwicklung im Zuge einer Auffüllung von Marktnischen und zunehmendem Wettbewerb. Der stärkste Anstieg erfolgte in den Jahren 1991-1995, seit Mitte der neunziger Jahre verläuft der Zuwachs jedoch langsamer. Insgesamt bleibt das Niveau nur leicht hinter dem westsdeutschen zurück. Im Jahr 2005 lag der Anteil von Unternehmern unter der erwerbstätigen Bevölkerung in Ostdeutschland bei 10,8 Prozent, in Westdeutschland bei 11,2 Prozent. Trotz der niedrigeren Wachstumsraten seit Mitte der neunziger Jahre wurden seit Beginn des Umwandlungsprozesses nach der Wiedervereinigung bedeutende Fortschritte erzielt. 44 Für 1988 siehe Schrumpf (1990). Die Daten in Tabelle 1 stammen aus dem Mikrozensus, bei dem es sich um eine jährliche repräsentative Studie (Erfassung: 1%) des Statistischen Bundesamtes handelt. Erhoben werden Daten zum Beschäftigungsstatus, wobei zwischen abhängiger Beschäftigung, Familienhilfe und Selbständigkeit unterschieden wird. Letztere kann als Indikator für das Unternehmertum gelten. Die Kategorie „Selbständigkeit“ umfasst Personen, die Eigentümer bzw. Miteigentümer eines Unternehmens mit Angestellten sind oder allein arbeiten. Dazu zählen auch von zu Hause aus arbeitende Unternehmer. 213 Doch auch mehr als ein Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung unterscheidet sich die Art des Unternehmertums zwischen Ost und West. Beispielsweise arbeiten in Ostdeutschland mehr Unternehmer Vollzeit als in Westdeutschland, was auf unterschiedliche Arbeitsmarktlagen hinweist (Tabelle 1). 2005 (1991) lag der betreffende Anteil bei 90,1% (94,8%) im Osten und bei 83% (88%) im Westen. Darüber hinaus ist der Anteil weiblicher Unternehmer in Ostdeutschland nach wie vor höher:45 Im Jahr 2005 waren fast ein Drittel aller Unternehmer Frauen, im Westen lag ihr Anteil bei 29,6%. 1991 lag dieser Anteil bei 28,2% im Osten und bei 25,6% im Westen. In beiden Teilen Deutschlands lässt sich jedoch ein Trend hin zu Kleinstunternehmen verzeichnen. Während 1991 noch 45,9% (Ostdeutschland) bzw. 44,7% (Westdeutschland) der eingetragenen Unternehmen als Firmen in Einzelinhaberschaft betrieben wurden, stiegen diese Anteile bis zum Jahr 2005 auf 58% bzw. 55,8%. Tabelle 2 Umfang und Art des Unternehmertums in Ostdeutschland, 1991-2005 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Gesamtanzahl der Unternehmer, in 1.000 348 394 431 463 486 487 512 542 544 553 562 552 583 621 689 Ohne Angestellte, in % 45.9 43.4 42.9 43.6 43.2 45.5 48.9 46.5 44.9 47.9 48.8 48.7 51.6 54.6 58.1 VollzeitUnternehmer, in % 94.8 94.9 95.8 95.2 94.9 94.0 93.8 94.1 93.8 92.4 92.3 92.2 91.6 92.3 90.1 28.2 28.7 30.4 29.8 29.4 29.8 30.7 29.7 30.1 Weibliche Unternehmer, in % Source: Statistisches Bundesamt (2006) und eigene Berechnungen der Autorin. 30.6 30.2 31.9 31.6 31.7 32.2 Regional vergleicht das NUI-Ranking das Gründungsgeschehen in sämtlichen deutschen Städten und Landkreisen.46 Der NUI-Indikator gibt an, wie viele Gewerbebetriebe pro 10.000 Einwohner im erwerbsfähigen Alter in einer Region in einem Jahr neu angemeldet wurden. Für fünf der sechs lokalen Fallstudien sind Daten verfügbar (eine Ausnahme stellt Marzahn-Hellersdorf dar, wo die Daten für Berlin zu Verzerrungen führen würden). Tabelle 2 zeigt, dass Gewerbeanmeldungen, gemessen an Änderungen des Indikators, in vier der Fallstudienregionen schwach bleiben, nämlich in der Uckermark (Brandenburg), dem Altenburger Land (Sachsen), Parchim (MecklenburgVorpommern) und Halle (Sachsen-Anhalt). 45 Eine detaillierte Untersuchung des weiblichen Unternehmertums in Deutschland findet sich bei Welter (2006). 46 Der Indikator misst die Anzahl der Gewerbeanmeldungen im Verhältnis zur erwerbstätigen Bevölkerung innerhalb des Vorjahres. Siehe IfM Bonn (2007). 214 Tabelle 3 Entwicklung des Unternehmertums in den lokalen Fallstudien 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Landkreis Mittweida 140.9 138.7 130.2 120.8 112.9 138.7 128.8 155.2 Halle (Saale), kreisfreie Stadt 150.5 133.9 124.7 125.2 116.3 125.9 148.7 134.0 Landkreis Parchim 137.8 133.4 122.7 110.6 109.8 136.7 174.3 133.0 Landkreis Altenburger Land, 127.7 114.9 111.9 109.0 99.5 110.3 143.0 123.4 Landkreis Uckermark 100.2 84.6 83.2 78.2 74.6 78.7 115.8 105.0 Source: IfM Bonn (2007). Hinsichtlich des regionalen Rankings nimmt die Uckermark dauerhaft einen der letzten Plätze unter allen deutschen Landkreisen und Städten ein: Platz 435 von 439 im Jahr 2005 und Platz 434 im Jahr 1998. Das Ranking des Kreises Altenburger Land verschlechterte sich von Platz 347 im Jahr 1998 auf Platz 419 im Jahr 2005. Ein ähnlicher Trend ist in den Landkreisen Parchim (264 in 1998, 390 in 2005) und Halle (385 in 2005, 197 in 1998) zu verzeichnen. Allein der Landkreis Mittweida in Thüringen verzeichnet ein relativ stabiles Ranking und lag im Jahr 2005 auf Platz 265 und in 1998 auf Platz 250. Unternehmertum und politischer Rahmen Die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen hat in Deutschland eine lange Tradition, während politische Maßnahmen zur Förderung des Unternehmertums vergleichsweise neu sind und erst seit den neunziger Jahren an Bedeutung gewinnen. Einer der stärksten Pluspunkte des deutschen Systems liegt im breiten Umfang der Fördermaßnahmen. Deutsche KMU und Neuunternehmer können in der Regel leicht ein Programm finden, das sie bei der Lösung von möglichen Problemen in unterschiedlichen Phasen der Unternehmensentwicklung unterstützt. Ein weiterer Vorteil liegt im engmaschigen Fördernetzwerk, zu dem öffentliche und private Partner auf regionaler und subregionaler Ebene zählen. Unternehmensförderung auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene Das politische Umfeld für die Unternehmensentwicklung in Ostdeutschland ist durch einen dezentralisierten Ansatz zur Förderung von KMU und Neufirmen gekennzeichnet, der auf dem Subsidiaritätsprinzip beruht, nach dem die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern gemäß dem deutschen Grundgesetz geregelt ist. Aufgrund der dezentralisierten und oftmals komplementären Natur ist hier eine Kurzdarstellung der Umsetzung von Programmen und Förderbereichen auf Bundes, Landes- und Kommunalebene wichtig. Förderbereiche und politische Umsetzung auf Bundesebene Die Bundesregierung hat im Jahr 2006 mit der Umsetzung der neuen KMU-Initiative zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit kleiner Unternehmen begonnen. Zu den acht Politikbereichen gehören die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für KMU und Unternehmertum, der Abbau bürokratischer Hürden, die Schaffung einer Initiative für Unternehmertum, die Modernisierung der beruflichen Ausbildung, die Verbesserung von Finanzierungsbedingungen insbesondere auch im Bereich Wagniskapital sowie die Förderung der Internationalisierung. Dies wird auf der regionalen Ebene durch die so genannten Gemeinschaftsaufgaben der Bundesregierung und der Länderregierungen unterstützt und bezieht sich auf die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der 215 regionalen Wirtschaftsstruktur“ und die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ für eine integrierte ländliche Entwicklung. Die Gemeinschaftsaufgaben sind ein Instrument, in dessen Rahmen die deutsche Bundesregierung und die Länderregierungen strategisch zusammenarbeiten, ihre regionalen politischen Maßnahmen integrieren und über gemeinsame Finanzierungen entscheiden. Die Bundesregierung und die Länderregierungen legen gemeinsam die im Rahmen dieser Politik zu fördernden Regionen sowie die entsprechenden Förderbereiche fest. Bei der Auswahl von Förderprojekten sind die Bundesministerien zunehmend zu Ausschreibungen mit Schwerpunkt auf öffentlich-privaten Partnerschaften innerhalb sämtlicher verschiedener politischen Ebenen und Netzwerke übergegangen; bei der Auswahl zu finanzierender innovativer Konzepte greift man zunehmend auf öffentlich-private Prüfungsausschüsse zurück. Ein solches Beispiel ist die Initiative „Unternehmen Region“, zu der auch Programme wie InnoRegio, Innovative regionale Wachstumskerne, Zentren für Innovationskompetenz, Innovationsforen und InnoProfile gehören. Diese Initiative konzentriert sich insbesondere auf die Förderung innovativer KMU in den ostdeutschen Regionen und trägt damit zur regionalen Entwicklung unternehmerischen Engagements bei. Die derzeitige Aufteilung von Projekten innerhalb dieser verschiedenen Programme zeigt das bekannte Bild eines Nord/Süd- und eines Stadt/Land-Gefälles, d.h. Projekte bilden Cluster um größere Städte sowie im Süden Ostdeutschlands.47 Ein weiteres gesamtdeutsches Beispiel ist das Programm „Lernregionen“, dessen Schwerpunkt im Bereich der Förderung regionaler oder regionsübergreifender Lerninitiativen liegt. Diese und ähnliche politische Maßnahmen stellen, obgleich auf Bundesebene initiiert, einen dezentralisierten, regionalen Ansatz dar. Verfolgt wird keine Strategie der Förderung von schwächer entwickelten Regionen durch Aufbau ihrer Infrastruktur und Subvention von wirtschaftlichen Aktivitäten innerhalb dieser Regionen, sondern diese Programme konzentrieren sich vielmehr stark auf den Aufbau regionaler Spitzenforschungszentren, so genannter Exzellenzzentren, und zwar unabhängig von deren Standort. Einige der lokalen Fallstudiengebiete - Parchim, die Uckermark und Mittweida - konnten diese Programme zur Förderung des lokalen Unternehmertums in Anspruch nehmen, indem sie Beispiele Guter Praxis der Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure im Rahmen der Förderung des Unternehmertums vorzuweisen hatten. Umsetzung von Fördermaßnahmen im Bereich Unternehmertum auf Landesebene Auf Landesebene gibt es verschiedene Modelle zur Institutionalisierung politischer Maßnahmen bezüglich Unternehmertum und KMU. Diese Modelle reichen von einem unkoordinierten Ansatz mit Beteiligung einer Reihe von Ministerien und Abteilungen und einer oftmals problematischen Koordination bis hin zu einer neuerdings erfolgenden Gründung besonderer staatlicher Banken bzw. Investitionsagenturen, die für Verwaltung (bisweilen auch für die Umsetzung) sämtlicher staatlicher Programme zuständig sind. Die grundlegende Idee ist hier eine „One-Stop-Agency“, eine zentrale Anlaufstelle, die im Idealfall zu einfacheren Verfahren und transparenteren Strukturen für kleine Unternehmen führen sollte. Für die meisten der ostdeutschen Länder war es von Vorteil, dass der Aufbau ihrer Förderstrukturen nach 1989 von Grund auf erfolgen konnte. Dadurch waren sie in der Lage, rasch zu integrierten und übergreifenden Förderansätzen und Maßnahmenmodellen überzugehen. Dies zeigt sich in den staatlichen Initiativen, die zur Förderung des Unternehmertums eingesetzt wurden und ein breites Spektrum öffentlicher und privater Handlungsträger umfassen, politische Maßnahmen zur Förderung des Unternehmertums bündeln und sich über unterschiedliche Regierungs- und Verwaltungsebenen erstrecken. 47 http://www.unternehmen-region.de/en/67.php. 216 Obgleich diese Ansätze ursprünglich dem Top-Down-Prinzip folgen, scheinen sie dennoch bei der Zusammenführung von Landes- und Kommunalregierungen erfolgreich gewesen zu sein und reichen über die Verwaltungsebene hinaus. Beispiele sind: „agil – Aufbruch: Gründen im Land“ in Brandenburg, eine im Jahr 2000 vom Wirtschaftsministerium ins Leben gerufene Initiative zur Koordinierung von Abteilungen verschiedener Ministerien, wobei seit 2002/03 auch Industrie-, Handels- und Handwerkskammern, kommunale Entwicklungsagenturen, Finanzierungseinrichtungen, Universitäten und Andere mit einbezogen wurden; TIP (Transparent – Innovativ – Passgenau), der Nachfolger der Kampagne „Einfach Anfangen“ in Mecklenburg-Vorpommern, mit Verlagerung des Schwerpunkts auf Verbesserungsmöglichkeiten bezüglich der Überlebensperspektiven von Unternehmertum, oder die ego.-Existenzgründungsinitiative in Sachsen-Anhalt. Umsetzung von Fördermaßnahmen im Bereich Unternehmertum auf Kommunalebene Kommunen, d.h. die Gemeinden und Landkreise, sind in erster Linie an einer Förderung der lokalen wirtschaftlichen Entwicklung durch Investitionen innerhalb ihrer Region interessiert. Dazu kann in gewissem Umfang die Förderung neuer und bestehender Kleinunternehmen gehören. Die Maßnahmen beschränken sich jedoch nicht auf diese Art von Unternehmen. Die Hauptakteure auf lokaler Ebene sind Unternehmensverbände, Industrie-, Handwerks- und Handelskammern, die Entwicklungsabteilungen von Verwaltungen und Wirtschaftsförderagenturen, die sich oft (teilweise) im Eigentum der Kommunalverwaltungen befinden.48 Sie bieten eine Vielzahl von Dienstleistungen wie unternehmensbezogene Informationen und Beratungsdienste, Beratung in Bezug auf öffentliche Förderprogramme oder die Gründung neuer Unternehmensprojekte und fungieren dabei als Schnittstelle zwischen der kommunalen Verwaltung und den Investoren. Obgleich viele Wirtschaftsfördereinrichtungen mittlerweile Orientierungsdienste für neue Unternehmen anbieten, liegt ihr Hauptschwerpunkt jedoch auf den bereits etablierten Firmen.49 Neue Zielgruppen und Bereiche der Unternehmensförderung In den späten neunziger Jahren war eine allgemeine Konzentration auf die Förderung von Startup-Unternehmen zu verzeichnen, weil man die Gründung neuer Unternehmen ankurbeln und dadurch neue Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen wollte. Viele dieser Initiativen auf Landesebene bündeln jedoch einfach bestehende Instrumente und Programme, ohne dass eine kohärente oder radikal neue Strategie entwickelt wird. Die Mehrzahl der politischen Maßnahmen in Deutschland in Bezug auf Startup-Unternehmen konzentriert sich auf die Ausweitung und Stabilisierung der finanziellen Basis neuer Ventures, während Beratung eine weniger wichtige Rolle spielt. Dennoch gab es in jüngerer Zeit eine Tendenz hin zu integrierten Paketen aus finanzieller Unterstützung und Beratung oder Mentoring. In den neunziger Jahren wurden zudem neue Förderinstrumente im Bereich Entwicklung von Unternehmertum geschaffen, weil man jetzt unterschiedliche Zielgruppen ansprechen und damit das allgemeine Level des Unternehmertums anheben wollte. Die neuen Trends lassen sich folgendermaßen voneinander abgrenzen: Förderung des Unternehmertums von Hochschulabsolventen und Einbeziehung betriebswirtschaftlicher Ausbildungsinhalte in Schule und Universität; Förderung benachteiligter Gruppen wie Arbeitslose und junge Menschen; Unternehmertum von Frauen und Mikrofinanzierung. 48 Wirtschaftsfördergesellschaften bestehen auch auf Landesebene, ihr Ziel ist die Anwerbung ausländischer Anleger in das betreffende Land und die Öffnung ausländischer Märkte für örtliche Unternehmen. 49 Einem Urteil des Landgerichts Trier vom 25.5.2000 zufolge (siehe DST et al.. [2001]), ist es Wirtschaftsfördereinrichtungen nicht erlaubt, individuelle Beratung für Geschäftseinsteiger und Jungunternehmer, Unterstützung im Rahmen der Entwicklung eines Geschäftsplans und bei der Beschaffung von Finanzierung und Wagniskapital zu erbringen. 217 Betriebswirtschaftliche Ausbildung von Studenten und Schülern Seit Mitte der neunziger Jahre haben die meisten deutschen Regierungen Maßnahmen eingeleitet, um das Bewusstsein für Unternehmertum als Beschäftigungsmöglichkeiten bei Studenten und Schülern zu fördern. Auf Bundesebene umfasst die Initiative „EXIST“, die im Dezember 1997 eingeführt wurde, eine Reihe unterschiedlicher Projekte, die darauf abzielen, Unternehmertum bei Absolventen von Universitäten und Fachhochschulen zu fördern, auch durch die Schaffung regionaler Fördernetzwerke. Ein Evaluierungsbericht kam dabei zu dem Schluss, dass viele geplante Projekte trotz verweigerter Finanzierung zustande kamen.50 Somit hatte möglicherweise das bloße Organisieren einer solchen Initiative als Wettbewerb durch den damit einhergehenden Anstoß regionaler Partnerschaften weit reichende „indirekte“ Auswirkungen auf die Förderung des Unternehmertums in Deutschland. Auf Landesebene wurden in einer Untersuchung aus dem Jahr 2001 für ganz Deutschland 13 staatliche Programme ermittelt, die sich ausschließlich auf Studenten konzentrieren, hauptsächlich durch Ermöglichung einer Teilzeitbeschäftigung an der Universität für die Zeit der Realisierung einer Geschäftsidee.51 Andere Programme konzentrieren sich auf unternehmerische Ausbildungsinhalte in Schulen, oftmals durch Initiierung von Minifirmen. Programme auf Länderebene sind beispielsweise JUNIOR52 oder Schüler unternehmen was. Daneben gibt es Initiativen auf Landesebene, etwa in Mecklenburg-Vorpommern separate Programme in Schulen oder in Sachsen-Anhalt im Rahmen der Initiative ego. Diese politischen Maßnahmen sind ein gutes Beispiel institutionell-privater Partnerschaften über unterschiedliche staatliche bzw. behördliche Ebenen hinweg: Die Programme wurden auf Bundesoder Landesebene konzipiert, werden jedoch auf lokaler Ebene umgesetzt; oftmals spielen Stiftungen und private Handlungsträger eine wichtige Rolle bei der Initiierung entsprechender Initiativen; ihre Finanzierung erfolgt oft im Zusammenspiel öffentlicher und privater Stellen. Beispielsweise profitiert die unternehmerische Ausbildung in Halle (Saale) durch Dienste und Unterstützung von Univations, eines Innovations- und Unternehmernetzwerks für Universitäten im südlichen Sachsen-Anhalt, das Universitäten und lokale Handlungsträger aus der Wirtschaft miteinander in Verbindung bringt. In Mittweida ist die örtliche Fachhochschule Mitglied von SAXEED, einem Netzwerk aus Universitäten in Südsachsen, zu dem unterschiedliche kommunale und staatliche Partner gehören und das vom Land Sachsen unterstützt wird. Generell gibt es in entsprechenden Netzwerken ein hohes Maß an Engagement seitens örtlicher privater und öffentlicher Handlungsträger, wodurch das Unternehmertum über das Ziel der Förderung unternehmerischer Ausbildungsinhalte an Universitäten hinaus durch einen direkten Beitrag zur unternehmerischen Kultur innerhalb der Region gestärkt wird. Seit Mitte der neunziger Jahre haben Bundesregierung und Landesregierungen den Aufbau dieser Netzwerke zunehmend gefördert, wobei man die möglichen Auswirkungen eines solchen Ansatzes auf die unternehmerische Entwicklung im Auge hatte. Programme zur Förderung regionaler Netzwerke finden sich auf Bundesebene - hier unterstützt EXIST seit 1998 fünfzehn regionale Netzwerke rund um Universitäten53 - sowie im Rahmen der meisten Länderinitiativen zur Förderung neuer Ventures. Förderung von Unternehmertum bei Arbeitslosen Seit Mitte der neunziger Jahre begann man auf Bundes- und Landesebene Unternehmensförderprogramme für benachteiligte Gruppen anzubieten, die Schwierigkeiten haben, in 50 Siehe Stahlecker (2001). 51 Siehe Papenheim und Görisch (2001). 52 Sachsen und Sachsen-Anhalt traten 1995/96 bzw. 1994/95 bei, Brandenburg 2000/01 und Mecklenburg-Vorpommern sowie Thüringen 2004/05. 53 www.exist.de 218 den Genuss allgemeiner Förder- oder Finanzierungsmaßnahmen zu gelangen, weil bestehende Leistungen nicht auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten sind und weil den potenziellen Unternehmern zum Auf- und Ausbau ihrer Unternehmensidee Informationen, Qualifikationen und/oder Ressourcen fehlen. Zu den entsprechenden Maßnahmen zählen Zuschüsse für Unternehmensgründungen, oft gekoppelt mit Beratung und Qualifizierungskursen. Zu den Fördermaßnahmen auf Bundesebene zählen der Gründungszuschuss und das Gründungsgeld sowie Zuschüsse für Arbeitslose, die Anspruch auf Arbeitslosengeld (ALG und ALG II) haben. Anfangs war die Mehrzahl der politischen Maßnahmen auf arbeitslose Unternehmer ausgerichtet, später jedoch wurde der Ansatz auf Landesebene spezifisch auf jüngere Arbeitslose zugeschnitten. So nehmen beispielsweise sämtliche ostdeutschen Länder am Projekt Enterprise teil. Enterprise wurde 1999 als Pilotprojekt in Brandenburg ins Leben gerufen und erstreckt sich heute über sämtliche ostdeutschen Länder, wobei Thüringen dem Programm als letztes ostdeutsches Bundesland im Jahr 2006 beitrat. Dieses Programm richtet sich spezifisch an junge Arbeitslose zwischen 18 und 27 Jahren, die keinen Zugang zu sonstigen Fördermaßnahmen oder Bankkrediten haben. Es bietet die Erstellung eines Persönlichkeitsprofils sowie Coaching, Qualifikation und Mikrokredite bis zu 6.000 Euro an und zielt außerdem auf eine Integration der Zielgruppe in bestehende Förderstrukturen ab. Einige Länder beschränken das Programm auf besonders benachteiligte Landkreise und Städte, so zum Beispiel in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Die Reichweite scheint bislang sehr gering zu sein. In Mecklenburg-Vorpommern haben die Programm-Manager seit 2001 1.150 Interessenbekundungen registriert, 700 junge Menschen erhielten eine grundlegende Beratung, jedoch nur 78 durchliefen den gesamten Prozess und gründeten ein Geschäft; weitere 130, die Beratung erhalten hatten, gründeten ein Unternehmen ohne Fördermittel aus Enterprise.54 Vor dem Hintergrund des anhaltenden Rufs nach mehr Unternehmenskultur in Deutschland55 sind jedoch die direkten Ergebnisse eines solchen Programms nicht der beste Indikator für die Messung seines Erfolgs, da indirekte und längerfristige Effekte wie die Etablierung unternehmerischer Rollenmodelle in Regionen mit hoher (Jugend-)Arbeitslosigkeit wahrscheinlich sehr viel gewichtiger sind. In dieser Hinsicht wären Fördermaßnahmen zur Stärkung einer unternehmerischen Haltung auf kommunaler Ebene für die lokalen Fallstudienregionen von besonderer Bedeutung. Aufgrund der offenkundig schwach ausgebildeten unternehmerischen Kultur gilt dies insbesondere für das Altenburger Land, Mittweida, Parchim, die Uckermark und MarzahnHellersdorf. Unternehmertum von Frauen In den späten neunziger Jahren begann die deutsche Regierung auch dem Thema des weiblichen Unternehmertums ihre Aufmerksamkeit zu widmen, da es als wichtiges Mittel zur Anhebung des allgemeinen Levels des Unternehmertums betrachtet wird. Dennoch spielen unternehmerische Aktivitäten von Frauen in keiner der lokalen Fallstudien eine wichtige Rolle, weder hinsichtlich der lokalen Entwicklungsstrategie noch hinsichtlich der zielgerichteten Förderung. Einzelne Fördermaßnahmen, die sich ausschließlich an weibliche Unternehmer richten, sind hauptsächlich auf 54 http://www.enterprise-mv.de/_index.php?wo=galerie 55 Der allgemeine Ruf nach einer neuen „Kultur des Unternehmertums“ lässt sich bis ins Jahr 1991 zu dem Symposium zurück verfolgen, das von einem der bekanntesten Unternehmer und Unternehmenseigentümer in Deutschland, Reinhard Mohn von Bertelsmann, abgehalten wurde. Im öffentlichen Diskurs wird davon ausgegangen, dass der zu beobachtende Mangel an unternehmerischer Kultur – oder an unternehmerischem Geist – in Deutschland nur durch politische Maßnahmen ausgeglichen werden könnte, ohne dass jedoch ein allgemeines diesbezügliches Konzept genannt wird. Im Rahmen einer Analyse dieser besonderen Diskussion in ihrem umfassenderen Kontext veranschaulichten Lagemann und Welter (1999), dass es keine Übereinkunft darüber gibt, was denn eine neue „Kultur des Unternehmertums“ eigentlich ausmachen würde, was „neu“ an dieser Kultur wäre oder ob es in Deutschland tatsächlich an unternehmerischem Geist fehlt. 219 Landesebene zu finden. Dazu gehören beispielsweise ein Programm für unternehmerische Karriereplanung für Studentinnen in Sachsen-Anhalt (FrauenMachtUnternehmen), das von 2005 bis 2007 lief, oder kleinere Kreditrahmen wie z.B. in Mecklenburg-Vorpommern von 1996 bis 2002. Im Rahmen dieser Programme wird jedoch nur eine kleine Anzahl von Unternehmerinnen gefördert. In Mecklenburg-Vorpommern stellte das Land beispielsweise 11 Mio. Euro zur Verfügung, womit 397 Unternehmen gefördert und 663 Stellen geschaffen wurden. Die Länderregierungen führen bisweilen auch spezifische Regelungen für groß angelegte Darlehensprogramme ein, insbesondere wenn diese von Bund und Land gemeinsam finanziert werden. Ein entsprechendes Beispiel gab es in Mecklenburg-Vorpommern, wo die staatliche Investitionsbank Darlehen direkt an weibliche Unternehmer unter der Voraussetzung ausgab, dass diese zuvor von Banken abgelehnt worden waren.56 Derartige Regelungen haben einen Ausgleich der möglicherweise negativen Auswirkungen des deutschen Hausbankensystems zum Ziel, in dessen Rahmen Geschäftsbanken eine „Pförtnerfunktion“ innehaben, da sämtliche Anwendungsbereiche der finanziellen Förderung über diese Banken kanalisiert werden. Im Allgemeinen richten sich in Deutschland die meisten Programme zur Förderung des Unternehmertums von Frauen auf deren (mutmaßlichen) Förderbedarf im Bereich finanzielles Kapital oder Humankapital, wobei der Einfluss des allgemeinen rechtlichen und institutionellen Rahmens ausgeblendet wird. Überdies gibt es eine fortdauernde leichte Verschiebung im Bereich der Fördermaßnahmen zum Unternehmertum bei Frauen, insbesondere auf Bundesebene.57 Traditionell konzentrierten sich Förderansätze im Bereich Unternehmertum von Frauen auf die Beseitigung von Problemen auf der individuellen Ebene durch Einrichtung besonderer Kreditrahmen oder von Schulungsprogrammen, wobei die allgemeine Umgebung, in der Frauen tätig sind, und ihr Zugang zu allgemeinen Fördermaßnahmen unberücksichtigt blieben. Heute beruht der Schwerpunkt der Förderung zunehmend auf einem organisationsbasierten Ansatz. Durch diesen sollen geschlechtsspezifische Förderthematiken nicht nur in Förderagenturen, sondern auch in andere Organisationen wie Handelskammern und Unternehmensverbände Eingang finden, wodurch man den Zugang von Unternehmerinnen zu allgemeinen Förderprogrammen ausweiten will. Dieser Ansatz gilt als beste Lösung hinsichtlich der Frage, ob spezifische Programme, die sich ausschließlich an Unternehmerinnen richten, eingerichtet werden sollen oder nicht, das heißt, ob Unternehmerinnen für eine besondere, zielgerichtete Förderung in Frage kommen oder ob für sie schlicht ein gleicher Zugang zu Fördermaßnahmen und die gleiche Behandlung wie für Männer zu schaffen und zu gewährleisten sind. Auf lokaler Ebene erfordert dies, dass Verwaltungen eng mit Unternehmensorganisationen und Förderagenturen zusammenarbeiten, so dass eine lokale Strategie, wie die Förderung eines Unternehmertums von Frauen am besten zu bewerkstelligen ist, entwickelt werden kann. Mikrofinanzierung Mikrokredite widerspiegeln eine Verschiebung innerhalb der finanziellen Förderung, die von der Tatsache herrührt, dass bestimmte Gruppen von Unternehmern, wie bei vielen Frauen und Arbeitslosen der Fall, häufig als Teilzeitbetriebe starten und kleinere Kreditsummen benötigen. In Deutschland sind Mikrokredite ein neueres Element im Rahmen der Förderung des Unternehmertums. Nach einer Initiative der International Labour Organisation58 führte die deutsche Regierung diese Art von Mikrokreditprogrammen während der späten neunziger Jahre auf breiter, bundesweiter Ebene ein. Dazu gehören die Programme StartGeld, das Kredite bis zu 50.000 Euro bietet, und Mikrokredit mit 56 Siehe Kehlbeck und Schneider (1999), S. 29. 57 Siehe Welter und Langemann (2003). 58 Insbesondere das „Action Research Programme on Micro Credit and Business Creation of Unemployed“. 220 Krediten von bis zu 25.000 Euro für beginnende Unternehmer und Neuunternehmer mit einem zeitlichen Rahmen von bis zu drei Jahren. Beide Programme können für Vollzeit- und (zumindest anfänglich) Teilzeit-Startups in Anspruch genommen werden, wodurch die verschiedenen Wege ins Unternehmertum Berücksichtigung finden. Seit 2003 gab es in Deutschland auf Bundes-, Landes- bzw. Kommunalebene 24 Mikrokreditprogramme, drei davon auf Landesebene in Ostdeutschland, nämlich in MecklenburgVorpommern, Sachsen und Brandenburg.59 Landesprogramme werden oft von Landesfonds und europäischen Fonds gemeinsam finanziert, so zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern, wo Neuunternehmer zur Finanzierung von Betriebsausgaben Mikrokredite von bis zu 10.000 Euro oder aber die von allen ostdeutschen Ländern innerhalb des Enterprise-Programms angebotenen Mikrokredite beantragen können. Im Gegensatz zu den Bundesprogrammen scheinen die meisten Landesprogramme jedoch keine Förderung von anfänglichem Teilzeitunternehmertum vorzusehen. Vollzeitunternehmertum wird allgemein als langfristiger Beitrag zu Beschäftigung und Wachstum angesehen, während Teilzeitunternehmertum mit Verlegenheitsunternehmertum, geringen Wachstumsambitionen und niedrigen Überlebensraten gleichgesetzt wird, obwohl die Forschung gezeigt hat, dass beispielsweise in Nordrhein-Westfahlen fast ein Viertel der anfänglichen Teilzeitunternehmer den Übergang zum Vollzeitunternehmer geschafft hat.60 Anfängliches Teilzeitunternehmertum erleichtert potenziellen Unternehmern den Einstieg ins Unternehmertum, da sie hier Ressourcen und Know-how aufbauen können. Örtliche Kommunalverwaltungen waren Trendsetter für Deutschland, da die ersten Mikrokreditprogramme auf kommunaler Ebene ins Leben gerufen wurden, oftmals mit Unterstützung seitens der Kommunen.61 GÖBI ist eines der frühesten Beispiele einer öffentlich-privaten Partnerschaft auf kommunaler Ebene, in die auch Bankinstitute einbezogen sind.62 Dieser Fonds wurde 1997 von der Göttinger Stadtverwaltung zusammen mit Sparkassen und dem Landkreis Göttingen eingerichtet, und er richtet sich an junge, vordem arbeitslose Geschäftsgründer. Seit Programmbeginn hat GÖBI rund 60 Unternehmensventures finanziert. Die Sparkassen stellen das Kapital zur Verfügung, während die am Programm beteiligten kommunalen Stellen Bürgschaften für 50 Prozent des Ausfallrisikos stellen und einen Zuschuss auf den Zinssatz leisten. Kommunale Programme richten sich oft an eine spezifische Zielgruppe und beschränken sich dabei häufig auf Arbeitlose. Sämtliche entsprechenden Initiativen müssen sich jedoch an das deutsche Kreditwesengesetz halten, das Nichtbanken eine Ausreichung von Krediten verbietet, obschon Nichtbankenorganisationen eine gewisse Beteiligung am Mikrofinanzierungsmarkt eingeräumt ist.63 Dies verhindert in erster Linie die Einrichtung spezieller Mikrofinanzierungsinstitutionen, kann sich jedoch auch einschränkend auf kommunale Programme auswirken: Bankinstitute sind häufig an Länderinitiativen beteiligt, weniger jedoch an kommunalen Programmen. Im Jahr 2002 waren sie zum Beispiel nur an drei von acht kommunalen Initiativen, jedoch an acht von insgesamt elf Länderprogrammen beteiligt.64 Kommunale Initiativen, an denen keine lokalen Banken beteiligt sind, haben diese Beschränkung oftmals dadurch zu umgehen versucht, dass sie sich als Gesellschaften eintragen ließen und Mikrokredite zugunsten ihrer Mitglieder ausreichten. 59 Siehe Habschick, Evers und Jung (2004), Seiten 43-67. 60 Siehe Kay et al. (2001). 61 Siehe Jung (2002). 62 Siehe Jung (2002) und auch http://wrg-goettingen.de/index.php?id=323. 63 Siehe Evers und Habschick (2001). 64 Vgl. Jung (2002). 221 Herausforderungen für das Unternehmertum in Ostdeutschland Schwierige Bedingungen ergeben sich aus dem sozioökonomischen Gesamtumfeld für unternehmerisches Handeln in Ostdeutschland. Dies gilt für Veränderungen des gesellschaftlichen Kontextes für unternehmerisches Handeln ebenso wie für strukturelle Veränderungen beispielsweise im Bankensystem, die die Finanzierung vor allem neuer kleiner Unternehmen bedrohen. Überdies zwingt die hohe Arbeitslosigkeit viele Menschen in die Selbständigkeit, ohne dass sie hierzu über die nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen, womit „traditionelle“ Ansätze der Unternehmensförderung auf lokaler Ebene – im Wesentlichen die Bereitstellung von Infrastrukturangeboten zur Verbesserung des allgemeinen Geschäftsumfeldes - fraglich werden. Weitere Herausforderungen ergeben sich aus den unterschiedlichen Handlungskontexten unternehmerischen Engagements in städtischem vs. ländlichem Umfeld, in alten Industrieregionen vs. Wissensbasierten High-Tech-Regionen oder in Rand- vs. Zentralregionen. All dies wirkt sich auf die Verfügbarkeit von Ressourcen wie Finanzierungsmöglichkeiten, Informationen und Support aus. In Ostdeutschland findet überdies parallel im Zuge der Privatisierung ein massiver Deindustrialisierungsprozess statt, der mit beträchtlichen sozialen Übergangsproblemen und demographischen Veränderungen verbunden ist. In den folgenden Abschnitten sollen kurz die wichtigsten Herausforderungen dargestellt werden, die sich aus dem neuen Unternehmensumfeld und dem neuen Handlungskontext ergeben, um so die lokalen Fallstudien besser einordnen zu können. Der lokale Kontext unternehmerischen Handelns Unternehmerisches Engagement vollzieht sich auf kommunaler Ebene. Von Bedeutung für unternehmerisches Handeln und für die Entscheidung zur Unternehmensgründung sind beispielsweise folgende Faktoren: Welche Kaufkraft und welche handelbaren Güter stehen zur Verfügung? Welche Finanzierungsmöglichkeiten und welche Flächen und Räumlichkeiten gibt es? Wie sieht das lokale institutionelle Umfeld aus? Nach der Startup-Phase ist die lokale Einbindung für das Überleben einer Firma lebenswichtig, und die meisten kleinen Unternehmen verfügen auch vor allem über lokale Geschäftskontakte. Wer lokale Unternehmensprozesse nachvollziehen kann, kann einen besseren Beitrag zur Förderung der Wirtschaftsentwicklung auf kommunaler Ebene leisten. Kontakte auf lokaler Ebene sind also für Umfang und Art der Entwicklung des Unternehmertums von entscheidender Bedeutung. Schwierigkeiten ergeben sich diesbezüglich in Ostdeutschland vor allem aus industriellen, strukturellen und demographischen Veränderungen sowie aus den unterschiedlichen räumlichen Gegebenheiten und dem Entwicklungsrückstand in Bezug auf unternehmerisches Engagement. De-Industrialisierung und Unternehmertum Seit den früher 1990er Jahren hatten alle ostdeutschen Bundesländer einen tief greifenden sozioökonomischen Wandlungsprozess zu bewältigen, der vor allem mit einer grundlegenden Umstrukturierung der gesamten Industrie und im Fall Mecklenburg-Vorpommerns auch der Landwirtschaft einherging. Das Unternehmertum konnte zwar in allen Neuen Bundesländern Zuwächse verzeichnen, jedoch konnten die neu gegründeten Unternehmen bei weitem nicht die Arbeitsplatzverluste bei den vormaligen staatseigenen Betrieben auffangen. Inzwischen ist ein NordSüd-Gefälle zu beobachten: Die südlichen Länder – wie Thüringen und Sachsen – haben bei der Umstrukturierung ihrer Wirtschaft bessere Ergebnisse erzielt als die nördlichen. Dies geht zum Teil auf die Wirtschaftspolitik zurück, etwa in Thüringen, das sich auf die Unterstützung industrieller Kerne konzentriert hat. Wo die Bundesländer ihre Informationsstrategien an traditionellen Stärken wie Innovationskenntnisse und Innovationsfertigkeiten ausrichteten, gelang ihnen in vielen Fällen die Schaffung eines günstigen Umfeldes für wachstumsorientierte Unternehmen und eine erfolgreiche Entwicklung hin zu High-Tech-Bereichen, was in besonderem Maße für Halle (Saale) gilt. 222 Die Unterschiede zwischen den Regionen sind jedoch noch immer recht groß, was zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass sich die Bundesländer auf die Umstrukturierung früherer Wachstumskerne konzentrieren. Hier zeigt sich denn auch ein Dilemma der Regionalpolitik: Soll man eher Stärken weiter ausbauen oder sich auf die Beseitigung von Schwächen konzentrieren, die die regionale Entwicklung hemmen? Aufgrund von Etatbeschränkungen stellen sowohl die Bundesregierung wie die Landesregierungen eher den „Ausbau vorhandener Stärken“ in den Mittelpunkt, was in vielen Fällen regionale Schwerpunktsetzungen auf städtische Zentren bedeutet.65 Dieser Ansatz bleibt nicht ohne Folgen für die Entwicklung des Unternehmertums in strukturschwachen Regionen, denen es häufig an den physischen und infrastrukturellen Voraussetzungen für die Ansiedelung neuer Unternehmen und an Geschäftsmöglichkeiten für eine günstige Wirtschaftsentwicklung mangelt. So hat sich Thüringen in seiner Wirtschaftspolitik auf die Förderung strukturstarker Regionen konzentriert und die Entwicklung strukturell benachteiligter Regionen zurückgestellt. Damit ist dem Land die (Wieder-) Erschließung einer gesunden industriellen Basis geglückt, die indes vorwiegend aus kleinen und mittelgroßen Unternehmen besteht. Eine solche Strategie ist zwar in Anbetracht der knappen Etatmittel und der Notwendigkeit des Wiederaufbaus einer industriellen Basis nachvollziehbar, führt jedoch zu starken regionalen Verzerrungen, wie sie beispielsweise an der De-Industrialisierung des Altenburger Landes und der derzeitigen schwierigen Lage dieses Landkreises deutlich werden. Ebenso verloren Zehntausende Menschen in MecklenburgVorpommern ihre Arbeitsplätze im Schiffbau, in der Lebensmittelerzeugung, in großen landwirtschaftlichen Genossenschaften, beim Militär und sogar im Tourismussektor, was zu ernsthaften Problemen für die Entwicklung des Unternehmertums geführt hat. Noch im Juni 2007 wies dieses Bundesland die höchste Arbeitslosigkeit in ganz Deutschland auf. Alle ostdeutschen Bundesländer haben, wenn auch in unterschiedlichem Maß, vergleichbare Erfahrungen gemacht, die wiederum beträchtliche Auswirkungen auf die Entwicklung des Unternehmertums mit sich bringen. Die De-Industrialisierung geht Hand in Hand mit steigender Arbeitslosigkeit. Langfristig trägt sie zum Verschwinden individueller Fertigkeiten und Qualifikationen und zur Minderung des Selbstbewusstseins der Arbeitnehmer bei, und sie führt überdies zur Abwanderung qualifizierter Personen, die sich außerhalb der Region und des Bundeslandes nach Beschäftigungsmöglichkeiten umsehen. In dieser Hinsicht verdeutlichen die meisten lokalen Fälle die nachteiligen Auswirkungen dieses Transformationsprozesses. Wo der Transformationsprozess indes gut verlaufen ist und Regionen auf ihrer traditionellen industriellen Basis und auf ihren traditionellen Stärken aufbauen konnten, finden sich immer wieder Cluster von technologiebasierten (kleinen) Unternehmen, die als Ausgangspunkte für eine lebhafte Wirtschaftsentwicklung dienen können. In dieser Hinsicht bieten Halle (Saale) und in gewissem Maße auch Parchim gute Beispiele. Unternehmertum in städtischem und ländlichem Umfeld Städtische und ländliche Regionen bieten verschiedene sozioökonomische Herausforderungen für die Unternehmensentwicklung und die sie stützenden Strukturen. Negative Erfahrungen aufgrund wirtschaftlicher und sozialer Veränderungen mussten vor allem manche Stadtkerne machen; besonders gut zu beobachten ist dies in Marzahn-Hellersdorf. Die Verschlechterung der Wirtschaftslage mit Langzeitarbeitslosigkeit, rückläufigen Einkommen und sinkender Kaufkraft, Abwanderung und entsprechenden sozioökonomischen und demographischen Auswirkungen zählen zu den Negativeffekten der derzeitigen Dynamik in der Entwicklung der städtischen und ländlichen Räume. Sie könnten sich in den Landkreisen zu dauerhaften Standortnachteilen verfestigen und damit die geschilderte Negativdynamik weiter beschleunigen. Ländliche Gebiete in Ostdeutschland stehen vor zusätzlichen ernsten demographischen Herausforderungen. In ganz Ostdeutschland hat sich die 65 Vgl. OECD (2007). 223 Bevölkerungsstruktur aufgrund der andauernden Abwanderung junger und gut ausgebildeter Menschen, die anderswo Arbeitsmöglichkeiten suchen, drastisch verschlechtert. Das gilt in besonderem Maße für ländliche Gebiete und für Randgebiete, die Bevölkerungsteile einbüßen, die eine wachstumsorientierte Wirtschaft aufbauen könnten. Zurück bleiben die Benachteiligten, insbesondere junge männliche Arbeitslose, wie eine jüngere Untersuchung des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung belegt. Seit dem Fall der Berliner Mauer haben über 1,5 Millionen Ostdeutsche ihre Heimat verlassen; in ländlichen Gebieten und in Randgebieten besteht ein Überschuss von 25% und mehr an Männern im Alter von 18 bis 29 Jahren.66 Aus den regionalen Fallstudien in Randgebieten und ländlichen Gebieten geht hervor, dass unternehmerische Aktivitäten hier oftmals nur wenig Wertschöpfung erzielen. Die Gemeinden in diesen Gebieten betrachten die Entwicklung des Unternehmertums oftmals als wichtigste Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit. Ein Umfeld indes, in dem die Menschen möglicherweise das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten schon eingebüßt haben und kaum Chancen haben, sich selbständig zu machen, benötigt einen ganz anderen Förderansatz mit Konzentration sowohl auf die gezielte Einzelförderung wie auf eine Strategie zur Förderung der lokalen Unternehmenskultur insgesamt. In benachteiligten städtischen wie auch ländlichen Gebieten gewinnt die Förderung des örtlichen Unternehmertums zwar an Bedeutung, jedoch steht die wirtschaftliche Erneuerung durch Förderung des Unternehmertums zugleich vor mehreren Schwierigkeiten. Hierzu gehören ungenügende Finanzierungsmöglichkeiten, denen mit spezifischen Maßnahmen zu begegnen ist, sowie die insgesamt niedrige und weiter absinkende Kaufkraft der Verbraucher vor Ort, die Unternehmen zwingt, sich neue Märkte und Verbraucherkreise erst zu erschließen. Im Fall der ländlichen Gebiete sind hier der Mangel an geeigneten Standortflächen und die oft beträchtliche Entfernung zum Stadtzentrum sowie ein jeweils unattraktives Image der Gesamtregion zu nennen. Des Weiteren ist von einer Gesamttendenz zur Gründung kleiner Unternehmen in Geschäftsfeldern mit niedrigen Markteintrittsschwellen und geringen Wachstumsaussichten bei gleichzeitig verschärftem Wettbewerb auszugehen, was zu Geschäftsmodellen mit geringerer Nachhaltigkeit führt (etwa Haushaltsdienstleistungen, Einzelhandel oder Catering). Und schließlich ist ein Mangel an Bereitschaft und Ressourcen zum Engagement über den unmittelbar eigenen Geschäftshorizont hinaus in lokalen Entwicklungsnetzwerken festzustellen, wie sich am Fall Marzahn-Hellersdorf beobachten lässt. Überdies stehen ländliche Gebiete und/oder Randgebiete vor dem Zusatzproblem kleiner Märkte und mangelnder Möglichkeiten der Gründung und Weiterentwicklung lokaler Firmen, was sich beispielsweise in der Uckermark, in Parchim oder dem Altenburger Land beobachten lässt. Die lokale Unternehmenskultur Den Handlungsträgern auf der kommunalen Ebene wird zunehmend deutlich, dass „weiche“ und gesellschaftliche Faktoren für die Entwicklung des Unternehmertums auf kommunaler Ebene eine wichtige Rolle spielen, womit sie die in Deutschland nie abgerissene öffentliche Debatte über einen (wahrgenommenen) Mangel an Unternehmergeist aufgreifen. Die Resultate aus dem Regionalen Entrepreneurship Monitor (REM) können etwas Licht auf diese oft pauschal kritisierte „negative“ Einstellung der Ostdeutschen gegenüber eigenem unternehmerischem Engagement werfen, denn sie verweisen auf einen Zusammenhang zwischen unternehmerischer Haltung, der Neigung zur Existenzgründung und der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung auf regionaler Ebene: In wirtschaftlich florierenden Gebieten mit bereits höherem Anteil von Unternehmertum sehen mehr Menschen für sich die Chance zur Existenzgründung als in wirtschaftlich danieder liegenden Gebieten oder in Gebieten mit unzureichender Infrastruktur in der Unternehmensförderung.67 Dies spiegelt sich in einer 66 Vgl. Köhnert und Klingholz (2007). 67 Vgl. Bergmann (2005). 224 niedrigeren Rate bei Unternehmensneugründungen in Gebieten mit langsamer oder stagnierender Wirtschaftsentwicklung. So belief sich der Anteil der Unternehmensneugründer, d.h. der Personen, die gerade dabei waren, ein Unternehmen zu gründen, im Jahr 2001 auf 6,1% der deutschen Gesamtbevölkerung in Köln und auf 4,2% in München, jedoch auf nur 2,8% in Leipzig und 2% in Rostock.68 Zudem ist die Angst zu scheitern in Gebieten mit nur wenigen in Gründung befindlichen Unternehmen größer - zu diesen Gebieten gehören auch die beiden in der vorliegenden Studie untersuchten Regionen -, was auf das Fehlen unternehmerischer Rollenvorbilder verweist. In Bezug auf die regionale Entwicklung des Unternehmertums könnte sich ein Teufelskreis ergeben, der mit der De-Industrialisierung und massiven Arbeitsplatzverlusten einsetzt und zu sich verschlechternden wirtschaftlichen Bedingungen und schließlich dazu führt, dass die Menschen das Vertrauen verlieren und eine Existenzgründung als Option für sich selbst ganz und gar ausschließen. Dies wiederum bleibt nicht ohne Auswirkung auf die individuelle Haltung gegenüber dem Unternehmertum, da lokale Rollenvorbilder für (erfolgreiche) Entrepreneure nicht bestehen. Diese Einstellungsbarrieren gegenüber der Entwicklung des Unternehmertums traten in den meisten von der OECD untersuchten lokalen Fallstudiengebieten zutage. In diesem Kontext können die Medien durch die Vorstellung von Rollenmodellen einen bedeutenden Einfluss auf individuelle Einstellungen nehmen. Obgleich jedoch Unternehmertum in der offiziellen politischen Debatte als wichtigster Lösungsansatz für wirtschaftliche Probleme gilt, widerspiegelt sich dies nicht notwendig in den Medien. Ergebnisse einer laufenden Forschungsstudie zur Darstellung des Unternehmertums in bundesweiten deutschen Zeitungen belegen, dass die Behandlung von Themen im Bereich Unternehmertum immer weniger mit positiven Bewertungen verbunden ist. So wandelte sich beispielsweise in der deutschen „Tageszeitung“ (taz) im Untersuchungszeitraum (1996 – 2006) das Bild vom Unternehmertum vom eher positiven Bild hin zu einer negativen und sogar zynischen Einstellung.69 Da die Mediendebatten Einfluss auf das tatsächliche Handeln haben, könnten von einem überwiegend negativen Diskurs mit Betonung des Mangels an Unternehmergeist „falsche“ Signale an potenzielle Unternehmer ausgehen. Die kommunalen Verantwortungsträger haben hier nicht nur für die Unterstützung der Wirtschaftsentwicklung zu sorgen, sondern auch Wege zu finden, um das Selbstvertrauen der Menschen zu stärken, insbesondere wo Gemeinden beabsichtigen, in ihrer Region unternehmensfördernd tätig zu werden. Schaffung eines unternehmensfreundlichen Umfeldes auf lokaler Ebene Bei der Unterstützung der Geschäftswelt haben sich die Gemeinden bislang vor allem auf die Bereitstellung eines unternehmensfreundlichen Umfeldes konzentriert, was vor allem erreicht wurde durch Bürokratieabbau und/oder durch die Einrichtung von Startup-Zentren und Technologieparks. Heute stehen die Gemeinden in Ostdeutschland vor großen Herausforderungen, da sie sich einem zunehmenden Förderbedarf potenzieller Unternehmer - in vielen Fällen Beschäftigungslose gegenübersehen. Nachgefragt werden Informationen und Schulungsmöglichkeiten bis hin zu Darlehen an kleine Geschäftsinhaber zu Wachstums- oder Innovationszwecken. Eher traditionelle gezielte Infrastrukturmaßnahmen zur Schaffung und Aufrechterhaltung eines günstigen Unternehmensumfeldes können damit unter Umständen ins Leere laufen. Die Beauftragten für Wirtschaftsentwicklung vor Ort bemühen sich um große und erfolgreiche Investments in ihrer Region, 68 Vgl. Wagner und Sternberg (2004), S. 227. 69 Vgl. Achtenhagen und Welter (2006). Im Rahmen dieses Forschungsprojektes wird auch die Darstellung weiblicher Unternehmer in deutschen Zeitungen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Darstellungen wenig Identifikationsmöglichkeit bieten und damit die Bereitschaft von Frauen zur Selbstständigkeit sowie den Beitrag von Frauen insgesamt zur Wirtschaftsentwicklung hemmen. Vgl. z.B. Achtenhagen und Welteer (2005), Welter und Achtenhagen (2006). 225 während zugleich immer mehr Arbeitslose gezwungen sind, eine eigene Existenzgründung ins Auge zu fassen; dieser Personenkreis macht einen ganz anderen Ansatz in der Förderung des Unternehmertums erforderlich. In diesem Kontext ergeben sich bei der Schaffung eines unternehmensfreundlichen Umfeldes auf kommunaler Ebene Schwierigkeiten aufgrund von Finanzierungsbedarf und dem allgemeinen Bedarf nach besseren geschäftlichen Bedingungen für die Unternehmen vor Ort. Geschäftsfinanzierung: Zwischen Mikrokrediten und Beteiligungskapital Die Übernahme der Eigenkapitalvorschriften im Rahmen der Basel II - Rahmenvereinbarung hat zu Finanzierungseinschränkungen in Fällen geführt, in denen Unternehmen die Rating-Kriterien nicht erfüllen; vor diesem Problem stehen Neuunternehmer nicht selten, da sie noch nicht über stabile Bankbeziehungen verfügen bzw. im Fall von Hochtechnologie-Unternehmen auf Bankmitarbeiter stoßen, die nicht über die erforderlichen Kenntnisse zur Bewertung einer Geschäftsidee und eines Geschäftsmodells verfügen. Darüber hinaus hat die Umstrukturierung innerhalb des deutschen Bankensystems dazu geführt, dass große Geschäftsbanken Niederlassungen geschlossen und ihre Bankenaktivitäten an weniger Standorten konzentriert haben, womit der Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten für Neuunternehmer insbesondere in ländlichen Gebieten und in Randgebieten und Kleinstädten eingeschränkt wurde. Dies hat sich in den meisten lokalen Fallstudien als Problem erwiesen, zu dessen Lösung ein weitergehend dezentralisierter Ansatz in der Unternehmensfinanzierung erforderlich ist. Vor dem Hintergrund der laufenden Umstrukturierung im deutschen Bankensektor wird für einen solchen lokalen Ansatz offensichtlich ein neues Modell für Partnerschaften zwischen der öffentlichen Hand und dem privaten Sektor benötigt. Ein mögliches Modell ist in diesem Kontext eine jüngere Initiative bei Kleindarlehen. In diesem Zusammenhang hat das deutsche Mikrofinanzinstitut mit der Akkreditierung regionaler und kommunaler Institutionen für die Mikrofinanzierung begonnen.70 Die örtlichen Mikrofinanzorganisationen bewerten Kreditanträge für örtliche Banken, die für die Kreditvergabe zuständig sind, während Ausfallrisiken durch einen Fonds aufgefangen werden. Derzeit gibt es acht akkreditierte Mikrofinanzorganisationen, von denen vier in Brandenburg, Berlin, Sachsen und Thüringen tätig sind. Ferner lässt sich die Mikrofinanzierung in allen Fallstudienregionen Mithilfe von Bundes- und Landesprogrammen bewerten, deren Mittel allein durch die „Hausbanken“ fließen. In dieser Hinsicht, so wird berichtet, ist der Zugang in manchen Fällen schwierig, da die Banken mehr Interesse am Verkauf ihrer eigenen Förderprogramme als an der Vermittlung von Bundes- und Länderprogrammen zu haben scheinen. Dies wurde bei den Bundesprogrammen, beispielsweise bei Mikrokredit und StartGeld (und bei den meisten Länderprogrammen) berücksichtigt, bei denen eine Haftungsbegrenzung der Banken auf 80% angeboten wird. Neben dem Mangel an Mikrokredit-Angeboten fehlt es den Banken auch an Kenntnissen und Mitteln zur Finanzierung innovativer Unternehmen. Gerade hier setzen die Bundesregierung und die Landesregierungen in den neunziger Jahren mit der Unterstützung der Bereitstellung von Beteiligungskapital ein; eines dieser Programme konzentrierte sich beispielsweise auf die Förderung von Risikokapitalinvestments in technologieorientierte Unternehmen in Ostdeutschland. Der Bereich Business Angels scheint nach wie vor schwach entwickelt. Das Business Angels Netzwerk Deutschland e.V. (BAND) verfügt derzeit über 40 Mitglieder aus ganz Deutschland mit je einem Netzwerk in jedem ostdeutschen Bundesland (mit Ausnahme Sachsens, das über zwei Netzwerke verfügt). Das BAND verzeichnete 2005 zudem weitere 80 private Business Angels. Da in Deutschland jedoch herkömmlicherweise die Finanzierung aus Eigenmitteln und über Bankkredite der Regelfall war, sind insbesondere die Eigentümer neuer und kleiner Geschäfte strikt gegen jede Form des Einsatzes von Risiko- und Beteiligungskapital. Entrepreneure in Deutschland bevorzugen als 70 www.mikrofinanz.net/index.php?page=kreditvergabe&sub=dmi-mikrofinanzierer. 226 Finanzquellen eher Eigenmittel und Bankdarlehen; Beteiligungskapital rangiert hier an letzter Stelle, was auch die langsame Entwicklung des Beteiligungskapitalmarktes in Deutschland widerspiegelt. Für das Jahr 2005 zeigt eine umfangreiche Untersuchung, dass die Inhaber kleiner Geschäfte großen Wert auf die Finanzierung aus eigenen Mitteln legen (2 auf einer Skala von: 0 = sehr hohe Wichtigkeit der Finanzierungsquelle bis 6 = sehr niedrige Wichtigkeit der Finanzierungsquelle); an nächster Stelle folgen kurz- und längerfristige Bankdarlehen, bewertet mit 3,5 bzw. 3,6 Punkten, während Beteiligungskapital mit einer Bewertung von 5,5 für die Geschäftsfinanzierung nur eine geringe Rolle spielte.71 Für die „traditionellen“ Förderbedürfnisse sorgen Empirische Belege zeigen, dass Unternehmer großen Wert auf Faktoren wie qualifizierte und zügige Verwaltungsdienstleistungen und damit auch auf weniger Bürokratie auf kommunaler Ebene legen, was sich auch in der Bedeutung dieser Faktoren als „weicher“ Standortfaktoren und als oft genanntes Problem widerspiegelt. Nach dem Hauptschwierigkeiten ihrer Geschäftstätigkeit befragt, verwiesen 20% der Unternehmensgründer in einer Umfrage unter kommunalen Unternehmern aus dem Jahr 1995 - insbesondere diejenigen, deren Geschäftsgründung durch zeitaufwändige Genehmigungsverfahren verzögert wurde - auf mangelndes Verständnis von Seiten der (kommunalen) Verwaltungen.72 Hier werden zwar Handlungsspielräume deutlich, jedoch zeigt die selbe Untersuchung auch, dass das Geschäftsumfeld zum Teil deshalb kritisch zu bewerten ist, weil die Geschäftsgründer mangelhaft vorbereitet waren und deshalb nicht über Informationen verfügten, die auf kommunaler Ebene leicht zugänglich gewesen wären. Im Rahmen der Europäischen Beschäftigungsstrategie legten die deutsche Bundesregierung und die meisten Länderregierungen Programme zur Verbesserung des allgemeinen Umfeldes für das Unternehmertum auf. Neben den oben beschriebenen Förderinitiativen auf Länderebene gehören zu den diesbezüglichen Maßnahmen auch die Beseitigung von Barrieren für Unternehmensneugründungen, die Vereinfachung von Gesetzen und Vorschriften, Steuererleichterungen für kleine Unternehmen, die Einrichtung zentraler Anlaufstellen wie der Lotsendienste in Brandenburg und die Einrichtung eines Internetportals zur Erleichterung von Unternehmensnachfolgen. Vergleichbare Beispiele Guter Praxis finden sich auf kommunaler Ebene. Bürokratische Hürden für neue oder expandierende Unternehmen betreffen hier vor allem Planungs- und Baugenehmigungen sowie Zulassungen für Industrieanlagen, an denen jeweils eine Vielzahl von Akteuren beteiligt ist, was die Genehmigungs- und Gründungsverfahren in die Länge zieht. Zur Verbesserung des Geschäftsumfeldes konzentrierte man sich in allen lokalen Fallstudiengebieten auf die Integration von Dienstleistungen und die Erleichterung von Unternehmensgründungen. Erreicht wird dies durch die Einrichtung „virtueller“ oder „realer“ Anlaufstellen, an denen potentielle und neue Unternehmer allgemeine Informationen erhalten können und an spezifischere Organisationen weiterverwiesen werden. In diesem Kontext sind zu nennen: die E-Government-Mechanismen in Marzahn-Hellersdorf, Parchim und in der Uckermark; das „Haus der Wirtschaft“ als zentrale Anlaufstelle für Geschäftsdienstleistungen in der Uckermark; die Regional- Managements im Altenburger Land oder in Marzahn-Hellersdorf, obgleich im letztgenannten Fall zwei solcher Anlaufstellen bestehen, was auf eine Inkohärenz in der Strategie zur Unternehmensförderung schließen lässt. 71 Vgl. Zimmermann und Schumacher (2005). 72 1995 nannten Unternehmer in Deutschland eine unternehmensfreundliche kommunale Verwaltung an siebter Stelle unter 22 Faktoren (DST et al. 2001). 2004 bewerteten 75% der in 25 Städten befragten Unternehmer ein „unternehmensfreundliches“ Umfeld als sehr wichtig oder wichtig, während nur 22% angaben, dass ihre kommunale Verwaltung unternehmensfreundlich eingestellt sei (Bertelsmann Stiftung et al. 2004). Dem entsprechend legten 64% bzw. 62% bei ihren Geschäftsgründungsvorhaben Wert auf gute Beratungs- und Informationsleistungen, während lediglich 24% bzw. 16% mit den diesbezüglichen Leistungen in ihrer Gemeinde zufrieden waren. 227 Aufbau einer kohärenten Politik und eines kohärenten Fördersystems auf kommunaler Ebene Dieser Abschnitt befasst sich mit Fragen der politischen Umsetzung und mit Governance-Fragen und deren Rolle in der Förderung des Unternehmertums auf kommunaler Ebene. Gemeinden tendieren im ihren Versuchen zur Schaffung eines unternehmensfreundlichen Umfeldes oft dazu, sich ausschließlich auf Infrastrukturfragen und Geschäftsunterstützung zu konzentrieren. Vernachlässigt werden die institutionellen Herausforderungen im Aufbau eines kohärenten Fördersystems. Diese Herausforderungen liegen in der Entwicklung einer lokalen Strategie, im Aufbau von Netzwerken und in der gezielten Förderung unterschiedlicher Gruppen (potenzieller) Unternehmer. Entwicklung einer kommunalen Strategie zur Unternehmensförderung Wachsende Arbeitslosigkeit und zunehmende Etatknappheit zwingen die politisch Verantwortlichen auf kommunaler Ebene, auf Landesebene und auf Bundesebene in immer stärkerem Maß, sich nach neuen Möglichkeiten für die Finanzierung ihrer KMU und ihrer Förderpolitik umzusehen, was vor allem die Möglichkeit von Partnerschaften zwischen der Öffentlichen Hand und dem Privatsektor sowie zwischen der Bundes- und Landesebene betrifft. Am deutlichsten wird dies auf Landes- und Bundesebene, jedoch richteten auch die Gemeinden ihre Unternehmensförderpolitik in den vergangenen Jahren neu aus. Etatknappheit auf kommunaler Ebene ist nur ein Faktor unter mehreren. Ein weiterer Faktor sind die uneindeutigen Erfahrungen mit früheren Maßnahmen zur Unternehmensförderung wie kapitalintensive Einrichtungen von Startup-Zentren und Technologieparks, auf die sich die Unternehmensförderpolitik zahlreicher Gemeinden bis in die frühen 90er Jahre hinein konzentrierte.73 Vor dem Hintergrund knapper Etats, gemischter Erfahrungen mit Fördermaßnahmen und neuer Anforderungen der Unternehmer änderten die auf kommunaler Ebene Verantwortlichen ihre Förderphilosophie in den späteren 1990er Jahren. Die Förderung einer physischen Infrastruktur gilt nicht mehr als Königsweg der Entwicklungsförderung auf kommunaler Ebene. Die Maßnahmen haben sich vielmehr, wie oben gezeigt, hin zu einem subtiler vorgehenden Ansatz verschoben und konzentrieren sich inzwischen auf die Verbesserung des allgemeinen Geschäftsumfeldes und des allgemeinen Geschäftsklimas, wobei jedoch auch spezifische Förderbedürfnisse berücksichtigt werden. Die Entwicklung des Unternehmertums auf kommunaler Ebene widerspiegelt daher nicht unbedingt genuin „neue“ Ansätze der kommunalen Handlungsträger, sondern ist vielmehr in umfassendere Bundes- und Länderprogramme und politische Ansätze des Bundes und der Länder eingebettet. Maßnahmen auf der kommunalen Ebene gehen in vielen Fällen auf Programme des Bundes und/oder der Länder zurück, was auch die meisten der durchgeführten lokalen Fallstudien belegen. Solche „projektorientierten“ Strategien leisten zwar einen Beitrag zur Entwicklung des Unternehmertums auf lokaler Ebene, sie könnten jedoch auch auf einen Mangel an Eindeutigkeit in Visionen und politischer Strategie hindeuten, der langfristig der Entstehung einer Unternehmenskultur auf kommunaler Ebene im Wege steht. Die Bewusstseinsbildung ist jedoch nur ein zentrales Erfordernis für die Entwicklung einer Unternehmenskultur auf kommunaler Ebene; benötigt werden auch individuelle Förderer, Engagement und eine gemeinsame Vision. In dieser Hinsicht zeigen die lokalen Fallstudien Probleme auf mehreren Ebenen auf. So sind den auf Gemeindeebene Verantwortlichen etwa im Altenburger Land, in Mittweida und in Marzahn-Hellersdorf die Schwierigkeiten bei der lokalen Unternehmensförderung zwar bewusst, jedoch scheint es ihnen an einer gemeinsamen Konzeption und an einer gemeinsamen Leitung zu fehlen. 73 Vgl. Behrendt (1996); Sternberg et al. (1997); Tamasy (1995) insbesondere im Hinblick auf die Bewertung von Technologie- und Startup-Zentren in Ostdeutschland. 228 Die Aufgabe besteht hier darin, unterschiedliche Initiativen mit dem Ziel der Förderung des lokalen Unternehmertums in einer kohärenten Politik zusammenzuführen, ohne die verfügbaren finanziellen Ressourcen zu weit zu streuen oder in zu hohem Maße auf externe Zuschüsse zu bauen. In benachteiligten städtischen Bezirken wie Marzahn-Hellersdorf beispielsweise könnten Maßnahmen zur Förderung lokaler Kleinunternehmen oder Gemeindeunternehmen eine wichtige Rolle beim Wiederaufbau des städtischen Zusammenlebens spielen und einen ersten Schritt sowohl im Aufbau des Unternehmertums wie in Aufbau einer Grundlage für umfangreichere Aktivitäten in den Bereichen wissensbasiertes und innovatives Unternehmertum spielen. Das Fehlen einer lokalen Entwicklungsstrategie führt stattdessen zu einem zu eng begrenzten Ansatz, wie sich an offensichtlich widersprüchlichen institutionellen Regelungen (zwei Regionalmanagements in derselben Wirtschaftsregion) ablesen lässt. Der Stadtteil steht offenbar auch vor Schwierigkeiten bei der Entwicklung eines kohärenten Ansatzes, weil es sowohl bei der Gemeinde wie auf Seiten der Geschäftswelt an Engagement mangelt und die administrativen Kompetenzen für die Entwicklung einer kommunalen Entwicklungsstrategie nicht ausreichend sind. Verschärft wird die Lage in vielen Fällen noch durch mangelnde regionale Identität74 und ein schlechtes Selbstbild der Regionen, wie aus vielen lokalen Fallstudien ersichtlich wird. In einem solchen Kontext können Modelle aus anderen Ländern oder Bundesländern, etwa Verhaltenskodices, KMU-Chartas und Ähnliches als Modellbeispiele Guter Praxis in der Entwicklung einer kohärenten Politik dienen, die die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure erleichtert. Zusammenarbeit: Aufbau von Netzwerken und Partnerschaften zwischen Öffentlicher Hand und Privatsektor Auf der institutionellen Ebene bezieht sich ein wichtiger Ausgangspunkt für einen kohärenten Ansatz auf kollaborative Netzwerk-Initiativen, die örtliche Behörden, die bestehende örtliche Geschäftsgemeinschaft und die Einwohner einbeziehen. Eine solche Politik kann der örtlichen Identität Auftrieb verschaffen und zugleich einen Beitrag zur Entwicklung einer örtlichen Unternehmenskultur leisten.75 Im kommunalen Kontext dienen Netzwerke als Plattform, über die unterschiedliche Akteure der regionalen Unternehmensförderung Informationen austauschen und ihre Kenntnisse Guter Praxis bei der Förderung der kommunalen Unternehmensentwicklung zusammenführen. Damit werden weitere Lernprozesse angestoßen, die regionsspezifisches Hintergrundwissen schaffen, das wiederum Vorteile im Wettbewerb der Regionen mit sich bringt. Zur Schaffung eines institutionellen Netzwerks wird eine große Bandbreite von Mitwirkenden benötigt. Hierzu gehören Regierung und Verwaltung auf ihren verschiedenen Ebenen ebenso wie Universitäten und sonstige (höhere) Bildungseinrichtungen, Handelskammern und Verbände, (örtliche) Banken, Inkubatoren und Privatakteure. In diesem Kontext sind inzwischen immer mehr Gemeinden, Städte und/oder ländliche Bezirke zu Kooperationen übergegangen, um sowohl den Auswirkungen der immer schmaler werdenden Etats zu begegnen wie auch ihre Attraktivität für neue Investoren zu steigern. Hierzu gehören auch gemeinsame Initiativen und Programme zur Förderung neuer Geschäftsansiedelungen. Für Deutschland lassen sich zwei typische Modelle mit unterschiedlichen Graden an Engagement und Formalisierung unterscheiden, die zum einen auf die Initiierung und Erleichterung institutioneller Kooperationen über Gemeindegrenzen hinweg und zum anderen auf die Unterstützung gemeinsamer Dienstangebote und Infrastruktureinrichtungen oder auf die Schaffung institutionell verankerter 74 Wigren (20003) verdeutlicht anhand einer Industrieregion in Schweden die Bedeutung der örtlichen Identitätsbildung für die Schaffung einer Unternehmenskultur. In Gnosjö sind die Geschäftsebene und die gesellschaftliche Ebene eng miteinander verzahnt, was der Entwicklung einer besonderen Identität - man spricht vom „Geist von Gnosjö“ - förderlich ist. 75 Vgl. Forrest und Kearns (2005). 229 Netzwerke abzielen, wobei jeweils eine unternehmerisch orientierte und attraktive Region geschaffen werden soll: (i) Zusammenführung von Ressourcen durch Angebot gemeinsamer Dienstleistungen und Infrastruktureinrichtungen innerhalb von Landkreisen und Gemeinden und über einzelne Landkreise und Gemeinden hinaus, und (ii) Schaffung regionaler Netzwerke. Beim ersten dieser Modelle führen ländliche Gemeinden und Landkreise ihre Ressourcen in Pools zusammen und arbeiten bei der Schaffung einer gemeinsamen Infrastruktur bzw. bei der Bereitstellung gemeinsamer Infrastruktureinrichtungen zusammen. Die zugrunde liegende Idee ist hier, die Infrastruktureinrichtungen kosteneffektiv zu betreiben und die Vermarktungsanstrengungen zu bündeln, um neue Unternehmen anzuziehen und/oder potenzielle Unternehmer in der Region zu halten. Ein weiterer wichtiger Trend, der sich in kleineren (mit Ressourcen weniger gut ausgestatteten) Gemeinden und Landkreisen beobachten lässt, ist das Angebot gemeinsamer Dienstleistungen für Unternehmer. Es überrascht nicht, dass dieses Modell in kleineren Gemeinden ohne lange Wegstrecken und mit starken gemeinsamen Interessen am besten funktioniert. Dabei handelt es sich zugleich um ein Modell, das in abgelegeneren und weniger entwickelten Gebieten sinnvoll ist, wo es sich in vielen Fällen nur mit Hilfe langfristiger systematischer Unterstützung durch regionale Entwicklungsagenturen umsetzen lässt. In einigen der lokalen Fallstudiengebiete könnte sich ein solches Modell zur Erweiterung des Förderansatzes anbieten. Ein Beispiel hierfür ist das Altenburger Land, in dem es keinen Technologiepark und keine höhere Bildungseinrichtung gibt und wo die Zusammenarbeit mit anderen Regionen die Schaffung diesbezüglicher „kostengünstiger“ Lösungen erleichtern kann. Ein weiterer Fall könnte Marzahn-Hellersdorf sein, wo eine gut ausgebaute Infrastruktur existiert, potenzielle Unternehmer jedoch fehlen. In beiden Fällen könnte die Zusammenarbeit mit angrenzenden Gemeinden oder Stadtteilen die Entwicklung eines örtlichen Unternehmertums begünstigen. Die Zusammenarbeit mit dem Ziel der Schaffung eines formalisierten regionalen institutionellen Netzwerks ist das schwierigere Modell der lokalen Kooperation, weil es größere Anstrengungen erfordert, um die lokalen Partner zusammenzuführen und weil es eines langfristigen Engagements aller Beteiligten bedarf. Zugrunde liegende Zielsetzungen begründen in vielen Fällen eine Notwendigkeit der Umstrukturierung der wirtschaftlichen Basis einer Region. Kooperationsmodelle reichen von informellen bis hin zu institutionalisierten Formen und beinhalten Partnerschaften zwischen Öffentlicher Hand und Privatsektor in Form von Netzwerken unter Leitung der Wissenschaft, der Industrie und/oder der Politik.76 In wissenschaftlich geführten regionalen Netzwerken sorgen Universitäten oder Forschungseinrichtungen für regionale Entwicklungsfortschritte, oftmals mit dem Schwerpunkt auf regionaler Forschung und Entwicklung. In Netzwerken unter Leitung der Industrie gehen Innovationen von großen Firmen aus, während politisch geleitete Netzwerke von kommunalen Verwaltungskräften und Zwischenakteuren wie Unternehmensverbänden initiiert werden. Diese Netzwerke werden oftmals im Rahmen von Bundesprogrammen wie den genannten Initiativen „Unternehmen Region“ oder „Lernende Region“ ins Leben gerufen. So bietet etwa Nukleus in Parchim ein Beispiel für ein von Industrie und Wissenschaft geführtes Netzwerk. Nukleus ist ein Netzwerk für Präzisionsmaschinenbau im Rahmen des Förderprogramms InnoRegio mit dem Ziel des Ausbaus der Region Parchim-Wismar-Rostock hin zu einem expandierenden und international anerkannten Standort für den Präzisionsmaschinenbau. Nukleus arbeitet über die Grenzen von Regierungsebenen und Landkreisen hinweg und führt eine Vielzahl privater und öffentlicher Akteure aus Wirtschaftsförderungsgesellschaften, Gemeinden, Unternehmen und Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern zusammen. Ein weiteres Beispiel ist das Netzwerk „Luchs“, das im Rahmen des Programms „Lernende Region“ in der Uckermark ins Leben gerufen wurde. In beiden Fällen scheinen die unterschiedlichen Beteiligten aus dem öffentlichen und privaten Sektor 76 Vgl. Schätzl (1999), S.103. 230 gemeinsam mit den Förderern großen Einfluss auf die Schaffung eines nachhaltigen und erfolgreichen regionalen Netzwerks genommen zu haben. Ausrichtung der Förderung auf die kommunale Ebene: Unterschiedliche Zielgruppen erreichen Schließlich ist die zielgenaue Ausrichtung der Förderung das dritte Element in der Entwicklung eines kohärenten lokalen Ansatzes. Die Förderung neuer Unternehmen und spezifischer Zielgruppen beinhaltet eine Reihe unterschiedlicher Maßnahmen, zu denen etwa spezifische Informations- und Beratungsangebote für vormals arbeitslose Existenzgründer, Frauen, Erfinder und Hochschulabsolventen als potentieller Entrepreneure gehören. Die Hauptschwierigkeit der lokalen Verwaltungen liegt hier in der Ermittlung des dringlichsten Förderbedarfs und der adäquaten Zielgruppen innerhalb der jeweiligen Region, die Voraussetzung für die Entwicklung eines kohärenten Politikansatzes ist. Die Komplexität der Aufgabe lässt sich am Beispiel Halle verdeutlichen; hier zeigt die lokale Fallstudie ein integriertes Fördermodell zur Mobilisierung und Schulung von Hochschulabsolventen in allen Fragen der Existenzgründung. Das Hochschulgründernetzwerk Univations besteht in allen Universitätsstädten im südlichen Sachsen-Anhalt und bietet institutionalisierte Förderung an. Wie bei den vergleichbaren Instrumentarien auf kommunaler Ebene liegt dem ganzen Netzwerk eine ausgezeichnete Philosophie zugrunde. Im Gegensatz zu manchen anderen kommunalen Programmen indes kann Univations auf eine Erfolgsgeschichte zurückblicken: Über 200 Existenzgründungen durch Studenten wurden gefördert. Im Rahmen dieser Initiative gelang ferner die Mobilisierung der Wirtschaft und außeruniversitärer Akteure - ein wichtiger Schritt in der Entwicklung eines kohärenten lokalen Ansatzes zur Förderung von Existenzgründungen durch Hochschulabsolventen auf regionaler Ebene. Geringes Interesse innerhalb der Universitäten kann sich jedoch langfristig als Hemmnis erweisen, da nachhaltige Schulungsbemühungen für potenzielle Unternehmer auf eine breite Mentorenbasis in allen Fachbereichen angewiesen sind. Eine Schwäche der Konzentration auf die Zielgruppe der Hochschulabsolventen in Halle liegt offenbar im mangelnden Erfolg bei der Förderung wachstums- oder technologieorientierter Geschäftsgründungen. Das mag überraschen, da gerade Halle eine beeindruckende Infrastruktur zur Nutzung und zur wirtschaftlichen Verwertung von Forschungsergebnissen besitzt; zu nennen sind hier Technologieparks, Forschungsinstitute und Patentgesellschaften. Insgesamt werden hier Schwächen der kommunalen Entwicklungsstrategie deutlich, die sich auf die Stärkung der Bindungen zwischen Universität und den Forschungseinrichtungen konzentrieren sollte. Besondere Bedeutung gewinnt in diesem Zusammenhang ein weiterer Aspekt der zielgerichteten Förderung in Regionen mit niedrigem Niveau an unternehmerischem Engagement. Hier müssen die Gemeinden Erweiterungen ihrer Förderansätze ins Auge fassen und auch neue Gruppen möglicher Entrepreneure in ihre Maßnahmen einbeziehen. Auch hier dienen die lokalen Fallstudien als Modelle, die die Komplexität der Aufgabe der Entwicklung zielgerichteter kommunaler Ansätze verdeutlichen. So konzentrieren sich sowohl Mittweida wie das Altenburger Land in der Förderung des Unternehmertums auf Technologiesektoren und vernachlässigen andere potenzielle Fördergruppen wie Frauen, junge Menschen oder kreative Existenzgründer. Andere Regionen wie Parchim und die Uckermark konzentrieren viele ihrer Programme auf Beschäftigungslose und vernachlässigen die Förderung der Potenziale bestehender KMU. Schlussfolgerungen und Ausblick Seit der Wiedervereinigung hat Ostdeutschland enorme Fortschritte bei der Entwicklung des Unternehmertums gemacht. Die durchgeführten Fallstudien für sechs repräsentative Regionen in Ostdeutschland verdeutlichen eine Vielzahl auf kommunaler Ebene eingesetzter innovativer Modelle 231 zur Bewältigung der geschilderten Schwierigkeiten. Dennoch gibt es weiterhin Spielraum für Verbesserungen, insbesondere im Austausch von Elementen Guter Praxis bei der kommunalen Unternehmensförderung. Die nachstehenden Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen basieren auf der Durchsicht der Fallstudienberichte im Rahmen des OECD-Programms zur Stärkung des Unternehmertums und der wirtschaftlichen Entwicklung in Ostdeutschland vor dem Hintergrund des gegebenen politischen Umfeldes und der derzeitigen Herausforderungen in der Entwicklung des Unternehmertums. Berücksichtigung des lokalen Kontextes des Unternehmertums Der lokale Kontext für das Unternehmertum in Ostdeutschland bietet eine Herausforderung für „traditionelle“ Ansätze der Entwicklung des Unternehmertums auf kommunaler Ebene, insbesondere in Bezug auf Ansätze in der Verbesserung des Geschäftsumfeldes und auf Ansätze, die sich auf die Bereitstellung von Infrastruktureinrichtungen konzentrieren. De-Industrialisierung und hohe Arbeitslosigkeit bilden eine wichtige Hürde für jede Strategie der Unternehmensförderung: Arbeitslose besitzen oftmals wenig Selbstvertrauen und verfügen nicht über unternehmerische Qualifikationen; qualifizierte Personen wandern aus den Regionen ab, während es in ländlichen Regionen und in Randgebieten oder in Regionen, die einen De-Industrialisierungsprozess durchlaufen haben, zugleich an Geschäftsmöglichkeiten und Infrastruktureinrichtungen fehlt. Diese Tendenz kann zudem durch die derzeitige Dynamik der städtischen und ländlichen Entwicklung verschärft werden. Besonders betroffen von der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformation sind einige Innenstadtbereiche. Zu den negativen Auswirkungen gehören der weitere wirtschaftliche Niedergang in Form von Langzeitarbeitslosigkeit, sinkenden Einkommen und sinkender Kaufkraft sowie die Abwanderung samt entsprechenden demographischen und sozioökonomischen Veränderungen. Empfehlung: Die örtlichen Gemeinden sollten ihre Unternehmensförderung einer Evaluierung unterziehen und sie auf den jeweiligen lokalen Kontext zuschneiden. Gemeinden etwa in Mecklenburg-Vorpommern oder in Randgebieten und de-industrialisierten Regionen in Thüringen benötigen Strategien, die den Faktoren hohe Arbeitslosigkeit, Ausbildungsmängel und Motivationsmangel ebenso Rechnung tragen wie dem Mangel an Geschäftsmöglichkeiten. Trotz Schwierigkeiten während des gesamten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandlungsprozesses scheinen sämtliche lokalen Fallstudiengebiete Fortschritte bei der Entwicklung des örtlichen Unternehmertums gemacht zu haben, ohne jedoch das volle unternehmerische Potenzial der Regionen ausgeschöpft zu haben. In Regionen, in denen starke Netzwerkinitiativen bestehen, wie dies in einigen der Fallstudiengebiete der Fall ist, besitzen diese Fortschritte auch eine nachhaltige Basis in der Region. In Gebieten, in denen der Transformationsprozess gut vorangekommen ist und Regionen auf ihrer traditionellen Industriebasis und auf ihren traditionellen Stärken aufbauen konnten, entstanden überdies Cluster von kleinen Unternehmen; zu beobachten ist dies beispielsweise in Halle und Parchim, wo die Ausgangsbasis für eine lebhafte Wirtschaftsentwicklung liegen könnte. In dieser Hinsicht stehen die Verantwortlichen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene vor einem Dilemma, nämlich vor der Frage, ob sie sich auf bestehende Stärken konzentrieren oder aber Schwächen bekämpfen sollen, die die regionale Entwicklung hemmen. Wo sich die Handlungsträger vorrangig auf die „Förderung ausgewählter Stärken“ konzentrieren, behindert dies die Entwicklung des Unternehmertums in strukturschwachen Regionen, da es in diesen Regionen oft an der physischen Infrastruktur und der Förderinfrastruktur fehlt, die für Unternehmensneugründungen benötigt wird. Empfehlung: Die Landesregierungen sollten ihre politische Strategie der Regionalentwicklung durch die „Stärkung von Stärken“ einer Überprüfung unterziehen, da diese Strategie ein zusätzliches Hemmnis für die Entwicklung des Unternehmertums in strukturschwachen Regionen bilden kann und damit der Unternehmensförderung auf Bundesebene zuwiderläuft. Weiteres politisches Augenmerk 232 könnte die Konzentration auf die „Beseitigung von Schwächen“ oder eine Mischung beider Ansätze mit Feinabstimmung auf die jeweiligen regionalen Gegebenheiten verdienen. In dieser Hinsicht besteht offensichtlich Spielraum für die Verbesserung der Koordination verschiedener Politikfelder (beispielsweise Regionalpolitik und bundesweite Unternehmensförderung). Des Weiteren hängt die Verwirklichung des vollen unternehmerischen Potenzials innerhalb einer Region auch von der örtlichen Unternehmenskultur ab. Ein Umfeld, in dem die Menschen das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten eingebüßt haben und in dem es ihnen an Möglichkeiten der Existenzgründung mangelt, erfordert eine Strategie zur Förderung der lokalen unternehmerischen Kultur insgesamt. Das betrifft sowohl in der Region lebende Einzelpersonen wie auch die örtlichen Gemeinden, für die die Unternehmensentwicklung oftmals im Mittelpunkt der Lösungsansätze für das Problem der Arbeitslosigkeit steht, statt dass deren wirtschaftliches Potenzial erkannt wird. Auch in dieser Hinsicht ergibt sich aus den Fallstudien, dass Spielräume für Verbesserungen bestehen. Ein wesentlicher Mangel, den die Studien zu Tage gefördert haben, betrifft das Fehlen passender Rollenvorbilder und ein oftmals negatives Image der Regionen; beides kann sich als Hindernis für die Entstehung einer unternehmerischen Kultur auf kommunaler Ebene erweisen. Empfehlung: In den Fallstudiengebieten bestehen beträchtliche Spielräume für die Verbesserung „weicher“ Faktoren wie der Bewusstseinsbildung, die ein konstitutives Element für die Unternehmenskultur auf kommunaler Ebene ist. Die vor Ort Verantwortlichen aus Verwaltung und Wirtschaft sollten mit den lokalen Medien zusammenarbeiten, um zu klären, wie am besten Rollenmodelle zu präsentieren sind, indem lokale Unternehmer samt ihren Geschäftsmodellen und ihren Strategien der Problemlösung während der Geschäftsentwicklung vorgestellt werden. Werbekampagnen, Preise für den kommunalen Unternehmer des Jahres und vergleichbare Maßnahmen können zur Verbesserung der lokalen Bewusstseinsbildung in Bezug auf das Unternehmertum mit dem Ziel der Förderung der regionalen Wirtschaftsentwicklung beitragen. Was das Problem des negativen Images von Regionen angeht, sind solche spezifischen Kampagnen durch umfassende Marketinganstrengungen zu flankieren, um eine Imagewerbung zu erzielen und qualifizierte Personen in der Region zu halten oder für die Region zu gewinnen. Verbesserung des Geschäftsumfeldes auf lokaler Ebene Herkömmlicherweise haben sich die Gemeinden in der Unternehmensförderung auf die Entwicklung eines geschäftsfreundlichen Umfeldes vor allem durch Bürokratieabbau und/oder durch die Einrichtung von Startup-Zentren und Technologieparks konzentriert. Wie aus allen Fallstudien hervorgeht, ist der beste lokale Ansatz zur Verbesserung des Geschäftsumfeldes der Versuch zur Integration von Dienstleistungen und die Erleichterung der Existenzgründung. Erreicht werden kann dies durch die Einrichtung „virtueller“ und „realer“ Anlaufstellen, an denen potenzielle und neue Unternehmer allgemeine Informationen erhalten können und an spezifischere Einrichtungen weiter verwiesen werden. Darüber hinaus haben die kommunalen Stellen sich auf unterschiedliche Gruppen von Unternehmern auf lokaler Ebene einzustellen, was die Notwendigkeit unterschiedlicher Förderstrategien beinhaltet. Die Finanzierung eines Geschäftes auf lokaler Ebene bietet vor dem Hintergrund der zunehmenden Zentralisierung des deutschen Bankensystems eine besondere Herausforderung. Empfehlung: Die politisch Verantwortlichen vor Ort sollten Gespräche mit örtlichen Kreditinstituten über einen erleichterten Zugang zu finanziellen Ressourcen auf lokaler Ebene aufnehmen. Ferner sollten die entstehenden neuen Modelle von Partnerschaften zwischen öffentlichem und privatem Sektor für die Mikrofinanzierung einer kritischen Prüfung unterzogen werden; hier scheint eine umsetzbare Lösung für dezentralisierte Kreditfinanzierungsmöglichkeiten zu liegen. In Hinblick auf ihre Finanzierungsbedürfnisse sollten Unternehmer zur Nutzung unterschiedlicher 233 Finanzierungsquellen angeregt werden - etwa durch Business Angels oder Beteiligungskapital -, statt sich vorrangig auf Bankdarlehen zu verlassen. Dies erfordert jedoch auch die Förderung lokaler Netzwerke von Business Angels. Entwicklung einer kohärenten Politik und eines kohärenten Fördersystems auf kommunaler Ebene Die Kommunalverwaltungen stehen bei der Entwicklung eines kohärenten Fördersystems auch vor institutionellen Herausforderungen. Dies bezieht sich auf die Entwicklung lokaler politischer Strategien mit dem Schwerpunkt Unternehmensförderung. Die meisten Maßnahmen in diesem Bereich auf kommunaler Ebene widerspiegeln nur selten wirklich neue Ansätze der Verantwortlichen; in vielen Fällen gehen sie auf Programme des Bundes und/oder des Landes zurück, wie auch aus den meisten Fallstudien ersichtlich wird. Lokale Fördermaßnahmen konzentrieren sich auf die Verbesserung des Geschäftsumfeldes, auf die Finanzlage potenzieller Unternehmer oder auf das Angebot von Schulungs- und Qualifikationsmaßnahmen für potenzielle Unternehmer und vernachlässigen „weiche“ Faktoren wie die oben angeführte örtliche Unternehmenskultur. Ein solcher projektorientierter Ansatz kann als Indiz für das Fehlen einer klaren politischen Strategie gewertet werden, das sich langfristig als Hemmnis für die Entstehung einer lokalen Unternehmenskultur erweisen kann, wie ebenfalls aus mehreren lokalen Fallstudien ersichtlich wird. Probleme ergeben sich aus dem Fehlen einer gemeinsamen Konzeption und gemeinsamer lokaler Visionen, aus mangelndem Engagement und aus oftmals unklaren Zuständigkeiten der Beteiligten über verschiedene Verwaltungsebenen und Grenzziehungen hinweg. Empfehlung: Die kommunalpolitisch Zuständigen sollten sich um die Entwicklung einer lokalen Vision und Strategie für die Unternehmensentwicklung bemühen und dabei die Stärken und den jeweiligen allgemeinen Kontext des Standortes berücksichtigen. Das bedeutet eine Prioritätensetzung und eine Klärung der Zuständigkeiten der verschiedenen Beteiligten. Darüber hinaus muss sich eine kohärente Strategie auf kommunaler Ebene um die Förderbedürfnisse auf der Ebene von Einzelpersonen und auf der Unternehmensebene sowie auf die für die Schaffung einer lokalen Unternehmenskultur erforderlichen Faktoren konzentrieren. Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor könnten zur Schaffung einer kohärenten politischen Strategie auf kommunaler Ebene beitragen. In dieser Hinsicht bieten unterschiedliche räumliche, strukturelle und demographische Zusammenhänge für das örtliche Unternehmertum Herausforderungen in Fragen der Verwaltung und Umsetzung der Unternehmensförderung auf kommunaler Ebene. Vor dem Hintergrund schmaler werdender Etats könnten die auf kommunaler Ebene Verantwortlichen über Wege zur Zusammenfassung ihrer Ressourcen in Pools und zur Zusammenarbeit durch die Schaffung gemeinsamer Dienstleistungen oder Infrastruktureinrichtungen nachdenken. Eine besondere Stärke des ostdeutschen Fördersystems scheint in diesem Kontext mit den starken Netzwerken und Partnerschaften gegeben, die auch die Regierungsebene mit einbeziehen. Als die ostdeutschen Länder und die lokalen Akteure in Ostdeutschland mit der Unternehmensförderung und der Förderung von KMU begannen, entdeckten sie schnell den Netzwerkansatz, der sich aus der allgemeinen Tendenz hin zur Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor und aus wettbewerbsorientierten Auswahlverfahren ergab. Eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Netzwerkarbeit und für die erfolgreiche Zusammenarbeit von öffentlichem und privatem Sektor liegt in der Überwindung institutioneller und persönlicher Egoismen und politischer Vorbehalte; dies verweist auf die Notwendigkeit des Engagements der lokalen Akteure und auf die Notwendigkeit der Identifizierung lokaler Förderer. Ob private Akteure über Partnerschaften zwischen öffentlichem und privatem Sektor oder sogar durch eine Führungsrolle des Privatsektors einbezogen werden, hängt ganz von den Umständen vor Ort ab. 234 Empfehlung: In Hinblick auf Netzwerke und Partnerschaften ergeben sich aus allen lokalen Fallstudien Beispiele für beträchtliches Engagement privater und öffentlicher Akteure auf kommunaler Ebene; dies deutet auch auf ein hohes Maß an Bewusstsein, wie es für die Entstehung einer unternehmerischen Kultur auf kommunaler Ebene erforderlich ist. In dieser Hinsicht bieten die lokalen Fallstudien interessante Beispiele dafür, wie das Unternehmertum auf lokaler Ebene durch Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor sowie durch Netzwerke unter Führung der Politik, der Industrie oder der Wissenschaft gefördert werden kann. Andere Regionen in Ostdeutschland und Westdeutschland können von solchen Modellen lernen; daher wird ein solcher Austausch durch die Bekanntmachung von Beispielen Guter Praxis beispielsweise im Rahmen bestehender Netzwerke und Organisationen empfohlen. Unterschiedliche Kontexte für lokales Unternehmertum bieten auch Schwierigkeiten auf der Förderebene. Dies bezieht sich auf zweckdienliche Maßnahmen und Programme für eine große Vielfalt von Zielgruppen von innovativen Start-Ups über wissensbasierte Geschäfte und Existenzgründer nach dem Hochschulabschluss bis hin zu Existenzgründungen durch Arbeitslose. Die lokalen Fallstudien zeigen Modelle Guter Praxis für das Erreichen von Zielgruppen wie Hochschulabsolventen, während eine zentrale Schwierigkeit darin liegt, alle relevanten lokalen Zielgruppen eindeutig zu ermitteln und zu unterstützen. Erklärbar ist dies zum Teil durch die stark angebotsorientierte Ausrichtung der kommunalen Förderung, wie alle lokalen Fallstudien in bestimmtem Maße belegen. Dies könnte die Gemeinden an der Entwicklung einer kohärenten Strategie zur Förderung des kommunalen Unternehmertums und an der Ausschöpfung des vollen unternehmerischen Potenzials innerhalb einer Region hindern. Empfehlung: Die Landkreise und Stadtteile, die im Rahmen des OECD-Programms untersucht wurden, sollten ihre Zielgruppen überprüfen, um ihren Förderansatz zu erweitern und „neue“ Zielgruppen wie zum Beispiel Frauen, die sich selbständig machen, oder junge Unternehmer zu erreichen. Ein solcher Ansatz lässt sich verwirklichen, wo dies zweckdienlich und erforderlich ist, und er sollte auf einer sorgfältigen Bewertung des Wirtschaftspotenzials innerhalb der Region basieren. Literatur Achtenhagen, L. and F. 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Der politische Rahmen betrifft alle Politikbereiche, die für das Unternehmertum und die Unternehmensentwicklung relevant sind, einschließlich Politiken und Programme sowie sämtliche legitimen Akteure, die an der Gestaltung, Umsetzung und Bewertung der Unterstützung durch die Öffentliche Hand beteiligt sind. Derzeit konzentrieren sich die politischen Modelle im Bereich Unternehmertum und Innovation stark auf die Entwicklung von wissensbasierten und hochtechnologieorientierten Branchen. Jüngere Arbeiten der OECD zur Überprüfung nationaler Innovationssysteme betonen diesbezüglich die Bedeutung zunehmender Netzwerkbildung und Zusammenarbeit öffentlicher Stellen. Erforderlich ist eine stärkere Konzentration auf institutionelle Anpassungen im Bereich Unternehmertum, Wissenschaft, Technologie und Innovation über die Zuständigkeitsgrenzen von Ministerien hinweg.77 Bei dieser Koordination muss die kommunale Ebene in der Ermittlung des benötigten Politikmix nach Maßgabe der lokalen Erfordernisse sowie bei der Zusammenstellung der zweckdienlichen Maßnahmen auf unterschiedlichen nationalen, regionalen und lokalen Regierungs- und Verwaltungsebenen einbezogen werden. Aus den lokalen Fallstudien wurde ersichtlich, dass auf Landesebene über die Zuständigkeitsgrenzen der Ministerien hinweg mehr zur verbesserten Integration und Koordination der Unternehmensförderung und Innovationspolitik geschehen kann. Die derzeitigen Regelungen auf Landesebene scheinen die Entwicklung einer besseren Integration und Koordination auf der Ebene der Landkreise eher zu bremsen, da die unterschiedliche Prioritätensetzung zu verschiedenen Strategien führt, die von verschiedenen Stellen auf kommunaler Ebene und/oder auf Landesebene umgesetzt werden. Ein lokaler Zuschnitt der Politiken würde neben einer engeren Zusammenarbeit zwischen der kommunalen Ebene und der Landesebene auch überregionale Kooperationen mit anderen Bundesländern erfordern. In einem föderalen Staat entspricht die Wirtschaftsgeographie nicht unbedingt den Verwaltungsgrenzen. Von entscheidender Bedeutung ist dies für die Förderung des Unternehmertums mit dem Ziel der umfassenderen Wirtschaftsentwicklung. Die lokalen Fallstudien ergaben, dass sich insbesondere in Wirtschaftsräumen über Landesgrenzen hinweg Kooperationsbeschränkungen der Bundesländer in politischen Fragen der Unternehmensförderung negativ auf die Zusammenarbeit und die Bündelung der Bemühungen auf kommunaler Ebene auswirken. Alle Bundesländer haben erkannt, dass die Einbeziehung des Privatsektors beim Zuschnitt der Politik auf die Bedürfnisse der Geschäftswelt ein wichtiger Faktor für die Effektivität politischer Maßnahmen ist. Landesweite Programme führen zu strategischen Allianzen mit dem Privatsektor auf Landesebene. In einigen Fällen wurden Beratungs- und Evaluationsgremien eingerichtet. Das 77 OECD (2005): „Governance of Innovation Systems“, Bd. 2: Case Studies in Innovation Policy, Paris. 239 Engagement der Mitglieder dieser Gremien scheint jedoch aufgrund von Zeitmangel bei Gestaltung und Kontrolle sowie aufgrund einer ungenügenden Kompetenz- und Aufgabenverteilung nicht immer zureichend und effektiv. Die lokalen Fallstudien ergaben den Eindruck, dass die politische Gestaltung und Umsetzung auf kommunaler Ebene eher zersplittert ist. Probleme des lokalen Unternehmertums scheinen zwar gut begriffen zu werden, jedoch sind die Kapazitäten zur politischen Gestaltung auf kommunaler Ebene begrenzt. Zahlreiche Initiativen arbeiten - angefangen mit der Landesebene - „von oben nach unten“, wobei der Grad für jeweilige Ermessensentscheidungen vor Ort unterschiedlich ist. Was fehlt, ist eine systematische Analyse der lokalen Erfordernisse und der politischen Optionen auf kommunaler Ebene. Die Einbeziehung der kommunalen Verwaltungen geht einher mit begrenzten Finanz- und Humanressourcen. Die Kompetenzen der Kommunalverwaltungen sind auf die Flächennutzung, die Registrierung von Unternehmen und die Bereitstellung von Informationen beschränkt. In vielen Fällen nutzen diese Programme Online-Schulungsangebote als Ergänzung zu Schulungsmaßnahmen mit persönlicher Anwesenheit. In allen lokalen Fallstudien wird festgestellt, dass die Senkung administrativer Hemmnisse für Unternehmer und Investoren zwingend erforderlich ist, damit die Verantwortlichen in den Landkreisen und Gemeinden einen echten Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung und zum Wachstum leisten können. Im Großteil des Landes sorgen Wettbewerbe und Preise für die am besten unternehmerisch orientierten kommunalen Verwaltungen für mehr Klarheit, Transparenz und Kommunikation bei der Geschäftsförderung für lokale Unternehmer. Die politischen Gestaltungsträger setzen überwiegend allgemeine Instrumentarien mit nur begrenztem Bezug zum jeweiligen lokalen Kontext ein. Jedoch ist eine große Anzahl von Beteiligten aus dem öffentlichen Sektor und dem Privatsektor in die Lokale Wirtschaftsentwicklung einbezogen. Trotz erweiterter Möglichkeiten über erfolgreiche Projekt-Kooperationen mit Förderprogrammen wie dem EFRE und dem ESF könnte sich das Fehlen eines strategischen Dokuments für die Unternehmensentwicklung im Rahmen einer weitergehenden Strategie der wirtschaftlichen Entwicklung als entscheidende Barriere für das Gelingen eines umfassenden Ansatzes erweisen, der die Integration von Wiederbelebungsprojekten für urbane Räume, den Ausbau der Infrastruktur, Eigentumsinitiativen, die Ausbildungsförderung und umfassendere strategische Aktivitäten in der Wirtschaftsentwicklung beinhalten könnte. Somit besteht das Risiko, dass Projekte ad hoc und vorwiegend nach Maßgabe der jeweiligen Finanzierungsmöglichkeiten umgesetzt werden. Die lokalen Fallstudien erbrachten kaum Belege für systematische Evaluationen von Projekten und Programmen, so dass schwer zu sagen ist, welche Ansätze die besten sind, welche Politiken und Förderprogramme dem entsprechend ausgeweitet werden sollten und was getan werden sollte, um deren Wirksamkeit zu erhöhen. Im Hinblick auf die Vielfalt der lokalen Entwicklungsorganisationen und Akteure kann eine partizipatorische Auswertung früherer und laufender Programme und Projekte unter Einbeziehung der wichtigsten Beteiligten auf kommunaler und regionaler Ebene bei der Schaffung eines Erfahrungsinventars bis zum heutigen Tag und zur Anpassung unterschiedlicher Strategien und Aktionspläne hilfreich sein. Die nahe liegende Frage der Kompetenzverteilung in der Entwicklung und Umsetzung von Strategien lässt sich nicht allgemein beantworten. Gegebenenfalls ist die gesamte Reichweite der Unternehmensförderung auf den Prüfstand zu stellen. Reicht eine Planung auf Landkreisebene nicht aus, müssen Möglichkeiten der Zusammenarbeit benachbarter Landkreise ermittelt werden. Es müssen Kommunikationskanäle zwischen verschiedenen Regierungs- und Verwaltungsebenen geschaffen werden, soweit diese noch nicht existieren. Die formellere Einbeziehung der zuständigen Länderministerien in bestehende lokale Netzwerke in den Fallstudiengebieten böte weitere Möglichkeiten zur Entwicklung und genaueren Ausrichtung lokaler Ansätze und würde einen zeitnahen Austausch über veränderte Anspruchskriterien und Vorschriften in der öffentlichen Förderung ermöglichen. 240 Unterschiede zwischen den lokalen Fallstudiengebieten wurden bei der horizontalen Zusammenarbeit zwischen lokalen Organisationen sichtbar. An einigen Orten zeigten sich bedeutende Netzwerkaktivitäten zwischen Wirtschaftsentwicklungsorganisationen; diese Netzwerkbildung trug zur Entwicklung eines Bottom-Up-Prozesses in der Gestaltung lokaler Strategien bei. Einige dieser Netzwerke wurden zu strategischen Allianzen formalisiert, während andere eher informell arbeiten und sich je nach aktueller Problemlage zusammenfinden. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen die politischen Beziehungen vertikal zwischen Land und kommunaler Ebene statt horizontal zwischen Partnern innerhalb eines Landkreises oder verschiedener Landkreise organisiert sind. Daraus können sich Koordinations- und Integrationsverluste ergeben. In den verschiedenen lokalen Fallstudiengebieten waren die Beziehungen zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor unterschiedlich gestaltet. An einigen Orten war eine mangelhafte Fähigkeit zur Aufrechterhaltung enger und zeitnaher Verbindungen mit der Geschäftswelt vor Ort festzustellen, was zu Mängeln beim Verständnis der Bedürfnisse der lokalen Geschäftswelt führte, während die Kooperation zwischen öffentlichem und privatem Sektor in anderen Fallstudiengebieten mit regelmäßigen Beratungen gut funktioniert. In allen Fallstudiengebieten zeigte sich, dass es an einer lokalen Entwicklungsstrategie für das Unternehmertum mit einer klaren Bewertung der Bedürfnisse und des politischen Handlungsbedarfs sowie an Beratungsangeboten und an der Umsetzung durch Unterstützungsnetzwerke vor Ort mangelte. Beispiele Guter Praxis aus anderen OECD-Regionen belegen, dass der Erfolg der Förderung des Unternehmertums eng verbunden ist mit einem proaktiven und umfassenden lokalen Einsatz mit dem Ziel der Verbesserung der Koordination und des lokalen Zuschnitts über verschiedene Regierungs- und Verwaltungsebenen hinweg. Eine solche Unternehmensförderstrategie ermöglicht dem lokalen institutionellen Netzwerk, einen systematischeren Ansatz bei der Ermittlung der wichtigsten Prioritäten zu verfolgen und kann damit eindeutige Prioritäten für die verschiedenen Geschäftszweige, Standorte und sozialen Gruppen setzen helfen. Von Bedeutung sind auch zweckdienliche Verknüpfungen der Strategieentwicklung und der Strategieumsetzung zwischen der kommunalen und der regionalen Ebene, statt nur den Bedarf einzelner Landkreise ohne Berücksichtigung der regionalen Chancen und Herausforderungen zu berücksichtigen. Dieser Ansatz sollte flankiert werden durch Bemühungen zur Vereinfachung der Schnittstellen zwischen Organisationen zur Unternehmensförderung und KMU, was durch Partnerschaften zwischen den relevanten Organisationen und deutlich sichtbare Anlaufstellen erreicht werden kann. In einigen der lokalen Fallstudiengebiete verfügen die wichtigsten Förderorganisationen nur über einen einzigen Standort. Damit erhalten Unternehmer Zugang zu einer eindeutigen Anlaufstelle nach dem Motto: „Der Unternehmer muss nicht wissen wer ihm hilft, sondern wo er Hilfe findet.“ Dieser Ansatz kontrastiert mit dem zweiten festgestellten Ansatz, bei dem die Wirtschaftsförderung eine integrierte Dienstleistung der Landkreisverwaltung darstellt und sonstige Förderereinrichtungen auf verschiedene Standorte verteilt sind. Der Ansatz erfordert unter Umständen mehr Zeitaufwand und Personal für die Kommunikation und die Organisation von Partnerschaften. Erfahrungen aus anderen OECD-Mitgliedsstaaten belegen positive Resultate aus der Ansiedelung von Beratungsdiensten innerhalb von Geschäftsinkubationseinrichtungen, Technologieparks und Innovationszentren. In einigen lokalen Fallstudiengebieten wurden solche Einrichtungen mit weiterer regionaler Reichweite geschaffen. Sie können auch Cluster von technologieorientierten Unternehmen initiieren, entwickeln und unterstützen und den lokalen Wissenschaftsbetrieb durch Netzwerke, Zwischenunternehmen und Forschungseinrichtungen ohne Berücksichtigung von Verwaltungsgrenzen stärken. Solche Einrichtungen ermöglichen auch wertvolles Feed-back für die politische Gestaltung auf Landesebene und Bundesebene. Die Netzwerkbildung kann ein bedeutender Faktor in der Förderung des Wachstums von kleinen Unternehmen sein. Netzwerkbildung ist insbesondere für Hightech-Firmen eine Möglichkeit, Risiken und Ungewissheiten in der Entwicklung und 241 wirtschaftlichen Verwertung neuer Produkte und Verfahren abzufedern. In allen lokalen Fallstudiengebieten waren Initiativen für Gute Praxis zu beobachten, in deren Rahmen die Netzwerkbildung zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen ohne Beschränkung auf Verwaltungsgrenzen angeregt wurde. Diese Initiativen basieren auf regionalen Netzwerken und der kontinuierlichen Aufnahme neuer Akteure, wobei der Grundsatz des Vertrauens, der Wechselseitigkeit und des gemeinsamen Vorteils der Beteiligten maßgeblich ist. Erfahrungen aus den OECD-Mitgliedsstaaten belegen, dass Clusterbildungen oftmals über die Einrichtung von Foren, Plattformen und regelmäßigen Zusammenkünften von Firmen und Organisationen in Verbindung mit bestimmten Produktionsnetzwerken für Teile der lokalen Wertschöpfungskette initiiert werden konnten. Aktivitäten dieser Art können eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Sektoren wie Gesundheitswesen oder Tourismus spielen, in welchen Standortvorteile von Bedeutung sind. Der Zugang zu strategischen Informationen ist ein guter Anreiz für Zusammenkünfte. Technologieprognosestudien und Untersuchungen zu strategischen Clusterbildungen können auf lokaler Ebene oder mit lokalem Input erstellt werden. Hier ließe sich die Rolle des Regionalmanagements in Bezug auf die Einführung und das Management von Clustern als neue Aufgabe überprüfen. Für kleine Unternehmen ist die Integration in Cluster und/oder Produktionsketten größerer Unternehmen oft schwierig. In den meisten lokalen Fallstudiengebieten sind Verbände gemeinsam mit den Kammern aktiv mit der Herstellung von Kontakten und Kommunikationswegen befasst, mit deren Hilfe kleine Firmen ihre Position in lokal, regional oder international ausgerichteten Wertschöpfungsketten verbessern können. Oftmals bereiten sich KMU und insbesondere Kleinunternehmen durch Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen auf Wachstumsphasen vor. In allen lokalen Fallstudiengebieten gibt es bereits Initiativen, die dafür sorgen sollen, dass Ausschreibungsverfahren des öffentlichen Sektors sich nicht zum Nachteil kleinerer Unternehmen auswirken. Die lokalen Verwaltungen verbessern ihre Beschaffungsverfahren, um zu gewährleisten, dass kleinere Unternehmen besseren Zugang zu Informationen und bessere Bedingungen für die Teilnahme an Ausschreibungen erhalten. Es werden spezielle Schulungsseminare zur Behandlung der besonderen Schwierigkeiten kleinerer Unternehmen aufgrund mangelnder Kenntnisse bestehender Geschäftsmöglichkeiten organisiert. Die lokalen Fallstudien in Ostdeutschland ergaben eine Reihe von Handlungsempfehlungen, an die im Zuge der Überprüfung der derzeitigen politischen Handlungsansätze in der Unternehmensförderung und in der Förderung des Unternehmertums sowie in der Entwicklung einer lokal ausgerichteten Strategie angeknüpft werden kann, die umfassendes und integriertes Handeln ermöglichen soll. Trotz ihrer lokalen Ausrichtung besitzen die Handlungsempfehlungen doch eine gewisse Relevanz für andere Standorte nicht nur in Ostdeutschland. Daher sollte die nachfolgende Aufstellung von Handlungsempfehlungen von Regierung, Verwaltung und von mit der Förderung des Unternehmertums und mit der kommunalen Wirtschaftsentwicklung befassten Organisationen auf Bundesebene und auf kommunaler Ebene als Checkliste genutzt werden. Handlungsempfehlungen die Politikgestaltung und –umsetzung betreffend Erarbeitung einer lokalen Entwicklungsstrategie. Eine lokale Entwicklungsstrategie mit Schwerpunkt Unternehmertum stellt den Rahmen dar, um Bestrebungen und Zusammenwirken von Schlüsselpartnern zur Stärkung und Förderung von Unternehmertum zu formalisieren. Einem umfassenden und integrierten Ansatz folgend sollte durch öffentliche Debatte, Beratung und Konsensbildung eine Entwicklungsstrategie für Unternehmertum und KMU-Entwicklung entstehen. In einem Aktionsplan sollten klare Prioritäten und Rollen für die Partner, Zeitrahmen und Ressourcen definiert werden. Bei der Strategieformulierung sollte man auch wirtschaftlich geographische Ausdehnungen außerhalb der administrativen Grenzen berücksichtigen. 242 Politik zugeschnitten auf das lokale und regionale Umfeld gestalten. Eine Anpassung der Zielsetzung in der Politikformulierung an lokale Gegebenheiten und Bedürfnisse schafft Raum für Divergenz und Diversität in der Politik. Daher sollten Anstrengungen unternommen werden, um Koordination und Integration zwischen den auf unterschiedlichen administrativen Ebenen tätigen Institutionen zu erhalten und zu nutzen. Ebenso wichtig sind antizipative und zukunftsorientierte Ansätze in der Unternehmensförderpolitik sowie eine über verschiedene Politikbereiche hinausgehende Kooperation. Klare Prioritäten setzen. Eine Strategie für Unternehmertum und ein abgestimmter institutioneller Rahmen bauen auf klaren Prioritäten. Eine klare Schwerpunktsetzung kann örtlichen Einrichtungen helfen, sich ein besseres Bild über regionales Unternehmertum zu verschaffen. Dies erleichtert ein frühzeitiges Erkennen von Wachstumsunternehmen und eine zugeschnittene Förderung. Ebenso kann durch eine entsprechende Schwerpunktsetzung auf Bedürfnisse und Engpässe von KMU eingegangen werden. Beispiele sind die Entwicklung von Strukturen und Instrumenten der Mikrofinanzierung in Zusammenarbeit mit örtlichen Finanzinstitutionen, um der schwachen Kapitalausstattung zu begegnen, und eine Ausweitung der Wissenstransfer-Aktivitäten in der Innovationsförderung von KMU. Die Policy-Cycle-Methode übernehmen und weiter ausbauen. Die Entwicklung von Politiken und Programmen auf allen Regierungsebenen sollte als Einbeziehung von vier miteinander verbundenen Stufen gesehen werden – Problemdefinition, Entwicklung, Umsetzung und Bewertung. Diese Stufen unterstreichen einen stärkeren und systematischeren Ansatz in bei der Förderpolitik. Das Verbinden von Ziel- und Objektivsetzungen verschiedener Programme und Initiativen ist ein Hauptbestandteil der Formulierung und Bildung einer soliden lokalen Entwicklungsstrategie. Eine systematische Evaluierung und Bewertung früherer und laufender Projekte und Programme unter Einbeziehung bedeutender lokaler und regionaler Partner kann dabei helfen, einen großen Erfahrungsschatz zusammen zu bringen und die verschiedenen Strategien und Aktionspläne entsprechend anzupassen. Identifizierung von Unternehmenskategorien und Ausrichtung der Fördermaßnahmen. Ein institutioneller Rahmen, der durch ein hohes Maß an Koordination, Kooperation und Integration gekennzeichnet ist, kann sich positiv auf unternehmerische Entwicklung und Unternehmenswachstum auswirken. Thematische Koordinierung in funktionellen Politikfeldern sollte verstärkt werden. Im Hinblick auf ländliche Entwicklung, können inter-ministerielle Arbeitsgruppen auf Landesebene unter Einbeziehung des Landwirtschaftsministeriums und anderer für Unternehmertum zuständiger Ministerien dazu beitragen, die Entwicklung von Unternehmertum zu einer gemeinsamen Priorität werden zu lassen. Ein solches Vorgehen könnte auch dazu beitragen, hinderliche Rahmenbedingungen zu identifizieren und entsprechend umzugestalten. Weiterhin könnte dieser Prozess zu einer Vereinfachung von Auflagen verschiedener Förderprogramme beitragen. Auf lokaler Ebene könnten Schlüsselpartner von einer formaleren Zusammenarbeit profitieren, zum Beispiel, indem Partnerschafts- und Netzwerkmodelle – auch solche, die administrative Grenzen übergreifend arbeiten – verstärkt zum Tragen kommen. Unterstützung in den Bereichen Technologie und Innovation ausweiten. Aufgrund der Kostenstrukturen sind KMU in OECD-Ländern in wachsendem Maße darauf angewiesen, mit Technologie und anderen Wertschöpfungskomponenten ihre Wettbewerbsfähigkeit zu festigen. Eine Inanspruchnahme von externen F&E-Dienstleistungen könnte örtliche KMU bei ihren Innovationsbestrebungen unterstützen. Sollten sich die Landkreise für die Schaffung der erforderlichen Innovationsinfrastruktur als zu klein empfinden, könnte eine überregionale Zusammenarbeit mit benachbarten Kreisen oder thematisch verwandten Hochschulund Forschungseinrichtungen Abhilfe schaffen. Förderung von institutioneller Innovation. Ein institutioneller Rahmen, der durch ein hohes Maß an Integration, Kooperation und transparente Koordination gekennzeichnet ist, hat einen positiven Einfluss auf unternehmerische Entwicklung und Unternehmenswachstum. Es ist wichtig, die Koordinierung in funktionellen Politikfeldern zu verstärken. Inter-ministerielle Arbeitsgruppen auf Landesebene können dazu beitragen, die Entwicklung von Unternehmertum zu einer gemeinsamen Priorität werden zu lassen. Ein derartiges integriertes Vorgehen könnte auch dazu beitragen, hinderliche Rahmenbedingungen zu identifizieren und entsprechend umzugestalten. Weiterhin könnte dieser Prozess zu einer Vereinfachung von Auflagen verschiedener Förderprogramme beitragen. Auf lokaler Ebene könnten Schlüsselpartner von einer formaleren Zusammenarbeit profitieren, zum Beispiel, indem Partnerschafts- und Netzwerkmodelle – auch solche die administrative Grenzen übergreifend arbeiten – verstärkt zum Tragen kommen. Einführung von Koordinations- und Kooperationsmechanismen zur Bündelung lokaler Entwicklungsmaßnahmen von bestehenden Netzwerken. Die Teilnahme an der Politik und Programmgestaltung könnte durch eine Zusammenführung von unterschiedlichen Netzwerken intensiviert werden. Die Einrichtung eines „Sounding Boards“, einer Institution mit beratender Funktion, hat sich andernorts als nützliches Instrument erwiesen, um Rückmeldungen zur Effektivität und den Wirkungen von Politiken und Maßnahmen zur Förderung des Unternehmertums zu erhalten. Außerdem könnten effiziente Koordinationsmechanismen 243 und das Vorhandensein von Sozialkapital als ein starker lokaler Standortvorteil vermarktet werden. Bereits bestehende Netzwerke für neue Mitglieder geöffnet lassen. Eine Einbeziehung weiterer Akteure, die für die Bearbeitung neuer Themen und Probleme, wie beispielsweise bei der Bereitstellung von Ausbildungsplätzen, Unternehmensnachfolge und der Entwicklung des ländlichen Tourismus von Bedeutung sind, sollte in einem bestehenden Netzwerk stets bedacht werden. Eine verstärkte Einbeziehung der kommunalen Selbstverwaltung könnte dazu beitragen bestimmte Verfahren in Bezug auf Unternehmensanmeldung sowie Verwaltungsangelegenheiten zu vereinfachen. Verstärkung internationaler Netzwerkaktivitäten. Eine aktive Teilnahme an internationalen Netzwerken könnte einen Beitrag zur Internationalisierung der lokalen Wirtschaft leisten. Es ist wichtig, Schlüsselakteure in der lokalen/regionalen Wirtschaftsentwicklung mit Kollegen in anderen Regionen zusammenzubringen. Als Beispiele solcher Netzwerken können genannt werden: die Europäische Vereinigung Regionaler Entwicklungsagenturen (European Association of Development Agencies, EURADA) - diese plant gerade den Start eines europäischen Netzwerks von Universitäten und Regionen -, der Internationale Rat für Wirtschaftliche Entwicklung (International Economic Development Council, IEDC) in den Vereinigten Staaten von Amerika, das Netzwerk der Europäischen Business Engel (European Business Angels Network), die Nationale Vereinigung der Business Inkubatoren (National Business Incubation Association) sowie die Aktivitäten des Programmes für Lokale Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung der OECD (Local Economic and Employment Development, LEED). Steigerung des privaten Engagements in der Infrastrukturentwicklung. Öffentliche Bezuschussungen und Unterstützungsleistungen in der Unternehmensförderung sind in Ostdeutschland zwar möglicherweise noch auf längere Zeit gegeben, jedoch wird empfohlen, verstärkt auch private Mittel einzubringen, zum Beispiel in die Immobilienkomponente einer Unternehmensförderstrategie. In Anbetracht des künftig höheren Bedarfs von Unternehmen an einer qualitativ und quantitativ diversifizierten Innovationsinfrastruktur sollten private Entwickler und Manager von High-Tech-Standorten frühzeitig in die Planung eingebunden werden. Erfolgreiche Firmen werden sich in den kommenden Jahren mit großer Geschwindigkeit entwickeln müssen. Standorte müssen hierauf vorbereitet sein; anderenfalls besteht das Risiko, dass erfolgreiche Start-Ups und bestehende Unternehmen andernorts nach Räumlichkeiten und Personal suchen. Nachdenken über die Schaffung einer Unternehmensagentur. Eine Unternehmensagentur, die (evtl. als One-Stop-Shop) auf langfristige formelle und informelle Beziehungen mit Unternehmensförderorganisationen und der lokalen Unternehmensgemeinschaft bauen kann, könnte dabei helfen, die Effektivität und Effizienz öffentlicher Förderprogramme zu steigern, potentielle Interessenten über bestehende Programme zu informieren und so die Verbindungen zwischen Wissenschaft und Industrie erhöhen. Eine erfolgreiche Agentur ist auf aktive Unterstützung durch die lokalen und regionalen Interessenvertreter angewiesen, wie z. B. Kammern, Angestellte von größeren privaten und öffentlichen Institutionen, einschließlich des Krankenhauses und Finanzinstitutionen, deren Dienste der Schlüssel zur Entwicklung von kleinen Unternehmen ist. Ohne vorherige Erfahrungen mit einer derartigen Zusammenarbeit wird es wahrscheinlich eine schwierige Aufgabe sein, Unterstützung von diesen Interessenvertretern zu erhalten. Deshalb wäre eine starke Führerschaft durch die kommunale Selbstverwaltung in politischer und praktischer Hinsicht so wichtig. Eine solche Unternehmensagentur könnte mit der Entwicklung einer Strategie zur Förderung des Unternehmertums beauftragt werden. Einführung einer “Charta für Kleinunternehmen”. Zweck der Einführung einer Charta für Kleinunternehmen ist eine Abstimmung und entsprechende Veränderungen von internen Verwaltungsabläufen, die direkt dem Mittelstand zugute kämen. Es geht nicht darum, kleine Firmen zu bevorzugen oder große zu diskriminieren. Alle Abteilungen der betroffenen Behörden sind während der Einführungsphase der Charta an einer Bewertung der gegenwärtigen Verfahrensweisen beteiligt, um so eine unternehmensfreundlichere Verwaltung zu gestalten. Die Umsetzung einer solchen Charta erfordert viel Beratung und Schulung innerhalb der Verwaltung, um bestmöglich die Bedürfnisse von KMU zu berücksichtigen. Eine starke politische Führung ist sowohl für die Einführung als auch für die bleibende Wirksamkeit einer solchen Charta nötig. Die Existenz einer Charta für Kleinunter-nehmen allgemein bekannt machen. Für eine bestmögliche Wirkung muss die Charta allgemein bekannt gemacht werden. Repräsentative Unternehmensorganisationen können in die Ausarbeitung der Charta und in die periodische Einschätzung ihrer Wirksamkeit einbezogen werden. Bei internationalen Vermarktungsaktivitäten könnte ein Hinweis auf die Existenz einer solchen Charta die Attraktivität des Stadtbezirks als Unternehmensstandort erhöhen, da er das Engagement der lokalen Verwaltung für eine effektive Zusammenarbeit mit den KMU deutlich macht. 244 Überprüfung der Beschaffungspolitik örtlicher Behörden. Die Teilnahmebedingungen für Ausschreibungen örtlicher Behörden können oftmals von kleinen Unternehmen kaum erfüllt werden. Die zum Risikoschutz eingeführten Auflagen und Beschränkungen machen, wie Erfahrungen anderenorts zeigen, die öffentliche Verwaltung oftmals übertrieben vorsichtig. Dies kann Zur Folge haben, dass der öffentlichen Hand so ein wertvolles Instrument zur Förderung kleiner Unternehmen vorenthalten bleibt. Marketingmaßnahmen müssen gestartet werden, um kleine Unternehmen auf die Änderungen und Möglichkeiten aufmerksam zu machen. Schulungen von Mitarbeitern der Behörden sind notwendig, um zu gewährleisten, dass die Bedingungen von öffentlichen Ausschreibungen die Bedürfnisse kleiner Unternehmen berücksichtigen. Schulungs- und Förderprogramme für kleine Unternehmen können diese bei der Erstellung von erfolgreichen Angeboten bei Ausschreibungen unterstützen. Box 12. Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in der Politikumsetzung Annahme einer Charta für Kleinunternehmen: Beispiele aus dem Vereinigten Königreich: Lokale Behörden unternehmerfreundlich gestalten. Gemeinsames Handeln in der Unternehmensförderung: Enterprise Estonia – Estland. Die institutionelle Architektur in der Politikumsetzung in Nordost England – Vereinigtes Königreich. Wissenschaft und KMU in Nordjütland Rationalisierungsumsetzungen neu gestalten. – Dänemark: regionale Industriepolitiken und Eine regionale Strategie für kleine Unternehmen, Ontario – Kanada. Harmonisierung von Planungsinstrumenten der Stadt-, Dorf- und Regionalentwicklung – Deutschland: Ein einzelnes nicht-formalisiertes und flexibles regionales Planungsinstrument. Integriertes Förderprogramm „Regionales Wachstum“ mit drei Modulen – Deutschland: Programm zur Maximierung der öffentlichen Förderung durch einen integrierten Ansatz, welcher technische Assistenz und Budget-Abwicklungen miteinander verknüpften. 245 TEIL III SCHLUSSFOLGERUNGEN UND ALLGEMEINE HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN Teil III beschließt den vorliegenden Bericht mit einer Zusammenfassung der wichtigsten festgestellten Herausforderungen für das Unternehmertum und für KMU in den ostdeutschen Regionen. Er formuliert die wichtigsten Handlungsempfehlungen zur Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen und erörtert Handlungsoptionen der Politik; ferner wird die Frage erörtert, welche Ebenen von Regierung und Verwaltung am zweckdienlichsten mit der Gestaltung und Umsetzung von Politiken nach der im vorliegenden Bericht dargelegten Auffassung zu betrauen sind, nach welcher der lokale Zuschnitt politischer Maßnahmen ein entscheidender Faktor für deren Wirksamkeit sein kann. 247 SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN FÜR ÜBERGREIFENDE POLITIKMASSNAMEN Andrea Hofer und Jonathan Potter, OECD Durch einen simplen Ost-West-Vergleich lassen sich zwei wichtige Besonderheiten unternehmerischer Entwicklung in Ostdeutschland erkennen, die in diesem Bericht erörtert worden sind. Die erste besteht darin, dass Ostdeutschland eine bedeutend niedrigere Rate unternehmerischer Aktivität als Westdeutschland aufweist. Dabei ist es für ostdeutsche Unternehmer auch wahrscheinlicher, dass sie ein Unternehmen aus der Not heraus gründen, beispielsweise als seine Alternative zur Erwerbslosigkeit. Die zweite Besonderheit: In Ostdeutschland ist ein rascheres Wachstum bei innovativen Sektoren als im Westteil des Landes festzustellen. Ganz klar ergibt sich daraus die Herausforderung, die Rate unternehmerischer Tätigkeit in Ostdeutschland zu erhöhen und sie stärker auf ein Unternehmertum auszurichten, das aus der Nutzung von Chancen erwächst. Es gibt aber auch Anzeichen für das in Ostdeutschland vorhandene starke Potenzial, innovative Aktivitäten in Gang zu setzen. Jedoch gibt es aber auch lokale Unterschiede im Hinblick auf Herausforderungen und Chancen für Unternehmertum und KMU-Entwicklung in den ostdeutschen Regionen insgesamt. Diese lassen sich in einem Ost-West-Vergleich nicht herausfinden, sind aber trotzdem von erheblicher Bedeutung für die Politikgestaltung. Um diese Fragen aufzugreifen, setzte die Arbeit für diesen Bericht bewusst bei der lokalen Ebene an, indem ein genauer Blick auf die örtlichen Barrieren und Chancen für Unternehmertum und KMU-Entwicklung sowie auf das Potenzial geworfen wurde, das neue Wege für Politikgestaltung in ausgewählten ostdeutschen Landkreisen und Städten bereithält. Für jedes der in diesem Bericht behandelten Themen wurden Politikempfehlungen zur Förderung neuer und wirksamer Politikansätze und -initiativen entwickelt. Diese basieren auf Befunden aus lokalen Fallstudien, auf der Durchsicht vorhandener lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Literatur und wissenschaftlichen Ergebnissen sowie auf der Prüfung von Ansätzen guter Praxis aus anderen Ländern. Das in den vorausgehenden Kapiteln und den lokalen diagnostischen Berichten verwendete Format zur Erstellung dieser Empfehlungen besteht in einer Checkliste, die die politischen Entscheidungsträger auf Bundes-, Länder- und örtlicher Ebene befähigen soll, gegenwärtigen Ansätze zu überdenken und neue Aktionen zur Stärkung von Unternehmertum und KMU-Entwicklung zu formulieren. Hier sind die detaillierteren Botschaften zur Politikgestaltung in diesem OECD-Bericht zu finden. Die Frage, die beim Abschluss dieses Vorhabens zu stellen ist, lautet: Was kann und sollte ‟public policy‟ insgesamt tun, um eine höhere Rate unternehmerischer Tätigkeit zu erleichtern und die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen in Ostdeutschland zu stimulieren? Mit anderen Worten, wir schauen hier nach übergreifenden Schlüsselbotschaften, die in der Region eine sehr breite Resonanz finden werden. Es sollte ganz klar entweder keinen Ansatz oder nur einen solchen Ansatz geben, der die Einwirkung von Politik in exklusive Richtungen treibt, z. B. indem er entweder Firmenneugründungen in großer Zahl oder nur das Potenzial von Unternehmen mit hohem Wachstum fördert. Was in den meisten Fällen nötig ist, sollte nicht eine Wahl zwischen gegensätzlichen Alternativen, sondern vielmehr eine Schwerpunktverlagerung der Politikziele und -methoden sein. Und hier nun sind die wichtigen Verlagerungen zu erörtern. Im Falle der Wahl zwischen einer 249 Ausrichtung auf die Zahl von Start-ups oder auf deren Wachstum beispielsweise müssen wir den Unterschied zwischen zwei Politikzielen erkennen – sozialen und ökonomischen – und für jedes Ziel eine eindeutige Förderung bei einem angemessen ausgewogenen Verhältnis gewähren. Die Befunde dieses Berichts deuten allerdings darauf hin, dass doch mehr Gewicht auf Wachstum gelegt werden muss als es bisher der Fall gewesen ist. Wenn untersucht werden soll, wie Politik das Unternehmertum und die KMU-Entwicklung in Ostdeutschland besser voranbringen kann, betrifft eine entscheidende Frage den Grad staatlicher Kontrolle, der der Planung, Umsetzung und Evaluierung von Politikmaßnahmen am besten gerecht. die In diesem Bericht untersuchte Annahme, die sich wie ein roter Faden hindurch zieht, lautet, dass ein lokaler Zuschnitt von Politikmaßnahmen einen Unterschied hinsichtlich ihrer Effektivität ausmachen kann, dass aber eine bessere Koordination nötig ist, um das Potenzial dieses Ansatzes zu maximieren. Davon ausgehend können folgende wichtige Schlussfolgerungen gezogen werden: Die Koordinierung von Politiken zur Förderung von Unternehmertum und KMUEntwicklung ist quer über die verschiedenen Ebenen staatlichen Handelns hinweg nicht sehr ausgeprägt. Planung und Umsetzung von Politik lassen Anzeichen von Zersplitterung erkennen, die hauptsächlich durch die große Zahl beteiligter Akteure und dass Fehlen umfassender, integrierter und langfristig angelegter regionaler und lokaler Strategien für Unternehmertum und KMU-Entwicklung verursacht wird. Es gibt eine große Fülle von KMU-Fördermaßnahmen, die eher auf den Akt von Unternehmensneugründungen und die Förderung von bestehenden KMU ausgerichtet sind als auf die Ermutigung von Innovation bei derartigen Operationen. Es bestehen sehr viele Kleinst-, Klein- und Mittelstandsunternehmen, die ihre Tätigkeit modernisieren und diversifizieren müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Politik muss diese Firmen zur Innovation ermutigen. Außerdem gibt es erhebliche Möglichkeiten für die Schaffung eines Kerns von Firmen mit hohem Wachstumspotenzial aus den stärksten Hochschulen und Forschungseinrichtungen in der Region heraus. Dazu müssen aber die Wege der Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen und des Wissenstransfers gestärkt werden. Die sozioökonomische Hinterlassenschaft der jüngeren Vergangenheit Ostdeutschlands war für die Entstehung einer Unternehmenskultur nicht günstig. Während in bestimmten Sektoren und Bevölkerungsgruppen unternehmerisches Denken und Handeln stark ausgeprägt sind, ist die Haltung der Gesellschaft insgesamt gegenüber dem Unternehmertum für die Entwicklung unternehmerischen Geistes nicht sehr förderlich. Bestimmte Politikinitiativen haben den Weg gewiesen, aber es muss noch viel getan werden, um die Haltungen zum Unternehmertum als Option für den eigenen Berufsweg zu verbessern und damit das Reservoir an unternehmerisch geprägten Menschen zu vergrößern, von denen unternehmerisches Wachstum ausgehen wird. Diese drei Schlussfolgerungen werden nachstehend in Empfehlungen für eine Gesamtpolitik übersetzt. Zersplitterung bei Politikplanung und -umsetzung angehen Die Förderung von Unternehmertum und KMU-Entwicklung ist ein horizontales Politikfeld, das mehrere staatliche Bereiche mit einer bedeutenden lokalen Dimension umfasst. Um die Politik und die staatlichen Programme effektiver und effizienter zu machen, muss auf dem Gebiet des Unternehmertums der institutionellen Anpassung über die ministeriellen Ressortgrenzen hinweg mehr Beachtung geschenkt werden. Ein verstärkte Koordinierung auf der Ebene des Bundes und der Länder 250 wird ebenfalls helfen, um die Abstimmungsschwierigkeiten auf örtlicher Ebene zu minimieren, da verschiedene Ministerien und Dienststellen auf einer höheren Ebene häufig andere Schwerpunkte, Zielstellungen und Einzelziele setzen. Diese werden dann in sich überlappende Strategien, Maßnahmen und Initiativen auf der nächst niedrigeren Ebene übersetzt. Eine derartige Zersplitterung bringt die Wahrscheinlichkeit der Duplizierung und des ineffizienten Gebrauchs von Ressourcen mit sich. Der Politikmix bei der Förderung von Unternehmertum sollte im Idealfall die lokalen Kontexte und die lokalen Erfordernisse widerspiegeln, auf die die Politik Anwendung findet. Es müssen deshalb Kommunikationskanäle zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen dort geschaffen, wo sie bislang nicht vorhanden waren bzw. vorhandene gestärkt werden. Eine stärkere Einbeziehung von Länderministerien und -dienststellen in vorhandene lokale Netzwerke würde Chancen bieten, die Politiken stärker auf die örtlichen Bedingungen zuzuschneiden. Eine potenzielle Schwierigkeit könnte sein, dass die stärkere Einbeziehung von Einrichtungen höherer Ebene von den lokalen Akteuren als Einschränkung gegenüber ihrer Flexibilität und ihres schöpferischen Denkens wahrgenommen werden könnte. Trotzdem könnte eine regelmäßige Kommunikation helfen zu gewährleisten, dass lokale Akteure Zugang zu rechtzeitiger Kommunikation über staatliche Programme und sich verändernde Kriterien und Regelungen über Anspruchsberechtigung bei öffentlicher Finanzierung sowie über Ansätze erhalten, die sich anderswo als erfolgreich erweisen. Solche Verknüpfungen und Beziehungen liefern auch wertvolle Informationen für die Partner von staatlichen Stellen auf Bundes- und Länderebene darüber, funktioniert hat und was nicht. Eine weitere Hürde für effektive Politikplanung und -umsetzung besteht darin, dass die Mehrzahl von Initiativen zur Förderung unternehmerischer Tätigkeit in Ostdeutschland hierarchisch („topdown‟) von der Ebene der Bundesländer bei unterschiedlichem Ermessensspielraum und Input auf lokaler Ebene in Gang gesetzt werden und somit den Grad des bestehenden lokalen Zuschnitts einschränken. Es wird deshalb empfohlen, systematische Analysen der lokalen Erfordernisse und politischer Optionen im Hinblick auf Unternehmertum und KMU-Entwicklung einzuführen. Zum Gebrauch der Methode des Politikzyklus auf lokaler Ebene sollte ermutigt werden. Dabei geht es um die Konzeptualisierung des Prozesses der Entwicklung von Politik in vier miteinander verknüpften Phasen: Darlegung des Problems, Planung, Umsetzung und Evaluierung. Dies ist ein proaktives Vorgehen, das eher zukunftsorientiert als reaktiv auf ökonomische Veränderungen vor Ort und Initiativen auf höherer Ebene eingeht. Regionale oder lokale Strategien zur Entwicklung von Unternehmertum und Unternehmen werden in anderen Regionen und Städten innerhalb der OECD erfolgreich angewendet, um die Politikkoordinierung und den lokalen Zuschnitt von Politikmaßnahmen zu unterstützen, Solche Strategien haben eine langfristige Orientierung und schließen in Fällen bester Praxis Vorkehrungen für das Monitoring und die Evaluierung ex ante sowie im Verlaufe und am Ende des Prozesses ein, was bei Notwendigkeit auch eine Reorientierung der Strategie zulässt. Eine regionale oder lokale Strategie sollte idealerweise gemeinsame Zielstellungen sowie Maßnahmen darlegen, die von Akteuren auf unterschiedlichen Ebenen durchzuführen sind. In einigen Fällen können örtliche Stellen auf Landkreisoder Gemeindeebene den Wunsch zur Zusammenarbeit mit ihren Nachbarn haben, um ein ausreichendes Ausmaß und Integration für eine kombinierte lokale oder regionale Strategie zu schaffen. Lokale oder regionale Strategien für das Unternehmertum können auch zur stärkeren Einbeziehung privater Finanzierungsquellen in Projekten zur wirtschaftlichen Entwicklung und Förderung von Unternehmertum beitragen. 251 Unternehmenswachstum fördern Eine wichtige Entscheidung, die es bei der Politik für Unternehmertum und KMU-Entwicklung zu treffen gilt, betrifft die relative Gewichtung bei der Förderung, d. h. ob eine große Zahl von Personen und Unternehmen oder eine kleinere Gruppe von Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial gefördert werden sollen. In Ostdeutschland erfolgt eine sehr weit reichende Förderung zugunsten von Unternehmensneugründungen (‟start-ups‟) und von bestehenden KMU, obwohl viele dieser Firmen weder exportieren noch innovativ sind. Als Strategie für wirtschaftliche Entwicklung hat dieses Vorgehen erhebliche Schwächen, da eben gerade die relativ kleine Gruppe von Innovations- und Exportunternehmen sowie „unternehmerisch“ geführte Firmen Arbeitsplätze und Einkommenszuwachs für die lokale und regionale Wirtschaft schaffen. Es wird deshalb empfohlen, dass verstärkt das Schwergewicht auf die Überwindung der Barrieren gelegt wird, die der Entwicklung dieser Gruppe von Firmen und Personen mit Wachstumspotenzial in Ostdeutschland entgegenstehen. Dazu zählen sowohl neue Unternehmer/Innen und Unternehmen als auch bestehende Firmen, die an Modernisierung und Innovation interessiert sind. Die Rolle der Politik besteht hierbei darin, ein kleinen Pool von potenziellen Innovatoren und Wachstumsträgern zu identifizieren und dieser Gruppe durch spezielle Förderung zu helfen, die spezifischen Hemmnisse, denen sie sich gegenübersehen, zu überwinden, beispielsweise bei der Entwicklung von Managementfähigkeiten, bei der Wachstumsfinanzierung, der Suche nach Partnern auf externen Märkten, der Verknüpfung mit einer Infrastruktur zur Innovationsförderung und beim Zugang zu geeigneten Gewerbeflächen und -räumen. Eine stärkere Ausrichtung auf handelbare Produkte und Dienstleistungen und eine größere Internationalisierung der Tätigkeit von KMU sollte durch die Politik gefördert und unterstützt werden. Die generelle Verlagerung der Politik seitens des Bundes und der Länder in Richtung Innovationsförderung und weg von Investitionsbeihilfen sollte beibehalten und dazu ermutigt werden. Es ist auch ein erhebliches Potenzial dafür vorhanden, innovatives Unternehmertum im Umfeld von Kernstärken in Wissenschaft und Technik an ostdeutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu entwickeln. Trotzdem sind Barrieren zu überwinden, da es angesichts der gegebenen Hochschul- und Forschungsstrukturen sowie des Regelungsrahmens an dem Vermögen mangelt, sich der Aufgabe der Stimulierung von Unternehmertum anzupassen. Die zu beschreitenden Wege bestehen einerseits in Erleichterungen bei der Ausgründung von Unternehmen und andererseits in der Stimulierung und Stärkung des Transfers von Technologie und Wissen von Hochschuleinrichtungen zu Unternehmen, insbesondere von den leistungsfähigsten universitären Exzellenzzentren. Eine Reihe von unternehmerischen Programmen und Initiativen zur Erleichterung des Wissenstransfers wurden in Ostdeutschland in Gang gesetzt: Die Beteiligung an WissenstransferAktivitäten und die Zahl von Ausgründungen nehmen zu, aber in dieser Hinsicht kann noch weiteres Potenzial erschlossen werden. Unternehmerische Kultur schaffen In vielerlei Hinsicht wird das Leben in Ostdeutschland von einer Arbeitnehmermentalität beherrscht, die die Menschen dazu veranlasst eher Beschäftigung in etablierten Unternehmen oder im öffentlichen Sektor zu suchen als ihr eigenes Unternehmen zu gründen und zu betreiben. Darüber hinaus ist die Rate unternehmerischer Tätigkeit niedrig, ein hoher Anteil von Existenzgründungen erfolgen aus der Not heraus, negative Urteile über Ostdeutschland als Standort für die Gründung und Betreibung eines Unternehmens sind vorherrschend, viele talentierte Menschen andern ab. Selbst dort, wo Leute eigene Unternehmen gründen und betreiben, wird ihr Tun oft nur von dem Wunsch motiviert, die Erwerbslosigkeit zu vermeiden und weniger von dem Bestreben, wahrgenommene Marktchancen zu nutzen; solche Existenzgründer werden in der Tendenz mit relativ schwachen Aussichten für ein Wachstum und das Überleben des Unternehmens assoziiert. Deshalb werden mehrere Aktivitäten zur Förderung unternehmerischer Fähigkeiten und Motivierungen empfohlen. 252 Dazu zählen die Förderung erfolgreicher Rollenmodelle als Unternehmer, die Stärkung des Bewusstseins für unternehmerische Chancen und Etablierung von Mentoren für neue und potenzielle Unternehmer/Innen. Eindeutig ist ein Gleichgewicht erforderlich zwischen Aktivitäten zur Förderung der Herausbildung von unternehmerischen Haltungen und Fertigkeiten in der Bevölkerung als Ganzes und Aktivitäten zur Förderung von Existenzgründungen und bestehenden Kleinunternehmen. Es kann jedoch leicht eintreten, dass zuviel Augenmerk auf die sog.‟harte‟ Förderung für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) wie Finanzierung, Gewerbeflächen und -räume und Ausbildung und nicht genug auf die ‟weiche‟ Förderung zur Erweckung der richtigen Fähigkeiten und Motivierungen gerichtet wird. Die letztgenannten Aktivitäten sollten verstärkt werden. Sie zielen darauf, Menschen dazu zu ermutigen, Unternehmertum als eine lohnenswerte Wahl für ihre eigene berufliche Entwicklung für sich selbst und für Menschen anzusehen, die sie kennen. Dabei sollten sie Unternehmertum nicht nur als das Betreiben einer Firma oder die Arbeit in derselben, sondern vielmehr als die Wahrnehmung von Chancen betrachten, aus denen durch die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, neuer Märkte und neuartiger Formen der Produktionsorganisation Nutzen gezogen werden kann. Durch ein Mehr an „weicher‟ Förderung wird die Politik zunehmend einen eher traditionellen Ansatz der „KMU-Politik‟ für neue und bestehende Unternehmen verbinden können mit einer neueren „Politik für Unternehmertum‟, um so entsprechend der besten Praxis in anderen Ländern den Pool an unternehmerisch gesinnten Menschen und künftigen Unternehmer/Innen stärken zu können. 253 AUTOREN Heiko Bergmann ist leitender Forscher am Schweizerischen Institut für Klein- und Mittelunternehmen und Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen (Schweiz). Er leitet eine Reihe von Projekten der Grundlagen- und Anwendungsforschung im Bereich Unternehmertum und KMU; daneben ist er der Schweiz-Verantwortliche für das Projekt ‟Global Entrepreneurship Monitor‟. Er hat Artikel zu Fragen der Entscheidung für Unternehmensneugründung, Unternehmertum und Hochtechnologie und regionale Unterschiede bei unternehmerischer Tätigkeit veröffentlicht. Seinen Doktorgrad in Ökonomie hat er an der Universität Köln (Deutschland) erlangt. Dietmar Grichnik ist Professor für Unternehmertum und Leiter des Lehrstuhls für Unternehmertum und Existenzgründung (Stiftungslehrstuhl der Prof. Otto Beisheim Stiftung) an der WHU - Otto Beisheim School of Management in Vallendar, Deutschland. Sein Bachelor, Master und PhD Studium in den Wirtschaftswissenschaften absolvierte er an der Universität zu Köln. Seine Habilitation an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf wurde ausgezeichnet mit dem WolfgangRitter-Preis 2007 für hervorragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre (Wolfgang Ritter Stiftung). Bevor er als Professor zur WHU Dietmar berufen wurde, war er als Visiting Professor in den Vereinigten Staaten an der Case Western Reserve University, am Babson College und am Global Entrepreneurship Center der Thunderbird University tätig. Seine Arbeiten wurden in zahlreichen nationalen und internationalen Zeitschriften veröffentlicht und er wirkte an bedeutenden amerikanischen Forschungskonferenzen, wie der AOM, BCERC, und ICSB, mit. Seine derzeitige Forschung konzentriert sich auf International Entrepreneurship und Entrepreneurial Finance mit dem Fokus auf das Entscheidungs- und Risikoverhalten von Unternehmern und Venture-Finanziers im internationalen Kontext. Er kann praktische Erfahrungen im Bankwesen vorweisen und betreute als Gutachter und Coach Gründungsinitiativen an der Hochschule und in regionalen Businessplanwettbewerben. Heike Grimm ist geschäftsführende Direktorin der ‟Erfurt School of Public Policy‟ (ESPP), hält eine Forschungsdozentur für Public Policy an der Universität Erfurt inne und wirkt als Forscherin am Max-Planck-Institut für Ökonomik in Jena (Deutschland). Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der Rolle, die Unternehmertum und Public Policy für das wirtschaftliche Wachstum spielen. Bevor sie auf diese Posten in Erfurt berufen wurde, arbeitete Dr. Grimm als Senior Fellow am German-American Center for Visiting Scholars (Deutsch-Amerikanisches Zentrum für Gastwissenschaftler) in Washington, D.C., das zur Johns Hopkins University gehört. Sie leitete auch verschiedene Forschungsprojekte am Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaft Speyer und an der Universität München. Außerdem wirkte Dr. Grimm als Consultant für die Wirtschaftsministerien in Niedersachsen und Brandenburg und für Beratungsfirmen in Berlin, Hamburg und Brüssel (Belgien). Sie hat Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Wirtschaftsgeschichte und Arabisch an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und an der London School of Oriental and African Studies (Institut für Orient- und Afrikastudien) studiert. Ihren Doktorgrad erlangte sie an der Universität München. Rebecca Harding ist Gründerin und Geschäftsführerin von Delta Economics Ltd. Sie wirkt als Chefpolitikberaterin für die Allparteien-Parlamentsarbeitsgruppe für Unternehmertum. Von 2002 bis 2007 war sie Direktorin von GEM UK, und zwischen Dezember 2005 und Mai 2007 wirkte sie als 255 Exekutivdirektorin von Global Entrepreneurship Monitor (GEM). Vorher war sie stellvertretende Forschungsdirektorin bei Deloitte. Bis Dezember 2004 arbeitete sie als Chefvolkswirtin bei The Work Foundation und war Senior Fellow an der London Business School. Sie hat beim Forschungsinstitut für Public Policy gearbeitet und war bei der Science and Technology Policy Research Unit (SPRU) der Universität Sussex tätig. Rebecca ist Direktorin beim Deutsch-Britischen Forum, Vorstandmitglied des Trestle Group Foundation‟s Venture Fund und Mitglied des Internationalen Beirates der „Global Angels‟. Sie ist schreibende Herausgeberin der Business Strategy Review und verfasst regelmäßig eine Kolumne für das Magazin The Director. Zu ihren Spezialgebieten gehören Public Policy und ökonomische Forschung, Innovationsmanagement, Beteiligungskapital, Unternehmertum in der Wissenschaft, soziales Unternehmertum sowie Arbeitsorganisation und Produktivität. .Sie ist Autorin von 9 Monographien und über 150 Artikeln und Berichten akademischen und politischen Inhalts. Andrea-Rosalinde Hofer kam 2004 zur OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development – Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und arbeitet als Politikanalytikerin am LEED-Zentrum für Lokale Entwicklung in Trento (Italien). Sie ist verantwortlich für inernationale Prüfstudien und Kapazitätenaufbau im Zusammenhang mit Regierungsführung für lokale Entwicklung in Ost- und Südosteuropa und trägt damit zur Arbeit im Bereich Unternehmertum und Innovation bei. Bevor sie ihre Tätigkeit bei der OECD aufnahm, leistete Andrea Forschungsarbeit für Entwicklungsprojekte zu lokaler Politik auf dem Gebiet Dezentralisierung, lokale Regierungsführung, und Probleme der Reformierung der öffentlichen Verwaltung an der Bundeswehrakadmie in München (Deutschland) und bei den Vereinten Nationen (UNDP und UNODC). Jonathan Potter ist als Senior-Volkswirt in der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) verantwortlich für die OECD-Tätigkeit im Bereich unternehmerische Politik auf lokaler Ebene und Ansätze zur Evaluierung von lokalen Politiken zur Förderung von wirtschaftlicher Entwicklung und Beschäftigung. Er ist leitend zuständig für vier Reihen internationaler Prüfstudien zu Unternehmertum und Innovation auf lokaler Ebene und hat mehrere OECD-Publikationen zu Fragen des Unternehmertums herausgebracht. Bevor er zur OECD kam, arbeitete Jonathan im Vereinigten Königreich bei der PA Consulting-Gruppe, wo er sich auf die Evaluierung öffentlicher Politikprogramme spezialisiert hat, sowie als Forscher an der Universität Cambridge, wo er sich mit der Untersuchung von Faktoren befasste, die die Unternehmensgründungsraten beeinflussen. Er erlangte seinen Doktorgrad an der Universität Cambridge. Joachim Ragnitz ist der geschäftsführender Leiter der Zweigstelle Dresden des IfO. Er arbeitet gegenwärtig an Fragen der Wirtschaftsentwicklung in Ostdeutschland unter besonderer Berücksichtigung der Dynamik struktureller Veränderungen und der Evaluierung von Public Policy. Darüber hinaus lehrt er an der Technischen Universität Dresden und ist als Berater für die Bundesregierung und mehrere regionale Verwaltungen zu Wirtschaftsproblemen der Neuen Länder tätig. Von 1994 bis 2007 arbeitete der am Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Herr Ragnitz ist Autor mehrerer Monographien und von für die Öffentlichkeit bestimmten Artikeln über wirtschaftliche Probleme Ostdeutschlands. Er promovierte an der Universität Köln. David Smallbone ist Professor für Klein- und Mittelunternehmen und Unternehmertum und stellvertretender Direktor des Forschungszentrums für Kleinunternehmen, dem er seit Juli 2004 angehört, nachdem er vorher das Forschungszentrum für Unternehmens- und Wirtschaftsentwicklung an der Universität Middlesex geleitet hatte. David ist auch Gastprofessor an der Chinesischen Universität für Geowissenschaften in Wuhan (China), Ehemaliger Präsident des Europäischen Rates für Kleinunternehmen und Unternehmertum (ECSB) und Erster Vizepräsident (Programme) des Internationalen Rates für Kleinunternehmen und Unternehmertum (ICSB). David war seit Ende der 256 1980er Jahre an Forschungsarbeiten zu KMU und KMU-Politik beteiligt und ist seitdem regelmäßig auf nationalen und internationalen Tagungen vertreten. Er hat viel veröffentlicht zu Themen wie Unternehmertum und KMU-Entwicklung in Transformationsländern; KMU mit Hochwachstum; Unternehmensentwicklung in ländlichen Gebieten; Innovation und Innovationspolitik; Internationalisierung und KMU-Entwicklung; Anwendung externer Förderung und Politikunterstützung für KMU; ethnische Minderheit und einwanderndes Unternehmertum. Er verfügt über weit reichende Erfahrungen bei der forschungsbasierten Beratung für eine Reihe von nationalen und internationalen Auftraggebern, darunter Ministerien von Zentralregierungen in verschiedenen Ländern, bei der Europäischen Kommission, UNDP, OSZE und OECD. Markku Virtanen ist Professor und Direktor des Master-Programms an der Helsinki School of Economics (HSE) und Dozent an der Universität Jyväskylä. Von 1981 bis 1998 führte er an der HSE Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für Kleinunternehmenszentren durch. Danach war Dr. Virtanen für das Weiterbildungszentrum des Polytechnikums von Mikkeli verantwortlich. Von 2001 bis 2004 war er als Professor und Abteilungsleiter für das Unternehmens- und Managementprogramm der Universität Kuopio zuständig. Schwerpunkte seiner Forschungsarbeit waren Wachstum, Wagniskapital, Entwicklung des Unternehmertums, Unternehmens-Knowhow, regionale Entwicklung und KMU-Politik. Professor Virtanen war an dem Wettbewerb „Finnish Venture Cup‟ als Hauptunterstützer und Juror aktiv beteiligt und ist gegenwärtig Vorstandsmitglied der nationalen Stiftung ‟Venture Cup‟. Er wirkt auch in den Vorständen mehrerer KMU sowie im Aufsichtsrat von JSBM. Seinen Doktorgrad auf dem Gebiet Unternehmertum erlangte er an der HSE. Friederike Welter ist gegenwärtig Professorin auf dem Gebiet Management von Kleinunternehmen und Unternehmertum an der Universität Siegen. Sie hält die TeliaSonera-Professur für Unternehmertum der Stockholm School of Economics in Riga (Lettland) inne. Sie ist auch Präsidentin des Europäischen Rates für Kleinunternehmen und Unternehmertum. Von 2003 bis 2006 war sie als stellvertretende Leiterin des Forschungsbereiches “Unternehmertum und Unternehmensleistung” am Rheinland-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) tätig. Ihre Hauptforschungsinteressen sind KMU und Unternehmensentwicklung in reifen und aufstrebenden Volkswirtschaften, Unternehmertum bei Frauen und Förderpolitiken. Friederike Welter hat sowohl national als auch international viel publiziert. Sie sitzt im Aufsichtsrat mehrerer internationaler akademischer Zeitschriften. Darüber hinaus verfügt sie über weit reichende Erfahrungen in der angewandten Forschung mit Politikbezug zu KMU-Entwicklung und Unternehmertum, viel davon im internationalen Kontext. Andrea-Rosalinde Hofer and Jonathan Potter vom LEED Programme der OECD haben diesen Bericht zusammengestellt. Dank gilt Wolfgang Helmstädter, Referatsleiter im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für die technische Begleitung des Projektes sowie dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für die finanzielle Unterstützung. Űbersetzung aus dem englischen Originaltext: Donnell Reed & Partner, Berlin und Harald Hildebrand, freischaffender Űbersetzer, Berlin. 257 Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Zentrum für Unternehmertum, KMU und Lokale Entwicklung (CFE) Lokale Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung (LEED) 2, rue André Pascal, 75775 Paris CEDEX 16, Frankreich www.oecd.org/cfe/leed OECD LEED Zentrum für Lokale Entwicklung Vicolo San Maro, 1, 38100 Trento, Italien www.trento.oecd.org Dr. Jonathan Potter and Andrea R. Hofer von der OECD haben dieses Diskussionpapier zusammengestellt und danken Enikö Soujon, Technische Universität Dresden, Deutschland, Elisa Campestrin, OECD LEED Zentrum in Trento und Roberto Chizzali OECD LEED Zentrum in Trento für deren hervorragende Mitarbeit. Deutsche Übersetzung: Donnell Reed & Partner, Berlin Fremdspracheninstitut Dresden Harald Hildebrand, Berlin Übersetzungsdienst Ende, Leipzig Titelbild: Enikö Soujon, mit freundlicher Unterstützung von UNIVATIONS. 258