stärkung von unternehmertum und wirtschaftlicher

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stärkung von unternehmertum und wirtschaftlicher
OECD Local Entrepreneurship Reviews
STÄRKUNG VON UNTERNEHMERTUM UND
WIRTSCHAFTLICHER ENTWICKLUNG IN
OSTDEUTSCHLAND:
LERNEN VON LOKALER PRAXIS
Endbericht
Erarbeitet von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
März 2009
INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG ................................................................................................................................ 6
Teil I: Aktuelle herausforderungen und Chancen für das Unternehmertum und die
Entwicklung von KMU in Ostdeutschland ............................................................................... 9
Ostdeutschland – Perspektiven fűr Unternehmertum und regionale Entwicklung ............ 11
Einführung ............................................................................................................................... 11
Regionale Unterschiede in den ostdeutschen Ländern ............................................................ 12
Perspektiven der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung ........................................................ 15
Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf Gründungsaktivitäten ........................ 20
Wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen ............................................................................... 23
Literatur ................................................................................................................................... 26
Förderung des Unternehmertums in Ostdeutschland: Koordinierung verschiedener
Politikbereiche in einem sich wandelnden wirtschaftlichen Umfeld .................................... 29
Einleitung................................................................................................................................. 29
Was ist eine unternehmerisch orientierte Wirtschaft? ............................................................. 32
Politikgestaltung in einem Multilevel-Governance-System .................................................... 36
Zusammenfassung und Ausblick ............................................................................................. 48
Literatur ................................................................................................................................... 54
Teil II: Kernbereiche der Unternehmensförderung und der KMU-Entwicklung .............. 59
Kapitel 1: Unternehmerische Kultur und Einstellungen ....................................................... 61
Kulturelle Aspekte des Unternehmertums.............................................................................. 63
Kultur und Einstellungen: Einführung und Abgrenzung ......................................................... 63
Die Situation in Ostdeutschland .............................................................................................. 69
Politische Initiativen zur Verbesserung gründungsbezogener Einstellungen .......................... 70
Literatur ................................................................................................................................... 73
Ergebnisse der lokalen Fallstudien und Handlungsempfehlungen....................................... 77
Kapitel 2: Modernisierung und Diversifizierung bestehender KMU ................................... 81
Bestehende Unternehmen zum Nachdenken über ihr Wachstum anregen ......................... 83
Einleitung................................................................................................................................. 83
Modernisierung und Diversifizierung von KMU – einige theoretische Aspekte .................... 84
Ansätze für staatliche Interventionen ...................................................................................... 94
Literatur ................................................................................................................................. 100
Ergebnisse aus den lokalen Fallstudien und Handlungsempfehlungen ............................. 105
Kapitel 3: Finanzierung des Unternehmertums ................................................................... 113
Politische Fragen bei der Finanzierung des Unternehmertums.......................................... 115
Einleitung............................................................................................................................... 115
3
Modelle des Finanzierungsverhaltens von KMU .................................................................. 116
Modelle des Verhaltens auf der Angebotsseite...................................................................... 117
Finanzmarktineffizienzen in Ostdeutschland......................................................................... 119
Finanzierungsquellen ostdeutscher Unternehmer .................................................................. 125
Handlungsempfehlung für den Abbau von Marktineffizienzen ............................................ 128
Literatur ................................................................................................................................. 132
Anhang ..................................................................................................................................... 138
Ergebnisse der lokalen Fallstudien und Handlungsempfehlungen..................................... 141
Kapitel 4: Universität, Unternehmertum und Technologietransfer ................................... 147
Stärkung von Verknüpfungen zwischen Hochschulen und Industrie ................................ 149
Einleitung............................................................................................................................... 149
Politische Fragen und Herausforderungen ............................................................................. 153
Ansätze in Bezug auf Verknüpfungen zwischen Universität und Industrie in OECDMitgliedsländern .................................................................................................................... 158
Literatur ................................................................................................................................. 161
Ergebnisse der lokalen Fallstudien und Handlungsempfehlungen..................................... 167
Kapitel 5: Unternehmertum im ländlichen Raum ............................................................... 173
Förderung des Unternehmertums im ländlichen Raum ...................................................... 175
Einleitung............................................................................................................................... 175
Probleme und Herausforderungen der Politik in Bezug auf die Entwicklung von
Unternehmertum in ländlichen Gebieten ............................................................................... 177
Ansätze
der
Unternehmenspolitik
für
den
ländlichen
Raum
in
OECD-Mitgliedsländern ........................................................................................................ 186
Implikationen für die Politik zur Förderung des Unternehmertums in ländlichen Regionen
Ostdeutschlands ..................................................................................................................... 189
Literatur ................................................................................................................................. 199
Ergebnisse der lokalen Fallstudien und Handlungsempfehlungen..................................... 205
Kapitel 6: Gestaltung und Umsetzung der Unternehmensförderpolitik ............................ 211
Politische Umsetzungsmassnahmen: Schwierigkeiten und Chancen für die Entwicklung
des Unternehmertums ............................................................................................................. 213
Einleitung............................................................................................................................... 213
Unternehmertum und politischer Rahmen ............................................................................. 215
Herausforderungen für das Unternehmertum in Ostdeutschland........................................... 222
Schlussfolgerungen und Ausblick ......................................................................................... 231
Literatur ................................................................................................................................. 235
Lokale Fallstudien: Ergebnisse und Handlungsempfehlungen ........................................... 239
Teil III: Schlussfolgerungen und allgemeine Handlungsempfehlungen ............................. 247
Schlussfolgerungen und Empfehlungen für übergreifende Politikmassnamen ................. 249
Zersplitterung bei Politikplanung und -umsetzung angehen ................................................. 250
Unternehmenswachstum fördern ........................................................................................... 252
Unternehmerische Kultur schaffen ........................................................................................ 252
Autoren..................................................................................................................................... 255
4
Tabellen
Tabelle 1.
Tabelle 2.
Tabelle 3.
EU Strukturfonds Neue Deutsche Länder (ohne Berlin) ..................................... 38
Umfang und Art des Unternehmertums in Ostdeutschland, 1991-2005............ 214
Entwicklung des Unternehmertums in den lokalen Fallstudien ........................ 215
Abbildungen
Abbildung 1.
Abbildung 2.
Abbildung 3.
Abbildung 4.
Abbildung 5.
Abbildung 6.
Abbildung 7.
Abbildung 8.
Abbildung 9.
Abbildung 10.
Produktivitätsniveau in den Landkreisen und kreisfreien Städten - BIP je
Erwerbstätigen in Euro ................................................................................. 13
Clusterung von Regionen nach Standortfaktoren ......................................... 15
Konvergenzprozess der ostdeutschen Regionen 1999 bis 2004 ................... 18
Altersspezifische Gründungsquoten - nach Art der Selbständigkeit ............ 21
Entwicklung der Gründungszahlen bis 2020 – Ergebnisse einer shift-shareAnalyse ......................................................................................................... 22
Einflussfaktoren auf gründungsbezogene Einstellungen und Fähigkeiten
sowie Gründungsaktivitäten ......................................................................... 69
Finanzstruktur bei ostdeutschen und westdeutschen KMU ........................ 120
Bedeutung
verschiedener
Finanzierungsquellen
für
ostdeutsche KMU ....................................................................................... 121
Herkunft des Privatkapitals zur Deckung des Finanzierungsbedarfs von
KMU........................................................................................................... 126
Handlungsempfehlungen zur Stärkung ostdeutscher Unternehmer ........... 128
Boxen
Box 1.
Box 2.
Box 3.
Box 4.
Box 5.
Box 6.
Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in der Förderung von
unternehmerischer Einstellungen und Haltungen ............................................... 81
Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in wachsenden
existierenden KMU ........................................................................................... 111
Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in der Finanzierung von
Unternehmertum ............................................................................................... 146
Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in der Förderung von
Unternehmertum aus Hochschulen und sich entwickelnder Verknüpfungen
zwischen Hochschulen und Industrie................................................................ 172
Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in der Förderung des
Unternehmertums im ländlichen Raum ............................................................ 209
Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in der Politikumsetzung .......
.......................................................................................................................... 245
5
EINLEITUNG
Der vorliegende Bericht „Stärkung von Unternehmertum und wirtschaftlicher Entwicklung in
Ostdeutschland: Lernen aus lokalen Ansätzen“ ist das Ergebnis eines zweijährigen Arbeitsprogramms,
das sich mit den Herausforderungen und Chancen der Entwicklung von Unternehmertum in
Ostdeutschland beschäftigt hat. Das Programm wurde von der Organisation für Wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung und ihrem „Local Economic and Employment Development
Programme“ (LEED) in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (BMVBS), Abteilung Angelegenheiten der Neuen Länder durchgeführt. Im
Zeitraum 2006 bis 2007 wurden eine Reihe von Treffen der Projektpartner, Vor-Ort-Untersuchungen
und Workshops in ausgewählten lokalen Fallstudiengebieten in ganz Ostdeutschland durchgeführt.
Auf Vorschlag der sechs beteiligten Länderministerien wurden folgende Gebiete als lokale
Fallstudiengebiete ausgewählt: die Landkreise Mittweida (Sachsen) und Altenburger Land
(Thüringen); die Landkreise Uckermark (Brandenburg) und Parchim (Mecklenburg-Vorpommern);
das Universitätsumfeld in der Stadt Halle/Saale (Sachsen-Anhalt) sowie der Stadtbezirk MarzahnHellersdorf (Berlin). Jedes dieser lokalen Fallstudiengebiete wurde besucht; mit Vertretern
kommunaler Organisationen, die in der Förderung unternehmerischen Engagements aktiv sind, sowie
mit ausgewählten Unternehmern wurden Interviews und Gespräche über Barrieren und Hindernisse für
unternehmerisches Engagement geführt. Im Rahmen nachfolgender regionaler Workshops wurden
vorläufige Ergebnisse und Empfehlungen an die Politik mit den örtlichen Beteiligten und Vertretern
des Bundesministeriums und der Länderministerien erörtert. Überdies erhielten die Teilnehmer der
Workshops durch die Vorstellung von Beispielen für „Gute Praxis“ aus anderen Staaten zur
Orientierung für Handlungsempfehlungen die Möglichkeit, einen interaktiven Lernprozess in den
Bereichen politische Innovation und neue kommunale Ansätze der Unternehmensförderung zu
durchlaufen.
Für jedes lokale Fallstudiengebiet wurde ein Diskussionspapier erstellt, das jeweils eine
Außenperspektive auf das lokale Unternehmensumfeld - die Chancen, die Barrieren und die
allgemeineren Rahmenbedingungen – eröffnete. Die vier erstellten Diskussionspapiere sollen einen
Beitrag zur Ermittlung weiteren politischen Handlungsbedarfs sowie örtlicher Maßnahmen zur
Stärkung des Unternehmertums leisten. Die Schlüsselbotschaften in Hinblick auf die Empfehlungen an
die Politik wurden in Aktionsplänen zusammengefasst, die die Grundlage für Gespräche über die
mögliche Umsetzung der politischen Empfehlungen auf kommunaler Ebene bilden sollen. Weder die
Erörterung von Stärken und Schwächen noch die Präsentation von Empfehlungen an die Politik sollten
ein erschöpfendes Bild der jeweiligen örtlichen Lage zeichnen oder zu direkten politischen
Maßnahmen führen. Das Ziel bestand vielmehr darin, einen Prozess zu stimulieren und zu
katalysieren, in dessen Rahmen Regionen, Städte und Landkreise in Ostdeutschland die Möglichkeit
zu einer Gesamteinschätzung ihrer Optionen, ihres Bedarfs und ihrer Prioritäten erhalten sollten,
indem der Informationsaustausch über Innovationen und Gute Praxis zwischen einer Reihe von
OECD-Mitgliedsstaaten erleichtert wurde.
Die lokalen Fallstudiengebiete wurden anhand zweier Kriterien ausgewählt. Erstens sollten die
Projektaktivitäten die Teilnahme dieser Standorte an einem internationalen Austausch über
6
Innovationspolitik und kommunale Ansätze der Förderung von Unternehmertum und wirtschaftliche
Entwicklung erleichtern. Zweitens sollten die Resultate aus den vier lokalen Fallstudiengebieten zu
einer umfassenderen Einschätzung der Herausforderungen und Chancen für die Entwicklung des
Unternehmertums in Ostdeutschland beitragen. Es sollten also die örtlichen Ergebnisse der vier
lokalen Fallgebietsstudien (und der sechs beteiligten Standorte) zusammengeführt und in den
umfassenderen Kontext der Frage eingeordnet werden, welche Politik am besten zur Förderung und
Stärkung des Unternehmertums geeignet ist und wie der kommunale Zuschnitt von Fördermaßnahmen
die Effizienz der Förderpolitik erhöhen kann.
Im Rahmen der Gesamtbewertung wurden zwei Dokumente erstellt: ein Online- Kompendium
von Handlungsempfehlungen und der vorliegende Bericht „Stärkung von Unternehmertum und
wirtschaftlicher Entwicklung in Ostdeutschland: Lernen aus lokalen Ansätzen“. Beide Dokumente
konzentrieren sich auf sechs Themenfelder für weitere politische Interventionen und lokale
Maßnahmen, die für die Einleitung neuer Fördermaßnahmen und/oder die Aufstockung und
geographische Erweiterung bereits bestehender Fördermaßnahmen relevant scheinen. Dabei handelt es
sich um folgende Themenbereiche:
Unternehmenskultur und unternehmerische Einstellungen;
Finanzierung unternehmerischer Engagements;
Modernisierung und Diversifizierung von kleinen und mittleren Unternehmen;
Universitätsumfeld und Unternehmertum;
Unternehmertum im ländlichen Raum; und
Unternehmenspolitik.
Nicht genannte Bereiche für politische Interventionen sind aus der Diskussion nicht
ausgeschlossen. In jedem der vorstehend genannten Themenbereiche wird vielmehr eine ganze Anzahl
von Unterthemen zusammengeführt. Wichtige Bereiche für politische Interventionen, wie
beispielsweise Innovations- und Internationalisierungsaktivitäten von KMU, werden nicht als
Einzelthemen aufgeführt, sondern unter dem Aspekt Modernisierung und Diversifizierung bestehender
KMU sowie unter dem Aspekt Universitätsumfeld und Unternehmertum behandelt. Der
Themenbereich Unternehmertum im ländlichen Raum beinhaltet beispielsweise eine Erörterung der
Themenbereiche, die über die Aktivitäten im primären wirtschaftlichen Sektor hinausgehen.
Bestimmte Aspekte des Unternehmertums, wie beispielsweise der Aspekt Unternehmenskultur und
unternehmerische Einstellungen, Finanzierung und Modernisierung sowie Diversifizierung werden
auch in Hinblick auf den Kontext ländlicher Raum behandelt.
Das Online-Kompendium (www.oecd.org/cfe/leed/entrepreneurship/compendium) wurde als
praktisches Suchinstrument für Handlungsempfehlungen und Umsetzungsmethoden in den sechs
genannten Themenfeldern entwickelt. Das Kompendium soll einem breiteren deutschen und
internationalen Publikum Zugang zu Projektergebnissen und Handlungsempfehlungen für kommunale
Ansätze zur Stärkung des Unternehmertums bieten und die Nutzung dieser Informationen
ermöglichen. Überdies können von den ostdeutschen Ländern ausgewählte internationale Lernmodelle
eingesehen werden, die Empfehlungen an die Politik illustrieren und Inspiration für politische
Innovationen und Beispiele für „Gute Praxis“ in Ostdeutschland bieten.
7
Dieser Bericht betont sowohl die theoretischen wie die praktischen Aspekte des politischen
Handelns in denen oben genannten Themenfeldern in Hinblick auf Ostdeutschland insgesamt. In
kurzen Übersichten zu jedem Thema werden politische Fragen und in der Fachliteratur diskutierte
Herausforderungen mit Bezug auf den ostdeutschen Kontext vorgestellt. Diese Zusammenschau bietet
den Lesern des vorlegenden Berichts Einblick in die theoretische Debatte über die Rolle der
Förderpolitik in der Entwicklung neuer Politiken und Strategien zur Förderung des Unternehmertums
und zur Entwicklung von KMU. Eine Zusammenschau der in den lokalen Fallstudien festgestellten
Herausforderungen und der Initiativen zur guten Praxis im Unternehmertum und in der
Unternehmensentwicklung wird mit einer Diskussion der zweckmäßigen politischen Reaktionen in
ausgewählten OECD-Ländern verbunden, wobei jeweils die Relevanz für Ostdeutschland
herausgearbeitet wird. Das Online-Kompendium lässt sich auch als online zugänglicher Anhang zu
diesem Bericht rezipieren.
Der Bericht umfasst drei Teile. In Teil I werden gegenwärtige Herausforderungen und Chancen
für das Unternehmertum und die Entwicklung von KMU in Ostdeutschland vorgestellt und erörtert.
Teil II ist in sechs Themenkapitel gegliedert. Jedes Kapitel beginnt mit einem Überblick über die
wichtigsten Feststellungen der OECD in den lokalen Fallstudiengebieten. Das jeweils nachfolgende
Referat konzentriert sich dann auf die theoretischen und praktischen Aspekte politischer Maßnahmen
in Hinblick auf die Entwicklung neuer Politiken und politischer Optionen. Abschließend werden die
aus den lokalen Fallstudien hervorgehenden Handlungsempfehlungen der OECD an die Politik in
Form einer „Check-Liste“ zusammen mit ausgewählten internationalen Lernmodellen und „GutePraxis“-Beispielen in Ostdeutschland vorgestellt. Teil III beschließt den Bericht mit den zentralen
Handlungsempfehlungen in Bezug auf die Herausforderungen, die sich der Entwicklung von
Unternehmertum in Ostdeutschland insgesamt stellen.
8
TEIL I
AKTUELLE HERAUSFORDERUNGEN UND CHANCEN FÜR DAS UNTERNEHMERTUM
UND DIE ENTWICKLUNG VON KMU IN OSTDEUTSCHLAND
In Teil I dieses Berichtes werden aktuelle Herausforderungen und Chancen für
unternehmerisches Engagement und die Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen in
Ostdeutschland dargelegt und erörtert. Der erste Beitrag bietet eine Analyse der Auswirkungen
regionaler Unterschiede aufgrund jeweils eigener Standortfaktoren und der jeweils
überkommenen wirtschaftlichen Infrastruktur auf das Unternehmertum und die Entwicklung von
KMU. Insbesondere demographische Veränderungen und die Abwanderung junger und
qualifizierter Arbeitskräfte führen zu dringendem Handlungsbedarf. Ein zweiter Beitrag schließt
diesen Teil des Berichtes mit einem Überblick über die bestehenden politischen
Rahmenbedingungen für unternehmerisches Engagement und die Entwicklung von KMU ab,
wobei sich abzeichnende Trends bei Firmenneugründungen in Ostdeutschland vor allem in den
lokalen Fallstudiengebieten vorgestellt werden.
9
OSTDEUTSCHLAND – PERSPEKTIVEN FŰR UNTERNEHMERTUM UND REGIONALE
ENTWICKLUNG
Dr. Joachim Ragnitz, Duetschland
Einführung
Siebzehn Jahre nach der deutschen Vereinigung haben sich die einzelnen Regionen
Ostdeutschlands spürbar auseinander entwickelt. Auf Ebene der Bundesländer gelten vor allem
Sachsen und Thüringen als besonders dynamisch und wirtschaftsstark, während die übrigen drei
Bundesländer (wie auch Berlin) gemeinhin als Nachzügler im Konvergenzprozess angesehen werden.
Tatsächlich trifft dieses Bild so allgemein aber nicht zu: Bei einer differenzierten Betrachtung sind in
allen ostdeutschen Ländern sowohl starke als auch schwache Regionen zu finden; keines der
Bundesländer ist so homogen, dass die globale Sicht den besonderen Problemlagen der einzelnen
Regionen gerecht würde.
Die regionalen Unterschiede auf einer kleinräumigen Ebene sind in erster Linie die Folge
regional
divergierender
Standortbedingungen
einerseits
und
historisch
gewachsener
Wirtschaftsstrukturen andererseits, die nicht zuletzt als Folge der Privatisierungstätigkeit der
Treuhandanstalt bis heute überdauert haben. Darüber hinaus spielen Wanderungsentscheidungen der
Bevölkerung eine Rolle; wo infolge geringer wirtschaftlicher Aktivität Arbeitsplätze knapp sind,
kommt es zu Abwanderungstendenzen, die die räumlichen Disparitäten noch vergrößern. Insoweit ist
zu erwarten, dass die sich heute abzeichnenden räumlichen Muster auch in den kommenden
Jahrzehnten das Bild prägen dürften. Insoweit ist die Situation ähnlich wie in Westdeutschland – auch
haben sich überkommene räumliche Strukturmuster bis heute erhalten.
Die Wirtschaftspolitik hat sich zum Ziel gesetzt, derartige räumliche Unterschiede nicht zu groß
werden zu lassen und die „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ in allen Teilregionen des
Bundesgebietes zu gewährleisten. Neben Angeboten der öffentlichen Daseinsvorsorge (z.B. Zugang zu
Bildungs- und Infrastruktureinrichtungen) zählt dazu auch die Schaffung eines hinreichend großen
Angebots an Arbeitsplätzen für die ansässige Bevölkerung; speziell mit Blick auf Ostdeutschland wird
überdies auch die Verringerung der Einkommensunterschiede hierzu gerechnet. Diesem Zweck dienen
zum einen Anreize für Unternehmensansiedlungen, zum anderen aber auch Förderprogramme, die die
Gründung neuer Unternehmen innerhalb der jeweiligen Region vorantreiben sollen. Inwieweit diese
erfolgreich sind, wird im Rahmen dieses Forschungsprojekts der OECD näher untersucht. Darüber
hinaus hat die Wirtschaftspolitik ein breit gefächertes Instrumentarium geschaffen, um Unternehmen
auch nach der eigentlichen Gründungsphase Unterstützung zu gewähren, insbesondere für
Investitionen sowie Forschung und Entwicklung.
Im folgenden wird zunächst herausgearbeitet, welche regionalen Unterschiede in der aktuellen
Wachstumsdynamik und in den Wachstumsperspektiven in Ostdeutschland bestehen (Abschnitt 2). Da
die weitere Entwicklung in den neuen Ländern stark von demographischen Einflüssen geprägt sein
wird, wird den Implikationen von Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung ein eigener Abschnitt
gewidmet (Abschnitt 3). Die zu erwartenden Auswirkungen des demographischen Wandels auf die
Gründungstätigkeit in den neuen Ländern wird in Abschnitt 4 näher untersucht; hieran schließen sich
11
dann wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen zur weiteren Regionalförderung in den neuen Ländern
an (Abschnitt 5).
Regionale Unterschiede in den ostdeutschen Ländern
Analysen zur Situation in den neuen Ländern beziehen sich zumeist auf eine aggregierte Ebene
und leiten hieraus weitreichende Schlussfolgerungen für die Erfolgsaussichten des
Konvergenzprozesses ab. Tatsächlich ist der Aufholprozess der neuen Ländern insgesamt in den
letzten Jahren nur noch langsam vorangekommen, wenn man die Entwicklung des realen
Bruttoinlandsprodukts als Indikator hierfür wählt (durchschnittliche Zuwachsrate 2000-2006 in
Ostdeutschland 1,25%, in Westdeutschland 0,8%); etwas günstiger ist das Bild, wenn man die
Schrumpfung der Bevölkerung berücksichtigt, denn das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner ist auch in
den vergangenen 6 Jahren mit jahresdurchschnittlich 2,0% deutlich schneller gestiegen als in
Westdeutschland (1,4%).
Dabei wird aber außer Acht gelassen, dass sich die Situation in den Regionen Ostdeutschlands in
den vergangenen Jahren zunehmend ausdifferenziert hat. Zwar trifft die Aussage, dass es nach wie vor
einen erheblichen Rückstand bei Pro-Kopf-Einkommen und Produktivität gegenüber Westdeutschland
gibt, auch auf regionaler Ebene zu. Nur einige wenige Landkreise in den neuen Ländern haben
inzwischen – gemessen an der Produktivität – die schwächsten Landkreise des Westen bereits
einholen können, bei anderen hingegen ist der Abstand nach wie vor erheblich (vgl. auch Abbildung
1). Angesichts dieses Bildes erscheint es kaum noch sachgerecht, alle Regionen in Ostdeutschland
gleich zu behandeln; eine regional differenzierte Analyse ist angebracht.
Hohe regionale Produktivitätswerte werden vor allem dort erreicht, wo sich
Tochtergesellschaften international orientierter Großunternehmen angesiedelt haben, so beispielsweise
im Landkreis Teltow-Fläming (Zweigwerke von Daimler-Chrysler, BMW), in der Stadt Dresden
(Zweigwerke von Infineon und AMD einerseits und VW andererseits) oder auch Eisenach
(Zweigwerke von General Motors). Zudem spielt die Branchenstruktur in der Region eine bedeutsame
Rolle; letzteres erklärt, dass beispielsweise der Landkreis Merseburg-Querfurt und die Uckermark
(beides Standorte der Mineralölwirtschaft) eine überdurchschnittlich hohe Produktivität aufweisen,
obwohl zumindest letztere ansonsten als Musterbeispiel für eine verlorene Region gilt. Auffällig ist
weiterhin, dass eine hohe Produktivität vor allem in den Landkreisen rund um Berlin erzielt wird,
Folge von Neuansiedlungen im Umland der deutschen Hauptstadt. Begünstigend wirkt sich darüber
hinaus eine gute Anbindung an das Autobahnnetz aus, da diese die Erreichbarkeit der
Wirtschaftszentren in Westdeutschland und im angrenzenden Ausland erleichtert. Allerdings ist dieser
Faktor keineswegs hinreichend; auch bei guter Verkehrsanbindung ist die Ansiedlung von
wachstumsstarken Unternehmen keineswegs gewährleistet, wenn die übrigen Standortbedingungen
nicht stimmen.
12
Abbildung 1. Produktivitätsniveau in den Landkreisen und kreisfreien Städten - BIP je Erwerbstätigen in
Euro
80000
Produktivität
70000
60000
West
Ost
50000
40000
30000
0
200
400
600
Einw ohner
Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder; eigene Berechnungen.
Am anderen Ende des Skala stehen vor allem periphere Landkreise an der polnischen und
tschechischen Grenze, die schon allein aufgrund ihrer Lage für Investoren wenig attraktiv sind. Auch
ländlich geprägte Landkreise fallen zumeist in diese Kategorie. Dabei fällt auf, dass sich unter den
schwächsten Regionen auch eine Reihe von Landkreisen aus Sachsen und Thüringen befinden; das
positive Bild, das in der Öffentlichkeit von diesen beiden Ländern gezeichnet wird, findet sich also auf
kleinräumiger Ebene nicht wieder. Vielmehr profitieren beide Länder von der Attraktivität und
Wirtschaftskraft ihrer Zentren. Allerdings zeigt genaueres Hinsehen, dass viele ostdeutsche
Agglomerationszentren bislang die ihnen zugedachte Funktion eines „Wachstumspols“ bisher noch
nicht in ausreichendem Maße erfüllen können (siehe hierzu auch die Ausführungen weiter unten).
Verwendet man als alternativen Indikator für die Beschreibung regionaler Unterschiede die
Arbeitslosenquote, so ist ebenfalls eine erhebliche Streuung zwischen den einzelnen Landkreisen
festzustellen. Dabei fällt auf, dass ein enger Zusammenhang zur regionalen Produktivität nicht besteht
(Korrelationskoeffizient -0,05). Die niedrigste Arbeitslosigkeit findet sich in den Landkreisen an der
ehemaligen innerdeutschen Grenze, Folge der erleichterten Möglichkeiten, von Ost nach West zu
pendeln. Auch die Landkreise im Umland der großen Städte weisen eine unterdurchschnittliche
Arbeitslosenquote auf, weil sich hier die Möglichkeit bietet, in der jeweiligen Kernstadt zu arbeiten.
Umgekehrt weisen gerade die Landkreise mit einer hohen Produktivität häufig auch eine
überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit auf. Grund hierfür ist der bereits angesprochene hohe Einfluss
einzelner Unternehmen auf die Produktivitätskennziffer. Teils handelt es sich dabei um sehr
kapitalintensive Betriebe mit entsprechend geringer Beschäftigungswirksamkeit, teils finden sich diese
Produktionsstätten in Regionen, die ansonsten durch eine geringe Wirtschaftskraft gekennzeichnet
sind. Insoweit sind die erwarteten Ausstrahleffekte derartiger Neuansiedlungen für die Region ganz
13
offenkundig noch nicht eingetreten, was die Sinnhaftigkeit einer Förderung von Neuansiedlungen „auf
der grünen Wiese“ zumindest in Frage stellt.
Wie bereits angedeutet, erfüllen die ostdeutschen Agglomerationszentren bislang nicht die
Funktion eines Wachstumspols, der ihnen aufgrund ihrer Ausstattung mit Potentialfaktoren
(Einwohnerdichte, Ausstattung mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Erreichbarkeit,
Wirtschaftsstruktur u.a.) gemeinhin zugeschrieben wird. Zwar gibt es einige wenige Großstädte, die
sowohl ein hohes Produktivitätsniveau als auch ein starkes Produktivitätswachstum aufweisen
(Dresden; mit Abstrichen auch Jena), die meisten dieser Städte weisen diesbezüglich aber nur
durchschnittliche oder gar unterdurchschnittliche Werte auf. Dies wiederum hat zur Folge, dass auch
potentielle Ausstrahleffekte in die umliegenden Regionen bislang nur ansatzweise zum Tragen
kommen. Der wesentliche Grund hierfür ist, dass gerade in den ostdeutschen Städte die
transformationsbedingten Anpassungserfordernisse besonders groß waren und teilweise noch sind.1 So
dominierten in gerade in den ostdeutschen Städten anfangs überdimensionierte industrielle Strukturen,
die nur schwer privatisiert werden konnten; zudem behinderten gerade hier ungeklärte
Eigentumsverhältnisse die Neuansiedlung von Unternehmen. Schließlich ist auch nicht zu verkennen,
dass viele ostdeutsche Städte eher ungünstige „weiche“ Standortfaktoren (Freizeitmöglichkeiten,
städtebauliche Verwerfungen) aufweisen und deswegen für zuziehende Fachkräfte nicht immer
attraktiv sind. Letzten Endes hat dies dazu beigetragen, dass Unternehmen sich häufig eher im Umland
als in den Kernstädten selbst angesiedelt haben.
Eine Rolle spielt darüber hinaus aber auch, dass es in Ostdeutschland nur wenige größere Städte
gibt; sieht man von Berlin einmal ab, so weisen lediglich Leipzig und Dresden Einwohnerzahlen von
mehr als 500.000 Personen auf. Im Vergleich zu Westdeutschland sind die meisten ostdeutschen
Agglomerationszentren lediglich als Mittelstädte anzusehen, die auch in den alten Bundesländern nur
in Ausnahmefällen große wachstumsstarke Unternehmen beherbergen, die entsprechende
Wachstumsbeiträge leisten können.
Betrachtet man abschließend die (wachstumsrelevanten) Standortfaktoren auf einer regionalen
Ebene, so lässt sich feststellen, dass viele Regionen in den neuen Ländern diesbezüglich noch immer –
und teilweise auch zunehmende – Nachteile gegenüber westdeutschen Regionen aufweisen. So ist die
Erreichbarkeit der jeweils nächsten Oberzentren und Agglomerationsräume in den neuen Ländern im
ganzen gesehen schlechter als in Westdeutschland, das Autobahnnetz ist weniger dicht geknüpft, und
die Bevölkerungsdichte als ein Maß für wirtschaftliche Agglomerationsvorteile ist deutlich niedriger
als in den alten Ländern. Zudem ist die Wirtschaftsstruktur geprägt durch einen vergleichsweise hohen
Anteil von wenig humankapitalintensiven Produktionen, was sowohl auf die spezifische
Branchenstruktur als auch auf die Spezialisierung innerhalb der einzelnen Wirtschaftszweige
zurückzuführen ist.2 Dies macht die neuen Länder unattraktiv für technologieorientierte
Unternehmensgründungen bzw. –ansiedlungen, da diese häufig auf produktionsaffine Netzwerkpartner
in der Region angewiesen sind. Zwar ist die Qualifikationsstruktur der Erwerbspersonen als Folge der
Ausbildungswege in der DDR noch immer günstiger als in den alten Ländern, aber ein großer Teil
dieser Qualifikationen ist heute – unter Marktbedingungen – nur noch eingeschränkt einsetzbar.
Zudem läßt sich zeigen, dass sich die Humankapitalausstattung ostdeutscher Regionen infolge
unzureichender Ausbildungsbemühungen der jungen Menschen und infolge von Abwanderung
tendenziell verschlechtert.3
1
Vgl. DIW/IAB/IfW/IWH/ZEW (2002)
2
Vgl. Ragnitz (2006).
3
Vgl. Schneider (2005); Brandenburg (2006).
14
In Abbildung 2 ist das Ergebnis einer Clusteranalyse dargestellt, bei der die einzelnen Landkreise
in Deutschland nach den Ausprägungen ihrer Standortbedingungen (u.a. Humankapitalintensität in der
Produktion; Einwohnerdichte; Erreichbarkeit) klassifiziert worden sind. Es zeigt sich, dass sich die
Problemregionen (rötliche Färbung) in den ostdeutschen Ländern häufen, während die Regionen mit
günstigen Standortbedingungen (bläuliche Färbung) tendenziell eher im Westen anzutreffen sind.
Gleichwohl heißt dies nicht, dass ansiedlungswillige Investoren nicht auch in Ostdeutschland günstige
Standorte finden können; diese sind aber weniger reichlich, was mit ein Grund dafür ist, dass es einige
wenige Regionen vor allem im südlichen Teil der neuen Länder sind, die auswärtige Unternehmen
anziehen. Neben Dresden weist dabei insbesondere der mitteldeutsche Raum um Leipzig und Halle
günstige Standortbedingungen auf – was in gewisser Weise damit korrespondiert, dass schon in der
Vorkriegszeit sich hier das Kernland der deutschen Industrie befand.
Abbildung 2. Clusterung von Regionen nach Standortfaktoren
Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen.
Perspektiven der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung
Man könnte nun geneigt sein, die regionalen Problemlagen in den neuen Ländern als ein
Übergangsphänomen anzusehen, das in erster Linie ungelöste Probleme der Vereinigungshistorie
widerspiegelt und sich über kurz oder lang von selbst lösen wird. Tatsächlich sprechen aber sowohl
die Erfahrungen mit strukturschwachen Regionen in Westdeutschland als auch theoretische
Überlegungen gegen diese Sichtweise. So haben auch in den alten Ländern nur wenige Regionen es
15
geschafft, im Konvergenzprozess aufzuholen; den peripheren Regionen im Bayrischen Wald, an der
Nordseeküste oder auch in der Südwestpfalz ist es trotz teilweise massiver finanzieller Förderung bis
heute nicht gelungen, ihre Strukturschwäche zu überwinden. Neben ungünstigen Standortbedingungen
kamen dabei auch erschwerend Anpassungskrisen in dominierenden Branchen (Textilindustrie,
Schuhindustrie) hinzu, die in Deutschland kaum mehr wettbewerbsfähig sind. Auch das ehemalige
Zonenrandgebiet hat es bislang trotz der Aufwertung seiner Lage durch die deutsche Vereinigung
nicht geschafft, den Nimbus einer strukturschwachen Region abzulegen. Wenn diese Regionen
dennoch zumindest ansatzweise an den Wachstumsprozessen in Deutschland haben mithalten können,
so war dies zu einem nicht unbeträchtlichen Teil durch Wanderungsprozesse verursacht, die durch
Rückgang der Zahl der Bevölkerung dazu beigetragen haben, dass das Pro-Kopf-Einkommen auch bei
schwacher wirtschaftlicher Leistung steigen konnte. Zudem haben implizite Ausgleichsmechanismen
im Rahmen des Steuer- und Transfersystems dazu beigetragen, dass die regionalen Disparitäten nicht
zu groß geworden sind.4
Genau hier setzen auch theoretische Überlegungen an. Zwar kommt die neoklassische
Wachstumstheorie zum Ergebnis, dass aufgrund divergierender Grenzproduktivitäten des Kapitals
Konvergenzprozesse durchaus möglich und wahrscheinlich sind, doch sind die dabei
zugrundegelegten Annahmen konstanter (oder sinkender) Skalenerträge und fehlender Faktormobilität
in der Realität nicht erfüllt. Wenn aber in den prosperierenden Zentren aufgrund von steigenden
Skalenerträgen in der Produktion, aufgrund höherer Diffusionsgeschwindigkeit des technischen
Fortschritts oder aufgrund einer besseren Verfügbarkeit gut ausgebildeter Fachkräfte die
Grenzproduktivität höher ist als in den strukturschwachen Regionen, kommt es nicht zu Konvergenz-,
sondern zu Divergenzprozessen. Die Zentren wachsen in diesem Fall stärker als die Peripherie.
Einiges spricht dafür, dass diese Darstellung die Situation in vielen Regionen Ostdeutschlands besser
trifft als das einfache Konvergenzmodell.
Nach der Vereinigung kam es zu einer starken Schrumpfung der Industrie in Ostdeutschland.
Auch wenn sich die Industrie inzwischen auf einem dynamischen Wachstumspfad befindet,
ist ihr Gewicht an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung im ganzen mit 19% deutlich
kleiner als in Westdeutschland (24%). Es gibt zudem eine ganze Reihe von Landkreisen, in
denen der Industrieanteil bei weniger als 10% der Wertschöpfung liegt; dies betrifft (neben
den kreisfreien Städten) insbesondere die ländlich geprägten Landkreise im Norden SachsenAnhalts, in Mecklenburg-Vorpommern und in Teilen Brandenburgs. Da der
gesamtwirtschaftliche Produktivitätsfortschritt infolge überregionalen Wettbewerbsdrucks
und größerer Potentiale technologischen Fortschritts in starkem Maße von der Industrie
determiniert wird, wird der Konvergenzprozess durch diese Spezifika der Sektorstruktur
beeinträchtigt.
Der ab etwa 1994 einsetzende Re-Industrialisierungsprozess wurde vor allem von
Tochtergesellschaften westdeutscher bzw. ausländischer Unternehmen getragen, die in den
neuen Ländern überwiegend nachgelagerte Produktionsstätten aufgebaut haben, die
höherwertigen Unternehmensfunktionen aber an ihren angestammten Hauptsitzen belassen
haben. Dies beeinträchtigt die Möglichkeiten zu raschen Produktivitätssteigerungen (die
häufig mit der Entwicklung und Anwendung neuer Produkte und Verfahren verknüpft sind).
Darüber hinaus reduzieren sich die Beschäftigungsmöglichkeiten für Angehörige bestimmter
Berufsgruppen in Ostdeutschland, da in den vorhandenen Produktionsstätten überwiegend
Fertigungskräfte benötigt werden.
4
Vgl. Lehmann, H. et al. (2005).
16
Soweit der Wiederaufbau der ostdeutschen Industrie durch die Privatisierungstätigkeit der
Treuhandanstalt getragen wurde, wurden die regionalökonomischen Weichenstellungen der
DDR („Prinzip der dezentralen Konzentration“) fortgeführt. Häufig handelte es sich dabei
um Standorte, die unter Marktbedingungen nur eingeschränkt wettbewerbsfähig sind.
Aufgrund geringer Vernetzung in der Region (u. a. aufgrund des Fehlens geeigneter Partner)
können Spillover-Effekte nicht ausreichend wirksam werden.
Unmittelbar nach der Vereinigung und erneut in den Jahren 2000 bis 2004 kam es zu
erheblichen Abwanderungen aus Ostdeutschland. Hiervon betroffen waren vor allem die
peripheren Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit. Da insbesondere jüngere und gut
qualifizierte Personen aus den neuen Ländern abwandern (während die Zuwanderung zu
einem erheblichen Teil durch die Rückwanderung älterer Personen gekennzeichnet ist),
resultiert
hieraus
eine
Verschlechterung
der
Humankapitalausstattung
der
Abwanderungsregionen. Hinzu kommt, dass es typischerweise gerade die
überdurchschnittlich leistungsbereiten und aktiven Bevölkerungsgruppen sind, die den Weg
in die Fremde wagen; aufgrund dieses Selektionsprozesses verringert sich die Zahl der
potentiellen Unternehmensgründer in der Abwanderungsregion. Dies dämpft die
Möglichkeiten einer günstigen Wirtschaftsentwicklung zusätzlich.
Auch wenn das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Ostdeutschland insgesamt seit Ende der 1990er
Jahre also stärker gestiegen ist als in Westdeutschland, ist in einer ganzen Reihe von Regionen
zwischen 1999 und 2004 (aktuellere Daten gibt es noch nicht) kein Konvergenzprozess zum
westdeutschen Durchschnitt hin mehr festzustellen (vgl. Abbildung 3). Dies betrifft neben einigen
ländlich geprägten Regionen Nordostdeutschlands auch eine Reihe von Kernstädten wie Berlin,
Rostock, Schwerin oder Erfurt und deren Umland. Einige weniger Regionen haben sogar einen
absoluten Rückgang des erreichten Einkommensniveaus (je Einwohner gerechnet) hinnehmen müssen.
Ein höheres Wachstum des Bruttoinlandsprodukts je Einwohner als in Westdeutschland ist
demgegenüber in den Landkreisen Sömmerda, Merseburg-Querfurt und Teltow-Fläming sowie den
Kreisfreien Städten Eisenach und Dresden zu verzeichnen, die als Standorte von erfolgreichen
Großunternehmen bekannt sind.
17
Abbildung 3. Konvergenzprozess der ostdeutschen Regionen 1999 bis 2004
40
BIP je Einw. 2004
35
30
25
20
15
10
10
15
20
25
30
35
BIP je Einw. 1999
Ostdeutschland
Durchschnitt Westdeutschland
Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder; eigene Berechnungen.
Die größte Herausforderung für die weitere wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Ländern
besteht in der absehbaren Bevölkerungsentwicklung. Natürlich sind Bevölkerungsprognosen über
einen Zeitraum von mehreren Jahren nicht ganz unproblematisch, da insbesondere die
Wanderungsbewegungen nur schwer prognostiziert werden können. Diese hängen überdies in
erheblichem Maße vom wirtschaftlichen Erfolg einer Region (und damit vom Angebot an
Arbeitsplätzen) ab, sind insoweit also nicht exogen bestimmt. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass
Ostdeutschland in den nächsten 10 bis 15 Jahren weiterhin einen erheblichen Bevölkerungsschwund
erleiden wird, verbunden mit einem starken Anstieg des Durchschnittsalters sowohl der Bevölkerung
insgesamt als auch der erwerbsfähigen Bevölkerung. Nach den Ergebnissen der 11. koordinierten
Bevölkerungsvorausberechnung wird die Bevölkerung in Ostdeutschland von 2005 bis 2020 um etwas
mehr als 10% abnehmen, wobei das Durchschnittsalter um mehr als 4 Jahre von jetzt 44,2 auf 48,6
Jahre steigen wird. Noch dramatischer sind die Entwicklungen, wenn man sich allein auf die
Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter konzentriert; hier beträgt der Rückgang mehr als 20%, und das
Durchschnittsalter steigt von 40,4 auf 44,1 Jahre.
Noch größer sind die Unsicherheiten einer Bevölkerungsprognose auf kleinräumigerer Ebene, da
hier die Wanderungsbewegungen einen noch größeren Einfluss auf die Bevölkerungsentwicklung
haben können. Die vorliegenden Schätzungen weisen gleichwohl darauf hin, dass insbesondere die
peripheren Regionen Ostdeutschlands ganz erhebliche Bevölkerungsverluste werden hinzunehmen
haben, während die ostdeutschen Ballungszentren eher stagnierende oder nur leicht sinkende
Bevölkerungszahlen aufweisen werden.
Die Veränderung der Bevölkerungszahl beeinflusst nun die wirtschaftliche Entwicklung in einer
Region auf mehrfache Weise:5
5
Vgl. hierzu genauer Ragnitz et al (2007).
18
Der Rückgang der Bevölkerung führt für sich genommen zu einer Reduktion der
Güternachfrage in der Region. Soweit sich diese auf „nicht-handelbare“ Güter (z.B. viele
Dienstleistungen, transportkostenintensive Produkte) richtet, kommt es in der Folge
unmittelbar zu Produktionseinschränkungen mit entsprechend negativen Auswirkungen auch
auf die Arbeitsnachfrage. Die Produktion von „handelbaren“ Gütern ist hingegen
nachfrageseitig weitgehend unabhängig von der demographischen Entwicklung in der
Region.
Eine Verringerung der Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter kann zu einer
Verringerung des Angebots an Arbeitskräften führen, soweit nicht bislang ungenutzte
Potentiale (Arbeitslose; Frauen; ältere Erwerbspersonen) ausgeschöpft werden. Unternehmen
werden daher zunehmende Schwierigkeiten haben, ihren Arbeitskräftebedarf zu decken, was
entweder direkt zu Produktionseinschränkungen oder zu knappheitsbedingt steigenden
Arbeitskosten führen kann. Dieser Effekt wird allerdings gedämpft, wenn aufgrund
sinkender Nachfrage die Produktion ohnehin gedrosselt werden muss.
Die mit dem demographischen Wandel verbundene Alterung des Erwerbspersonenpotentials
(und damit auch der Erwerbstätigen) kann zu einer Verlangsamung des
Produktivitätsfortschritts führen. Hier ist weniger eine mit dem Alter möglicherweise
zurückgehende physische Leistungsfähigkeit von Arbeitskräften relevant, sondern vor allem
eine sich verschlechternde Ausstattung mit „modernem“ Humankapital. Da nämlich der
Anteil älterer Personen an den Belegschaften der Unternehmen steigt, verringert sich die
Diffusionsgeschwindigkeit
neuen
Wissens,
sofern
nicht
verstärkt
in
Weiterbildungsaktivitäten investiert wird. Besonders problematisch ist dies in
technologieorientierten Bereichen, da die Aufnahme neuen technologischen Wissens
entsprechendes Vorwissen voraussetzt. Insoweit kann sich auch die Innovationstätigkeit in
einer schrumpfenden und alternden Gesellschaft verringern.
Ältere Personen sind in der Tendenz weniger mobil als jüngere Menschen. Dies gilt sowohl
mit Blick auf räumliche, sektorale, berufliche und betriebliche Veränderungen. Grund hierfür
sind höhere individuelle Kosten eines Wechsels aus bisherigen gesellschaftlichen und
betrieblichen Zusammenhängen. Insoweit kann in einer alternden Gesellschaft der
Strukturwandel verlangsamt werden, was sich wiederum negativ auf das
Produktivitätswachstum auswirken wird, zumal ältere Gesellschaften in der Tendenz wohl
auch weniger attraktiv für Neuansiedlungen von Unternehmen (sofern diese nicht
altenspezifische Produkte und Dienstleistungen in der Region ansetzen wollen) sein dürften.
Schließlich – und das ist im Zusammenhang dieses Projekts von besonderer Bedeutung –
können sich Bevölkerungsschrumpfung und -alterung negativ auf die Zahl der
Unternehmensgründungen in einer Region auswirken. Dieser Punkt soll im nächsten
Abschnitt der Arbeit näher betrachtet werden.
Nachfrageseitig sind darüber hinaus Änderungen in der Struktur der Konsumgüternachfrage zu
erwarten (Verschiebungen zugunsten „altenspezifischer“ Güter), wobei diese aber nach vorliegenden
Studien im ganzen von eher geringer Bedeutung sein dürften (Lehmann (2004)). Für einzelne
hochspezialisierte Branchen können aber auch diese Effekte durchaus spürbare Auswirkungen haben.
Aus diesem kurzen Abriss möglicher Wirkungen folgt, dass die demographische Entwicklung in
Ostdeutschland und seinen Regionen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit negativ in der weiteren
wirtschaftlichen Entwicklung niederschlagen dürfte. Tatsächlich gibt es eine Reihe von Studien, die
sich explizit mit den Auswirkungen der Bevölkerungsschrumpfung und –alterung auf das künftige
19
Wirtschaftswachstum in Ostdeutschland beschäftigen, und diese kommen zu eher pessimistischen
Einschätzungen. So kommen Ragnitz et al. (2007) zu dem Ergebnis, dass das reale
Bruttoinlandsprodukt in den ostdeutschen Ländern wegen der Schrumpfung des
Erwerbspersonenpotentials unter bestimmten Annahmen zur Entwicklung von Produktivität und
Erwerbstätigenquote bis zum Jahr 2020 nur noch um rund 1,3% jährlich zunehmen dürfte; infolge des
gleichzeitigen Rückgangs der Einwohnerzahl insgesamt dürfte zwar das BIP je Einwohner noch um
2% steigen, der Angleichungsprozess zum Westen hin würde aber nur noch verlangsamt
vorankommen. Deutsch et al. (2004) kommen in einer Projektionsrechnung auf Basis eines growthaccounting-Ansatzes sogar zu dem Ergebnis, dass das BIP pro Kopf von rund zwei Dritteln des
westdeutschen Niveaus im Jahre 2002 infolge demographischer Entwicklung auf weniger als 60% im
Jahre 2020 zurückgehen dürfte. Es ist offenkundig, dass diese negativen Trends in Regionen mit
besonders starkem Bevölkerungsrückgang noch viel stärker ausgeprägt sein werden. Auch dies spricht
dafür, dass der Konvergenzprozess gerade bei regional differenzierter Betrachtung künftig nur noch
wenig vorankommen wird.
Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf Gründungsaktivitäten
Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt angesprochen, dürfte sich die demographische
Entwicklung auch negativ auf die Zahl künftiger Unternehmensgründungen auswirken. Hier sind
mehrere Wirkungskanäle zu unterscheiden. So ist einerseits zu erwarten, dass sich die Alterung und
Schrumpfung des Erwerbspersonenpotentials direkt in einer Verminderung der Zahl potentieller
Gründerpersonen niederschlägt, weil eine Unternehmensneugründung typischerweise am Beginn einer
Erwerbsbiographie erfolgen. Andererseits verändern die demographischen Trends auch die
ökonomischen Rahmenbedingungen, unter denen Neugründungen stattfinden. In diesem Abschnitt
sollen diese direkten und indirekten Zusammenhänge empirisch überprüft werden.6
Auch wenn in der Gründungsforschung die primär personenorientierte Sichtweise des
Gründungsgeschehens inzwischen an Einfluss verloren hat, wird den individuellen Charakteristika von
Existenzgründern doch ein wesentlicher Einfluss zugeschrieben. Insbesondere die im
demographischen Kontext wichtigen Eigenschaften des Alters und des Geschlechts, aber auch des
Familienstandes werden regelmäßig als signifikante Einflussgrößen identifiziert (KfW (2004)). Eine
Auswertung des Mikrozensus 2002 zeigt, dass vor allem in der Generation der 25- bis 39jährigen die
Gründungswahrscheinlichkeit überdurchschnittlich hoch ist. In den älteren Kohorten der über
54jährigen hingegen finden Gründungen in nennenswerter Anzahl nicht mehr statt (vgl. Abbildung 4).
Regressionsschätzungen zeigen überdies, dass neben dem Alter eine Reihe weiterer
personenbezogener
Faktoren
(Geschlecht,
Staatsangehörigkeit,
Familienstand),
das
Qualifikationsniveau der Gründer sowie auch umweltspezifische Einflüsse (Gemeindegröße,
Selbständigenquote im jeweiligen Bundesland) eine gewichtige Rolle spielen (Ragnitz et al (2007) S.
83ff). Aus den Regressionsschätzungen lässt sich dabei ein umgekehrt U-förmiger Verlauf der
Gründungsneigung ermitteln, wobei das Maximum der Gründungswahrscheinlichkeit bei 32,6 Jahren
liegt. Ab dem Alter von 45 Jahren liegt die Gründungsneigung bereits wieder unter den Werten für die
20jährigen. Dabei sind die Gründer von Unternehmen des sekundären Sektors im Durchschnitt
deutlich älter als Gründer von Unternehmen des Dienstleistungssektors.
6
Die Ergebnisse des folgenden Kapitels basieren auf Vorarbeiten, die das IWH in einer Studie für das
Bundeswirtschaftsministerium erarbeitet hat. Vgl. Ragnitz et. al. (2007).
20
Abbildung 4. Altersspezifische Gründungsquoten - nach Art der Selbständigkeit
1,2%
1,0%
0,8%
0,6%
0,4%
0,2%
0,0%
18-24
25-29
30-34
Selbstständige o hne B eschäftigte
35-39
40-44
45-49
Selbstständige mit B eschäftigten
50-54
55-59
60-65
M ithelfende Familienangehö rige
Quelle: Ragnitz et al. (2007)
Für die zurückgehende Gründungsneigung bei zunehmendem Alter gibt es eine ganze Reihe
intuitiver Erklärungen. Ein wesentlicher Aspekt ist sicherlich die individuelle Lebensgestaltung (also
die Entscheidung zwischen Selbständigkeit und abhängiger Beschäftigung), die in ihren Grundzügen
am Anfang des Berufslebens geklärt werden muss. Hinzu kommt, dass mit zunehmendem Alter und
sozialer Bindung sowohl die räumliche als auch die berufliche Mobilität abnimmt und einmal
eingeschlagene Berufswege nicht mehr so leicht verlassen werden. Hierfür spielen neben
psychologischen Faktoren auch ökonomische Gründe eine Rolle, weil etwaige Senioritätskomponenten in der Entlohnung die Opportunitätskosten der Gründung für ältere Beschäftigte erhöhen. Eine
weitere entscheidende Rolle dürfte die Entwertung von Humankapital spielen. Im Schnitt liegt die
berufliche Ausbildung bei Älteren weiter zurück, wodurch insbesondere Gründungen in
wissensintensiven Segmenten unwahrscheinlicher werden. Hinzu kommt, dass mit steigendem Alter
der Anteil spezifischen Wissens am individuellen Humankapital zunimmt, das durch einen beruflichen
Wechsel (also auch eine Gründung) zum Teil entwertet würde. Auch damit steigen die
Opportunitätskosten einer Gründung. Schließlich kommt hinzu, dass die Risikoneigung Älterer
tendenziell abnimmt, weil die Zeit zum Aufbau von risikotragendem Vermögen in einer Neugründung
mit zunehmendem Alter immer knapper wird. Außerdem dürften junge Existenzgründer weniger
Kreditrestriktionen von Banken gegenüberstehen, da der Barwert des zukünftigen Einkommens und
damit auch das pfändbare Vermögen ceteris paribus höher ist als bei älteren Personen.
Wird unterstellt, dass die aus dem Mikrozensus ermittelten Gründungsquoten in den nächsten
Jahren unverändert bleiben (was impliziert, dass die demographische Entwicklung die
Rahmenbedingungen für Unternehmensneugründungen unverändert lässt), so kann mit Hilfe einer
shift-share-Analyse eine Abschätzung der künftigen Gründungszahlen vorgenommen werden.7 Bei
dieser Rechnung wird ermittelt, wie sich die Zahl der Gründungen allein aufgrund demographischer
Einflüsse (unterschiedlich starke Veränderung der Besatzziffern in den einzelnen Alterskohorten)
verändert. Wie Abbildung 5 zeigt, wird danach bis zum Jahr 2020 die Zahl der neuen Selbstständigen im
Ostteil Deutschlands um über 25% sinken. Besonders betroffen davon sind Brandenburg und
7
Wie bereits erwähnt, ist nicht auszuschließen, dass die Gründungsneigung in der Bevölkerung insgesamt auch deswegen
sinkt, weil die Wanderungsbereitschaft bei potentiellen Gründern höher. Allerdings liegen hierüber bislang keine
empirischen Ergebnisse vor.
21
Mecklenburg-Vorpommern; Berlin hingegen wird nur einen eher geringen Rückgang der
Gründungszahlungen hinzunehmen haben.
Abbildung 5. Entwicklung der Gründungszahlen bis 2020 – Ergebnisse einer shift-share-Analyse
70000
60000
50000
40000
30000
20000
10000
0
2002
2004
18-24
2006
25-29
2008
30-34
2010
35-39
2012
40-44
2014
45-49
50-54
2016
55-59
2018
2020
60-65
Source: Ragnitz et al. (2007).
Eine Aufgliederung in die demographischen Einzeleffekte zeigt, dass der überwiegende Teil des
Rückgangs der Gründungszahlen bis 2020 der Bevölkerungsschrumpfung in Ostdeutschland geschuldet ist. Allein dies trägt zu einem Rückgang der Gründungen um 17% bei. Die Alterung, also die
Verschiebungen in der Altersstruktur, führt für sich genommen nur zu einem Rückgang der
Gründungszahlen um 8%.
Die Entscheidung, sich selbständig zu machen, ist allerdings nicht allein von den persönlichen
Charakteristika des potentiellen Gründers abhängig. Vielmehr wird die Entscheidung maßgeblich
durch die angebots- und nachfrageseitigen Bedingungen in der jeweiligen Region mitbestimmt. Die
demographische Entwicklung kann das Gründungsgeschehen damit nicht nur direkt über das Potential
an geeigneten Gründerpersonen beeinflussen, sondern ebenfalls über die sich demographiebedingt
ändernden ökonomische Rahmenbedingungen.
Da mit abnehmender Bevölkerung auch die Güternachfrage in einer Region zurückgeht,
verschlechtern sich die Bedingungen für Unternehmensgründungen in Sektoren, die vornehmlich
nicht-handelbare Güter herstellen. Hiervon betroffen sind insbesondere der (haushaltsnahe)
Dienstleistungssektor sowie das primär lokal orientierte Handwerk. Für die Produktion von
handelbaren Gütern sind hingegen eher die angebotsseitigen Bedingungen von Relevanz und damit die
Verfügbarkeit und der Preis von Arbeitskräften, Humankapital und Wissen. Eine gute Ausstattung mit
Humankapital sollte Gründungen dabei ebenso begünstigen wie ein moderates Lohnniveau. Auch
diese Faktoren werden sich aber durch die demographische Entwicklung tendenziell verschlechtern.
Ökonometrische Schätzungen bestätigen diese Überlegungen. Neben der Einwohnerdichte hat
vor allem in Ostdeutschland auch die Höhe der verfügbaren Einkommen in einer Region einen
signifikanten Einfluss auf die Zahl der Unternehmensgründungen; dies gilt insbesondere für eher lokal
22
orientierte Kleingründungen. Darüber hinaus zeigt es sich, dass auch die Erreichbarkeit einer Region
einen gewichtigen Einfluss auf die Zahl der Gründungen ausübt; periphere Regionen weisen
signifikant geringere Gründungszahlen auf. Dies entspricht dem Vorverständnis, dass Lagegunst und
Infrastrukturanbindung einen bedeutsamen Standortfaktor auch für Gründungen darstellen.
Alles in allem ist damit zu rechnen, dass die Gründungsintensitäten gerade in den vom
demographischen Wandel besonders stark betroffenen Regionen deutlich zurückgehen werden.
Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass ein alterungsbedingter Strukturwandel zu einem Gründungsimpuls in bestimmten Branchen (z.B. Gesundheits- und Freizeitdienstleistungen) führen könnte.
Eine nachlassende Zahl von Gründungen kann negative Impulse auf die weitere wirtschaftliche
Entwicklung in den neuen Ländern auslösen. Unternehmensgründungen sind zum einen wichtig zur
Sicherung des Unternehmensbestandes, denn schon aus Altersgründen werden künftig eine ganze
Reihe von Unternehmen schließen müssen. Die große Gründungswelle in Ostdeutschland datiert aus
den Jahren 1990-1992; unterstellt man, dass der größte Teil der damaligen Unternehmensgründer in
den kommenden Jahren in den Ruhestand tritt, so ergeben sich aus der geringeren Zahl potentieller
Selbstständiger erhebliche Nachfolgeprobleme in diesen Unternehmen (vgl. Berlemann u.a. (2007)).
Zum anderen sind Neugründungen von Unternehmen wichtig zur Erneuerung der technologischen
Basis einer Volkswirtschaft und zur Durchsetzung innovativer Ideen; soweit aus demographischen
Gründen die Zahl der Gründungen zurückgeht, reduziert sich damit auch die technologische Basis für
erhöhtes Wirtschaftswachstum. Beides spricht dafür, dass die Politik der Verbesserung der
Rahmenbedingungen für Existenzgründungen auch künftig hohe Beachtung schenken sollte.
Wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen
Es stellt sich die Frage, ob und wie die Wirtschaftspolitik auf die gedämpften
Konvergenzaussichten der ostdeutschen Wirtschaft mit spezifischen Maßnahmen reagieren soll. Das
„ob“ ist dabei keineswegs trivial; es gibt in Europa und weltweit eine ganze Reihe von Beispielen
dafür, dass die Wirtschaftspolitik die Entleerung und damit die wirtschaftliche Schwächung auch
größerer Gebietsteile hingenommen oder sogar aktiv gefördert hat. Darüber hinaus gibt es Beispiele
für altindustrielle Regionen, wo nach mehreren Jahre oder gar Jahrzehnten sich endogene Potentiale
neu entwickelt haben und zu wieder steigender Prosperität beigetragen haben. Gerade weil die
räumlichen Entfernungen zwischen den peripheren Regionen in Ostdeutschland und den
wirtschaftlichen Zentren in den neuen Ländern selbst bzw. in Westdeutschland und dem angrenzenden
Ausland nicht besonders groß sind, wäre ein Verzicht auf ausgleichende Regionalpolitik
möglicherweise auch mit nur geringen Anpassungslasten für die betroffene Bevölkerung verbunden.
Die die deutsche (und zunehmend auch die europäische) Regionalpolitik prägende Vorstellung
einer „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ spricht allerdings dafür, dass die Politik auch künftig
regionalpolitische Maßnahmen ergreifen wird, die dem Ausgleich regionaler Divergenzen dienen
sollen. Insoweit ist die Frage nach dem „ob“ von regionalen Ausgleichspolitiken eher akademischer
Natur. Vielmehr ist dann zu überlegen, mit welchen Maßnahmen eine günstigere Entwicklung vor
allem in den peripheren Regionen erreicht werden kann.
Die bisher verfolgte regionalpolitische Strategie setzte (neben der sozialpolitischen Flankierung)
vor allem auf Investitionshilfen für Unternehmen sowie auf die Unterstützung der regionalen
Innovationstätigkeit. Dabei ist zunehmend eine Gewichtsverlagerung zugunsten der
Innovationsförderung festzustellen. Hierfür spricht tatsächlich einiges, da der Kapitalstock in
bestehenden Unternehmen inzwischen weitgehend modernisiert und an westdeutsche
Kapitalintensitäten angeglichen ist; lediglich mit Blick auf die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze
haben Investitionshilfen weiterhin ihre Berechtigung. Auch aus diesem Grund haben der Bund und die
23
meisten ostdeutschen Länder inzwischen die Gewährung von Investitionszuschüssen und –zulagen an
die Bedingung der Schaffung neuer Arbeitsplätze gekoppelt. Die Innovationsförderung hingegen zielt
unmittelbar auf die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit bestehender Unternehmen und kann auf
diese Weise in stärkerem Maße als die reine Investitionsförderung dazu beitragen, die vorhandene
Unternehmensbasis zu stabilisieren. Durch ihren Einsatz als regionalökonomisches Instrument ist die
Innovationsförderung dabei zunehmend auch breit einsetzbar, also nicht mehr nur allein auf bestimmte
Technologiebereiche beschränkt. Dies hat dazu beigetragen, auch in anderen Sektoren als dem
typischen „Hochtechnologiebereich“ die Innovationstätigkeit anzuregen und damit die regionale
Wirtschaftsstruktur zu stärken. Zum Ausdruck kommt dies insbesondere in den Förderprogrammen
des BMBF, die unter der Überschrift „Unternehmen Region“ firmieren und die in ihren verschiedenen
Programmschwerpunkten einen expliziten regionalen Ansatz wählen, der weitgehend unabhängig ist
von technologischen Überlegungen. Dementsprechend werden beispielsweise auch innovative
Konzepte im Dienstleistungssektor oder im Tourismusbereich als förderfähig angesehen
Die stärkere Betonung der Innovationsförderung (bei gleichzeitiger Beibehaltung ausgewählter
Investitionsförderprogramme) kann überdies auch als ein Mittel zur Stabilisierung bereits bestehender
Unternehmen interpretiert werden. Zwar ist es in einer Marktwirtschaft hinzunehmen, dass nicht
wettbewerbsfähige Unternehmen aus dem Markt ausscheiden; angesichts der in vielen Fällen aber
noch unzureichenden Eigenkapitaldecke von Unternehmen und bestehender Unvollkommenheiten der
Kreditmärkte insbesondere für Innovationsfinanzierungen ist es aber gerechtfertigt, dass der Staat auch
„Bestandspflege“ betreibt. Dies darf aber nicht dazu führen, dass unvermeidliche
Bereinigungsprozesse unterbunden werden. Hierzu kann es beitragen, wenn Gelder in vermehrtem
Maße in Form von Darlehen (anstelle verlorener Zuschüsse) ausgereicht werden.
An der skizzierten grundlegenden Ausrichtung der Förderpolitik für die neuen Länder sollte auch
künftig festgehalten werden. Grundsätzlich sollte dabei aber eine stärkere Selektivität greifen, und
zwar in technologischer und auch regionaler Hinsicht. Fördermittel sollten nach Möglichkeit auf die
entwicklungsfähigen Branchen einer Region konzentriert werden, um auf diese Weise nachhaltige
Effekte für die weitere wirtschaftliche Entwicklung zu erzielen. Hier ist insbesondere auch an die
tatsächlichen und potentiellen Wachstumspole zu denken.
Ob dies aber ausreicht, die zu erwartende Erosion der wirtschaftlichen Basis gerade in den
peripheren Regionen aufzuhalten, ist eher ungewiss. Vielmehr spricht einiges dafür, hier vermehrt
auch auf die Neuansiedlung bzw. Neugründung von Unternehmen zu setzen. Da es aber illusorisch
erscheint, durch Ansiedlungshilfen international agierende Großunternehmen zur Wahl eines Standorts
gerade in diesen Regionen zu bewegen, wird man sich dabei vor allem auf die Stärkung endogener
Gründungspotentiale konzentrieren müssen. Die Ansiedlungsförderung – die auch ihre Berechtigung
hat – sollte hingegen vor allem auf die Agglomerationsräume konzentriert werden, auch damit diese
sich zu echten „Wachstumspolen“ mit entsprechenden Ausstrahleffekten hin entwickeln können.
Wie die Ausführungen in Abschnitt 4 gezeigt haben, wird die Erweiterung der unternehmerischen
Basis durch Existenzgründungen vor allem durch die zu erwartende demographische Entwicklung
erschwert. Es scheint wenig sinnvoll, dem mit bevölkerungspolitischen Maßnahmen entgegenwirken
zu wollen. Soweit diese sich auf Anreize zur Änderung des Gebärverhaltens richten, kann dies
bestenfalls langfristige Effekte haben; soweit es um eine Verbesserung der sozialen
Lebensbedingungen in von Abwanderung geprägten Regionen handelt, verkennt dies die in den
meisten Fällen ausschlaggebende Ursache für Wanderungsbewegungen, nämlich dem Mangel an
Arbeitsplätzen und damit an Perspektiven in der Region. Insoweit ist eine Stabilisierung der
wirtschaftlichen Entwicklung auch mit Blick auf demographische Entwicklung zwingend erforderlich.
24
Gleichwohl kann und sollte dem negativen Einfluss des Rückgangs der Bevölkerungszahl in den
jüngeren Kohorten im Hinblick auf Gründungsaktivitäten in den einzelnen Regionen in verschiedener
Weise entgegengewirkt werden, wobei dies grundsätzlich für ganz Deutschland gilt. Erforderlich ist es
zunächst, dass die Selbständigkeit als Alternative zur abhängigen Beschäftigung stärker propagiert
wird. Hierzu ist vermutlich bereits in der Schulausbildung anzusetzen, da viele Lehrer – gerade auch in
Ostdeutschland – ihren Schülern ein negativ verzerrtes Bild des Unternehmers vermitteln. Auch an
den Universitäten sollte verstärkt für die Selbständigkeit geworben und ausgebildet werden, so durch
die Vermittlung entsprechender Kenntnisse auch in anderen als betriebswirtschaftlichen
Studiengängen. Ein zweiter Ansatz ist es, die Risiken einer Unternehmensgründung gerade auch für
ältere Personen zu mindern. Hierzu käme beispielsweise eine Versicherungslösung in Betracht, indem
Existenzgründer mit geringen (oder auch: einkommensabhängigen) Beiträgen Ansprüche gegen die
Gesetzliche Arbeitslosenversicherung für den Fall eines Scheiterns ihres Vorhabens erwerben können.
Darüber hinaus scheint es gerade für ältere Gründer wichtig zu sein, entsprechende Beratungsangebote
nutzen zu können; diese sollten gegebenenfalls vom Staat subventioniert werden.
Schließlich ist es sicherlich erforderlich, die vorhandenen Instrumente der
Gründungsfinanzierung fortzuführen, wobei hier vor allem darauf zu achten ist, dass das
Hausbankprinzip nicht dazu missbraucht wird, überhöhte Anforderungen an Bonität und
Zukunftsfähigkeit eines Gründungsvorhabens zu stellen. Auch hierbei sollten verstärkt Darlehen (im
Sinne revolvierender Fonds) vergeben werden, da diese mit Blick auf ihre Anreizwirkungen
(Rückzahlungsverpflichtungen) und ihrer eigenkapitalsubstituierenden Wirkungen (Verbesserung der
Kreditwürdigkeit) günstiger einzuschätzen sind als die Förderung mittels „verlorener Zuschüsse“.
Zudem kann auf diese Weise der absehbaren Verminderung des verfügbaren Fördermittelvolumens
entgegengewirkt werden.
Ein bislang nur unzureichend ausgeschöpftes Potential von Unternehmensgründungen stellen
Ausgründungen aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen einerseits und forschenden
Großunternehmen andererseits dar. Zwar sind dies typischerweise nicht in den peripheren Regionen
angesiedelt; gleichwohl könnten vermehrte Gründungen auch in den Agglomerationsräumen die
strukturelle Schwäche der ostdeutschen Ballungszentren überwinden helfen und auf mittlere bis lange
Sicht dazu beitragen, dass diese die Funktion von Wachstumspolen einnehmen, die dann auch in die
Peripherie ausstrahlen. Neben den bereits angesprochenen Anreizen für vermehrte Selbständigkeit
können hierzu erleichterte Möglichkeiten eines Wechsels von Forschungseinrichtungen in die
Wirtschaft und zurück beitragen.
Bei alledem ist freilich zu bedenken, dass Gründungen angesichts schrumpfender Bevölkerung
nur dann hohe Wachstumsbeiträge für die regionale Entwicklung leisten können, wenn sie nicht
primär auf die lokale Nachfrage ausgerichtet sind, sondern auf die Erschließung überregionaler Märkte
abzielen; in diesem Fall entfällt die Abhängigkeit von der tendenziell nur noch schwach zunehmenden
Binnennachfrage in Ostdeutschland selbst, weil Einkommen von außen attrahiert werden können. Bei
Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmensgründungen sollte dieser strukturelle Effekt
beispielsweise durch gestaffelte Fördersätze berücksichtigt werden.
Mit Blick auf den demographisch bedingten Fachkräftemangel ist es weiterhin sinnvoll, verstärkt
in das Bildungssystem zu investieren. Derzeit verlässt ein überproportional hoher Anteil aller Schüler
das Schulsystem ohne jeden Abschluss, was nicht nur damit zu tun haben dürfte, dass es in den neuen
Ländern relativ viele bildungsferne Bevölkerungsschichten gibt, sondern auch auf eine zu geringe
individuelle Förderung von Schülern mit Lernproblemen zurückzuführen sein dürfte. Zudem ist die
Studierneigung insbesondere von jungen Männern in Ostdeutschland deutlich niedriger als in
Westdeutschland. Dementsprechend ist die Politik gefordert, auf allen Ebenen des Bildungssystems
Verbesserungen zu erzielen, so durch Verjüngung des Lehrpersonals an den Schulen, durch
25
Überarbeitung der Lehrpläne und durch Schaffung attraktiver Studienbedingungen. Nicht zu
vernachlässigen ist überdies die Weiterbildung bereits erwerbstätiger Personen; im europäischen
Vergleich weist Deutschland insgesamt relativ niedrige Weiterbildungsquoten auf, insbesondere bei
Personen im Alter von 50 Jahren und mehr. Auch wenn die Notwendigkeit einer Änderung dieser
Situation allmählich erkannt zu sein scheint, ist insbesondere in Ostdeutschland der Zwang zu handeln
besonders stark ausgeprägt.
Alles in allem ist es notwendig, verstärkt die regionalen Akteure in die Konzipierung regionaler
Entwicklungsstrategien einzubinden. Gerade in den peripheren Regionen herrscht vielfach noch eine
passive Grundhaltung vor, die auf Impulse „von oben“ vertraut, was nicht zuletzt eine Spätfolge der
DDR ist. Gerade dort, wo die engagierteren Bevölkerungsschichten inzwischen abgewandert sind,
stellt dies ein nicht zu unterschätzendes mentales Hindernis für die Verbesserung der wirtschaftlichen
Lage dar, das nur durch Aufklärung und Unterstützung zivilgesellschaftlichen Engagements
überwunden werden kann. Hierzu sind alle relevanten Akteure auf der regionalen Ebene einzubinden,
also sowohl die kommunale Verwaltung, die regionale Unternehmerschaft, und Institutionen der
Bürgergesellschaft. Erleichternd kann es dabei wirken, wenn auf regionaler Ebene durch Aufhebung
zentral vorgegebener Standards zusätzliche Freiräume für unternehmerisches Engagement geschaffen
werden können.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass gerade in den peripheren Regionen
häufig die Vernetzung lokaler Akteure noch unzureichend ist. Soweit derartige Initiativen nicht aus
eigenem Antrieb zustande kommen, sollten auch von der Bundes- und Landespolitik entsprechende
Initiativen unterstützt werden, beispielsweise durch temporäre Finanzierung von Netzwerkmanagern.
Auch der Einsatz von „Business Angels“ kann hierfür dienlich sein.
Es ist freilich auch bei Umsetzung dieser Maßnahmen wenig realistisch anzunehmen, dass die
Auswirkungen der regional differenzierten Bevölkerungsentwicklung bzw. die Unterschiedlichkeit der
regionalen Standortbedingungen vollständig überwunden werden können, also eine überall
gleichmäßige Wirtschaftsentwicklung erreicht wird. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass eine Reihe
von ostdeutschen Regionen dauerhaft zurückbleibt. Angesichts knapper werdender öffentlicher Mittel
sollte auch nicht versucht werden, dem durch vermehrte Förderung entgegenzuwirken. Wenn einzelne
Regionen sich dauerhaft entleeren, kann dies aus ökologischen Gründen sogar als eine positive
Entwicklung angesehen werden. Insoweit scheint es an der Zeit, auch das Prinzip der
„Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ neu zu interpretieren und Mindeststandards der öffentlichen
Daseinsvorsorge regional differenziert auszugestalten.
Literatur
Berlemann, M. et al. (2007), “Unternehmensnachfolge im sächsischen Mittelstand”, ifo Dresden
berichtet, Vol. 1/2007, pp. 15-28.
Brandenburg, B. (2006), “Wachsende Heterogenität in der Humankapitalausstattung der
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27
FÖRDERUNG DES UNTERNEHMERTUMS IN OSTDEUTSCHLAND: KOORDINIERUNG
VERSCHIEDENER POLITIKBEREICHE IN EINEM SICH WANDELNDEN
WIRTSCHAFTLICHEN UMFELD
Heike Grimm, Deutschland
Einleitung
Der Schlüssel zur Förderung eines Standortes liegt in der umfassenden Kenntnis und Einsicht in
die Politiken und Strategien, die einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung leisten. Die
Geschichte der Wirtschaftsentwicklung ist bislang oftmals die Geschichte von Nationalstaaten; in den
vergangenen Jahren werden jedoch zunehmend Einheiten auf kommunaler Ebene analysiert.
Erfolgreiche nationale Entwicklungs-„Modelle“ wurden ausgiebig untersucht, und für weniger
erfolgreiche Staaten wurden nationale Handlungsempfehlungen entwickelt (vgl. beispielsweise
Reynolds et al. 2003). Das vorrangige Augenmerk gilt jedoch spezifischen, hinter dem
Gesamtentwicklungsstand eines Staates zurückbleibenden Regionen und deren erfolgreicher
Entwicklung. In diesem Kontext geht es auch um einen spezifischen, für die Wirtschaftsentwicklung
einer Region zweckdienlichen Politik-Mix. Damit stellt sich die Kernfrage des räumlichen Aspektes
wirtschaftlicher Entwicklung. Weshalb übernehmen manche Regionen die Führung, während andere
Regionen zurückbleiben? Diese Frage ist bislang unbeantwortet geblieben, weil keine zureichenden
regionalen Fallstudien vorliegen und weil noch nicht ausreichend verstanden wird, welche Politiken
und Strategien auf kommunaler Ebene zur Wirtschaftsentwicklung beitragen. Nach wie vor besteht das
Risiko, dass bekannte, auf Gesamtstaatsebene gut funktionierende Strategien auch auf regionaler und
kommunaler Ebene eingesetzt werden und dass dabei die spezifischen Unterschiede zwischen der
gesamtstaatlichen Ebene und den Regionen nicht ausreichend bedacht wird. Überdies besteht eine
zunehmende Tendenz zur Übertragung von Politiken über Landesgrenzen und regionale
Wirtschaftsräume hinweg, die zwar an manchen Orten zur wirtschaftlichen Entwicklung beizutragen
scheint, an anderen Orten jedoch aufgrund ausgeprägter historischer, kultureller und institutioneller
Eigenarten wirkungslos bleibt.
Fest steht, dass es in diesem Bereich keine einheitliche Patentlösung gibt. Jeder Raum - ein Staat,
eine Region oder eine Stadt - muss seinen eigenen optimalen Politik-Mix auf der Grundlage der
jeweils eigenen historischen, kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Erfahrungen
entwickeln. In diesem Zusammenhang bietet die OECD-LEED-Studie „Stärkung von
Unternehmertum und wirtschaftlicher Entwicklung in Ostdeutschland“ neue Einsichten in Politiken
und Programme, die in den ostdeutschen Regionen zur Förderung der Wirtschaftsentwicklung und des
unternehmerischen Engagements entwickelt und umgesetzt wurden. Die Studie konzentriert sich auf
sechs Regionen und ihre spezifischen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Der
Schwerpunkt liegt auf der Förderung unternehmerischen Engagements, dessen zentrale Rolle für die
Wirtschaftsentwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen inzwischen sowohl von der
Wissenschaft wie von der Politik allgemein anerkannt wird.
Die Politik und Strategieentwicklung auf europäischer Ebene ist von Bedeutung für die
Entwicklung des Unternehmertums in den Mitgliedsstaaten sowohl auf nationaler wie auf
subnationaler
Ebene.
Im
EU-Programmzeitraum
2006-2007
wurden
verschiedene
29
Kohäsionsinstrumente - vorrangig die Strukturfonds - zur Umsetzung der sog. Lissabon-Strategie
geschaffen (Audretsch & Grimm 2005). Mit der Lissabon-Strategie und dem Mandat von Lissabon
verpflichtete sich die EU-Kommission zur Förderung des Unternehmertums als Kernelement der
Förderung von Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum ab dem Jahr 2000. Mit diesem neuen
Mandat und diesem neuen Ansatz zur Schaffung von Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätzen schuf
der Europäische Rat in Lissabon eine umfassende Strategie zur Verbesserung der
Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) sowie zur Erzielung
nachhaltigen Wachstums. Im Jahr 2000 legte der Europäische Rat in Lissabon ein klares strategisches
Ziel fest, um die Europäische Union zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten
Wirtschaftsraum der Welt mit nachhaltigem Wirtschaftswachstum, mehr qualitativ hochwertigen
Arbeitsplätzen und stärkerem sozialem Zusammenhalt“ zu machen. Ab dem Jahr 2000 entwickelte die
Europäische Kommission neben dem europäischen Integrationsprozess neue politische
Rahmenbedingungen, zu denen unter anderem eine umfassende Strategie zur Förderung des
Unternehmertums in den europäischen Staaten und Regionen gehört. Damit wurde ein Beitrag zur
Gestaltung und Umsetzung von Unternehmensfördermaßnahmen auf nationaler und kommunaler
Ebene geleistet. Die in Europa mit Beginn des neuen Jahrtausends entwickelten neuen
Rahmenbedingungen verfolgen ein gemeinsames Ziel: die Verbesserung des Umfeldes für
unternehmerisches Engagement. Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung der neuen europäischen
Wachstumsstrategie zu betrachten, wie sie vom Europäischen Rat in Lissabon formuliert wurde, um
eine bessere Einsicht in die Umsetzung der neuen europäischen Wachstumsstrategie im Rahmen einer
Entwicklungsstrategie unter zentraler Berücksichtigung des Unternehmertums zu gewinnen. Die
zentrale Rolle der Unternehmensförderung als wirtschaftliche Entwicklungsstrategie entspricht ganz
der europäischen Wachstumspolitik. Die umfassende Anregung des Lissabonner Mandats für die
Stärkung des europäischen Wachstums durch Schaffung eines Europa des Unternehmertums ist ohne
die kommunale Umsetzung undenkbar.
Im Rahmen der Wiedervereinigung wurden sechs neue Bundesländer in die Bundesrepublik
Deutschland aufgenommen. Die Bundesregierung stellte umfangreiche Finanzmittel für den Transfer
in das vormalige Ostdeutschland in den Haushalt ein, um gleiche Lebensbedingungen und
vergleichbare öffentliche Leistungen in den neuen Bundesländern zu gewährleisten. Aufgrund dieses
Transfers und des Vereinigungsprozesses wurde die Rolle der Bundesregierung umfassend gestärkt,
und zentralistische Tendenzen gewannen an Bedeutung. Diese zentralistischen Entwicklungen
innerhalb Deutschlands liefen dem generellen Regionalisierungsprozess in Europa zuwider, der durch
die europäische Integration beschleunigt wurde (Burgess und Gagnon 1993). Die wirtschaftliche
Transformation und die Entwicklung des Unternehmertums in den ostdeutschen Ländern wurden erst
vor dem Hintergrund der genannten Finanztransfers möglich, die von der Europäischen Union
gefördert wurden. Im Zeitraum 2000 bis 2006 wurden 226 Milliarden Euro in die sog. Zielregionen 1
in ganz Deutschland, einschließlich der ostdeutschen Länder investiert. Innerhalb von sechs Jahren
erhielt Deutschland 33,2 Milliarden Euro vorrangig zur Unterstützung des Wandlungsprozesses in den
ostdeutschen Ländern. Die sozioökonomische und politische Transformation konnte mit diesem
eindrucksvollen Mitteltransfer sowie mit Hilfe einer neuen (Unternehmens-) Förderpolitik auf
Landesebene und kommunaler Ebene in Ostdeutschland umgesetzt werden. Es ist daran zu erinnern,
dass die im Wandel begriffenen ehemaligen sozialistischen Staaten andere Entwicklungsziele haben
als sonstige deutsche kreative Zentren wie beispielsweise München (Bayern) oder Stuttgart (BadenWürttemberg) und dass hier auch andere Handlungsumfelder gegeben sind. Das Entwicklungsziel
besteht hier eher in der Schaffung der Grundlagen für eine nachhaltige künftige Entwicklung als im
Wettbewerb mit den „Großen“. Das vorrangige Entwicklungsziel der genannten Regionen lässt sich
wie folgt charakterisieren: Schaffung einer wirtschaftlichen und nachhaltigen Basis für den
Wettbewerb in einer globalen Marktwirtschaft bei gleichzeitigen beträchtlichen Herausforderungen
wie der Abwanderung, die zu einem „langfristigen Wettbewerbsnachteil“ führen (Camagni 2002).
30
Interessant ist die Beobachtung, dass sämtliche deutschen Regierungen seit dem Jahr 2002 ihre
Unternehmensförderpolitik stetig intensiviert haben, um das Wirtschaftswachstum in den neuen und
alten deutschen Bundesländern zu unterstützen. Die politisch Verantwortlichen streben mit einer
großen Bandbreite neuer Programme und Initiativen eine Verbesserung des Umfeldes für
Unternehmensneugründungen sowie für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) an. Nachdem sich
die Belege dafür gehäuft hatten, dass das nationale, regionale und kommunale Wachstum eng mit
einem bedeutenden Jahreszuwachs bei Unternehmensneugründungen sowie mit starken Umsatzzahlen
alter und neuer Unternehmen zusammenhängt, wurden zahlreiche Programme zur öffentlichen
Förderung von Startups entwickelt und umgesetzt (Audretsch und Fritsch 1992; Sternberg, Otten und
Tamàsy 2000; Sternberg und Bergmann 2002; Reynolds et al. 2001; Reynolds und Storey 1994). Mit
anderen Worten haben alle deutschen politischen Parteien mehr oder minder umfassend die Ansicht
übernommen, dass Wirtschaftswachstum eng mit günstigen Rahmenbedingungen für Unternehmen
zusammenhängt, und sie haben seither die Umsetzung neuer Politiken zur Förderung von
Unternehmensneugründungen und unternehmerischem Engagement als zentrale Aufgabe erkannt.
Ohne Zweifel sind diese Initiativen auf Bundesebene ein Schritt in die richtige Richtung. Nach
jüngeren Forschungsergebnissen und Daten wissen wir, dass kommunale Fördermaßnahmen für
Unternehmensneugründungen ein wichtiger Wachstumsfaktor sind. Diese Maßnahmen sind von kaum
zu überschätzender Bedeutung (wenn sich auch Gestaltung und Schwerpunkte der Förderpolitik nach
Regionen und Staaten deutlich voneinander unterscheiden können) und gelten als wichtige Faktoren
für die regionale Wirtschaftsentwicklung (Audretsch 2002; Lall und Yilmaz 2001). In Deutschland
haben die Bundesländer, die Landkreise und die Gemeinden erfolgreich regionale und kommunale
Imagekampagnen, Strategien und Politiken für die Förderung von Unternehmensneugründungen und
des interregionalen Wettbewerbs sowie im globalen Kontext zur Förderung des Wettbewerbs mit
anderen Regionen und Ballungszentren in der ganzen Welt entwickelt. Die Unterstützung von „Local
Heroes“, vorwiegend neue, innovative, kleine Unternehmen und Einzelunternehmer, ist zu einem
wichtigen Wachstumsfaktor geworden. Diese „Local Heroes“ haben erfolgreich Arbeitsplätze
geschaffen, innovative Nischen besetzt und sich flexibel an ein in permanenter Wandlung begriffenes
globales Umfeld angepasst (Audretsch und Wessner 2005).
Auch auf kommunaler Ebene gab es bedeutende Anstrengungen zur Verbesserung der
Rahmenbedingungen für Unternehmen. In einer globalisierten Welt, in der Städte und Regionen um
Investoren und Konsumenten konkurrieren, werden kommunale Handlungsansätze immer wichtiger.
Das „strategische Standortmanagement“ (Audretsch 2003, 20) wird zu einer zentralen Aufgabe der auf
kommunaler Ebene politisch Verantwortlichen, die ihre jeweilige Region oder Stadt mit Nachdruck
unterstützen müssen. Die Kommunalpolitiker wissen am besten, wie ihr Standort optimal zu fördern
ist. Die Bundespolitik bietet einen wichtigen und hilfreichen Rahmen für die Förderung von
Unternehmensneugründungen und KMU an; jedoch werden die wichtigsten Impulse für die Förderung
des Wirtschaftswachstums - das sich als regional geprägter Prozess erwiesen hat - vorwiegend von
politischen Maßnahmen vor Ort erwartet (Feldman 2001; Bonser und Audretsch 2001; Ohmae 1995;
Taylor 2002). Zwar hat die Rolle der kommunalen und regionalen Politik in der Förderung
unternehmensfreundlicher Rahmenbedingungen an Bedeutung gewonnen, jedoch haben sich die
Handlungsspielräume der vor Ort politisch Verantwortlichen zur Gestaltung des unternehmerischen
Umfeldes mit Hilfe neuer unternehmenspolitischer Ansätze in den vergangenen Jahren vermindert.
Der Kritik sowohl aus der Forschung wie aus der Politik zufolge ist in den vergangenen 15 Jahren eine
allmähliche Schwächung der deutschen Bundesländer zu beobachten, die vor allem auf den
europäischen Integrationsprozess und die Wiedervereinigung zurückzuführen ist (Beyme 1993; Sturm
1997; Wagner 2004).
Im Rahmen dieser beiden Prozesse haben sich verschiedene Entwicklungstendenzen
herauskristallisiert, die vor 1990 kaum bestanden haben. Vor allem wurde durch die Abgabe von
immer mehr steuerpolitischen und wirtschaftspolitischen Zuständigkeiten an Brüssel (europäische
31
Ebene) ein Trend zur Zentralisierung gestärkt, womit die politischen und wirtschaftlichen
Handlungsmöglichkeiten der Bundesregierung (nationale Ebene) auf kommunaler Ebene immer weiter
beschnitten wurden. Man muss die Unternehmensrahmenbedingungen auf der Ebene des Bundes und
der Länder verstehen, um zu erkennen, ob die unterschiedlichen Rahmenbedingungen auf
verschiedenen Ebenen sich zu einem ergiebigen und umfassenden Rahmenwerk für die „Local
Heroes“ im Wettbewerb auf kommunaler Ebene zusammenschließen. Nachfolgend werden die
Rahmenbedingungen der Unternehmenspolitik von drei deutschen Bundesländern - Thüringen,
Sachsen und Sachsen-Anhalt - sowie von drei Gemeinden innerhalb dieser Bundesländer mit dem Ziel
untersucht, die Unternehmensförderpolitik herauszuarbeiten, die in Thüringen, Sachsen und SachsenAnhalt nach der Erklärung der Lissabonner Agenda zur Verbesserung der bestehenden
Rahmenbedingungen angepasst, integriert und weiterentwickelt wurde.
Das vorliegende Diskussionspapier ist wie folgt strukturiert: in Abschnitt 2 wird der Begriff
„unternehmerisch orientierte Wirtschaft“ erläutert, um besser nachvollziehen zu können, weshalb die
Unternehmensförderpolitik im Verlauf des letzten Jahrzehnts so wichtig für die Förderung der
Wirtschaftsentwicklung wurde und wie die europäische Wirtschaft und andere entwickelte
Volkswirtschaften in den vergangenen 10 Jahren den Übergang von einer regulierungszentrierten zu
einer unternehmenszentrierten Wirtschaft vollzogen haben. In Abschnitt 3 werden die verschiedenen
Ebenen der an der Unternehmensentwicklung beteiligten Regierungsstellen sowie die wachsende
Bedeutung unternehmerischen Engagements für die Fortentwicklung industrialisierter
Wirtschaftsräume genauer betrachtet, und in Abschnitt 4 schließlich werden umfassende
Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen für die Politik vorgestellt.
Was ist eine unternehmerisch orientierte Wirtschaft?
Wohlstand und Wachstum der Vereinigten Staaten verdanken sich der Stärkung von
Unternehmertum und Innovation – beides Leitmotive der amerikanischen Wirtschaft. Diese Stärkung
hat in den vergangenen Jahrzehnten weg von einer regulierungszentrierten und hin zu einer
unternehmerisch orientierten Wirtschaft geführt (Audretsch 2007). Dabei ist die „neue“
unternehmerisch orientierte Wirtschaft auf Wandel und Innovation ausgerichtet; die daraus
resultierende stetige produktive Unruhe widerspiegelt sich in der Vielschichtigkeit des Marktes sowie
in der Zahl der Unternehmen, die neu auf den Markt kommen oder wieder aus dem Markt ausscheiden
(Audretsch, Keilbach & Lehmann 2006). Sowohl die gesteigerte Unruhe wie die höhere
Ausdifferenzierung der Märkte sind Begleiterscheinungen der Transformation hin zu einer „mehr am
Unternehmen ausgerichteten Form des Kapitalismus“ (Kauffman Foundation 2007) in den Vereinigten
Staaten, belegt durch den dramatischen Zuwachs bei der Zahl der Selbständigen, durch
Verhandlungsorientierung der großen und etablierten Unternehmen bei Vertragsabschlüssen (vor
allem mit dem Ziel der Kostensenkung) und durch eine wachsende Nachfrage nach ConsultingDiensten. Vorangetrieben wird dieser Wandel von Fachkräften, die stets neue Produkte, bessere
Qualität, neue Herstellungsverfahren und neue Organisationsformen suchen, entwickeln und umsetzen
(Schumpeter 1946, 1952). Die unternehmerisch orientierte Wirtschaft des 21. Jahrhunderts ist auf
globaler Ebene an Markt und Nachfrage ausgerichtet und somit abhängig von einem stetigen
Innovationsprozess, der seinerseits wieder Arbeitsplätze, neues Wissen und neue Kompetenzen
schafft. Unternehmerisches Engagement wurde so zum Schlüssel für das Wachstum der hoch
industrialisierten Volkswirtschaften.
Unbestritten in der Forschung ist: Wirtschaftswachstum ist ohne fortdauerndes
unternehmerisches Engagement nicht möglich. Daraus ergibt sich für die Politik die Aufgabe, die
grundlegenden Rahmenbedingungen für Kreativität und innovative Produktion zu garantieren. Zu
diesen Rahmenbedingungen gehören etwa das intellektuelle und kulturelle Umfeld für kreatives
Arbeiten, niedrige Markteintrittsschwellen (niedrige Kosten und geringer Zeitaufwand für die formelle
32
Anmeldung neuer Unternehmen), flexible Arbeitsmärkte und ein Patentrecht, das die wirtschaftliche
Verwertung innovativer Ideen fördert. Diese Rahmenbedingen unterscheiden sich grundlegend von
den Bedingungen, die uns aus dem 20. Jahrhundert vertraut sind. In Deutschland war mit der sog.
Ordnungspolitik das aktive Eingreifen des Staates in Markt und Wirtschaft der Normalfall. Die
ordoliberalen Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft, charakteristisch für die deutsche Wirtschaft in
der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und bis heute, wurden 1947 vom Wirtschaftswissenschaftler
Alfred Müller-Armack (Müller-Armack 1948) entwickelt. Müller-Armack entwirft das Bild einer
wirtschaftlichen und politischen Ordnung auf marktwirtschaftlicher Basis, angereichert jedoch mit
institutionell verankerten und garantierten sozialen Komponenten (die negative Auswirkungen einer
reinen Marktdominanz abfedern sollen) und mit bestimmten Rechtsgebungsinstrumenten gegen
übermäßige Marktkonzentrationen und Marktmissbräuche (Broyer 1996). Diese Vorstellung basiert zu
großen Teilen auf Überlegungen der „Freiburger Schule“ (Rieter und Schmolz 1993).
Die ordoliberalen Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft trugen zur Entwicklung
regulatorischer und politischer Rahmenbedingungen bei, die vor allem große Unternehmen
begünstigten, die die deutsche Volkswirtschaft von den 1950er bis in die 1980er Jahre prägten. Seit
die Wissenschaft nachweisen konnte, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen weder vorrangig auf
Großunternehmen (wie in der Nachkriegszeit angenommen) noch auf Kleinunternehmen zurückgeht,
sondern vielmehr – unabhängig von ihrer Größe - auf neue und innovative Unternehmen, wurde die
Unternehmensförderung zunehmend ausgebaut (Birch 1981, 1987; Acs und Audretsch 1992; Reynolds
und Storey 1994; Audretsch, Grimm und Wessner 2005). Die Verantwortungsträger in Politik und
Verwaltung sollten sich somit eines regulatorischen Rahmens zur Förderung kreativer, unabhängiger
Startup-Unternehmen und innovativer Ideen konzentrieren.
In einem ersten Schritt wäre daher die Frage zu beantworten: Was ist eine unternehmerisch
orientierte Wirtschaft im Gegensatz zur oben beschriebenen regulationsorientierten Wirtschaft? Vor
dem Hintergrund dieser Frage lässt sich besser beurteilen, ob die politischen Handlungsträger etwa in
Deutschland die richtigen politischen Rahmenbedingungen für die Entwicklung einer unternehmerisch
ausgerichteten Gesellschaft geschaffen haben. In diesem Kontext lohnt ein Blick auf die
amerikanische Volkswirtschaftsgeschichte, da die Debatte über Amerikas Anziehungskraft für
innovative freiheitsliebende Menschen so alt wie die Vereinigten Staaten von Amerika selbst ist. Die
Attraktivität Amerikas für unternehmerisch denkende Köpfe beruht auf einzigartigen mikro- und
makrosozialen Gegebenheiten für unternehmerische Aktivitäten (Audretsch und Grimm 2005; Grimm
2005). Das vergangene amerikanische Jahrhundert war geprägt von außergewöhnlichen Menschen mit
Pioniergeist, Expansionswillen und innovativer Kraft. Die US-Wirtschaftspolitik ist geprägt von den
Grundsätzen des klassischen Wirtschaftsliberalismus, dessen theoretische Ausarbeitung auf Adam
Smith zurückgeht und der für das amerikanische Alltagsleben ebenso entscheidend ist wie für die
einfachen regulatorischen Rahmenbedingungen, die von jedem Einzelnen Eigenverantwortung und
Initiative verlangen und einen freien Markt unter bewusster Zurückhaltung des Staates vorsehen.
Gesetzliche Regelungen dürfen den Einzelnen nicht an der Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage
hindern. Staatliche Sozialleistungen dürfen nicht zur Lähmung von Motivation und Geschäftsaktivität
führen. Die Aufgaben der Regierung beschränken sich auf die Garantie von Recht und Ordnung und
auf den Schutz der Gesellschaft vor äußeren Feinden. Es gibt kaum ein anderes Land auf der Welt, in
dem diese Botschaft auf so fruchtbaren Boden stieß wie in den Vereinigten Staaten von Amerika, und
diese Botschaft hat in den späten 1980er und in den 1990er Jahren entscheidend den Übergang von
einer regulierungsorientierten zu einer unternehmerisch orientierten Wirtschaft erleichtert.
Damit stellt sich die Frage: Was ist eine unternehmerisch orientierte Wirtschaft und wie lässt sie
sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts charakterisieren? Und wie und inwieweit unterscheidet sie sich
von den Wirtschaftsordnungen der vergangenen Jahrhunderte?
33
Anders als die Generation der alten, regulierungsorientierten Wirtschaft, lebt die Generation der
neuen unternehmerisch ausgerichteten Wirtschaft in einer Welt, die dramatische Veränderungen
durchlaufen hat (Audretsch und Thurik 2000; Audretsch und Thurik 2002; Uhlaner und Turik 2004).
Das Wiedererstarken des Unternehmertums und der Wandel von der regulierungsorientierten zur
unternehmerisch ausgerichteten Wirtschaft hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren im Rahmen
eines Globalisierungsprozesses, der sich von früheren Globalisierungen deutlich unterscheidet, stark
beschleunigt. Mit dem Begriff der Globalisierung wird eine weltweite, vor allem wirtschaftliche
Integration beschrieben, die nationale Volkswirtschaften unter Handlungs- und Anpassungsdruck
setzt. Die Renaissance des Begriffs „Globalisierung“ seit den späten 80er Jahren lässt sich auf
mindestens zwei einschneidende Ereignisse und Trends zurückführen, die zu einem qualitativen
Sprung in der Internationalisierung der Wirtschaft geführt haben:
Die dramatische Entwicklung der Computer- und Informationstechnologie, die zu einer ganz
neuen Art global vernetzter Produktion, Entwicklung, Logistik und weltweiter
Finanztransaktionen und Preisvergleichsmöglichkeiten in Sekundenschnelle und damit zu
einem dramatisch intensivierten Kostenwettbewerb geführt hat.
Der Zusammenbruch des sozialistischen Systems in Ostdeutschland, Mittel- und Osteuropa,
verbunden mit dem Übergang von einem vorrangig politisch definierten Systemwettbewerb
(zwischen Marktwirtschaft und Sozialismus) hin zu einem vor allem wirtschaftlich
definierten und standortbezogenen Wettbewerb zwischen sämtlichen Volkswirtschaften der
Welt. Dieser neue Wettbewerb hat ohne große Zeitverzögerung auch die Regionen
(Provinzen und Bundesstaten) und Städte weltweit erfasst, die seither intensiver denn je um
Kapital und innovative, hoch qualifizierte Arbeitskräfte konkurrieren.
Diese technologischen und politischen Veränderungen waren begleitet von zunehmendem Druck
in der Standortpolitik. Untersuchungen zeigen, dass das äußere Umfeld von entscheidender Bedeutung
für die Schaffung eines zuträglichen Milieus für Unternehmertum und innovative Aktivitäten zur
Förderung von Wachstum und Entwicklung ist. Es besteht ein großer Bedarf an modernen und
wettbewerbsfähigen Konzeptionen für politisches Handeln auf nationaler, regionaler und kommunaler
Ebene, wobei diese Ebenen sich nicht nur wesentlich voneinander unterscheiden, sondern sogar
miteinander in Wettbewerb stehen können (Porter 2000; Porter und Stern 2001). Das „strategische
Standortmanagement“ (Audretsch 2005, 20) findet Anwendung auf unterschiedlichen geographischen
Ebenen; eine spezifische Herausforderung liegt dabei in der Reaktion auf globale Erfordernisse mit
Hilfe lokaler, auf bestimmte Regionen zugeschnittener Maßnahmen. Auch Innovations- und
Wachstumsprozesse sind, wie Feldman und Audretsch in ihrer Untersuchung zeigen, durch lokale
Faktoren bestimmt (Feldman und Audretsch 1996). In seiner jüngsten Veröffentlichung unterstreicht
David Audretsch, dass die Welt nicht „flach“ ist, wie Thomas Friedman behauptet (Friedman 2005)
und dass Standorte nur prosperieren werden, wo „Local Heroes“ die Initiative ergreifen und
Verantwortung übernehmen (Audretsch 2007). Audretsch verweist darauf, dass Standorte auf der
ganzen Welt ihre eigenen Konzeptionen entwickeln und um die Ansiedlung neuer Unternehmen und
kreativer Köpfe konkurrieren müssen. Da Standorte unterschiedliche Profile, eine jeweils eigene
Geschichte und verschiedene Entwicklungsstufen aufweisen, können die politisch Verantwortlichen
nicht auf für alle Regionen geltende Patentrezepte zurückgreifen, sondern müssen vielmehr
standortabhängige Strategien entwickeln, um den jeweiligen Standort attraktiv und wettbewerbsfähig
zu machen (Grimm 2005).
Nach Richard Florida ist der wesentliche Faktor bei der Standortentwicklung die Gewinnung
hoch qualifizierten kreativen Humankapitals. In den weiter entwickelten Ländern geht es weniger
darum, Investmentkapital anzuziehen, als vielmehr um die Schaffung attraktiver Lebensbedingungen
für innovative und kreative Mitarbeiter. Für Florida liegt das Geheimrezept für die Förderung von
34
„Hot-Spots“ nicht in niedrigen Betriebskosten oder günstigen Immobilienpreisen. Entscheidend für
innovative Entwicklungen sind Technologie, Toleranz und Talent sowie eine hohe Akzeptanz
gegenüber innovativen und kreativen Köpfen, gegenüber gleich gesinnten und anders denkenden
Menschen und gegenüber der innovativen Elite aus Amerika und dem Ausland (Florida 2002). Florida
zufolge verlieren wirtschaftlich bezifferbare Variablen wie niedrige Steuersätze, niedrige
Arbeitskosten und geringe Regulierungsauflagen für die Standortattraktivität zunehmend an
Bedeutung.
Weitere Merkmale für ein unternehmensfreundliches Umfeld sind vor allem die Offenheit für
Menschen, die bereit sind, Visionen, Träume und Ideen umzusetzen und nach dem scheinbar
Unerreichbaren zu streben. In Amerika werden Risikobereitschaft und die Bereitschaft zur Übernahme
persönlicher Verantwortung hoch geschätzt (Leipold 2000; Grimm und Herz 2004). In einem
innovativen und in rascher Wandlung begriffenen Wirtschaftsumfeld sind Chancen und
Risikobereitschaft von allergrößter Bedeutung. Daher besteht bei unternehmerischen Aktivitäten
immer auch das Risiko des Scheiterns. Entscheidend für die Entwicklung günstiger politischer
Rahmenbedingungen für Unternehmen sind daher Toleranz für gescheiterte Versuche und
Möglichkeiten, solche gescheiterten Unternehmungen doch noch zum Erfolg zuführen. John
Haltiwanger legt neue Daten vor, aus denen hervorgeht, dass „kreative Destruktion“ - das heißt eine
hohe Anzahl neuer, aber auch vom Markt verschwindender Firmen, ein Merkmal der unternehmerisch
orientierten Wirtschaft - ein wichtiger Faktor für wirtschaftliches Wachstum ist (Haltiwanger 2006).
Unter Verwendung statistischer Modellierungen einiger longitudinaler Datensätze kann Haltiwanger
zeigen, dass neue Arbeitsplätze in den Vereinigten Staaten vor allem von neuen und jungen
Unternehmen geschaffen werden. Er betont, dass diese arbeitsplatzschaffenden Jungunternehmen
zugleich sehr anfällig sind und nicht selten scheitern. Anders ausgedrückt ist richtig, dass neue und
junge Unternehmen zahlreiche neue Stellen schaffen; jedoch sind diese Stellen nicht dauerhaft, was
bedeutet, dass Arbeitsplatzsicherheit hier nicht garantiert ist. Hieran wiederum werden erneut die
Unterschiede zwischen der regulierungsorientierten und der an unternehmerischer Aktivität
orientierten Wirtschaft deutlich. Der Gedanke, dass jedermann in seinem Leben mit stabilen
Verhältnissen rechnen kann, ein Gedanke, der in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und bis in die
1970er Jahre hinein vorherrschend war, ist nicht länger haltbar. Die postmoderne Globalisierung hat
sich inzwischen rasant beschleunigt.
In Deutschland ist eine Fixierung der Reformdebatten auf den Arbeitsmarkt als Grundlage allen
Übels und als verantwortlicher Faktor für ein schwaches Wirtschaftswachstum zu beobachten, und es
ist zu fragen, ob diese Debatten zu den richtigen Antworten auf die Globalisierung führen können.
Viele Länder, unter ihnen Deutschland, aber auch Frankreich oder Italien, bekommen die realen
Probleme nicht in den Blick, wie Wirtschaftswissenschaftler, beispielsweise der Nobelpreisträger Paul
Romer und weitere prominente Wissenschaftler wie Robert Lucas, David Audretsch und Richard
Florida feststellen, die zu den Exponenten der neuen Wachstumstheorie gehören. Ihrer Auffassung
nach liegt der Schlüssel zu schnellem und nachhaltigem Wachstum in neuen Ideen. Das von
Unternehmen entwickelte neue Wissen führt zu „Spill-Over-Effekten“; anders ausgedrückt regt es die
Produktivität anderer Unternehmen an (Lucas 1988; Romer 1986). In Bezug auf die zunehmend
wichtige Rolle von Wissen als Quelle von Wettbewerbsvorteilen schien Deutschland als weltweit
führende Nation bei Investitionen in neues Wissen, etwa in Forschung und Entwicklung und im
Humankapital gut positioniert. Man spricht jedoch inzwischen vom schwedischen oder europäischen
Paradox, und in diesem Kontext wurde deutlich, dass Investitionen in die Wissensgenerierung zwar
notwendig, keineswegs aber hinreichend sind, um Wirtschaftswachstum und Beschäftigung zu sichern
(Audretsch, Keilbach und Lehmann 2006). Stattdessen behinderten Wissensauslesen die
wirtschaftliche Verwertung und die effektive Verbreitung von Investitionen in die
Wissensgenerierung. Unternehmertum ist nun genau das „Missing Link“ zwischen
35
Wissensinvestitionen und weiter reichender wirtschaftlicher Verwertung (Audretsch und Keilbach
2004).
Ein genauer Blick auf die entscheidenden Variablen verdeutlicht, wie wichtig die Förderung von
Unternehmergeist zur Freisetzung von Individualität, Kreativität und Talenten Einzelner für die
Wettbewerbsfähigkeit von Standorten in einer globalisierten Welt ist. Daher stehen die Politiker und
die Verwaltungskräfte vor der Aufgabe, zuträgliche politische Rahmenbedingungen für verstärktes
unternehmerisches Engagement zu entwickeln, das seinerseits den wirtschaftlichen, sozialen und
kulturellen Wandel (im Sinn des Unternehmergeistes des und der Risikobereitschaft) befördern wird
(Aernoudt 2003, 5-6).
Politikgestaltung in einem Multilevel-Governance-System
Die europäische Ebene
Nach Jahrzehnten stabilen Wirtschaftswachstums, niedriger Arbeitslosigkeit und allgemeinen
Wohlstands brachten die 1990er Jahre eine wirtschaftliche Stagnation und Arbeitslosenzahlen wie seit
dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Die Europäische Union war gezwungen, eine neue Strategie zur
Belebung des Wachstums, zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und zur Senkung der Arbeitslosigkeit zu
entwickeln. Unternehmertum stand im Mittelpunkt der europäischen Wachstumspolitik, da immer
eindeutiger belegt wurde, dass neue und kleine Unternehmen als „Missing Link“ zwischen
Wirtschaftswachstum und Arbeitsplatzschaffung fungieren (Audretsch und Thurik 2000; Audretsch
und Keilbach 2004; Audretsch, Keilbach und Lehmann 2006; Audretsch, Grimm und Wessner 2005;
Haltiwanger 2006). Mit der sog. Lissabon-Strategie schuf die Europäische Kommission einen neuen
Ansatz, um den globalen sozioökonomischen Herausforderungen zu begegnen. In den 50er, 60er und
in einem Großteil der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatte sich die Wirtschafts- und
Industriepolitik vor allem auf die Unterstützung klar definierter Zielgruppen wie Großunternehmen
konzentriert; in den 80er und 90er Jahren wurden dann vor allem kleine und mittlere Unternehmen
(KMU) gefördert. Ende der 90er Jahre wurde die Strategie der EU vor dem Hintergrund des Aufstiegs
der New Economy radikal geändert (Birch 1981; Acs und Audretsch 1992; Gilbert, Audretsch und
McDougall 2004; Rutten und Boekema 2005). Der Erfolg zahlreicher junger Unternehmen sowohl auf
den Märkten wie an den Börsen verstärkt den Eindruck, dass Unternehmertum der Schlüssel zu neuem
Wirtschaftswachstum ist; man begann mit der Förderung neuer, innovativer Startup-Unternehmen, die
ihrerseits neue Arbeitsplätze schaffen und wettbewerbsfähige Produkte und Dienstleistungen auf den
Markt bringen sollten.
Das Wiedererstarken des Unternehmertums und die Entwicklung weg von der bisherigen
Marktwirtschaft hin zu einer unternehmerisch ausgerichteten Wirtschaft beschleunigte sich während
der vergangenen 20 Jahre vor dem Hintergrund eines postmodernen Globalisierungsprozesses
(Audretsch 2007). Die Vereinigten Staaten reagierten rechtzeitig und erfolgreich auf diese
Beschleunigung, wie die wirtschaftlichen Messziffern eindrucksvoll belegen. Festzustellen ist unter
anderem eine stärkere Innovation, die zum Beispiel messbar wird am Output von Patenten und an den
gestiegenen Ausgaben für Forschung und Entwicklung in der Größenordnung von 3,15% des BIP im
Jahr 2005 (Brécard et al. 2006). In der Europäischen Union wurden im Vergleichszeitraum nur 1,9%
des BIP in Forschung und Entwicklung investiert. Die Unternehmensberatungsgesellschaft McKinsey
veröffentlichte 2005 eine Untersuchung, in der die europäische Wettbewerbsfähigkeit mit der globalen
Wettbewerbsfähigkeit verglichen wurde; dabei wurde festgestellt, dass nur noch 17% der größten
Hightech-Unternehmen weltweit ihren Sitz in Europa haben.8 Insbesondere die IT- und
Softwareindustrie sind an anderen - insbesondere amerikanischen und asiatischen - Standorten
8
Vgl. http:/www.mckinsey.de/presse/051115_bb_hightech.htm.
36
angesiedelt, während der Standort Europa weiterhin prekär ist. In den USA und in Asien ist es den
politisch Verantwortlichen gelungen, die Attraktivität ihrer Standorte stetig zu erhöhen und die
innovativsten und arbeitsplatzintensivsten Global Players anzuziehen (Kauffman Foundation 2007, 6).
In Reaktion auf diese eindeutigen neuen Belege sowie auf die beeindruckende Entwicklung in
den USA schlug die Europäische Kommission die Lissabonner Agenda mit dem Ziel vor, aus Europa
den wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen.
Beim Treffen des Europarates in Lissabon am 23. und 24. März 2000 wurde ein Signal zur Förderung
des Unternehmertums im Rahmen umfassender politischer Flankierungsmaßnahmen zu Gunsten einer
unternehmerisch ausgerichteten europäischen Gesellschaft gesendet. Der europäische Rat von
Lissabon kam zu dem Schluss, dass Europa sich politisch vorrangig auf die Schaffung einer WissensInfrastruktur, auf die Ankurbelung innovativer Aktivitäten und auf die Schaffung eines der neuen
wissensbasierten Wirtschaft angemessenen Bildungs- und Ausbildungssystems konzentrieren müsse.
Mit dieser neuen Prioritätensetzung ging eine Verschiebung in der Förderung von KMU hin zu einer
Förderung unternehmerischen Engagements als primäres Instrument der Innovations-, Wachstumsund Beschäftigungsförderung einher (Stevenson und Lundström 2005). Entwickelt wurde ein
ambitioniertes politisches Rahmenwerk für die Europäische Union, das den Schwerpunkt auf
Innovation und Unternehmertum sowie auf die finanzielle Förderung von Forschung und Entwicklung,
Infrastrukturinvestitionen und die Verbesserung des informationstechnologischen Ausbildungsstandes
setzte.
Im Jahr 2003 aktualisierte die Kommission die Haltung der Union in Bezug auf die LissabonStrategie und hob die Bedeutung der engen Verknüpfung von Innovation und Unternehmertum hervor;
sowohl von den Akteuren im privaten Sektor wie von den Verantwortlichen des öffentlichen Sektors
wurde mehr unternehmerische Orientierung gefordert (EUK 2003, 7-10). Im Jahr 2005 - im fünften
Jahr der vorgesehenen Laufzeit - hatte sich die Begeisterung für die Lissabon Strategie verflüchtigt.
Die Fortschritte in der EU waren enttäuschend. In einem „Arbeitspapier der Kommissionsmitarbeiter“,
das 2005 veröffentlicht wurde, merkten führende politische Akteure in Brüssel an, dass „die
Wachstumsentwicklung der EU weit hinter den Erwartungen zum Zeitpunkt der Einführung der
Lissabon-Strategie zurückgeblieben ist“ (EUK 2005a, 2). Globale Wettbewerber wie die Vereinigten
Staaten haben ihre weltweite wirtschaftliche Führungsrolle in vieler Hinsicht weiter ausgebaut. Und
während andere Wettbewerber, wie China, Indien und Brasilien, mit ihrem großen unternehmerischen
Potenzial (Reynolds et al. 2003) die Attraktivität ihrer Standorte kontinuierlich steigern, sind die
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union noch immer mit Debatten und oftmals Streitigkeiten über die
Frage befasst, wie sich die Standortattraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der EU verbessern lässt,
wie sich vorteilhaftere Rahmenbedingungen für Unternehmen auf gesamtstaatlicher und auf regionaler
Ebene sowie eine verbesserte Förderung des Unternehmertums umsetzen lassen und wie sich
individuelle unternehmerische Bemühungen innerhalb der Mitgliedsstaaten der EU am besten fördern
lassen. In diesem Zusammenhang merkt das Dänische Technologieinstitut in Bezug auf die LissabonStrategie als politisches Rahmenwerk an, dass „die Schwäche der Agenda in der Schwäche ihres
Umsetzungsmechanismus liegt“ (Dänisches Technologieinstitut 2005, 4).
Als Reaktion auf diese Schwäche strebte die neue Kommission unter Barroso eine
Wiederbelebung der Lissabon-Strategie an, indem das Augenmerk verstärkt auf die Steigerung der
Produktivität und der Beschäftigungsraten innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten gerichtet wurde (EUK
2005b). Die Kommission befürwortet mit Nachdruck nationale Handlungsprogramme, die der
Tatsache Rechnung tragen, dass die Hauptkompetenzen für die Umsetzung der Strategie bei den
Einzelstaaten und insbesondere auf der kommunalen Ebene innerhalb der Einzelstaaten liegen.
Kommunale und regionale Initiativen gewinnen innerhalb der EU immer weiter an Bedeutung, wie
David Walburn von der EU Enterprise Policy Group (EPG) bemerkt: „Angesichts des Fehlens
37
wichtiger Makro-Initiativen kommt der Konzentration auf lokal greifende Wirtschaftsprogramme
verstärkte Bedeutung für die Verwirklichung der neuen Ziele von Lissabon zu“ (Walburn 2005, 305).
Die Kohäsionspolitik und der Strukturfonds leisten direkte und indirekte Beiträge in den sechs
Politikbereichen, die im Rahmen der Lissabon-Strategie samt deren nachfolgenden Aktualisierungen
betont werden. Die Zielsetzungen der Lissabon-Strategie und des Strukturfonds überschneiden sich
weitgehend. Die Förderung des Wirtschaftswachstums ist ein gemeinsames Ziel, das in Bezug auf
regionale Programme die Förderung der schrittweisen Angleichung des Bruttoinlandsprodukts pro
Kopf in allen europäischen Regionen beinhaltet. Die Programme entsprechen dem Mandat von
Lissabon, was unter anderem auf die Zuweisung von Mitteln der Europäischen Strukturfonds an
Projekte in den Bereichen Beschäftigung, Informationstechnologie-Infrastruktur, Forschung,
Humankapital, Unternehmensentwicklung, soziale Inklusion und nachhaltige Entwicklung
zurückzuführen ist. Der Gesamtbetrag von EUR 257 Milliarden für Strukturförderinstrumente
zwischen den Jahren 2002 und 2006 entsprach etwa 37% des EU-Haushalts.
Die ostdeutsche Unternehmensförderungspolitik war und ist weiterhin in hohem Maße abhängig
von denen Finanzhilfen aus dem Strukturfonds. Die Unternehmensförderung sowohl auf Bundes- wie
auf Länderebene profitierte in großem Umfang von der finanziellen Unterstützung durch die EU
beispielsweise im Rahmen der von der Bundesregierung und den Länderregierungen formulierten
Gemeinschaftsaufgabe
Verbesserung
der
regionalen
Wirtschaftsstruktur
und
der
Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes. So ist etwa die
Regionalpolitik in Thüringen eng mit den Strategien auf europäischer Ebene koordiniert. KMU
erhalten beispielsweise Fördermittel im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der
regionalen Wirtschaftsstruktur (GA), die in das Landesinvestitionsprogramm (LIP) eingebettet ist, das
seinerseits Mittel aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) erhält
(Landesentwicklungsbericht Thüringen 2004). Überdies werden Einzelprojekte in den Bereichen
Umwelt und Verkehr aus Mitteln des Kohäsionsfonds und des Strukturpolitischen Instruments zur
Vorbereitung auf den Beitritt (ISPA) direkt gefördert. Die Akteure in der gesamten Europäischen
Union werden nachhaltig zur Zusammenarbeit in regionalen Netzwerken ermuntert, um sich
wechselseitig mit ihren Modellen „Guter Praxis“ vertraut zu machen. Diese Netzwerke werden oftmals
im Rahmen grenzüberschreitender Kooperationsinstrumente der EU wie der Gemeinschaftsinitiativen
unterstützt, mit denen die Strukturfonds ergänzt werden. Im Zeitraum 2000 bis 2006 bestanden die
Gemeinschaftsinitiativen INTERREG III, URBAN II, EQUAL und LEADER +.
Im Zeitraum 2008 bis 2013 werden die neuen deutschen Bundesländer wesentlich weniger
Fördermittel
erhalten;
daher
müssen
die
bestehenden
Politiken,
auch
die
Unternehmensförderungspolitik, auf den Prüfstand gestellt werden, um künftig eine Konzentration auf
weniger und/oder schwerpunktmäßige Ansätze und Strategien zu erreichen.
Tabelle 1 EU Strukturfonds Neue Deutsche Länder (ohne Berlin)
In Mrd. EUR
2000-2006
Land/Förderperiode
Brandenburg
Mecklenburg-Vorpommern
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Thüringen
Total
3.150
2.522
4.930
3.271
2.818
16.691
In Mrd. EUR
2007-2013
2.119
1.670
3.963
2.576
2.106
12.434
Source: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie 2007
38
Mit Beginn der neuen Förderperiode 2007-2013 wird sich die europäische Kohäsionspolitik
einschließlich des Struktur- und Kohäsionsfonds auf die Zielsetzungen der Lissabon-Strategie Wachstum und Beschäftigung – konzentrieren. Die Struktur der Förderziele wurde neu definiert:
„Konvergenz“, „Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ und „Europäische Territoriale
Zusammenarbeit“ bilden nun den Kern der Agenda. In der neuen Förderperiode ist Deutschland der
viertgrößte Empfänger von Mitteln aus dem Strukturfonds. Den deutschen Regionen werden zwischen
2007 und 2013 insgesamt ca. 25 Milliarden Euro zur Verfügung stehen; das ist der größte Betrag nach
den an Polen, Spanien und Italien fließenden Beträgen. Von den etwa 25 Milliarden Euro im
laufenden Förderprogramm gehen ca. 12,4 Milliarden Euro an die neuen Länder (wobei beispielsweise
Thüringen im Zeitraum 2007 bis 2013 mit 2,1 statt 2,8 Milliarden Euro wesentlich weniger Mittel
erhalten wird).9
Im neuen Strukturrahmen sind Direktförderungen durch Firmen und Kooperationen des privaten
und öffentlichen Sektors zentrale Elemente. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos strebt eine
verstärkte Nutzung der EU-Mittel zur Förderung von Direktinvestitionen durch Unternehmen an. In
der Tat wäre dies von großer Bedeutung insbesondere für die Förderung neuer Unternehmen und für
die Förderung junger kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). Ursprünglich beabsichtigte die
Europäische Kommission keine Förderung dieser Initiative. Dem Bundeswirtschaftsminister gelang
jedoch schließlich die Durchsetzung eines wichtigen und effektiven Mittels der Regionalförderung in
benachteiligten Regionen oder in Regionen mit Strukturschwächen. Ebenso wurde verstärkt an der
Unterstützung neuer Gemeinschaftsprojekte des privaten und öffentlichen Sektors gearbeitet, nachdem
Deutschland die Genehmigung zur Verwendung privater Mittel zur Projekt-Kofinanzierung erwirkt
hatte. Dieser neue Strukturrahmen in Verbindung mit der niedrigeren EU-Unterstützung für die Neuen
Bundesländer beinhaltet wesentliche Implikationen für die (Unternehmens-) Förderpolitik auf
gesamtstaatlicher und insbesondere auf regionaler Ebene, wie nachfolgend darzulegen ist. Eine weitere
Neuerung in diesem Zusammenhang ist der Nationale Strategische Rahmenplan, der den künftigen
Bezugsrahmen für Strukturhilfen der EU in Deutschland bildet.10
Nationale Ebene
Vor dem Hintergrund dieses vielschichtigen, komplexen Förderkonzeptes überrascht auch eine
weitere mit der neuen Förderperiode 2007-2013 im Rahmen der europäischen Kohäsionspolitik
verbundene Innovation nicht, nämlich die Einführung des vorgenannten Nationalen Strategischen
Rahmenplans. In den kommenden Jahren wird dieser Plan den Bezugsrahmen für EU-Strukturhilfen in
Deutschland bilden. Mit anderen Worten wurde hier ein politisches Instrument geschaffen, mit dessen
Hilfe die nationale Ebene in den Multilevel-Governance-Ansatz bei der Förderung des
Unternehmertums und bei der Umsetzung weiterer politischer Zielsetzungen erreicht werden soll. Der
neue Nationale Strategische Rahmenplan für Deutschland konzentriert sich auf folgende strategische
Ziele: Erneuerung und Erweiterung der Wissensgesellschaft und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
der Unternehmen; Steigerung der Attraktivität der Regionen für Investoren und Bewohner mittels
nachhaltiger Regionalentwicklung; Ausrichtung des Arbeitsmarktes auf neue Herausforderungen
durch Schaffung zusätzlicher und besserer Arbeitsplätze; Weiterentwicklung der Regionen hin zu
Ausgleich und neuen Chancen.
9
Daten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Downloads unter:
http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/M-O/nsrp-strukturfoerderung-20072013,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf und http://www.bmwi.de/English/Navigation/Europeanpolicy/eu-council-presidency,did=202526.html.
10
Vgl. http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Europa/EU-Strukturpolitik/nationaler-strategie-rahmenplan-07-13.html
(vorläufige Fassung vom Dezember 2007).
39
In Deutschland findet derzeit eine intensive öffentliche Debatte über die Frage statt, wie sich die
Wettbewerbsfähigkeit des Landes auf dem Weltmarkt verbessern lässt. Die Reformaktivitäten richten
sich vorrangig auf die Arbeitsmärkte, die Sozialsysteme und die Unternehmensbesteuerung. Um
Deutschland auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurück zu führen und gegen die hohe
Arbeitslosigkeit vorzugehen, hat die Bundesregierung im März 2003 unter der Bezeichnung „Agenda
2010“ ein umfassendes Strukturreformprogramm vorgestellt. Seither sind bereits etliche Maßnahmen
aus diesem Programm umgesetzt worden. Insbesondere verabschiedete der Bundestag ein
Gesetzeswerk zur Umstrukturierung des Arbeitslosengeldes, das auch neue Anreize zur
Arbeitsaufnahme vorsieht. Auch das Gesundheitssystem durchläuft umfangreiche Reformen. Die neue
Regierung setzt diese Politik in der Hauptsache fort, plant jedoch an einigen Maßnahmen Korrekturen.
Die Stärkung von Forschung und Bildung gilt als Schlüssel zur langfristigen Sicherung der
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Dem entsprechend stehen diese Bereiche im
Vordergrund der Aktivitäten der derzeitigen Regierung; sie standen auch schon im Mittelpunkt des
von der Bundesregierung im Dezember 2005 veröffentlichten Nationalen Reformprogramms (NRP).
In diesem Zusammenhang wurden Programme und Initiativen zur Förderung innovativer Regionen
entwickelt und umgesetzt, wobei ein Top-Down-Ansatz verfolgt wurde. Zu diesen Initiativen gehört
beispielsweise das Programm InnoRegio im Rahmen der Initiative „Unternehmen Region“, mit dem
eine innovative Standortpolitik gefördert werden soll. Weitere Bereiche, die als wichtig für eine
weiterhin starke Wirtschaftsentwicklung gelten, sind unter anderem die Liberalisierung der Märkte
und die Wettbewerbsstärkung der Gütermärkte, die Verbesserung der Rahmenbedingungen für
unternehmerisches Engagement (einschließlich einer Rückführung der Bürokratie und
Steuersenkungen), die Verwirklichung einer nachhaltigen Finanzlage der Öffentlichen Hand unter
gleichzeitigem Abschluss des Vereinigungsprozesses und die Aufrechterhaltung der Sozialen
Sicherungssysteme, wobei ökologische Innovation als Wettbewerbsvorteil genutzt und dem
demographischen Wandel auf den Arbeitsmärkten Rechnung getragen wird (Europäische Kommission
2006).
Der Nationale Entwicklungsplan der Regierung betont immer wieder die Bedeutung des
Unternehmertums für die Wirtschaftsentwicklung und beinhaltet spezifische politische Ansätze und
Entwicklungsvorhaben zur Beseitigung diesbezüglicher Barrieren. Einige dieser politischen
Zielsetzungen sind in andere politische Rahmenvorgaben wie beispielsweise die KMU-Förderungsund Innovationspolitik eingebettet. Die Bundesregierung hat spezifische Ziele zur Erhöhung der Zahl
von Unternehmensneugründungen und zur Erweiterung unternehmerischen Engagements festgesetzt.
Ferner wurde ein Etat für Maßnahmen zur Förderung des Unternehmertums eingestellt. Das
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie verfügt über eine eigene Abteilung, die vorrangig
für die Förderung von KMU und Unternehmertum zuständig ist. Es wurde eine eigene Webseite – das
Existenzgründerportal - eingerichtet, um Unternehmern Informationen aus erster Hand zu Fragen der
Unternehmensneugründung an die Hand zu geben.11 So wurde für Existenzgründer auf nationaler
Ebene eine zentrale Anlaufstelle geschaffen.
Die Bewusstseinsförderung und die Unterstützung einer Kultur des Unternehmertums sind
inzwischen in Politik und Gesellschaft breit verankert. Unterstützt wird diese Entwicklung durch von
der Regierung mit initiierten Veranstaltungen, die über die Rahmenbedingungen von
Unternehmensneugründungen informieren. Ferner wird unternehmerisches Engagement von der
Regierung in Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor mit Förderpreisen ausgezeichnet. Vielfalt
(ethnische Minderheiten, Frauen, Jugendliche etc.) im Unternehmertum wird in verschiedenen Stadien
der Unternehmensentwicklung, auch bei Startups und in Entwicklung befindlichen Unternehmen
prämiert.
11
Weitere Informationen unter: : www.existenzgruender.de/gruendungswerkstatt/index.php.
40
Politische Ansätze zur Integration von Unternehmertum auf allen Ebenen des Bildungssystems
wurden entworfen. Für alle Schulstufen mit Ausnahme der Grundschule existiert inzwischen eine
Planungsstrategie zur Integration von Unternehmertum auf allen Ebenen sowie zur Aufnahme in die
bundesweiten Lehrpläne. Für alle Schulstufen wurden Lehr- und Lernmaterialien entwickelt, unter
ihnen ein Plan zur Förderung der Vermittlung von Unternehmertum auf allen Bildungsstufen. Die
Fachhochschulen und Hochschulen bieten eine große Bandbreite von Seminaren in diesem Bereich an,
und es bestehen diesbezüglich Austauschmöglichkeiten auf Bundesebene (wie beispielsweise
Konferenzen, Seminare, Datenbanken zu Ressourcen). Ferner werden außerschulische Aktivitäten
gefördert (z.B. über die Institution „Young Enterprise“). Dennoch sind zahlreiche Politiken in diesem
Bereich gerade erst entworfen und noch nicht umgesetzt.
Eine wichtige Zielsetzung der Politik besteht in der Erleichterung von Unternehmensgründungen.
Überdies wurden Untersuchungen der Barrieren für den Markteintritt und –austritt sowie für den Zeitund Geldaufwand bei Unternehmensgründungen durchgeführt. Die Regierung hat ihre
Wettbewerbspolitik überprüft, um für den Markteintritt neuer Unternehmen in allen Sektoren einen
möglichst offenen Wettbewerb zu garantieren. Initiativen wie Steuersenkungen und verminderte
bürokratische Lasten für neu gegründete Unternehmen wurden aufgelegt. Die Lohnnebenkosten und
der Verwaltungsaufwand, die Neueinstellungen durch junge Unternehmen im Wege stehen, werden
auf den Prüfstand gestellt. Aktivitäten kleiner und mittlerer Unternehmen im Bereich Forschung und
Entwicklung können steuerlich begünstigt werden. Für informelle Investitionen in neue und
wachstumsorientierte Unternehmen stehen steuerliche Anreize bereit.
Ein weiteres vorrangiges politisches Ziel liegt in der Erhöhung der Fördermittel für Unternehmen
während der Gründungs- und Aufbauphase. Die Regierung hat eine Untersuchung der
Finanzierungslücken bei Neuunternehmen durchgeführt. Des Weiteren stehen staatlich geförderte
Mikrokreditprogramme zur Verfügung, um mehr Menschen die Gründung ihrer eigenen Firma zu
ermöglichen. Mikrokreditprogramme wurden für jene Gruppen entwickelt, die nur schwer Zugang zur
herkömmlichen Kreditfinanzierung erhalten (Frauen, ethnische Minderheiten u.a.). Darüber hinaus
fördert die Regierung die Bereitstellung von Investmentkapital für Firmen in der Aufbauphase sowie
den Aufbau von Netzwerken von „Business Angels“ und Datenbanken zur Kontakterleichterung
zwischen Unternehmensgründern und informellen Investoren. Auch die Fördermittel für
Unternehmensneugründungen und Unternehmen in der Aufbauphase wurden deutlich aufgestockt.
In ganz Deutschland wurden Anlaufstellen (First-Stop-Shops und One-Stop-Shops) eingerichtet,
an denen Neuunternehmer Informationen zu Startups, Unterstützung und Beratung erhalten können.
Ferner hat die Regierung dafür Sorge getragen, dass den Bedürfnissen von Unternehmen in der
Gründungs- und Aufbauphase durch Netzwerke für KMU-Services Rechnung getragen wird.
Geschäftsnetzwerke in allen Regionen sowie staatlich geförderte Web-Portale wurden zur Vermittlung
von Informationen und zur Unterstützung neuer und im Aufbau befindlicher Unternehmen
eingerichtet. Die Bundesregierung hat die Einrichtung von Mentorenprogrammen für Neuunternehmen
und Wachstumsunternehmen erleichtert. Überdies stehen Zuschüsse zur Förderung von
Schulungsmaßnahmen für Neuunternehmer bereit. Eine bundesweite Strategie für Gründungszentren
und zu deren staatlicher Förderung in Schlüsselregionen wurde aufgelegt.
Kommunale Ebene
In Deutschland verteilt sich die Unternehmensförderung auf verschiedene politische Ebenen. Die
Bundesregierung stellt einen allgemeinen Rahmen auf Bundesebene bereit, während die Länder für die
konkrete Ausgestaltung der Strategien der Bundespolitik mit konkreten politischen Zielsetzungen und
Instrumentarien zuständig sind, die den jeweiligen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
Bedingungen der einzelnen Bundesländer angemessen sein sollen. Zu betonen ist hierbei, dass
41
zwischen der Bundes- und der Länderebene keine Hierarchie besteht; jede Ebene besitzt ihre
eigenständige Kompetenz zur politischen Gestaltung in unterschiedlichen Bereichen wie
Innovationspolitik, Förderung unternehmerischen Engagements, Bildung etc. Eine Vielzahl lokaler
Akteure in verschiedenen Institutionen ist auf Länderebene für die Gestaltung, Umsetzung und
Auswertung der politischen Initiativen zuständig. Die Zuständigkeit für die Politiken zur Förderung
des Unternehmertums liegt vor allem bei den Wirtschafts- und/oder Arbeitsministerien sowie bei den
Bildungsministerien. Innerhalb dieser Ministerien sind Fachabteilungen für die Gestaltung und
Umsetzung von Projekten und Programmen in den Bereichen Innovation, Industriepolitik,
Arbeitsmarktpolitik, wirtschaftliche Entwicklung und Bildung zuständig. Zu den wichtigsten
Instrumenten der Förderung des Unternehmertums gehören unter anderem finanzielle Hilfsprogramme
wie Anschubfinanzierungen für Unternehmensneugründungen und Schulungen für Jungunternehmer
in Schulungszentren und Universitäten. Die Unternehmensförderungspolitik konzentriert sich in
Deutschland weiterhin vorrangig auf kleine und mittlere Unternehmen.
Wegen der föderalen Struktur Deutschlands kommt den Bundesländern großer Einfluss auf die
politische Gestaltung und Umsetzung zu. Dasselbe gilt für die Städte und Gemeinden in den Ländern,
die in territorialer, organisatorischer, planerischer, finanzieller und in bestimmtem Maße auch in
gesetzgeberischer Hinsicht ein hohes Maß an Unabhängigkeit genießen. Mit der territorialen
Unabhängigkeit geht die Befugnis der Kommunen zur Gestaltung der politischen Verwaltung
innerhalb ihrer eigenen Grenzen einher. So besitzen die Kommunen das Recht zur Einrichtung von
Behörden und zur Zuweisung von Pflichten und Zuständigkeiten an die eigene Verwaltung. Die
Kommunen sind selbst vorrangig für die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und in diesem
Kontext auch für die Unterstützung von Unternehmensgründungen auf allen Entwicklungsstufen
zuständig.
Die jeweiligen örtlichen Behörden spielen eine wichtige Rolle in der Gestaltung der
Unternehmensförderpolitik, und in ihre Zuständigkeit fällt auch die Verwaltung der unternehmerisch
relevanten Infrastruktur am jeweiligen Standort. Die größte Schwierigkeit der kommunalen
Unternehmenspolitik liegt in der derzeitigen Finanzknappheit der deutschen Kommunen. Aufgrund
finanzieller Einschränkungen können viele kreative und innovative Ideen zur Förderung
unternehmerischen Engagements auf kommunaler Ebene derzeit nicht im wünschenswerten Umfang
realisiert werden.
Hier liegt einer der Hauptgründe dafür, weshalb die Gestaltung politischer Programme in diesem
Kontext mit der Beseitigung politischer Barrieren verbunden werden sollte, die Randgemeinden wie
beispielsweise das Altenburger Land in Thüringen an einer erfolgreichen Teilnahme am
wirtschaftlichen Wettbewerb hindern. Die nachfolgende Kurzübersicht über die Verwaltungseinheiten
und geographischen Grenzziehungen in den Ländern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt zeigt,
dass noch zu viele Gemeinden und Landkreise um ihr eigenes Image und ihre eigene Standortpolitik
zu ringen haben.
Der Freistaat Thüringen beispielsweise umfasst sechs Kreisfreie Städte, 17 Landkreise und
1007 Kommunen. Im Jahr 2002 lebten 62% der Einwohner Thüringens in Gemeinden mit
unter 1.000 Einwohnern; 93% wohnten in Kommunen mit unter 5.000 Einwohnern.
Sachsen ist in die drei Regierungsbezirke Chemnitz, Dresden und Leipzig unterteilt, die
ihrerseits in 22 Landkreise gegliedert sind. Zudem befinden sich im Freistaat sieben
Kreisfreie Städte.
42
Sachsen-Anhalt verfügt über 11 Landkreise, 1033 örtliche Behörden und 93
Verwaltungseinheiten. Die drei hauptsächlichen städtischen Ballungsräume sind DessauRoßlau, Halle und Magdeburg.
Dieser Überblick verdeutlicht, dass es in diesen nur drei Bundesländern mit geringer
Bevölkerungsdichte, starker Abwanderung insbesondere junger und gut ausgebildeter Menschen, einer
alternden Bevölkerung und beschränkten Finanzmitteln zur Förderung des Unternehmertums zu viele
eigenständige Verwaltungseinheiten gibt. Die Zahl der Landkreise muss daher überprüft werden, um
am Ende einer geringeren Anzahl von Verwaltungseinheiten klare Prioritäten und ökonomische
Zielsetzungen zu geben und sie so für den gemeinsamen Wettbewerb in der globalisierten
Weltwirtschaft zu stärken, statt ihre Konkurrenz untereinander weiter zu fördern. Das wird
automatisch zu einer engeren Zusammenarbeit der politisch Verantwortlichen und der Menschen über
regionale Grenzen hinweg, zu einer besseren Nutzung der knappen Finanzressourcen und zur
Konzentration auf weniger, aber effektivere Politiken und Programme mit spezifischer Ausrichtung
auf die jeweiligen regionalen Gegebenheiten führen.
Die politische Gestaltung auf kommunaler Ebene ist nicht nur mit der Politik der Länder und des
Bundes verknüpft. Die Rahmenbedingungen der politischen Förderung des Unternehmertums auf
Bundesebene wurden an den Rahmenbedingungen der europäischen Politik ausgerichtet, während die
konkrete Umsetzung sich weitgehend unabhängig von den Verordnungen der EU vollzieht. Wie
bereits erwähnt, gilt dies auch für die kommunale Ebene und die Länderebene. Den Neuen
Bundesländern stehen auf der Grundlage des Subsidiaritätsprinzips unabhängig von der EU- und der
Bundesebene eigenständige Handlungsmöglichkeiten offen, wobei das Subsidiaritätsprinzip die
verfassungsgemäße Aufgabenteilung zwischen dem Bund und den Ländern regelt. Dennoch ist die
politische Gestaltung in den Neuen Bundesländern in hohem Maße abhängig von und verbunden mit
der EU-Politik, sobald es um Fragen der Finanzierung geht. Der im Rahmen der Lissaboner Strategie
erarbeitete politische Unternehmensförderrahmen der EU einerseits und die über den Strukturfonds
nach Ostdeutschland fließenden Mittel in beträchtlichem Umfang auf der anderen Seite sind zu den
beiden tragenden Säulen der Förderung des Unternehmertums und der Umsetzung dieser Förderpolitik
in den ostdeutschen Ländern, Landkreisen und Städten geworden.
Der erwähnte Nationale Strategische Rahmenplan soll die Attraktivität der Regionen deutlich
erhöhen. Die Regionen bzw., wie in Deutschland, die Bundesländer und weniger der Bund, sind
vorrangig für die strategische Umsetzung der EU-Strukturfonds in Deutschland zuständig. Zu ihren
strukturpolitischen Aufgaben gehört die Entwicklung und Umsetzung zukunftsträchtiger Strategien
zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums durch die Förderung ausgewählter Projekte. Von den
Regionen wird die Entwicklung von Verwaltungs- und Kontrolleinrichtungen erwartet, die einen
effektiven Einsatz der Mittel aus den EU-Fonds und die Verhinderung von Missbrauch ermöglichen.
Interessant zu sehen ist hier, wie der Ball auf die Seite der Regionen und Kommunen zurückgespielt
wird, die gemeinsam für die Entwicklung eigener Strategien zur Standortförderung verantwortlich
sind. Hierzu gehört auch die Entwicklung einer erfolgreichen Unternehmensförderung und vor allem
die Überprüfung der Rahmenbedingungen der derzeitigen Unternehmensförderung.
In Anbetracht der Tatsache, dass künftig wesentlich weniger Mittel aus der EU nach
Ostdeutschland fließen werden, haben die Regionen und die ostdeutschen Bundesländer bereits mit
der Umgestaltung ihrer Innovations- und Unternehmensförderpolitik begonnen. So hat beispielsweise
Thüringen zum Zweck der weiteren Spezialisierung und Imageverbesserung die Technologiepolitik in
den Mittelpunkt seiner Wirtschaftspolitik gerückt. Das größte Augenmerk wird hierbei auf die kleinen
und mittleren Unternehmen gerichtet, die in der thüringischen Wirtschaft eine zentrale Rolle spielen
(gerade einmal 50 von fast 80.000 Thüringer Unternehmen weisen einen Jahresumsatz von über 50
Millionen Euro auf). Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen in Thüringen können wegen ihrer
43
geringen Größe keine eigenen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten durchführen. Zur Erhöhung
der Innovationskraft dieser Unternehmen wird sich die Technologiepolitik der thüringischen
Landesregierung künftig vor allem auf folgende Bereiche konzentrieren:
1.
Eine effiziente Infrastruktur für Forschung und Entwicklung. Thüringen verfügt inzwischen
über ein engmaschiges Netz von Institutionen für Bildung, Forschung und Technologie, das
fortwährend weiter ausgebaut wird.
2.
Unterstützung der Zusammenarbeit zwischen Universität
Zusammenarbeit der Unternehmen in Clustern und Netzwerken.
3.
Förderung von Projekten im Bereich Forschung und Entwicklung auf Unternehmensebene.
4.
Förderung
der
Einstellung
von
Hochqualifizierten
(Thüringen-Stipendium,
Innovationsassistent
zur
Verbesserung
des
Personalwechsels
zwischen
Forschungseinrichtungen und Unternehmen).
und
Wirtschaft
und
Diese spezifischen Maßnahmen werden von allgemeinen staatlichen Subventionsprogrammen
flankiert. Hierzu gehören die genannten Investitionshilfen mit Zuschüssen und niedrig verzinsten
Darlehen sowie Angebote im Bereich Unternehmensfinanzierung (Bereitstellung nachrangiger
Darlehen und von Beteiligungskapital). Seit 2004 bietet die Thüringer Aufbaubank das so genannte
Thüringen-Kapital zur Verbesserung der Eigenkapitalbasis von KMU an. Auch neue Programme wie
Thüringen-Invest und Thüringen-Dynamik wurden aufgelegt.
Die besondere Bedeutung, die die Landesregierung der Förderung von Forschung und
Entwicklung für die Nachhaltigkeit der thüringischen Wirtschaft zuschreibt, lässt sich auch an der
Verwendung der Mittel des europäischen Strukturfonds ablesen. Obgleich der Freistaat Thüringen in
der neuen Förderperiode (2007 bis 2013) wesentlich weniger Mittel erhalten wird (2,1 statt 2,8
Milliarden Euro), wurde der Förderumfang im Bereich „Bildung, Forschung, Entwicklung und
Innovation“ um etwa 100 Millionen Euro (auf 459 Millionen Euro insgesamt) aufgestockt. Darüber
hinaus werden Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds für Bildungs- und Qualifikationsmaßnahmen,
zur Förderung von Innovationsnetzwerken und zur Einstellung hoch qualifizierter Mitarbeiter im
Bereich Forschung und Entwicklung eingesetzt.
Dieser klar und nachhaltig ausgerichtete politische Ansatz macht Folgendes deutlich: Der
Freistaat Thüringen (ebenso wie Sachsen und Sachsen-Anhalt) verabschiedet sich von einem
politischen Ansatz, der auf die Subventionierung möglichst vieler Einzelpersonen und Unternehmen
ohne geographische oder sonstige Auswahlkriterien (die sog. Gießkannenförderung) ausgerichtet war
und stellt künftig die Förderung weniger innovativer Cluster in den Mittelpunkt (die sog.
Leuchtturmpolitik). Verständlich wird dies vor dem Hintergrund der künftig geringeren Mittel für den
Freistaat Thüringen (sowie für andere Neue Bundesländer) und in Anbetracht der Tatsache, dass der
Wettbewerb nicht nur auf kommunaler, sondern auch auf globaler Ebene schärfer wird. Daher wird die
Förderung bereits bestehender innovativer KMU und innovativer Regionen anstelle der Förderung
neuer innovativer Unternehmen in Randgebieten ins Auge gefasst. Mit diesem Top-Down-Ansatz
Thüringens wird es für Randgebiete wie das Altenburger Land schwieriger, ihr unternehmerisches
Potenzial zu stärken oder auch nur zu erschließen. Im Altenburger Land finden sich vor allem KMU in
traditionellen
Sektoren
wie
Maschinenbau,
Metallverarbeitung,
Kunststoffindustrie,
Automobilindustrie, Glasherstellung, Lebensmittelproduktion, Möbelproduktion, Papierindustrie,
Verlagswesen, Textilindustrie und Landwirtschaft. Moderne Bereiche unternehmerischer Aktivität
finden sich nur selten, in Thüringen vor allem in den Bereichen Kommunikationstechnologie,
Mikrosystemtechnologie, Elektronik, IT-Technologie und Solartechnologie. Diese Sektoren müssen
44
und werden von der neuen Landespolitik profitieren. Es ist daher an denen politisch Verantwortlichen,
zügig festzustellen, welche Bereiche gefördert werden müssen, um von der Innovationspolitik des
Landes profitieren zu können. Darüber hinaus müssen neue unternehmerische und innovative
Initiativen entwickelt werden. Das entspricht der Wirtschaftspolitik des Landes, die auf die Stärkung
der strukturstarken Regionen sowie auf die Entwicklung benachteiligter Regionen (wie das
Altenburger Land) ausgerichtet ist. Anders ausgedrückt ist die Anwendung der Policy-Cycle-Methode
auf Landesebene und kommunaler Ebene jetzt von größter Bedeutung. Die Politik- und
Programmentwicklung muss durch einen systematischen Ansatz mit vier verknüpften Stadien
unterfüttert werden: Problemdefinition (siehe oben), Gestaltung, Umsetzung und vor allem Evaluation.
In diesem Zusammenhang sind folgende Tatsachen bei der Neugestaltung der
Unternehmensförderpolitik in Landkreisen wie dem Altenburger Land zu berücksichtigen: Nach dem
NUI-Ranking (das NUI-Ranking vergleicht die Entwicklung des Unternehmertums in deutschen
Städten und Landkreisen).12 Für die Jahre 2005 und 2006 weisen die Indikationsziffern für
Unternehmensinitiative
und
Unternehmensklima
im
Landkreis
Altenburger
Land
unterdurchschnittliche Werte auf, die zudem zu den niedrigsten in ganz Deutschland gehören. Im
Regionenvergleich landete der Landkreis Altenburger Land 2006 in der Schlussgruppe (411 von 439
Landkreisen). Auch die Stadt Halle verlor an Boden und wurde mit NUI 392 eingestuft. Der Landkreis
Mittweida weist einen ähnlichen Trend auf: Während das NUI-Ranking 2005 mit dem
Leistungsindikator 265 viel versprechend war, erzielte der Landkreis 2006 nur eine Bewertung von
379.13 Kaum überraschend fallen demnach die Ergebnisse einer Erhebung der Industrie- und
Handelskammer Ost-Thüringen (2005) aus, die in Bezug auf unternehmerische Einstellungen und
Auffassungen ergab, dass die Unternehmen in diesem Landkreis ihre wirtschaftliche Gesamtsituation
und ihre Zukunft eher pessimistisch beurteilten. Nur 16% hielten ihre Lage für „gut“, 55% waren im
Allgemeinen zufrieden und nur 8% planten Belegschaftsaufstockungen, während 32 Prozent angaben,
dass sie in nächster Zukunft wahrscheinlich Mitarbeiter entlassen würden.
Die genannten Landkreise, die für lokale Fallstudien im Rahmen der Untersuchung der
Entwicklung des Unternehmertums auf kommunaler Ebene in Ostdeutschland ausgewählt wurden,
haben im NUI-Ranking 2006 (im Vergleich zu 2005) an Boden verloren. Es stellt sich die kritische
Frage, ob die für diese Landkreise entwickelten Rahmenbedingungen der Unternehmensförderung in
Bezug auf die Förderung des Unternehmertums wirkungslos geblieben sind. Die vorliegende
Untersuchung zeigt eine Reihe relevanter Aspekte für die weitere Analyse und Bewertung auf,
verzichtet jedoch auf erschöpfende Antworten. Bewertungen auf lokaler Ebene sind erforderlich, um
die politischen Instrumente herauszuarbeiten, die das Unternehmertum fördern. Mit Hilfe einer
solchen Bottom-Up-Evaluation lassen sich eine Reihe erfolgreicher politischer Instrumente auswählen
und von den lokalen Handlungsträgern (Politikern und Unternehmern) aufeinander abstimmen.
In diesem Kontext lohnt ein kurzer Blick auf die Rahmenbedingungen der
Unternehmensförderung auf kommunaler Ebene. Im Hinblick auf finanzielle Unterstützungen für
Unternehmer unterstützt die Abteilung für Geschäfts- und Tourismusförderung im Landkreis
Altenburger Land beispielsweise Jungunternehmen in folgenden Bereichen: Geschäfts- und
Beschäftigungsfinanzierung, Regionalentwicklung, Tourismusförderung und Verkehrswesen. Auf der
überregionalen Ebene sind weitere Fördereinrichtungen tätig: die Gesellschaft für Arbeits- und
Wirtschaftsförderung (GFAW), die finanzielle Hilfestellungen im Bereich Arbeitsmarkt und
berufliche Schulung anbietet; die Industrie- und Handelskammer Ostthüringen, die Informationen über
Finanzhilfen und Beratung für Start-Ups bereitstellt; das Startup-Netzwerk Thüringen, ein Verbund
12
Der NUI-Indikator zeigt, wie viele Unternehmen je 10.000 Einwohner im erwerbsfähigen Alter innerhalb eines Jahres
angemeldet wurden. Vergleiche IfM Bonn 2006 und 2007: www.ifn-bonn.org/index.htm?/dienste/mui.htm.
13
Ebda.
45
von Universitäten, Technologiezentren, Gründerzentren und Industrie- und Handelskammern für
technologie- und wissensbasierte Start-Ups; und die Initiativen Thüringer Businessplan Wettbewerb;
das Gründer-Monitoringsystem Thüringen (GMS); das virtuelle Startup-Zentrum der
Handelskammern Thüringen; der Startup-Preis „Marktlücke“ sowie ein Existenzgründerpass.
Überdies stehen verschiedene Zuschüsse und Finanz- und Technologieförderprogramme auf
Landesebene zur Verfügung: Landesinvestitionsprogramme der Aufbaubank Thüringen; Zuschüsse für
Beratungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für KMU durch das RKW Thüringen; Beteiligungskapital
(Beteiligungskapital - Beteiligungsmanagement Thüringen GmbH); Beteiligungskapital (Thüringen
Kapital - Landesregierung Thüringen); Private Equity Thüringen, GuW Plus; Konsolidierungsfonds Entwicklungsbank Thüringen); Thüringen Technologiekonzeption; Forschungsschecks und das
Thüringenstipendium.14
Anders gesagt wurde ein umfangreiches Netz von Finanzhilfen zur Förderung des
Unternehmertums auf kommunaler Ebene und auf Landesebene entwickelt, wobei jedoch eine
Gesamtbewertung zu fehlen scheint und ein sachgemäßer Zuschnitt der finanziellen Hilfsprogramme
benötigt wird, um die Entwicklung des Unternehmertums voranzutreiben und eine Strategie mit klaren
Prioritäten und Ressourcenzuweisungen zu entwickeln.
Die Landkreise Mittweida und Halle stehen vor vergleichbaren Herausforderungen. Nach den
Resultaten der NUI verschlechterte sich das Unternehmensklima in Mittweida im Jahr 2005
dramatisch, nachdem es sich seit 2003 vor allem wegen der Einführung des
Existenzgründungszuschusses und der Ich-AG positiv entwickelt hatte. Zahlreiche
Geschäftsneugründungen im Jahr 2003 und später sind eher Verlegenheitsgründungen, von denen
viele nur wenige Jahre existieren werden.
Für die Unternehmensförderpolitik besitzt der Landkreis Mittweida eine Anlaufstelle für
Geschäftsunterstützung und Regionalentwicklung, die im August 2002 eingerichtet wurde und im
Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur unterstützt
wird. Ziel dieser regionalen Managementanstrengungen ist die Profilierung der Identität der Region
und die Steigerung der Attraktivität des Landkreises für Betriebsansiedlungen und private
Zuwanderung. Unterstützt werden in diesem Rahmen die Schaffung eines besonderen Image, die
Raumentwicklung, die Mobilisierung von Geschäftsmöglichkeiten und Wachstumspotentialen, die
Schaffung von Netzwerken und Clustern und die Zusammenarbeit mit Nachbarregionen. Die
Unterstützung von Seiten der Behörden in Mittweida wurde als effizient und hilfreich bewertet.15
Auf überregionaler Ebene sind als weitere unterstützende Institutionen die Wirtschaftsförderung
Sachsen GmbH – WFS, die Handwerkskammer Chemnitz und die Industrie- und Handelskammer
Südwest-Sachsen
tätig,
die
folgende
Dienstleistungen
anbietet:
Sächsisches
Existenzgründungsnetzwerk (www.existenzgruendung-sachsen.de), das Existenzgründungsportal
Sachsen und einen „Runden Tisch“ für Unternehmen in wirtschaftlichen Notlagen.
Überdies bestehen zahlreiche Unterstützungsaktivitäten, vorwiegend Fördermöglichkeiten in den
Bereichen Technologie und Finanzierung auf Landesebene: intensive Beratungs- und
Schulungsleistungen für KMU (Landesbank Sachsen); Gründungs- und Wachstumsfinanzierung
Sachsen; Liquiditätshilfedarlehen; finanzielle Unterstützung für insolvente sächsische KMU;
14
Weitere Informationen unter http://www.tip-jena.de/; http://www.altenburgerland.de/; „Lokaler Diagnosebericht für die
Landkreise Mittweida (Sachsen) und Altenburger Land (Thüringen)‟, erstellt von Regionomica - Berlin für die OECDStudie “Stärkung des Unternehmertums und der lokalen Wirtschaftsentwicklung in Ostdeutschland“ (November 2005).
15
Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.
46
Darlehensbürgschaften (Bürgschaftsbank Sachsen); finanzielle Förderung von Forschungs- und
Entwicklungsprojekten in Einzelunternehmen; finanzielle Förderung gemeinsamer Forschungs- und
Entwicklungsprojekte und finanzielle Unterstützung für Technologiezentren. Einige dieser staatlichen
Programme werden vom Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRD) mit getragen,
beispielsweise die finanzielle Unterstützung für Forschungs- und Entwicklungsprojekte in
Einzelunternehmen und die finanzielle Unterstützung für gemeinsame Forschungs- und
Entwicklungsprojekte.
Beeindruckend im Landkreis Mittweida ist auch ein Technologiepark auf dem neuesten Stand.
Der Technologiepark Mittweida ist ein Gründungs- und Innovationszentrum, das als zentrale
Anlaufstelle für technologieorientierte Unternehmer, Gesellschaften und Dienstleister im Landkreis
fungiert. Es bietet Unterstützung für Start-Ups, Informationen zu Finanzhilfen, Unterstützung und
Management-Dienste für innovative Projekte, Geschäftsberatung, Beratung in Kooperationsfragen und
Fragen der Beteiligung an regionalen und internationalen Transfernetzen sowie in Fragen des
Technologie- und Wissenstransfers mit Universitäten und Forschungseinrichtungen. Das Zentrum
arbeitet eng mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Mittweida zusammen. 16
Mittweida hat sich inzwischen eine gute Grundlage für innovative unternehmerische Entwicklung
geschaffen. Dieser Erfolg geht Hand in Hand mit dem neuen Ansatz in der Landespolitik. Eine weitere
Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen Lokal- und Landespolitik zur Feinabstimmung der
Maßnahmen wird empfohlen.
Auch die Stadt Halle hat sich eine innovative Basis für die weitere Wirtschaftsentwicklung
geschaffen. Die Wirtschaftsförderung der Stadt Halle koordiniert verschiedene Aktivitäten zur
Unterstützung von Unternehmern, potenziellen Investoren und bereits bestehenden Unternehmen. In
diesem Kontext werden beispielsweise Beratungen zur Geschäftsgründung und zu Finanzhilfen
bereitgestellt. Darüber hinaus bietet die Stadt eine umfangreiche Palette an Serviceeinrichtungen zur
Unternehmensförderung: Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg mit mehreren
Einrichtungen zur Unternehmensförderung; das Netzwerk des Weinberg Campus im Technologiepark
Halle/Saale; die Existenzgründungsoffensive Sachsen-Anhalt; das Business-Angels-Netzwerk
Sachsen-Anhalt (BAN); UNIVATIONS, das Innovations- und Startup-Netzwerk der Universitäten von
Sachsen-Anhalt; das Institut für Innovation und Entrepreneurship; die Industrie- und Handelskammer
Halle-Dessau, die Handwerkskammer Halle; die Investitionsbank Sachsen-Anhalt; örtliche Banken
und die Arbeitsagenturen.
Der Weinberg Campus des Technologieparks fungiert als zentrale Anlaufstelle für
technologieorientierte Unternehmen, Fachbereiche der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
und externe Forschungseinrichtungen. Er umfasst drei Technologie- und Startup-Zentren sowie das
hoch spezialisierte Bio-Zentrum.17
Die Technologieförderung wurde erweitert, aber in Halle ist das unternehmerische Engagement
nach wie vor nicht zufrieden stellend. In den vergangenen Jahren ist das Niveau der
unternehmerischen Aktivität im Vergleich gesunken. Im Jahr 2005 machten sich von 1.000
16
Weitere Informationen zum Landkreis Mittweida unter: www.landkreis-mittweida.de/cms/250.htm. Diese Informationen
basieren auf dem „Lokalen Diagnosebericht für die Landkreise Mittweida (Sachsen) und Altenburger Land (Thüringen)‟,
erstellt von Regionomica, Berlin für die OECD-Studie “Stärkung des Unternehmertums und der lokalen
Wirtschaftsentwicklung in Ostdeutschland“ (November 2005)
17
Vgl. www.weinbergcampus.halle.de/) sowie den „Lokalen Diagnosebericht für die Stadt Halle (Sachsen-Anhalt), erstellt
von Regionomica, Berlin für die OECD-Studie “Stärkung des Unternehmertums und der lokalen Wirtschaftsentwicklung
in Ostdeutschland“ (Juni 2006).
47
Beschäftigten nur 1,6% mit einer eigenen Firma selbständig, während die gesamtdeutsche
Vergleichszahl bei 3,3% liegt.18
Zusammenfassung und Ausblick
Das sozio-ökonomische Umfeld der Neuen Bundesländer und ihrer Landkreise ist durch
zahlreiche Herausforderungen, jedoch auch durch beeindruckende Fortschritte gekennzeichnet, die
sich wie folgt zusammenfassen lassen:
Alle Bundesländer und Landkreise sehen sich einer massiven Abwanderung vor allem junger
und gut ausgebildeter Fachkräfte gegenüber.
In sämtlichen Landkreisen ist die Arbeitslosenquote sehr hoch.
Der Prozentanteil der Beschäftigten im landwirtschaftlichen Sektor und in der
verarbeitenden Industrie liegt weit über dem bundesdeutschen Durchschnitt.
Der Produktionssektor dominiert nach wie vor in allen Landkreisen, wenn auch recht
erfolgreich.
Moderne Wachstumssektoren wurden zwar aufgebaut und gefördert, besitzen jedoch noch
nicht die Stellung, die sie in einer unternehmerisch orientierten und im Wandel begriffenen
Wirtschaft innehaben sollten.19
In allen ostdeutschen Ländern und Landkreisen wurden Rahmenbedingungen für die
Wirtschaftsförderung entwickelt, die sich vorrangig auf die finanzielle Unterstützung von
Startup-Initiativen und Geschäftsneugründungen konzentrieren.
Das derzeitige Wirtschaftswachstum ist nach wie vor stark vom produzierenden Gewerbe
abhängig, das sich auf eine hohe Nachfrage an Konsumgütern aus den Schwellenmärkten Osteuropa,
Asien und aktuell auch Russland stützen kann. (The Economist 2007) Ist dieser Bedarf erst gedeckt,
wird das produzierende Gewerbe in Deutschland sich dem globalen Wettbewerb mit anderen Ländern
ausgesetzt sehen, deren Produktion rasch wächst. Die Notwendigkeit des weiteren Ausbaus moderner
Wachstumssektoren in Ostdeutschland ist daher dringlicher als je. In diesem Kontext werden sich die
ostdeutschen Bundesländer auf die Förderung weniger, jedoch innovativer Regionen und auf die
gezielte Förderung moderner Wachstumsunternehmen sowie auf die Ansiedlung größerer
Unternehmen in den Neuen Bundesländern konzentrieren müssen. Auch die niedrigen Arbeitskosten,
die dem produzierenden Gewerbe in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bislang
Wettbewerbsvorteile verschafft haben, werden angesichts des zunehmenden globalen Wettbewerbs
früher oder später keine Erfolgsgarantie mehr sein. Dann wird sich auch die These von Richard
Florida bestätigen, der zufolge gut ausgebildete und talentierte Arbeitskräfte für die
Standortentscheidungen von Unternehmen letztlich wichtiger als Investitionen, Steueranreize oder
niedrige Arbeitskosten sind (Florida 2002; 2004).
Wie in Kapitel 2 dargelegt, geht die Schaffung neuer Arbeitsplätze vorrangig auf
Unternehmensneugründungen und neu in den Markt eintretende Unternehmen zurück. Daher ist die
Verbesserung des Umfeldes für unternehmerische Aktivitäten (gleich ob durch große oder kleinere
18
Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit.
19
Hier könnte einer der Hauptgründe für das nach wie vor ungenügende unternehmerische Klima in Halle und im
Altenburger Land liegen.
48
Unternehmen) und Einzelpersonen in Ostdeutschland von großer Bedeutung. Die Struktur der
Unternehmensförderung in den Neuen Bundesländern trägt dem zwar Rechnung, konzentriert sich
jedoch primär auf Finanzhilfen für Unternehmensneugründungen. Zu diesem Zweck stehen zahlreiche
Förderprogramme zur Verfügung. Wollen sich interessierte Unternehmer und Kunden einen
allgemeinen Überblick über die landesweiten Förderprogramme verschaffen, stellt sich indes heraus,
dass große Teile der betreffenden Informationen zu den Förderprogrammen auf den Webseiten der
Länder und Kommunen nur schwer einzusehen sind. Mit dem Schlagwort vom „Förderdschungel“
wird die Situation recht gut beschrieben: Es gibt abschreckend viele Förderprogramme und
Zuschussmöglichkeiten. Hilfreich wäre hier die Konzentration auf wenige, klar nachvollziehbare und
nutzbare Programme. Daher wird eine Überprüfung der derzeitigen Förder-Rahmenbedingungen mit
dem Ziel der Umgestaltung in eine schlanke Struktur einer umfassenden Unternehmensförderstrategie
mit eindeutigen Zielsetzungen empfohlen (Grimm 2005).
Die Bemühungen der Handlungsträger zur Verbesserung des unternehmerischen Umfeldes in den
genannten Landkreisen und Bundesländern haben in den vergangenen zehn Jahren zur Entwicklung
und Einführung zahlreicher unterschiedlicher neuer Darlehens- und Förderprogramme für potenzielle
Unternehmer geführt. Die Anzahl der Förderprogramme für Start-Ups ist immer weiter gestiegen, so
dass heute ein ganzes Netz weit entwickelter und komplexer Fördermöglichkeit für unternehmerische
Aktivitäten besteht. Es muss bezweifelt werden, dass dieser politische Ansatz tatsächlich zu einer
Verbesserung der Rahmenbedingungen für das Unternehmertum beigetragen hat. Vielmehr gewinnt
man den Eindruck, dass die derzeitigen Darlehensprogramme viel zu kompliziert und zu wenig
transparent sind und sich oftmals nur schwer (online) einschätzen lassen.
Die meisten finanziellen Förderprogramme sind alles andere als kommunal angelegt. Weder
Mittweida noch das Altenburger Land bieten eigene Förderungen an, die spezifisch auf die
Unterstützung von „Local Heroes“ in diesen Landkreisen ausgerichtet sind. Es könnte überzogen
scheinen, wenn nun die Einrichtung eines strikt kommunal ausgerichteten Förderprogramms
zusätzlich zu den bereits bestehenden Förderinstrumenten gefordert wird; die Notwendigkeit indes,
den Gegebenheiten vor Ort Rechnung zu tragen sowie der neue Strategieansatz der Landesregierungen
mit Beschränkung auf nur ein bis zwei spezifische Programme sollten in ihrer Bedeutung nicht
unterschätzt werden. Die Wirtschaftsentwicklung hängt zum großen Teil von unternehmerischen
Aktivitäten vor Ort ab, und die Förderung eines günstigen Unternehmensumfeldes auf kommunaler
Ebene ist im globalen Kontext von größter Bedeutung. Vor dem Hintergrund dieser Einsichten ist
festzustellen, dass es den politischen Handlungsträgern bislang nicht in ausreichendem Maß gelungen
ist, eine angemessene kommunal ausgerichtete Wirtschaftsförderung zu entwickeln und umzusetzen.
In diesem Zusammenhang scheinen die politischen Akteure der Länder und Landkreise die
Aussendung einer klaren Botschaft zu den grundlegenden globalen Veränderungen und der
entsprechenden Notwendigkeit der Schaffung neuer wirtschaftlicher Antriebskräfte (etwa durch
„Technologie, Toleranz und Talent“) für eine unternehmerisch ausgerichtete Wirtschaft zu scheuen.
Solange diese eindeutige Botschaft nicht bei der Bevölkerung angekommen ist, wird nicht verstanden
werden, weshalb man sich einer in raschem Wandel begriffenen unternehmerisch ausgerichteten
Gesellschaft mit neuen Arbeitsbedingungen und nur begrenzter Arbeitsplatzsicherheit anpassen muss.
Unternehmerische Köpfe werden zur Schaffung eines lebendigen Umfeldes für kreative und
innovative Gemeinden benötigt. Die politisch Verantwortlichen können Rahmenbedingungen für
unternehmerische Aktivitäten schaffen, und sie tun dies auch, wie bereits bemerkt, indem sie vor allem
finanzielle Förderung anbieten. Es ist jedoch an den Bürgern, sich diese Angebote zunutze zu machen
und etwas zu bewirken. Und die Regierungen müssen den Menschen die Freiheit und den Mut
vermitteln, die vorliegenden Förderangebote auch zu nutzen. Der bisherige Top-Down-Ansatz in der
Förderung des Unternehmertums ist daher durch einen Bottom-Up-Ansatz zu ergänzen: Ideen und
49
Vorschläge zur Unterstützung der Regionen mit kommunal angepasstem politischen Handeln müssen
einbezogen werden.
In dieser Hinsicht muss man für Ostdeutschland von Problemen im Multi-Level-GovernanceAnsatz sprechen. Neben dem Top-Down-Ansatz auf Bundes- und Länderebene wird zur Umsetzung
der Unternehmensentwicklungsstrategie auf kommunaler Ebene auch Bottom-Up-Wissen benötigt.
Die Probleme des Unternehmertums auf kommunaler Ebene scheinen zwar klar, jedoch sind die
politischen Handlungsebenen hier noch zersplittert und unterentwickelt (Hofer 2006). Mit Nachdruck
wird eine enge und regelmäßige Abstimmung zwischen den kommunalen Einrichtungen und den
kommunalpolitischen Verantwortungsträgern empfohlen. Nur so lässt sich eine transparente und
allgemein zustimmungsfähige Strategie für die Entwicklung des Unternehmertums umsetzen, in deren
Rahmen die Belange der wichtigsten Partner vor Ort formalisiert werden können. Eine solche
Strategie sollte das Ergebnis öffentlicher Debatten, Überlegungen und Konsensbildungen der
betroffenen kommunalen Einrichtungen sowie von Abstimmungen der betreffenden Gemeinden sein,
und sie sollte sich um einen umfassenden und integrierten Ansatz in der Förderung des
Unternehmertums bemühen. In einen Aktionsplan umgesetzt, lassen sich so klare Prioritäten und
Zuständigkeiten aller Beteiligten sowie Fristen und Ressourcen genau definieren. Empfehlenswert ist
ferner eine Debatte zur Rolle der betreffenden Gemeinden im größeren Kontext einer Region und ihrer
wirtschaftlichen Bedeutung auch über Verwaltungsgrenzen hinaus.
Eine solche Strategie zur Förderung des Unternehmertums auf kommunaler Ebene sollte sowohl
mit dem Strategischen Nationalen Entwicklungsplan wie mit den politischen Rahmenbedingungen der
Unternehmensförderung auf EU-Ebene abgestimmt werden. Mit dem Vertrag von Lissabon hat sich
die Europäische Kommission zur Förderung des Unternehmertums als zentralem Innovations-,
Wettbewerbs- und Wachstumsfaktor verpflichtet. Obgleich sie mit dieser Agenda nicht zufrieden
stellend verlinkt sind, konnten die Stadt Halle und die Landkreise Mittweida und Altenburger Land
einen politischen Rahmenplan zur finanziellen Unterstützung unternehmerischer Aktivitäten
entwickeln, und dies gelang ihnen, ohne auch nur auf die Empfehlungen der Europäischen
Kommission zu warten. Die Europäische Kommission entwickelte mit dem Lissabonner Vertrag einen
politischen Top-Down-Ansatz mit dem Ziel der Stärkung der Regionalpolitik und des
unternehmerischen Engagements Einzelner, statt die Eigenverantwortung und Risikobereitschaft der
lokalen Akteure zu fördern. In Europa mangelt es nach wie vor an Vorstellungskraft, wenn es darum
geht, sich klarzumachen, wie eine unternehmerisch orientierte Wirtschaft und Rahmenbedingungen
mit klaren Erläuterungen zu deren Verwirklichung auf allen politischen Ebenen aussehen sollten.
Weniger neue Programme und Initiativen werden gebraucht als vielmehr ein intellektueller Rahmen
und ein kulturelles Umfeld für kreative Arbeit und Risikobereitschaft.
In diesem Kontext ist auf ein erfolgreich umgesetztes kommunales und den Vorgaben der „Guten
Praxis“ genügendes Programm hinzuweisen, das der Vision eines unternehmrisch ausgerichteten und
innovativen Europa bestens entspricht. Es handelt sich hierbei um ein jüngst in Thüringen initiiertes
Förderprogramm unter dem Namen ENABLE, das eine wichtige Komponente der neuen EUWachstumsstrategie mit dem Schwerpunkt der Förderung des Unternehmertums bildet.20 Das Projekt
wurde 2004 begonnen und Ende 2006 abgeschlossen. Finanziert wurde es zum Teil mit Mitteln aus
dem INTERREG III Programm der Europäischen Union.21 ENABLE bietet ein gutes Beispiel für die
20
Detaillierte Informationen zu diesem Programm finden sich unter: www.kfw.at/enable/.
21
Im Rahmen von INTERREG III wurden vor allem Erfahrungen im Zuge der Umsetzung der Strukturfondsprogramme
sowie die jeweiligen nationalen Politiken berücksichtigt. Damit leistete INTERREG III einen Beitrag zur
Kontaktaufnahme und zur Weiterentwicklung der bestehenden Kooperationsnetzwerke, wobei möglichst viele Regionen
und unterschiedliche Akteure einbezogen wurden. Dies trug zur Vertiefung der wirtschaftlichen und sozialen
Zusammenarbeit in ganz Europa bei (Audretsch und Grimm 2005, 17).
50
Umsetzungen gesamteuropäischer Zielsetzungen auf regionaler Ebene. Vier Regionen beteiligten sich
an ENABLE: Kärnten (Österreich), Kaunas (Litauen), Thüringen und die Bezirke Sogn og Fjordane
und Hordaland (West-Norwegen).
Im Rahmen des Programms wurde eine Reihe von Zielvorgaben verwirklicht, die der
Europäische Rat von Lissabon im Jahr 2000 formuliert hatte. So sah die Lissabonner Strategie unter
anderem die Schaffung eines Europäischen Forschungs- und Innovationsraums und günstiger
Rahmenbedingungen für Unternehmensneugründungen und innovative Geschäftsideen vor. ENABLE
konzentrierte sich auf die Förderung und Verbesserung dieser Rahmenbedingungen und unterstützte
sowohl Startup-Projekte wie bereits existierende kleine und mittlere Unternehmen (KMU) auf
regionaler Ebene. Ein Schwerpunkt des Programms lag auf KMU-Netzwerken und Partnerschaften mit
Technologietransfer und der wirtschaftlichen Verwertung von Forschungsergebnissen. Da solche
unternehmerischen Netzwerke und der mit ihnen einhergehende Technologietransfer geographisch
lokalisiert sind, ist eine Zusammenarbeit der Regionen erforderlich. ENABLE verfügte über das
ausdrückliche Mandat, einen Beitrag zur Verbesserung der europäischen und der nationalen Politiken
zu leisten. Dieses Ziel wurde erreicht, indem die kollektive Erfahrung genutzt wurde, die im Zuge der
Umsetzung einer breiten Palette politischer Instrumente und Projektansätze gesammelt worden waren.
Interregionaler Austausch und Kooperation waren die Hauptinstrumente zur Verwirklichung dieser
Zielsetzungen. Eine der zahlreichen Aktivitäten im Rahmen des Förderprogramms ENABLE ist die
Projektpartnerschaft „Alchymist“, die junge Unternehmer in ihrer schwierigen Startphase unterstützt.
Das Hauptziel liegt darin, mehr junge Menschen bei der Existenzgründung (Qualifizierung) zu fördern
und die Entscheidung hierzu zu erleichtern (Stimulation). Das Förderprogramm „Alchymist“ ist ein
Instrument, das im Rahmen des Projekts Innovation Norwegen, einem der Leitprojekte, mit Erfolg
eingesetzt wurde.
ENABLE kombiniert die Bemühungen von vier Regionen, die alle weit von den
Wirtschaftszentren ihrer Länder entfernt liegen und vor ähnlichen Herausforderungen stehen, aber
auch vergleichbare Chancen bieten. Das ENABLE-Programm erfasste somit vergleichbare Regionen,
die Alternativstrategien für das strategische Standortmanagement entwickeln müssen, um im globalen
Wettbewerb bestehen zu können. Zwar ist keine dieser Regionen ein sog. „Hot Spot“, aber alle vier
haben Strategien zur Verbesserung ihrer unternehmerischen und technologieorientierten Kompetenzen
entwickelt, indem sie vorrangig kleinere Unternehmen und den Mittelstand gefördert haben. Im
Rahmen des ENABLE-Programms wurden diese Regionen durch ein hervorragendes
Institutionennetzwerk unterstützt, das ihre Belange, Initiativen, Zielsetzungen und Strategien
zusammenführte, um ihre Wettbewerbsfähigkeit in einer wissensbasierten globalen Ökonomie zu
stärken. Der Dreifachschwerpunkt dieses Programms – Technologietransfer, KMU-Netzwerke und
Erleichterung von Unternehmensneugründungen – entspricht den politischen Prioritäten und dem
Ansatz, den die Europäische Kommission in ihrem Grünbuch zur Förderung des Unternehmertums
formuliert hat. Ebenso entspricht die zentrale Rolle der Unternehmensförderpolitik als
Wirtschaftsentwicklungsstrategie im Freistaat Thüringen dem europäischen Ansatz bei der Förderung
von Unternehmertum und Wirtschaftswachstum. Damit lässt sich ohne Weiteres der Schluss vertreten,
dass die Umsetzung des Förderprogramms ENABLE im Kontext der Wirtschafts- und
Wachstumspolitik Thüringens und der europäischen Politik zur Förderung von Unternehmertum und
Wachstum diesen politischen Vorgaben nicht nur angemessen war, sondern sie ihrerseits gestützt hat.
Der große Wachstumsimpuls des Mandats von Lissabon zur Gestaltung eines unternehmerisch
ausgerichteten Europa bliebe ohne die Umsetzung vor Ort wirkungslos. Das Förderprogramm
ENABLE gehört zu den Programmen, die die europäische und die kommunale Ebene im Rahmen
einer Partnerschaft miteinander verbinden, die eine maßgebliche Rolle in der Gestaltung der Zukunft
Europas spielen kann.
51
Ein weiteres Beispiel für Networking und institutionelle Förderung sind die Projekte „Solarvalley
Mitteldeutschland“ und „OptoNet“, die nachfolgend kurz beschrieben werden.
Solarvalley Mitteldeutschland: Dieses Netzwerk bietet ein weiteres Modell Guter Praxis und
zeigt, wie Regionen in Ostdeutschland ihre Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene intensivieren und
sich zugleich auf innovative Nischen spezialisieren können. 25 Unternehmen und 12
Forschungseinrichtungen aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt mit Spezialisierung in den
Sektoren Solarenergie und Solartechnologie schufen ein neues Netzwerk zum Zweck der verbesserten
Kooperation und zur Zusammenführung und Förderung ihres gemeinsamen Sachverstandes. Zu den
Teilnehmern gehören das Fraunhofer Center für Silizium-Photovoltaik (CSP) in Halle sowie
Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus Halle, Erfurt und Dresden. Ein Modellfall Guter
Praxis liegt hier insbesondere vor, weil es sich um ein offenes Netzwerk für neue Firmen und Partner
handelt. Die Initiative entspricht ferner der Zielsetzung der Thüringischen Landesregierung, die
beabsichtigt, Thüringen bis 2012 zum weltgrößten Produzenten von Solar-Wafern zu machen. Eine
ganz besondere Erfolgsgeschichte in diesem Kontext ist die Entwicklung erneuerbarer Energiequellen
in Thüringen, das inzwischen den höchsten Verbrauch an erneuerbarer Energie in ganz Deutschland
hat und zu einem der wichtigsten europäischen Standorte im Bereich Solarenergiewirtschaft geworden
ist. Derzeit sind in diesem Sektor unmittelbar oder mittelbar 47 Unternehmen mit etwa 2.000
Mitarbeitern tätig. Solarvalley Mitteldeutschland ist inzwischen ein Hot-Spot für
Solarenergieunternehmen und die Solarzellproduktion.
Das Kompetenznetzwerk OptoNet bietet ein weiteres Beispiel für Gute Praxis im Networking.
OptoNet hat seinen Sitz in Jena. Über 60 Teilnehmer aus Unternehmen, Hochschulen,
Forschungseinrichtungen, Banken, Gemeinden und regionalen Verbänden haben sich hier
zusammengeschlossen, um eine aktive Rolle in der nationalen und internationalen Entwicklung
optischer Technologien zu übernehmen. So werden Forschungsthemen aufgenommen und Bereiche
für den konzentrierten Einsatz von Fördermitteln herausgearbeitet. Das Netzwerk beteiligt sich an der
politischen Koordination in der Anwerbung von Unternehmensniederlassungen, in der Schaffung
neuer Beschäftigungsprofile und in der Schulung von Arbeitskräften im Optik-Sektor. Kernregion ist
Thüringen, wo der Optik-Sektor einen Gesamtumsatz von 500 Mio. Euro und 6.000 Beschäftigte
besitzt. Das Netzwerk kooperiert jedoch auch mit Partnern in ganz Deutschland, insbesondere in
Süddeutschland.22
Dennoch – und das ist wirklich erstaunlich – weiß man nur wenig über die „Local Heroes“, die zu
Global Players in der Entwicklung optischer Technologien und erneuerbarer Energiequellen geworden
sind. Zur weiteren Stärkung der Idee des Unternehmertums sollte bekannter gemacht werden, wer die
Personen hinter den neuen innovativen Produkten und Netzwerken in Mitteldeutschland und in der
Stadt Halle eigentlich sind. Die Weitergabe von Erfahrungen wäre gewiss ein gutes Mittel zur
Förderung des Unternehmertums und erfolgreichen, selbständigen unternehmerischen Handelns. Die
Bürger sollten die verborgenen „Local Heroes“ in ihrem Bundesland und in ihren Landkreisen kennen
und sich die Frage stellen: Wer sind die neuen Steve Jobs und Bill Gates in unserer Region?
Zuzugestehen ist, dass Landkreise wie das Altenburger Land, Mittweida oder die Uckermark
auch künftig mit dem globalen Wettbewerb zu kämpfen haben werden. Die neuen landespolitischen
Ansätze mit Schwerpunktförderungen, die sog. Leuchtturmpolitik, bedeutet für Randgebiete wie die
Neuen Bundesländer eine weitere Herausforderung. Diese Länder sollten baldmöglichst die PolicyCycle-Methode übernehmen, um einschätzen zu können, welche Politiken zu verfolgen, welche
22
OptoNet wird vom Wirtschaftsministerium im Bericht „Innovationspolitik. Mehr Dynamik für wettbewerbsfähige
Arbeitsplätze“ als Beste-Paxis-Beispiel für das Networking in einer innovativen Nische besonders herausgestellt; der
Bericht ist einzusehen unter: www.bmbf.de/pub/innovation_policy.pdf.
52
Prioritäten zu setzen und wie die politischen Maßnahmen lokal zuzuschneiden sind. Wird die
derzeitige Unternehmensförderung von den lokalen Akteuren nicht baldmöglichst einer kritischen
Bewertung unterzogen, werden die betreffenden Standorte in Zukunft noch weiter zurückfallen.
Empfohlen wird ferner eine partizipatorische Bewertung abgeschlossener und laufender Programme
und Projekte unter Einbeziehung der wichtigsten Akteure und Betroffenen auf kommunaler und
regionaler Ebene. Damit könnte eine wirksame Verknüpfung von Top-Down- und Bottom-UpAnsätzen erreicht werden.
Jena ist eine der wenigen ostdeutschen Städte, die in der Zeit des Übergangs Erfolgsgeschichte
geschrieben haben. In Jena ist das bekannte Optik-Unternehmen Carl Zeiss angesiedelt, das seinen
Sitz nach dem Zweiten Weltkrieg hierher verlegt hat. Mit ihrer Verwurzelung im
Traditionsunternehmen Zeiss kann die nach 1989 neugegründete Jenoptik auf eine Tradition der
Herstellung von Präzisionstechnik zurück blicken. Heute konzentriert sich die Firma auf die
Erzeugung von Sternsensoren zur Satelliten-Navigation im All. Ein weiterer Schwerpunkt ist die
Herstellung von Lasern für medizintechnische Geräte und Chipfabriken. Das Unternehmen hat sich
eindeutig auf globale Nischen ausgerichtet. In Jena sank die Arbeitslosenquote von 16,3% 1998 auf
11,1% im Jahr 2006. „Mit zwei Universitäten, einem Verbund von Forschungsinstituten und einem
Technologiepark für Start-Ups vibriert Jena wie ein neues Silicon Valley.“ (New York Times 2007)
Neben der Jenoptik haben Unternehmen wie Zeiss, Schott Jenaer Glas und Jenapharm mit ihren
Verwurzelungen in traditionsreichen Firmen Nischen im Spitzentechnik-Sektor besetzt und einen
Beitrag zur Konsolidierung der Wirtschaftsregion geleistet. Sie entwickeln visionäre Technologien,
die auch weitere Spitzentechnologie-Unternehmen anziehen. Qualitativ hochwertige Arbeit, weltweite
Kooperation, ein Exportanteil von über 40% in der Branche, eine gut ausgebaute Infrastruktur und ein
wachsendes wirtschaftliches Potenzial – darauf baut der gute Ruf Jenas als Standort für
Spitzentechnologie auf. Die effiziente Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft hat
gleichfalls dazu beigetragen, dass sich Jena in Ostdeutschland zur erfolgreichen Biotech-Region
entwickeln konnte. Die große Anzahl von Unternehmensneugründungen im Biotechnologie-Sektor
belegt das hervorragende strategische Standort-Management.
Die größte Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Thüringen befindet sich in Jena;
zudem verfügt Jena über weitere außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Jena besitzt ein
umfangreiches Netzwerk von Wissenschaftlern und Akademikern, das mit Forschungseinrichtungen in
ganz Deutschland und weltweit zusammenarbeitet. Insbesondere Einrichtungen im Bereich Optische
Industrie sehen in dieser Region für sich eine Zukunft.
Einer der Gründe für die außerordentliche Erfolgsgeschichte Jenas ist der Beitrag der „Local
Heroes“. Die politisch Verantwortlichen haben klare Zielsetzungen für die Transformation und die
Wirtschaftsentwicklung formuliert (Grimm 2005). Wichtig für die Entwicklung in Jena war einerseits
die Jenoptik und andererseits die enge Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Universitäten und
politischen Handlungsträgern. Für diese Zusammenarbeit wurde Jena als „Wissenschaftsstadt 2008“
ausgezeichnet, was die Reputation der Stadt als High-Tech-Standort weiter erhöhen wird. Der JuryVorsitzende sagte: „In Jena war zu beobachten, wie die Akteure aus Politik, Wirtschaft und
Wissenschaft gleichermaßen Herz und Seele in das Projekt einbrachten.“23 Die Preisverleihungsjury
betonte insbesondere das Engagement aller Beteiligten in der Stadt.
In Jena wurde die vom Europarat in Lissabon formulierte neue europäische Wachstumsstrategie
tatsächlich auf kommunaler Ebene umgesetzt, oder vielmehr: Die örtlichen Handlungsträger
entwickelten und verwirklichten eine Strategie, mit welcher die Zielsetzungen der Lissabonner
23
Zitat unter www.jena.de/sixcms/detail.php?id=45141&_nav_id1=38869&_lang=de.
53
Agenda ergänzt werden konnten. Weniger Brüssel als vielmehr die lokalen Akteure wie der Stadtrat
und die Universitäten entwickelten die Rahmenbedingungen für unternehmerisches Engagement in
Jena und setzten klare politische Prioritäten. Unterstützt wurden sie dabei durch beträchtliche
Beihilfen der Öffentlichen Hand für die Jenoptik, deren Vorstandschef Lothar Späth – vormals
Ministerpräsident von Baden-Württemberg - eine wichtige Rolle für die Entwicklung des
Unternehmens und seinen Börsengang im Jahr 1998 spielte. Späth formulierte eine
zukunftsorientierte, vorausschauende Politik, die den Stärken des Standortes Rechnung trug, und er
förderte ein Klima, das junge Hochschulabsolventen und junge Mitarbeiter von
Forschungseinrichtungen zu unternehmerischem Engagement ermutigte.
Andere Landkreise wie Mittweida oder das Altenburger Land werden die Erfolgsgeschichte von
Jena aus vielen Gründen wohl nicht wiederholen können. Eine engere Zusammenarbeit der Akteure
innerhalb des jeweiligen Landkreises und mit den benachbarten Landkreisen, eine nachdrücklichere
Schwerpunktsetzung auf moderne Wachstumssektoren, die Formulierung klarer politischer
Zielsetzungen und mehr Offenheit für kreative, unternehmerisch orientierte Menschen könnte jedoch
auch hier zur Entwicklung einer zukunftsorientierten Perspektive beitragen.
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Audretsch, David B., M. Keilbach & E. Lehmann (2006), Entrepreneurship and Economic Growth,
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54
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57
TEIL II
KERNBEREICHE DER UNTERNEHMENSFÖRDERUNG UND DER KMUENTWICKLUNG
Teil II des vorliegenden Berichtes gliedert sich in sechs thematische Kapitel. Jedes Kapitel
beginnt mit einem Überblick über die Ergebnisse der Fallgebietsstudien durch die OECD. In
einer nachfolgenden Abhandlung werden sowohl theoretische wie praktische Aspekte des
politischen Handelns vor dem Hintergrund neuer politischer Ansätze und Optionen erläutert.
Verwiesen wird auf Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland und anderen Regionen in
Mitgliedsstaaten der OECD. Es werden politische Handlungsempfehlungen in Form einer
Checkliste dargelegt. Im jeweils letzten Abschnitt jedes Kapitels werden internationale
Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland vorgestellt; damit soll ein Beitrag zur
politischen Innovation und zur Entwicklung lokaler Ansätze zur Förderung des Unternehmertums
geleistet werden.
59
KAPITEL 1
UNTERNEHMERISCHE KULTUR UND EINSTELLUNGEN
61
KULTURELLE ASPEKTE DES UNTERNEHMERTUMS
Heiko Bergmann, Switzerland
Dieser Artikel beschäftigt sich mit politischen Handlungsmöglichkeiten bei der Schaffung einer
Gründungskultur und positiven gründungsbezogenen Einstellungen in OECD Ländern. Die
Formulierung
von
politischen
Handlungsempfehlungen
setzt
voraus,
dass
die
Wirkungszusammenhänge zwischen diversen Einflussfaktoren, gründungsbezogenen Einstellungen
und Gründungsaktivitäten bekannt sind. Aus diesem Grund wird hier zunächst theoretisch auf den
Zusammenhang von Kultur, Einstellungen und Gründungsaktivität eingegangen. Anschließend werden
empirische Ergebnisse vorgestellt und ein Modell präsentiert. Danach wird auf die Situation in
Ostdeutschland eingegangen und – soweit vorhanden – Erfahrungen aus OECD Ländern mit
politischen Initiativen präsentiert.
Kultur und Einstellungen: Einführung und Abgrenzung
Die Diskussion um kulturelle Merkmale, Einstellungen und Unternehmertum ist nicht neu.
Bereits vor mehr 100 Jahren untersuchte Max Weber den Zusammenhang zwischen religiös-ethischen
Motiven und Unternehmertum. Er argumentierte, dass die protestantische Arbeitsethik einen
wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des modernen Kapitalismus geleistet hat, da sie die Einstellung
zur Arbeit geändert hat (Weber 1905). Auch wenn religiöse Motive im Erwerbsleben in der heutigen
Zeit vermutlich weniger von Bedeutung sind, ist die Diskussion um kulturelle Merkmale,
unternehmensbezogene Einstellungen und Unternehmertum nach wie vor hoch aktuell. Zunächst soll
hier der Begriff „Kultur“ erklärt und definiert werden. Anschließend wird auf den Einfluss kultureller
Merkmale auf Gründungsaktivitäten eingegangen, und die Ergebnisse empirischer Studien werden
dargestellt.
Der Begriff der „Kultur“ ist sehr vielschichtig und wird in verschiedenen Bedeutungen gebraucht.
In einer pragmatischen Abgrenzung kann man sagen, dass jede Gruppe von Menschen, deren Denken
und Handeln sich von dem anderer Gruppen unterscheidet, eine „Kultur“ hat (vgl. Frick et al. 1998, S.
43). Hofstede betont ebenfalls den Zusammenhang von Kultur und Gruppenzugehörigkeit. Er definiert
Kultur anschaulich als „collective programming of the mind which distinguishes the members of one
group or category of people from another“ (Hofstede 1994, S. 5). Nach Fukuyama (2001, S. 3130)
umfasst Kultur die Werte, Normen, Deutungen und Verhaltensweisen, die Gesellschaften oder andere
soziale Gruppen charakterisieren. Die verschiedenen Definitionen machen deutlich, dass Kultur immer
ein kollektives Phänomen ist, denn sie wird zumindest teilweise immer auch geteilt mit Menschen, die
in der gleichen sozialen Umgebung leben oder der gleichen Gruppe angehören. Jeder Mensch gehört
hierbei verschiedenen sozialen Gruppen an und trägt daher auch verschiedene Schichten der „mentalen
Programmierung” in sich. Neben einer nationalen Ebene, die üblicherweise mit dem Begriff Kultur in
Verbindung gebracht wird, gibt es auch eine regionale Ebene, eine ethnische, religiöse und eine
Geschlechterebene (vgl. Shapero 1984, S. 26; Hofstede 1994, S. 10ff). Kultur wird bewusst und
unbewusst erlernt und sollte daher von der menschlichen Natur einerseits und der individuellen
Persönlichkeit andererseits unterschieden werden. Kulturelle Merkmale werden in
Sozialisationsprozessen weitergegeben, weswegen Kultur nicht kurzfristig veränderbar ist, sondern
langfristigen Charakter hat (vgl. Hofstede 1994, S. 5). Vor diesem Hintergrund wird bereits an dieser
63
Stelle deutlich, dass politische Programme immer nur einen bedingten und langfristigen Einfluss auf
kulturelle Merkmale haben können.
In den letzten Jahren hat sich die Forschung vermehrt mit dem Thema Einstellungen ('attitudes')
und deren Rolle im Gründungsprozess beschäftigt. Im Unterschied zu kulturellen Merkmalen und
Persönlichkeitsmerkmalen sind gründungsbezogene Einstellungen weniger stabil. Sie werden von
Umfeldfaktoren beeinflusst und können sich daher mit der Zeit verändern.
Zusammenhang von Kultur und Unternehmertum
Die Entscheidung über die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit wird von einer Reihe von
Faktoren beeinflusst. Der berufliche Hintergrund, der Bildungsstand, die derzeitige Erwerbsstellung,
Persönlichkeitsmerkmale und auch das soziale und regionale Umfeld beeinflussen die
Gründungsentscheidung. Einzelne Faktoren allein können nicht erklären, warum sich manche
Personen selbstständig machen und andere eine abhängige Erwerbstätigkeit vorziehen, worauf Albert
Shapero bereits vor mehr als 20 Jahren hingewiesen hat, als er den Gründungsprozess als
"overdetermined" bezeichnete (vgl. Shapero 1984, 23).
Kultur kann in unterschiedlicher Weise Einfluss auf wirtschaftliche Aktivität nehmen: Kultur
beeinflusst die Einstellungen zu Arbeit und Konsum. Kultur hat einen Einfluss auf die Organisation
wirtschaftlicher Aktivität und die Ausgestaltung und Effektivität von Institutionen, und Kultur wirkt
zudem auf soziale Netzwerke und die Bildung von Vertrauen innerhalb von sozialen Gruppen (vgl.
Fukuyama 2001, S. 3132ff). Für die vorliegende Untersuchung ist vor allem von Interesse, welchen
Einfluss Kultur auf Gründungsaktivitäten haben kann. Ein solcher Zusammenhang kann auf
verschiedene Art und Weise bestehen. Meist erfolgt die Analyse des Zusammenhangs von Kultur und
Gründungsaktivitäten beziehungsweise Unternehmertum über Einstellungen zu Entrepreneurship oder
Unternehmensgründungen. Es wird davon ausgegangen, dass kulturelle Merkmale gründungsbezogene
Einstellungen beeinflussen, und dass diese wiederum auf Gründungsaktivitäten einwirken. Ein solcher
Zusammenhang zwischen Kultur, Einstellungen und Gründungsaktivitäten kann auf individueller
Ebene und auf regionaler beziehungsweise Gruppenebene bestehen (vgl. Davidsson/Wiklund 1997, S.
182). Ein direkter Zusammenhang auf individueller Ebene besteht dann, wenn aufgrund kultureller
Merkmale viele Menschen positive gründungsbezogene Einstellungen haben und sich aufgrund dieser
Einstellungen selbstständig machen. In diesem Fall besteht ein direkter Zusammenhang zwischen
Kultur und Gründungsaktivitäten, da es gerade Personen mit positiven Einstellungen sind, die sich
selbstständig machen. Diese Argumentation deckt sich mit der von Schumpeter (1934), McClelland
(1961) und Kirzner (1985), die ebenfalls eine direkte Verbindung von Einstellungen und
Gründungsaktivität beschreiben. Weiterhin kann ein Zusammenhang von Kultur und
Gründungsaktivität auf gesellschaftlicher Ebene bestehen. Etzioni (1987) argumentiert, dass die
vorherrschenden Werte und Normen im sozialen Umfeld einer Person einen Einfluss auf deren
Gründungsneigung haben können. Nach dieser Argumentation kann eine gründungsfeindliche Kultur
dazu führen, dass individuelle Gründungsaktivitäten unterbleiben. Dies wäre z.B. der Fall, wenn in
einer Gesellschaft oder einer Region Unternehmer und Unternehmertum ein schlechtes Ansehen haben
und der Einzelne aufgrund dessen diese Erwerbsalternative nicht in Betracht zieht, obwohl er
persönlich keine Vorbehalte gegenüber Unternehmern hat. Ein Zusammenhang zwischen Kultur und
Gründungsaktivität besteht in diesem Fall nicht auf individueller Ebene, sondern lediglich auf
Gruppen-, Regions- oder gesellschaftlicher Ebene.
Auf theoretischer Ebene lässt sich der Zusammenhang von relevanten Einflussgrößen,
Gründungseinstellungen und Gründungsaktivitäten durch die Theorie geplanten Verhaltens erklären.
Diese aus der Sozialpsychologie stammende Theorie ist eine der am häufigsten verwendeten Ansätze
für die Erklärung und Vorhersage menschlichen Verhaltens (vgl. Ajzen/Fishbein 1980; Ajzen 1991).
64
Auch die Institutionenökonomik kann einen Zusammenhang von Kultur und unternehmerischer
Aktivität herstellen. Die Institutionenökonomik beschäftigt sich mit Institutionen und deren
Wirkungen auf menschliches Verhalten. Der Begriff der Institutionen ist hierbei in einem
umfassenden Sinn zu verstehen und meint sowohl formelle Gesetze und Organisationen als auch
informelle Verhaltensregeln, wie zum Beispiel Normen, Sitten und Gebräuche. North (1992, S. 3)
beschreibt Institutionen als die von Menschen erdachten Beschränkungen menschlicher Interaktion,
kurz: als Spielregeln einer Gesellschaft. Üblicherweise beschäftigt sich die Institutionenökonomik mit
formellen Institutionen wie Recht, staatliche Regulierungen oder Unternehmen (vgl. Richter 1994, S.
2f). Allerdings spielen auch informelle, oder, wie North sie bezeichnet, „formlose“ Beschränkungen in
modernen Gesellschaften eine große Rolle. “Unser täglicher Umgang mit anderen – sei es in der
Familie, in gesellschaftlichen Beziehungen, außerhalb derselben oder im Berufsleben – unterliegt einer
Ordnung, die überwiegend durch Verhaltenskodizes, Sitten und Gebräuche und Konventionen
bestimmt ist” (North 1992, S. 43). Formlose Beschränkungen entstehen aus Informationen, die in der
Gesellschaft weitergegeben werden und sind Teil der Kultur. Kulturmerkmale und damit auch
formlose Beschränkungen sind äußerst langlebig und verändern sich nur langsam. Auch bei der
abrupten Veränderung von formgebundenen Beschränkungen ändern sich die kulturspezifischen
formlosen Beschränkungen nur langsam (vgl. North 1992, S. 43ff). Menschliches Verhalten und damit
auch Gründungsverhalten wird wesentlich durch Institutionen bestimmt. Institutionen stellen auch für
Unternehmer den Handlungsspielraum dar, innerhalb dessen sie tätig werden können. Die jeweilige
Ausgestaltung des institutionellen Rahmens beeinflusst das Entscheidungsverhalten für oder gegen
eine Unternehmensgründung und damit auch das Angebot an Gründern. Die formellen Institutionen
einer Gesellschaft sichern die Existenz von unternehmerischen Möglichkeiten. Die informellen
Institutionen, also Einstellungen, Sitten und Gebräuche, bestimmen, inwieweit diese Möglichkeiten
auch tatsächlich erkannt und genutzt werden (vgl. Welter 2002, S. 2f). Die formellen und die
informellen Institutionen sind hierbei abhängig voneinander. Ein hohes Sicherheitsbedürfnis der
Mitglieder einer Gesellschaft bedingt langfristig die Entstehung von formellen Institutionen, die dieses
Sicherheitsbedürfnis unterstützen.
Die hier dargestellten Ansätze stellen einen Zusammenhang zwischen Kultur, Einstellungen und
wirtschaftlicher Aktivität her. Kulturelle Werte und Normen beeinflussen Einstellungen und
Verhaltensweisen und wirken dadurch auf wirtschaftliche Aktivitäten. Bei der empirischen
Überprüfung dieser Ansätze erweist es sich als problematisch, dass Kultur nicht direkt gemessen
werden kann. Kultur fungiert als eine Art Hintergrundvariable, die sich in Einstellungen und
Verhaltensweisen manifestiert. Einstellungen und Verhaltensweisen werden aber neben der kulturellen
Prägung auch noch von einer Reihe anderer, personenbezogener Einflüsse bestimmt. Darüber hinaus
gehören Menschen unterschiedlichen sozialen Gruppen an, weswegen sich regionale kulturelle
Merkmale mit gruppenspezifischen kulturellen Merkmalen überlagern (vgl. Hofstede 1994, S. 10ff;
Shapero 1984, S. 26). Personen der gleichen regionalen kulturellen Prägung können also
unterschiedliche Einstellungen und Verhaltensweisen an den Tag legen. Lediglich in der Summe ist zu
erwarten, dass aufgrund kultureller Unterschiede bestimmte Einstellungen in unterschiedlichen
Regionen oder Kulturgruppen unterschiedlich häufig auftreten. Daher ist die Unterscheidung zwischen
personenbezogenen Merkmalen und Kulturmerkmalen schwierig. Einstellungen und Verhaltensweisen
lassen sich erst dann als Kulturmerkmale einstufen, wenn es sich nicht nur um individuelle Merkmale
einzelner Personen handelt, sondern diese charakteristisch für Personengruppen sind. Somit ist es eine
empirische Frage, ob bestimmte Merkmale als Personenmerkmale oder Kulturmerkmale einer
größeren Personengruppe angesehen werden können.
Empirische Studien zur Bedeutung kultureller Merkmale für Gründungsaktivitäten
Die Bedeutung der regionalen “Gründerkultur” oder des regionalen “Gründerklimas” wird in
vielen Untersuchungen zu Unternehmensgründungen hervorgehoben (vgl. Armington/Acs 2002, S. 39;
65
Goetz/Freshwater 2001, S. 59; Johannisson 1984, S. 33f; S. 157ff; Shapero 1984, S. 25f;
Shapero/Sokol 1982). Man muss allerdings feststellen, dass die Begriffe Gründungskultur oder
Gründungsklima oft nicht eindeutig definiert und operationalisiert und zudem in empirischen
Untersuchungen meist nicht direkt erhoben werden.
Einige empirische Studien zum regionalen Gründungsgeschehen, die auf die Bedeutung von
Kultur- und Umfeldfaktoren hinweisen, erfassen diese nicht direkt, sondern lediglich als
Restkategorie. Der Teil der regionalen Varianz, der nicht anhand von strukturellen Faktoren erklärt
werden kann, wird der regionalen Gründungskultur oder dem spezifischen regionalen Umfeld für
Unternehmensgründer zugeschrieben (vgl. für die USA: Armington/Acs 2002, S. 42f;
Goetz/Freshwater 2001, S. 61; für Deutschland: Fritsch/Niese 2000, S. 241f; für GB: Robson 1998).
Dieses Vorgehen ist aber unbefriedigend, da offen bleibt, welche Aspekte der regionalen Kultur oder
des regionalen Gründungsumfeld tatsächlich von Bedeutung sind oder ob nicht andere, nicht
berücksichtigte Faktoren für den unerklärten Rest der Varianz verantwortlich sind.
Eine Untersuchung der Bedeutung kultureller Faktoren im Gründungsprozess bedarf einer
direkten Erfassung von Werten, Normen und Einstellungen der Bevölkerung einer Region, was
bislang nur in wenigen Studien verwirklicht wurde. Angesichts der Tatsache, dass in vielen
theoretischen Abhandlungen auf die Bedeutung kultureller Merkmale für Unternehmensgründungen
hingewiesen wird, erstaunt diese geringe Anzahl an empirischen Forschungsergebnissen. Davidsson
und Wiklund (1997, S. 182) führen diese Forschungslücke vor allem auf die hohen Erhebungskosten
und methodische Probleme derartiger Untersuchungen zurück. Aufgrund der Bedeutung für diese
Arbeit werden die wenigen Untersuchungen zu Kultur und Unternehmertum kurz dargestellt:
Davidsson und Delmar (1992) und Davidsson (1995) beschreiben die Ergebnisse eines
empirischen Forschungsprojektes in sechs unterschiedlich strukturierten schwedischen Regionen.
Anhand einer schriftlichen Befragung wurden insgesamt 1547 zufällig ausgewählte Personen der
gleichen Altersgruppe aus den sechs Regionen nach gründungsbezogenen Werten und Einstellungen
befragt. Hierbei wurden solche Bereiche wie Leistungsbereitschaft (achievement motivation), interne
Kontrollüberzeugung (locus-of-control), Bedürfnis nach Unabhängigkeit (need for autonomy) und
Bereitschaft zum Wandel (change orientation) berücksichtigt. Die regionalen Ausprägungen der
Einstellungsbereiche wurden anschließend mit der regionalen Gründungsquote verglichen. Davidsson
und Delmar kommen zum Ergebnis, dass Unterschiede bei den gründungsbezogenen Werten zwischen
den untersuchten Regionen existieren, diese allerdings relativ klein sind. Nur für Stockholm finden sie
signifikant höhere Werte als für die übrigen Regionen. Trotz dieser geringen Unterschiede und
einzelner Abweichungen stellen sie tendenziell einen Zusammenhang von gründungsbezogenen
Werten und regionalen Gründungsaktivitäten fest (vgl. Davidsson/Delmar 1992, S. 451f; Davidsson
1995, S. 49f). Davidsson (1995, S. 52f) zeigt weiterhin, dass ein Zusammenhang von
Gründungsaktivitäten und regionalen strukturellen Merkmalen wie Selbstständigenanteil,
Bevölkerungsdichte, Bevölkerungswachstum und Arbeitslosigkeit besteht. Sowohl kulturelle als auch
strukturelle Faktoren beeinflussen also Gründungsaktivitäten. Die beiden genannten Gruppen von
Einflussfaktoren sind aber möglicherweise nicht unabhängig voneinander: „ ... where the structural
(pull) conditions for entrepreneurship are favourable, the culture tends to favour entrepreneurship”
(Davidsson 1995, S. 53). Aufgrund der geringen Anzahl an Untersuchungsregionen und des
Forschungsdesigns kann Davidsson die Frage der Kausalität von Kultur, Struktur und
Gründungsintensität nicht abschließend klären. Er weist aber darauf hin, dass kulturelle Unterschiede
möglicherweise nur das Resultat von strukturellen Unterschieden sind: “The possibility would remain,
however, that structural pull factors are the real determinants and culture but an epiphenomenon that
has no unique causal influence” (Davidsson 1995, S. 55).
66
Um den Zusammenhang von Struktur und Kultur eingehender zu untersuchen, führten Davidsson
und Wiklund (1997) eine zweite Untersuchung mit anderem Forschungsdesign durch. Anhand einer
Clusteranalyse aller 80 schwedischen Arbeitsmarktregionen identifizieren sie drei strukturell gleiche
Regionspaare. Die zwei Regionen eines Regionspaares gehören jeweils zum gleichen Cluster, das
heißt sie unterscheiden sich nicht in Bezug auf die Branchenstruktur, Bevölkerungsdichte und andere
strukturelle Faktoren, die in anderen Studien häufig als Erklärungsfaktoren für die regionale
Gründungsquote herangezogen werden. Die Regionen wurden allerdings so gewählt, dass jeweils eine
von ihnen eine hohe und eine eine niedrige Gründungsquote aufweist. Da sich die beiden Regionen
nicht in struktureller Hinsicht unterscheiden, vermuten Davidsson und Wiklund, dass kulturelle
Unterscheide für die differierenden Gründungsraten verantwortlich sind. In ähnlicher Form wie bei der
vorangegangenen Untersuchung wurden die kulturellen Merkmale und Einstellungen der Einwohner
der Regionen anhand einer schriftlichen Befragung von zufällig ausgewählten 35-40 Jahre alten
Personen erhoben. Ein Vergleich der Befragungsergebnisse für die drei Regionspaare zeigt, dass
gründungsbezogene Werte, Ansichten und Einstellungen in den gründungsstarken Regionen meist
jeweils positiver ausgeprägt sind. Davidsson und Wiklund (1997, S. 189ff) folgern daher, dass
kulturelle Unterschiede einen Teil der Differenz der Gründungsraten erklären. Die kulturellen
Unterschiede zwischen den sechs untersuchten schwedischen Regionen sind insgesamt allerdings
relativ gering. Da in anderen Studien anhand struktureller Merkmale etwa 70% der Varianz regionaler
Gründungsraten erklärt werden können (vgl. Audretsch/Fritsch 1994; Reynolds/Storey/Westhead
1994) und in der schwedischen Untersuchung kulturelle Unterschiede zwischen strukturell gleichen
Regionen nur gering sind, folgern Davidsson und Wiklund (1997, S. 193), dass kulturelle Faktoren
insgesamt einen geringeren Anteil der Varianz regionaler Gründungsquoten erklären als strukturelle
Merkmale: „Our preferred interpretation of the results is that the cultural differences are minor and
that their effects are likely to be small in comparison to the effects of some structural factors“
(Davidsson/Wiklund 1997, S. 196).
Mueller und Goić (2002) untersuchen gründungsbezogene Einstellungen in sechs
Transformationsländern. Auch sie kommen zum Ergebnis, dass die Unterschiede zwischen den
Ländern im wesentlichen durch das Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung und nicht durch
Faktoren wie Kultur oder Erfahrungen mit der Marktwirtschaft erklärt werden können.
Die beschriebenen Untersuchungen leisten einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des
Zusammenhangs von kulturellen Merkmalen und regionalen Gründungsaktivitäten: Kulturelle
Faktoren spielen eine Rolle im Gründungsprozess, vermutlich sind diese aber von geringerer
Bedeutung als wirtschafts- und bevölkerungsstrukturelle Merkmale.
Die Rolle von Einstellungen im Gründungsprozess
Während es nur sehr wenige Untersuchungen gibt, die kulturelle Merkmale direkt erfassen und in
Bezug zu Gründungsaktivitäten untersuchen, wurde der Zusammenhang von gründungsbezogenen
Einstellungen und Gründungsaktivitäten bereits häufiger untersucht. Es lässt sich zeigen, dass
gründungsbezogene Einstellungen und Fähigkeiten einen signifikanten Einfluss auf
Gründungsaktivitäten ausüben (Arenius /Minitti 2005, Sternberg/Brixy/Hundt, 2007; Bergmann
2004a, 2004b; Koellinger/Minniti/Schade 2007; Lee/Wong/Ho 2004).
Für die Ableitung von politischen Handlungsempfehlungen stellt sich nun die Frage, wodurch
positive gründungsbezogene Einstellungen determiniert werden. In der Literatur finden sich bislang
nur wenige Untersuchungen zu den Determinanten von positiven oder negativen
Gründungseinstellungen. Die meisten Untersuchungen befassen sich mit dem Zusammenhang von
Einstellungen und Gründungsaktivitäten und lassen die Herkunft von Gründungseinstellungen
unberücksichtigt. Bergmann (2004, 2005) untersucht die Einflussfaktoren auf individuelle
67
Gründungseinstellungen für zehn deutsche Regionen auf Basis einer repräsentativen telefonischen
Bevölkerungsbefragung. Entsprechend der Bevölkerungsverteilung wurden zwei Regionen in
Ostdeutschland und acht Regionen in Westdeutschland berücksichtigt. Im Mittelpunkt der
Untersuchung stehen drei gründungsbezogene Einstellungen, die sich bei vorherigen Analysen als
relevant in Bezug auf die individuelle Gründungsneigung herausgestellt haben. Hierbei handelt es sich
um die Einschätzung der eigenen Gründungsfähigkeiten, die Wahrnehmung der Möglichkeiten für
eine Unternehmensgründung in der Region sowie die individuelle Risikoaversion, also die Frage, ob
die Angst zu scheitern von einer Gründung abhalten würde.
Das individuelle Vertrauen in die eigenen Gründungsfähigkeiten ist fast ausschließlich von
Merkmalen der befragten Person und ihrer Einbindung in soziale Netzwerke abhängig.
Regionsbezogene Merkmale sind zwar signifikant, haben allerdings nur eine geringe Bedeutung.
Personen trauen sich eine Gründung insbesondere dann eher zu, wenn sie bereits selbstständig sind, in
der Vergangenheit bereits einmal gegründet haben oder andere Menschen kennen, die erfolgreich ein
Unternehmen gegründet haben.
Auch bei den anderen beiden untersuchten Einstellungsfragen, der Wahrnehmung guter
Gründungsmöglichkeiten und der individuellen Risikoaversion, sind personenbezogene und
mikrosoziale Faktoren von großer Bedeutung. Persönliche Selbstständigkeitserfahrungen und/oder die
Kenntnis von anderen Gründern führen zu einer positiveren Einstellung zu Gründungen. Bei diesen
beiden Einstellungsfragen kommt aber auch der regionalen Ebene eine wesentliche Bedeutung zu:
Gute Gründungsmöglichkeiten werden vor allen in Regionen mit einer hohen Kaufkraft bzw.
Agglomerationsräumen gesehen. Auch die Qualität der gründungsbezogenen Infrastruktur hat einen
signifikanten Einfluss, wobei es eine enge Beziehung zwischen den drei zuletzt genannten Variablen
gibt: Die Kaufkraft ist tendenziell in Agglomerationsräumen hoch, wo auch die Qualität der
gründungsbezogenen Infrastruktur meist gut eingeschätzt wird. Der festgestellte regionale Einfluss auf
die individuelle Wahrnehmung guter Gründungsmöglichkeiten wird also vor allem von der
Wirtschaftsstruktur der Region bestimmt.
Die individuelle Risikoaversion wird ebenfalls deutlich von der regionalen Ebene beeinflusst.
Allerdings fällt es schwer, diesen regionalen Einfluss anhand der Ausprägung von wirtschafts- oder
bevölkerungsstrukturellen Faktoren der Region zu erklären. Lediglich die Ost/West-Unterscheidung
erweist sich hier als relevant. Die Tatsache, dass sich zwar ein signifikanter regionaler Einfluss auf die
individuelle Risikoaversion feststellen lässt, dieser aber offensichtlich kaum von wirtschafts- oder
bevölkerungsstrukturellen Merkmalen der Region abhängt, deutet auf kulturelle bzw.
Mentalitätsunterschiede zwischen den untersuchten Regionen hin. Dieses Ergebnis ist dahingehend
von Bedeutung, dass Mentalitätsunterschiede verhaltsrelevant sein können, indem sie die Erwerbswahl
beeinflussen.
Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen lässt sich das folgende Modell über die
Bedeutung und die Rolle von kulturellen Merkmalen und gründungsbezogenen Einstellungen im
Gründungsprozess aufstellen: Individuelle Gründungsaktivitäten sind abhängig von Merkmalen der
Person und der jeweiligen Region. Der Einfluss dieser Merkmale erfolgt – quasi indirekt – über
gründungsbezogene Einstellungen und Fähigkeiten. Positive gründungsbezogene Einstellungen sind
damit in hohem Masse abhängig von Merkmalen der Person und der Wirtschaftsstruktur einer Region
und nur zum kleinen Teil Ergebnis von kultureller Prägung. Gründungsbezogene Einstellungen und
Fähigkeiten spielen somit eine intermediäre Rolle im Gründungsprozess. Politische Programme, die
versuchen gründungsbezogene Einstellungen zu beeinflussen, sollten diese Zusammenhänge
berücksichtigen und zur Kenntnis nehmen, dass gründungsbezogene Einstellungen im hohen Masse
von Merkmalen der Person und seinem regionalen Umfeld abhängig sind.
68
Abbildung 6. Einflussfaktoren auf gründungsbezogene Einstellungen und Fähigkeiten sowie
Gründungsaktivitäten
mikrosoziales
Umfeld
Region
Person
Geschlecht
Alter
Ausbildung
Erwerbsstellung
Einkommen
Selbstständigkeitserfahrung
Unternehmensstruktur
(Branche, Größe)
Allgemeine wirtschaftliche
Rahmenbedingungen
(z.B. Verdichtungsgrad,
Kaufkraft)
Gründungsbezogene
Rahmenbedingungen
Kulturelle Merkmale
Gründungsbezogene
Einstellungen und
Fähigkeiten
Gründungsaktivität
Quelle: Eigene Darstellung.
Die Situation in Ostdeutschland
In Bezug auf die Gründungsdynamik zeigt sich für Ostdeutschland folgendes Bild: Die Anzahl
der Unternehmensgründungen war Anfang der 90er Jahre zunächst stark angestiegen, um dann
anschließend unter das Niveau Westdeutschlands abzusinken. In den Jahren 2003 und 2004 stieg die
Anzahl der Unternehmensgründungen in Ostdeutschland wieder deutlich an, vor allem aufgrund der
massiven Förderung von Gründungen aus der Arbeitslosigkeit (Sternberg/Lückgen 2005: 14f, ,
Bergmann/Sternberg 2007). Mit der Einschränkung der Förderung von Gründungen aus der
Arbeitslosigkeit war dieser „Höhenflug“ 2005 aber auch schon wieder beendet (Heger/Metzger 2006).
69
Aufgrund der hohen Arbeitslosenquote ist der Anteil der Gründungen aufgrund fehlender besserer
Erwerbsalternative in Ostdeutschland höher als in Westdeutschland. Die Wachstumsabsichten dieser
„Gründungen aus der Not“ sind meist allerdings geringer als bei Gründungen wegen einer guten
Geschäftsidee.
In verschiedenen Untersuchungen ist deutlich geworden, dass auch mehr als 15 Jahre nach der
Wiedervereinigung die gründungsbezogenen Einstellungen in Ostdeutschland etwas verhaltener
ausgeprägt sind als in Westdeutschland. Der jüngste Länderbericht Deutschland des Global
Entrepreneurship Monitor (GEM) macht diese Unterschiede deutlich: Die Ostdeutschen schätzen ihr
Gründungsumfeld pessimistischer ein als die Westdeutschen. Zudem gibt es einen großen,
signifikanten Unterschied in Bezug auf die Frage, ob die Angst zu scheitern ein Gründungshemmnis
wäre: Der Wert Ostdeutschlands liegt hier mit 53% Ja-Antworten acht Prozentpunkte über dem Wert
Westdeutschlands. Keinen Unterschied gibt es hingegen bei der Einschätzung der eigenen
Gründungsfähigkeiten. Diese werden in Ost- und Westdeutschland nahezu gleich gut eingeschätzt
(vgl. Sternberg/Brixy/Hundt, 2007: 21). Oben wurde bereits darauf hingewiesen, dass die
Wahrnehmung der Gründungsmöglichkeiten vor allem von der regionalen Kaufkraft abhängt. Ein
spezifischer Effekt für Ostdeutschland lässt sich nicht feststellen. Damit besteht von den untersuchten
Variablen nur in Bezug auf die Risikoaversion tatsächlich ein kultureller Unterschied zwischen Ostund Westdeutschland. Diese hohe Risikoaversion ist vermutlich das Resultat der sozialistischen
Vergangenheit Ostdeutschland, in der Eigeninitiative und das persönliche Tragen von wirtschaftlichen
Risiken unterdrückt wurden.
Die über viele Jahre unterdurchschnittliche Gründungsaktivität in Ostdeutschland erklärt sich
allerdings nur zu einem kleinen Teil durch diesen kulturellen Hintergrund sondern ist vor allem das
Resultat der vergleichsweise schwachen wirtschaftlichen Entwicklung. Zumindest in der
Anfangsphase arbeiten die meisten Gründer für einen lokalen oder regionalen Markt. Insbesondere
eine geringe Kaufkraft vermindert daher den Anreiz sich selbständig zu machen, was auch in den
regionalen Fallstudien als wichtiges Hemmnis genannt wird (vgl. OECD 2006b: 16). Der
Gründungsboom direkt nach dem Fall der Mauer hat gezeigt, dass auch in einem Umfeld, dass durch
einen wenig förderlichen kulturellen Hintergrund geprägt ist, bei Vorliegen einer Vielzahl guter
unternehmerischer Möglichkeiten auch in großer Zahl der Schritt in die Selbständigkeit vollzogen
wird.
Politische Initiativen zur Verbesserung gründungsbezogener Einstellungen
Ein Review von politischen Programmen, die bei gründungsbezogene Einstellungen oder der
Gründungskultur einer Region ansetzen ist schwierig, da derartige Programme nur sehr schwer
wissenschaftlich evaluiert werden können und daher auch nur wenige entsprechende
Veröffentlichungen vorliegen. Der Erfolg von Förderinitiativen, die auf die Schaffung einer
“entrepreneurial culture” abzielen, messen den Erfolg von Maßnahmen oft anhand der Kenntnis des
Programms in der Bevölkerung bzw. bei einer bestimmten Personengruppe oder der
Gründungsmotivation (Vgl. Landtag Mecklenburg-Vorpommern 2005; BMWI 2006). Ob es durch
solche Förderinitiativen tatsächlich zu einer steigenden Anzahl an Unternehmensgründungen kommt,
wird nicht überprüft. Im Falle Mecklenburg-Vorpommerns ist die Zunahme der Selbständigenquote
von 7% auf knapp 10% im Verlauf der Kampagne “Einfach Anfangen” mit großer Wahrscheinlichkeit
nur zu einem kleinen Teil auf diese Kampagne zurückzuführen sondern eher das Resultat der massiven
Förderung von Gründungen aus der Arbeitslosigkeit (vgl. Bergmann/Sternberg 2007) und eines
allgemeinen Trends zu mehr Selbständigkeit. Hierdurch soll nicht gesagt werden, dass diese
Förderinstrumente unwirksam werden. Wissenschaftlich fundiert lässt sich allerdings in aller Regel
nicht nachweisen, dass Programme zur Schaffung einer „entrepreneurial culture“ oder der
Verbesserung gründungsbezogener Einstellungen tatsächlich zu einer höheren Anzahl an
70
Unternehmensgründungen führen (vgl. Storey 2003). Daher ist auch nur bedingt ein Überblick über
derartige Politikmaßnahmen möglich.
Eine wichtige politische Initiative, die die Gründungseinstellung von Studierenden und
wissenschaftlichen Mitarbeitern positiv beeinflussen will, ist das Förderprogramm „EXIST Existenzgründungen aus Hochschulen“. Das Förderprogramm will im ersten Schritt Studierende und
wissenschaftliche Mitarbeiter für die Berufsoption unternehmerische Selbständigkeit sensibilisieren.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Aus- und Weiterbildung potenzieller Gründer und als Drittes sollen
konkrete Gründungsvorhaben durch Beratung, Coaching und infrastrukturelle Hilfen unterstützt
werden. Im Zeitraum 1998 bis 2005 wurden durch EXIST insgesamt 15 regionale
Gründungsförderungsnetzwerke unterstützt, die zuvor auf Basis eines Wettbewerbs ausgewählt
worden waren. Die Gestaltung und Umsetzung der einzelnen Maßnahmen erfolgte durch die einzelnen
regionalen Akteure. Eine Darstellung aller Maßnahmen würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen.
Es lässt sich sagen, dass EXIST in den beteiligten Hochschulen zur Erhöhung der Motivation für eine
selbständige Tätigkeit geführt hat. Im Vergleich zur Ausgangssituation 1997 sind erheblich
Fortschritte im Bereich Entrepreneurship-Aus- und Weiterbildung an den Hochschulen zu verzeichnen
Die Langwierigkeit von Veränderungsprozessen, die im Bereich der Förderung einer Kultur der
unternehmerischen Selbständigkeit ansetzen, wird auch von der wissenschaftlichen Begleitung des
Förderprogramms hervorgehoben. Hierdurch wurden die Leitziele des Programms insgesamt erst
teilweise erreicht. (vgl. BMWI 2006). Als Erfolgsfaktoren von EXIST lassen sich der
Wettbewerbscharakter bei der Auswahl von Förderregionen und die Freiheit bei der Gestaltung
individueller Maßnahmen anführen. Fraglich ist allerdings noch, ob durch EXIST tatsächlich
dauerhafte Veränderungsprozesse initiiert und nachhaltige Förderinstitutionen geschaffen werden
konnten oder ob diese mit dem Auslaufen der Förderung wieder verschwinden werden. Zudem kann
noch nicht gesagt werden, ob es durch das Förderprogramm langfristig zu vermehrten
Gründungsaktivitäten und positiven Wirkungen auf die Regionalwirtschaft kommen wird (vgl.
Koch/Kautonen/Grünhagen 2006). Trotz dieser Einschränkungen können Regionen mit bedeutenden
Hochschulstandorten, wie beispielsweise Halle, sicherlich von den Erfahrungen des EXISTProgramms profitieren (vgl. OECD 2007a).
Autio, Kronlund und Kovalainen (2007) untersuchen in neun verschiedenen Ländern politische
Programme und Förderinitiativen, die wachstumsstarke Unternehmen unterstützen. Die meisten der
untersuchten Programme zielen hierbei nicht auf Einstellungen oder die Gründungskultur einer
bestimmten Personengruppe ab, sondern bieten konkrete Unterstützungsmaßnahmen für bestehende
Unternehmen in der Form von beispielsweise Beratungsleistungen, Exportunterstützung und
Finanzierungsmöglichkeiten.
The Mastering Growth Program in den Niederlanden ist eines der wenigen Programme, das sich
auf das Erreichen und das Management von Wachstum aus einer Management-Perspektive fokussiert.
Das Programm unterstützt Workshops, in denen ambitionierte Unternehmen voneinander lernen
können, wie unternehmerisches Wachstum erreicht werden kann. Ziele des Programms sind die
Motivation zu wachsen zu erhöhen und gleichzeitig auch die Management-Fähigkeiten des
Unternehmers zu verbessern. Die Beteiligten sollen hierbei primär voneinander lernen. Das Programm
wurde 2006 gestartet und es ist daher zu früh für eine endgültige Beurteilung. Allerdings ruhen großen
Erwartungen auf dem Programm (Autio/Kronlund/Kovalainen 2007: 55f).
High-Growth Start-up ist ein regionales Projekt in South Yorkshire in Großbritannien, dass von
der der Organisation Business Link initiiert wurde. Das Programm bietet über 18 Monate Mentoringund Coaching-Unterstützung für wachstumsstarke Unternehmen an. Die Unternehmer sollen hierbei
mit den notwendigen Management-Fähigkeiten für unternehmerisches Wachstum ausgestattet werden.
71
Das Programm hat bereits mehrere hundert Firmen unterstützt und wird in aller Regel als sehr
erfolgreich eingeschätzt (Autio/Kronlund/Kovalainen 2007: 63f.).
Die Handlungsempfehlungen von Autio, Kronlund und Kovalainen (2007: 76) zur Förderung von
wachstumsstarken Unternehmen decken sich in vielen Punkten mit den Handlungsempfehlungen der
OECD-Fallstudie für Halle (OECD 2007a: 58ff), insbesondere was die Fokussierung auf wenige,
wachstumsstarke Unternehmen, die Motivation der Unternehmer und die enge Zusammenarbeit mit
privatwirtschaftlichen Akteuren angeht.
Was kann man tun und was sollte man tun?
Gründungsbezogene Einstellungen und Fähigkeiten nehmen eine wichtige Rolle im
Gründungsprozess ein. Sie beeinflussen signifikant Gründungsaktivitäten und werden ihrerseits von
Merkmalen der Person und der Region bestimmt. Vor diesem Hintergrund kann man sagen, dass sie
eine intermediäre Rolle im Gründungsprozess spielen.
Die meisten Entrepreneurship-Förderinitiativen sind nicht direkt auf eine reine Verbesserung von
Einstellungen sondern auf eine Verbesserung der gründungsbezogenen Rahmenbedingungen
ausgerichtet. Bei den existierenden Programmen gibt es bislang noch keinen wissenschaftlich
fundierten Beleg dafür, dass sich über politische Initiativen, die auf eine Verbesserung
gründungsbezogener Einstellungen abzielen, tatsächlich eine Erhöhung der Gründungszahlen
erreichen lässt. Die Zahl der Einflussfaktoren auf die letztendliche Gründungsentscheidung ist zu groß,
um eindeutige Aussagen zuzulassen. Es gibt zwar Hinweise darauf, dass sich über politische
Initiativen eine Verbesserung von Einstellungen und Fähigkeiten erreichen lässt. Oft bedarf es
allerdings noch eines auslösenden Ereignisses (triggering event), damit tatsächlich der Schritt in die
Selbständigkeit vollzogen wird.
Bei der Gestaltung von politischen Programmen, die auf gründungsbezogene Einstellungen
abzielen, sollte beachtet werden, dass gründungsbezogene Einstellungen in hohem Masse von
persönlichen Merkmalen, der Einbindung in mikrosoziale Netzwerke und regionalen Merkmalen
abhängig sind. Der regionale Einfluss auf gründungsbezogene Einstellungen lässt sich recht gut durch
die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einer Region erklären. Insbesondere in wirtschaftsstarken
Regionen haben die Menschen positive Einstellungen zur Selbstständigkeit. Politische Maßnahmen
haben vor diesem Hintergrund immer nur einen vergleichsweise kleinen und langfristigen Einfluss auf
Gründungseinstellungen und die Gründungskultur in einer Region.
Das Vertrauen in die eigenen Gründungsfähigkeiten ist fast ausschließlich von Merkmalen der
jeweiligen Person und ihrer Einbindung in soziale Netzwerke abhängig. Insbesondere die Dauer der
eigenen Erwerbstätigkeit, ein hoher Bildungsabschluss, Selbstständigkeitserfahrungen sowie der
Kenntnis von anderen Gründern hat einen positiven Einfluss darauf, dass man sich eine Gründung
selbst zutraut. Auch bei der Wahrnehmung guter Möglichkeiten für eine Unternehmensgründung und
der individuellen Risikoaversion sind personenbezogene und mikrosoziale Faktoren von großer
Bedeutung: Gute Gründungsmöglichkeiten werden vor allen in Agglomerationsräumen und Regionen
mit einer hohen Kaufkraft wahrgenommen. Darüber hinaus führen die individuelle Kenntnis von
anderen Gründern und persönliche Selbständigkeitserfahrungen zu einer besseren Wahrnehmung von
Gründungsmöglichkeiten.
In Bezug auf die Angst zu scheitern (Risikoaversion) lässt sich ein signifikanter Unterschied
zwischen Ost- und Westdeutschland aufzeigen, der nicht vollständig anhand von wirtschafts- und
bevölkerungsstrukturellen Faktoren erklärt werden kann. Es stellt sich die Frage, ob man mit
geeigneten Maßnahmen versuchen sollte, diesen Unterschied zu verringern. Bei der Diskussion um die
72
hohe Risikoaversion in Ostdeutschland sollte man bedenken, dass Deutschland insgesamt durch eine
ausgeprägte Risikoaversion gekennzeichnet ist: 46.5% der 18- bis 64-Jährigen würden aus Angst vor
dem Scheitern auf eine Unternehmensgründung verzichten. Im Durchschnitt aller betrachteten Länder
liegt dieser Wert bei 35.4% und in den USA bei nur 21% (vgl. Sternberg/Brixy/Hundt, 2007: 19).
Daher kann man argumentieren, dass in Deutschland generell versucht werden sollte, die
Risikoaversion zu vermindern. Die Förderung von Eigeninitiative und der Bereitschaft, individuelle
Risiken zu tragen, sollte möglichst früh erfolgen und in allen Teilen des Bildungssystems verankert
werden. Erfolge sind hier allerdings erst mittelfristig zu erwarten (vgl. OECD 2007b: 32).
Der positive Einfluss der Kenntnis anderer Gründer und auch eigener Gründungserfahrungen auf
gründungsbezogene Einstellungen legt den Schluss nah, in diesem Bereich mit Fördermaßnahmen
tätig zu werden, beispielsweise über die Vernetzung von gründungsinteressierten Personen und die
Präsentation von Rollenvorbildern. Dieser Ansatz wird auch in den regionalen Fallstudien aufgegriffen
(vgl. OECD 2006a: 38f; OECD 2006b: 17). Andere der in den lokalen Fallstudien vorgeschlagenen
Maßnahmen, wie beispielsweise die Schaffung von Gründungsinkubatoren (vgl. 2006a: 12) erscheinen
weniger geeignet, eine tatsächliche Verbesserung der Gründungskultur in einer Region zu erreichen,
da es die internationalen Erfahrungen in Bezug auf Gründungsinkubatoren eher verhalten sind.
Wie bereits angeführt zeigen empirische Untersuchungen, dass kulturelle Merkmale nur zu einem
kleinen Teil für den Umfang an Unternehmertum in einer Region verantwortlich sind. Unternehmer
selbst wünschen sich meist nicht Förderprogramme sondern eine geringe administrative Belastung,
eine große Handlungsfreiheit und niedrige Steuern. Über Verbesserungen in diesem Bereich lassen
sich vermutlich am besten die Einstellungen zu einer unternehmerischen Tätigkeit nachhaltig
verbessern.
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76
ERGEBNISSE DER LOKALEN FALLSTUDIEN UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
OECD
Aus allen lokalen Fallstudien wurde ersichtlich, dass die Unternehmenskultur und günstige
Bedingungen für unternehmerisches Engagement und die Unternehmensentwicklung mit dem Ziel
gefördert werden müssen, Unternehmensneugründungen und das KMU-Wachstum voranzubringen.
Die Bedeutung einer unternehmerischen Kultur und die Förderung günstigerer Einstellungen und
Motivationen zur Umsetzung neuer Ideen sind inzwischen in Regierungshandeln und gemeinsame
Initiativen der Öffentlichen Hand und des privaten Sektors gemündet. Diese Initiativen gehen vor
allem von Institutionen des Bundes und der Länder aus, jedoch werden auch auf kommunaler Ebene
Initiativen wie beispielsweise die Unternehmertage und die Wettbewerbe und Preisauslobungen für
Geschäftsideen organisiert. Einige Partnerschaften wurden auf Landesebene zwischen den Industrieund Handelskammern, den Handwerkskammern und den Arbeitsagenturen in eine formellere Form
gegossen. Das Ziel ist die Anregung und Begleitung von Initiativen über Internetportale, Workshops
und Einzelveranstaltungen. Auf lokaler Ebene ergaben einige der Fallstudien, dass es an
identifizierbaren Rollenmodellen und Erfolgsgeschichten vor Ort mangelt. Erfolgreiche Unternehmer
stoßen sogar mancherorts eher auf Neid denn auf Bewunderung.
Die Prüfung der lokalen Fallstudien ergab zwei Haupttendenzen der Wirtschaftsaktivität und des
Unternehmertums. Einerseits suchen die Menschen nach Beschäftigung in etablierten Unternehmen
oder im öffentlichen Dienst, statt eigene Geschäfte zu gründen. Diese Grundeinstellung fördert die
Übernahme von Standardaufgaben und die Erwartung, die eigene berufliche Laufbahn im Rahmen
wohl geordneter Arbeitsmarktstrukturen durchlaufen zu können; nicht gefördert werden so
Fähigkeiten, die zur Entwicklung neuer und wachstumsorientierter Geschäftsaktivitäten beitragen:
Kreativität, Anpassungsfähigkeit, Selbstständigkeit und Risikobereitschaft mit Urteilsvermögen sowie
die Erwartung, im Zuge der Karriereplanung das Unternehmen zu wechseln und auch selbständig zu
werden. Auf der anderen Seite sind die Aktivitäten von Menschen, die tatsächlich ihr eigenes Geschäft
betreiben, oftmals von dem Wunsch geprägt, Arbeitslosigkeit zu vermeiden; weniger wichtig ist das
Motiv, erkannte Marktchancen und Markttrends zu nutzen, so das die Wachstums- und
Überlebenschancen dieser Geschäfte in der Regel nicht sehr hoch sind.
Gewiss könnte man in diesem Kontext auf das sozioökonomische Erbe der Kommandowirtschaft
aus DDR-Zeiten verweisen, das der Entwicklung unternehmerischen Engagements im Wege steht; die
Unternehmenstätigkeit und die Unternehmensentwicklung im weltweiten Maßstab zeigen jedoch, dass
es bei der Förderung von Unternehmertum und entsprechender Motivation nicht nur in
Übergangsgesellschaften, sondern auch in vielen anderen Regionen der OECD, die bislang von großen
Industriebetrieben mit nachfolgendem Niedergang geprägt worden, Schwierigkeiten gibt. Das gilt
insbesondere für die alten Industrieregionen Europas und Nordamerikas. Viele dieser Regionen sind
heute um die Schaffung unternehmerischer Fähigkeiten und Motivationen bemüht, weil sie der
Überzeugung sind, dass dies ein erster Schritt sowohl für eine wirtschaftliche Neubelebung wie für die
Entwicklung und das Wachstum kleiner Unternehmen ist. Benötigt wird ein langfristiger, integrierter
regionaler Aktionsplan zur Umsetzung eines kulturellen Wandlungsprozesses und zur Förderung einer
unternehmerisch orientierten Gesellschaft; hierbei spielen Initiativen in den Bereichen Bildung,
Ausbildung, Verwaltung, Gesellschaft, Geschäftswelt, Medien etc. eine wichtige Rolle. Viele
77
Standorte, deren Wirtschaft im Strukturwandel begriffen ist, haben den Eindruck, dass die
Bewältigung dieses Prozesses sie in ihren Möglichkeiten zur gleichzeitigen Förderung dynamischer
und gut ausgebildeter Unternehmer behindert, die in der Lage wären, neue Arbeitsplätze zu schaffen
und neue wirtschaftliche Initiativen zu verwirklichen. Wahrscheinlich wegen der Auswirkungen des
Übergangsprozesses und wegen der Schließung großer Fabriken ist hier ein Mangel an
„Lokalpatriotismus und Stolz“24 zu beobachten, die von mancher Seite als Voraussetzung für
Unternehmensneugründungen und unternehmerisches Engagement vor Ort betrachtet werden. Daher
erfordert die Förderung unternehmerischer Fähigkeiten und Motivationen eine Strategie, die auch die
Attraktivität und das Image der Landkreise als Standort für Geschäftsneugründungen verbessert,
Rollenmodelle für erfolgreiches Unternehmertum bietet, das Bewusstsein für unternehmerische
Möglichkeiten erhöht und Mentoren für neue und potentielle Unternehmer vorsieht. Zuwanderer und
Menschen, die aus familiären oder sonstigen Gründen gern in ihre Landkreise zurückkehren wollen,
können einen großen Wert für künftiges Unternehmertum und für die künftige wirtschaftliche
Entwicklung darstellen. Für einige der lokalen Fallstudiengebiete wurden erste Ergebnisse mit einer
gewissen Anzahl erfolgreicher und unternehmerisch aktiver Menschen ersichtlich, die aus anderen
Teilen Deutschlands oder aus dem Ausland in die betreffenden Landkreise kamen und ihre eigenen
Firmen gründeten.
Die Einsicht, dass es beim Unternehmertum nicht nur um Start-Ups geht, sondern dass
Beschäftigungsfähigkeit und Unternehmertum inzwischen untrennbar zusammengehören, sollte den
politisch Verantwortlichen auch die Bedeutung der Aus- und Weiterbildung bewusst machen. Die
Schaffung unternehmerischer Einstellungen unter den Führungskräften und Belegschaftsmitgliedern
der Unternehmen ist ein wichtiger Faktor bei der Erhöhung des Innovationspotenzials und der
Innovationsbereitschaft von Unternehmen. In einigen lokalen Fallstudiengebieten lag die Anzahl der
gut ausgebildeten Mitarbeiter über dem Bundesdurchschnitt. Dies legt nahe, an eine Erweiterung der
laufenden Aktivitäten zu denken, um die Gruppe der potenziell von politischen Initiativen
Profitierenden zu vergrößern und gut ausgebildete Mitarbeiter als Zielgruppe mit hohem
unternehmerischem Potenzial einzubeziehen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des noch immer
schwachen Interesses an der Übernahme von Unternehmensnachfolgen im Vergleich zu
Unternehmensneugründungen. Die Beteiligung an einem größeren Wirtschaftsraum ist von Vorteil;
die Ansiedelung großer Unternehmen, oftmals multinationaler Art, bietet erweiterte
Beschäftigungsmöglichkeiten und damit für die Mitarbeiter die Chance, Erfahrungen zu sammeln, ihre
Fähigkeiten zu erweitern und Netzwerken anzugehören. All dies kann für die Aufnahme einer
eigenständigen
Geschäftstätigkeit
von
Bedeutung
sein.
Die
Steigerung
der
Verantwortungsbereitschaft, der Bereitschaft zum Engagement und die Anerkennung der Leistungen
anderer sind eng mit einem Prozess kultureller und organisatorischer Veränderungen in den
Unternehmen verbunden. In ihrem Vorhaben, die kommunale Wirtschaft in ihren Schlüsselsektoren
Gesundheitswesen und Automobilindustrie zu stärken, können die meisten Fallstudiengebiete auf
einen großen Pool an qualifizierten jungen Arbeitnehmern mit akademischem Hintergrund und guter
Ausbildung sowie auf eine örtliche Business Community zurückgreifen, der Unternehmen
unterschiedlicher Größe und mit verschiedenen Spezialgebieten angehören.
Die lokalen Fallstudien bestätigten die Annahme, dass sich die Förderung unternehmerischen
Engagements bislang zu stark auf die Arbeitslosen konzentriert. Die Vermeidung oder Überwindung
von Arbeitslosigkeit steht oftmals im Hintergrund neuer Geschäftsgründungen. Diese der Not
entsprungenen Geschäftsgründungen sind jedoch in vielen Fällen im Wettbewerb weniger erfolgreich
als Firmen, die aus freien Stücken gegründet worden, und gerade deren Gründung und Wachstum
24
Zit. aus Declan Murphy (2006): Supporting Entrepreneurship: Innovation, Exporting, Infrastructure and Financing, in:
Entrepreneurship in the Districts Mittweida (Saxony) and Altenburger Land (Thuringia), OECD Diskussionspapier, OECD
Local Entrepreneurship Reviews.
78
sollte im Mittelpunkt der Förderung stehen. Erforderlich ist ein Gleichgewicht zwischen der
Förderung unternehmerischer Haltungen und Fähigkeiten in der Bevölkerung als ganzer und der
Unterstützung von Unternehmensneugründungen und bestehenden kleinen Unternehmen. Leicht wird
jedoch der Fehler gemacht, dass man sich zu sehr auf sog. „harte“ Unterstützungsleistungen wie die
Bereitstellung von Geldmitteln, Immobilien und Beratungsleistungen und zu wenig auf „weiche“
Unterstützungsleistungen in Bezug auf die Förderung von Motivation und Fertigkeiten konzentriert.
Diese letztgenannte Art der Förderung legt den Schwerpunkt darauf, Menschen unternehmerisches
Engagement als echte Karrierechance nahe zu bringen und unternehmerisches Handeln als Chance zu
vermitteln, selbst von der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, von neuen Märkten und
neuen Wegen der Produktion zu profitieren. Weit verbreitetes aus Not geborenes unternehmerisches
Engagement führt eher zu Problemen, da so neue Unternehmer aus der Gruppe der
Langzeitarbeitslosen aktiv werden, die nur über begrenztes Eigenkapital und begrenzte Fähigkeiten
verfügen. Diese Art des unternehmerischen Engagements ist in Hinblick auf die Produkt- und
Verfahrensinnovation, das Unternehmenswachstum, die Produktqualität und die räumliche Reichweite
ihrer Märkte verhältnismäßig schwach. Die meisten der Not geschuldeten Unternehmensgründungen
konzentrieren sich auf bloße Nischen innerhalb lokaler Märkte, wobei jedoch langfristig nur die
Expansion über den lokalen Standort hinaus mit Wahrscheinlichkeit zu weiteren Einkünften führt, die
langfristig allein den wirtschaftlichen Niedergang auf lokaler Ebene umkehren können. Daher sind
Maßnahmen zur Förderung unternehmerischer Motivation und unternehmerischer Fähigkeiten wichtig
nicht nur für die Erweiterung des Pools von Personen, die Interesse und Fähigkeiten für die Gründung
und Führung eines Geschäftes mitbringen, sondern auch für die Fortentwicklung der
Geschäftsaktivität in den Landkreisen weg von bloßen Notgründungen und hin zu Gründungen aus
freier Eigeninitiative mit wachstumsorientierten Innovationen bei Produkten, Märkten und
Herstellungsverfahren, die lokale Firmen wettbewerbsfähiger machen.
Die Verbesserung der unternehmerischen Haltungen geht einher mit einem größeren Bewusstsein
der Chancen und Vorteile des Unternehmertums; damit wird für einen weiteren Personenkreis die
Gründung oder Erweiterung eines eigenen Geschäftsbetriebes attraktiver, und in den Institutionen,
Gemeinden und Unternehmen wird die Unternehmenskultur besser verankert. Verbunden mit einer
unternehmensorientierten Kultur ist somit das rechte Verständnis der Markt- und Geschäftschancen,
die kleinen und traditionellen Unternehmen helfen, innerhalb der lokalen Wirtschaft und/oder über
deren Grenzen hinaus neue Chancen wahrzunehmen. Die lokalen Fallstudien lassen darauf schließen,
dass sich für die Mehrheit der bestehenden KMU eine zu eng gefasste Auffassung der Märkte und der
Wachstumschancen negativ auf den Wachstumswillen und die Innovationskapazitäten auswirkt.
Darüber hinaus stehen die Personalentwicklung und die Personalschulung oftmals nicht im
Mittelpunkt der Prioritäten der Geschäftsführungen von KMU; diese sind einen Großteil ihrer Zeit mit
der Regelung zahlreicher dringlicher Probleme beschäftigt. Wichtig ist die regelmäßige
Qualitätsprüfung von Schulungsangeboten, einschließlich Coaching- und Beratungsleistungen, wobei
lokale Geschäftserfordernisse zu berücksichtigen sind. Als für den weiteren Ausbau geeignetes Modell
Guter Praxis können verschiedene Pilotinitiativen unter Zusammenarbeit von Kammern und
Unternehmensverbänden angeführt werden. Die derzeitigen Maßnahmen zu Schulung und
Bewusstseinsförderung scheinen sich indes zu einem großen Teil auf berufliche Schulung und
Erwachsenenbildung zu konzentrieren, was wenig Spielraum für die Förderung unternehmerischer
Einstellungen in Schulen und für die Motivation von Studenten in Hinblick auf die Alternative
selbstständigen Unternehmertums statt abhängiger Beschäftigung lässt. Die Maßnahmen zur
Förderung des Unternehmertums sollten daher auch auf neue Publikumskreise ausgeweitet werden.
Die lokalen Fallstudien in Ostdeutschland führten zu einer Reihe von Handlungsempfehlungen
für die auf nationaler und lokaler Ebene politisch Verantwortlichen, die mit der Entwicklung und
Stärkung des Unternehmertums und der kommunalen Wirtschaft befasst sind und sowohl auf lokaler
Ebene wie auf weiteren Regierungsebenen tätig sind. Obgleich die Handlungsempfehlungen
79
schwerpunktmäßig die kommunale Ebene betreffen, beinhalten sie doch eine gewisse Relevanz für
andere Standorte in Ostdeutschland und andernorts. Daher sollte die nachfolgende Aufstellung von
Handlungsempfehlungen als Checkliste für politische Akteure und lokale Organisationen zu Rate
gezogen werden, wo es um die Innovation der Unternehmenspolitik und die Entwicklung lokaler
Aktivitäten mit dem Ziel der Erweiterung der Unternehmenskultur und um die Förderung und
Verbreitung günstiger Einstellungen und Motivationen für die Aufnahme und Erweiterung
unternehmerischen Engagements geht.
Handlungsempfehlungen zur Stärkung und Verbreitung unternehmerischer Haltungen und Einstellungen

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Bewusstsein für unternehmerische Chancen stärken. Werbeaktionen und Werbematerialien sollten
entwickelt werden, um Chancen, die sich aus der Unternehmensgründung ergeben, einem breiten
Publikum nahe zu bringen. Landkreise sollten innovativ sein und Werbung für die eigene Region
voranbringen.
Imageaufwertung in Regionen und Landkreisen. Eine Veränderung der Unternehmermentalität erfordert
ebenfalls eine Imageaufwertung der jeweiligen Region oder des Landkreises bei der ansässigen und
externen Bevölkerung. Wenn die Leute nicht glauben, dass ein Ort attraktiv genug ist, um dort zu leben
oder dass dort die Entwicklung innovativer und wachstumsorientierter Tätigkeiten möglich ist, werden sie
dort keine Unternehmen gründen oder ihre Unternehmen anderswo betreiben. Es sollten daher
Kampagnen gestartet werden, um das Vertrauen in die Zukunft der Region zu stärken. Hierbei sollten
Regionen ihre spezifischen Schlüsselstärken oder „Anziehungspunkte‟ fördern.
Sensibilisierungskampagnen für erfolgreiches Unternehmertum. Langfristig betrachtet wirkt sich eine
Förderung des unternehmerischen Denkens und Handelns während des gesamten schulischen
Bildungssystems bis hin zur Universitätsausbildung positiv und steigernd auf unternehmerisches Streben,
Denken und Verhalten aus. Die Erziehung sollte schon von Kindesalter an gleichermaßen Kreativität und
Selbständigkeit fördern und jungen Menschen eine realistische Vorstellung von Unternehmertum als
existenzfähige, auch zeitweilige Alternative in einem Arbeitsleben, das zukünftig verstärkt aus einem
Wechsel zwischen selbstständigen und abhängigen Beschäftigungen bestehen wird.
Schaffung von Vorbildern und Champions. Regionale/örtliche Erfolgsgeschichten sollten von öffentlichen
und privaten Akteuren in unterschiedlicher Form (z.B. Auszeichnungen, Erfolgsgeschichten) bei lokalen
und überregionalen Anlässen (z.B. Konferenzen, Messen, Veranstaltungen usw.) durch Medien
(Fernsehen, Rundfunk, Tageszeitungen, Zeitschriften, Internet usw.) bekannt gemacht werden.
Anschauliche Lebens- und Erfahrungsberichte erleichtern es zu verstehen, was es bedeutet, ein
Unternehmer zu sein.
Mentoren- und Patengruppen bilden . Eine Vorgehensweise, die in anderen OECD-Ländern in der
Förderung von KMU Anwendung findet, ist die Einbindung von erfahrenen Geschäftsleuten im Ruhestand
in die strategische Beratung von jungen und expandierenden Unternehmen. Solch eine Betreuung durch
Mentoren ist sowohl für Kleinbetriebe als auch für größere mittelständische Unternehmen während aller
Entwicklungsphasen von Bedeutung.
Schaffung von Anreizen und Förderprogrammen in der Unternehmensnachfolge. Angesichts des immer
noch niedrigen Interesses an Geschäftsnachfolgen im Vergleich zu Unternehmensneugründungen sollten
vermehrt Anreiz- und Förderstrukturen geschaffen werden. Die Einbeziehung hochqualifizierter Angestellter
mit einem großen Potential für unternehmerische Aktivität sollte als Zielgruppe für Trainingsprogramme in
der Unternehmensnachfolge verstärkt in Betracht gezogen werden.
Schaffung von Anreizen für KMU zur Einstellung von Auszubildenden. Ausbildungsplätze geben jungen
Menschen die Möglichkeit, Berufserfahrung zu sammeln. Unternehmen wird dadurch eine Gelegenheit
geboten, um junge Arbeitskräfte zu testen, ihre Fähigkeiten zu prüfen und sie entsprechend den
Bedürfnissen des Unternehmens auszubilden. Unternehmertum ist weit mehr als nur
Firmenneugründungen: Arbeitsfähigkeit und Unternehmertum sind untrennbar miteinander verbunden.
Daher ist es wichtig, Initiativen auszuweiten, die die Bedeutung beruflicher Qualifikation vermehrt ins
Bewusstsein rufen und Anreize für KMU schaffen, um Auszubildende einzustellen.
Förderung von Intrapreneurship. Die Förderung von unternehmerischem Denken bei Managern und
Angestellten ist wichtig für Innovation in KMU. Mehr Verantwortung und Engagement sowie Anerkennung
der Leistung von Mitarbeitern, die sich allesamt positiv auf das Innovationspotential eines Unternehmens
auswirken können, setzt kulturelle und organisatorische Veränderungen voraus.
80
Box 7. Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in der Förderung von unternehmerischer
Einstellungen und Haltungen
Y4 - Unternehmerfreundliche Regionen schaffen – Finnland: Barrieren für Unternehmertum abbauen.
“4x4 pour entreprendre“ in Wallonien – Belgien: Fördern eines positiven Klimas für das Unternehmertum – Jeden
mit ins Boot holen.
Der Walisische „Aktionsplan für Unternehmertum“ (EAP) Einstellungen und Haltungen verändern, um eine
Unternehmenskultur zu schaffen, die Studenten, Arbeitnehmer, Unternehmer und den öffentlichen Sektor
miteinbezieht.
Schottlands Strategie zur Erhöhung der Rate von Unternehmensgründungen – Vereinigtes Königreich:
Unternehmerische Haltung und Unternehmenskultur; Politikumsetzung in der Förderung von Unternehmertum.
Baskenland: Auf Strategie bauen in der Konsolidierung einer unternehmerischen Gesellschaft – Spanien:
Regionaler Aktionsplan für einen kulturellen Wandel der unternehmerischen Denkens und Handelns fördert.
"Determined to succeed": Sicher auf dem Weg zum Erfolg – Schottland – Vereinigtes Königreich:
Bildungsprogramm für Unternehmen.
Vom Angestellten zum Unternehmer: das Enterprise Start Programm – Irland: Hochqualifizierte Arbeitnehmer für
Ausgründungen gewinnen, um die Anzahl der viel versprechenden Unternehmensneugründungen zu steigern.
„ViestinVaihto-ohjelma“: Betriebsübernahme einfach gemacht – Finnland: Programm für Führungskräfte in KMU,
mit dem die Planung der Firmennachfolge betreuend unterstützt werden soll.
Futurego – der Schüler-Businessplanwettbewerb des Landes Sachsen-Anhalt – Deutschland.
Deutsche Gründer- und Unternehmertage 2007- „Gründer-Champions 2007“.
Unternehmerinnen- und Gründerinnentag des Landes Brandenburg (UGT) „Unternehmerin des Landes
Brandenburg 2007“.
81
KAPITEL 2
MODERNISIERUNG UND DIVERSIFIZIERUNG BESTEHENDER KMU
82
BESTEHENDE UNTERNEHMEN ZUM NACHDENKEN ÜBER IHR WACHSTUM
ANREGEN
Markku Virtanen, Finnland
Einleitung
Die Förderung von Unternehmertum und Wirtschaftswachstum ist ein wichtiger Faktor für die
Schaffung von Arbeitsplätzen und die Entwicklung jeder Volkswirtschaft. Der Übergang von der
Planwirtschaft zur freien Marktwirtschaft unterstreicht die Bedeutung des Unternehmertums, da eine
Kultur des Unternehmertums in dieser Tradition nicht bestand. In den meisten Fällen beinhaltet der
Transformationsprozess Privatisierungen öffentlichen Eigentums und somit Änderungen in der
Eigentumsstruktur der Wirtschaft. Mit der Änderung der Eigentumsverhältnisse sind verschiedene
Herausforderungen verbunden, um den potenziellen Nutzen möglichst optimal einzusetzen.
Angemessene physische und institutionelle Infrastrukturen werden zur Anziehung privater
Investitionen benötigt, und wohl definierte Strategien und Politiken sind einzuführen, um für ein
berechenbares Geschäftsumfeld zu sorgen. Wie Smallbone und Welter (2001a) hervorheben, ist die
gesellschaftliche Transformation weit mehr als nur ein wirtschaftlicher Prozess, sie umfasst vielmehr
auch soziale Veränderungen.
Das Hauptziel der regionalen oder kommunalen Wirtschaftsentwicklung besteht in der
Stimulation von Beschäftigungsmöglichkeiten vor Ort in Branchen, die in den Kommunen Wohlstand
schaffen, indem sie menschliche, natürliche und institutionelle Ressourcen nutzen (Blakely und
Bradschaw 2002). Die Strategien der Regionalentwicklung durch die Anregung und Förderung von
Geschäftsaktivitäten und Beschäftigung beinhalten auch vermehrtes unternehmerisches Engagement
und die Verbesserung der Unternehmenskultur im betreffenden Gebiet sowie die Förderung von
Unternehmensneugründungen und Innovationen zur Anwerbung von Geschäften und Investitionen
und zur Fortentwicklung und Expansion bestehender Unternehmen.
Das Unternehmensumfeld, einschließlich kultureller, demographischer, politischer und
technologischer Faktoren und natürlicher Ressourcen, soweit vorhanden, sowie neuer gesetzlicher
Regelungen für Unternehmen ist zwischen den Staaten und innerhalb einzelner Staaten recht
unterschiedlich. Es liegt auf der Hand, dass die Hauptprobleme in der Förderung des
Unternehmertums in Übergangswirtschaften auf den kulturellen Hintergrund und das fehlende
unternehmerische Erbe zurückzuführen sein könnten. Im Laufe der Zeit kann der
Transformationsprozess jedoch zur Erschließung ganz neuer Potenziale und Chancen führen.
Möglicherweise verbirgt sich in den derzeit bestehenden Unternehmen ein nicht offen sichtbares
Innovations- und Wachstumspotenzial, das sich durch Anreize und Initiativen zur Verbesserung der
geschäftlichen Fähigkeiten und des wirtschaftlichen Know-how, des Unternehmergeistes, des
Expansionswillens und einer angemessenen Unternehmenskultur aktivieren lässt. Die zu
unternehmenden Anstrengungen sollten jedoch nicht auf Innovation und Wachstum beschränkt
bleiben, sondern die ganze Vielfalt der lokalen Unternehmen und der von diesen geschaffenen
Arbeitsplätze berücksichtigen (Stark und Brown 1997).
83
Die KMU-Politik aus der Perspektive der Modernisierung und Diversifizierung ist in
Übergangswirtschaften eine ganz andere, da es in diesen Regionen vor dem Zusammenbruch der
zentralisierten Planwirtschaft so gut wie keine kleinen Unternehmen gegeben hat, wobei Polen eine
Ausnahme bildet (Konopielko und Bell 1998). Daher konnten die Entwicklungs- und
Expansionsbemühungen zu Anfang der Neunziger Jahre noch nicht so ergiebig sein, wie sie es heute
sein können.
Die vorliegende Studie konzentriert sich auf die Modernisierung und Diversifizierung von KMU
in Ostdeutschland. Daher wird es in ihr vorrangig um die Politiken zur Bestandssicherung und
Erweiterung bestehender Unternehmen gehen; Strategien und Maßnahmen zur Förderung von
Unternehmensneugründungen bleiben weitgehend unberücksichtigt. Die Hauptfrage der Untersuchung
lautet: Welche Art politischer Maßnahmen und Charakteristika sind im Zuge der Modernisierung und
Diversifizierung von KMU in Ostdeutschland von Bedeutung?
Mit dieser Studie werden die meisten vorhergehenden Studien überarbeitet, und die
Schlüsselkonzepte werden beschrieben. Nachfolgend werden Handlungsbereiche für die politische
Intervention beschrieben und zweckdienliche Reaktionen in ausgewählten OECD-Mitgliedsstaaten
sowie deren Relevanz für Ostdeutschland erörtert.
Modernisierung und Diversifizierung von KMU – einige theoretische Aspekte
Kleine und mittlere Unternehmen
Als KMU werden Unternehmen in Deutschland eingestuft, wenn sie weniger als 500 Mitarbeiter
besitzen und einen Jahresumsatz von unter 50 Millionen Euro ausweisen (FMET 2006). Trotz
abweichender Definitionen im Vergleich mit vielen anderen europäischen Ländern werden in der
vorliegenden Studie keine abweichenden Definitionen berücksichtigt. Nach der vorstehenden
Definition sind 99,7% sämtlicher Unternehmen in Deutschland KMU (ca. 3,5 Millionen); sie stellen
über 70% sämtlicher Arbeitsplätze und erwirtschaften ca. zwei Fünftel des steuerpflichtigen Umsatzes.
KMU sind ein Schlüsselfaktor der Wirtschaftsentwicklung in Ostdeutschland (FMET 2006).
Modernisierung und Diversifizierung
Die politischen Fragen und Ansätze zum Thema Modernisierung und Diversifizierung von KMU
sind nicht leicht zu beantworten, da die Konzepte nicht eindeutig sind und Untersuchungen dieser
Prozesse bislang kaum vorliegen. Zur Modernisierung und Diversifizierung von KMU gehört sowohl
die Schaffung neuer unternehmerischer Projekte, um die Wirtschaftsstruktur zu verändern, als auch die
Transformation bestehender Unternehmen. Zu den politischen Maßnahmen zur Modernisierung und
Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur (Unternehmensverteilung) könnte der Einsatz von
Instrumenten zur Schaffung von Potenzialen für neue Branchen und zur Abschreckung von
unternehmerischem Engagement in traditionellen Sektoren (wie beispielsweise Landwirtschaft und
Fischerei) gehören. Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich vorrangig auf bestehende KMU in
herkömmlichen und handelsfähigen Sektoren; das bedeutet, dass politische Maßnahmen mit dem Ziel
der Veränderung der Wirtschaftsstruktur weniger Berücksichtigung finden.
Malecki (1997) vertritt die Auffassung, dass der Modernisierungsprozess in kleinen Unternehmen
langsamer abläuft, da es diesen an Bewusstsein und am Zugang zu neuen Herstellungsverfahren sowie
an praktischen Erfahrungen mit neuen Technologien fehlt. Diese Argumentation, kaum 10 Jahre alt,
steht im Gegensatz zur Argumentation von Blakely und Bradshaw (2002), die der Meinung sind,
Technologien bewegten sich mühelos über den Globus und die Menschen hätten praktisch weltweit
Zugang zu Informationen. Die schnellere Verbreitung von Informationen hat den Zyklus beträchtlich
84
verkürzt. Der Zugang zu Informationen für KMU ist leichter geworden, und der verkürzte
Lebenszyklus schafft für sie neue Geschäftsmöglichkeiten, da KMU flexibler als große Unternehmen
sind. Zugleich stellt jedoch ein verschärfter Wettbewerb die KMU vor neue Herausforderungen.
Modernisierung lässt sich als Einführung von Unternehmertum und Innovationen in bestehende
Unternehmen verstehen. Boime (1976) schreibt in diesem Zusammenhang: „Der Entrepreneur schafft,
soweit seine Aktivitäten die physikalische Natur der Umwelt und somit die Erfahrungsbedingungen
verändern, eine, wie ich sagen möchte, unternehmerische Ökologie. Der Begriff, wie er hier verwendet
wird, steht für den sich wandelnden Charakter der heutigen Welt, vermittelt über materielle Zeichen
der Modernität. Entrepreneure führen uns nicht nur deutlich den Wandel vor Augen, sie sind auch die
ersten, die durch ihren Lebensstil auf ihn aufmerksam machen.“ Dieser Ansatz unterstreicht die Rolle
des Unternehmers im Transformationsprozess. Boime (1976) betont den Grund für unsere Annahme,
weshalb unternehmerisches Talent von so großer Bedeutung ist: Die Aktivitäten des Unternehmers
verändern unsere physische Umwelt. Boime verweist auf einen weiteren interessanten Aspekt in der
Rolle des Unternehmertums, nämlich auf die Vorreiterrolle der Unternehmer auf der
Konsumentenseite.
Die Neugründungsquote in Ostdeutschland lag zu Beginn der Neunziger Jahre während des
Übergangs von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft besonders hoch (Irsch 2005). Die Kreditanstalt
für Wiederaufbau (KfW) und die Deutsche Ausgleichsbank (DtA) sind zwei quasi öffentliche
Kreditinstitute, die öffentliche Mittel zum Einsatz von Beteiligungskapital nach Ostdeutschland leiten,
wobei auch regionale Kriterien berücksichtigt werden (Sunley et al. 2005). Diese Mittel wurden in
weit höherem Maße für frühzeitige Investments eingesetzt als dies beispielsweise in Großbritannien
der Fall war (Sunley et al. 2005). Um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, konzentrierten sich die
noch bestehenden ostdeutschen Unternehmen in der Übergangsphase vorrangig auf die
Modernisierung ihrer Anlagen und Maschinen. Das Anlagevermögen ist in den ostdeutschen Firmen
noch immer verhältnismäßig groß, und ihr modernisierter Kapitalstock verschafft den ostdeutschen
Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil (Irsch 2005). Daher steht die Modernisierung von Anlagen
und Maschinen nicht im Mittelpunkt der vorliegenden Analyse.
Penrose (1959) stellt fest, dass Diversifizierung das in der Analyse der wirtschaftlichen Lage von
Unternehmen vielleicht am meisten zu Unrecht vernachlässigte Charakteristikum ist. Die Autorin
bemerkt, dass Diversifizierung hier und da auch als Produktionserweiterung oder Integration in
Verbindung mit dem Unternehmenswachstum bezeichnet wird. Daher werden sich Politiken zur
Förderung der Diversifizierung in KMU eng mit der Wachstumsförderung zusammenschließen
müssen. Porter (1985) befasst sich mit Diversifizierungsstrategien im Kontext großer Unternehmen
und stellt fest, dass sich die Diversifizierungsstrategie in den 80er Jahren verändert hat, so das die
größeren Unternehmen sich inzwischen auf Geschäftszweige konzentrieren, die in großer Nähe zum
Kerngeschäft stehen. Penrose (1959) vertritt die Auffassung die Ausnutzung überschüssiger
Humankapitalkapazitäten sei der wesentliche Faktor für Unternehmenswachstum und
Diversifizierung. Rumelt, Schendel und Teece (1994) sind der Meinung, dass durchgreifende
Diversifizierungen die gemeinsame Nutzung von Ressourcen und/oder den Transfer von Fertigkeiten
zwischen mindestens zwei ansonsten unterschiedlichen Unternehmen erfordern. Die Verwertung
unausgenutzter Ressourcen geht, anders als Wachstum durch Akquisitionen, in den meisten Fällen mit
internem Wachstum einher.
Ein modernerer Ansatz in der Untersuchung von Diversifikationen arbeitet mit einer ProduktMarkt-Matrix, welche den Neuigkeitsgrad der betreffenden Produkte oder Leistungen im Verhältnis
zur Neuheit der betreffenden Märkte beschreibt. Produktdiversifizierung bedeutet die Bereitstellung
neuer Produkte für bestehende Märkte, während Marktdiversifizierung für die Möglichkeit steht,
bestehende Produkte in neuen Märkten zu verkaufen. In diesem Fall ist der Innovationsgehalt
85
besonders hoch, da Innovationen in jedem Fall neue Erkenntnisse in Verbindung mit neuen Produkten,
Technologien oder Märkten voraussetzen (Afuah 1998). Im Falle radikaler Innovationen bedeuten die
Kenntnisse, die zur Verwertung der Innovationen erforderlich sind, die Vernichtung von
Kompetenzen, während inkrementelle Innovationen mit der Erweiterung von Kompetenzen
einhergehen (Afuah 1998). Deakins und Freel (2003) betrachten Diversifizierungsstrategien als Teil
von Vermarktungsstrategien und vertreten die Auffassung, dass erfolgreiche Diversifizierung
sorgfältige Marktanalysen beispielsweise im Rahmen von Machbarkeitsstudien voraussetzt. Nachdem
ein Änderungsbedarf ermittelt wurde, sollte eine konzentrierte Strategie für eine diversifizierte
Weiterentwicklung erarbeitet werden. Die Autoren betonen, dass eine erfolgreiche
Diversifizierungsstrategie nicht nur Planung, sondern auch die Schulung von Unternehmern in der
Umsetzung der angestrebten Veränderungen benötigt.
Auf Unternehmensebene sind die Erkennung neuer Geschäftsmöglichkeiten, Aktivitäten bei
Forschung und Entwicklung, Innovationspolitik, die Technologiebasis, Technologie- und
Geschäftskenntnisse sowie kaufmännische Fähigkeiten das verbindende Element zwischen
Diversifizierung und sich wandelnden internen und externen Gegebenheiten mit Auswirkung auf die
Produktivitätschancen des Unternehmens (vgl. Penrose 1959). Diese Kräfte fördern zugleich die
Diversifizierung und begrenzen die Handlungsmöglichkeiten zur Modernisierung und
Diversifizierung. Diese dynamischen Veränderungen (Modernisierung und Diversifizierung) sind
somit eng miteinander verbundene Unternehmensprozesse. Iacobucci und Rosa (2002) sind der
Auffassung, dass ein wichtiger Grund für Unternehmensneugründungen im Bedarf an
organisatorischer Ausdifferenzierung aufgrund der Diversifizierung der unternehmerischen Aktivitäten
liegt. Diversifizierung kann entweder die geographische Erweiterung oder den Eintritt in neue
Marktsektoren bedeuten (Iacobucci und Rosa 2002). Von einem „Portfolio-Entrepreneur“ sollte man
sprechen, wenn die Diversifizierung mit der Gründung eines neuen Unternehmens durch ein und
denselben Unternehmer verbunden ist (Huovinen 2007).
Triebkräfte und Herausforderungen für die Modernisierung und Diversifizierung von KMU
Was sind die Triebkräfte und Herausforderungen, die eine Modernisierung und Diversifizierung
von KMU erforderlich machen? Blakely und Bradshaw (2002) unterscheiden vier Merkmale als
Triebkräfte der Wirtschaft, aus denen neue Herausforderungen und Chancen erwachsen. Als
Triebkräfte werden bestimmt: Globalisierung, wachsende Beschleunigung, Wissensbasis und
Netzwerke. Andererseits könnte man dagegenhalten, der Gesamttrend sei die Globalisierung, die auf
verschiedene Phänomene zurückzuführen ist und verschiedene Phänomene beinhaltet. Die zugrunde
liegenden Faktoren für den Bedarf an Modernisierung und Diversifizierung sind:
wachsende Beschleunigung und schnellere Verbreitung von Informationen und technischen
Entwicklungen (Wissensbasis), die zu einer Verkürzung der Produktlebenszyklen führen;
Bedarf an Outsourcing (in Niedriglohnländer) aufgrund der Notwendigkeit,
wettbewerbsfähig zu bleiben; dies führt zu einer Mobilität von Ressourcen und betrifft kleine
und mittelständische Subunternehmer größerer Unternehmen;
die Notwendigkeit einer Erweiterung der Ressourcenbasis durch Netzwerkbildung;
Harmonisierung
von
Zahlungsverkehrsraum)
Normen
und
Richtlinien
(z.B.
einheitlicher
Euro-
verstärktes Sicherheitsbedürfnis aufgrund interkultureller und interreligiöser Spannungen.
86
Neben der Globalisierung ist die digitale Entwicklung ein weiterer Trend, der sich auf neue
Geschäftsmöglichkeiten auswirkt (Malecki 2003). Die Vorteile, die sich aus der digitalen Entwicklung
ergeben, insbesondere aus der Entwicklung der Telekommunikationsinfrastruktur und der
Telekommunikationstechnologie in ländlichen Gebieten, sind jedoch umstritten. Soweit ein Zugang zu
Netzwerken und Einrichtungen wie Breitband verfügbar ist, können daraus neue Chancen für
Unternehmen in ländlichen Gebieten erwachsen und Möglichkeiten für Fernarbeit entstehen. Wie
Malecki (2003) jedoch anmerkt, ist die Telekommunikation keine „schnelle Lösung“ für die
Entwicklung in ländlichen Gebieten, und die gewünschten Verbesserungen werden auf einen Bruchteil
dieser ländlichen Standorte beschränkt sein. Er stellt fest, dass Defizite im Humankapital nicht durch
Telekommunikationstechnologie ersetzt werden können. Malecki (2003) ist der Auffassung, dass es
förderlicher wäre, die Ressourcen lokaler Unternehmen auf- und auszubauen und weiterhin erfahrene
Unternehmer zu gewinnen, die nicht in städtischen Gebieten leben möchten.
Unternehmerische Sozialverantwortung (Corporate Social Responsibility, CSR) wird von der
einen Seite als Reaktion auf und von anderer Seite als Folge der neuen Herausforderungen der
wirtschaftlichen Globalisierung dargestellt. CSR wird zugleich als Reaktion auf die Krise des
Wohlfahrtsstaats betrachtet, die ein neues Modell sozialer Unternehmensführung hervorbringt, sowie
als Rahmenwerk, das mit der nationalen Wettbewerbsfähigkeit verbunden ist. Treibhauseffekt und
Klimawandel führen zu wachsender Besorgnis und begründeten den Trend zu einer nachhaltigen
Entwicklung. Die geforderte Nachhaltigkeit der Wirtschaft kann einigen der vorgenannten Trends
entgegenstehen, schafft jedoch auch neue Chancen aus erneuerbaren Energien. Die geforderte
Nachhaltigkeit wird bei der Modernisierung der Abfallwirtschaft eine herausragende Bedeutung
einnehmen und kann für die Stromproduzenten eine Diversifizierung erforderlich machen. Ferner wird
sie zu Aktivitäten im Bereich Forschung und Entwicklung führen und als Plattform für Innovationen
dienen. Beispielsweise schafft die neue Technologie Chancen zur Energie- und Treibstoffproduktion
aus Biomasse. Die Triebkräfte für diese Art der Entwicklung sind die Normen und Richtlinien, die
eine regenerative Erzeugung („carbon free“) verlangen.
Laut der 2006 von IBM durchgeführten CEO-Studie streben zwei Drittel der befragten CEO
grundlegende Veränderungen in ihren Unternehmen an. Als Gründe werden genannt: verschärfter
Wettbewerb, ständig steigende Kundenerwartungen, unerwartete Marktverschiebungen,
Personalfragen, technische Neuerungen, Herausforderungen durch Regulierung und Globalisierung.
Die aktuellen Entwicklungen in den Unternehmen gehen in Richtung Open-Source-Innovationen, neue
Geschäftsmodelle und Auslagerung von Forschung und Entwicklung. In der IBM-Studie (2006) hatten
die Unternehmen, die im Vergleich zu den Markterwartungen ein schnelleres Wachstum vorweisen
konnten, gegenüber ihren Wettbewerbern 30% mehr externe Quellen für innovative Ideen eingesetzt.
Die Hälfte der Befragten gab Geschäftspartner und Kunden als wichtigste Quelle für neue Ideen an.
Ginni Rometty, Leiter des Unternehmensberatungsbereichs von IBM, stellt fest: „Sie sollten in der
Lage sein, die neuen Chancen zu erkennen, die sich in neuen Geschäftsmodellen, operativen Prozessen
und geplanten Änderungen der Managementpraxis verbergen.“
Das bedeutet, dass Unternehmen neben Humankapital und physischem Kapital zunehmend von
sozialem Kapital abhängig werden. Soziales Kapital beinhaltet eine strukturelle Dimension
(Netzwerke, Netzwerkverbindungen, Kontakte, Interaktion und Organisation von Netzwerken), eine
relationale Dimension (Vertrauen, Normen und Verpflichtungen) und eine kognitive Dimension
(Sprache, Codes, geteilte Erzählungen und Geschichten (Narrative), gemeinsame Wertvorstellungen)
(Nahapiet and Ghoshal 1998). Open-Source-Innovationen und die Auslagerung von Forschung und
Entwicklung werden von einem starken Sozialkapital des Unternehmens, d.h. von Netzwerken und
Netzwerkbeziehungen, jedoch auch von der Fähigkeit des Unternehmens profitieren, einen Konsens
mit seinen Partnern herzustellen.
87
Wie kann die Politik KMU dabei unterstützen, sich bei der Entwicklung ihrer Geschäftschancen
an die Veränderungen und Trends anzupassen? Qualifizierung und Schulung sowie sonstige Formen
der Informationsvermittlung können das Erkenntnis- und Wissensniveau anheben. Dem könnte
entgegengehalten werden, dass der Schwerpunkt branchenunabhängig auf die Rolle von
geschäftlichem Know-how und Kommerzialisierungsprozessen gelegt werden sollte, um die regionale
Entwicklung sowie das regionale Unternehmertum und seine Verbindungen zu fördern. Es fragt sich,
ob die Rahmenbedingungen für regionale Innovationssysteme hin zu fokussierteren
Rahmenbedingungen für geschäftliches Know-how und Kompetenzen geändert werden sollten. In den
meisten Ländern ist es aktuelle Praxis, ein Umfeld aufzubauen, das technologische Entwicklungen
unterstützt, wie etwa Technologiezentren, Wissenschaftsparks und Inkubatoren. Derartige
Einrichtungen können entscheidend zum Innovationsprozess beitragen, benötigen jedoch einen
geeigneten Kontext (z.B. in Verbindung mit Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten), um Früchte zu
tragen. Darüber hinaus liegt ihr Schwerpunkt nicht auf geschäftlichen Chancen. Das auf
Entwicklungschancen ausgerichtete Innovationsförderungssystem könnte eingeleitet werden durch
Identifizierung der Hersteller, Vermittler und Nutzer von geschäftlichem Know-how, eine Analyse
ihrer Bedürfnisse und durch die Einführung maßgeschneiderter Programme für ihre geschäftliche
Entwicklung (Virtanen und Heimonen 2006b).
Hindernisse bei der Modernisierung und Diversifizierung von KMU
Dubini (1989) verweist darauf, dass benachteiligte Gebiete derartige Defizite im Umfeld
aufweisen, dass von einem Marktversagen gesprochen werden kann und daher gewisse Eingriffe
erforderlich sind. Dubini (1989) gibt als Defizite an: 1) Mangel an unternehmerischer Kultur und
unternehmerischen Werten, 2) fehlende Netzwerke und unterstützende Leistungen, 3)
Unternehmertum und Familienbetriebe haben in der Region keine Tradition, 4) Fehlen innovativer
Branchen, 5) schwache Infrastruktur, 6) schwache Kapitalmärkte, 7) nur wenige wirksame staatliche
Anreize. Diese Defizite stellen für das Unternehmertum im Allgemeinen Hindernisse dar, nicht nur für
die Modernisierung und Diversifizierung.
Hindernisse für die Modernisierung und Diversifizierung von KMU können mit den im Prozess
erforderlichen Ressourcen und situativen Faktoren in Verbindung gebracht werden. Die Ressourcen
umfassen Humankapital, physisches Kapital und soziales Kapital. Lichtenstein and Lyons (1996)
fassen die Hindernisse für das Unternehmertum wie folgt zusammen: 1) Hindernisse beim Einsatz von
Ressourcen, 2) Rohstoffverfügbarkeit, 3) Personalverfügbarkeit, 4) Informationen über die Ressourcen
(Visibilität), 5) Kosten, 6) Lieferschwierigkeiten und 7) Kapazitätsprobleme. Die Mehrheit dieser
Probleme ist sehr konkret und im Wesentlichen operativer Natur.
Beim Vergleich der Merkmale kleiner und großer Unternehmen stellt Malecki (1997) fest, dass
der wesentliche Nachteil kleiner Unternehmen in der Ressourcenknappheit besteht, insbesondere im
Hinblick auf finanzielle Ressourcen, die den großen Unternehmen für ihre Expansion und
Diversifizierung zur Verfügung stehen. Diversifizierung als Entwicklungsstrategie war bisher
vorwiegend ein Thema für Großunternehmen, bei denen die Ursachen und Folgen der Diversifizierung
im Mittelpunkt der Analyse stehen (Iacobucci und Rosa 2002). Wright, Westhead und Ucbasaran
(2007) sind der Auffassung, dass auch viele kleine private KMU sich mit Belastungen aufgrund
geringer Unternehmensgröße und Unerfahrenheit befassen sollten.
Verschiedene Autoren haben betont, dass der Zugang zu einer Finanzierung eine Barriere für die
Entwicklung von KMU darstellt (z.B. Malecki 1997). Mit einer staatlichen Unterstützung könnten die
Auswirkungen der Marktdefizite (negative externe Effekte) abgeschwächt oder der Wissensstand oder
das technische Niveau verbessert und die Internationalisierung der Unternehmen gefördert werden
(positive externe Effekte). Die staatliche Unterstützung sollte jedoch so geplant werden, dass
88
Störungen des Marktes vermieden werden. Unterstützende Maßnahmen sollten sich daher eher auf
eine Unterstützung des Unternehmens richten, nicht auf Geldzahlungen. Die Förderung positiver
externer Effekte führt zu geringeren Marktstörungen, daher ist die Unterstützung der Entwicklung von
Maßnahmen zur Begünstigung positiver externer Effekte bei der Innovationsförderung und
Unterstützung wissensintensiver Unternehmen hier sinnvoller.
Bereits Modigliani and Miller (1958) haben den unterschiedlichen Status kleiner und neuer
Unternehmen in Kapitalmärkten festgestellt und vermutet, dass eine Art Eigenkapitallücke vorliegt.
Ihre Schlussfolgerung – die mangelnde Bereitschaft des Unternehmers, seinen Betrieb zu teilen, führe
zu einem Eigenkapitaldefizit – bedarf jedoch einer gründlicheren Analyse. Diese mangelnde
Bereitschaft zu Beteiligungen (Kontrollaversion) kann zu einer Eigenkapitallücke führen. Das
Vorliegen einer Eigenkapitallücke ist jedoch nicht offensichtlich, da die Qualität der
Unternehmensprojekte, die sich um eine Eigenkapitalfinanzierung bemühen, aus Sicht der
Finanzierungsgeber unzureichend sein kann. Virtanen (1988) analysierte die Diskriminierung auf dem
finnischen Markt für Geschäftskredite, indem er den Kundenumsatz auf unabhängige Variablen wie
Unternehmensgröße und Unternehmensdauer zurückführte. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Klasse
der kleinsten Kunden im finnischen Markt für Geschäftskredite nicht diskriminiert wird. Die Existenz
von Finanzierungslücken in einigen Bereichen führt zu einer möglichen Korrektur dieses
„Marktversagens“ durch staatliche Unterstützung. In Deutschland beispielsweise wird eine staatliche
Unterstützung durch eine Risikokapitalfinanzierung bereitgestellt (Sunley u.a.. 2005). Es ist wichtig,
diese Unterstützung auf minimale und das Marktversagen korrigierende Eingriffe zu beschränken.
Andernfalls könnte sich eine großzügige finanzielle Unterstützung langfristig als desaströs erweisen,
da sie Effekte verdrängt, die zur Durchführung von risikoarmen Projekten mit niedrigen Gewinnen
führen können. Die verheerendste Folge dieses Verhaltens wäre das Abwandern privaten
Beteiligungskapitals zu Anlagemöglichkeiten mit höherer Kapitalrendite.
Förderung des Unternehmertums und der Entwicklung der KMU
Unternehmertum, KMU und Innovationen
Malecki (1997) definiert Unternehmertum recht umfassend, der Begriff beinhaltet bei ihm
Firmenneugründungen, Kleinunternehmen, Innovationen sowie die regionale und kommunale
Entwicklung. Nach Malecki ist insbesondere die Gründung neuer Firmen für das regionale und
örtliche wirtschaftliche Wohlergehen von besonderer Bedeutung. Um schnelle Ergebnisse erzielen zu
können, ist die Fokussierung auf Änderungen in bereits bestehenden Unternehmen jedoch
möglicherweise effektiver. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist vom Wachstum der Unternehmen in
der Region abhängig. Rajan und Zingales (1998) haben ermittelt, dass bestehende Unternehmen zu
zwei Dritteln zum Wachstum einer Branche beitragen, während nur ein Drittel des Wachstums auf
neue Betriebe entfällt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Storey (1994), der ein vergleichbares
Verhältnis zwischen etablierten und jungen Unternehmen feststellt.
Bei gesellschaftlichen Veränderungen richten sich vielfältige Erwartungen an Unternehmer und
ihre Betriebe. Diese Erwartungen umfassen zum Beispiel Innovativität und eine neue Welle von
Entwicklungen in der Gesellschaft, in der die verschiedenen Richtlinien und Programme existieren
(Koskinen und Virtanen 1998). Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Unternehmer und Unternehmen
können diese Erwartungen jedoch unter Umständen nicht eingelöst werden. Aus der Forschung, die
sich mit dem Ursprung von Geschäftsideen befasst, lernen wir, dass wir die anscheinend banalen
Geschäftsmöglichkeiten nicht übersehen sollten (Bhide 2000; Vesper 1991). Aktuelle Daten aus den
USA zeigen, dass selbst die so genannten „Gazellen“, schnell wachsende KMU, nicht nur in der
Hightech-Branche tätig sind, sondern im gleichen Umfang auch in den Bereichen Dienstleistungen
und Handel.
89
Stark und Brown (1997) heben hervor, dass zwischen 40 und 70 Prozent der Veränderungen der
Beschäftigung in Kleinstädten auf Entscheidungen bestehender Unternehmen zurückzuführen sind. Sie
folgern, dass die Erhaltung und der Aufbau der lokalen Wirtschaft möglich werden, wenn lokale
Unternehmen wirtschaftlich gesund und zufrieden bleiben und ihr zukünftiges Wachstum gestärkt
wird. Stark und Brown (1997) zitieren Larry Ledebur, der in den 1980er Jahren den Begriff
„Entwicklung vor der eigenen Haustür“ (backyard development) geprägt hat. Das bedeutet, dass
Kommunen sich bemühen, vor der eigenen Haustür Arbeitsplätze zu schaffen, indem das
Geschäftsklima für bestehende Unternehmen verbessert wird und unternehmerische
Herangehensweisen oder Expansionsgedanken unter den vorhandenen Unternehmensinhabern
gefördert werden. Diese Maßnahmen sollten auch proaktive Maßnahmen beinhalten, die die
Anziehungskraft erhöhen, z.B. durch Entwicklung des Einzelhandels und der Dienstleistungen, um
einer Abwanderung der Kaufkraft entgegenzuwirken (vgl. „Anziehungsmagnete“ (magnets of
attraction), Murphy 2006).
Die Umwandlung von zentral gesteuerten Planwirtschaften in Marktwirtschaften erfordert eine
wirtschaftliche und soziale Umstrukturierung, und in diesem Prozess spielt die Entwicklung kleiner
und mittelständischer Unternehmen (KMU) eine zentrale Rolle. Smallbone und Welter (2001a; 2001b)
stellen fest, dass KMU zur Beschäftigung, zu Innovationen, zur Diversifizierung der wirtschaftlichen
Struktur und zur sektoralen Umstrukturierung, zur Entwicklung einer Beschaffungsbasis und zur
Umwandlung des Systems im Ganzen beitragen können. Der Beschäftigungsbeitrag umfasst zudem
eine Push-Motivation, da kleine Unternehmen auch ein Mittel der Unterstützung durch „Selbsthilfe“
für Arbeitslose bieten können. Die Entwicklung einer Beschaffungsbasis berücksichtigt den Wechsel
zentralisierter Systeme hin zu flexibleren Systemen, bei denen KMU die Nachfrage größerer
Unternehmen decken (Smallbone und Welter 2001b).
Die Herausforderungen für die Umwandlung von Volkswirtschaften durch Entwicklung ihrer
Marktsysteme liegen darin, Einzelpersonen und Organisationen zu Produktivität und Innovationen zu
motivieren (Behrman und Rondinelli 2000). Insbesondere radikale Innovationen bedeuten, dass das
Wissen, das für die Verwertung der Innovationen erforderlich ist, Kompetenzen zerstört (Afuah 1998).
Schumpeter (1943) weist auf die Bedeutung von Wissen im unternehmerischen Prozess hin, wenn er
feststellt, dass Unternehmen fähig sind, überdurchschnittlich begabte Mitarbeiter zu gewinnen. Diese
Fähigkeit ist insbesondere für Hightech-Unternehmen, derzeit jedoch auch in anderen Sektoren von
zentraler Bedeutung, da Wissen und Innovationen zunehmend mit neuen Geschäftsmodellen und
Märkten verbunden sind (vgl. Afuah 1998). Schumpeters (1943) Begriffsbestimmung des
Unternehmertums als „dynamischer Prozess der kreativen Zerstörung“ betrifft vorwiegend den
Prozess bestehender Unternehmen. Der Ansatz von Schumpeter betont, dass die Schaffung von etwas
Neuem eine wichtige Funktion eines Unternehmens ist. Nach Baumol (1993) geben diese kreativen
Prozesse Impulse für die Beweglichkeit der Marktwirtschaft und können daher in bestehenden
Unternehmen als Prozesse der Modernisierung und Diversifizierung von Betrieben angesehen werden.
KMU sollten zudem der Gesamtentwicklung von Innovationssystemen und neuen Formen der
Kooperation folgen. Zunehmend mehr Innovationen sind so genannte offene Innovationen, an deren
Entwicklung zunächst Experten verschiedener Unternehmen beteiligt waren. Auf der anderen Seite
sind Kommerzialisierungsprozesse in einem ununterbrochenen Zusammenhang von der Idee bis zur
Markteinführung zu betrachten. Die wichtigste Frage ist hierbei die Mobilisierung ausreichender
Ressourcen in den kritischen Phasen des Prozesses (Jolly 1997). Aus Sicht der KMU-Politik ist das
Paradigma der offenen Innovationen interessant, da sich für KMU durch Auslagerung ihrer
Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten neue Chancen ergeben können (IBM 2006).
90
Wachstum und Internationalisierung
Wie kann von staatlicher Seite das Unternehmenswachstum am wirksamsten unterstützt werden?
In den meisten Ländern liegt der Schwerpunkt der politischen Programme auf der Gründung neuer
Unternehmen; die bestehenden traditionellen Unternehmen finden in der Regel nur in einem
rückschrittlichen Stadium der kommunalen Wirtschaftsentwicklung Aufmerksamkeit. Den politischen
Entscheidungsträgern sollten daher detailliertere Kenntnisse über Wachstumsmerkmale zur Verfügung
stehen, damit sie spezifische Maßnahmen für Unternehmen mit Wachstumspotenzial entwickeln
können.
Endogenes Wachstum war einer der wichtigsten Ansätze in Studien über regionales Wachstum
(Nijkamp und Stough 2000). Theorien über endogenes Wachstum erklären das Wachstum aus
mikrotheoretischer Perspektive so, dass im Hinblick auf die jeweiligen Budgetbeschränkungen
Verbraucher ihren Nutzen und Unternehmen ihren Gewinn maximieren. Im Rahmen des endogenen
Wachstums spielen die Entwicklung des Humankapitals und neue Technologien eine bemerkenswerte
Rolle; daher lässt sich dieser theoretische Hintergrund gut bei der Untersuchung des regionalen
Wachstums nutzen, für das die Förderung von Forschung und Entwicklung durch die Öffentliche
Hand eine Perspektive darstellt.
Auch wenn die Theorie des endogenen Wachstums bei der mikrotheoretischen Perspektive
ansetzt, analysiert sie das Wachstum einer bestimmten Region vorwiegend als gesamtwirtschaftliches
makrotheoretisches Phänomen. Dieser Ansatz kann problematisch sein, da Unternehmen auch in
regressiven Regionen und Branchen wachsen (z.B. Pasanen 2003). Wie Dabson (2006) jedoch
vorschlägt, sollte der Schwerpunkt darauf liegen, kommunale und regionale Wirtschaftsgüter zu
identifizieren und diese in unternehmerische Tätigkeiten umzuwandeln.
Gemäß der Kontingenztheorie kann das Wachstum von Unternehmen und somit die
Diversifizierung nicht getrennt von ihrer spezifischen Situation und Umgebung untersucht werden
(Gilad und Levine 1986; Littunen 2000). Die Kontingenztheorie berücksichtigt die Änderung
situativer Faktoren wie etwa die Strategien eines Unternehmens, die für die Erklärung dynamischer
Phänomene wie Wachstum, Modernisierung und Diversifizierung wichtig sind.
Die Merkmale von Wachstumsunternehmen und ihre Erfolgsmerkmale wurden noch nicht auf
breiter Ebene untersucht; wir setzen jedoch implizit voraus, dass starkes Wachstum positiv mit Erfolg
korreliert. Birley und Westhead (1990) heben hervor, dass eine Einschränkung der geleisteten
Forschung in der Annahme liegt, dass Leistung und Wachstum nicht nur notwendig miteinander
verknüpft sind, sondern geradezu als austauschbar betrachtet werden. Sie stellen fest, dass diese Art
der Korrelation durch die Literatur nicht gestützt wird. Pasanen (2003) hält fest, dass der Erfolg von
KMU nicht ausschließlich an wachstumsintensive Branchen gebunden, sondern auch in anderen
Sektoren zu finden ist.
Almus (2002) hat schnell wachsende Unternehmen in Ost- und Westdeutschland durch Analyse
von etwa 2000 Beobachtungen aus den Bereichen Fertigung, Bau, Handel, Transport,
Telekommunikation und Dienstleistungen untersucht. Ferner unterscheidet Almus zwischen
technologieintensiven Unternehmen in Fertigung und unternehmensbezogenen Dienstleistungen auf
der einen Seite und nicht technologieintensiven Unternehmen auf der anderen Seite. Nach Almus
(2002) wiesen die Bereiche Bau, Transport und Kommunikation sowie nicht-wissensintensive
Dienstleistungen eine höhere Wahrscheinlichkeit für schnelles Wachstum auf als der Handel in
Ostdeutschland. Zusammenfassend stellt er fest, es gebe keine Anzeichen dafür, dass Firmen in
technologieintensiven
Fertigungsbranchen
oder
im
Bereich
wissensintensive
Unternehmensdienstleistungen bessere Chancen auf schnelles Wachstum haben als Firmen in anderen
91
Sektoren. Gemäß Almus (2002) hat das gesamtwirtschaftliche schnelle Wachstum in Deutschland in
den 1990er Jahren sehr stark vom schnellen Wachstum in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung
profitiert. Die Entwicklung der Wirtschaft kann die Situation ziemlich schnell ändern; das Ergebnis,
zu dem Almus (2002) kommt, entspricht jedoch den Ergebnissen von Heimonen und Virtanen (2007).
Nach Heimonen und Virtanen ist schnelles Wachstum und besonderer Erfolg nicht auf den HightechBereich beschränkt, sondern kann in verschiedenen Teilen des Landes unterschiedliche Ausprägungen
annehmen. Es ist jedoch ziemlich offensichtlich, dass die Wichtigkeit der Entwicklung
wissensintensiver Unternehmensdienstleistungen sowie des Handels steigt, wenn die grundlegende
unternehmerische Infrastruktur gut etabliert ist.
Virtanen und Heimonen (2006a, 2007) und Heimonen und Virtanen (2007) haben die Rolle der
Innovativität und regionale Unterschiede in Wachstum und Erfolg bestehender Unternehmen in
Ostfinnland untersucht. Virtanen und Heimonen (2007) und Heimonen und Virtanen (2007) definieren
„schnelles Wachstum“ als ein kontinuierlich über einen Dreijahreszeitraum erzieltes jährliches
Umsatzwachstum von über 30%; „besonderen Erfolg“ definieren sie unter Verwendung des aus den
Finanzdaten abgeleiteten Erfolgsindexes. Die beiden Autoren stellen fest, dass lediglich 12% (12
Firmen) der Wachstumsunternehmen im ländlichen Raum (Ostfinnland) sowohl ein schnelles
Wachstum (fast growing (FG)) erzielten als auch besonders erfolgreich (highly successful (HS))
waren. Die Verteilung von FG- und HS-Firmen umfasste lediglich zwei produzierende Unternehmen,
und nur für zwei Firmen konnte ein gewisser Hightech-Anteil in ihren Produkten und Leistungen
festgestellt werden. Die übrigen Unternehmen repräsentierten z.B. die Bauindustrie,
Grunddienstleistungen und den Handel. Aus der Studie lässt sich ableiten, dass die politischen
Entscheidungsträger sorgfältig die Allokation des Inputs auf Innovationstätigkeiten abwägen sollten.
In Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, Wachstum und Erfolg könnte es vernünftig sein,
den Schwerpunkt auf traditionellere Wirtschaftszweige zu legen. Die Allokation von Mitteln für die
Innovationsförderung ist ebenfalls zu überdenken, wobei verstärktes Augenmerk auf schrittweise
Innovationen im geschäftlichen Know-how, einschließlich der Diversifizierung in neue Märkte und
der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle gelegt werden sollte.
Aus politischer Sicht wird es von zentraler Bedeutung sein, schnell wachsende Unternehmen als
solche zu erkennen. Nach Littunen und Virtanen (2005; 2006) sind bei Wachstumsunternehmen die
Existenz positiv situativer Faktoren und „Pull“-Faktoren wichtige motivierende und beschleunigende
Faktoren beim Aufbau eines neuen Geschäfts, d.h. die unternehmerische Motivation unterscheidet
Wachstumsunternehmen von stagnierenden Unternehmen und Wachstumsunternehmen sind eher
chancenorientiert (Shane und Venkataraman 2000; Littunen und Virtanen 2006). Bei den
Firmengründern anderer Unternehmen waren die Motivationsfaktoren eher Arbeitslosigkeit oder
Angst vor Entlassung sowie auch interne Motive. Littunen und Virtanen (2005) fanden heraus, dass
die meisten dieser Faktoren, die wachsende Unternehmen von nicht wachsenden unterscheiden, lehrund lernbar sind. Die meisten sind jedoch von den strategischen und operativen Entscheidungen des
Unternehmers abhängig. Eine effektive politische Antwort auf diese Problematik sollte indirekt sein,
z.B. durch Informationsvermittlung, Qualifizierung und Schulung.
Fischer und Reuber (2003) kamen zu der Auffassung, dass Unternehmen mit starkem Wachstum
gegenüber externen Ressourcenanbietern der Beratung durch Partner den Vorzug gegeben haben. Sie
untersuchten, wie Firmeninhaber, externe Ressourcenanbieter und politische Berater die Rolle des
Managements, der externen Ressourcenanbieter und der Regierungen und Verwaltungen bei der
Unterstützung eines schnellen Wachstums einschätzen. (Fischer und Reuber 2003). Firmeninhaber
haben außerdem aufgrund der Managementprobleme, die sich bei einem starken Wachstum ergeben,
einem kontrollierten Wachstum gegenüber einem schnellen Wachstum den Vorzug gegeben. Auf
Grundlage ihrer Ergebnisse schlagen die Autoren zur Unterstützung dieser Unternehmen einen
Networking-Ansatz auf Basis aktiver Beteiligung von Eigentümern wachstumsstarker Unternehmen
92
vor. Das Netzwerk Innovators Alliance wird in dieser Untersuchung als eine der „Best Practice“Lösungen dargestellt.
Internationalisierung ist ein Bestandteil der Wachstumsstrategie; somit ist der Prozess ein
dynamischer Vorgang, bei dem wir ähnliche Merkmale der internen Entscheidungsprozesse und
ähnliche situative Faktoren vorfinden wie im Wachstumsprozess. In Bezug auf den
Internationalisierungsprozess werden wir uns sehr wahrscheinlich jedoch nicht auf firmeneigene
Ressourcen aus dem Bereich der Firmenzentralen verlassen können, sondern eher auf externe
Beauftragte wie Distributoren, Subunternehmer usw. KMU (und Unternehmer) müssen in
Netzwerkverbindungen investieren, um sicherzustellen, dass die geeigneten Ressourcen, Kenntnisse
und Fähigkeiten akkumuliert werden, um eine positive Plattform für die Internationalisierung
bereitzustellen. (Wright, Westhead und Ucbasaran 2007). Die Internationalisierung erfordert daher
eine Verbreiterung der Ressourcenbasis durch den Aufbau von Sozialkapital. Im
Internationalisierungsprozess sind nicht nur Netzwerke wichtig, die der strukturellen Dimension des
Sozialkapitals zuzuordnen sind, auch die relationalen und kognitiven Dimensionen spielen aufgrund
der verschiedenen Kulturen und normativen Umgebungen eine wichtige Rolle (Nahapiet und Ghoshal
1998).
Wright, M., Westhead, P. und Ucbasaran, D. (2007) fordern die politischen Entscheidungsträger
auf, eine ausgewogenere und differenziertere Unterstützung durch die Politik anzubieten, wenn die
Internationalisierung privater KMU gefördert werden soll. In einigen Branchen sollte ein
Unternehmen bereits mit globaler Ausrichtung gegründet werden (Virtanen und Pellikka 2004); in
traditionellen Sektoren und Sektoren mit handelbaren Produkten und Leistungen folgt die Mehrheit
der Unternehmen jedoch einem mehrstufigen Prozess der Internationalisierung. Die politische
Unterstützung kann verschiedene Maßnahmen umfassen, etwa Unterstützung beim Zugang zu
Informationen, Unterstützung und Beratung bei der Marktanalyse etc.
Qualifizierung, Schulung und Beratung
Eine Modernisierung und Diversifizierung von KMU erfordert Managementkompetenzen und
betriebswirtschaftliche Kompetenzen für die Reorganisation der bestehenden Unternehmen sowie für
die Entwicklung und Umsetzung neuer Geschäftsmodelle. Die Schulung und Qualifizierung von
Führungskräften und somit die Erhöhung des geistigen Kapitals bestehender KMU könnte eine
wirklich kosteneffektive Methode zur Förderung des Wachstums der kommunalen Wirtschaft und des
Wohlstands sein (Heinonen 2006). Nach Heinonen (2006) sollte die Schulung folgende Bereiche
umfassen: Überleben in den ersten kritischen Jahren („Tal des Todes“), Entwicklung neuer Chancen
(Wachstum), Erweiterung der Marktkenntnisse (Wachstum, Internationalisierung) und Business
Transfer (Unternehmensnachfolge). Die zunehmende Bedeutung, die dem kognitiven Wissen und den
Fähigkeiten zu dessen Erwerb beigemessen wird, stellen Bildung und lebenslanges Lernen in das
Zentrum staatlicher Politikinitiativen in modernen Volkswirtschaften. (Lloyd-Reason, Muller und Wal
2002). Radikale Innovationen bedeuten, dass das Wissen, das für die Verwertung von Innovationen
erforderlich ist, bestehende Kompetenzen zerstört. Die Ersetzung verschiedener Speichermedien ist
ein gutes Beispiel für kompetenzzerstörende Innovationen. Magnetbänder und –scheiben wurden
durch Minidisks und Disketten und später durch Memorysticks ersetzt. In allen diesen Fällen hat sich
die Kapazität gegenüber der Größe und Nutzbarkeit der alten Medien dramatisch erhöht.
Lussier und Corman (1995) haben herausgefunden, dass erfolgreiche Firmen verstärkt
professionelle Berater hinzugezogen haben und die Eltern der Firmeninhaber ebenfalls Unternehmer
waren, während die Inhaber erfolgloser Unternehmen besser ausgebildet waren und keine Probleme
bei der Personalbeschaffung hatten. Dieser Sachverhalt kann so interpretiert werden, dass vermutlich
93
die Inhaber erfolgloser Unternehmen riskantere Chancen verfolgten und bei der Anwerbung neuer
Mitarbeiter nicht vorsichtig genug waren.
Ansätze für staatliche Interventionen
Warum brauchen wir eine Kommunal- und Regionalpolitik?
Was sind die Probleme, die bei der Förderung der Modernisierung und Diversifizierung von
KMU kommunal- und regionalpolitischer Interventionen bedürfen? Der nachfragegesteuerte
Produktionsdruck (Market Pull) ist der Hauptmotor der regionalen Wirtschaftsentwicklung. Aufgrund
der starken Marktdynamik haben politische Interventionen nur begrenzten Einfluss auf die regionale
Wirtschaft. In der Regel bedarf es in einem gut funktionierenden Markt mit Wettbewerb keiner
staatlichen Eingriffe als Instrument der Wirtschaftspolitik (Wright, Westhead und Ucbasaran 2007).
Eine staatliche Unterstützung kann sogar durch Wettbewerbsverzerrungen den Wohlstand
beeinträchtigen, da sie Auswirkungen auf relative Preise und Kosten der Produkte und Leistungen hat.
In Märkten, in denen Marktdefizite, d.h. negative externe Effekte zu beobachten sind, lässt sich das
Marktversagen ggf. abzuschwächen und die wirtschaftliche Entwicklung fördern. Die Verbesserung
der Marktfunktionalität und die Eliminierung von Marktversagen sollte die Basis einer soliden
Wirtschaftspolitik sein. Die Europäische Union hat betont, wie wichtig es ist, das allgemeine Niveau
staatlicher Beihilfen zu reduzieren und diese umzuleiten. Es wird jedoch immer einige Marktmängel
geben, daher ist eine gewisse staatliche Unterstützung erforderlich. Um Marktstörungen zu vermeiden,
sollten sich Fördermaßnahmen eher auf die Unterstützung des Unternehmens richten als auf
finanzielle Zuwendungen. Die Förderung positiver externer Effekte führt in geringerem Maße zu
Marktstörungen und ist daher für die Förderung von Innovationen und wissensintensiven
Unternehmen besser geeignet.
Marktversagen kann durch Defizite und Ungleichgewichte in Bezug auf Informationen oder
Unternehmensstandorte oder infolge der früheren wirtschaftlichen Entwicklung verursacht werden.
Informationsdefizite sind typische Merkmale insbesondere bei Startup-Unternehmen. Diese haben
noch keine etablierte Unternehmenshistorie und sind daher nicht in der Lage, auf dem Markt zu
normalen Konditionen eine externe Finanzierung zu beschaffen. Im Falle einer Modernisierung oder
Diversifizierung bestehen die typischen Probleme einer Unternehmensgründung nicht. Ein
standortbedingtes Marktversagen kann durch die Regionalpolitik und Unterstützungssysteme
gemildert werden. Unternehmen können aufgrund einer schwachen gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung in eine Krise geraten; in diesem Fall erfordert die Wirtschaftspolitik besondere
umstrukturierende Maßnahmen. Ein Beispiel für diese Krise ist die Bankenkrise in Finnland Anfang
der 1990er Jahre. Nachteilige Folgen dieser Krise könnten durch staatliche Beihilfen für die in Not
geratenen Unternehmen abgeschwächt werden, was in diesem Fall auch geschah. Ein Marktversagen,
das auf unzureichende und asymmetrisch verteilte Informationen, externe Effekte und unvollständige
Eigentumsrechte, mangelhafte Marktstrukturen und schlechte Regulierung zurückzuführen ist, kann
die Entwicklung von KMU behindern (Wright, Westhead und Ucbasaran 2007).
Die weltweit für die kommunale und regionale Entwicklung von Unternehmen eingesetzten
Instrumente umfassen sowohl Maßnahmen, die direkte Auswirkung auf das geförderte Unternehmen
haben, als auch Instrumente, die die kommunale Entwicklung indirekt betreffen. Der allgemeine
Zweck dieser Instrumente kann zusammengefasst werden als Verbesserung des unternehmerischen
Klimas und der Unternehmenskultur im Zielbereich (Blakely und Bradshaw 2002). Der Anreiz für
Unternehmensneugründungen, Innovationen und Startup-Unternehmen war dabei von besonderem
Interesse. Zu den beliebtesten Maßnahmen zählen die Bereitstellung finanzieller Instrumente und
Hilfsfinanzierungen, etwa in Form von Beteiligungskapital, Unterstützung bei der Forschungs- und
94
Entwicklungsfinanzierung und Gründungszuschüsse. Zentren für die Entwicklung kleiner
Unternehmen, Inkubatoren, Technologiezentren und Wissenschaftsparks sind Beispiele für
organisierte Umgebungen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung. Diese Umfelder nutzen in
strategischen Schwerpunktgebieten synchronisierte Programme zu Förderung strategischer Cluster
(Blakely und Bradshaw 2002, Adamek 2007).
Zusammenfassend lässt sich für die vorstehende Erörterung festhalten, dass aufgrund von
Marktmängeln (negative externe Effekte) zur Unterstützung von Veränderungen bei KMU kommunale
und regionale Maßnahmen erforderlich sind. Ziel der Kommunal- und Regionalpolitik ist die
Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im jeweiligen Gebiet durch Förderung
unternehmerischer Verhaltensweisen, Innovationen, Wachstum und Internationalisierung der
Unternehmen in der betreffenden Region.
Die Rolle des Regierungshandelns
Der Bedarf an einer KMU-Politik als Bestandteil der Industriepolitik und insbesondere das
Interesse an der Wettbewerbsfähigkeit ist eine Folge des raschen Wachstums der neu industrialisierten
Länder (Wren 2001). Kurzfristig sollte die Politik sich auf Informationen, Qualifizierung und
Identifizierung von Chancen zur Erleichterung unternehmerischen Handelns konzentrieren (Acs und
Szerb 2006). Wren (2001) stellt fest, dass die Veränderung der britischen Industriepolitik von einer
sektoralen hin zu einer horizontalen Ausrichtung zu einer viel komplexeren Politik geführt hat, die
sich auf kleinere etablierte Unternehmen mit Wachstumspotenzial konzentriert. Wren bemerkt, dass
die Abgrenzungen zwischen Wissenschaft und Technik, kleinen Unternehmen und regionalen
Komponenten sich gleichzeitig verringert und so zu einem begrenzteren Umfang an politischen
Maßnahmen geführt haben.
Smallbone und Welter (2001b) heben hervor, dass die Gesetzgebung sich auf Unternehmen
unterschiedlicher Größe unterschiedlich auswirkt. Diese Gesetzgebung, die die Erstellung und das
Einreichen von Dokumenten mit Unterstützung Sachverständiger vorschreibt, führt zu Kosten für die
Einhaltung der Vorschriften, was KMU voraussichtlich vermehrt belastet, da diese derartige Kosten in
der Regel nicht in ihrem Budget vorgesehen haben. Auf der anderen Seite können beispielsweise die
Kosten für Sozialversicherungsbeiträge von Unternehmen zu Unternehmen je nach Größe variieren,
was für kleinere Unternehmen ein Vorteil sein kann.
Hofer (2006) stellt fest, dass die lokale Anpassung der politischen Maßnahmen und Programme
auf Länderebene aufgrund der regionalen Unterschiede eine Voraussetzung für ihre Wirksamkeit ist.
Im Hinblick auf die Integration politischer Maßnahmen wird es wichtig sein, dass die durchgeführten
Programme und Initiativen, z.B. im Bereich der Modernisierung bestehender KMU, der allgemeinen
Personalentwicklung, der Stärkung der kommunalen und regionalen Industriebasis und der
Unterstützung des Unternehmertums in Gruppen, in denen Unternehmer nur begrenzt vertreten sind,
klar miteinander verknüpft und weiterhin Bestandteil einer übergreifenden Strategie sind (Hofer
2006).
Was kann von anderen Ländern gelernt werden?
Welche Maßnahmen sollten im Hinblick auf die Modernisierung und Diversifizierung von KMU
in Ostdeutschland eingeführt werden? Zur Vorstellung anwendbarer Lernbeispiele und Empfehlungen
für spezifische Bereiche und spezifische Umstände wurden Fallstudien aus Diskussionspapieren
herangezogen. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Unterschiede der verschiedenen
Regionen eines Landes eine sorgfältige Analyse der situativen Faktoren und eine maßgeschneiderte
Anpassung der Politik entsprechend der spezifischen Merkmale erforderlich machen.
95
Agglomerationen von wissens- und technologieintensiven Unternehmen erfordern andere politische
Maßnahmen als beispielsweise ländliche Regionen mit reichlich vorhandenen natürlichen Ressourcen.
In beiden Bereichen jedoch lässt sich von neuen Geschäftsmethoden in neuen Märkten, d.h. von
Modernisierung und Diversifizierung profitieren.
Schaffung von „Transformationsagenten“, Celemi Sweden ist ein hervorragendes internationales
Lernmodell, das für die Modernisierung und Diversifizierung von KMU herangezogen werden kann.
Dieses Modell soll Organisationen dabei unterstützen, umfangreiche Veränderungen umzusetzen und
Teams mit Transformationsagenten zu bilden, die die gewünschten Ergebnisse liefern (Kuhle 2007).
Aus dem internationalen Lernmodell aus der Tschechischen Republik wird ersichtlich, dass
staatliche Fördermaßnahmen sich nicht notwendig auf Branchen konzentrieren müssen, die „in Mode“
sind, sondern sich auf die Bereiche konzentrieren können, in denen der relative Wettbewerbsvorteil
und die Erfolgschancen am höchsten sind (Adamek 2007). Das bedeutet, dass die Chancen für einen
Erfolg auch in den traditionellen Brachen der Wirtschaft gegeben sind. Dies setzt mit hoher
Wahrscheinlichkeit jedoch eine Modernisierung und/oder Diversifizierung der Tätigkeiten voraus,
wenn ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil erzielt werden soll.
Del Castillo (2006) beschreibt das Projekt Barneekintzaile in Katalonien, Spanien, das auf die
Stimulierung und Förderung der unternehmerischen Tätigkeit in bestehenden Unternehmen
ausgerichtet ist (Binnenunternehmertum, „Intrapreneurship“). Dieses Programm fördert in
bestehenden Unternehmen die Entwicklung von Ideen, die zu neuen Produktlinien oder zu
Ausgründungen zur Herstellung neuer Produkte führen. Barneekintzaile kombiniert die Leistungen
verschiedener Programme und Institutionen in einem einzigen Projekt mit sukzessiven Phasen (Del
Castillo 2006).
Hervorzuheben ist die Bedeutung der Marktkräfte und Marktdynamik für die Politik. Die
Entwicklung der kommunalen und regionalen Wirtschaft wird von Märkten angetrieben, die recht
unabhängig von der Politik sind (Walburn 2007). Wie Walburn (2007) feststellt, ist die Schaffung von
Anreizen zur Stärkung bereits günstiger Muster geschäftlicher Tätigkeiten voraussichtlich besser dazu
geeignet, Ergebnisse zu erzielen, als Maßnahmen, die eine Änderung der grundlegenden
Marktkennzahlen anstreben und dabei die vorhandenen Angebots- und Nachfragemuster außer Acht
lassen.
Eine Herausforderung in der Transformationsphase ist der Ressourcentransfer vom alten Regime
in das neue. Für eine effektive Politik ist hier ein effizienter Informationsaustausch und Transfer von
Ressourcen, einschließlich Erfahrungen, von der obsoleten Organisation in das neu entstehende
Unternehmen erforderlich (Lussier und Corman 1995). Smallbone, Baldock und North (2003) stellen
in ihrem Bericht fest, dass zwei Drittel der Befragten im Rahmen der Business-Link-Studie erhöhten
Wert auf erweiterte Kenntnisse im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT)
sowie auf verbesserten Zugang zu diesen Einrichtungen legen. Ersteres könnte auf die Notwendigkeit
zurückzuführen sein, bei der Anpassung an zukünftige Entwicklungen proaktiver vorzugehen.
Unter Berücksichtigung der Vielfalt der Merkmale verschiedener Regionen sollten klare Visionen
der Entwicklung der verschiedenen Länder und Regionen sowie die Entwicklungsstrategien formuliert
werden (vgl. Hofer 2006). Eine sorgfältige Analyse der Standortvorteile sowie der
„Anziehungsmagnete“ (Murphy, 2006) ist in den Bereichen durchzuführen, in denen die politischen
Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Eine derartige Analyse kann beispielsweise durch detaillierte
Fallstudien erfolgen, in denen ausgewählte Schlüsselsektoren der Entwicklung untersucht werden.
96
Die Empfehlungen der Fallstudien können in drei Hauptkategorien unterteilt werden: a)
Fortbildung, Schulung und Beratung, b) Innovationen und c) Finanzierung und Investitionen. Darüber
hinaus werden Netzwerkaktivitäten, der Zugang zu externen Märkten und Pilotprogramme für starkes
Wachstum gesondert vorgestellt. Die empfohlenen Maßnahmen beinhalten Dienstleistungen im
Bereich Schulung, Beratung und Coaching in verschiedenen Phasen der Geschäftsentwicklung. Diese
Dienstleistungen können zur Verbesserung des geschäftlichen Know-how, einschließlich der
Kenntnisse in Management und Marketing, sowie zur Verwertung der Wachstumschancen beitragen.
Die Vorschläge zur Innovationsförderung umfassten Maßnahmen zur Unterstützung der
technologischen Entwicklung, Anregungen zu Business-to-Business-Mentorbetreuung sowie
Innovationsförderung in der Landwirtschaft und Lebensmittelbranche, in grundlegenden Industrien
und Dienstleistungen und in kleinen, weniger kapitalintensiven Unternehmen. Ferner wurde eine
Zusammenarbeit mit anderen KMU sowie mit größeren Unternehmen, höheren Bildungseinrichtungen
und benachbarten Landkreisen empfohlen. Ein Ziel dieser Kooperationen ist die Schaffung einer
innovationsfördernden Infrastruktur und die Förderung von Innovationen und Exportaktivitäten bei
KMU Die Finanzierungs- und Investitionsmaßnahmen umfassten eine Empfehlung zur Beurteilung
der eigenen Investitionsbereitschaft der Firma sowie die Einbeziehung von Business Angels. Auch
eine Erweiterung der Kenntnisse über die eigenen Wachstums- und Renditepotenziale sowie über
Finanzierungsmethoden
wurde
angeregt.
Andere
vorgeschlagene
Maßnahmen
zur
Entwicklungsförderung beinhalteten Vorschläge zur verbesserten Durchdringung externer Märkte und
zur Einrichtung eines Wachstumsprogramms.
Schulungen, Seminare, Wokshops, Rollenspielübungen, Mentorbetreuung, Beratung und
Unterstützung bei der Beschaffung privater Investitionen wurden als Maßnahmen zur Erreichung der
vorstehenden Ziele vorgeschlagen. In verschiedenen Kontexten können Kontaktvermittlungen
(Matching-Service)zur Zusammenführung von Firmen und zur Einbeziehung von Business Angels als
Investoren einen Weg zu einem verbesserten Zugang zu Kapital und zu Empfehlungen von Partnern
und Experten eröffnen.
Netzwerke können für den Ausbau der Informations- und Wissensbasis der Unternehmen
eingesetzt werden. Beispielsweise heben Moreno und Casillas (2007) die Bedeutung externer
Ressourcen bei der Verbreiterung der Ressourcenbasis durch Netzwerke zur Erzielung von Wachstum
hervor. Dandridge und Johannisson (1996) regen für eine erfolgreiche Politik an, dass ein effektiver
Austausch von Informationen und der Transfer von Ressourcen, einschließlich Erfahrungen, vom
obsoleten Betrieb in den neu entstehenden eingeführt werden sollten. Sie sind der Auffassung, dass die
Rolle von Regierung und Verwaltung darin liegen sollte, Informationen für die existierenden
Netzwerke bereitzustellen oder die Aufnahme neuer Unternehmer in diese Netzwerke zu erleichtern.
Fischer und Reuber (2003) fordern die Anpassung effektiver politischer Programme an einzelne
Segmente innerhalb des Gesamtbestandes der Unternehmen. Abhängig vom Zweck des Programms
können unterschiedlich angepasste Maßnahmen zur Förderung lokaler Unternehmen zur Verbesserung
ihrer Leistung auf allen Ebenen eingesetzt werden (Fischer und Reuber, 2003).
Ein hervorragendes Beispiel für erfolgreiche Netzwerke, die durch öffentliche Unterstützung
ermöglicht wurden, ist die Innovators Alliance in Ontario, Kanada. Der Ansatz aus der Provinz
Ontario in Kanada wurde im Artikel von Pike (2006) als internationales Lernmodell vorgestellt. Die
Initiative Innovator Alliance ist ein fokussierterer Ansatz für dieses Fallstudiengebiet, der ursprünglich
durch die Regierung von Ontario eingeführt und unterstützt wurde. Die Initiative begann Ende der
1990er Jahre mit der Einrichtung des eintägigen Forums The Wisdom Exchange durch das
Ministerium für Wirtschaftsentwicklung und Handel. Die Innovators Alliance ist auf die Erleichterung
des Austauschs von geschäftlichem Know-how und Erfahrungen zwischen den CEOs der am
schnellsten wachsenden Unternehmen in Ontario ausgerichtet. Aus der Funktion eines Organisators
97
einer einmal jährlich stattfindenden Veranstaltung wurde das Tätigkeitsfeld der Innovators Alliance zu
einer Vollzeit-Dienstleistungsorganisation erweitert, die ganzjährig aktiv ist. Die Tätigkeit wurde 1999
aufgenommen, derzeit hat die IA über 100 Mitglieder.
Eine andere Studie hat ergeben, dass auf Empfehlungen von Partnern und Kunden großer Wert
gelegt wird. Smallbone und Welter (2001a) stellen fest, dass in unstabilen und strukturschwachen
Umfeldern informelle Netzwerke oftmals eine wichtige Rolle bei der Mobilisierung von Ressourcen
spielen. Auch wenn das Umfeld in Ostdeutschland gegenwärtig stabiler ist, werden Rollenvorbilder
und das Messen der eigenen Aktivitäten an Partnern vermutlich sehr wertvoll sein. In den in den
Diskussionspapieren enthaltenen Empfehlungen wurden Schulungen und die Beratung durch Partner
und Experten als ein Beispiel genannt; zudem würde die vorgestellte Form des Networking zu einer
Peer-to-Peer-Unterstützung und zu einer Betreuung durch Mentoren beitragen.
Small Business Charter ist ein Beispiel aus Großbritannien (Walburn 2007). Walburn (2007) ist
der Auffassung, dass ein Verweis auf die Existenz dieser Charta für kleinere Unternehmen bei
internationalen Marketingaktivitäten die Attraktivität des jeweiligen Bezirks als Wirtschaftsstandort
erhöht werden könnte, da dadurch der Wille der Kommunalverwaltung zur effektiven Zusammenarbeit
mit kleineren Unternehmen herausgestellt wird. Dies hat eine Inward-Internationalisierung d.h. die
Gewinnung ausländischer Direktinvestitionen zur Folge. In Hinblick auf das einheimische Wachstum
ist es wichtig, die Unternehmen zu entwickeln, die Zugang zu internationalen Märkten erhalten
können.
Die Kooperation zwischen Anaika Group Oy Ltd. und UPM-Kymmene PLC in Finnland stellt ein
herausragendes Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen globalen Großunternehmen und kreativen
KMU dar. UPM Timber ist eine Sparte der UPM-Kymmene PLC mit einem Umsatz von 530
Millionen Euro und 1450 Mitarbeitern. Anaika Group Oy Ltd. ist ein mittelständisches Unternehmen
mit derzeit 50 Beschäftigten und einem Umsatz von ca. 2 Millionen Euro. Die Anaika Group
verarbeitet Leimholz für den japanischen Markt. Außerdem wird Leimholz unter der Marke Wisa von
UPM-Kymmene vermarktet. UPM-Kymmene stellt Sägewerkerzeugnisse her, die von der Anaika
Group, die die Qualitätszertifikate für den japanischen Markt erworben hat, weiterverarbeitet werden.
Die Anaika Group wurde sowohl von Regierungsorganisationen in ihren Aktivitäten im Bereich
Forschung und Entwicklung als auch durch das staatliche Kreditinstitut Finnvera mit einem
Eigenkapitaldarlehen unterstützt. Diese Art der Zusammenarbeit zwischen KMU und
Großunternehmen kann empfohlen werden, da Großunternehmen über die Vertriebskanäle verfügen,
während kleinere Unternehmen gegebenenfalls bei der Entwicklung von Produktionssystemen für
Nischenprodukte überlegen sind.
Die neuseeländische Organisation New Zealand Trade and Enterprise (NZTE) ist ein gutes
Beispiel sowohl für die Unterstützung der Wachstumsunternehmen als auch für die Bemühungen um
eine Internationalisierung. Ziel der NZTE ist die Anregung einer positiven Einstellung gegenüber
geschäftlichen Erfolgen sowie zu Risikobereitschaft und Kreativität. Ziel ist die Förderung einer
Kultur, die unternehmerische Aktivitäten und ein geschäftliches Wachstum fördert, da diese in der
wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes eine zentrale Rolle spielen. Die Organisation arbeitet
partnerschaftlich mit Unternehmen, höheren Bildungseinrichtungen und der Privatwirtschaft
zusammen, um eine Haltung zu entwickeln, die dem Unternehmertum gegenüber positiv eingestellt ist
und dieses unterstützt. Die Aktivitäten umfassen die Bereiche Unternehmensentwicklung,
Exportdienstleistungen, Regionalentwicklung und NZ Success (Erfolg in Neuseeland). Alle
Abteilungen sind weiter untergliedert, NZ Success beispielsweise in den Enterprise Culture & Skills
Activities Fund (Aktionsfonds für Unternehmenskultur und unternehmerische Fähigkeiten), Export
Awards (Exportpreise), New Zealand New Thinking (Neues Denken in Neuseeland), World Class
New Zealand (Neuseeland auf Weltklasseniveau), und Event Support (Veranstaltungen).
98
Dieser Handlungsansatz lässt sich sehr gut auf Ostdeutschland übertragen, da die genannten
Tätigkeiten fast alle Bereiche abdecken, die in den Fallstudien empfohlen werden. Die
Sektorentwicklung umfasst sowohl neue Technologien als auch traditionelle Wirtschaftszweige.
Regionalentwicklung, regionale Initiativen und die Exportförderung sind ebenso enthalten wie
verschiedene Finanzierungsmodelle.
Die in den Fallstudien empfohlenen Aktivitäten umfassen Workshops, Rollenspielübungen,
Informationen und Beratung über geistige Eigentumsrechte, Analyse der Wertschöpfungskette und
Szenarioplanung, Marktforschung, Mentorbetreuung und Beratung sowie Unterstützung bei der
Beschaffung privater Investitionen, Informationen und Beratung über geistige Eigentumsrechte,
Förderung von Partnerschaften zwischen Großunternehmen und kleineren Unternehmen, externe
Unterstützung des geschäftlichen Know-how sowie Schulungen und Beratungsangebote. Die
konkreteste Empfehlung für politische Entscheidungsträger ist die Einrichtung oder Unterstützung
einer spezialisierten Behörde mit gründlichen Kenntnissen der Technologien und
Geschäftsmöglichkeiten, die latente und ungenutzte Ressourcen an geistigem Eigentum in
Großunternehmen ermittelt. Auf die Kooperation zwischen großen und kleinen Unternehmen wurde
bereits in mehreren Antworten eingegangen. Eine Möglichkeit zur Einbeziehung von Business Angels
ist die Kontaktvermittlung, der so genannte Matching-Service.
Aus anderen Bereichen können wird die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und höheren
Bildungseinrichtungen aufgreifen. Diese ist bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen in der
Vorgründungsphase (Virtanen und Laukkkanen, 2002) äußerst wichtig, ist jedoch auch bei
bestehenden Unternehmen von Bedeutung, da neues geschäftliches Know-how auch für bestehende
Unternehmen verfügbar sein sollte. Gegenwärtig herrscht in vielen Regionen der OECD-Länder die so
genannte Triple-Helix-Kooperation (privat – öffentlich – höhere Bildungseinrichtungen) vor.
Ferner wird empfohlen, verstärkte Bemühungen auf die Erzielung einheimischen Wachstums zu
richten. Am wichtigsten ist es jedoch, Maßnahmen zu identifizieren, die zu Wachstum führen. Hierbei
ist zu bemerken, dass die Begriffe Wachstum und Erfolg nicht austauschbar sind. Nicht alle
Wachstumsunternehmen sind Erfolgsfirmen, wenn wir nicht eine ähnliche Definition zugrunde legen
wie Smallbone, Leigh, und North (1995), die ein Beispiel untersuchten, bei dem
Wachstumsunternehmen mit Erfolg in Verbindung gebracht wurden. Die lokale Entwicklung hängt
darüber hinaus oftmals entscheidend von stabilen Unternehmen vor Ort ab (Einzelhändler, Bäcker,
Restaurants usw.), die Arbeitsplätze schaffen und deren Beschäftigte ein steuerpflichtiges Einkommen
erzielen (Stark und Brown 1997).
In der Fallstudie für die Landkreise Mittweida und Altenburger Land wurde dargelegt, dass
Wachstumsunternehmen verstärkt gefördert werden sollten, ohne jedoch die übrigen KMU zu
vernachlässigen (Murphy 2006). Murphy (2006) schlug starke und maßgeschneiderte Maßnahmen zur
Unterstützung einer kleinen Anzahl von Wachstumsunternehmen vor, während parallel die übrigen
KMU mit kostengünstigeren oder standardisierten Maßnahmen gefördert werden sollten. Murphy
(2006) regt überdies die Einrichtung einer speziellen Arbeitsgruppe an, die eine Strategie für den
Dienstleistungssektor entwickeln soll; dies soll ein erster Schritt in der Entwicklung einer Strategie für
den Landkreis und die Region sein. Im Idealfall sollte sich die Arbeitsgruppe aus Vertretern der
zuständigen Ministerien und Behörden zusammensetzen, insbesondere sollten auch (nationale und
internationale) Dienstleistungsunternehmen mit Experten vertreten sein (Murphy 2006). Diese
Vorschläge sind allesamt wertvoll und können die Modernisierung und Diversifizierung in breiterem
Kontext in jeder Region unterstützen. Allerdings sollten die Behörden bei der Einrichtung neuer
Institutionen (Task Force) mit Vorsicht vorgehen, um allzu starke Regelungsmechanismen und eine
Vergeudung knapper Ressourcen zu vermeiden.
99
Aus der Sicht einer Modernisierung und Diversifizierung von KMU ist die Förderung so
genannter Graswurzel-Innovationen eine gute Empfehlung. Diese Empfehlung sieht eine Förderung
der Landwirtschaft und der Lebensmittelbranche, der grundlegenden Industrien und Dienstleistungen
und kleiner, weniger kapitalintensiver Unternehmen vor. Diese Argumentation wird gestützt durch die
Forderung von Dabson (2000) nach Fokussierung auf und Identifizierung lokaler und regionaler
Wirtschaftsgüter, die in eine unternehmerische Aktivität überführt werden sollen. Die Politik sollte
den Zugang zu Forschung und Entwicklung und zu Marktinformationen unterstützen sowie dabei
helfen, Kontakte zu begeisterungsfähigen Vertretern und zu Vertriebskanälen auf dem internationalen
Markt zu knüpfen. Diese Art politischer Unterstützung für offene und selbstbewusste Produzenten ist
hilfreich bei der Entwicklung von Möglichkeiten und beim Zugang zu internationalen Märkten. Ein
gutes Beispiel hierfür ist Just The Berries Ltd.25 Diese Firma stellt funktionelle Produkte her, bei
denen schwarze Johannisbeeren als Rohstoff eingesetzt werden. Die Forschungsarbeiten und Tests für
die Eigenschaften der schwarzen Johannisbeere wurden durch das renommierte staatliche Labor Crop
and Food Research in Neuseeland durchgeführt. Eine Kooperation mit einem großen japanischen
Unternehmen führte zur Öffnung des asiatischen Markts, die Aussichten für das künftige Wachstum
sind ausgezeichnet.
In diesem Artikel wurde an verschiedener Stelle auf Volkswirtschaften im Wandel und auf
spezifische Fallstudien Bezug genommen. Es muss darauf hingewiesen werden, dass die Entwicklung
der KMU in Ostdeutschland aufgrund der Unterstützung durch Westdeutschland in einem völlig
anderen Umfeld verläuft als in anderen Transformationsländern. Es bestehen jedoch Ähnlichkeiten in
Bezug auf die unternehmerische Kultur und die Haltung gegenüber dem Unternehmertum und der
geschäftlichen Entwicklung. Die Fallstudien und die angeführten Empfehlungen sollten in dem dafür
vorgesehenen Zusammenhang geprüft werden. Wahrscheinlich gibt es keine politische KMUInitiative, die allgemein landesweit anwendbar wäre, da sowohl die KMU als auch die Regionen eines
Landes beträchtliche Unterschiede aufweisen. Die Empfehlung, Nutzen aus den Chancen zu ziehen,
die sich durch Modernisierung und Diversifizierung eröffnen, kann jedoch in verschiedene politische
Maßnahmen für KMU Eingang finden.
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104
ERGEBNISSE AUS DEN LOKALEN FALLSTUDIEN UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
OECD
Die lokalen Fallstudien haben den Bedarf nach mehr „Opportunity Entrepreneurship“ (d.h. nach
Unternehmensgründungen aufgrund bestehender Chancen und nicht aufgrund einer Notwendigkeit)
für alle Unternehmer gezeigt. Unabhängig von der Firmengröße müssen Unternehmen konstant ihre
Qualifikationsbasis ausbauen. Das ist nicht nur für das Überleben des Unternehmens ein kritischer
Faktor, die Verfügbarkeit der richtigen Qualifikationen ist überdies eine der Haupttriebkräfte für die
Modernisierung und Diversifizierung bestehender Unternehmen. Das Überleben der Unternehmen
sowie das Unternehmenswachstum hängen nicht nur von Führungsqualitäten und Management in
KMU ab, sondern auch von den Qualifikationen und Motivationen der Mitarbeiter. In den Gebieten, in
denen die lokalen Fallstudien durchgeführt wurden, bestehen eine Reihe von Schulungsmöglichkeiten
für KMU, die sowohl von der Privatwirtschaft als auch von öffentlichen Institutionen angeboten
werden. Den Überblick zu behalten und die besten Optionen auszuwählen, kann jedoch zeitintensiv
und schwierig sein. Angebote, die mit öffentlichen Zuschüssen unterstützt werden, sind oftmals
kostenfrei oder nur mit geringen Kosten verbunden; oft ist für bestimmte Unterstützungsprogramme
eine Teilnahme an diesen Angeboten vorgeschrieben. Die Diskrepanz zwischen Angebot und
Nachfrage erhöht sich in einer späteren Phase der Geschäftsentwicklung zunehmend, da Zeit- und
Kostenfaktoren zunehmend an Bedeutung gewinnen. Auf der Nachfrageseite ist es vorherrschende
Auffassung unter Unternehmern und Geschäftsführern von KMU, dass Schulungen mit zeitlichem
Aufwand und Kosten verbunden sind. Mit dieser Einstellung geht eine mangelnde Kenntnis
bestehender Schulungsangebote und der Zugänge zu diesen Angeboten einher; darüber hinaus ist ein
Mangel an Anreizen und finanzieller Unterstützung zu konstatieren. Alle diese Umstände sind
Barrieren für die Qualifizierung in KMU.
Die bestehenden KMU in den Fallstudiengebieten werden sich verstärkt auf
Kompetenzentwicklung und Unternehmensleistung konzentrieren müssen, wenn sie in einem Umfeld
überleben wollen, das von zunehmendem nationalem und internationalem Wettbewerb geprägt ist.
Maßgeschneiderte Programme zur Kompetenzentwicklung können das Interesse an
Schulungsprogrammen erhöhen. Dabei ist es wichtig, Themen zu finden, die für die Unternehmen vor
Ort von zentraler Bedeutung sind, wie etwa der Zugang zu externen Märkten, die
Innovationssteigerung in der Produktion und bei der Leistungserbringung, Wachstumsmanagement
und Wachstumsfinanzierung. Die Initiative der deutschen Industrie- und Handelskammer „E-Learning
Marketplace“ ist ein Beispiel für „Gute Praxis“ in der Einführung von Multimedia in Lernprozesse.
Zudem trägt diese Initiative zur Überwindung der Barriere zwischen Schulungs- und Arbeitsplätzen
bei. Eine berufliche Neuorientierung, die in Ostdeutschland weit verbreitet ist, muss an die
Anforderungen der örtlichen Arbeitsmärkte angepasst werden, um der Nachfrage der lokalen
Wirtschaft nach qualifizierten Arbeitskräften besser entsprechen zu können. In einigen
Fallstudiengebieten ist es aufgrund der Abwanderung junger Menschen und deren wechselnden
Berufswünschen für Unternehmen schwierig, geeignete Mitarbeiter zu finden. Die Existenz
individualisierter Schulungsprogramme und eine enge Zusammenarbeit zwischen Bildungsträgern,
wie sie in den meisten Fallstudiengebieten auch häufig anzutreffen sind, kann als gute Praxis
angesehen werden.
105
Aufgrund des geographischen Vorteils der Lage in Zentraleuropa und der erheblichen
Investitionen in die Infrastruktur sind alle Fallstudiengebiete gut positioniert, um Wettbewerbszentren
für gehandelte Produkte und Leistungen zu sein. In den meisten der Fallstudiengebiete scheinen
jedoch viele lokale Unternehmen mit traditionellen Produkten keinen angemessenen Zugang zu
Exportmärkten zu haben. Die Kammern spielen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der
Internationalisierungsaktivitäten der KMU. Die angebotenen Leistungen stellen eine Art
Standardunterstützung für die Förderung der Internationalisierung der Geschäftstätigkeiten dar.
Darüber hinaus existieren in einigen der Fallstudiengebiete auf die Gegebenheiten vor Ort
zugeschnittene Projekte mit dem Ziel, die Reaktionsfähigkeit örtlicher Traditionsunternehmen auf den
internationalen Märkten zu verbessern, Insgesamt gesehen ist der horizontale Fokus nur schwach
ausgeprägt, ebenso wie der strategische Handlungsansatz für die Förderung der Internationalisierung
der vor Ort entwickelten Ideen und Kompetenzen.
Es ist für öffentliche und private Organisationen zur Wirtschaftsförderung wichtig, bei der
Gestaltung und Umsetzung der Unterstützungsstrategie für Unternehmen enge Beziehungen zwischen
potenziellen Wachstumsunternehmen anzuregen. Die gute Praxis der OECD zeigt, dass das
Bereitstellen von Instrumenten zur besseren Einschätzung von Schulungsbedarf und
Wachstumspotenzial Unternehmen bei der Feststellung derjenigen Faktoren hilft, die den größten
Einfluss auf ihren Fortbestand und ihr Wachstum haben. Einfach umzusetzende Ansätze mit OnlineSchnittstellen erleichtern den Behörden die Ermittlung der besten Wachstumswirkungen ihrer
Interventionen.
Junge technologieorientierte Unternehmen haben oftmals Probleme damit, das Bedarfprofil der
Endbenutzer zu erkennen und darauf zu reagieren; überdies tendieren sie zur Unterschätzung des
Kosten- und Zeitaufwandes für den Markteintritt und den Unternehmensfortbestand. Um diese jungen
Unternehmen in ihrem Fortbestand und ihrem Wachstum zu unterstützen, sind öffentliche
Förderprogramme für Schulung und Coaching in der Nachgründungsphase auch in den
Fallstudiengebieten eine erwägenswerte Möglichkeit. Obgleich junge Unternehmen tendenziell wenig
Interesse an derartigen Programmen zeigen, da das Tagesgeschäft hierfür oftmals keine Zeit lässt,
können diese Leistungsangebote eine wertvolle Unterstützung darstellen. Erfahrungen mit CoachingProgrammen in der Nachgründungsphase in anderen OECD-Ländern zeigen, dass in der
Vorgründungs- und Gründungsphase aufgebaute Beziehungen zwischen Unternehmer und Coach in
der Nachgründungsphase wertvolle Hilfen geben kann, so dass Jungunternehmer auftretende Probleme
schon im Frühstadium erkennen können. Maßgeschneiderte Leistungen auf Kommunalebene können
zur Aufrechterhaltung der direkten Interaktion mit vorherigen Kunden in der Nachgründungsphase
genutzt werden, indem die anfänglichen Eins-zu-Eins-Interaktionen, die in der Vorgründungs- und
Gründungsphase eingeführt wurden, beibehalten werden.
Erfahrungen aus anderen OECD-Ländern und Regionen zeigen, dass Programme, die darauf
ausgerichtet sind, Unternehmen bei der Einschätzung ihrer eigenen Investitionsbereitschaft zu
unterstützen, das Geschäftsvolumen steigern konnten. Diese Programme unterstützen die
Unternehmen bei Folgendem: Beurteilung der eigenen Investitionsbereitschaft, Feedback über Stärken
und Schwächen des Unternehmens, Zugang zu einer Beteiligungsfinanzierung, Verbesserung der
Kontakte der Investoren zu Sektoren mit geringer Investorenbeteiligung. Die zentralen Angebote der
Programme umfassen zum Beispiel die intensive Zusammenarbeit mit den einzelnen Unternehmen
und die Durchführung interaktiver Workshops auf Basis von Rollenspielübungen. Durchgeführt
werden diese Programme von erfahrenen Branchenkennern wie etwa von Wirtschaftsprüfern,
Anwälten,
Business
Angels,
Geschäftsbanken,
Risikokapitalfirmen
und
Unternehmensberatungsfirmen (Corporate Finance); zudem wird ein kostenfreies Diagnose-Tool zur
Feststellung der Investitionsbereitschaft eingesetzt. In den Fallstudiengebieten sind neben privaten und
öffentlichen Förderorganisationen auch lokale KMU-Verbände tätig, die unter ihren Mitgliedern eine
106
wechselseitige Beratung und Betreuung in Form einer „Hilfe zur Selbsthilfe“ bei Fragen zu
Unternehmenswachstum und Unternehmensfortbestand organisieren. Abgesehen von diesen
Angeboten hat es den Anschein, dass das Interesse vieler Unternehmen an kostenpflichtigen
Coaching- und Beratungsangeboten aufgrund begrenzter Eigenmittel und Liquidität eher schwach
ausgebildet ist.
Aus den OECD-Forschungsarbeiten lässt sich ableiten, dass KMU im Durchschnitt weniger
Forschung und Entwicklung betreiben als größere Firmen. Die durchschnittliche Unternehmensgröße
in den meisten Fallstudiengebieten macht es schwierig, unternehmensinterne Forschungs- und
Entwicklungstätigkeiten zu fördern. Eines der Gebiete, auf dem die meisten Standorte gut
abgeschnitten haben, war ihre Technologiebasis und die Vielfalt der Tätigkeiten zur Förderung und
Unterstützung von Innovationen. Auf regionaler Ebene konnten bis zu einem gewissen Grad
Bundesprogramme zur Verbesserung der Innovationsleistung erfolgreich genutzt werden. Die
Herausforderung, diejenigen Innovationstätigkeiten zu fördern, die zur Unterstützung der
Modernisierung einer produktiven Struktur beitragen können, bleibt jedoch bestehen. Die Ausbildung,
Verwertung und Steuerung von Netzwerkbeziehungen ist wichtig für das Erreichen von
Skaleneffekten und für die Kosten- und Zeitrationalisierung sowie für den Zugang zu neuen
Kompetenzen, insbesondere in Bezug auf den Zugang zu Ressourcen und Märkten, den Austausch von
Technologien und Know-how und den Informationsaustausch über Technologieentwicklungsprozesse.
In allen Fallstudiengebieten wurden Projekte zur Entwicklung von Netzwerken und Clustern
durchgeführt. In Fallstudiengebieten mit einer Universität in der Region scheinen die
Innovationssysteme besser zu sein. Hier nimmt die Universität für das Subsystem der Wissensbildung
eine zentrale Stellung ein, und sie spielt zudem eine wichtige Rolle bei der Wissensverwertung, wobei
auf langfristige strategische Kernkompetenzen in Grundlagenforschung und angewandter Forschung
zurückgegriffen wird. Für Unternehmen aller Größen kann das Vorhandensein einer Universität einen
Stimulus für Wachstumspläne und eine Quelle für Innovationen darstellen. Hochschulen und
Forschungseinrichtungen sind in der Regel jedoch nicht die üblichen Ansprechpartner für Firmen.
Selbst Hightech-Unternehmen und Wachstumsunternehmen wenden sich bei der Suche nach
Unterstützung oder Dialog an die Kammern oder Wirtschaftsverbände. Innerhalb der vorhandenen
Innovationsinfrastruktur ist daher eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Universitäten,
Forschungseinrichtungen und den Kammern gefragt, um die Distanz und die Hindernisse abzubauen
und die wirtschaftliche Verwertung von Wissen und Technologie in einer breiteren
Unternehmensbasis sowohl innerhalb der lokalen Wirtschaft als auch darüber hinaus zu erleichtern.
Die Infrastruktur für Innovationen ist ein komplexes System aus physischen, personellen und
finanziellen Ressourcen, einschließlich Kompetenzen, Kapazitäten, Fähigkeiten und Netzwerken, die
innovative Unternehmen bei den Prozessen der Kommerzialisierung der Kenntnisse unterstützen. Die
regionale Innovationsinfrastruktur muss Einrichtungen und verbundene Förderangebote umfassen, die
an die unterschiedlichen Strategieanforderungen der Unternehmen in den Unternehmensgründungsund Unternehmenswachstumsprozessen angepasst sind. Die lokalen Fallstudien haben ein Risiko der
übermäßigen Abhängigkeit von öffentlichen Mitteln bei der Fortsetzung der aktuellen
technologiebasierten Entrepreneurship-Initiativen aufgezeigt. An einigen Standorten haben massive
öffentliche Investitionen zur Ausbildung einer erstklassigen physischen Infrastruktur für
technologieorientierte Firmengründungen und –entwicklungen geführt. Öffentliche Mittel stehen auch
für Unternehmensgründungen und Inkubator-Firmen bereit. In den Fallstudiengebieten oder in der
näheren Umgebung gibt es eine Reihe von Technologieparks und Business-Inkubatoren. Diese sind in
erster Linie, aber nicht ausschließlich für technologieorientierte Unternehmen vorgesehen. Sie sind
offenbar gut etabliert und gut an die Schlüsselsektoren der lokalen Wirtschaft wie Elektronik und
Elektrotechnik, Lasertechnologie und Spezialmaschinenbau angebunden. Es gibt internationale
Verbindungen, die ausgebaut werden. Eine enge Zusammenarbeit zwischen den örtlichen Agenturen
107
ist wichtig, um zu gewährleisten, dass die ansässigen Firmen auch nach der Inkubationsphase vor Ort
oder im Landkreis bleiben. Eine anhaltende Herausforderung in der Zukunft wird es sein, die
Zuwanderung neuer Unternehmen aufrechtzuerhalten. In diesem Bereich könnte mehr getan werden;
zum Beispiel könnten Bundes- und Länderinitiativen dazu eingesetzt werden, die Zusammenarbeit
zwischen Landkreisen und Kommunen bei Einrichtung und Betrieb von Technologieparks und
Business-Inkubatoren anzuregen. Dadurch würden auch die Entwicklung der Wirtschaftsregionen und
die Clusterbildung über mehrere Zuständigkeitsbereiche hinweg gefördert.
Für die Mehrheit der Fallstudiengebiete können eine gute Versorgung mit verfügbaren
Industriestandorten, eine Mischung aus Gewerbeimmobilien mit attraktiven Mieten und eine
angemessene Infrastruktur als Pluspunkte verbucht werden. In urbanen Regionen, in denen die
Nachfrage nach Grundstücken und Gebäuden für neue oder expandierende Geschäftstätigkeiten
zunächst aus dem vorhandenen Flächenbestand gedeckt werden muss, sind Quantität, Qualität und
Zweckmäßigkeit sowie Flexibilität zur Anpassung an neue Anforderungen für die Standortfrage
relevant. Es gibt eine Vielzahl hochwertiger Büro-, Gewerbe- und Industrieflächen zu Kosten, die im
Vergleich zu entsprechenden Flächen in Westdeutschland wesentlich niedriger sind. Für
Unternehmensgründungen und bestehende KMU besteht zudem die Möglichkeit staatlicher
Mietzuschüsse. An einigen Standorten haben jedoch Unvollkommenheiten des Immobilienmarkts,
verursacht durch Regulierungen und verstärkte Standortentwicklung durch den öffentlichen Sektor
sowie durch eine mangelnde Nachfrage, zu Leerständen bei den öffentlich subventionierten
Gewerbeflächen und zu einem nachlassenden Engagement privater Bauträger geführt. An Standorten
mit niedriger Belegungsquote werden Imageprobleme als Ursache genannt. In allen
Fallstudiengebieten wurden verschiedene politische Maßnahmen zur Stimulierung der Entwicklung
des Unternehmertums und der Gewinnung beschäftigungswirksamer Investitionen initiiert. Projekte
für Stadtentwicklung und Stadtumbau (Urban Regeneration) und die Schaffung moderner, lebendiger
Einkaufs- und Freizeitzentren scheinen das Image dieser Orte zu verbessern, was sowohl intern für die
Anwohner und ansässigen Firmen als auch extern für Besucher und potenzielle Investoren gilt.
Zusätzlich werden Mechanismen des E-Government eingesetzt: erste Erfolge bei der Verringerung
bürokratischer Hürden in der Flächennutzung wurden so bereits erzielt.
Die Fallstudien in Ostdeutschland haben gezeigt, dass sich zahlreiche Handlungsempfehlungen
auf Bundesebene und auf kommunaler Ebene durch Regierung, Verwaltung und Organisationen
umsetzen lassen, die aktiv in der Entwicklung und Stärkung des Unternehmertums und der lokalen
Wirtschaftsentwicklung tätig sind. Obgleich diese Empfehlungen mit Blick auf die jeweiligen
örtlichen Gegebenheiten entwickelt wurden, haben sie doch Bedeutung für andere Orte in
Ostdeutschland oder in anderen Regionen. Die folgende Liste von Empfehlungen kann daher für
politische Entscheidungsträger und lokale Organisationen als Checkliste für Neuerungen in der
Entrepreneurship-Politik und die Entwicklung lokaler Aktivitäten im Rahmen der Modernisierung und
Diversifizierung von KMU und der zugehörigen Motivationsmaßnahmen dienen.
Handlungsempfehlungen zur Stärkung von Modernisierungs- und Diversifikationsbemühungen
bestehender Unternehmen

Durchführen von öffentlichen Kampagnen zur Steigerung des Interesses an und der Nachfrage nach
Schulungs- und Beratungsdiensten für KMU. Das Überleben und das Wachstum von KMU hängt nicht allein
von deren Leitung und dem Management ab, sondern auch von den Fertigkeiten und der Motivation der
Mitarbeiter. Der bei Unternehmern weit verbreitete Glaube, dass Weiterbildung nur Zeit und Geld kostet,
gebündelt mit der spärlichen Kenntnis von existierenden Weiterbildungsangeboten, aber auch das
eventuelle Fehlen von Zugangsmöglichkeiten, Anreizen und finanzieller Unterstützung müssen als
Hindernisse in der Qualifizierung bestehender KMU erkannt und angegangen werden. Erfolgreiche
Schulungsprogramme könnten beworben und teilnehmende Unternehmen als Vorbilder genutzt werden, um
das Interesse an Schulungs- und Beratungsdiensten zu steigern. Solche Initiativen könnten auch dazu
beitragen, die Koordination zwischen den Akteuren zu verbessern und so zu einer Qualitätssteigerung des
108
Angebots beitragen. Unternehmensnetzwerke könnten genutzt werden, um dies zu unterstützen oder um
entsprechende Kampagnen durchzuführen.
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Zugang zu überregionalen Märkten. Eine überregionale Nachfrage nach Produkten und Dienstleitungen
eines Unternehmens kann entscheidend für dessen Wachstum sein. Marktforschung durch das
Unternehmen, Unternehmensverbände, Kammern und andere Einrichtungen sind ein wichtiges Instrument,
um das Nachfragepotenzial auf regionalen, nationalen und internationalen Märkten besser einzuschätzen,
und erleichtern ein adäquates Reagieren.
Verbesserung der Koordinierung, Transparenz und Qualitätsüberprüfung von Beratungs-, Schulungs- und
Coachingdiensten. Das bestehende Angebot sollte einer ausführlichen Evaluierung, Qualitätskontrolle und
einem Leistungsvergleich unterzogen werden. Informationen sollten transparent und leicht zugänglich sein.
Die so gewonnenen Informationen sollten KMU und öffentliche Behörden bei der Auswahl geeigneter
Schulungsanbieter unterstützen.
Schulungen zur Unternehmensweiterentwicklung als Bestandteil von Existenzgründungsprogrammen.
Innerhalb von Existenzgründungsprogrammen sollte ein größeres Gewicht auf die Entwicklung und den
Ausbau von Fähigkeiten im Bereich Unternehmensmanagement und Unternehmensentwicklung gelegt
werden. Das bestehende Schulungsangebot sollte so erweitert werden, dass auch das Erkennen von
überregionalen Marktpotentialen, die unternehmerische Nachhaltigkeit sowie die Identifizierung und
Nutzung von künftigen Wachstumsmöglichkeiten abgedeckt werden.
Unterstützende
Schulungen
für
Geschäftsführer
bestehender
KMU
als
Teil
von
Unternehmensnetzwerkaktivitäten. Eine Ausweitung bereits bestehender Weiterbildungsprogramme für
KMU-Manager zur Entwicklung ihrer unternehmerischen Kenntnisse über Märkte, Marketing und
insbesondere der Fähigkeit, Chancen zu erkennen, sollte angestrebt werden. Das Bildungsangebot sollte
die Unternehmen durch neue Erfahrungen, Zusammenarbeit und gemeinsame Diskussion mit anderen
Unternehmen darin unterstützen, die notwendigen Veränderungen in ihren Unternehmen zu erkennen und
anzugehen. Vor allem sollte man sich hier auf Unternehmen konzentrieren, die eine gewisse
Wachstumsorientierung aufweisen.
Intensivierung von Unternehmensnetzwerkinitiativen. Die Arbeit in Netzwerken kann durch eine Analyse
von Wertschöpfungsketten und Szenarienplanungen unter Einbeziehung der Schlüsselakteure der
jeweiligen Branchen angeregt werden. Ausgangspunkt bei der Gründung solcher Netzwerke ist der
Versuch, eine zentrale Frage zu beantworten: Wie können wir die lokale Wirtschaft durch Kooperation und
Zusammenarbeit von einem „Preisnehmer“ (price-taker) zu einem „Preissetzer“ (price-maker)
weiterentwickeln?
Unterstützung nach der Start-Up Phase. Um jungen Unternehmen höhere Überlebens- und
Wachstumschancen zu sichern, sollten öffentliche Förderprogramme Betreuung und Trainingsmaßnahmen
in der Nachgründungsphase berücksichtigen. Sehr häufig nehmen junge Unternehmen nicht wahr, dass
ihre bisherigen Geschäftskenntnisse und ihr Know-how unzureichend sind und dass externe Beratung eine
Hilfe sein könnte. Erfahrungen aus anderen OECD-Ländern mit Coaching-Programmen in der
Nachgründungsphase zeigen, dass eine Beziehung zwischen Unternehmer und Betreuer, die bereits in der
Vorgründungs- und Gründungsphase aufgebaut wurden, ein großes Potential für eine Aufrechterhaltung in
der Nachgründungsphase darstellt. Eine auf lokale Bedürfnisse zugeschnittene Förderungseinrichtung kann
die direkte Beziehung mit früheren Kunden in der Nachgründungsphase fördern, indem die anfängliche
eins-zu-eins Interaktion, die in der Vorgründungs- und Gründungsphase aufgebaut wurde, in der
Nachgründungsphase weitergeführt wird.
Mentorbetreuung von Unternehmen zu Unternehmen (B2B) fördern. Größere Unternehmen können für
KMU eine bedeutsame Rolle in deren Innovation und Exporttätigkeit spielen, indem sie diesen erfahrene
Führungskräfte für kurze Beratungsseminare zur Seite stellen.
Einbeziehung von „Unternehmensengeln‟(Business Angels). Ein entwickeltes VC System benötigt einzelne
Investoren sowie Venture Capitalfonds. „Engel‟ d.h. Menschen, die bereit sind, in einzelne Unternehmen zu
investieren und oft ihr Know-how einbringen, sind in den meisten OECD-Ländern anzutreffen. Dies können
Menschen sein, die in der Vergangenheit eine Firma erfolgreich gestartet und in mehrere Unternehmen
investiert haben. Oft geht mit dieser Art Investition eine Mentorfunktion einher, bei der der einzelne Investor
oder eine andere dafür benannte Person als Ratgeber gegenüber dem Unternehmer und dem Geschäft
wirkt. Das ist besonders wichtig für Unternehmen, die ehrgeizige Wachstumspläne verfolgen oder
versuchen in internationale Märkte vorzudringen.
Unterstützung in den Bereichen Technologie und Innovation ausweiten. Aufgrund der Kostenstrukturen sind
KMU in OECD-Ländern in wachsendem Maße darauf angewiesen, mit Technologie und anderen
Wertschöpfungskomponenten ihre Wettbewerbsfähigkeit zu festigen. Eine Inanspruchnahme von externen
109
F&E-Dienstleistungen könnte örtlichen KMU bei ihren Innovationsbestrebungen unterstützen. Sollten sich
die Landkreise für die Schaffung der erforderlichen Innovationsinfrastruktur als zu klein empfinden, könnte
eine überregionale Zusammenarbeit mit benachbarten Kreisen und/oder mit thematisch verwandten
Hochschul- und Forschungseinrichtungen Abhilfe schaffen.
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Durchführung eines Pilotprogramms für wachstumsorientierte Unternehmen. Ein Pilotprogramm würde ein
Ausfindigmachen von jungen und bestehenden Unternehmen mit Wachstumspotentialen erleichtern. Eine
solche Initiative könnte öffentliche Förderung koordinieren, eine auf die Bedürfnisse des Unternehmens
exakt zugeschnittene Betreuung und Beratung anbieten und zudem bei der Beschaffung von
Privatinvestitionen zur Seite stehen. Solch ein Programm würde einen kleinen Kreis von Unternehmen über
einen Zeitraum von zwei Jahren einbeziehen (angesichts der wirtschaftlichen Dimension würden pro Jahr
vielleicht nur 20 Unternehmen angeworben werden). Dies könnte sich insbesondere für Regionen anbieten,
in denen das unternehmerische Klima zwar nahezu den nationalen Durchschnitt erreicht, jedoch strukturelle
Probleme das Wachstum von Unternehmen beeinflussen.
Förderung von Spitzeninnovation. Die Vermittlung von Geschäftsbeziehungen zwischen größeren regional
agierenden Unternehmen, die latente und ungenutzte Ressourcen an geistigem Eigentum aufweisen und
diese anbieten wollen, und KMUs, welche über Nutzungskapazität verfügen, sollte Teil der Förderung von
Spitzeninnovationen sein. Kleinere Unternehmen könnten geistiges Eigentum erwerben, lizenziert
verwenden oder gegen eine Provision im eigenen Betrieb einsetzen. Dieses Vorgehen könnte durch eine
spezialisierte Einrichtung begleitet werden, die adäquates Technologie- und unternehmerisches
Verständnis und Bewusstsein besitzt, Kontaktmöglichkeiten erkennt und so einen Austausch initiieren und
erleichtern kann.
Förderung von Basisinnovationen. Es sollte mehr unternommen werden, um Innovationen in der
Landwirtschaft, der Nahrungsmittelindustrie, der Grundgüterindustrie und im Dienstleistungssektor sowie in
kleineren und weniger kapitalintensiven Unternehmen anzuregen.
Innovationsnutzung durch eine weiter gefasste Gruppe von Firmen. Die bestehende Innovationsinfrastruktur
sollte stärker dazu genutzt werden die Zusammenarbeit zwischen dem Hochschulsektor, örtlichen
Unternehmen (aller Größen) und größeren Firmen andernorts anzukurbeln. Multinationale Unternehmen vor
Ort oder anderswo stellen aufgrund ihres starken Zugangs zu Märkten eine Chance für die lokale Wirtschaft
dar, um Kommerzialisierungsprozesse zu akzelerieren und aufzuwerten. Derartige Allianzen können dazu
beitragen, innovative Produkte und Dienstleistungen unter marktähnlichen Umständen zu testen und die
Zeit-zu-Markt ('time-to-market') Beziehung positiv zu beeinflussen. Bei der Aufstellung von derartigen
Wertschöpfungsstrategien ist es jedoch wichtig, auf den Schutz von intellektuellem Eigentum zu achten.
Firmen dabei helfen, ihre eigene Investitionsbereitschaft einzuschätzen. Es sollten Programme entwickelt
werden um dem Mangel an Investitionsbereitschaft in bestimmten Sektoren abzuhelfen, indem
Firmenwissen zu Wachstums- und Renditepotenzialen sowie zu Finanzierungsmethoden verbessert wird.
Solche Programme haben anderswo erwiesenermaßen zu mehr Investitionen geführt. Als wichtigste
Merkmale wären u.a. die intensive Arbeit mit jeder Firma, interaktive Workshops mit Rollenspielübungen
unter Leitung erfahrener Branchenexperten wie Wirtschaftsprüfer, Juristen, Business Angels, ClearingBanken, Beteiligungskapitalfirmen und Unternehmensfinanzierungsfirmen, sowie ein kostenloses DiagnoseInstrument für Investitionsbereitschaft zu nennen. Solche Programme versetzen Firmen in die Lage, ihre
eigene Investitionsbereitschaft einzuschätzen, geben ihnen Rückmeldungen zu ihren Stärken und
Schwächen, bieten Auskunft zur Beschaffung von Beteiligungskapital und schaffen mehr Schnittstellen
zwischen Investoren und Sektoren, die durch asymmetrische Informationslagen gekennzeichnet sind.
110
Box 8. Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in wachsenden existierenden KMU
SPOTcheck: Wo liegt Potential zum Erfolg – Irland: notwendige Instrumente für KMU bereitstellen, um ihnen zu
ermöglichen ihre Ausbildungsbedürfnisse und ihr Wachstumspotential besser zu verstehen und einzuschätzen.
Programm "Netzwerk Wachstumsfirmen" – Vereinigtes Königreich: Analyseinstrument welches mithilfe von
maßgeschneiderten öffentlichen Förderprogrammen für die Markt- und Produktentwicklung das
Wachstumspotential ortsansässiger KMU bestimmt.
Sustaining Profitable Growth (SPG): Worauf kommt es beim Unternehmenswachstum an – Vereinigtes
Königreich: Ein strategisches Leadership Development Programm über die Dauer von 15 Monaten für KMU.
Programm „Ready for Growth“, Vereinigtes Königreich, Spanien und Griechenland: Programm, welches den
wahrgenommenen Mangel an Investitionsbereitschaft in kleinen und mittleren Digitaltechnik-Unternehmen in
Europa anspricht.
Knowledge Transfer Partnerships – KTP – Vereinigtes Königreich: Wissenstransferpartnerschaften, welche
Firmen den Zugang zum Fachwissen und den Ressourcen der Universitäten erleichtert und die Steigerung des
Umsatzes und den Gewinn von Marktanteilen, geistigen Eigentums und Wettbewerbsvorteilen fördert.
Das Industriegebiet Marco-lotto No. 1 – Italien: Unternehmen für die Ansiedlung in ein entwickeltes
Industriegebiet anlocken.
111
KAPITEL 3
FINANZIERUNG DES UNTERNEHMERTUMS
113
POLITISCHE FRAGEN BEI DER FINANZIERUNG DES UNTERNEHMERTUMS
Dietmar Grichnik, Deutschland
Einleitung
Auch mehr als 15 Jahre nach der Wiedervereinigung bleibt die wirtschaftliche Entwicklung in
den meisten Regionen Ostdeutschlands hinter der in anderen OECD-Ländern zurück. Dies zeigt sich
in schlechten Werten bei wichtigen Wirtschaftsindikatoren wie hohe Arbeitslosenquoten, zunehmende
Abwanderung des Humankapitals und geringe Kaufkraft (z.B. Statistisches Bundesamt 2006).
Aktuelle Studien haben ergeben, dass das Unternehmertum in Hinblick auf die Angleichung des
Lebensstandards in Deutschland eine entscheidende Komponente der lokalen Wirtschaftsentwicklung
ist (OECD 2003). Die Förderung des Unternehmertums über Förderprogramme für kleine und
mittelständische Unternehmen und Unternehmensgründungen ist daher heute ein wichtiges Ziel für
politische Entscheidungsträger und Regierungen weltweit. Ein wesentliches Hindernis für Gründung,
Wachstum und Fortbestand von Unternehmen ist das Problem der Beschaffung ausreichender
finanzieller Ressourcen. Dieses Problem kann auf das Verhalten auf der Angebotsseite und/oder auf
der Nachfrageseite zurückzuführen sein. Entsprechend sind vernünftige Handlungsempfehlungen, die
externe Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmer sicherstellen und Finanzentscheidungen der
KMU beeinflussen, für Politiker von großer Bedeutung. Greift man auf die Definition des
Unternehmertums als „Verfolgung von Möglichkeiten über die derzeit zur Verfügung stehenden
Ressourcen hinaus“ zurück (Stevenson 1999), wird die zentrale Rolle der Beschaffung finanzieller
Mittel sowohl aus Sicht der theoretischen als auch der empirischen Forschung deutlich26. Im
Gegensatz zu den Annahmen der üblichen neoklassischen Marktmodelle sind Kapitalmärkte in der
Regel nicht vollkommen. Kapitalverknappung infolge der Kapitalmarktmechanismen wird durch das
Handeln von Kapitalanbietern wie Banken, Risikokapitalgebern oder Regierungen auf der einen und
der Kapital nachfragenden Unternehmen auf der anderen Seite beeinflusst. Der zugrunde liegende
theoretische Rahmen basiert daher auf verschiedenen nachfrageorientierten und angebotsorientierten
Theorien. Es ist allgemein anerkannt, dass asymmetrische Informationen, Agency-Kosten und
verbundene Risiken zwischen KMU und Finanzierungsgebern wichtige Punkte für das Auftreten von
Marktunvollkommenheiten und für politische Interventionen sind. In der vorliegenden Studie werden
daher vorwiegend mikroökonomische Modelle des Finanzierungsverhaltens in Bezug auf
asymmetrische Informationen und Risiken herangezogen.
Dieses Diskussionspapier ist wie folgt gegliedert: Kapitel 2 reflektiert die relevanten
theoretischen Modelle des Finanzmarktverhaltens und ihre empirische Bedeutung. Da sich
Kapitalengpässe sowohl aus dem Verhalten auf der Angebotsseite wie auf der Nachfrageseite ableiten
lassen, werden beide Seiten berücksichtigt. In Kapitel 3 werden die bestehenden Ineffizienzen des
Finanzmarkts in Ostdeutschland für unternehmerisch orientierte Firmen analysiert, wobei sowohl das
Finanzierungsverhalten der Unternehmer wie auch die Finanzierungsquellen im Hinblick auf
Förderprogramme, Eigenkapital- und Fremdfinanzierung untersucht werden. Gleichzeitig werden erste
Handlungsempfehlungen zur Bekämpfung der festgestellten Ineffizienzen entwickelt. Kapitel 4
26
In diesem Papier werden die Begriffe “Unternehmertum” und “Unternehmer” gleichermaßen für Startup-Firmen und
Selbständige wie für Traditionsunternehmen und Hightech-KMU verwendet.
115
schließlich bietet vertiefende Einblicke in die Handlungsempfehlungen; hier werden aktuelle OECDMaßnahmen und internationale Lernmodelle in Bezug auf den in Kapitel 3 dargelegten ostdeutschen
Kontext reflektiert.
Modelle des Finanzierungsverhaltens von KMU
Modell der „Hackordnung“ bei der Kapitalstrukturentscheidung
Die Finanzierungsentscheidungen eines Unternehmens widerspiegeln sich in seiner
Kapitalstruktur. Seit der bahnbrechenden Arbeit von Modigliani und Miller (1958) wurden zahlreiche
theoretische und empirische Untersuchungen zum Thema Kapitalstruktur veröffentlicht. In der
jüngeren Forschung wird offensichtlich das Hackordnungsmodell („pecking order“) favorisiert (z.B.
Shyam-Sunders und Myers 1999, Fama und French 2002). Die Existenz einer Hackordnung zwischen
verfügbaren Finanzierungsquellen wurde erstmals von Donaldson (1961) beobachtet und nachfolgend
von Myers (1984) und Myers und Majluf (1984) theoretisch beschrieben. In diesem Modell führt die
Informationsasymmetrie zwischen Insidern (Geschäftsleitung oder Unternehmer) und externen
Finanzierungsgebern dazu, dass Firmen Finanzierungsquellen in folgender Reihenfolge in Anspruch
nehmen: Zunächst setzen sie Eigenmittel ein (Gewinnrücklagen oder von Insidern eingebrachte
Eigenmittel), danach langfristige und kurzfristige Verbindlichkeiten; Fremdkapital wird erst
eingesetzt, nachdem alle sonstigen Quellen ausgeschöpft sind. Der Umfang der asymmetrischen
Informationen zwischen einem Unternehmen und möglichen Kapitalgebern hat direkten Einfluss auf
die Kapitalkosten, die aufgrund der Überwachungskosten und des Investitionsrisikos für externe
Kapitalgeber entlang der Hackordnung steigen (Pettit und Singer 1985). Zudem stehen insbesondere
Unternehmer einer erhöhten Unternehmenstransparenz in Verbindung mit einem Verlust an Kontrolle
über das Geschäft eher ablehnend gegenüber (Hamilton und Fox 1998).
Obgleich das Modell der Hackordnung nicht in Hinblick auf KMU entwickelt wurde (Ang 1991),
geht aus verschiedenen empirischen Studien hervor, dass das Finanzierungsverhalten mit den
Hackordnungsprognosen für reife KMU in Einklang steht (Jordan u.a. 1998; Zoppa und McMahon
2002, Börner und Grichnik 2003, Sogorb-Mira und Lopez-Gracia 2003). Da ostdeutsche KMU im
Wesentlichen Klein- und Kleinstunternehmen praktisch ohne Transparenz für Außenstehende sind,
entspricht ihr Finanzierungsverhalten den Vorhersagen des Hackordnungsmodells. Bei
Unternehmensgründungen und Wachstumsunternehmen zeigt sich ein etwas anderes Verhalten: Nach
Paul u.a. (2007) folgen Startup-Firmen in ihrem Finanzierungsverhalten eher einer überbrückten
Hackordnung: interne Mittel, Eigenkapital und schließlich Fremdkapital. Für Wachstumsunternehmen
hat die aktuelle Forschung eine teilweise umgekehrte Hackordnung ermittelt (z.B. Grichnik u.a. 2007).
Ebenso führen die Besonderheiten der unternehmerischen Tätigkeit in Ostdeutschland eher zu einem
modifizierten Finanzierungsverhalten in Form einer abgekürzten Hackordnung (vgl. auch Börner u.a.
2007). Der hohe Anteil an Unternehmern unter den Startups, die ihr Unternehmen aus einer
Notwendigkeit heraus gegründet und nur geringen Finanzierungsbedarf haben, ist für
Risikokapitalgeber uninteressant, obgleich deren Eigenfinanzierung aufgrund begrenzter Eigenmittel
in der Regel unzureichend ist. Die verfügbaren Finanzierungsquellen für Hightech-Unternehmen in
Ostdeutschland sind oftmals auf das weitgehend nicht vorhandene informelle Investorenkapital wie
z.B. Business Angels und/oder staatliche Förderprogramme beschränkt; dies ist auf den bereits
erwähnten Mangel an persönlichen Ersparnissen und Kapitalerträgen sowie auf bestehende
Informationsasymmetrien zurückzuführen, die der Inanspruchnahme von Fremdkapital im Wege
stehen.
116
Lebenszyklusmodell der Finanzierungsquellen
Lebenszyklusmodelle unterteilen die Dauer eines Unternehmens in verschiedene Phasen, in der
Regel Gründung, Wachstum und Reife. Seit den ersten finanzierungstheoretischen Arbeiten (z.B.
Walker 1989) hat sich die traditionelle Auffassung des Finanzierungslebenszyklus eines
Unternehmens nicht wesentlich geändert. Das Modell des Finanzierungslebenszyklus stellt den
Verlauf einer Potenzialdimension bzw. Outcome-Dimension (Erlöse oder Cashflow) abhängig von der
Entwicklung eines Unternehmens dar; damit werden der Finanzierungsbedarf und die dem
Unternehmen zur Verfügung stehenden Finanzierungsquellen untersucht.
Das traditionelle Modell des Finanzierungslebenszyklus sagt voraus, dass junge und kleine
Unternehmen in der Frühphase ihres Lebenszyklus (Startup-Unternehmen) sich einer Situation
gegenüber sehen, in der sie weder eine Erfolgsgeschichte noch Sicherheiten vorweisen können. Die
Cashflows/Erlöse sind in der Regel negativ, und die Absatzmärkte oftmals noch nicht etabliert, was
insbesondere für innovative Hightech-Unternehmensgründungen gilt. Das Unternehmen besteht im
Wesentlichen aus der Geschäftsidee, die idealerweise in einem soliden Geschäftsplan dargestellt wird.
Asymmetrische Informationen und geschäftsbezogene Risiken sind daher höher als in reifen KMU.
Aufgrund einer begrenzten Möglichkeit der Innen- und Fremdfinanzierung greifen Startup-Firmen
verstärkt auf persönliche Ersparnisse, Darlehen von Verwandten und/oder Bekannten, Beihilfen wie
öffentliche Kredite oder auf eine externe Eigenkapitalzuführung von Business Angels zurück (z.B.
Mueller 1972, Hutchinson 1995, Kimhi 1997). Daher sollten insbesondere junge KMU und
Unternehmensgründungen in der Anfangsphase durch Business Angels unterstützt werden. Neben
finanzieller Unterstützung bieten Business Angels wertvolle Kenntnisse in der Unternehmensleitung
und einen Zugang zu ihrem persönlichen Netzwerk an. Überdies stellt die Investition durch einen
Business Angel ein positives Signal für die Fähigkeit eines KMU dar, Informationsasymmetrien
abzubauen. Die für Unternehmensgründungen zur Verfügung stehenden Finanzierungsquellen sind
jedoch aufgrund der Unterschiede bei den persönlichen Sicherheiten des Unternehmers, bei den
Wachstumschancen des Unternehmens und beim Investitionsrisiko nicht homogen (Berger und Udell
1998).
Im Verlauf des Wachstums und der Reifung eines Unternehmens entwickelt das Unternehmen
zunehmend einen guten Ruf (Diamond 1991), wodurch die Bonität steigt und damit einhergehend
auch der Zugang zu einer (langfristigen) Fremdfinanzierung erleichtert wird. Kann das Unternehmen
eine Erfolgsgeschichte und Sicherheiten vorweisen, sinkt in der Regel das Investitionsrisiko.
Abgesehen von einer Fremdfinanzierung sind erfolgreiche Wachstumsunternehmen auch für
Risikokapitalgeber interessant. Die meisten ostdeutschen KMU wurden nach dem Beitritt der
ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland gegründet und befinden sich daher noch in den
Anfangsphasen ihres Lebenszyklus, d.h. sie konnten zu weiten Teilen noch keinen Ruf und keine
Bonität aufbauen. Kapital von Business Angels, staatliche Kreditprogramme, kurzfristige Kredite (z.B.
Überziehungs- oder Handelskredite), Kleinkredite oder interne Mittel sind daher als
Finanzierungsquelle besser geeignet.
Modelle des Verhaltens auf der Angebotsseite
Marktunvollkommenheiten auf den Kapitalmärkten können auch auf das Verhalten auf der
Angebotsseite zurückzuführen sein. Ungeachtet der Vielfalt potenzieller Finanzierungsquellen befasst
sich das vorliegende Diskussionspapier ausschließlich mit den angebotsseitigen Theorien, deren
Schwerpunkt auf der Erklärung des Verhaltens der Kreditgeber, insbesondere der Banken liegt, da
Bankschulden für das Unternehmertum in Ostdeutschland von besonderer Relevanz sind. Wie
nachfolgend ausgeführt wird, müssen ostdeutsche Unternehmer aufgrund begrenzter Möglichkeiten
der Innenfinanzierung und in Ermangelung eines weit gespannten informellen Investorennetzwerks
117
auf eine externe Fremdfinanzierung zurückgreifen. Aus einer aktuellen KfW-Studie über das
Finanzierungsverhalten von KMU geht hervor, dass ostdeutsche KMU langfristige und kurzfristige
Schulden als wichtigste externe Finanzierungsquelle ansehen, externes Eigenkapital wird von ihnen
hingegen als relativ unwichtig für ihr Geschäft erachtet.(KfW 2006).
Modell der Kreditrationierung
Die theoretische Literatur zur Kreditrationierung basiert auf dem bekannten Modell von Stiglitz
und Weiss (1981). Im Gegensatz zum traditionellen makroökonomischen Modell konnten Stiglitz und
Weiss (1981) zeigen, dass auch in einem Kreditmarktgleichgewicht aufgrund von
Informationsasymmetrien eine Kreditrationierung auftreten kann. Der Begriff Kreditrationierung wird
hiermit definiert als Situation, in Kreditgeber bestimmte Kreditanträge ablehnen, selbst wenn die
Antragsteller zur Zahlung höherer Zinsen bereit sind; hier übersteigt somit die Kreditnachfrage das
Kreditangebot. Dieses Modell geht von der Voraussetzung aus, dass Banken versuchen, die erwartete
Rendite für ihr Kreditportfolio zu maximieren, die vom Zinssatz und dem Risiko für die ausgegebenen
Kredite beeinflusst wird. Unter Berücksichtigung der asymmetrischen Informationen zwischen
Kreditgeber und KMU kann die Begrenzung der Kreditverfügbarkeit anstelle einer Zinserhöhung oder
Verschärfung der Sicherheitenanforderungen für den Kreditgeber im Hinblick auf die
Gewinnmaximierung vorteilhaft sein. Durch eine Zinserhöhung oder Verschärfung der
Sicherheitenanforderungen kann das inhärente Risiko des Kreditportfolios steigen, und zwar (i)
aufgrund des Moral Hazard (wörtlich „moralisches Risiko“, Kreditnehmer sind verleitet, in riskantere
Projekte zu investieren, um ihre Gewinnerwartungen zu erreichen) und/oder (ii) aufgrund adverser
Selektion (Negativauslese, Kreditnehmer mit Projekten guter Qualität verlassen den Markt).
KMU in Ostdeutschland sind vorwiegend kleine Unternehmen mit relativ kurzer Markthistorie.
Die Eigentümer der KMU bemühen sich in der Regel, so viele geschäftliche Informationen wie
möglich im Unternehmen zu halten, z.B. indem sie eine Rechtsform mit nur geringen
Offenlegungspflichten wählen. KMU und insbesondere Startup-Unternehmen sehen sich daher
normalerweise
wesentlich
größeren
Informationsasymmetrien
gegenüber
als
große
Aktiengesellschaften und sind dadurch von einer Kreditrationierung eher betroffen. Festzuhalten ist,
dass durch die Existenz persönlicher Sicherheiten oder Unternehmenssicherheiten die
Kreditrationierung begrenzt werden kann (Bester und Hellwig 1987). Die meisten ostdeutschen
Unternehmen jedoch, insbesondere kleine und jüngere Unternehmen, können keine ausreichenden
Sicherheiten vorweisen und unterliegen somit häufiger Kreditbeschränkungen. Kreditbeschränkungen
können zu einer Fehlleitung von finanziellen Ressourcen führen (Evans und Jovanovic 1989,
Greenwald und Stiglitz 1993) und darüber hinaus möglicherweise die weitere Entwicklung eines
wesentlichen KMU-Sektors durch Unterversorgung mit Investitionen behindern. Um langfristig diese
Fehlleitungen und die drohende Unterinvestition zu verringern, müssen Informationsasymmetrien
abgebaut werden, etwa indem den Unternehmern Informationen über den Bonitätsbewertungsprozess
zur Verfügung gestellt werden oder durch Unterstützung des Hausbankprinzips. Kurzfristig können
mit dem Angebot von Ersatzfinanzierungsprodukten, z.B. Leasing oder Sale-and-Leaseback (Verkauf
bei gleichzeitiger Rückvermietung an den Verkäufer) oder durch einen Sicherheitenersatz wie
Kreditbürgschaften die bestehenden Informationsasymmetrien umgangen werden.
Marktmacht-Ansatz
Die Auswirkung der Kreditinstitutsstruktur auf die Kreditverfügbarkeit für Unternehmer und
damit auf das Wirtschaftswachstum war in jüngster Zeit Gegenstand des Forschungsinteresses (z.B.
Berger und Udell 2006; Boot und Thakor 2000). Insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit des
Bankensektors scheint eine wichtige Dimension des Bankverhaltens auf dem Kreditmarkt zu sein.
118
Gemäß der traditionellen Marktmachthypothese korreliert der Grad der Wettbewerbsfähigkeit im
Bankenmarkt positiv mit der Kreditverfügbarkeit und negativ mit den Kreditzinssätzen für KMU. Eine
hohe Wettbewerbsfähigkeit führt in der Regel zu höheren Investitionen in so genannte RelationshipLending-Techniken, die ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Hausbankprinzips sind. Im
Gegensatz zu so genannten Transaction-Lending-Techniken, z.B. Kreditvergabe aufgrund der
Bilanzkennzahlen oder formalisierter Bonitätsprüfungsverfahren (Credit Scoring) (Berger und Udell,
2002) stützt sich das Relationship Lending nicht nur auf die „harten“, quantitativen Daten wie
Bilanzdaten oder Sicherheiten. Einsatz der Relationship-Lending-Technik bedeutet, dass die
Kreditentscheidung der Bank sich vorwiegend auf „weiche“, qualitative Informationen über das
Unternehmen und dessen Unternehmer stützt, die im Verlauf einer kontinuierlichen Beziehung
zwischen Bank und Kunden gesammelt werden (Berger und Udell 2002 2006). Diese den
Unternehmer betreffenden Informationen sind von erheblichem Wert, da sie das Potenzial haben, die
bestehenden Informationsasymmetrien zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer abzubauen (Boot und
Thakor 2000). Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass kleine, lokal tätige Kreditinstitute wie
Sparkassen und Genossenschaftsbanken im Rahmen des Relationship-Lending bei der Kreditvergabe
an kleine und im Hinblick auf Informationen wenig transparente KMU einen Wettbewerbsvorteil
haben (Berger u.a. 2005). Wie bereits bemerkt, sind ostdeutsche KMU meist von
Informationsasymmetrien und/oder einem Mangel an Kreditsicherheiten betroffen. Überdies ist der
Bankensektor in Ostdeutschland konzentriert und daher weniger hart umkämpft, womit
Nichtverfügbarkeiten von Krediten wahrscheinlicher werden. Eine Förderung des Wettbewerbs im
ostdeutschen Bankensektor und eine Stärkung des Hausbankprinzips könnten für KMU den Zugang zu
Fremdkapital erleichtern.
Finanzmarktineffizienzen in Ostdeutschland
Existenz einer Finanzierungslücke
Die Existenz einer Finanzierungslücke bezieht sich normalerweise auf ein unzureichendes
Angebot an Kapital, insbesondere seitens der Banken und Kapitalmärkte, zur Deckung der Nachfrage
bei bestimmten Unternehmen, in erster Linie der KMU (OECD 2004, Cressy 2002). Die
Finanzierungslücke ist daher eng mit den Konzepten der Kapitalrestriktionen verknüpft. Seit der
bahnbrechenden Arbeit von Stiglitz und Weiss (1981) über die Kreditrationierung und ihr Vorrücken
in die Eigenkapitalmärkte (Hellmann 1995; Hellmann und Stiglitz 2000) hält die wissenschaftliche
Diskussion über die Existenz einer Finanzierungslücke, insbesondere für KMU, mit erstaunlich
unterschiedlichen Ergebnissen an. Aus theoretischer Sicht und unter Berücksichtigung von
asymmetrischen Informationen und Agency-Problemen lässt sich die Rationierung für kleine und
mittelständische Unternehmen auf dem Markt für externe Finanzierungen leicht belegen (z.B. Berger
und Udell 1998). Im Gegensatz dazu ist es aufgrund nicht verfügbarer Daten schwierig, direkte
empirische Nachweise für die Existenz finanzieller Restriktionen zu finden (Bonnet u.a. 2005, Egeln
u.a. 1997). Dennoch gibt es verschiedene Bemühungen, die Existenz einer wenigstens teilweisen
Finanzierungslücke für KMU durch empirische Ergebnisse (z.B. Evans und Jovanovic 1989,
Audretsch und Elston 1997) oder anekdotische Berichte (z.B. Blanchflower u.a. 2001, OECD 2006a)
nachzuweisen. Zur Feststellung bestehender Marktineffizienzen, die zu Finanzierungslücken führen,
werden in diesem Kapitel das Finanzierungsverhalten ostdeutscher Unternehmer und die ihnen derzeit
zur Verfügung stehenden Finanzierungsquellen untersucht.
119
Finanzverhalten ostdeutscher Unternehmer
Traditionelle KMU-Finanzierung in Ostdeutschland
Das Finanzierungsverhalten eines Unternehmens wird im Nachhinein (ex post) in der
Bilanzstruktur reflektiert, aus der ebenso das zukünftige (ex nunc) Risiko abgeleitet werden kann. Wie
Abbildung 1 zu entnehmen ist, führte das Finanzierungsverhalten ostdeutscher KMU vor kurzem zu
einer nachteiligen horizontalen Finanzstruktur: Die Sachanlagen werden zum Teil durch kurzfristige
Verbindlichkeiten finanziert, womit erhebliche finanzielle Risiken verbunden sind. Ferner führt der
hohe Anteil an Sachanlagen zu hohen Abschreibungen, zu Gewinneinbußen und somit zu einer
niedrigeren Eigenkapitalrendite. Im Hinblick auf den Verschuldungsgrad haben ostdeutsche KMU
aufgeholt, im Vergleich zu Westdeutschland lassen sich keine signifikanten Unterschiede feststellen
(Ostdeutschland 2,8 und Westdeutschland 2,7).
Abbildung 7. Finanzstruktur bei ostdeutschen und westdeutschen KMU
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
Assets
Liabilities
Assets
1994
Liabilities
2003
Assets
Liabilities
East Germany
Equity
Long-term liabilities
Assets
1994
Liabilities
2003
West Germany
Short-term liabilities
Tangible fixed assets
Short term assets
Quelle: KfW 2005
Die meisten ostdeutschen KMU entsprechen jedoch nicht der herkömmlichen westdeutschen
Vorstellung von mittelständischen Unternehmen, was zu einer spezifischen Struktur des KMU-Sektors
im Hinblick auf Unternehmensgröße und Branche führt: Ein überwältigender Anteil regional verteilter
Klein- und Kleinstunternehmen mit sehr geringer Eigenkapitalquote (die vorwiegend in
Traditionsbranchen tätig sind) steht einigen wenigen großen KMU gegenüber, die sich vorwiegend auf
Leuchtturmregionen wie Berlin, Leipzig oder Dresden konzentrieren und über adäquate oder hohe
Eigenkapitalquoten verfügen (KfW 2005). Die horizontale Finanzstruktur (Verhältnis von
langfristigen Vermögenswerten zu langfristigem Kapital) sowie die vertikale Finanzstruktur
(Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital) sind daher wahrscheinlich für die meisten ostdeutschen KMU
schlechter, als Abbildung 1 vermuten lässt.
Das aktuelle Finanzierungsverhalten begünstigt das Auftreten einer Kapitalrationierung für diese
KMU, wie im Modell von Stiglitz und Weiss vorausgesagt. Eine Verbesserung der bestehenden
Finanzstruktur der KMU sollte für die politisch Verantwortlichen daher auf der Tagesordnung ganz
oben stehen. Die Aktivseite der Bilanz kann optimiert werden, indem das Sachanlagevermögen durch
120
Kreditsubstitute wie Leasing- oder Sale-and-Leaseback-Vereinbarungen reduziert wird. Insbesondere
Klein- und Kleinstunternehmen stehen dem Einsatz dieser Instrumente zurückhaltend gegenüber (KfW
2006). Auf der anderen Seite sollten rationale Entscheidungen über die Kapitalstruktur durch
Politikempfehlungen an Finanzgeber und Unternehmer unterstützt werden. Aus Abbildung 2 lässt sich
ersehen, dass ostdeutsche KMU offenbar dazu tendieren, dem deutschen Finanzierungsparadigma zu
folgen, die Vielfalt der vorhandenen Finanzierungsquellen außer Acht zu lassen und bevorzugt
Gewinnrücklagen und Fremdkapital gegenüber Eigenkapital heranzuziehen. Diese Herangehensweise
ist im Hinblick auf die Minimierung der Kapitalkosten im Einklang mit der Hackordnungshypothese
rational. Das Finanzierungsverhalten eines Unternehmens wird jedoch auch durch das
Finanzierungsumfeld beeinflusst.
Abbildung 8. Bedeutung verschiedener Finanzierungsquellen für ostdeutsche KMU
1
2
3
4
5
Other
Bonds
Factoring
Mezzanine
capital
Equity capital
Leasing
Trade credit
Short-term
bank loan
Long-term
bank loan
Retained
earnings
6
Quelle: KfW (2006). Hinweis: 1 bedeutet „sehr wichtig“, 6“ „völlig unwichtig“.
Ostdeutsche KMU sind oftmals ausschließlich in lokalen Märkten tätig und leiden daher unter der
schlechten Wirtschaftslage in den meisten ostdeutschen Regionen. Stagnierende oder rückläufige
Umsätze (OECD 2006a, 2006b) beschränken daher die Möglichkeiten der KMU zur
Innenfinanzierung. Die Mehrheit der KMU in Ostdeutschland ist infolgedessen sehr stark auf eine
externe Finanzierung angewiesen. Der Zugang zu Bankkrediten ist für etablierte ostdeutsche KMU
jedoch noch immer schwieriger als in Westdeutschland (KfW 2006), insbesondere auf Regionalebene
(OECD 2006a) und für Klein- und Kleinstunternehmen (Engel u.a. 2006), da das Spektrum der
Finanzierungsprodukte der Banken auf die traditionellen Merkmale westdeutscher KMU
zugeschnitten ist. Im bestehenden strukturellen Umfeld mit hoher Arbeitslosenquote, geringen
Eigenkapitalquoten, niedrigen Renditen und unzureichenden oder wertlosen Sicherheiten (KfW 2006)
ist eine Kapitalrationierung wahrscheinlich. Kreditanträge, insbesondere für Kapital- und
Überbrückungsdarlehen, werden daher oftmals abgelehnt (OECD 2006a). Angemessene
Politikempfehlungen sollten daher auf den verstärkten Einsatz von Beteiligungsfinanzierungen
abzielen. Unternehmer stehen jedoch traditionell einem Verlust an Kontrolle ablehnend gegenüber
(Kuratko u.a. 1997); zudem steht Beteiligungskapital für Klein- und Kleinstunternehmen, die in
weniger dynamischen Regionen tätig sind, weitgehend nicht zur Verfügung (Nolan 2003, OECD
121
2006a). Im Hinblick auf die Minimierung der Kapitalkosten und Informationsasymmetrien können
Politikempfehlungen zur Verbesserung der Verfügbarkeit und Akzeptanz von MezzaninFinanzierungen eingesetzt werden.27
Daneben spielen Förderprogramme eine wichtige Rolle, die sich im Finanzierungsverhalten der
KMU gut etabliert haben: Fast 40% der ostdeutschen KMU stellen jährlich einen Antrag auf ein
Kreditprogramm (KfW 2006). Die meisten Antragsteller fallen unter die Gruppe größerer KMU, was
darauf hindeutet, dass bei den Klein- und Kleinstunternehmen in Ostdeutschland Informationsbedarf
besteht. Darüber hinaus nutzen die meisten KMU in Ostdeutschland ausgiebig staatliche Leistungen,
die nicht zur Eigenkapitalbildung beitragen (OECD 2006a). Eine Politikempfehlung, die darauf setzt,
verstärkt über die Vielfalt der Förderprogramme für Unternehmer zu informieren, kann zur
Unterstützung eines rationalen Finanzierungsverhaltens der KMU beitragen.
Gründungsfinanzierung in Ostdeutschland
Die Verfügbarkeit ausreichender und geeigneter finanzieller Ressourcen ist eine
Grundvoraussetzung für die Gründung und langfristige Nachhaltigkeit neuer Unternehmen (Brettel
2003). Leider wurde erst vor kurzem im Rahmen des Projekts Global Entrepreneurship Monitor
(GEM) für Deutschland (Sternberg u.a. 2007) eine Verschlechterung der Kapitalversorgung für
deutsche Unternehmensgründungen konstatiert: Die Rahmenbedingung „Finanzierung“ für neue
Unternehmen wurde von den befragten Gründungsexperten mit einem unterdurchschnittlichen
Indexwert von 2,75 bewertet (wobei „1“ der niedrigste und „5“ der höchstmögliche Indexwert ist).
Das heißt, der Indexwert hat sich in den letzten vier Jahren um 0,36 Punkte verschlechtert. Im
Vergleich zu anderen Industrieländern rangieren die Rahmenbedingungen in Deutschland auf dem 12.
Platz von 15; damit ist Deutschland in den letzten vier Jahren um vier Plätze zurückgefallen.
Im Einklang mit den Voraussagen des Modells des Finanzierungslebenszyklus und des Konzepts
der abgekürzten Hackordnung (Howorth 2001, Börner u.a. 2007) beschränkt sich die
Gründungsfinanzierung in der Regel auf privates Kapital, das durch die „3 Fs“ bereitgestellt wird:
Firmengründer, Familie und Freunde, sowie auf Kapital von Business Angels und/oder aus staatlichen
Darlehen. Die besondere Struktur des ostdeutschen Gründungssektors führt jedoch zu einem
Finanzierungsverhalten, das bis zu einem gewissen Grad von den theoretischen Voraussagen
abweicht.
Zunächst wird im GEM-Bericht für Ostdeutschland eine signifikant geringere unternehmerische
Tätigkeit festgestellt als für Westdeutschland (Sternberg u.a. 2007): Mitte 2006 versuchten 2,9% der
Personen zwischen 18 und 64 Jahren in Deutschland, ein Unternehmen zu gründen. Der Prozentsatz
für Ostdeutschland beträgt nur 1,7%, etwas mehr als die Hälfte des westdeutschen Wertes. Auch die
Gründe für eine Unternehmensgründung scheinen andere zu sein: Über die Hälfte der
Unternehmensgründungen in Ostdeutschland (54% im Jahr 2006) sind durch Arbeitslosigkeit
motiviert, dies trifft nur auf 24% der Gründer in Westdeutschland zu (KfW 2007d). Diese aus einer
Notwendigkeit geborenen Unternehmer, so genannte Necessity-Gründer, sind aller Voraussicht nach
schlechter qualifiziert, und ihre Geschäftsideen imitieren in der Regel bereits vorhandene Ideen und
sind nicht innovativ (Sternberg u.a. 2007). Der Finanzierungsbedarf dieser Gründer ist eher gering, die
meisten Gründer benötigen weniger als € 10.000 (KfW 2007d). Ungeachtet dessen stellen die „3 Fs“
keine geeigneten Finanzierungsquellen dar, da in Ostdeutschland nur wenig Geld angespart wurde;
dadurch sind die Gründer in hohem Maß auf eine externe Finanzierung angewiesen. Eine
27
Mezzanin-Kapital ist ein Sammelbegriff für hybride Finanzierungsinstrumente, die bestimmte Merkmale von Fremd- und
Eigenkapitalprodukten in sich vereinen (Sinnenberg 2005), damit ist ein großer Spielraum an Möglichkeiten zur
Finanzstrukturierung verbunden wie etwa stille Gesellschaften, nachrangige Darlehen, Genussrechte oder Wandelanleihen.
122
Fremdfinanzierung ist jedoch oftmals aus dem schlichten Grund nicht verfügbar, dass niedrige
Kreditsummen für die meisten Banken aufgrund der hohen Fixkosten, insbesondere für die
Kreditüberwachung und –bearbeitung, unrentabel sind. Auch Business Angels haben kein Interesse an
einer Investition in diese im Allgemeinen wachstumsschwachen Gründungen. (Brettel 2003).
Ostdeutsche Unternehmensgründer sind daher oftmals auf staatliche Unterstützungsprogramme
angewiesen. Die institutionelle und regulatorische Infrastruktur der Gründungsförderprogramme ist
weltweit führend, besonders die breite Vielfalt und die Qualität der öffentlichen Programme sind
einzigartig (Sternberg u.a. 2007). Die vorhandenen Programme scheinen jedoch als unübersichtlich
angesehen zu werden, besonders von weniger qualifizierten Gründern, und auch als weniger effektiv
im Vergleich zu anderen Industrieländern. Das zeigt sich in dem Umstand, dass ostdeutsche Gründer
hauptsächlich Leistungen der Bundesarbeitsagentur beantragen, z.B. das ehemalige
Überbrückungsgeld oder Ich-AG-Zuschüsse, die nur einen begrenzten Finanzierungsspielraum
beinhalten. Die vorhandenen Förderprogramme sind daher im Hinblick auf ihre Transparenz zu
überarbeiten; ferner ist eine angemessene Bereitstellung von Informationen zu gewährleisten (z.B.
über den neu eingerichteten Gründungszuschuss). Den bestehenden Kreditrestriktionen kann darüber
hinaus mit der flächendeckenden Einrichtung von Mikrokreditprogrammen (Microlending)28 in
Ostdeutschland begegnet werden.
Startup-Unternehmen, die mehr Kapital benötigen, tendieren zu einer Finanzierung ihres
Wachstums mit externem Eigenkapital und staatlichen Beihilfeprogrammen (KfW 2007d). Die
geeignete Kapitalquelle für diese ertragsvolatilen Unternehmen scheint Beteiligungskapital von
Business Angels oder Risikokapitalgebern zu sein (Brettel 2003). Obwohl im GEMFinanzierungsbericht für 2006 (Bygrave 2007) festgestellt wurde, dass in Deutschland informelles
Investitionskapital ausreichend zur Verfügung steht, kamen aktuelle Fallstudien der OECD (OECD
2006a, 2007b) zu dem Ergebnis, dass in verschiedenen Regionen Ostdeutschlands kein privates
informelles Beteiligungskapital vorhanden ist. Der Großteil der Beteiligungskapitalversorgung erfolgt
über staatliche Beihilfeprogramme (OECD 2007b), die für gewöhnlich nur befristet zur Verfügung
stehen. Der Schwerpunkt der Förderprogramme sollte daher auf dem Ausbau privater, informeller
Investorennetzwerke liegen.
Neben angebotsseitigen Restriktionen als Ursache geht aus verschiedenen Studien hervor, dass
Marktunvollkommenheiten auch dem Verhalten der Unternehmer zugerechnet werden können. Eine
Reihe von Kapitalgebern hat erst kürzlich die schlechte Qualität der Businesspläne beklagt, die für die
Zwecke einer Due-Diligence-Prüfung des Projekts als ungeeignet angesehen werden (OECD 2006a,
2007b). Überdies geht aus dem GEM-Finanzierungsbericht für 2006 (Bygrave 2007) hervor, dass die
meisten angehenden Gründer erwarten, dass ihre Unternehmensgründung durch Bankkredite finanziert
wird. Diese falsche Erwartung kann eine erfolgreiche Unternehmensgründung ernsthaft gefährden, da
Schulden für neu gegründete Unternehmen, wie vorstehend erläutert, in vielen Fällen keine gute Wahl
sind. Aus diesem Grund und wegen der Kosteneffizienz brauchen wir regionale
Regierungsprogramme auf Länderebene, die auf eine Erweiterung der betriebswirtschaftlichen
Kenntnisse der angehenden Unternehmer abzielen.
Finanzierung kleiner und mittelständischer Hightech-Unternehmen in Ostdeutschland
Obgleich innovative, unternehmerisch orientierte Firmen nur in geringem Umfang bei den KMU
vertreten sind, stellen sie einen Eckpfeiler des Wirtschaftswachstums und des Strukturwandels dar, die
ihrerseits zur Verbesserung der makroökonomischen Situation eines Landes führen. (Czarnitzki und
Hussinger 2004). Gleichzeitig sind kleine Hightech-Unternehmensgründungen sowie bestehende
28
Der Begriff “Microlending” bezieht sich auf die Vergabe von Kleinstkrediten (Mikrokrediten) an Unternehmer mit
geringem externen Finanzierungsbedarf, der in der Regel von den traditionellen Banken nicht gedeckt werden kann.
123
Unternehmen aufgrund ihrer risikoverstärkenden Merkmale wahrscheinlich am meisten von
Unvollkommenheiten des Kapitalmarkts betroffen (Colombo und Grilli 2007).
Die Gründer innovativer Hightech-Unternehmen sind oft Ingenieure und Wissenschaftler, die
tendenziell nur mangelhafte betriebswirtschaftliche Kenntnisse besitzen (Gottschalk u.a. 2007).
Darüber hinaus liegt in der Regel keine lange Markthistorie vergleichbarer Fälle vor, und die von den
Hightech-Unternehmen angebotenen Produkte und Leistungen sind für gewöhnlich neu auf dem Markt
und technisch komplex (Backes-Gellner und Werner 2007); der Markterfolg und das Erzielen
angemessener Einnahmen sind damit unsicher. Die Vermögenswerte dieser Unternehmen sind zudem
meistens wissensbasiert und damit immateriell. Aus diesen Merkmalen ergeben sich große
Informationsasymmetrien zwischen den Unternehmen und den Kapitalgebern, was nach dem Modell
von Stiglitz und Weiss (1981) zu Kapitalrestriktionen insbesondere auf den Kreditmärkten führt.
Obgleich die Literatur zur Unternehmensfinanzierung (z.B. Denis 2004) darlegt, dass Schulden
aufgrund begrenzter Zinszahlungsmöglichkeiten keine geeignete Finanzierungsquelle für HightechUnternehmen darstellen, ist aktuellen Studien zu entnehmen, dass Hightech-Unternehmen in
Deutschland sehr wahrscheinlich auf eine Fremdfinanzierung zurückgreifen, soweit sie ihnen zur
Verfügung steht (z.B. Gottschalk u.a. 2007). In diesem Zusammenhang berichtet die OECD (2007b),
dass Banken in einigen Teilen Ostdeutschlands Finanzierungsprogramme abbauen und die
Zugangsbedingungen für Förderprogramme verschärfen. Da die meisten Hightech-Unternehmen in
Ostdeutschland keine vorhandenen Erfolge ihrer Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten in Form
von Patenten vorweisen können (Czarnitzki und Hussinger 2004; Czarnitzki und Licht 2004),
benötigen die Kreditgeber andere Belege, wie etwa Nachweise über den Bildungsweg des Gründers
(Beckes-Gellner und Werner 2006), um die Informationsasymmetrien zu umgehen.
Ungeachtet dessen werden oder müssen innovative Unternehmen auf andere
Finanzierungsquellen als vorrangiges Fremdkapital zurückgreifen, wie im Modell des
Finanzierungslebenszyklus prognostiziert (Gottschalk u.a. 2007). Da die persönlichen Ersparnisse in
Ostdeutschland relativ gering ausfallen, ist eine Finanzierung über private Mittel (die „3 Fs“)
weitgehend ausgeschlossen. Die Finanzierungsentscheidung des Gründers ist daher auf eine
Eigenkapitalfinanzierung und oder auf staatliche Förderprogramme beschränkt. Informelle
Beteiligungskapitalquellen, insbesondere Business Angels, spielen vermutlich eine Schlüsselrolle für
die Deckung der Finanzierungslücke von Hightech-Unternehmen (OECD 2006c, Nolan 2003), da
diese neben Risikokapital auch wichtiges „Wissenskapital“ bereitstellen (de Bettignies und Brander
2007). Ungeachtet der aktuellen Kapitalmarktentwicklungen für KMU (z.B. Einführung von
Börsensegmenten für KMU), sind private Business Angels und Risikokapitalgeber in vielen Regionen
Ostdeutschlands praktisch nicht vorhanden (OECD 2007b; BAND 2007a). Zur Überwindung der
Informations- und Suchkostenbarrieren, die auf beiden Seiten des Marktes bestehen, können
Handlungsempfehlungen beitragen, die auf eine Weiterentwicklung der Business-Angel-Netzwerke
abzielen (Mason und Harrison 1997).
Die meisten innovativen Unternehmen in Ostdeutschland nutzen daher staatliche Darlehensund/oder Kapitalbeteiligungsprogramme (Czarnitzki und Licht 2004; OECD 2007b), insbesondere mit
finanzieller Unterstützung durch die EU. Dieses Finanzierungsverhalten gibt Anlass zur Sorge, da eine
öffentliche Subventionierung sowohl zeitlich als in der Höhe begrenzt ist. Verschiedene Autoren
bezweifeln zudem, ob die weit verbreitete staatliche Finanzierung angemessen ist (z.B. Legler u.a.
2004), da die Innovationseffizienz in Ostdeutschland signifikant niedriger ist als in anderen OECDLändern (Aschhoff u.a. 2006; KfW 2005). Daraus ist zu schließen, dass die Abhängigkeit der kleinen
und mittelständischen Hightech-Unternehmen von einer staatlichen Finanzierung abgebaut werden
muss, idealerweise durch Erleichterung des Zugangs zu Beteiligungskapital. Dazu beitragen können
Politikempfehlungen, die auf den Aufbau und die Unterstützung von regionalen Risikokapital- und
Business-Angel-Netzwerken abzielen.
124
Finanzierungsquellen ostdeutscher Unternehmer
Finanzielle Förderprogramme
Tatsächlich gibt es mehr als 300 Förderprogramme für alle neuen Bundesländer, darunter
Bundesprogramme, regionale und supranationale Programme. Der Großteil der Förderprogramme
wird von der KfW-Bankengruppe angeboten, die zu 80% im Besitz des Bundes und zu 20% im Besitz
der Länder ist. Die KfW Mittelstandsbank bietet daher Darlehen, Mezzanin-Finanzierungen und
Beteiligungsfinanzierungen sowie Beratungsleistungen und wichtige indirekte Hilfen für KMU,
Unternehmensgründungen und Selbständige an. Insbesondere langfristige Darlehen wie klassische
Finanzierungsmodule spielen eine zentrale Rolle. Die Mezzanin-Finanzierung und andere innovative
Finanzierungsinstrumente dienen dem Zweck, Finanzierungsbarrieren abzubauen und die
Finanzstruktur unternehmerisch orientierter Firmen zu stärken. Die bestehenden Programme lassen
sich unterteilen in (i) Programme für Unternehmensgründungen in der Anfangsphase, (ii) Programme
für Unternehmen aus bestimmten Branchen und (iii) Förderprogramme des jeweiligen Bundeslands.
Eines der wichtigsten Programme für Unternehmensgründungen und die Unterstützung des
Unternehmertums ist das KfW-Mikorokreditprogramm für Darlehen bis zu € 25.000 für
Existenzgründungen (Abbildung 1 enthält einen Überblick über die aktuellen KfW-Programme).
Größere Finanzierungsanforderungen können durch das KfW-Startgeld abgedeckt werden, mit dem
Unternehmensgründer ihre Projekte mit bis zu €50.000 finanzieren können. Für das Startgeld sind die
Konditionen bemerkenswert (z.B. 80% Haftungsfreistellung, Festprovision für die durchleitende
Bank, so können auch kleinere Projekte finanziert werden). Diese Programme mit einem
Gesamtbetrag von € 107,6 Mio. im Jahr 2006 mit steigender Tendenz (KfW 2007b) sind aufgrund des
niedrigen Vermögensstocks gut zur Unterstützung von kostengünstigen Unternehmensgründungen in
Ostdeutschland geeignet und können daher auch die (situationsbedingt gründenden) sog. NecessityUnternehmer unterstützen (vgl. Abbildung A-2 für eine Zusammenfassung der Geschäftszahlen der
KfW). Außerdem bieten verschiedene Landesbanken neben der Vermittlung von KfW-Programmen
auch eigene Förderprogramme für Unternehmensgründungen an, z.B. das Programm „Gründungs- und
Wachstumsfinanzierung Sachsen“ (Abbildung A-3 enthält einen Überblick über die wichtigsten und
am weitesten verbreiteten Regionalprogramme, die von den jeweiligen Landesbanken angeboten
werden). Im Hinblick auf die intensive Gründungstätigkeit in Ostdeutschland und den damit
verbundenen Finanzierungsbedarf ist die Summe der Gründungsfinanzierungsprogramme tendenziell
nicht ausreichend, hier sollten mehr Angebote entwickelt werden.
Die Unterstützung bestimmter Branchen ist ein anderes wichtiges Ziel der Förderprogramme.
Wie oben erläutert, sind besonders Unternehmensgründungen im Hightech-Sektor wirtschaftlich
wichtig. Die KfW bietet zu diesem Zweck den High-Tech Gründerfonds, eine Kombination aus
Beteiligung und Darlehen, in einem Konsortium der deutschen Bundesregierung, der KfW und einigen
Industrieunternehmen an. Die Unterstützung von Hightech-Unternehmensgründungen begann mit
einem Gesamtvolumen von € 262 Millionen und hat derzeit bereits über 300 technologieorientierte
Unternehmen gefördert. Die Unterstützung umfasst (1) eine Managementbetreuung als nützliche
Ergänzung, z.B. bei der Erstellung des obligatorischen Businessplans und (ii) das genannte
Risikokapital. In einer Anschlussfinanzierung kann der Betrag um weitere € 500.000 aufgestockt
werden. Aus diesem Grund arbeitet der High-Tech Gründerfonds mit diversen Investoren zusammen,
z.B. mit Beteiligungsgesellschaften, Seedfonds und Venture-Capital-Gesellschaften. In
Ostdeutschland müssen die Gründer lediglich 10% Eigenmittel aufbringen (in Westdeutschland 20%).
Die Hälfte dieser Summe kann durch Seed-Investoren gestellt werden (High-Tech Gründerfonds
2007). Zusätzlich bietet das ERP-Innovationsprogramm29 der KfW zinsgünstige Darlehen für
29
ERP ist die Abkürzung für European Recovery Programme (Europäisches Wiederaufbauprogramm).
125
innovative Unternehmen an; die Landesbank Brandenburg, als weiteres Beispiel, bietet
Sonderdarlehen für Filmproduktionen, Landwirtschaft und technologieorientierte KMU an. Die
vorgestellten Programme stellen ausgezeichnete Beispiele für die Förderung bestimmter
Wirtschaftszweige dar. Die Effektivität und Effizienz dieser Programme wurde aufgrund fehlender
Daten jedoch nicht bewertet. Die Implementierung kontinuierlicher Bewertungssysteme für jedes
Programm scheint daher eine nützliche Empfehlung zu sein.
Die
regionalen
Programme
mit
einem
spezifischen
Fokus,
entweder
auf
Unternehmensgründungen oder auf bestimmte Branchen, bereitgestellt durch die Bundesbank oder die
jeweiligen Bundesländer, haben bereits den Bedarf an regionalen Strukturförderprogrammen sowie
eine entsprechende Nachfrage unter Beweis gestellt. Zusätzlich bieten die regionalen ERPFörderprogramme der KfW günstige und langfristige Investitionsfinanzierungen für KMU in
strukturschwachen Gebieten (insbesondere in Ostdeutschland) an. Zusammenfassend lässt sich
festhalten: (i) Sämtliche Programme sind kontinuierlich zu bewerten, (ii) insbesondere ist die Effizienz
jedes Programms zu gewährleisten, und angesichts der Anzahl an Förderprogramme ist (iii) die
Einrichtung einer Beratungsstelle zur Überwindung der Informationsdefizite und (iv) eine
Optimierung der Anzahl der Angebote durch sinnvolle Zusammenlegung miteinander verbundener
Programme ratsam. Die geforderte Implementierung einer heute fehlenden Benchmark-Einrichtung für
die Kontrolle der Effizienz der Programme sollte auf der jeweils verantwortlichen Ebene erfolgen.
Bundesprogramme sollten auf Bundesebene bewertet werden, regionale Programme auf Länderebene.
Aus Effizienzgründen könnte die Beratungsstelle auf Bundesebene eingerichtet werden.
Beispielsweise könnte die Bereitstellung der für Unternehmer wichtigen Informationen durch das
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ausgebaut und konzentriert werden. Für eine
optimierte Anzahl an Förderprogrammen sollten alle Einrichtungen bei der Erarbeitung eines
einfachen und klaren Systems für die Programme zusammenarbeiten, so dass angehende Unternehmer
alle passenden Finanzierungsmöglichkeiten ermitteln können.
Private Equity Finanzierung
Untersucht man den Finanzierungsbedarf von KMU im Allgemeinen und von (Hightech)
Unternehmensgründungen im Besonderen, wird der Bedarf an Business Angels deutlich. Abbildung 3
zeigt den Finanzierungsbedarf von KMU mit den jeweiligen Finanzierungsquellen.
Abbildung 9. Herkunft des Privatkapitals zur Deckung des Finanzierungsbedarfs von KMU
€0
€ 200 .000
Firmengründer,
Familie und
Freunde.
€ 500 .000
Business A ngels
(Staatliche Beihilfe )
€ 1.000 .000*
Risikokapital
Finan zierungs bedarf
* Risikokapitalinvestitionen in Hightech
-Unternehmensgründungen beginnen in der Regel ab€ 1 Million.
Die „3 Fs“ sind im Allgemeinen willig und in der Lage, bis zu € 200.000 aufzubringen. Aufgrund
der Vermögenssituation in Ostdeutschland scheint dieser Betrag zu hoch gegriffen. Für Investitionen
ab etwa € 500.000 bzw. bei Hightech-Unternehmensgründungen für Investitionen ab etwa € 1 Million
steht Risikokapital zur Verfügung. Die resultierende Finanzierungslücke sollte insbesondere durch
Investitionen von Business Angels oder durch staatliche Beihilfen im Rahmen von Förderprogrammen
oder Subventionen geschlossen werden (Ehrhart und Müller 2007). BAND (Business Angels
Netzwerk Deutschland e.V.) geht von einem Maximum von insgesamt 5.000 bis 10.000 aktiven
126
Business Angels aus, die zusammen zwischen € 250 und € 1.000 Millionen investieren (BAND
2007b). Eine Einzelinvestition eines Business Angels beträgt zwischen € 10.000 und € 500.000;
unternehmerisch orientierte Firmen benötigen daher für ihren Finanzierungsbedarf häufig mehr als
einen Business Angel. Die Anzahl der Business-Angel-Investitionen muss daher höher sein als die
Anzahl der Unternehmensgründungen, die Kapital von Business Angels benötigen. Das potenzielle
ostdeutsche Marktvolumen für Business-Angel-Finanzierungen kann auf ca. € 2.300 Millionen
geschätzt werden30. Ein Vergleich dieser Schätzung mit dem bestehenden Gesamtbetrag von maximal
€ 1.000 Millionen für Ost- und Westdeutschland zeigt einen dringenden Handlungsbedarf In Hinblick
auf die Stärkung und Ermutigung von Business Angels in (Ost-)Deutschland an. In aktuellen Studien
(Niefert u.a. 2006) konnte zudem nachgewiesen werden, dass Business Angels mit einem Prozentsatz
von 21% die zweitwichtigste Finanzierungsquelle insbesondere für die wichtigen HightechUnternehmensgründungen in Deutschland darstellen; hinzu kommen Förderprogramme (31%) und
Risikokapitalfinanzierungen (5,5%). Die Unterstützung von (i) Förderprogrammen, wie in Abschnitt
3.3.1 dargelegt, (ii) von Business Angels und (iii) von Risikokapitalgebern kann daher zur
Erweiterung der Kapitalquellen ostdeutscher Unternehmensgründungen empfohlen werden.
Fremd- und Mezzanin-Finanzierung in Ostdeutschland
Das Finanzierungssystem in Ost- und Westdeutschland kann als traditionell bankorientiert
beschrieben werden (z.B. Audretsch und Elston 1997): Der Großteil der externen KMU-Finanzierung
im Hinblick auf Fremd- und Mezzaninkapital wird von Banken bereitgestellt. Ende 2005 betrug die
Summe der von den 2.344 Banken in Deutschland an deutsche Unternehmen vergebenen Kredite
€ 792.000 Millionen. (Bundesbank 2007), wobei die örtlichen Sparkassen wichtigster Finanzgeber der
deutschen KMU waren (DSGV 2006). Gemäß der Marktmachthypothese der Kreditverfügbarkeit
sollte die gegebene Struktur des deutschen Bankensektors vor dem Hintergrund des Wettbewerbs im
Marktumfeld zu einer ausreichenden Kreditverfügbarkeit führen. Die Bankensektoren in
Ostdeutschland und in Westdeutschland sind jedoch noch immer nicht als gleichwertig anzusehen.
Erstens sind die Bankenmärkte in Ostdeutschland wesentlich stärker konzentriert (Fischer 2005), was
vermutlich auf die Ausdünnung des Filialnetzes, besonders der Geschäftsbanken, in weniger
effizienten Gebieten zurückzuführen ist. Aufgrund des schwächeren Wettbewerbs auf regionaler
Ebene vergeben die Banken weniger Kredite im Rahmen von Hausbankbeziehungen (Relationship
Lending), was mit nachteiligen Folgen für Klein- und Kleinstunternehmen verbunden ist, die einen
Kredit beantragen. Zweitens hat der Bankensektor das Finanzproduktportfolio noch nicht an die
spezifische Struktur (im Hinblick auf Größe und Branche) ostdeutscher KMU angepasst (OECD
2006a). Beide Umstände führen bei der Kreditvergabe für KMU in Deutschland zu einem
Auseinanderklaffen zwischen Ost und West: Ostdeutsche KMU zahlen höhere Zinsen, verpfänden
mehr Sicherheiten und sind stärker von einer Nichtverfügbarkeit von Krediten betroffen (Lehmann
u.a. 2004). Aus diesem Grund sind politische Maßnahmen erforderlich, die kurzfristig KMU bei der
Aufnahme von Darlehen aus dem Bankensektor, etwa durch Bürgschaften unterstützen; daneben sind
auch langfristige Maßnahmen wichtig, die die Entwicklung von Finanzprodukten stärken, die gut an
die Merkmale von KMU angepasst sind (z.B. Mezzanin-Kapital, Business Angels).
Da Mezzaninkapital-Produkte die Eigenschaften von Fremd- und Eigenkapitalprodukten
kombinieren, steht ein breites Spektrum von Finanzstrukturierungsmöglichkeiten zur Verfügung (z.B.
stille Gesellschaften, nachrangige Darlehen, Genussrechte oder Wandelanleihen). Dennoch haben
Mezzaninkapital-Produkte einige Merkmale gemeinsam: In der Regel sind dies nachrangige,
hochverzinsliche Verbindlichkeiten mit wenigen oder keinen Sicherheiten und mit längerer Laufzeit (5
30
BAND geht von einer potenziellen Summe von € 5.000 Millionen für Gesamtdeutschland aus. Angesichts der
Gründungsintensität in Ost- und Westdeutschland – 43,9 bis 49,6 (Mittelstandsmonitor 2007) – kann von einem
geschätzten Marktvolumen von € 2.300 Millionen für Ostdeutschland ausgegangen werden.
127
bis 15 Jahre) als traditionelles vorrangiges Fremdkapital sowie mit einer in den ersten Jahren nur
minimalen Tilgung. Mezzanin-Produkte stellen daher geeignete Instrumente zur Behebung der oben
erläuterten Finanzierungsprobleme traditioneller und technologieorientierter KMU in Ostdeutschland
dar. Da Mezzanin-Kapital im Allgemeinen wirtschaftlich als Eigenkapital und rechtlich als
Fremdkapital behandelt wird (Plankensteiner und Rehbock 2005), sollten Mezzanin-Finanzierungen
die Kapitalstrukturen ostdeutscher KMU verbessern und den Zugang zu traditionellen
Finanzierungsquellen erleichtern. Derzeit hat der deutsche Markt für Mezzanin-Produkte im Vergleich
zum Fremdkapitalmarkt jedoch nur eine marginale Bedeutung. Im Jahr 2006 betrug das
Gesamtvolumen des Mezzanin-Marktes in Deutschland ca. € 7.000 Millionen, das entspricht ca. 1%
des Marktvolumens für Fremdkapital (Plankensteiner und Rehbock 2005). Eine Ermutigung der
Finanzinstitute zur Förderung oder Auflegung von Mezzanin-Programmen ist daher für politische
Handlungsträger eine wichtige Aufgabe.
Handlungsempfehlung für den Abbau von Marktineffizienzen
Die vorangegangenen Kapitel haben einen weit verbreiteten Bedarf an einer Nachbesserung
bestehender politischer Maßnahmen gezeigt. In Abbildung 4 werden diese nachstehend erläuterten
Vorschläge rekapituliert und zusammengefasst.
Abbildung 10.Handlungsempfehlungen zur Stärkung ostdeutscher Unternehmer
Unternehmertum
Kapitalversorgung
Informationsversorgung
Ausbau der Vergabe
von Mikrokrediten
Unterstützung bei der
Erstellung des Businessplans
Zentrale und dezentrale
Unterstützung von
Business Angels
Informationsangebote
Stärkung des
Risikokapitals
Benchmark Bewertungssystem
Abbau des Problems
begrenzter Sicherheiten
Ostdeutschland
Quelle: Verfasser
Ausbau der Vergabe von Mikrokrediten
Wie in Kapitel 3.2 ausgeführt, ist der Finanzbedarf ostdeutscher KMU im Vergleich zu
Westdeutschland tendenziell niedriger, Die Vergabe von Mikrokrediten ist daher ein nützliches
Instrument zur Unterstützung der „3 Fs“ durch die Vergabe von Darlehen – im Falle der KfW mit
einer Darlehenssumme bis zu € 25.000. Da jedoch über 90% aller deutschen
Unternehmensgründungen weiniger als € 50.000 benötigen (KfW 2007d), ist eine Erweiterung der
Gesamtsumme dieser Mikrokreditprogramme zu empfehlen. Tatsächlich hat die KfW eine
Zusammenlegung ihrer Mikrokreditprogramme und eine Erhöhung der Gesamtsumme, ausgehend von
€ 22 Millionen im Jahr 2006, bekannt gegeben (KfW 2007c; Abbildung A-2, vgl. auch Kuhle 2007).
Dies kann als positives Signal für Unternehmer und als Anzeichen für eine zunehmende Nachfrage
nach Klein- und Kleinstkrediten gewertet werden. So ist etwa die Unterstützung von
Kleinstunternehmen durch die französische Organisation ADIE (Association Pour le Droit à
128
l’Initiative Economique, Vereinigung für das Recht auf wirtschaftliche Initiative) ein herausragendes
Beispiel. ADIE, in Europa vermutlich der größte und erfahrenste Kreditgeber für Mikrokredite, bietet
Mikrokredite mit einer Kreditsumme bis zu € 5.000 sowie ein umfangreiches Leistungsspektrum an.
Die sehr niedrigen Kosten für die Unterstützung eines Unternehmers (zwischen € 1.800 und € 3.000
gegenüber rund € 18.000 für einen Arbeitslosen), die Rückzahlungsquote von 93% und die
durchschnittliche Überlebensrate der Unternehmen von 75% nach zwei Jahren zeigen deutlich, dass
dieses Modell besonders auf die (situationsbedingten) Necessity-Unternehmer zugeschnitten ist.
Insbesondere die hohe Rückzahlungsquote kann auf die von ADIE angebotene Betreuung durch
Mentoren, die „Distriktdarlehensagenten“ zurückgeführt werden. Diese Agenten sind mit dem lokalen
Umfeld und den traditionellen Strukturen vertraut; so können angehende Unternehmer in ihrem
gewohnten Umfeld bleiben. Aufgrund der abgedeckten Region kann ADIE ein nützliches Bespiel für
Ostdeutschland sein, speziell in Brandenburg werden (Necessity)-Unternehmer mit geringerem
Finanzierungsbedarf unterstützt (OECD 2006a).
Unterstützung der Business Angels
Wie vorstehend ausgeführt, können höhere Finanzierungsanforderungen durch Business Angels
mit Schwerpunkt auf Ostdeutschland abgedeckt werden. Die Integration von Business Angels in Form
stiller Gesellschaften erhöht das Mezzanin-Kapital der KMU und führt zu einer geringeren
Abhängigkeit von Fremdkapital. Überdies tragen die Business Angels zu einer größeren finanziellen
Unabhängigkeit von Bundesförderprogrammen bei (OECD 2007b). Als Anreiz für die Einbeziehung
von Business Angels könnte die Änderung des deutschen Steuersystems ein Schlüsselfaktor sein.
BAND schlägt zur Stärkung der Business Angels eine Wiedereinführung der Steuerfreiheit für
Kapitalerträge vor, gebunden an spezifische Schlüsseldaten (BAND 2007). Weiterhin kann die Rolle
der Business Angels durch Unterstützung eines Business-Angel-Netzwerks gestärkt werden. Aufgrund
der fehlenden Finanzkraft in Ostdeutschland sollte die Integration westdeutscher Business Angels in
regionale Teilnetzwerke gefördert werden. Westdeutsche Business Angels verfügen (i) über größere
Erfahrung bei der Unterstützung von Unternehmensgründungen und (ii) über mehr Kapital:
Potenziellen Business Angels aus Westdeutschland stand ein Vermögen von € 141.000 zur Verfügung;
im Vergleich dazu besaßen die potenziellen ostdeutschen Business Angels nur € 104.000 (BMWi
2007). Zudem verfügen Business Angels im Allgemeinen über ein hohes Haushaltseinkommen
(Brettel, 2002), und auch hier haben die westdeutschen Business Angels einen Vorsprung. Die OECD
geht von einer stark positiven Kapitalrendite für diese Investitionen aus, da nur geringe Mittel
eingesetzt werden müssen. Darüber hinaus empfiehlt die OECD umfassende Werbekampagnen, um
die Tätigkeit der Business Angels bekannter zu machen und das diesbezügliche Interesse zu erhöhen
(OECD 2007a). Die Werbekampagnen sollten auf potenzielle Business Angels ausgerichtet sein, die in
der Regel männlich, zwischen 45 und 65 alt und wohlhabend (zwei Drittel der deutschen Business
Angels haben ein Einkommen von über € 250.000 und ein Vermögen von über € 2,5 Millionen) sind,
und auch auf erfolgreiche Unternehmer mit Managementerfahrung abzielen (Ehrhart und Müller
2007). Aus theoretischer Sicht sind für junge Unternehmen besonders örtliche Business-AngelNetzwerke zu empfehlen. Zusätzlich muss ein Bewertungssystem eingerichtet werden, das
kontinuierlich die Effektivität und Effizienz dieser Aktivitäten misst.
Stärkung des Risikokapitals
In späteren Phasen des Unternehmenslebenszyklus spielt zunehmend Risikokapital eine Rolle.
Die OECD empfiehlt daher die Überprüfung der aktuellen Risikokapitalprogramme auf ihre Relevanz
und Effektivität. Zudem ist der Zugang zu den Beteiligungskapitalmärkten zu verbessern, z.B. durch
Aufbau eines Netzwerks für Risikokapitalgeber und Hightech-Firmen mit Kapitalbedarf (OECD
2007a). Wie bereits bemerkt, nutzt nur ein geringer Anteil ostdeutscher KMU eine
Risikokapitalfinanzierung, da die Investitionssumme niedriger ist. Zu empfehlen sind daher: (i) eine
129
Bewertung der Risikokapitalprogramme und (ii) die Stärkung des Risikokapitals als Quelle der
Unternehmensfinanzierung. Insbesondere Risikokapitalgesellschaften könnten von modifizierten
Anreizstrukturen wie zum Beispiel von Steuervorteilen für Risikokapitalinvestitionen profitieren. Das
Risikokapital kann auch in Westdeutschland beschafft werden, da dessen Mobilität unbegrenzt ist.
Abbau des Problems begrenzter Sicherheiten
Zudem ist das Problem der (besonders in Ostdeutschland) nur begrenzten Sicherheiten zu lösen
(OECD 2007a). Ein weiteres Bespiel, der Estnische Kredit- und Exportbürgschaftsfonds (Kredex),
zeigt, dass insbesondere Unternehmensgründungen mit höherem Risiko (wie HightechUnternehmensgründungen) und etablierte KMU im Allgemeinen ihre Darlehen mit Bürgschaften
absichern müssen, damit der Darlehensantrag bewilligt wird. Aufgrund unzureichender
Sicherungswerte, einer niedrigen Eigenkapitalquote und begrenzter Liquidität ist es für diese
Unternehmen nahezu unmöglich, einen Kredit zu erhalten. Wie vorstehend ausgeführt, sind
ostdeutsche Unternehmensgründungen und KMU von vergleichbaren Faktoren betroffen. Die Kredex
bietet daher Eigenkapitaldarlehen an, die als Eigenkapital betrachtet werden und somit die Bereitschaft
zur Kreditvergabe erhöhen; darüber hinaus werden Kreditbürgschaften angeboten. In diesem
Zusammenhang hat die Kredex zur Schaffung von ca. 2.000 Arbeitsplätzen beigetragen, was noch
einmal die Notwendigkeit eines Bewertungssystems für ostdeutsche Bürgschaftsprogramme
unterstreicht. Eine Mitarbeiterbeteiligung in kleineren, etablierten Unternehmen kann überdies zu
einer Eigenkapitalerhöhung beitragen. Als positiver Nebeneffekt ist zu nennen, dass die Beschäftigten
sich ihrem Unternehmen stärker verbunden fühlen, was in der Folge zu Produktivitätssteigerungen
führen kann. Generell lassen sich eine Unterstützung der Eigenkapitalentwicklung, eine
Vereinfachung des Zugangs der KMU zu den Kapitalmärkten sowie eine Ermutigung für den Einsatz
von Kreditsubstituten wie Leasing und Factoring empfehlen.
Unterstützung bei der Erstellung von Businessplänen und Einrichtung von „Points of Interest“ für
Unternehmer
Ein überzeugender Businessplan gehört zu den wichtigsten und unverzichtbaren Elementen eines
erfolgreichen Kreditantrags und/oder eines Antrags im Rahmen eines Förderprogramms. Daher sind
betriebswirtschaftliche Kenntnisse eines Unternehmers über Geschäftsplanung, Managementsysteme
und Innovationsmanagement von zentraler Bedeutung: Bestehende Schwächen bei der Ausarbeitung
des Businessplans und der Geschäftsplanung müssen behoben werden. Insbesondere in einigen
ostdeutschen Regionen musste die OECD feststellen, dass bis zu 90% der Businesspläne, die den
Banken vorgelegt wurden, keine Finanzierungsgrundlage darstellten (z.B. OECD 2006b). Hier zeigt
sich, wie wichtig es ist, dass die Erstellung überzeugender Businesspläne erlernt wird (vgl. auch
Grichnik und Hisrich 2005).
Innovationszentren, wie sie im US-Bundesstaat Kentucky eingerichtet wurden, sind eine gute
Möglichkeit für Qualifizierung, Schulung und Mentorbetreuung der angehenden Unternehmer. Hier
lässt sich auch eine bislang implizit angenommene Vermutung verifizieren: Es gibt (potenzielle)
Unternehmer im ländlichen Raum, die mit Unternehmern in einigen Regionen in Ostdeutschland
vergleichbar sind. Das Beispiel Enterprise Estonia, ein weiteres OECD-Lernmodell, zeigt, dass die
Unterstützung der unternehmerischen Qualifizierung (z.B. durch Zuschüsse für Beratung,
Schulungsmaßnahmen, Planung und Durchführung von Exportprojekten) sehr effektiv sein kann.
Insbesondere das Konzept der „One-Stop-Shops“ (alles aus einer Hand) und „First-Stop-Shops“ (erste
Anlaufstelle) ist hervorzuheben: Eine einzige Agentur ist hier für die Integration, Koordination und
Anpassung der Maßnahmen zur Förderung des Unternehmertums zuständig (OECD 2006a). Für
Ostdeutschland mit seiner regional geringen Bevölkerungsdichte empfehlen sich neben dezentralen
Anlaufstellen (z.B. Informationsbusse für die Beratung von Unternehmern) zentrale Informations- und
130
Schulungszentren wie in Estland. Die zentralen Informationsstellen sollten sich an stark frequentierten
Standorten befinden. Mit dem Fokus auf Necessity-Unternehmer könnten diese Stellen zum Beispiel
in der Arbeitsagentur eingerichtet werden. Für etablierte (technologieorientierte) KMU sind aus
psychologischen Gründen andere Standorte vorzuziehen, etwa Universitäten. Aufgrund der
Kosteneffizienz wird empfohlen, für beide Unternehmertypen einen einzigen „Point of Interest“
(Anlaufstelle) einzurichten. Mobile Informationszentren können dieses Angebot ergänzen und eine
Einführung in Fortbildungs- und Förderprogramme bieten.
Aus den Abbildungen A-1 und A-3 geht hervor, dass sich das Gesamtspektrum der
Förderprogramme für Unternehmensgründungen und KMU fast nicht verwalten lässt. Daher sollte
untersucht werden, wie bestehende Verwaltungsverfahren vereinfacht werden können; dies wird von
der OECD unterstützt (OECD 2007a). Angesichts der Anzahl an Förderprogrammen benötigen wir
einen leichteren Zugang zu diesen Programmen, etwa in Form der genannten zentralen
Informationsstelle, in der alle relevanten Förderprogramme zusammen mit einem dezentralen
Informationsangebot angeboten werden. Aufgrund der schieren Programmanzahl können Unternehmer
schnell von den verfügbaren Informationen überfordert werden. Die Datenbank des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (in der alle Bundes-, Regional- und
supranationalen Förderprogramme enthalten sind) stellt hier einen guten Einstieg dar, muss aber
kontinuierlich erweitert werden. Neben Online-Datenbanken sollten auch offline verfügbare
Datenbanken eingerichtet werden, und zwar aus zwei Gründen: Erstens liegt der Prozentsatz der
Internetnutzer in Ostdeutschland noch immer hinter dem in Westdeutschland; zweitens nutzen
Personen mit niedrigerem Einkommen, die eher zu Necessity-Unternehmern werden, das Internet in
geringerem Umfang (IW 2007). Aufgrund der Skaleneffekte sollten diese Offline-Datenbanken in
andere Dienstleistungen integriert werden und so einen einzigen „Point of Interest“ für Unternehmer
bilden. Zusätzlich spielen die Hausbanken eine wichtige Rolle für (angehende) Unternehmer und
KMU in Ostdeutschland. Im Gegensatz dazu tritt die OECD für eine stärkere Unabhängigkeit der
KMU von ihren Hausbanken ein (OECD 2007a). Wie vorstehend ausgeführt, muss die Hausbank als
personalisierte Beratungsstelle zum Abbau von Informationsasymmetrien gestärkt werden. Das
Hausbank-Prinzip mit dem damit einhergehenden Relationship Lending unterstützt mit dem Fokus auf
qualitative Daten ostdeutsche KMU bei der Kreditaufnahme. Selbstverständlich müssen alle diese
Maßnahmen kontinuierlich bewertet werden.
Benchmark-Bewertungsysteme
Die von privaten Einrichtungen angebotenen Finanzierungsinstrumente sind weitgehend nicht auf
das Finanzierungsverhalten ostdeutscher KMU ausgerichtet, was teilweise zu Finanzierungslücken
führt. Um eine nachhaltig positive Entwicklung der Wirtschaftskennzahlen zu erreichen, sind
Förderprogramme zur Schließung dieser Lücken zu empfehlen. Überdies müssen alle Programme und
vorgestellten Empfehlungen kontinuierlich auf ihre Effektivität und Effizienz hin überprüft werden,
insbesondere bei einer aktuell fehlenden Bewertung. Daher ist zur Vermeidung von Fehlleitungen von
Finanzbeihilfen (des Bundes) ein kontinuierliches Benchmark-Programm erforderlich. Die
Benchmark-Bewertungen sollten ex post, ex interim und im Falle neu eingerichteter Programme auch
ex ante durchgeführt werden. Es ist offensichtlich, dass die jeweiligen Einrichtungen alle
entsprechenden Daten erfassen und bewerten müssen, um bei mangelhafter Effektivität und/oder bei
wirtschaftlicher Ineffizienz die Programmschwerpunkte umstrukturieren zu können. Es müssen
demnach zuverlässige Daten für (i) jedes Förderprogramm, (ii) alle Aktivitäten zur Unterstützung der
Business Angels, (iii) die Stärkung des Risikokapitals, (iv) Programme, die Kreditbürgschaften
anbieten und (v) über alle Informationsangebote vorliegen. Im Rahmen dieser Arbeit konnten diese
Daten allesamt nicht ermittelt werden, was den Schluss nahe legt, dass bis heute keine
Bewertungssysteme implementiert wurden. Für kooperierende Einrichtungen empfiehlt sich die
Implementierung eines Systems, das einen aktiven Datenaustausch gewährleistet. Als Positivbeispiel
131
hat das integrierte Programm „Regionales Wachstum“ (siehe Überblick 2.3) gezeigt, dass im Jahr
2006 mit einem Zuschuss von € 8.000 für jeden stabilisierten oder neu geschaffenen Arbeitsplatz 214
neue Arbeitsplätze geschaffen und 650 gesichert werden konnten, Diese Daten ermöglichen einen
Vergleich der Tätigkeiten (Input) und Erfolge (Output) und lassen einen wesentlichen BenchmarkVergleich dieses Programms zu.
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137
ANHANG
Abb. A-1: Überblick über aktuelle KfW-Programme für Unternehmensgründungen und KMU (Zusammenstellung der KfW, 2007a)
Kredite
Beteiligungsfinanzierung
Zielgruppe
Für Freiberufler und etablierte Unternehmen
Start-Ups, technologieorientierte Unternehmen und etablierte
Mittelständler
Finanzierungs
zweck
Deckung der Betriebskosten
Stärkung der Eigenkapitalbasis
Programme
Programm Mikrodarlehen (Mikrodarlehen bis zu € 25.000 zur
Existenzgründung)
Startgeld (Darlehen für Existenzgründer, Freiberufler und kleine
Unternehmen, deren Projekt nicht mehr als € 50.000 kostet
80% Haftungsfreistellung und Festprovision für die durchleitende Bank;
so können auch kleinere Projekte finanziert werden)
Unternehmerkapital (Produkte für Existentgründer, junge und etablierte
Unternehmen)
Unternehmerkredit (der Universalkredite für Investitionen und
Betriebsmittel, für etablierte (>2 Jahre) 50 % Haftungsfreistellung)
Unternehmerkredit Ausland - (Finanzierung von Investitionen im
Ausland)
ERP-Regionalförderprogramm (Günstige ERP-Mittel für Investitionen
in strukturschwachen Gebieten)
ERP-Innovationsprogramm (zinsgünstige Darlehen für innovative
Unternehmen)
Early Stage (Frühphase):
ERP-Startfonds (stellt jungen Technologieunternehmen in der
Gründungsphase Eigenkapital zur Verfügung)
Later Stage (Anschlussphase):
ERP-Beteiligungsprogramm (Eigenkapitalfinanzierung kleiner
Mittelständler mit bis zu € 1 Million)
Eigenkapital für den breiten Mittelstand (zwischen € 1 und 5 Millionen
für Beteiligungen)
ERP-Innovationsprogramm (Eigenkapital für junge KMU)
KfW-Risikokapitalprogramm Programme (Garantien für Investitionen
von Beteiligungsgesellschaften auf anteiliger Basis)
Konditionen
(programmsp
ezifisch)
Tilgungsfreie Anlaufzeit
Festzinsen bieten eine sichere Kalkulationsgrundlage
Auszahlung bis 100%
Kombination mit anderen Fördermitteln möglich
Antrag erforderlich
Sonderkonditionen für Ostdeutschland
138
Abb. A-2: Geschäftszahlen der KfW Mittelstandsbank im Hinblick auf Finanzierungsprogramme
2005
2006
2006
(31 März)
2007
(31 März)
€ Mrd.
KfW Mittelstandsbank
15.5
22.8
5.5
2.8
Davon: Kredite
11.6
13.4
3.0
2.8
Davon: Verbriefungen
4.0
9.5
2.6
-
Kreditfinanzierung
10.7
10.2
2.4
2.3
€ Mrd.
Davon
Unternehmerkredit
4 769.4
6 096.2
1 563.3
2 029.1
StartGeld
100.0
85.6
23.8
28.3
Mikrodarlehen
24.0
22.0
6.9
9.8
ERP-Innovationsprogramm *
127.3
6.9
1.9
-
Globale Kredite
5 353.1
3 643.1
737.9
154.8
0.6
2.1
0.5
0.3
Unternehmerkapital
511.6
506.2
119.4
117.9
ERP-Innovationsprogramm*
71.5
1 633.5
386.3
197.9
Mezzanin-Finanzierung
€ Mrd.
Davon
*Das ERP-Innovationsprogramm wurde zum 1. Dezember 2005 geändert und wird seitdem als Mezzanin-Programm angeboten.
139
Abb. A-3: Überblick über Regionalprogramme
Öffentliche
Banken in
Public bank of
Programme
Sachsen
Gründungs- und
Wachstumsfinan-zierung
Sachsen
Investitionsanreiz (Gemeinsame
Vereinbarung für die
Verbesserung der regionalen
Wirtschaftsstrukturen)
Investitionszulage (Investitionszulagengesetz)
Investitionsanreiz (regionales
Wachstum)
Liquiditätsdarlehen der SAB
Brandenburg
Kredite: Schwerpunkt auf KMU,
Filmproduktion, Unternehmensgründungen und Anschlussfinanzierung, landwirtschaftliche
und technologieorientierte
Unternehmen
Teilzahlung: Beratung,
Landwirtschaft, technologieorientierte KMU, Anschlussfinanzierung, Netzwerke,
Innovationen
Beteiligungsfinan-zierung:
Risikokapitalfinanzierung
(Anschlussfinanzierung,
technologieorientierte KMU,
Innovationen)
140
Thüringen (einschließlich
Hessen)
Thüringer Aufbaubank:
Kreditbürgschaften, Darlehen
und Zuschüsse für alle Branchen
und Gründungsphasen
Bürgschaftsbank Thüringen:
Kreditbürgschaften für
Unternehmensgründungen und
KMU
Sachsen-Anhalt und
Mecklenburg-Vorpommern
(einschließlich Niedersachsen)
Kredite für Unternehmensgründungen, Landwirtschaft und
KMU
Beratung
Mezzanin-Finanzierung für KMU
Investitionsbank Sachsen-Anhalt:
Beratung, MezzaninFinanzierung, Kredite,
Agrarfinanzierung
ERGEBNISSE DER LOKALEN FALLSTUDIEN UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
OECD
In Ostdeutschland stehen öffentliche Mittel in erheblichem Umfang zur Verfügung, die von einer
großen Anzahl von Unternehmen in Anspruch genommen werden. Wir befinden uns dabei inmitten
eines Politikwechsels hin zur Finanzierung von Innovationen und weg von bloßen
Investitionszuschüssen. Auch wenn letztere weiterhin bewilligt werden, erfolgt mittlerweile eine
Bewertung in Hinblick auf durch diese Investitionen geschaffene und gesicherte Arbeitsplätze. In
sämtlichen lokalen Fallstudiengebieten findet man ein breites Spektrum an öffentlichen
Finanzierungsprogrammen für Unternehmensneugründungen, bestehende Unternehmen und HighTech-Firmen. Die Verfügbarkeit von Finanzierungen aus privaten Quellen variiert in Abhängigkeit
von Alter, Größe und Art der Unternehmen. Insbesondere Startup-Unternehmen mit eingeschränkten
Möglichkeiten der Eigenfinanzierung und Kreditfinanzierung sind sehr stark abhängig von
persönlichen Ersparnissen, Darlehen aus der Familie und/oder von Freunden bzw. von öffentlichen
Finanzmitteln. Im Idealfall sollte ein Unternehmen im Laufe der Zeit seine Kreditwürdigkeit
ausbauen, und zwar basierend auf seiner Erfolgsgeschichte und seinen als Sicherheit dienenden
Vermögenswerten. So können eventuell bestehende Informationsasymmetrien zwischen Angebot und
Nachfrage ausgeglichen werden. In Ostdeutschland, wo die Mehrheit der Unternehmen vor 18 Jahren
neu gegründet wurde, war der Zeitraum für einen tatsächlichen Aufbau von Kreditwürdigkeit
allerdings meist noch zu kurz. Daher spielen seit geraumer Zeit auch für etablierte Unternehmen
staatliche Darlehenspläne, Mikrokredite oder Eigenmittel zur Deckung des Finanzbedarfs eine Rolle.
Berichten zufolge stellen für bestehende KMU beschränkte Eigenkapitalmittel und eine relativ
hohe Abhängigkeit von externen Krediten und Fremdfinanzierungen mit Zinsen für Darlehen, die in
den frühen neunziger Jahren aufgenommen wurden, ein Problem dar. Firmen betrachten das Fehlen
von Eigenkapital und Sicherheiten als eine unüberwindliche Barriere bei der Beschaffung günstiger
Kredite. Die Verfügbarkeit externer Finanzierungen ist durch eine Rationierung der Kreditvergabe
seitens privater Kreditinstitute und durch die Abhängigkeit von Anlagesicherheiten eingeschränkt.
Darüber hinaus wird Immobilieneigentum in den meisten der lokalen Fallstudiengebiete von den
Banken aufgrund fehlender Marktnachfrage, niedriger Preise auf dem Immobilienmarkt und der
Hypothekenbelastung nicht immer als ausreichende Sicherheit eingestuft. Interviews haben gezeigt,
dass Geschäftspläne oftmals nicht umsetzbar, zu naiv und zu unsicher sind. Lücken bestehen in den
Bereichen Sicherstellung der Durchführbarkeit von Projektkonzepten und bei der Durchführung von
Marktforschung bezüglich der Erfolgsaussichten von Produkten und/oder Dienstleistungen. Da die
Mehrzahl der staatlichen Finanzierungsplanmaßnahmen über örtliche Zweigstellen von Hausbanken
erfolgt, ist der Zugang teilweise eingeschränkt. Bestehende Informationsasymmetrien zwischen
Bankinstituten und Darlehensnehmern machen es für die Banken schwierig, den realen Wert eines
Projekts festzustellen, was wiederum zu einer Kreditrationierung führt. Diese Rahmenbedingungen
könnten die Überlebenschancen von neuen, jungen und bestehenden KMU beeinträchtigen und sich
überdies negativ auf die Wachstumsaussichten von Unternehmen auswirken.
Alle Banken und insbesondere Sparkassen unterliegen einer klaren treuhänderischen Pflicht zum
Schutz der Einlagen und Vermögenswerte ihrer Kunden. Sie sind jedoch auch ein vitaler Bestandteil
der örtlichen „Unternehmensinfrastruktur“ innerhalb einer Region und verfügen über das Potenzial zur
141
Beeinflussung oder Nicht-Beeinflussung des strategischen Wandels. In den lokalen
Fallstudiengebieten sind Banken, meistens Sparkassen und Genossenschaftsbanken, oftmals unter den
Gründungsmitgliedern von Technologie- und Inkubationszentren. Sie sind Mitglieder landesweiter
Partnerschaften zur Förderung von Unternehmertum und kleinen und mittleren Unternehmen und
unterstützen Innovationen kleiner und mittlerer Unternehmen sowie technologieorientierte Start-Ups.
Örtliche Banken sind zwar im Bereich der Finanzierung etablierter KMU und im Verbund mit
regionalen Banken im Rahmen von Beteiligungskapitalinitiativen aktiv, sie spielen jedoch bei der
direkten Beratung und Finanzierung von Startup-Unternehmen und KMU in frühen Phasen eine
verhältnismäßige begrenzte Rolle.
Bei der Mehrzahl neuer Startup-Unternehmen handelt es sich hauptsächlich um Kleinst- oder
Kleinverkaufsaktivitäten, wobei eine verhältnismäßig starke Abhängigkeit von Finanzierungen aus
öffentlichen Unterstützungsprogrammen besteht. Es scheint jedoch, dass diese Programme in ihrer
Anpassungsfähigkeit an die Bedürfnisse der unterstützten Unternehmen Einschränkungen unterliegen,
insbesondere im Hinblick auf die Tendenz vieler Kleinunternehmen zum schrittweisen Aufbau mit
niedrigem Investitions-, jedoch hohem Betriebsressourcenbedarf. Lücken bestehen bei der
Finanzierung von Betriebskosten, bei der Zusatzfinanzierung im Rahmen von schwierigen
Liquiditätslagen und bei der Anfangsfinanzierung besonderer Zielgruppen (Gründer von
Kleinstunternehmen, Nebenunternehmen, Mini-Startups, Teilzeit-Startups, Phasen-Startups). Seitens
der Handelskammern, der Handwerkskammern und der Länder wurden beträchtliche Anstrengungen
zur Verbesserung der Beratungsmöglichkeiten im Bereich finanzieller Unterstützung für
Unternehmensneugründungen und bestehende Unternehmen unternommen. Es besteht jedoch
weiterhin beträchtlicher Bedarf an Finanzberatung bezüglich sämtlicher Formen und Phasen des
Unternehmertums, einschließlich Beratung in den Bereichen Projekt- und Geschäftspläne und bei der
Bonitätsbewertung. Insbesondere die zahlreichen Kleinstunternehmen, die mit Unterstützung
öffentlicher Programme gegründet wurden, wie beispielsweise die „Ich-AG“, verfügen nur über sehr
eingeschränkten Zugang zu zusätzlichem Kapital, das wiederum Möglichkeiten zur
Geschäftsexpansion eröffnen könnte. Die lokalen Fallstudien hinterließen den Eindruck, dass es bei
der Finanzierung von Geschäftsgründungen durch Arbeitslose seitens der örtlichen Arbeitsämter an
genau der Flexibilität mangelt, die für eine uneingeschränkte Förderung der Vorfinanzierung von
Projekten und für die Ausschöpfung entsprechender Wachstumspotenziale nötig wäre. Einige Länder
bieten zusätzlich zu den Gründungsförderprogrammen der Arbeitsämter ein ergänzendes
Mikrokreditprogramm an. Hierdurch soll die Fehlbedarfsfinanzierung sichergestellt werden. Diese
Initiative kann als Beispiel Guter Praxis für andere Regionen gelten.
Eine Reihe von Interessenvertretern machte auf folgende Finanzprobleme bei kleinen und
mittlerem Unternehmen mit hohen Wachstumsraten aufmerksam: Größere Banken haben ihre
Programme zur Unterstützung kleiner Firmen gekürzt, die Bedingungen der staatlichen Finanzierung
von Kleinunternehmen (z.B. Vergabebedingungen) sind zu streng, und es besteht eine Lücke im
Bereich Finanzierung von Vorphasen des Unternehmensaufbaus. Hightech-Firmen sind zwar in der
Anfangsphase in Verbindung mit den sehr hohen Risiken besonderen Problemen ausgesetzt, es
bestehen allerdings bei den wenigen erfolgreichen Projekten auch reale Aussichten auf sehr hohe
Renditen. Doch auch hier können sich für Investoren, die ein erfolgreiches Projekt unterstützen,
Schwierigkeiten bei der Sicherung ihrer Renditen ergeben, wenn nämlich später große Investitionen
erforderlich sind. Die ostdeutschen Länder lösen dieses Problem anscheinend erfolgreich mit einem
Zwei-Phasen-System, das zwischen Pre-Seed-Financing und Seed-Financing zur Ausreifung und
Umsetzung von Geschäftsideen unterscheidet. Da Hausbanken häufig nicht über das erforderliche
technische Wissen für eine vollständige Beurteilung der Kreditwürdigkeit einer hightechorientierten
Geschäftsidee verfügen, konnte durch die Unterstützung seitens bestimmter Universitätsprofessoren,
wie in einem lokalen Fallstudiengebiet berichtet, einer ganzen Reihe von kleinen Firmen bei der
142
Beschaffung von Finanzierungen durch Finanzinstitute geholfen werden. Diese Praxis basiert jedoch
auf individueller Bereitwilligkeit und wurde bislang nicht institutionalisiert.
Insbesondere Hightech-Unternehmen benötigen externe Finanzierung über einen längeren
Zeitraum (normalerweise 3-5 Jahre), und Geschäftsbanken können die Rolle eines solchen
Finanzgebers nicht übernehmen. Im Gegensatz zu anderen Ländern und anderen Regionen scheint das
Niveau der Verfügbarkeit von realem Wagniskapital in einigen der lokalen Fallstudiengebiete niedrig
zu sein oder nahezu gegen Null zu tendieren. Einige Kommentatoren haben darauf hingewiesen, dass
eventuell gesetzliche Einschränkungen die Banken vom Eintritt in diesen Bereich abhalten. Sofern
jedoch Wagniskapital investiert wurde, erfolgte dies in Form stiller Beteiligungen. Eine aktive
Beteiligung der Finanzierungsinstitution an Geschäftsstrategie und Entwicklung des Unternehmens –
wie in vielen anderen OECD-Mitgliedsländern in Zusammenhang mit Wagniskapital üblich – erfolgt
somit nicht. Einerseits scheinen Unternehmer den Zufluss von Beteiligungskapital zu scheuen, da sie
eine Verwässerung ihrer Kontrolle über das Unternehmen fürchten, andererseits konzentrieren sich
entsprechende Pläne auf technologieorientierte Unternehmen, für die von einem größeren
Marktpotenzial und stärkeren Profitzuwächsen als bei KMU aus anderen Sektoren ausgegangen wird.
Letztere leiden somit unter dem Fehlen von entwicklungsorientiertem Wagniskapital. Für gewisse
Bereiche bei Wagniskapital und Investitionsaktivitäten ist von einer starken Subventionierung
auszugehen. Zwar ist der Einsatz öffentlicher Finanzierung zur Behebung eines sich aus der
wirtschaftlichen Entwicklung ergebenden Marktversagens stets erforderlich, ihr Umfang ist jedoch
mittelfristig nicht aufrecht zu erhalten, da in Europa hier in Zukunft wohl andere Prioritäten gesetzt
werden. Wagniskapitalprogramme mit öffentlicher Finanzierung scheinen dennoch gut organisiert zu
sein und gute Ergebnisse zu zeitigen, insbesondere hinsichtlich des Umfangs an Privatfinanzierungen,
die neben Eigenmitteln für Investitionsempfängerunternehmen gewonnen werden konnten. Um
nachhaltig wirtschaften zu können, werden die betreffenden Unternehmen stets Investitionsmittel aus
kommerziellen Quellen für sich gewinnen und ihre Gemeinkosten mittels Investitionsbeiträgen
finanzieren müssen. Dies führt zu einer Reduzierung der aufgenommen Mittel und zu einem gewissen
Druck zur Senkung der Gemeinkosten.
Die Schaffung einer robusten Geschäftsumgebung und ein vertrauensvoller Umgang durch
unabhängiges Verhandeln „auf rein geschäftlicher Grundlage“ können einem jüngeren OECD-Bericht
zufolge zur Überwindung bzw. Vermeidung von Finanzierungslücken für KMU beitragen (OECD
2006). In OECD-Mitgliedsländern haben Regierungen versucht, die Verfügbarkeit von
Finanzierungen für KMU durch Investitions- und Darlehensvergabeanreize für private Finanzquellen
zu verbessern. Die Frage der Beteiligungsfinanzierung ist eine wichtige Frage, insbesondere für
Wachstums- und Hightech-Unternehmen. Für sämtliche Arten von Unternehmen, insbesondere jedoch
für junge, traditionell kleine und mittlere Unternehmen sind Kreditbürgschaftsprogramme für
Überleben und Wachstum der Unternehmen wichtig. In diesen Fällen zielen staatliche Programme
darauf ab, die potenzielle Rendite zu erhöhen bzw. das Verlustrisiko für private Investoren und
Kreditinstitute zu verringern, so dass diese verstärkt in Wirtschaftssektoren investieren , für die auch
von staatlicher Seite ein Entwicklungs- und Förderinteresse besteht.
Die besondere Struktur des ostdeutschen KMU-Sektors zeigt, dass Kreditvergabebeschränkungen
zu einer Fehlverteilung von Finanzressourcen führen können. Um Fehlvergaben und drohende
Unterinvestitionen langfristig zu minimieren, müssen bestehende und entstehende
Informationsasymmetrien reduziert werden. Hinsichtlich der Vermeidung von Unterinvestitionen
haben sich in anderen OECD-Mitgliedsländern eine verbesserte Informationslage und der Aufbau von
fundiertem
Wissen
über
Verfahren
zur
Beurteilung
der
Bonität
sowie
Investitionsbereitschaftsprogramme bewährt. Andererseits führt die offenkundige Konzentration im
ostdeutschen Bankensektor zu einer Verringerung des Wettbewerbs, wodurch sich die
Wahrscheinlichkeit für Kreditbeschränkungen erhöht. Somit wären von der Politik die Förderung der
143
Wettbewerbsfähigkeit und ein Wiederaufgreifen des Hausbankprinzips anzustreben, um KMU den
Zugang zur Finanzierung aus privaten Quellen zu erleichtern.
Eine der Eigenschaften des ostdeutschen KMU-Sektors besteht darin, dass ein großer Teil dieses
Sektors eine geringe Finanzierungsnachfrage aufweist; insbesondere Unternehmensneugründungen in
traditionellen Sektoren haben einen Kapitalbedarf von unter 50.000 Euro (KfW 2007). Vor diesem
Hintergrund wären bestehende Mikrokreditprogramme auszuweiten bzw. dort, wo sie bislang nicht
vorhanden sind, einzuführen. Für Unternehmen mit höherem Finanzierungsbedarf könnten Business
Angels und Beteiligungskapital mögliche Finanzierungswege sein. Um Investoren stärker
einzubeziehen, sollte die Integration ihrer Finanzierung in Form stiller Beteiligungen in Erwägung
gezogen werden. Dies würde zu einer Zunahme von Mezzanine-Kreditbewilligungen an KMU führen
und würde folglich deren Schuldenabhängigkeit verringern. Auf lokaler Ebene nimmt nur eine geringe
Anzahl von KMU Wagniskapitalfinanzierung in Anspruch. Eine Evaluierung der bestehenden
Wagniskapitalprogramme vor dem Hintergrund einer möglichen Verstärkung der Nachfrage nach
Wagniskapital als Quelle unternehmerischer Finanzierung scheint empfehlenswert. Hier dürften
Steueranreize, die allerdings nicht allein für Ostdeutschland gelten würden, zu einer Zunahme des
Interesses an Wagniskapitalinvestitionen führen.
Aus den lokalen Fallstudien hat sich eine Reihe von Handlungsempfehlungen an die Politik
ergeben. Diese können von nationalen und kommunalen Regierungen, öffentlichen und privaten
Finanzierungsinstitutionen und Unternehmensförderorganisationen, die jeweils kommunal und auf
unterschiedlichen Regierungsebenen tätig sind, aufgegriffen werden. Trotz ihrer lokalen Herkunft
besitzen die Handlungsempfehlungen Relevanz für andere Orte in Ostdeutschland und anderswo. Die
nachfolgende Liste von Empfehlungen versteht sich nicht als erschöpfend. Sie sollte jedoch als
Checkliste herangezogen werden, wenn örtliche Rahmenbedingungen zur Finanzierung von
Unternehmertum unter Berücksichtigung sowohl der Angebots- wie der Nachfrageseite überprüft
werden.
Handlungsempfehlungen zur verbesserten Finanzierung von Unternehmertum
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


Regelungen und Verfahrensweisen bei bestehenden Förderprogrammen vereinfachen. Die Regelungen
und Bedingungen für bestehende und neue Unternehmensförderprogramme müssen transparent und
Prozeduren einfach und verständlich sein. Bürokratie sollte verringert, die Entscheidungsfindung
beschleunigt und Informationen sollten leichter zugänglich sein. Eine regelmäßige (jährliche) Bewertung
der Wirkung von Regelungen und Verfahrensweisen auf der Grundlage von Rückmeldungen durch
Kundenfirmen sollte vorgenommen werden.
Diskussion über die Rolle der Banken in der Entwicklung des lokalen Unternehmertums anregen. Örtliche
Behörden und Fördereinrichtungen sollten eine Diskussion mit den regionalen und örtlichen
Führungskräften aller Finanzinstitutionen darüber in Gang bringen, wie diese eine stärkere und aktivere
Rolle bei der Förderung und Finanzierung von Unternehmensneugründungen und bestehender KMU
spielen könnten.
Schwächen bei der Aufstellung von Businessplänen angehen. Als ein Beitrag zur Problemlösung könnten
Banken die Herausgabe eines Leitfadens für Antragsteller einer Unternehmensgründung erwägen. Ebenso
könnten „Mentor- und Patengruppen‟ die Unternehmer beraten, bevor sie sich mit einem formellen Antrag
an Banken wenden.
Firmen dabei helfen, ihre eigene Investitionsbereitschaft einzuschätzen. Es sollten Programme entwickelt
werden, um dem Mangel an Investitionsbereitschaft in bestimmten Sektoren zu begegnen, indem
Firmenwissen über Wachstums- und Renditepotenziale sowie über Finanzierungsmethoden verbessert
wird. Solche Programme haben anderswo erwiesenermaßen zu mehr Investitionen geführt. Als wichtigste
Merkmale wären u.a. die intensive Arbeit mit jeder Firma, interaktive Workshops mit Rollenspielübungen
unter Leitung erfahrener Branchenexperten wie Wirtschaftsprüfer, Juristen, Business Angels, ClearingBanken, Beteiligungskapitalfirmen und Unternehmensfinanzierungsfirmen, sowie ein kostenloses
Diagnose-Instrument für Investitionsbereitschaft zu nennen. Solche Programme versetzen Firmen in die
Lage, ihre eigene Investitionsbereitschaft einzuschätzen, geben ihnen Rückmeldungen zu ihren Stärken
144
und Schwächen, bieten Auskunft zur Beschaffung von Beteiligungskapital und schaffen mehr Schnittstellen
zwischen Investoren und Sektoren, die durch eine asymmetrische Informationslage gekennzeichnet sind.







Erhöhung der Investitionsbereitschaft von KMU. Programme sollten entwickelt werden, um die
Investitionsbereitschaft von KMU zu erhöhen und gleichzeitig den Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten
zu erleichtern. Diese Initiativen sollten darauf abzielen, Firmen den Zugang zu bereits vorhandenen
Finanzierungsmöglichkeiten zu erleichtern, und nicht neue Fonds schaffen.
Bestehende Venture Capital Programme auf Inanspruchnahme überprüfen. Die bestehenden Programme
für die Bereitstellung von Venture Capital sollten auf Relevanz und Effektivität in der Unterstützung neuer
und wachsender KMU überprüft werden. Die örtlichen Behörden sollten im Zusammenwirken mit
Finanzinstitutionen untersuchen, wie gemeinsame Finanzierungsinitiativen zum Einsatz von mehr Venture
Capital führen könnten.
Verbreitung entwicklungsorientierter Finanzierung. Entwicklungsorientierte Finanzierungsinitiativen sollten,
ausgehend von einem derzeitigen Schwerpunkt auf Venture Capital, auf weitere Finanzierungsinstrumente
ausgedehnt werden (z.B. Bürgschaften). Diese sollten allen Unternehmern und nicht nur
Technologieunternehmen angeboten werden. Anstelle der Entwicklung von neuen sollten bereits
bestehende Instrumente und Einrichtungen bevorzugt ausgebaut und verbessert werden.
Erweiterung der Mikrokreditvergabe. Vergabestrukturen und Instrumente für Mikrokredite sollen verstärkt
entwickelt und für private Banken attraktiv gemacht werden. Dies sollte durch ein entsprechendes Angebot
an Coaching und Weiterbildungsmaßnahmen begleitet werden.
Einbeziehung von „Unternehmensengeln‟ (Business Angels). Ein entwickeltes VC System benötigt einzelne
Investoren sowie Venture Capital Fonds. „Engel‟ d.h. Menschen, die bereit sind, in einzelne Unternehmen
zu investieren und oft ihr Know-how einbringen, sind in den meisten OECD-Ländern anzutreffen. Dies
können Menschen sein, die in der Vergangenheit eine Firma erfolgreich gestartet und geleitet und/oder in
mehrere Unternehmen investiert haben. Oft geht mit dieser Art Investition eine Mentorenfunktion einher, bei
der der einzelne Investor oder eine andere dafür benannte Person als Ratgeber gegenüber dem
Unternehmer und dem Geschäft wirkt. Das ist besonders wichtig für Unternehmen, die in internationale
Märkte vorzudringen versuchen oder wenn diese ehrgeizige Wachstumspläne verfolgen.
Entwicklung von Initiativen, um die Anzahl von Business Angel zu erhöhen. Zielsetzung solcher
Programme und Initiativen ist die Rekrutierung von finanziell gut stehenden Einzelpersonen mit relevanter
Unternehmenserfahrung und einem Interesse, Unternehmen mit Wachstumspotential in einem frühen
Stadium zu unterstützen, für diese als Mentoren zu wirken und in diese zu investieren. Oftmals sind
potentielle Angels jedoch zögerlich bei einer Beteiligung, teils aufgrund mangelnden Wissens, was mit einer
solchen Beteiligung verbunden ist, und teils weil Beziehungen zu anderen Angel Investoren fehlen. Die
Anwerbung
von
“Wissens-Engeln”
(“knowledge
angels”),
die
relevantes
Wissen
und
Unternehmenserfahrung weitergeben, ohne unbedingt selbst als Investoren aufzutreten, hat sich
andernorts als erfolgreicher Bestandteil solcher Programme erwiesen. Breit angelegte
Marketingkampagnen können hilfreich sein, um den Bekanntheitsgrad von und das Interesse an den
Aktivitäten von Business Angels zu erhöhen.
Minimale öffentliche Zuschussfinanzierung der Gemeinkosten von Business Angel Netzwerken. Business
Angel Netzwerke sollten nur soviel an öffentlicher Förderung erhalten, um die Fortführung ihrer Tätigkeiten
zu gewährleisten. Für eine relativ geringe Geldmenge, um ein Business Angel Netzwerk zu führen, kann
die öffentliche Hand eine starke Hebelwirkung erwarten. Anreize, die Investoren zu einer kommerziellen
Sponsortätigkeit bewegen, sollten diskutiert werden. Auch Banken, Steuerberater und Rechtsanwälte
könnten in Netzwerke miteinbezogen werden. Dies könnte auch dabei behilflich sein, neue Angel
Investoren zu akquirieren und Investitionsvereinbarungen abzuschließen.
145
Box 9. Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in der Finanzierung von Unternehmertum
Programm „Business Angel Development/Ready2Invest“ in London – Vereinigtes Königreich: Zahl der Business
Angels erhöhen, um das Angebot an Eigenkapital für kleine Firmen mit Wachstumspotential zu verbessern.
Beteiligungskapital
für
KMU:
FILTRAN
–
Frankreich:
Finanzierungsmöglichkeiten in Form von Garantiefonds ermöglichen.
Zugang
zu
entwicklungs-orientierten
Kreditbürgschaftsgesellschaft (Kredex) – Estland: Lücken im Bereich der Absicherung von risikoreichen
Jungunternehmen und KMU abdecken.
Ein lokales Netzwerk für Bürgschaften: Artigianfidi Ferrara – Italien: Bürgschaften, welche den Zugang zu Kapital
erleichtern und lokale Firmen ermöglichen ihr Bedürfnisse gegenüber Banken besser zu vertreten.
Unterstützungsmassnahmen für Kleinstunternehmen: A.D.I.E. – Frankreich: Finanzierung von Firmengründungen
und des Aufbaus von Kleinstunternehmen durch die Vergabe von Mikrodarlehen.
146
KAPITEL 4
UNIVERSITÄT, UNTERNEHMERTUM UND TECHNOLOGIETRANSFER
147
STÄRKUNG VON VERKNÜPFUNGEN ZWISCHEN HOCHSCHULEN UND INDUSTRIE
Rebecca Harding, Großbritannien
Einleitung
Dieses Diskussionspapier stellt die Problemlage bei der Entwicklung starker Verknüpfungen
zwischen Universität und Industrie in Ostdeutschland dar. Die Kommerzialisierung der universitären
Forschung wird in der Literatur als Antriebsmotor für mehr Produktivität und als internationaler
Wettbewerbsvorteil gesehen. Es leuchtet deshalb ein, dass dieser nicht nur in den OECDMitgliedsländern Priorität eingeräumt wurde, sondern auch in den Schwellenländern (Potter 2008, in
Vorbereitung; Mitra 2008, in Vorbereitung).
In gewissem Umfang wird ferner über die besten Mechanismen zum Aufbau guter Verbindungen
zwischen Höheren Bildungseinrichtungen und Industrie diskutiert (Lissenburgh und Harding 2000).
Einfach ausgedrückt: Ein Transfer von bestehendem Forschungswissen in die kommerzielle
Anwendung schafft neue Marktmöglichkeiten, die wiederum die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie
die Wertschöpfung in der Gesamtwirtschaft ankurbeln und somit die Wettbewerbsfähigkeit eines
Landes im Bereich Innovation verbessern. Entsprechend stellt der Sektor Hochschulbildung im
Bereich Bildung- und Ausbildung (einschließlich beruflicher Entwicklung) eine Möglichkeit des
Wissenstransfers (Know-how und Know-why) in die Wirtschaft und den öffentlichen Sektor dar.
Wie stets jedoch sind die Fragen komplizierter als in dieser einfachen Zusammenfassung
dargestellt, und es gibt bestimmte typische Herausforderungen, vor denen politisch Verantwortliche
stehen, wenn es darum geht, den Wissenstransferprozess tatsächlich in eine erfolgreiche
wirtschaftliche Verwertung zu überführen. Diese Herausforderungen werden nachstehend in Form
einer internationalen Literaturrecherche ausführlicher erörtert; zusammengefasst handelt es sich
hierbei um Folgendes:
Angemessene Formen von Verknüpfungen zwischen höheren Bildungseinrichtungen und
Industrie: Im Allgemeinen werden Verknüpfungen zwischen höheren Bildungseinrichtungen
und der Wirtschaft im Rahmen von zwei Kategorien behandelt, wobei in beiden Fällen
Wissenstransfer
erfolgt
–
Bildung
und
Ausbildung
und
Kommerzialisierung/Firmengründungen aus Universitäten heraus (sog. Spin-Outs).
Zunehmend wichtig sind auch Verbindungen im Rahmen von Beratung, Jointventures,
Partnerschaften und sogar informelles Networking. In gewissem Maße besteht in der
Literatur eine Tendenz, Verbindungen zwischen Hochschule und Industrie grundsätzlich
positiv zu bewerten und als neues Modell der Zusammenarbeit zu betrachten, das
wirtschaftliche, soziale und zunehmend auch umweltrelevante Renditen erbringt. Dies ist
jedoch nur der Fall, wenn angemessene Formen der Zusammenarbeit entwickelt werden –
andernfalls können die Verknüpfungen ebenso als „sozial ineffiziente Privatisierung von
Forschung und deshalb als Gefahr für die Wissenschaft selbst“ betrachtet werden (Sampat
2006).
149
Messung des Einflusses der Politik: Da die Mechanismen des Wissenstransfers nicht immer
klar abgegrenzt sind, ergeben sich Messungs- bzw. Bewertungsprobleme. Die Literatur zur
Innovation hat sich historisch auf Zitate und Patente als Anzeichen für Innovationsaktivität
und die Effektivität von Innovationssystemen bezogen (wobei Verknüpfungen zwischen
Hochschule und Industrie eine Schlüsselrolle spielen). Da der Prozess der Interaktion jedoch
mittlerweile auch zunehmend Lizenzierung, informelles Networking, Beratung und
gemeinsame Forschungsprojekte sowie formale Kommerzialisierung, Spin-Outs und
Investitionen des privaten Sektors umfasst, wird die messende Bewertung schwieriger.
Definitionen und Geistiges Eigentum: Der Wissenschaftler, der Innovator und der
Unternehmer sind nicht notwendig dieselbe Person, und dies führt zu Unklarheiten in Bezug
auf die Frage, wem Gewinne aus der wirtschaftlichen Verwertung zustehen.
Schließung der Finanzierungslücke: Es ist viel getan worden, um in den OECDMitgliedsländern Strukturen für Investitionen in der sog. Seed-Finanzierung und in der
Wachstumsfinanzierung in Frühphasen von Unternehmen bereitzustellen, wodurch ein
Ausgleich für Unzulänglichkeiten des Marktes im Bereich Innovationsprojekte erreicht
werden soll. Es bleiben jedoch zwei Herausforderungen bestehen: Die Schließung der
„Wissens“-Lücke – d.h. die Verständigungsschwierigkeiten zwischen Wissenschaftler oder
Innovator auf der einen Seite und Investor auf der anderen Seite, die sich sowohl als
Informationsasymmetrien als auch als fehlende Managementerfahrung manifestieren, und
die Bereitstellung eines Finanzierungseskalators, der seinerseits sicherstellt, dass im Zuge
des Voranschreitens des Projekts die Weiterführung und der Zugang zu einer
Wachstumsfinanzierung gewährleistet sind (Wright et al.. 2006).
Globalisierung und „Aufhol“-Geschwindigkeit: In vielen OECD-Mitgliedsländern
konzentriert sich die staatliche Politik auf die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung von
Wettbewerbsfähigkeit in Marktbereichen mit hohem Mehrwert, um so den
Herausforderungen eines rapiden Aufholens in einigen der Schwellenökonomien zu
begegnen.
Immense politische und wirtschaftliche Möglichkeiten liegen indes in der Stärkung der
Verbindungen zwischen höheren Bildungseinrichtungen und Wirtschaft. Zu nennen sind insbesondere
folgende Faktoren:
Das Potenzial für Schaffung von Innovations-„Clustern“: Hierbei handelt es sich um eine
Verdichtung von Akteuren im Bereich einer gemeinsamen Technologie, wie z.B. Nanotechnologie
oder Biotechnologie. Der Nutzen einer solchen Clusterbildung besteht in der Schaffung von Synergien
zwischen Expertengruppen unter den Hochschulwissenschaftlern mittels Strukturen, die eine
wirtschaftliche Verwertung unterstützen; zu solchen Clustern gehören u.a. Großunternehmen,
Wagniskapital und spezielle Rechtsberatung (Porter 1998).
Potenzial zur Schaffung regionalen Wachstums: In der Literatur besteht Konsens darüber, dass
höhere Bildungseinrichtungen Kenntnisse eher auf lokaler und regionaler als auf nationaler Ebene
weitergeben und dass die messbaren Nutzeffekte des Wissenstransfers im unmittelbaren Umfeld dieser
Institutionen am größten sind (Fritsch und Slavtchev 2007; Davenport 2005). Die politische
Implikation aus dieser Feststellung lautet: Die Schaffung einer starken Wissensbasis samt stabilen
Beziehungen mit der Industrie auf regionaler Ebene wirkt sich auf die Regionalentwicklung positiv
aus.
150
Globalisierung und regionale Entwicklung: Verknüpfungen zwischen Hochschule und Industrie
sind ein wesentlicher Bestandteil des regionalen „Innovationssystems“ (Braczyk et al.. 1998; Cooke
und Schall 1997; Cooke 1998; Cooke 2001). Regionen stehen mit anderen globalen Regionen
zunehmend in Wettbewerb um einen Anteil an den Forschungs- und Qualifikationsinvestitionen
sowohl großer wie kleiner Unternehmen.
Insgesamt sind Verknüpfungen zwischen höheren Bildungsreinrichtungen und Industrie eine
positive Möglichkeit der Schaffung von sozialem und wirtschaftlichem Wohlstand. In den
nachfolgenden Abschnitten wird dargelegt, dass die genannten politischen Fragen und
Herausforderungen in Ostdeutschland durch spezielle diesbezügliche Initiativen mehr oder weniger
bewältigt wurden. Deshalb ist das Wachstum in Ostdeutschland, insbesondere in den
Innovationssektoren, mittlerweile größer als in Westdeutschland (IWH 2007). Es verbleiben jedoch
eine Reihe von Herausforderungen, die zeigen, dass es sich bei den neuen Bundesländern weiterhin
um Übergangsökonomien handelt. Insbesondere die Frage des „allgemeinen Wachstums bei lokaler
Arbeitslosigkeit“ stellt ein Problem dar, welches das rapide Wachstumspotenzial, das in der
ostdeutschen Wirtschaft zweifelsohne vorhanden ist, weiterhin demotiviert und einschränkt (Harding
et al.. 2002; Harding 2007a).
Definitionsfragen
Bemerkenswert an dem großen Interesse an „Innovation“ und „Unternehmertum“ allgemein und
an Verknüpfungen zwischen höheren Bildungseinrichtungen und Wirtschaft im Besonderen ist jedoch,
dass diese in der jüngeren Literatur und in der politischen Debatte kaum je definiert und noch seltener
in derselben Analyseeinheit miteinander kombiniert werden (Folkerington et al..). Politische
Richtlinien in Bezug auf Unternehmertum konzentrieren sich in der Regel auf den Sektor der
Kleinunternehmen und im Falle der EU-Politik auf die Förderung von Innovation in diesem Bereich.
Daneben werden mehr Menschen ermutigt, eigene Firmen zu gründen. Innovation wird
dementsprechend eher im Bereich Forschung und Technik (Science, Engineering and Technology,
SET) und deren Kommerzialisierung verortet als im Rahmen von unternehmerischen Prozessen, die
hinter dieser wirtschaftlichen Verwertung stehen. Die Erhöhung der Mittel für Forschung und
Entwicklung bzw. die Erhöhung der Anzahl der „Kowledge Worker“ in der Wirtschaft wird deshalb
per se positiv bewertet.
Dies hat wenig zu tun mit der umfassenderen Definition von Innovation als „Veränderung“ und
von Unternehmern als derjenigen „Instanz, die Veränderungen an den Regeln herbeiführt und diese
Veränderungen umsetzt“ (Metcalfe 2006). Innovationspolitik konzentriert sich vielmehr auf eine
Ausweitung der Forschungsbasis im Hochschulbereich und auf die Schaffung von Mechanismen zur
Verbesserung des Technologietransfers (durch Finanzierung und Zusammenarbeit im Bereich
Forschung), während die Wirtschaftspolitik auf die Erhöhung der Anzahl der
Unternehmensgründungen ausgerichtet ist. Beide betrachten „Unternehmen“ letztlich als
Geschäftseinheiten und haben weniger den „unternehmerischen Prozess“ im Auge, bei dem es sich um
eine Aktivität handelt, in deren Rahmen durch Experimente die Regeln für die Entscheidungsfindung
verändert und „Neuerungen“ (neue Denkansätze und Handlungsmuster) in die Wirtschaft eingeführt
werden (Metcalfe 2006 op. cit.).
Das Ergebnis ist Verwirrung in der Literatur und wohl auch in der Politik und Praxis in
Großbritannien und anderswo. Die Begriffe „Unternehmertum“ und „Innovation“ werden auf
unterschiedliche Weise benutzt:
1.
Synonym: Unternehmer bringen immer etwas Neues auf den Markt und sind deshalb
innovativ (Casson et al. 2006).
151
2.
Interdependent: Unternehmer sind in den Technologiesektoren aktiv, und die
Kleinunternehmen, die sie gründen, leisten einen direkten Beitrag zur Schaffung von
Arbeitsplätzen und zur Produktivität (Armington und Acs 2004).
3.
Unabhängig: Unternehmer sind definiert durch ihre Entscheidungs- und Risikofähigkeit und
nicht durch die von ihnen vorgenommenen Neuerungen. Innovatoren sind definiert durch die
von ihnen vorgenommenen Neuerungen. Man kann deshalb unternehmerisch sein, ohne
innovativ zu sein und umgekehrt (Hayek 1937, Kirzner 1973).
Insgesamt besteht eine Tendenz, die Begriffe „Unternehmertum“ und „Innovation“ als
austauschbar zu behandeln; es handelt sich jedoch um sehr unterschiedliche Phänomene. Der
„Unternehmer“ ermittelt Möglichkeiten und trifft Entscheidungen bezüglich der Marktfähigkeit (d.h.
der Risiken) dieser Möglichkeiten (Casson 1982). Der Innovator ist die Quelle dieser Ideen und
Möglichkeiten und bildet den Wissenskanal zwischen der Wissensbasis und ihrer zukünftigen
wirtschaftlichen Verwertung, wobei Ungewissheit, die nicht berechenbar ist, effektiv in berechenbare
Risiken umgewandelt wird. Diese Unterscheidung war in der Literatur von vor fünfzig Jahren bzw. in
der noch älteren Literatur klar, in jüngerer Zeit sind die Grenzen zwischen den beiden Begriffen
jedoch schwammig und unklar geworden. Eine brauchbare Definition des Begriffs „innovativer
Unternehmer“ wäre folgende: Eine Person, die in einer Innovation eine Chance in sozialer oder
wirtschaftlicher Hinsicht erkennt, die ihr Marktpotenzial basierend auf eigenen Wissensnetzen und
sozialem, finanziellem oder bildungsrelevantem Kapital ermittelt und eine Organisationsstruktur
innerhalb eines bestehenden Unternehmens oder durch Gründung eines neuen aufbaut, wodurch die
Entwicklung der Innovation ermöglicht wird (Harding 2007a).
Hierbei handelt es sich um eine für die Politik wesentliche Unterscheidung in Bezug auf
Verknüpfungen zwischen höheren Bildungsreinrichtungen und Industrie und insbesondere in Bezug
auf Spin-Outs. Der Forscher an der Universität generiert die wissenschaftlichen Kenntnisse mit
kommerziellem Potenzial. Es ist jedoch der Innovator, der dieses Potenzial erkennt und artikuliert, und
es ist der Unternehmer, der das Risiko im Rahmen der Realisierung ihres Marktpotenzials berechnet
und übernimmt. Diese Unterscheidungen sind aus vier Gründen wichtig, die nachfolgend ausführlicher
erörtert werden sollen:
1.
Zweckdienliche Verknüpfungen zwischen Hochschulumfeld und Wirtschaft, die einen
Wissenstransfer von der Forschung in die lokale und regionale Wirtschaft ermöglichen, sind
ein Eckpfeiler der Regional- bzw. Cluster-Politik. Sie hängen jedoch von einer wirksamen
Integration von politischen Maßnahmen zur Innovations- und Unternehmensförderung ab.
2.
Geistiges Eigentum (IP, Intellectual Property) ist in vielen OECD-Mitgliedsländern einer der
Hemmschuhe für eine wirksame Kommerzialisierung wissenschaftlicher Forschung; eine
klare Definition der kollaborativen, jedoch unterschiedlichen Rollen von Forscher, Innovator
und Unternehmer wäre bei der Zuschreibung von geistigem Eigentum und somit der
entsprechenden Renditen sicherlich hilfreich.
3.
Maßnahmen
zur
Unterstützung
anderer
Verknüpfungen
zwischen
höheren
Bildungseinrichtungen und Industrie, wie Beratung, Bildung, Schulung und berufliche
Entwicklung, sowie die Förderung unternehmerischer Ausbildung in Schulen sollten
angeregt und rund um die Entwicklung eines effektiven und effizienten Innovationssystems,
das zu einem gesteigerten Mehrwert für regionale und lokale Wirtschaftsräume führt,
konzentriert werden.
152
4.
Verantwortliche in der Politik brauchen ein effektives Instrumentarium zur Messung der
Leistung und zur genauen Ermittlung der durch die Politik entwickelten Innovation; hierzu
gehören sowohl Innovationsmaßnahmen als auch Maßnahmen in Bezug auf das
Unternehmertum; ferner sollten Vertreter für die informellen Netzwerke, die
Qualifikationsbasis und die Partnerschaftsvereinbarungen, die zwischen dem
Hochschulsektor und der Industrie bestehen, verfügbar sein (Katz 2006, Corley et al.. 2006).
Der Rest der vorliegenden Untersuchung gliedert sich wie folgt. Der nächste Abschnitt
beschäftigt sich ausführlicher mit vier wichtigen Politikfragen und Herausforderungen: Regional- und
Cluster-Politik, geistiges Eigentum und Finanzierungsbarrieren bei der Anregung von Spin-Outs,
sonstige politische Maßnahmen zur Stärkung von formalen Verknüpfungen, zum Beispiel durch
Schulung und Beratung, und schließlich die Messung der Auswirkungen politischer Maßnahmen.
Politische Fragen und Herausforderungen
Innovationspolitik allgemein und Verknüpfungen zwischen höheren Bildungseinrichtungen und
der Wirtschaft im Besonderen wurden zunehmend durch zwei wichtige theoretische Entwicklungen in
der Literatur angeregt. Die allgemein als endogene Wachstumstheorie bekannte Lehrmeinung
(Schumpeter 2006, Romer 2000, Keilbach und Audretsch 2004, Viale und Ghiglione 2000, Audretsch
und Lehmann 2005, Audretsch et al. 2006) geht davon aus, dass Innovation und Wissenstransfer
innerhalb des Wirtschaftssystems ein zentraler Faktor für wirtschaftliches Wachstum sind. Die Anzahl
der Wissensarbeiter und der Umfang der Innovation (gemessen an der Zahl der Patente und der
innovationsbasierten Unternehmensgründungen) ist ein ausschlaggebender Faktor bei der Schaffung
von Produktivität in kleinen Unternehmen, wobei jedoch dieser Prozess ungeordnet und
unvorhersehbar erfolgt (MacPherson, A. und Holt R. 2007).
Die zweite Theorie, allgemein als „Triple Helix“-Ansatz bekannt (Etzkowitz 1994, Leydesdorff
und Etzkowitz (1997, 2000), Leydesdorff 2005a 2005b), begreift Wissenstransfer als eine Funktion
der
komplexen
Reihe
von
formalen
und
informalen
Verknüpfungen
zwischen
Forschungseinrichtungen, Finanz- und Wirtschaftsunternehmen sowie dem Staat (Berg-Jensen, B. et
al. 2007). Die Interaktionen zwischen den drei Strängen der „Helix“ bilden die jeweils einzigartigen
Merkmale eines Innovationssystems – die „symbiotische Spannung“, worin sich die gleichzeitige
Interdependenz und der Wettbewerb zwischen den Akteuren auf nationaler oder auf regionaler Ebene
widerspiegelt (Harding 2000, 2001).
Regionalpolitik
In der Literatur zur Triple Helix gibt es eine bestimmte Gruppe von Autoren, die die Schaffung
eines nationalen Wettbewerbs- und Innovationsvorteils eher auf der regionalen als auf der nationalen
Ebene verorten (Cooke 1998, Brazyk et al. 1998, Edquist 2001, Cantwell und Iamarrino 2000,
Saxenian 2006, Harding 1999, Harding et al. 2002). Die Region ist dabei ein Fokus der sektoralen
Spezialisierung und somit der zugehörigen Akkumulation von Know-how. Infolgedessen wird die
Entwicklung von symbiotischen Lernbeziehungen zwischen den Institutionen ermöglicht. Regionen
werden so zu den Antriebskräften von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit (Azagra-Caro 2006;
Hussler und Rondé 2007; Heidenreich 2006; Fritsch und Slavtchev 2007).
Lernen und Anpassung an sich verändernde Marktbedingungen und neue Technologien sind auf
regionaler Ebene wahrscheinlicher, da selbstverständliche Wissenstransfers zwischen Akteuren in
räumlicher Nähe mit klaren Verknüpfungen zwischen gemeinsamen Kenntnissen und Charakteristika
des regionalen Arbeitsmarktes zumeist effektiver und nachhaltiger sind (Todtling und Kaufmann
2001, Dodgson 2001, Bracsyk et al. 1998, Porter 1998, Vickers und North 2001). Gleichzeitig mit der
153
Erzeugung von Fachwissen stehen Finanziers mit spezieller Ausrichtung, Rechnungsprüfer und
Rechtsanwälte der Basis der Wissensproduktion unterstützend zur Seite, und dem entsprechend ist
auch für Firmenneugründungen zweckdienliche und leicht zugängliche Beratung verfügbar. Diese Art
der Entwicklung regionaler „Wirtschaftssysteme“ ist der Literatur zufolge in gewissem Umfang
exemplarisch für die Entwicklung von Silicon Valley und der Route 128 in den USA (Saxenian 2006).
Weitergeführt wird dies von Porter, der das Konzept von regionalen „Clustern“ oder
Agglomerationen rund um spezifische Technologien oder Industriesektoren entwickelt. Die
Attraktivität dieses „Cluster“-Ansatzes (Porter 1998, 2002) für politisch Verantwortliche liegt auf der
Hand, insbesondere im Bereich der Innovationspolitik. Innovatoren sind in Bezug auf Ideen und in
Bezug auf Märkte abhängig von Wissenschafts-, Innovations-, Wirtschafts- oder Finanznetzwerken.
So ist bekannt, dass Universitäten bzw. die Forschungsabteilungen großer Unternehmen als
Antriebskräfte für unternehmerische Aktivität fungieren (Czarnitzki und Kraft 2001), insofern
Unternehmer dazu tendieren, sich eng an die Knotenpunkte von Forschung und Wirtschaft zu binden.
Sofern diese Reihe von Zwischenbeziehungen systematisiert werden kann, wird regional generiertes
Wissen einen Mehrwert durch den kumulierten Lernprozess erbringen. Dadurch wird diejenige Art
von Spezialisierung erreicht, die für den internationalen Wettbewerbsvorteil so zentral ist,
insbesondere in forschungsintensiven Sektoren wie Informations- und Kommunikationstechnologie
oder Biotechnologie (Cooke 2001, 2002; De la Mothe & Paquet 1998). Prinzipiell wird davon
ausgegangen, dass durch die institutionelle Basis (bestehend beispielsweise aus Wagniskapital und
Investorennetzen, Universitäten und Ansiedelungsaktivitäten (Inward Investment)) unternehmerische
Aktivität entfaltet wird und dass Wissen zwischen Wissenserzeugern und Wissensnutzern dabei
automatisch transferiert wird.
Dieses Konzept der Clusterbildung und der regionalen Entwicklung hat die Politik in den OECDMitgliedsländern und insbesondere in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren dominiert. Große
wie kleine Firmen stehen im Bereich Innovation ebenso im Wettbewerb wie im Bereich Produktivität,
und ein Clustering von Fachwissen und Erfahrung bedeutet Innovationssynergien zwischen Akteuren
in Form von intellektuellen, technologischen und sozialen Effekten (Dohse 2007). Regionen
konkurrieren global um Auslandsdirektinvestitionen, Innovation, Qualifikationen und, insbesondere
im Kontext dieser Untersuchung, die Ansiedelung von Unternehmen (Gardiner, B. et al. 2004, Kitson
et al. 2004, Maleki 2004). Der entscheidende Erfolgsfaktor für eine Region bei der Entwicklung ihrer
Wettbewerbsfähigkeit ist ihre Fähigkeit zur Schaffung von lernenden „Netzwerken“ oder „sozialem
Kapital“, wobei Wissenstransfers zwischen Akteuren auf eine Weise erfolgen müssen, die auf den
globalen Märkten einen Wettbewerbsvorteil einbringt (Saxenian 1997, Cooke 2007). Im Kontext
unserer vorliegenden Untersuchung jedoch sind weder Innovationen an sich noch Verknüpfungen
zwischen Universität und Wirtschaft an sich ausreichend zur Schaffung von Marktopportunitäten und
einer in der Folge gesteigerten Aktivität von Firmengründungen aus der Universität heraus (SpinOuts). Hierzu sind überdies Unternehmer notwendig (Harding 2007a, Levie et al. 2007).
Geistiges Eigentum und Finanzierung
Technologiebasierte Firmen aus der universitären Forschung eignen sich potenziell besser für
Wagniskapitalinvestitionen und werden sich auch eher um diese bemühen. Sie benötigen beträchtliche
Kapitalbeträge. Da ihr Geschäft jedoch eher auf Innovation als auf einem etablierten Geschäftskonzept
beruht, sind Investitionen in diese Art von Unternehmen ihrer Art nach riskanter. Theoretisch
zumindest wäre dies ein Terrain für Risikoträger und somit für Wagniskapitalgeber. In vielen OECDMitgliedsländern besteht jedoch eindeutig eine Kapitallücke bei der Finanzierung von Spin-Outs.
Hierin liegt für die Politik eine klare Herausforderung.
154
Die Zusammenführung von Wagniskapital und technologiebasierten Firmengründungen aus der
Universität heraus ist – gelinde gesagt – kompliziert:
Renditen aus Technologieinvestitionen sind hoch, jedoch ihrer Art nach unsicher: Die Bank
of England beziffert die durchschnittliche Rendite aus Technologieinvestitionen auf rund
23% (Bank of England 2000). Ein Technologieinvestor behauptete jedoch, dass die Rendite
in Großbritannien bei 45% liege und die Renditeraten in den USA mit 33,7% ebenfalls höher
seien (www.nvca.com). Diese Renditeraten sind der Nachweis für das hohe Wachstums- und
Wertschöpfungspotenzial technologiebasierter Firmen sowie für ihre Eignung für die
Wagniskapitalfinanzierung. Wagniskapitalgeber können jedoch keinen Vorteil aus diesen
potenziellen Renditen ziehen, solange sie nicht auch tatsächlich zu den riskanteren
technologiebasierten Investitionen ermutigt werden können.
Das Wachstumspotenzial dieser Unternehmen wurzelt im Mehrwert, den sie aus ihrem
ursprünglichen Konzept erzielen können. Dieser Wert ist ebenso eine Funktion der
Menschen und Netzwerke, und somit sind insbesondere die Umsetzungszeiten von Renditen
bei Spin-Outs im frühen Stadium für orthodoxe Wagniskapitalgeber zu lang. Alle
technologiebasierten Unternehmen beginnen in der Seed-Phase mit einer kommerziell nicht
bewährten innovativen Idee – hierin liegt das Risiko. Im Wachstumsprozess muss sich die
wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Idee oder des Konzepts beweisen. Der Wert ist
schließlich die Rendite. Insbesondere in forschungsbasierten Branchen wie der
Biotechnologie
erfordert
dieser
Wachstumsprozess
eine
erhebliche
Entwicklungsfinanzierung. Diese Finanzierung kann über einen langen Zeitraum notwendig
sein – bis zu zehn Jahren. Für einen derart langen Zeitraum werden die meisten
Wagniskapitalgeber – ohne klaren Ausgang – keine Mittel zur Verfügung stellen. Hier ist
somit eindeutig die Unterstützung des Staates in der Seed-Phase und auch noch in der
Startup-Phase gefordert, damit die Unternehmen in der Folge dann informales und formales
Wagniskapital anziehen können.
Die Beschaffung umfangreicher Kapitalinvestitionen ermöglicht technologiebasierten
Firmen die Anstellung von wichtigen Wissenschaftlern und Innovatoren, was wiederum in
einem universitätsgeführten Venture einfacher zu bewerkstelligen ist. Wichtig für diese
Unternehmen ist der Zugang zu Personen, die einen hohen Nettomehrwert in das innovative
Konzept einbringen. Hierin besteht in erster Linie die Funktion von entsprechenden
Mitarbeitern aus Universitäten, Hochschulen und Industrie. Fritsch und Slavtchev (2007)
zufolge ist dies leichter, wenn Universitäten in enger räumlicher Nähe zu Finanz- und
Wirtschaftsstrukturen arbeiten. Die Rolle der Politik liegt hierbei in der Schaffung einer
Infrastruktur, die dieses hochwertige „Humankapital“, in das Wagniskapitalinvestitionen
erfolgen sollen, hervorbringt.
Damit die Rendite voll realisiert werden kann und Wagniskapitalgeber weiterhin in
Technologieprojekte
investieren,
muss
schließlich
ein guter
Umfang
an
Investitionsgelegenheiten
für
Wagniskapitalgeber
sichergestellt
sein.
Diese
Investitionsgelegenheiten stammen aus den Universitäten und Hochschulen, von
akademischen Unternehmern sowie von einheimischen und ausländischen Hightech-Firmen
mit Forschungskapazitäten. Die Regierung und der Staat können viel für die Stimulierung
einer Kultur von Forschung und technologiebasiertem Unternehmertum tun, indem sie
Grundlagenforschung fördern, umfangreiche Mittel für Partnerschaften zwischen Universität
und Wirtschaft, Wissensparks und Gründerzentren sowie Programme zur Förderung von
Hightech-Investitionen bereitstellen. Es liegen jedoch Nachweise darüber vor, dass in
155
Europa, insbesondere jedoch in England (Bank of England 2001), Schwächen bei der
wirtschaftlichen Verwertung von Ergebnissen aus der Forschung bestehen.
Das andere Zentralproblem bei der Schaffung von lebensfähigen Firmengründungen aus der
Universität heraus ist die Frage des geistigen Eigentums. Die Bedeutung von stichhaltigen Regelungen
zu Fragen des geistigen Eigentums und dessen Schutz wird immer wieder hervorgehoben; Renditen
sollen dem jeweils übernommenen Risiko entsprechen. Der Bayh-Dohl Act in den USA enthält eine
klare Abgrenzung zwischen universitärer Forschung und Kommerzialisierung und geförderten nicht
gewinnorientierten Forschungsorganisationen (insbesondere höhere Bildungseinrichtungen) bis hin
zum Patent. Dieses Gesetz wurde in den OECD-Mitgliedsländern, darunter auch in Deutschland,
nachgebildet, um Patentanmeldungen aus der universitären Forschung anzuregen. Im Ergebnis
erfolgen in Europa tatsächlich mehr Patentanmeldungen aus den Bereichen Universität/höhere
Bildungseinrichtungen (Geuna und Nesta 2006).
Eigentumsfragen sind jedoch David und Hall (2006) zufolge komplexer geworden. Wo in der
Vergangenheit beispielsweise eine klare Abgrenzung vorlag, haben die Häufigkeit des
Personalaustauschs zwischen öffentlichen und privaten Forschungseinrichtungen, die wachsenden
Renditen in einzelnen Forschungsgebieten des öffentlichen Sektors aus der Kommerzialisierung ihrer
Innovationen sowie die hohe Beweglichkeit von Technologie, die eine Verlangsamung der
Kommerzialisierung durch den Patentierungsprozess mit sich bringt, dazu geführt, dass Fragen des
geistigen Eigentums nicht mehr leicht einzugrenzen sind. Die Verteilung von Risiko und Rendite ist
unklar geworden, und komplexe gesetzliche Rahmen verlangsamen Innovationsbemühungen
bestenfalls, wenn sie ihnen nicht gar völlig entgegenstehen. Die Aufgabe der Politik liegt somit in der
Erhöhung der Flexibilität und Stabilität von entsprechenden Systemen.
Bildung, Ausbildung und Beratung: Der wachsende Rahmen informeller Verknüpfungen zwischen
Universität und Wirtschaft
Die anderen Bereiche, in denen Wissenstransfers zwischen Universitäten und der regionalen
Wirtschaft stattfinden, sind eher informell. Dazu zählen Bildung, Ausbildung, berufliche
Weiterbildung und Beratung sowie zunehmend informale Kontakte und Networking, ermöglicht
einerseits
durch
räumliche
Nähe
und
andererseits
durch
Informationsund
Kommunikationstechnologien
(ICT).
Die
Auswirkungen
dieser
eher
informellen
Wissenstransfermechanismen haben zwei Seiten:
1.
Durch Bildung, Ausbildung, Beratung und berufliche Weiterbildung erhalten Personen
Zugang zu Forschungswissen und Kenntnissen (Know-how und Know-why), die diese später
in ihren eigenen Arbeitsplatz einbringen. Im Ergebnis können spezifischere Kenntnisse zu
einer direkten Verbesserung am Arbeitsplatz sowie zu umfassenderem Forschungs- und
Erfahrungswissen führen; mit anderen Worten wird so ein Instrumentarium zur Verfügung
gestellt, das am Arbeitsplatz eingesetzt werden kann (Mitra 2008, in Vorbereitung).
2.
Durch Fördermaßnahmen werden universitäre Unternehmer unterstützt, und durch
unternehmerische Schulung wird eine direkte Verbesserung des Wissenstransfers aus der
Forschung in die eventuelle wirtschaftliche Verwertung erleichtert (Mitra siehe oben).
Der erste Aspekt dieses Wissenstransfers hat wenig mit Firmengründungen aus der Universität
heraus bzw. mit der Heranführung der nächsten Generation von Wissenschaftlern an das
Unternehmertum zu tun. Die Politik hat sich auf das Letztere konzentriert und stellt Ressourcen für
Kurse in Unternehmertum zur Verfügung und bietet studentische Unternehmernetzwerke und
Geschäftsplanungswettbewerbe an, um Studenten mit den Gegebenheiten von Wagniskapital und
156
Kommerzialisierung vertraut zu machen. Es sind jedoch eine Reihe von Punkten (wie nachstehend
zusammengefasst) zu beachten, wenn sichergestellt sein soll, dass diese Programme örtlich gegebene
wirtschaftliche Anforderungen tatsächlich berücksichtigen:
1.
Bildung neuer Ventures, Geschäftsplanung und Teamaufbau sind notwendige, jedoch nicht
allein ausreichende Bedingungen wirksamer Kommerzialisierung universitärer Forschung.
Entsprechende Programme laufen oftmals unabhängig von der Forschungsbasis innerhalb
von Universitäten und erfüllen ihre Rolle als übersetzende und entwickelnde Kraft zwischen
Forschungsbasis und potenziellen Geschäftspartnern bzw. Finanziers nicht.
2.
Der rapide Veränderungsprozess innerhalb der Wirtschaft lässt keine Lehrprogramme mit
umfangreicher Vorbereitungszeit mehr zu, wie sie für dynamische, unternehmerische
Antworten auf wirtschaftliche Erfordernisse effizient oder wirksam wären (Luczkiw 2008).
3.
Kleine und mittlere Unternehmen kennen die Programme, durch die ein zweckdienlicher
Wissenstransfer erzeugt werden könnte, oft nicht bzw. können sich diese Programme nicht
leisten. Die Heranziehung von Dissertationen und Projekten sowie Einstellungen von
Personen aus der Industrie und gegenseitiger Austausch von Mitarbeitern sind einige der
Maßnahmen, die in den OECD-Mitgliedsländern zur Verbesserung dieser Situation ergriffen
werden. Sie sind allerdings fragmentiert und in ihrer Wirksamkeit unbeständig. Es liegen
Hinweise dafür vor, dass einige der effektivsten Mechanismen informeller Art sind und auf
nachbarschaftlicher Nähe beruhen.
Messung der Wirksamkeit von Politik
Traditionell wurden die Ergebnisse von Verknüpfungen zwischen Universität und Wirtschaft
durch die Heranziehung von gemeinsamen Berichten und mittels der gemeinsamen
Patentanmeldungen gemessen. Zunehmend blicken die politischen Handlungsträger jedoch zum
Nachweis von „Wissensverknüpfungen“ und Wissenstransferaktivität auch auf den Umfang von
Wagniskapitalinvestitionen, auf die Anzahl von Spin-Outs aus der universitären Forschung, die
Anzahl von gemeinsamen Forschungsprojekten, auf Bildung, Ausbildung und berufliche
Weiterbildung sowie auf entsprechende Lizenzierungs- und Franchising-Aktivitäten. Sämtliche dieser
Messwerte sind ihrer Art nach statisch und setzen voraus, dass Wissen in Form von spezifischen
Ergebnissen kodifiziert werden kann.
Es sprechen jedoch zwei Gründe dafür, dass entsprechende quantitative Messungen für ein
Verständnis der komplexen Zusammenhänge beim Wissenstransfer nicht länger hinreichend sind.
Erstens: Verknüpfungen zwischen höheren Bildungseinrichtungen und Industrie müssen im Kontext
regionaler und nationaler Innovationssysteme betrachtet werden – im Rahmen derer viele der
Interaktionen stillschweigend und unkodifiziert ablaufen. Zweitens: Die informelle Kommunikation
verläuft heute im Allgemeinen über ICT-basierte Interaktionen. Jeder Versuch des Einsatzes von
Näherungsvariablen erfasst somit nicht den vollen Umfang und die volle Tiefe des Wissenstransfers
im Sinne des stillschweigenden Transfers bzw. im Sinne von Spillover-Effekten (Harding 2003;
Geuna und Martin 2001).
Darüber hinaus wissen wir relativ wenig darüber, wie Wissen tatsächlich übertragen wird (Fritsch
und Slavtchev 2007). Wir kennen jedoch größtenteils die Mechanismen zur Stimulierung von
Transfer. Zum Beispiel führen Zuschüsse aus dem privaten Sektor eher zur Beteiligung von Forschern
an Zusammenarbeitsprojekten als öffentliche Zuschüsse (Bozeman und Gaughan 2007) und
Verknüpfungen zwischen Industrie und Forschung, die über Technologietransferstellen mit klaren
157
Zielen ermöglicht werden, bewegen Forscher entsprechend eher zur Zusammenarbeit (Debackere und
Veugelers 2005).
In einer Welt mit beschränkten Ressourcen des öffentlichen Sektors sind Nachweise jedoch eine
wesentliche Grundlage für die Rechtfertigung von staatlichen Ausgaben für bestimmte Initiativen. Da
der Prozess der Wohlstandsgenerierung durch Verknüpfungen zwischen Universität und Wirtschaft für
die allgemeine Öffentlichkeit nicht offenkundig ist, leuchtet ein, dass politisch Verantwortliche
robuste und verlässliche Daten verlangen, nicht allein zur Evaluierung der Wirksamkeit von
politischen Maßnahmen, sondern auch zur Feststellung von entstehenden Versorgungslücken und
Marktmängeln.
Ansätze in Bezug auf Verknüpfungen zwischen Universität und Industrie in OECDMitgliedsländern
Die Politik in den OECD-Mitgliedsländern in Zusammenhang mit Verknüpfungen zwischen
Universität und Industrie widerspiegelt die definitorische Ambiguität, auf die zu Anfang dieser
Untersuchung hingewiesen wurde:
Einerseits gibt es umfangreiche Aktivitäten zur Anregung von Firmengründungen aus der
Universität heraus mittels Bereitstellung von Seed-Kapital, „Partnerschaftsmaßnahmen“
durch Technologietransferstellen auf dem Universitätsgelände, Gründerunterstützung,
Unterstützung für Business Angels etc. Ein Großteil dieser Maßnahmen ist rund um den
„Innovator“ fokussiert, der Forschungsergebnisse wirtschaftlich verwertet und dabei die in
den nationalen oder regionalen Innovationssystemen bestehenden Infrastrukturen nutzt.
Diese Innovationssysteme sind kommunal, regional oder national spezifisch und entwickeln
sich demnach auf ganz eigene Weise in Abhängigkeit von der Geschichte der örtlichen
Industrie und den entsprechenden Innovationskräften (Lundvall et al. 1992).
Andererseits wird von politischer Seite ebensoviel Nachdruck auf die Bedeutung
betriebswirtschaftlicher Bildung in Schulen bis hin zu höheren Bildungseinrichtungen sowie
im Rahmen von Strukturen der Wirtschaftsförderung gelegt. Akademiker heben hervor, wie
wichtig dies bei der Schaffung einer Unternehmenskultur ist, durch die Innovationen in reale
Marktgelegenheiten überführt werden können (Sahra und Welter 2008, in Vorbereitung). Als
Messlatte gelten oft die USA (Wilson 2008, in Vorbereitung). Politiker werden sich jedoch
zunehmend der Notwendigkeit der Berücksichtigung örtlicher Bedingungen, Kulturen und
Normen bewusst.
Bei der Begründung und Umsetzung einer wirksamen Politik der Verknüpfung von höheren
Bildungseinrichtungen und Industrie ist jedoch Vorsicht angebracht. Sowohl Innovation als auch
Unternehmertum sind notwendige, jedoch allein nicht ausreichende Bedingungen für einen effektiven
Wissenstransfer. Ein Verständnis von Innovation und Unternehmertum als wechselseitig voneinander
abhängigen Faktoren, als zwei Seiten derselben Medaille, ist für die Entwicklung wirksamer
politischen Maßnahmen innerhalb dieses grundlegenden Bereichs von wesentlicher Bedeutung
(Harding 2007a).
Zusammenfassung zu den politischen Maßnahmen
Somit ist klar, dass Politik Folgendes zu leisten hat:
158
Sie muss strategisch ausgerichtet sein und muss die Integration von Unternehmertum und
Innovation fördern, um den Wissenstransfer und das Lernpotenzial von Versuchen zur
Schaffung umfassenderer Verknüpfungen zu maximieren.
Sie muss über klare Clustering-Prioritäten verfügen, die dem Umstand gerecht werden, dass
Wissenstransfers am besten in enger Nachbarschaft zur wissenschaftlichen Basis
funktionieren.
Sie muss Wege zu einem kulturellen Wandel ermitteln, wodurch verstärkt informale
Verknüpfungen zwischen Universitäten und Industrie gefördert (und Wissenslücken
geschlossen) werden können.
Sie muss über klare Finanzierungswege verfügen.
Jeder dieser Punkte wird nachstehend anhand von Erfahrungswerten aus den OECD-Ländern
erörtert.
Unternehmerische Kultur und Einstellung, Motivationen und Fähigkeiten
Kulturen verändern sich nur sehr langsam, durch den Bildungs- und Ausbildungsprozess, durch
Rollenmodelle und durch geeignete Fördermaßnahmen kann die Einstellung der Menschen gegenüber
dem Unternehmertum jedoch positiv beeinflusst werden.
Finanzierungsbeschaffung
Eindeutig stellt die Finanzierung das Haupthindernis für Wachstum dar. Finanzierung ist eine
Funktion aus beschränktem Zugang zu Mitteln und der oben genannten „Wissenslücke“. Die
Wissenslücke ihrerseits entsteht, weil potenzielle Investitionsempfängerunternehmen aus
Universitäten ihre Geschäftsmodelle nicht so darstellen können, dass Investoren davon überzeugt
werden könnten. Entsprechend wird der Zugang zu Wachstumsfinanzierung ausschlaggebend. In den
OECD-Mitgliedsländern wurde die Verfügbarkeit von Seed-Finanzierungen durch Programme wie
zum Beispiel den Higher Education Innovation Fund (HEIF) in Großbritannien ermöglicht, der
Unternehmer aus der Forschung in einer sehr frühen Phase sowohl in den Bereichen Coaching und
Beratung als auch bei der Beschaffung von kleineren Finanzierungen unterstützt.
Sobald Unternehmen die Phase der Konzeptprüfung hinter sich gelassen haben, wird die
Beschaffung von Wachstumsfinanzierung zum Problem. Die Risiken für Investoren sind noch immer
hoch, die Möglichkeiten der Einflussnahme seitens der öffentlichen Politik sind jedoch eingeschränkt,
da „Soft Money“ (d.h. Co-Investitionen des öffentlichen Sektors), die lediglich der
Wachstumsfinanzierung dienen, anfangs zu einer Untergrabung der Entwicklung des
Wachstumsfinanzierungssektors in Deutschland geführt haben. Die Lösung besteht in einem System
von Bürgschaften neben effektiven öffentlichen Beschaffungsmaßnahmen.
Herausforderungen und Möglichkeiten für die Politik in Ostdeutschland
Seit der deutschen Wiedervereinigung hat sich eine Reihe von Bereichen auf die ostdeutschen
Regionen ausgewirkt, insbesondere im Rahmen der Konzipierung wirksamer politischer Maßnahmen
zur Verknüpfung von Universitäten und Industrie. Diese Punkte werden ausführlich erörtert bei
Harding et al. (2002) und Harding (2007b). Zusammengefasst lässt sich Folgendes sagen:
159
Die Schließung eines Großteils der ostdeutschen Betriebe durch die Treuhand als unmittelbare
Folge der Wiedervereinigung. Das Ergebnis waren Arbeitslosigkeit und Produktivitätsprobleme in
einem vor dem Fall der Berliner Mauer unvorstellbaren Ausmaß. Im Jahr 2002 lag die
durchschnittliche Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland bei 18%; an dieser Quote hat sich bis 2007 wenig
geändert.
Hohe Abwanderung hoch qualifizierter Arbeitskräfte und junger Menschen, insbesondere nach
Westdeutschland.
Negatives Wirtschaftswachstum in den späten neunziger Jahren. Unmittelbar nach der
Wiedervereinigung flossen hohe Geldsummen in Aufbauprogramme, und die Bauindustrie
wuchs exponentiell. Dieses Wachstum war jedoch relativ kurzlebig und wurde rasch von
einem konjunkturellen Abschwung und schließlich von einer Rezession abgelöst, die durch
den Rückgang der Ausgaben im Bausektor und durch den allgemeinen Abschwung in der
deutschen Wirtschaft angetrieben wurde.
Hohe Lohnkosten im Vergleich zu den westdeutschen Ländern verhinderten umfangreichere
Auslandsinvestitionen durch global tätige Unternehmen, wodurch Kooperationen und die
Bildung von Partnerschaften eingeschränkt wurden.
Fehlendes Vertrauen der Menschen in den ostdeutschen Regionen in den Prozess des
Wandels.
Es gibt jedoch Hinweise dafür, dass die makroökonomischen Bedingungen in Deutschland sich
verbessern und dass ein Großteil des Wachstums insgesamt aus den ostdeutschen Ländern stammt.
Die deutsche Wirtschaft erlebte 2006 einen deutlichen Aufschwung, größtenteils infolge des
gestiegenen Exports, jedoch auch aufgrund gestiegener Investitionen in Maschinen und
Ausrüstung (Economic Forecasts of Joint Research Institutes 2006). Mitte 2007 lag das
Wachstum in Ostdeutschland bei 3% und wurde größtenteils durch innovationsbasierte
Exporte angetrieben.
Der Mittelstand präsentiert sich wettbewerbsstark und ist zunehmend Träger privater
Kapitalinvestitionen in Deutschland. Die für privates Kapital und Wagniskapital
aufgebrachten Mittel sind gestiegen (BDK 2006).
Obgleich der Zusammenbruch des Neuen Marktes Deutschland und die Deutschen in eine
echte Vertrauenskrise in Bezug auf die New Economy gestürzt hat, ist festzustellen, dass
unternehmerische Aktivitäten wieder zunehmen und das Vertrauen wieder wächst.31 Die
neuen Wirtschaftszweige in Deutschland sind stark, ein Abwärtsdruck auf das Wachstum der
Reallöhne ist festzustellen, die Handelsöffnung ist fast doppelt so hoch wie in anderen
Industrienationen, die Investitionen steigen an und die Produktivität verbessert sich,
insbesondere in der Produktion (Deutsche Bank 2006).32
Spillover-Effekte aus dem rasanten Wachstum der „New Economy“ in Bereichen rund um
Technologieknotenpunkte wie Jena haben nach einem unbeständigen Start ins 21.
31
Minniti, M. (2006): „Global Entrepreneurship Monitor, 2005 Executive Report“ GEM, London Business School und
Babson College.
32
Deutsche Bank Research (2006): „New Economy 2.0: above potential growth continues 2006/7“. www.db.com. Das für
diese Prognose verwendete Wachstumsmodell ist dem für den obigen Index verwendeten sehr ähnlich.
160
Jahrhundert nunmehr an Fahrt gewonnen (Buehnstorf und Fornhal 2006). Außerdem ist
festzustellen, dass die Initiativen zur Schaffung von regionalen Innovationsknotenpunkten
und Netzen erfolgreich waren und mittlerweile reale Wachstumseffekte nach sich ziehen
(Eickelpasch und Fritsch 2005, Harding 2003, Audretsch und Lehman 2006).
Die ostdeutsche Innovationsbasis wird durch öffentliche Forschungs- und
Entwicklungsausgaben stärker als in Westdeutschland unterstützt: Mehr Forschung und
Entwicklung wird über Zuschüsse des öffentlichen Sektors gefördert als im Westen, und es
gibt einen größeren innovativen Output (zum Beispiel bei Produkten und Dienstleistungen),
jedoch weniger Patente (Czarnitzki und Licht 2006).
Ein Großteil dieser Entwicklung verdankt sich der effektiven Politik auf Landes- und
Bundesebene im Hinblick auf regionales Clustering und Innovation sowie insbesondere in
Zusammenhang mit Verknüpfungen zwischen Universität und Industrie. Bei den Innoregio und
Bioregio-Programmen handelte es sich um Clusterstrategieprogramme zur Förderung von
Verknüpfungen zwischen Universität und Industrie und von Wissenstransfer. Das Bioregio-Programm
galt dabei nur für die ostdeutschen Regionen und Innoregio für sämtliche Regionen (allerdings
erhielten schließlich nur Jena und Dresden den Status als Bioregion). Der politische Schwerpunkt bei
Innoregio lag in der Steuerung einer „dynamischen Entwicklung mittels Strukturen und
Unterstützungssystemen zur Förderung von Innovation auf regionaler und kommunaler Ebene“. Hinter
der Idee stand die Überzeugung, dass die Regionen selbst am besten ihre örtlichen Arbeitsmärkte und
industriellen Bedingungen kennen und diese somit selbst am besten organisieren und stärken können.
Ausschlaggebend für den Erfolg war eine klare regionale Strategie zum Wie des Transfers von Wissen
und Know-how und zur Erzeugung von Ertrag (Harding 2000, Dohse 2007). Die Programme
Innoregio und Bioregio wurden mittlerweile ersetzt, waren jedoch Prototypen der Cluster-Politik.
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165
ERGEBNISSE DER LOKALEN FALLSTUDIEN UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
OECD
Obgleich es in den lokalen Fallstudiengebieten mehrere kurz- und langfristige Möglichkeiten für
eine Stärkung des Beitrags der bestehenden wissenschaftlichen und technologischen Basis zum
Unternehmertum in der kommunalen und regionalen Wirtschaft mittels einer Anpassung des aktuellen
Politikansatzes gibt, sollten sich die politischen Anstrengungen dennoch größtenteils auf eine Reihe
von längerfristigen Veränderungen konzentrieren. Dazu gehört die Veränderung der Einstellung von
universitären Mitarbeitern und Studenten gegenüber dem Unternehmertum an sich sowie deren
Fähigkeit, selber unternehmerisches Engagement zu entwickeln. Durch diese Maßnahmen werden
Umfang und Breite der Forschungsaktivität vergrößert, Akademiker aus dem übrigen Deutschland und
der ganzen Welt angezogen, und es werden Verknüpfungen zwischen Universität und Industrie rund
um die Spezialisierungsgebiete höherer Bildungseinrichtungen nicht nur innerhalb der Region,
sondern auch in einem größeren Bereich gestärkt, der sich eher am Forschungsgegenstand selbst als an
der geographischen Nähe ausrichtet. Außerhalb des Lehrplans stehende Workshops und entsprechende
Netzwerk-Events allein schöpfen möglicherweise nicht das volle Potenzial universitären
Unternehmertums aus. Das Ziel sollte in der Förderung einer positiven Haltung und Motivation in
Bezug auf unternehmerisches Engagement bestehen, und zwar über die Existenzgründung hinaus, und
überdies in der Förderung einer Kultur des Risikos, in der das Streben nach einem sich seiner Stärken
bewussten Unternehmertum mit zum Auftrag der Universität gehört.
Die lokalen Fallstudien haben den Eindruck vermittelt, dass Programme zur Förderung des
Unternehmertums sich eher auf Quantität als auf Qualität konzentrieren. Damit wird zwar das Ziel der
Mobilisierung hoch qualifizierter Kräfte zu unternehmerischen Aktivitäten erreicht, langfristig sollte
der Auftrag jedoch in der Schaffung von wachstumsorientierten Geschäftszweigen mit neuen
Arbeitsplätze in der Region bestehen. Um Unterstützung somit besser lenken und Initiativen den
Gegebenheiten besser anpassen zu können, sollten Verfahren mit dem Zweck einer besseren
Überwachung und Evaluierung der ökonomischen und sozialen Auswirkungen von
Unternehmensprogrammen in höheren Bildungseinrichtungen konzipiert und implementiert werden.
Während sich in vielen OECD-Regionen die meisten Programme zur Förderung des
unternehmerischen Engagements auf betriebswirtschaftliche Lehrstätten beschränken und nur wenige
Einrichtungen sich mit der Vermittlung betriebswirtschaftlicher Kenntnisse an Studenten mit
technischer Fachrichtung befassen, liegt der Ansatz in den lokalen Fallstudiengebieten darin, allen
Studenten aus sämtlichen Fakultäten Zugang zu betriebswirtschaftlichen Ausbildungsinhalten zu
verschaffen. Interdisziplinäre Projektteams bestehen aus Studenten der Betriebs- und Volkswirtschaft
sowie aus Studierenden der naturwissenschaftlichen Fächer. Die Programme bedienen sich des
experimentellen Lernens (Engagement in realen Projekten zur Gründung von Unternehmen) und
beschäftigen externe Wirtschaftsexperten für die Betreuung der studentischen Teams. Es handelt sich
dabei um eine sehr effektive Methode des Lehrens von Unternehmertum, das auch durch
Veranschaulichung der Errungenschaften erfolgreicher Unternehmer gefördert wird, wodurch den
Studenten Rollenmodelle an die Hand gegeben werden. Auch wenn einige Unternehmensprojekte
fehlschlagen, ist der Lehrauftrag dennoch erfüllt. Der Großteil des Lernens erfolgt allerdings anhand
konkreter Situationen außerhalb des Klassenzimmers, und die Programme werden von relativ wenigen
167
stark engagierten Professoren vorangetrieben. Lehr- und Forschungsverpflichtungen und Anderes
lassen jedoch oftmals nicht genug Zeit oder Motivation, um Studenten bei
Unternehmensneugründungen zu unterstützen. Professoren erhalten ihr Gehalt für Forschung und
Lehre, ökonomische Errungenschaften werden nicht berücksichtigt.
Gerade weil Internationalisierung und ein umfassenderes Arbeiten in Netzwerken für schnell
wachsende kleine Unternehmen so wichtig sind, sind sie dies auch für eine forschungsbasierte
Universität. Aktuelle Bemühungen im Rahmen der lokalen Fallstudiengebiete zeigen deutlich, dass
zur Erzielung größerer nationaler und internationaler Wirkung Investitionen notwendig sind, um
Stellen für Akademiker interessant zu machen und attraktive Einrichtungen aufbauen zu können.
Ebenso erforderlich ist darüber hinaus eine Werbestrategie, um Universitäten in Ostdeutschland und
ihre Arbeit international bekannter zu machen. Dasselbe gilt für die Kooperation mit multinationalen
Unternehmen, die bei der Beschleunigung und Ausweitung von Kommerzialisierungsprozessen
aufgrund ihres umfassenden Zugangs zu den globalen Märkten hilfreich sein können. Die Einrichtung,
Nutzung und Verwaltung umfassenderer Netzwerkbeziehungen ist wichtig zur Nutzung von Skalenund Größenvorteilen sowie für den Zugang zu und den Austausch von Informationen bezüglich neuen
Wissens, Ressourcen und Märkten. Um universitäres Unternehmertum effektiv zu fördern, wäre eine
größere Reichweite bei der Erhebung und Verbreitung von Informationen über die Vorteile der
Internationalisierung hilfreich. Zu diesen Vorteilen zählen Zugang zu Know-how und Technologie,
Mittel zur Umgehung von hohen Produktionskosten auf dem Inlandsmarkt, Zugang zu neuen und
größeren Märkten für Produkte und Dienstleistungen, zusätzliche Produktionskapazitäten, Zugang zu
Kapital und Arbeitskräften. Zu diesem Zweck sollte ferner eine Strategie zum Ausbau von Kontakten
zu Ehemaligen und der Austausch mit ihnen ausgebaut werden; die Einbeziehung dieser Absolventen,
die mittlerweile erfolgreiche Unternehmer geworden sind, könnte einen wertvollen Beitrag zu
Programmen zur Förderung des Unternehmertums darstellen.
Einige der höheren Bildungseinrichtungen in den lokalen Fallstudiengebieten verfolgen mit ihren
Netzwerkaktivitäten zwei Richtungen. Erstens bauen sie Verknüpfungen mit anderen höheren
Bildungseinrichtungen innerhalb der Region auf und stellen die Verbindung zu anderen Netzwerken in
Deutschland her; darunter gibt es einige Projekte im Frühstadium mit internationaler Reichweite. In
einem lokalen Fallstudiengebiet drückt sich der Geist der Kooperation zwischen den
Partnerhochschulen beispielsweise dadurch aus, dass jede Universität studentische Unternehmer an die
für deren Zwecke jeweils am besten geeigneten Personalkräfte verweist, auch wenn diese bei einem
anderen Institut innerhalb des Verbunds beschäftigt sind. Zweitens ist eine der Universitäten aus den
Fallstudien bestrebt, im Rahmen der Förderung von Technologietransfer zwischen Forschungslabor
und Industrie einerseits sowie zwischen einzelnen Unternehmen andererseits die Funktion einer
Hauptschnittstelle zwischen wichtigen örtlichen Branchen und der örtlichen wissenschaftlichen Basis
aufzubauen. Der Ansatz sollte bei der Bündelung öffentlicher Fördermittel und privater Finanzierung
für Geschäftsideen mit hohem Wachstumspotenzial und für kleine Firmen mit Wachstumsintentionen
und darüber hinaus im Rahmen des Ausbaus von Netzwerken zwischen entsprechenden Firmen zum
Tragen kommen. Die beiden beschriebenen Arten von Netzwerkaktivitäten erlauben den Universitäten
die Entwicklung individueller und kollaborativer Stärken und unterstützen den Auf- und Ausbau
örtlicher Verknüpfungen zwischen Spin-Outs und lokalen Firmen. Eine Ausweitung der anfänglichen
Zielgruppe aus Universitätsstudenten, Absolventen und akademischem Personal auf eine neue
Zielgruppe, die nunmehr auch lokale Unternehmens-Cluster, Finanzierungsinstitutionen und
Wagniskapitalgeber umfasst, kann als vielversprechender Ansatz mit dem Ziel einer umfassenden
Nutzung des Netzwerkpotenzials angesehen werden, durch den ein Beitrag zu einer nachhaltigeren
ökonomischen Entwicklung innerhalb der Region geleistet wird.
Ungeachtet dynamischer unternehmerischer Aktivitäten in den höheren Bildungsinstitutionen
erfordern Technologie- und Wissenstransfer in die örtlichen KMU ein aufnahmebereites Umfeld auf
168
beiden Seiten. Ein solches Umfeld ermöglicht die Kommunikation und Interaktion zwischen diesen
beiden Bereichen, die sich oft völlig unabhängig voneinander entwickeln. Kulturelle Barrieren
zwischen örtlichen KMU und den höheren Bildungseinrichtungen und Forschungsgemeinschaften in
der Region verhindern oftmals die Bildung sozialer Netzwerke, die Voraussetzung für den Aufbau
formalerer Partnerschaften sind. Die OECD-Untersuchung zeigt, dass nur durch zwischenmenschliche
Beziehungen eine Brücke zwischen diesen beiden Welten, die oft strikt von einander getrennt
existieren, gebaut werden kann. In den lokalen Fallstudiengebieten scheinen die Anstrengungen der
höheren Bildungseinrichtungen, die auf einen Wissens- und Technologietransfer hin zu nicht aus der
Hochschule stammenden Unternehmern abzielen, vollständig in die Partnerschaftsarbeit mit
Unternehmensfördereinrichtungen eingebettet zu sein, und zwar sowohl auf Kommunal- als auch auf
Länderebene. Die bestehenden Netzwerkstrukturen bilden die Grundlage des politischen Handelns und
der kommunalen Unternehmensförderprogramme mit dem Ziel des weiteren Ausbaus der Interaktion
zwischen Forschung und örtlichem Geschäftssektor.
Höhere Bildungseinrichtungen sollten den Wert des infolge ihrer Forschungstätigkeit
geschaffenen geistigen Eigentums erkennen. In den lokalen Fallstudiengebieten erfordert die
Ausnutzung bislang zu wenig genutzter Mittel der Kommerzialisierung eine maximale Reduzierung
der für die Professorenschaft bestehenden Barrieren beim Aufbau von Unternehmen. Universitäten
sollten für Professoren langfristig Anreize zur Unternehmensgründung anbieten. Dazu gehören Mittel
und Wege zur Sondierung der Möglichkeiten in Bezug auf geistiges Eigentum, auch im Hinblick auf
einen potenziellen Technologie- und Wissenstransfer. Technologiebasierte Unternehmen, die aus der
Universität heraus gegründet werden, verwerten in erster Linie die Erfindungen von Studenten
(einschließlich Diplomanden und Doktoranden, die Forschung in direkter Zusammenarbeit mit
Professoren betreiben). Anstrengungen bezüglich der Kommerzialisierung von Technologien, die von
Professoren selbst erfunden wurden, gibt es weitaus weniger. Folglich dürfen einige der besten
Technologien nicht übertragen werden und die Universitäten, an denen die Technologien erfunden
wurden, realisieren dadurch nicht den gesamten möglichen finanziellen Nutzen einer
Kommerzialisierung dieser Technologien. Technologietransfer wird auch dadurch erzielt, dass
Studenten als Praktikanten in technologiebasierte Unternehmen geschickt werden. In einem der
lokalen Fallstudiengebiete, wo es keine höhere Bildungseinrichtung in der näheren Umgebung gab,
haben Kommunen, die Handelskammern und eine Fachhochschule eine Partnerschaft gegründet, in
deren Rahmen örtliche Unternehmen durch Aufnahme von Diplomanden aus der technologischen
Forschung profitierten. Es gibt in lokalen Fallstudiengebieten erste Initiativen, in deren Rahmen
höhere Bildungseinrichtungen teuere wissenschaftliche Ausrüstung nach Bedarf an KMU vermieten.
So wird die Interaktion zwischen höheren Bildungseinrichtungen mit technologieorientierten KMU
erleichtert und den KMU der Zugang zur neuesten Technik ermöglicht. Die KMU können so ihre
Qualifikationen auf dem aktuellen Stand halten und ihren relativen Größennachteil ausgleichen.
Im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Infrastruktur der
Unternehmensförderung in den lokalen Fallstudiengebieten ist es wichtig, den Umfang von
öffentlicher Finanzierung und von EU-Finanzierung festzustellen. Die bestehenden politischen
Initiativen selbst sind beeindruckend, ohne weiterlaufende öffentliche Finanzierung jedoch könnten sie
sich als nicht fortführbar erweisen. Der derzeitige Umfang und Einsatzöffentlicher Finanzierungsmittel
müssten im Hinblick auf einen möglichen Übergang zu wirtschaftlicher Unabhängigkeit und weg von
Kick-off-Aktivitäten überprüft werden. Sämtliche Akteure aus Wirtschafts- und Innovationsförderung
sollten an der Erarbeitung einer für sie geltenden Entwicklungsstrategie mit stärker kommerziellem
Ansatz beteiligt werden. Es sollten Wege zum Ausbau einer privaten Beteiligung im Bereich
Infrastrukturentwicklung ermittelt werden. Im Sinne der zukünftigen Nachhaltigkeit entsprechender
Strukturen sollten im Bereich Innovationsförderung auch Immobilien als Vermögenswert betrachtet
werden, mit dem eine kommerzielle Rendite erwirtschaftet werden kann, die unter Umständen zur
Sicherung weiterer öffentlicher und privater Investitionen einsetzbar ist. Die in den
169
Fallstudiengebieten bereits laufende graduelle Verringerung der öffentlichen Finanzierung von
Gründungsaktivitäten und die wachsenden Anstrengungen bezüglich einer Einbeziehung des privaten
Sektors können hier als Beispiele einer Politik der Guten Praxis genannt werden, die weiterverfolgt
werden sollte. Weitere Maßnahmen mit diesem Ziel wären beispielsweise private Kapitalbeteiligungen
an Unternehmensgründungen aus der Universität heraus und ein zunehmendes finanzielles Sponsoring
durch örtlich ansässige Unternehmen.
Die lokalen Fallstudien in Ostdeutschland haben eine Reihe von Handlungsempfehlungen an die
Politik zutage gefördert, die von Kommunen und örtlichen Organisationen, die im Rahmen von
Entwicklung und Stärkung des Unternehmertums tätig sind, umgesetzt werden können. Ungeachtet
ihrer lokalen Herkunft scheinen diese Handlungsempfehlungen an die Politik in größerem oder
kleinerem Umfang auch für andere Orte in Ostdeutschland und anderswo relevant. Die nachfolgende
Auflistung von Empfehlungen könnte somit als Checkliste für politisch Verantwortliche und lokale
Organisationen dienen, wenn diese sich mit der Neuaufstellung einer Politik der
Unternehmensförderung befassen, durch die der Beitrag des Hochschuldbildungssektors zur
Entwicklung des örtlichen Unternehmertums maximiert wird. Besonderer Nachdruck liegt dabei auf
der Entwicklung von innovativen und wachstumsorientierten Unternehmen durch Nutzung des
vorhandenen wissenschaftlichen und technologischen Kapitals.
Handlungsempfehlungen zur Stärkung von Unternehmertum an Hochschulen und lokalen Beziehungen
zwischen Wissenschaft und Industrie

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
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Einrichtung akademischer Programme rund um Entrepreneurship. Bei Vorhandensein der nötigen
Ressourcen sollten Hochschulen, aufbauend auf dem Interesse einer Vielzahl von Studenten aller
Fachrichtungen, feste akademische Programme rund um Entrepreneurship einrichten. Angemessene
Ergänzungen des Lehrplans sollten über informelle Workshops und Seminare hinausgehen und
interessierte Studenten bei der Vorbereitung zur Führung eines Unternehmens in der realen Welt
vorbereiten. Darüber hinaus sollten Professoren, wissenschaftliches Personal und Verwaltungsangestellte
gleichermaßen mit einer unternehmerischen Einstellung vertraut gemacht werden.
Einführung von Methoden, um Programmauswirkungen zu monitorieren und zu evaluieren. Prozesse
sollten entwickelt und umgesetzt werden, um sozioökonomische Auswirkungen von EntrepreneurshipAusbildung an Universitäten zu evaluieren. Hierdurch ließen sich der Rollenfindungsprozess und der
Einfluss einer Universität innerhalb des regionalen oder lokalen Innovationssystems nachvollziehen,
bewerten und gegebenenfalls auch steuern. Ebenso könnte sich eine Ausweitung des Teilnehmerkreises
der Entrepreneurship-Ausbildung positiv auf unternehmerische Haltungen und Einstellungen von nicht
universitären Unternehmern in der Region auswirken.
Weiterer
Abbau
der
Barrieren
für
Unternehmensgründungen
durch
Professoren
und
Universitätsangehörige. Hochschulen sollten versuchen, bestehende inneruniversitäre Hindernisse für
Unternehmensgründungen durch Professoren und Wissenschaftler weitgehend abzubauen, um so
bestehendes und latentes Kommerzialisierungspotential maximal auszuschöpfen. Langfristig sollten
Professoren Anreize zur Unternehmensgründung erhalten. Solche Anreize könnten eine Reduzierung des
Lehrpensums, Kapitaleinlagen in Unternehmensgründungen oder eine Nutzungsgebühr aus Lizenzen
dieser Unternehmensgründungen beinhalten.
Verstärkt auf intellektuelles Eigentum achten. Hochschulen sollten den Wert des aus der Forschung
resultierenden intellektuellen Eigentums erkennen, dieses energischer beschützen und Möglichkeiten zur
kommerziellen Wertschöpfung wahrnehmen.
Förderung von Spitzeninnovation. Die Vermittlung von Geschäftsbeziehungen zwischen größeren regional
agierenden Unternehmen, die latente und ungenutzte Ressourcen an geistigem Eigentum aufweisen und
diese anbieten wollen, und KMUs, welche über Nutzungskapazität verfügen, sollte Teil der Förderung von
Spitzeninnovationen sein. Kleinere Unternehmen könnten geistiges Eigentum erwerben, lizenziert
verwenden oder gegen eine Provision im eigenen Betrieb einsetzen. Dieses Vorgehen könnte durch eine
spezialisierte Einrichtung begleitet werden, die adäquates Technologie- und unternehmerisches
Verständnis und Bewusstsein besitzt, Kontaktmöglichkeiten erkennt und so einen Austausch initiieren und
erleichtern kann.
170





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Verstärkung der Ausrichtung auf Unternehmen mit hohem Wachstums- und Internationalisierungspotential.
Entrepreneurship-Ausbildung an Universitäten und Fachhochschulen sollte ein größeres Augenmerk auf
wachstumsorientierte Unternehmen und deren Internationalisierung legen. Vorrangiges Ziel sollte hierbei
sein, eine Kultur für Unternehmertum und eigenständige Beschäftigung zu verfestigen. An Hochschulen
ausgebildete Unternehmer sollten inspiriert werden, noch energischer und ehrgeiziger über das Potential
ihrer Unternehmungen nachzudenken.
Hochschule-Industrie-Partnerschaften fördern. Allgemein gesprochen ist eine örtliche Kooperation
zwischen Hochschuleinrichtungen und Unternehmen begrenzt. Die Netzwerkbildung kann jedoch durch
eine koordinierende Organisation erleichtert werden, die von den örtlichen Unternehmen als neutral
angesehen wird und die zumindest einen Spill-over-Effekt von Wissen und Know-how erzeugen kann.
Hochschulen sind in der Regel nicht die Gesprächspartner der örtlichen Unternehmen. Selbst High-TechFirmen und Wachstumsunternehmen richten sich mit Unterstützungs- oder Interaktionsanliegen eher an die
Kammern. Eine engere Zusammenarbeit zwischen den kleinen und mittleren Unternehmen und den
Kammern, eventuell auf stärker formalisierter Ebene, könnte daher zum Abbau von Schwellen und
Barrieren zwischen der Universität und den Firmen beitragen.
Innovationsnutzung durch eine weiter gefasste Gruppe von Firmen. Die bestehende
Innovationsinfrastruktur sollte stärker dazu genutzt werden die Zusammenarbeit zwischen dem
Hochschulsektor, örtlichen Unternehmen (aller Größen) und größeren Firmen andernorts anzukurbeln.
Multinationale Unternehmen vor Ort oder anderswo stellen aufgrund ihres starken Zugangs zu Märkten
eine Chance für die lokale Wirtschaft dar, um Kommerzialisierungsprozesse zu akzelerieren und
aufzuwerten. Derartige Allianzen können dazu beitragen, innovative Produkte und Dienstleistungen unter
marktähnlichen Umständen zu testen und die Zeit-zu-Markt ('time-to-market') Beziehung positiv zu
beeinflussen. Bei der Aufstellung von derartigen Wertschöpfungsstrategien ist es jedoch, wichtig auf den
Schutz von intellektuellem Eigentum zu achten.
Schaffung von Unternehmensinkubatoren erwägen. Inkubationszentren sind ein wichtiges Instrument, um
neuen und kleinen technologieorientierten Unternehmen den Start und die Entwicklung durch Bereitstellung
geeigneter Infrastruktur und maßgeschneiderten Service zu vereinfachen. Konzepte, die sich nicht nur auf
die Zeit im Inkubator beschränken, sondern auch die Phasen davor und danach (Pre-Inkubator und PostInkubator) mit einschließen, ermöglichen durch ein Eingehen auf phasenabhängige Bedürfnisse der
Inkubatorfirmen eine maßgeschneiderte Förderung. Durch eine Post-Inkubationsförderung lassen sich
Kontakte
zwischen
ehemaligen
und
derzeitigen
Inkubationsfirmen,
die
unterschiedliche
Entwicklungsphasen durchlaufen, herstellen. Dies könnte Netzwerkaktivitäten allgemein erleichtern. Der
Erfahrungsaustausch mit erfolgreichen und innovativen Inkubatoren andernorts kann eine
Angebotsoptimierung ermöglichen. Um Bedarf und Nachfrage nach Inkubationseinrichtungen zu ermitteln,
sollten entsprechende Studien durchgeführt werden. Bei nicht ausreichender regionaler Nachfrage sollte
überregionale Zusammenarbeit in Betracht gezogen werden.
Verstärkung internationaler Netzwerkaktivitäten. Eine aktive Teilnahme an internationalen Netzwerken
könnte einen Beitrag zur Internationalisierung der lokalen Wirtschaft leisten. Es ist wichtig, Mitglieder der
Universitätsleitung und Politiker mit Kollegen aus anderen Regionen zusammenzubringen. Als Beispiele
solcher
Netzwerke
können
genannt
werden:
die
Europäische
Vereinigung
Regionaler
Entwicklungsagenturen (European Association of Development Agencies, EURADA) - diese plant gerade
den Start eines europäischen Netzwerks von Universitäten und Regionen -, der Internationale Rat für
Wirtschaftliche Entwicklung (International Economic Development Council, IEDC) in den Vereinigten
Staaten von Amerika, das Netzwerk der Europäischen Business Engel (European Business Angels
Network), die Nationale Vereinigung der Business Inkubatoren (National Business Incubation Association)
sowie die Aktivitäten des Programmes für Lokale Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung der OECD
(Local Economic and Employment Development, LEED).
Weiterentwicklung der Alumni-Netzwerke. Hochschul-Alumni-Netzwerke sollten verstärkt genutzt werden.
Der Zugang zu regelmäßigen Informationen in Form von Newslettern und Mailinglisten sowie das Abhalten
regelmäßiger Treffen zu ausgewählten wissenschaftlichen Themen könnten dabei helfen, den Kontakt zu
halten. Eine Einbindung von erfolgreichen Alumni-Unternehmern kann einen wertvollen Beitrag zur
Entrepreneurship-Ausbildung an Hochschulen darstellen.
171
Box 10. Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in der Förderung von Unternehmertum aus
Hochschulen und sich entwickelnder Verknüpfungen zwischen Hochschulen und Industrie
Zentrum für Innovation und Entrepreneurship (CIE), Universität Linköping – Schweden: Förderung von
Hochschulabsolventen, die ein Unternehmen gründen wollen; und Technologiefirmen den Zugang zur
universitären Forschung und Lehre für die Gründung und Führung von technologieorientierten Unternehmen
erleichtern.
San Diego CONNECT – Vereinigte Staaten von Amerika: Nutzen aus der Notwendigkeit und dem Verständnis
von Innovation als sozialen Prozess, welches auf Interaktion, Entdeckungen, Vertrauen, und den Austausch von
impliziertem Wissen ziehen.
Zentrum für geistige Eigentumsstrategien (CIPS) – Japan: Konzipierung und Verwaltung von geistigen
Eigentumsstrategien in Form eines „one-stop-shops“.
Technology Venture Programme (TVP) – eine Reaktion der Universität Illinois Chicago auf das US Bayh-DoleGesetz von 1980 – Vereinigte Staaten von Amerika: Unternehmen gründen, um universitäres geistiges Eigentum
zu kommerzialisieren.
Enterprise Champions – Vereinigtes Königreich: Unternehmertum mit der Universität verbinden.
Business Inkubator Jyväskylä – Finnland: 360°-Unterstützung für neugegründete Hochtechnologie-Firmen und
junge Unternehmen.
Alumninetzwerke am Rochester Institut für Technologie – Vereinigte Staaten von Amerika: Den Wissens-Pool
und finanzielle Hochschulressourcen erweitern und ausbauen.
172
KAPITEL 5
UNTERNEHMERTUM IM LÄNDLICHEN RAUM
173
FÖRDERUNG DES UNTERNEHMERTUMS IM LÄNDLICHEN RAUM
David Smallbone, Großbritannien
Einleitung
Dieses Diskussionspapier befasst sich mit den Herausforderungen und Möglichkeiten der
Entwicklung von Unternehmertum in ländlichen Gebieten und will damit einen Beitrag zur
Entwicklung politischer Handlungsstrategien zum Wiederaufbau ländlicher Gebiete in Ostdeutschland
leisten. Die Untersuchung basiert auf einer kritischen Sichtung der internationalen Literatur und
Modellen Guter Praxis in den OECD-Mitgliedsländern.
In einem neueren OECD-Bericht (2005) wurden drei spezifische Herausforderungen für ländliche
Gebiete mit Auswirkungen auf unternehmerisches Engagement ermittelt:
Rückläufige Beschäftigungsmöglichkeiten im Primärsektor (vor allem in der Landwirtschaft)
infolge des Strukturwandels, verstärkt durch Veränderungen der Politik, die sich aus
Überprüfungen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (CAP) und durch das Allgemeine
Zoll- und Handelsabkommen (GATT) ergeben. Die Notwendigkeit von Schritten zur
Anregung wirtschaftlicher Aktivität mit beschäftigungswirksamem Potenzial in ländlichen
Gebieten wird deutlich.
Eine alternde Bevölkerung bei gleichzeitiger Abwanderung von jungen Menschen und
eventuellem Zuzug von Personen im Ruhestand; beides wirkt sich auf den Nachwuchs an
potenziellen Unternehmern aus.
Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung einer ausreichenden Anzahl von Einrichtungen
für die Unterstützung wirtschaftlicher Entwicklung, einschließlich einer Reihe
unternehmerischer Dienstleistungen.
Im selben Bericht (OECD op. cit.) wurden jedoch auch neue Möglichkeiten aufgezeigt:
Gestiegene Nachfrage nach ländlichen Nahversorgungsmöglichkeiten seitens der städtischen
Bevölkerung;
Quellen für wirtschaftlichen Erfolg, z.B. dynamische KMU-Cluster; und
Entwicklung von diversifizierten Agroindustrien und ländlichem Tourismus.
Darüber hinaus bieten Entwicklungen in der Kommunikationsindustrie Unternehmen in
ländlichen
Randgebieten
Möglichkeiten
insbesondere
bei
der
Überwindung
von
Entfernungshindernissen. Positiv fiel weiter die Anpassungsfähigkeit kleiner Firmen in ländlichen
Gebieten auf, wodurch externe Umfeldbeschränkungen überwunden werden können (Smallbone et al.
1999, Vaessen und Keeble 1995). Chancen liegen auch in Produkten, in denen sich
175
Qualitätstraditionen und Handwerkskunst, die Verbundenheit mit der Natur und ein Gefühl von
Heimat und Kultur widerspiegeln (Dabson 2001).
Die Heterogenität ländlicher Umgebungen
Bei der Ermittlung von Problemstellungen und Herausforderungen, denen die Politik in
ländlichen Gebieten gegenübersteht, ist die Berücksichtigung der Heterogenität dieser Gebiete sowohl
international als auch landesintern wesentlich. Teilweise zeigt sich diese Heterogenität auch in der
charakteristischen Stellung, die ländliche Gebiete innerhalb ihrer nationalen Volkswirtschaft
einnehmen (z.B. ob sie zentral oder peripher gelegen sind). Andere Unterschiede ergeben sich auf
nationaler und regionaler Ebene und aus möglichen Wegen ländlicher Entwicklung. Ländliche
Randgebiete sind gekennzeichnet durch ihre Entfernung von großen Märkten, Abwanderung,
infrastrukturelle Defizite und durch hohe Abhängigkeit von bodengebundene Wirtschaftsaktivitäten.
Zugängliche oder zentraler gelegene ländliche Gebiete verfügen demgegenüber im Allgemeinen über
eine höhere Bevölkerungsdichte, räumliche Nähe zu Märkten, geringere Abhängigkeit von der
Landwirtschaft und eine diversifiziertere ökonomische Basis (Meccheri und Pelloni 2006).
Folglich befinden sich ländliche Gebiete im Vergleich mit ihren städtischen Entsprechungen im
Hinblick auf unternehmerische Aktivität nicht immer im Nachteil. Tatsächlich gibt es unter den
ländlichen Gebieten große Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistung, da in mehr als einem Drittel
der OECD-Mitgliedsländer die Region mit dem höchsten Beschäftigungswachstum der ländliche
Bereich ist (OECD 2006a). Bessere Fernverkehrsverbindungen und die Zunahme von heimbasierter
Arbeit haben die Kombination eines Lebens im ländlichen Bereich mit gleichzeitiger ertragreicher
Beschäftigung ermöglicht. Dies hat zusammen mit einer gestiegenen Nachfrage nach ländlichen
Werten, einschließlich des gestiegenen Interesses an der Natur, Arbeitskräfte und Investitionen in
einige ländliche Gebiete geholt. Entsprechende Faktoren haben in Ländern wie Frankreich, England
und den Niederlanden zu einer Umkehr des Abwanderungstrends aus ländlichen Gebieten geführt.
Definitionsfragen: Unternehmertum und ländliches Gebiet
Die genannten Unterschiede zwischen ländlichen Gebieten führen zur Frage nach der Definition
von ländlichen Gebieten an sich. In Europa haben so auch einige Autoren in Frage gestellt, ob es vor
dem Hintergrund der Veränderungen in den letzten Jahrzehnten weiterhin sinnvoll ist, von rein
„ländlichen“ Gesellschaften zu sprechen (z.B. Perrier-Cornet und Hervieu 2002). Gleichzeitig haben
andere Autoren die verbleibenden gemeinsamen Charakteristika der ländlichen Gebiete in Europa in
Bezug auf die niedrige Bevölkerungsdichte und die wirtschaftliche, soziale und symbolische
Bedeutung von Naturressourcen hervorgehoben (Ferrao und Lopes 2004). Die vorliegende
Untersuchung anerkennt zwar die Argumente der erstgenannten Ansicht, konzentriert sich jedoch auf
diejenige der zweiten Gruppe. Doch auch hier weichen die Definitionen dessen, was ein „ländliches“
Gebiet ausmacht, noch immer voneinander ab.
Mit Bezug auf die USA hat Shields (2005) ländliche Gebiete als „nicht-städtische Gebiete mit
niedriger Bevölkerungsdichte“ definiert. Das Merkmal der niedrigen Bevölkerungsdichte findet in die
meisten der statistischen Definitionen ländlicher Gebiete Eingang. Die Größenschwellen für
Ansiedlungen, die als Ausschlusskriterium dienen, sind in den einzelnen Ländern jedoch noch immer
sehr verschieden und rangieren in Europa von weniger als 5.000 Einwohnern in der Slowakei bis zu
weniger als 30.000 Einwohnern in Bulgarien (Mandl et al. 2007).
Die OECD hat selbst eine Typologie von städtischen und ländlichen Gebieten, basierend auf drei
Kriterien entwickelt: Bevölkerungsdichte; Prozentsatz der Personen, die in ländlichen Gemeinden
leben; Größe von städtischen Zentren. Damit werden drei Arten von Regionen ermittelt:
176
Vorwiegend ländliche Regionen, in denen mehr als 50% der Bevölkerung in Gemeinden mit
einer Bevölkerungsdichte von unter 150 Einwohnern pro Quadratkilometer leben.
Im Wesentlichen ländliche Regionen/Zwischenregionen, in denen zwischen 15 und 50% der
Bevölkerung in Gemeinden mit einer Bevölkerungsdichte von unter 150 Einwohnern pro
Quadratkilometer leben oder in denen ein städtisches Zentrum mit mindestens 200.000
Einwohnern, das mindestens 25% der Bevölkerung ausmacht, in einer ansonsten vorwiegend
ländlichen Region vorhanden ist.
Vorwiegend städtische Regionen, in denen weniger als 15% der Bevölkerung in Gemeinden
mit einer Bevölkerungsdichte von unter 150 Einwohnern pro Quadratkilometer leben.
In der Literatur finden sich auch zahlreiche Definitionen des Begriffs „Unternehmertum“. In
dieser Untersuchung wird die umfassende Definition aus dem Global Entrepreneurship Monitor
verwendet: „Jeder Versuch des Aufbaus eines neuen Geschäftsunternehmens bzw. der Ausbau eines
bestehenden Geschäftsunternehmens durch eine Einzelperson, ein Team von Einzelpersonen oder ein
bestehendes Unternehmen“ (Zacharis et al. 2000). Enger gefasste Definitionen konzentrieren sich eher
auf die Schaffung von Neuheiten (z.B. Wennekers und Thurik 1999) durch Unternehmen mit hohem
Wachstumspotenzial, die einen besonders starken potenziellen Beitrag zur wirtschaftlichen
Entwicklung leisten. Einige Autoren haben jedoch schon früher mit Nachdruck festgestellt, dass in
vielen ländlichen und benachteiligten Gebieten „alle Arten von kleinen Unternehmen gebraucht
werden – solche mit hohem Wachstumspotenzial und solche, die zu Lifestyle-Zwecken oder zur
Selbstversorgung gegründet wurden und in erster Linie lokale Bedürfnisse abdecken“ (Dabson 2001,
S. 36). Die vorliegende Untersuchung teilt diese Ansicht, da die Zukunftsfähigkeit ländlicher
Gemeinden eine solche Mischung erfordert.
Die Untersuchung gliedert sich in drei Hauptabschnitte: Im ersten werden die wichtigsten
Politikfragen und Herausforderungen für die Entwicklung von Unternehmertum in ländlichen
Gebieten herausgearbeitet; der zweite Abschnitt beschreibt die verschiedenen Ansätze der Politik in
Bezug auf ländliche Unternehmen in OECD-Mitgliedsländern; der dritte Abschnitt schließlich befasst
sich mit den Implikationen für Unternehmenspolitik in den ländlichen Gebieten von Ostdeutschland.
Probleme und Herausforderungen der Politik in Bezug auf die Entwicklung von
Unternehmertum in ländlichen Gebieten
Besonderheiten des ländlichen Raums
Ein Kernthema im Rahmen dieser Untersuchung ist die Frage, inwieweit sich ländliche Gebiete
aus unternehmerischer Sicht von städtischen unterscheiden. In Bezug auf die USA hat man
beispielsweise angenommen, dass ländliche Milieus Eigenschaften aufweisen, die einen
unverwechselbaren Kontext für kleine Unternehmen darstellen. So haben beispielsweise die
Ergebnisse einer Studie zu 76 ländlichen Unternehmen in der mittelatlantischen Region der USA die
Hypothese klar gestützt, dass die Eigentümer ländlicher Kleinunternehmen ihr Geschäft in
Übereinstimmung mit ländlichen soziokulturellen Werten führen, woraus der beträchtliche Einfluss
ländlicher Besonderheiten auf die Aktivitäten von Kleinunternehmen hervorgeht (Shields 2005, S. 59).
Die Beispiele zeigen auch die Bedeutung, die die Eigentümer ländlicher Kleinbetriebe der Mund-zuMund-Propaganda und dem Vorrang von familiären, freundschaftlichen und nachbarschaftlichen
Beziehungen für den erfolgreichen Betrieb ihrer Unternehmen beimessen. Shields ist der Ansicht, dass
aus diesen Ergebnissen ein Zurücktreten von formalen Quellen der Unternehmensberatung hinter
Familie, Freunde und Nachbarn hervorgeht, worin sich die Rolle der Einbettung (d.h. ein Individuum
177
ist in eine Gemeinschaftsstruktur integriert und hilft bei der Aufrechterhaltung dieser
Gemeinschaftsstruktur) in den unternehmerischen Prozess zeigt (Jack und Anderson 2002).
Andere in den USA durchgeführte Studien weisen als unterscheidende Faktoren für kleine
Unternehmen in ländlichen Gebieten auf die niedrige Bevölkerungsdichte (Drabenstott 1999), auf das
im Vergleich mit städtischen Gebieten niedrigere Verbrauchereinkommen und den niedrigeren
Bildungsstand (Economic Research Service of the US Department of Agriculture 2003) und auf
soziokulturelle Werte hin (Allen und Dillman 1994).
Politische Initiativen mit dem Ziel der Förderung von Unternehmensgründungen und
Unternehmenswachstum in ländlichen Gebieten haben die besonderen Herausforderungen, denen
diese Gebiete gegenüberstehen, zu berücksichtigen. Diese hängen mit drei Hauptaspekten zusammen:
Besondere wirtschaftliche Rahmenbedingungen; Eigenschaften von ländlichen Bevölkerungen;
Aspekte der bestehenden Wirtschaftsstruktur.
Merkmale der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in ländlichen Gebieten
Zu den besonderen Merkmalen der ländlichen Wirtschaft gehören: Die geringe Größe lokaler
Märkte; besondere Charakteristika ländlicher Arbeitsmärkte; Verfügbarkeit von Geschäfts- und
Gewerberäumen; Transport- und Kommunikationsinfrastruktur; Zugang zu Informationen, Beratung
und Dienstleistungen; Finanzierungsmöglichkeiten; institutionelles Umfeld. Diese Faktoren werden im
Folgenden genauer untersucht.
Geringe Größe lokaler Märkte
Selbstverständlich besteht einer der möglichen Nachteile für ländliche Betriebe im Vergleich mit
ihrem städtischen Gegenpart in der geringen Größe des lokalen Marktes, der im Allgemeinen mit der
niedrigen Bevölkerungsdichte und in einigen Fällen mit niedrigen Pro-Kopf-Einkommen und
Haushaltseinkommen einhergeht (Economic Research Service of the US Department of Agriculture
2003). Gleichzeitig ist das Ausmaß, in dem ländliche KMU von lokalen Märkten abhängig sind, in den
einzelnen Sektoren unterschiedlich (North und Smallbone 1996). Dementsprechend wurden
hinsichtlich ihrer Abhängigkeit vom ländlichen Standort Unterschiede zwischen Produktionsbetrieben
und Dienstleistungs-/Einzelhandelsbetrieben festgestellt. Produktionsbetriebe verkaufen im Normalfall
erheblich weniger an dauerhaft Ortsansässige und sind folglich weniger besorgt über eine
Vervielfältigung des Angebots durch andere lokale Produkte (was einige Autoren als eine implizite
Kooperationsstrategie beschreiben) (Shields 2005, S. 60). Eingriffe seitens der Politik müssen die
unterschiedlichen
Auswirkungen
des
ländlichen
Raums
auf
Produktionsund
Dienstleistungsunternehmen berücksichtigen.
Eine der Folgen kleiner Lokalmärkte besteht darin, dass wachstumsorientierte Unternehmen,
besonders wenn sie in ländlichen Randgebieten ansässig sind, in einem früheren Stadium ihrer
Entwicklung in nicht-lokale Märkte vordringen müssen als dies bei im städtischen Raum ansässigen
Unternehmen der Fall ist. Dies hat Auswirkungen auf die externe Unterstützung, derer sie mit
Wahrscheinlichkeit bedürfen (Smallbone et al. 1993a; 2003). Bei stark wachstumsorientierten Firmen
wird diese Unterstützung in der Regel von Anfang an benötigt. Gleichzeitig haben die gesunkenen
Transportkosten (und die verbesserte Kommunikationstechnologie) im Laufe der Zeit für ländliche
Unternehmen zu einer erheblichen Ausweitung potenzieller Marktbereiche geführt (Freshwater 2000).
Dennoch brauchen kleine Unternehmen oft Hilfe, um dieses Potenzial voll ausschöpfen zu können.
Einer der Wege zur Anpassung an peripher gelegene ländliche Standorte, der von kleineren
Firmen eingeschlagen wurde, besteht in der Spezialisierung auf bestimmte Nischenmärkte, in denen
178
die durchschnittliche Anzahl von Wettbewerbern niedriger ist als in anderen Bereichen (Keeble 1993,
Cosh und Hughes 1998). Tatsächlich geht aus Untersuchungen auf beiden Seiten des Atlantiks hervor,
dass hinsichtlich des geographischen Marktumfangs ländliche Unternehmen im selben Ausmaß
Zugang zu Exportmärkten haben wie Unternehmen im städtischen Bereich (Gale 1998). Diese
Feststellung wird gestützt durch die Ergebnisse einer Langzeitstudie in Großbritannien, in deren
Rahmen das Exportverhalten und die entsprechenden Verfahren von 621 in ländlichen bzw. in
städtischen Gebieten ansässigen Firmen untersucht wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass der Anteil an
Firmen, die einen Export von Waren und Dienstleistungen zu verzeichnen hatten, unter den ländlichen
Firmen größer als unter den städtischen war. Gleichzeitig zeigte sich, dass ländliche Unternehmen
stärker durch Reaktion auf Initiativangebotsanfragen von ausländischen Kunden auf ausländische
Märkte vordringen konnten als städtische Unternehmen, die im Rahmen ihres Exportmarketings
tendenziell proaktiver vorgingen. Eine der sich für die Politik ergebenden Schlussfolgerungen der
Autoren ist die Notwendigkeit eines verbesserten Zugangs zu Marktinformationen für ländliche
Unternehmen, durch die deren Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden kann (Westhead et al. 2001).
Insgesamt zeigen die Untersuchungen jedoch, dass Unterstützung bei der Entwicklung eines
strategischeren Zugangs zu ausländischen Märkte erforderlich ist (Wyer und Smallbone 1999).
Besondere Charakteristika ländlicher Arbeitsmärkte
Zum eingeschränkten Umfang lokaler Produktmärkte kommt oft noch eine geringe Größe und
wenig aufgefächerte Zusammensetzung ländlicher Arbeitsmärkte, was sich für rasch wachsende KMU
als hinderlich erweisen kann. Aus einer Untersuchung von innovativen Kleinunternehmen in
ländlichen Gebieten von Devon und Cornwall in Großbritannien geht zum Beispiel hervor, dass der
„Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften“ eine der am häufigsten genannten Hindernisse für ländliche
Unternehmen ist. Hier machen sich die geringe Größe und das schmale Angebot auf ländlichen
Arbeitsmärkten bemerkbar (Smallbone et al. 2003).
Freshwater (2000) geht für die ländlichen Arbeitnehmer von einem niedrigeren Bildungs- und
Qualifizierungsstand aus als in städtischen Gebieten. Er weist jedoch darauf hin, dass dies historisch
betrachtet kein größerer Hinderungsgrund für die ländliche Entwicklung war, da die spezifischen
Aktivitäten in ländlichen Gebieten den Ausgleich eines niedrigeren Qualifizierungsstandes
ermöglichen, entweder standortbedingt oder aber durch stellenspezifische Erfahrungen und/oder durch
informale Ausbildung innerhalb der Familie oder der örtlichen Gemeinschaft. Hohe Raten beruflicher
Nachfolge neben einem begrenzten Umfang an beruflichen Auswahlmöglichkeiten verstärkten diesen
Prozess. Traditionelle Berufsmöglichkeiten werden jedoch zunehmend rar, und neue
Beschäftigungsmöglichkeiten in aufstrebenden Sektoren, wie betriebliche Dienstleistungen und IT,
verlangen im Normalfall einen größeren Umfang an Ausbildung und Qualifizierung als traditionelle
Tätigkeiten. In diesem Kontext könnte sich die Qualifizierungsbasis der ländlichen
Arbeitnehmerschaft als Hemmnis für die Entwicklung von Unternehmen im ländlichen Raum
erweisen. Darüber hinaus ist der Zugang zu entsprechenden Schulungs- und Ausbildungsmaßnahmen
in Gebieten mit niedriger Bevölkerungs- und Wirtschaftsdichte unter Umständen teurer.
Verfügbarkeit von Geschäfts- und Gewerbeflächen
Während es in städtischen Gebieten im Allgemeinen ein großes Angebot an Immobilien für
Unternehmen unterschiedlichster Größen gibt, ist dies in ländlichen Gebieten keineswegs so.
Untersuchungen haben gezeigt, dass sich trotz vergleichsweise niedrigerer Kosten für Geschäfts- und
Gewerbeflächen in ländlichen Gebieten (z.B. Welsh Assembly Government 2002) für wachsende
Unternehmen Schwierigkeiten ergeben können, da größere Betriebsstätten innerhalb einer kurzen
Distanz zu ihrem jeweiligen Standort unter Umständen nicht verfügbar sind (Keeble et al. 1992). In
einigen ländlichen Gebieten wirken sich auch Planungskontrollen, die dem Umweltschutz in diesem
179
Gebiet dienen, auf die Verfügbarkeit von Geschäfts- und Gewerbeflächen aus. Die Wirtschaftspolitik
hat auf die Nachfrage nach mehr Geschäfts- und Gewerbeflächen ohne die mit neuen Gebäuden
verbundenen negativen Auswirkungen auf die Umwelt unter anderem mit sog. Redundant Buildings
Grants Schemes, d.h. mit Umwandlungszuschüssen reagiert, mit denen die Umwandlung bereits
bestehender Gebäude zum Zweck der geschäftlichen Nutzung gefördert wird. Zusammengefasst lässt
sich sagen: Ein beschränktes Angebot an Geschäfts- und Gewerbeflächen widerspiegelt unter
Umständen geringe Renditen für Bauträger an Standorten mit geringer unternehmerischer Aktivität,
wodurch die Nachfrage nach entsprechenden Betriebsstätten naturgemäß gering ist. Unter diesen
Umständen liegt ein Fall für das Eingreifen der öffentlichen Politik vor, um so den Markt für
Geschäfts- und Gewerbeflächen zu stimulieren.
Transport- und Kommunikationsinfrastruktur
Die Entlegenheit vieler ländlicher Gemeinden stellt kleine Unternehmen vor transportbedingte
logistische Herausforderungen, da die Bevölkerungsverteilung sehr gestreut ist (Barkema und
Drabescott 2000) und Entfernungen zu großen nationalen Märkten beträchtlich sein können. In einigen
Ländern verstärken die Entfernungen zwischen Knotenpunkten in schwach besiedelten Regionen bzw.
zwischen ländlichen und städtischen Gebieten die negativen Auswirkungen von Gelände und rauen
klimatischen Bedingungen. Die Infrastruktur ist in diesem Falle besonders wichtig, da sie sich auf die
Fähigkeit einer Region auswirkt, Unternehmen und Menschen anzuziehen und am Ort zu halten
(OECD 2006a).
Gleichzeitig bietet der effektive Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien für
ländliche und peripher gelegene Unternehmen ein Mittel zur Überwindung von Problemen aufgrund
räumlicher Distanz, soweit die entsprechende Infrastruktur verfügbar ist. Entlegene ländliche Gebiete
sind aufgrund der relativ niedrigen und verstreuten Nachfrage im Bereich von Investitionen in die
Telekommunikationsinfrastruktur oftmals benachteiligt (Warren 2000). Folglich wird berichtet, dass
beispielsweise in den USA ländliche Gemeinden in Bezug auf Investitionen in die Infrastruktur und
hinsichtlich der Bandbreitenkapazitäten hinter städtischen Gebieten zurückbleiben (Leatherman 2000),
was auf eine Verbindung aus Entfernung und niedriger Bevölkerungsdichte zurückgeführt wird.
Gleichzeitig gibt es Hinweise dafür, dass DSL-Anbieter sich durch verstreute Nachfrage und relativ
hohe Kosten nicht von Investitionen in entlegene ländliche Gebiete abhalten lassen und dass die den
Verbrauchern in Rechnung gestellten Preise nicht notwendig höher sein müssen (OECD 2003). Das
Problem gestaltet sich wahrscheinlich in den einzelnen Ländern aufgrund unterschiedlicher Marktund Regulierungsbedingungen unterschiedlich.
Andere Probleme in Zusammenhang mit der Kommunikationsinfrastruktur betreffen die
Mobilfunkabdeckung. In Großbritannien etwa hat es keiner der Lizenzinhaber bislang geschafft, eine
vollständige Abdeckung im ganzen Land anzubieten (Cabinet Office 1999). Dies kann insbesondere
für Selbständige und Inhaber von Kleinstbetrieben in einigen entlegenen ländlichen Gebieten zum
Problem werden, zumal für Personen, die Dienstleistungen anbieten, zu welchen sie sich für längere
Zeiträume außerhalb der eigenen Büros aufhalten müssen, und die als Firma dennoch zu klein sind,
um sich eine Vollzeitkraft fürs Büro leisten zu können. Für diese Personengruppe ist eine
uneingeschränkte Netzabdeckung für die Ermöglichung von Kontakten zu potenziellen Kunden
unentbehrlich.
Zugang zu Informationen, Beratung und Geschäftsdienstleistungen
Ein weiterer möglicher Nachteil für Unternehmen in ländlichen Gebieten ist eine im Vergleich zu
in Städten ansässigen Unternehmen durchschnittlich größere Distanz zu Unternehmensberatung und
unterstützenden Dienstleistungen, die der Markt liefert, z.B. durch Banken, Wirtschaftsprüfer und
180
Berater. Ferner gibt es Hinweise dafür, dass ländliche Unternehmen infolge der schlechten Qualität
von Dienstleistungen, die durch entsprechende Marktmechanismen erbracht werden, im Nachteil sein
können. Selbst bei Verfügbarkeit entsprechender Dienstleistungen sind diese oft eher auf die
Bedürfnisse von Landwirten als auf die von anderen Unternehmertypen in ländlichen Gebieten
zugeschnitten (Hitchens 1997). In diesen Fällen ist die Bereitstellung von Hilfeleistungen durch den
öffentlichen Sektor zur Überwindung der verschiedenen Marktlücken und Beschränkungen besonders
wichtig.
Ergebnisse aus einer Studie über Kleinunternehmen an fünf repräsentativen Standorten in
Großbritannien weisen nachdrücklich auf den Einfluss der Entfernung bezüglich der Neigung kleiner
Firmen zur Inanspruchnahme von Unternehmensberatung hin (Bennett et al. 2000). Die Studie hat
gezeigt, dass die ausschlaggebenden Faktoren auf der Nachfrageseite Recherche- und
Informationskosten und auf der Lieferseite Beschränkungen aufgrund der örtlichen Geschäftsstruktur
waren. Aufgrund beider Faktorenreihen sind große Agglomerationszentren gegenüber kleineren im
Vorteil, was wiederum die Nachteile von Unternehmen in ländlichen (und insbesondere in entlegenen
ländlichen) Bereichen in dieser Hinsicht verdeutlicht (Bennett und Smith 2002). Man hat die
Auffassung vertreten, dass die Ergebnisse klar für Eingriffe des öffentlichen Sektors an Standorten
sprechen, an denen KMU aufgrund ihres Standorts Schwierigkeiten beim Zugang zu wichtigen
Beratungsquellen haben, d.h. in ländlichen und insbesondere in eher peripher gelegenen ländlichen
Gebieten (Bennett und Smith, op. cit.).
Finanzierungsmöglichkeiten
Obgleich Finanzierung für kleine Unternehmen auch allgemein und ungeachtet ihres Standorts
ein Hindernis darstellt, wurde in der Literatur darauf hingewiesen, dass ländlichen Unternehmen in
den USA zumindest historisch Finanzierungsmöglichkeiten verwehrt blieben, da von den Investoren
bevorzugte Unternehmenstypen (d.h. Firmen mit hohem Wachstumspotenzial, allgemein größere
Firmen) in ländlichen Gebieten eher gering vertreten sind (Drabenshott und Meeker 1999). Folglich
weisen Drabenstott und Henderson (2006) auf den Bedarf nach einer Erhöhung der Verfügbarkeit von
Kapitalfinanzierung in ländlichen Gebieten hin und führen dabei innovative Beispiele an, z.B. die
Nebraska Community Foundation und andere kommunale Entwicklungsfonds, die gemeinnützige
Stiftungen zum Zweck der Aufbringung von Kapitalmitteln zusammenführen und Leistung in Bezug
auf wirtschaftlichen Nutzen sowie in Hinblick auf finanzielle Ergebnisse messen. Da
Beteiligungsfinanzierungen nur für eine kleine Minderheit von Unternehmen mit potenziell hohen
Wachstumsmöglichkeiten von Bedeutung sind, fällt der kleine Prozentsatz von Firmen, die nach
Beteiligungskapital suchen oder dieses akzeptieren würden, in der Praxis nicht stärker ins Gewicht.
Insgesamt haben sich relativ wenige Studien hauptsächlich mit Finanzierungsmöglichkeiten für
ländliche Unternehmen befasst. Eine Ausnahme bildet eine in Großbritannien von Mason und
Harrison (1993) durchgeführte Studie, in der auch die Möglichkeiten für ländliche Betriebe in Bezug
auf externes Kapital untersucht wurden, und zwar bei Unternehmen in ländlichen Fördergebieten im
Vergleich mit anderen geförderten und nicht geförderten Gebieten. Obgleich die Untersuchung in
erster Linie bestätigte, dass nur ein kleiner Anteil von KMU (in sämtlichen Bereichen) nach
Fremdkapital gesucht hatte, gab es keinen Nachweis dafür, dass Firmen in abgelegenen ländlichen
Gebieten gegenüber anderen Firmen benachteiligt wären. Ähnlich gelangte eine
Vergleichsuntersuchung über neu gegründete Unternehmen unter Eigentümerleitung (Westhead 1995)
zu dem Ergebnis, dass ländliche Unternehmen über eine vergleichbare Finanzbasis wie ihre
städtischen Vergleichspartner verfügen und dass es keine Hinweise auf Nachteile in Bezug auf die
Eigenkapitalausstattung gibt. Es wurde jedoch ersichtlich, dass die Verbreitung und der Zugang zu
Informationen über Finanzierungsmöglichkeiten in ländlichen Gebieten verbessert werden müssen, da
Westhead zu dem Ergebnis gelangt war, dass Unternehmensgründer im städtischen Bereich mehr
181
Finanzierungsmöglichkeiten durch
Vergleichspartner auf dem Land.
Finanzierungseinrichtungen
ermitteln
konnten
als
ihre
Institutionelles Umfeld
Einer der wichtigsten externen Faktoren mit Einfluss auf Art und Umfang von Unternehmertum
sind Verhalten und Ausrichtung von örtlichen Institutionen. Dazu kann das Argument vorgebracht
werden, dass diesen Faktoren in postsozialistischen Volkswirtschaften eine besondere Bedeutung
zukommt (z.B. Smallbone und Welter 2006), also auch in den neuen Bundesländern. Gestützt wird
diese These durch Belege aus benachbarten ländlichen Gebieten in Polen. Piasecki und Rogut (2004)
weisen hier auf den Bedarf nach einer Stärkung der Bereiche Bildung und Ausbildung,
Marktinstitutionen und Bankensystem hin. Basierend auf der polnischen Studie wurde auch
argumentiert, dass entsprechende Entwicklungen Hand in Hand mit einer umfassenderen kommunalen
Selbstverwaltung erfolgen müssen, um so seitens kommunaler Einrichtungen und Gemeinden zu mehr
Innovation anzuregen. Dieses Thema wird im weiteren Verlauf der vorliegenden Untersuchung in
Bezug auf die ostdeutschen Bundesländer entwickelt. Der Aufbau einer geeigneten Bildungs- und
Ausbildungsinfrastruktur zur Unterstützung des Unternehmertums stellt auch für ländliche Gebiete in
Portugal, in denen das Fehlen einer Unternehmenskultur festzustellen ist (North und Smallbone 2006),
eine zentrale Priorität für politische Initiativen dar.
Merkmale ländlicher Bevölkerungen
Die zweite Gruppe von Faktoren, die sich auf die Neigung zu unternehmerischem Engagement
innerhalb eines Gebietes auswirkt, bezieht sich auf die Charakteristika seiner Bevölkerung. Dies
betrifft erstens die Möglichkeit der Entwicklung einer unternehmerischen Kultur, zweitens die Art, die
Zusammensetzung und den Umfang des sozialen Kapitals, das eine bedeutende potenzielle Ressource
für die unternehmerische Entwicklung darstellen kann, und drittens die Zuwanderung.
Unternehmerische Kultur und Grundhaltung
Der Unternehmenskultur wird allgemein ein wichtiger Einfluss auf die Entwicklung des
Unternehmertums zuerkannt. Es handelt sich dabei allerdings um einen sehr schwer definierbaren und
kategorisierbaren Begriff. Morgan (1997) definiert Kultur als einen „fortlaufenden Prozess der
Konstruktion von Realität, der dazu führt, dass Menschen Handlungen und Situationen in bestimmter
Weise einordnen“. Diesbezüglich sprechen einige Autoren in Bezug auf bestimmte ländliche Gebiete
in den USA von einer identifizierbaren Kultur, die sich auf Geschäftspraktiken und Unternehmertum
auswirken kann (Westhead und Wright 1998). Shields (2005) hebt jedoch hervor, dass dies eher auf
Annahmen als auf handfesten Nachweisen beruht und bezieht sich dabei auf das Fehlen quantitativer
empirischer Untersuchungen über die Beziehung zwischen vorherrschenden soziokulturellen
Merkmalen des Alltagslebens in ländlichen Gebieten und dortiger Geschäftspraxis.
Shields (2005 op. cit.) anerkennt auf der Grundlage der Literatur, dass ländliche Gemeinden
durch distinktive soziokulturelle Werte und Präferenzen charakterisiert sind, die sich mittels ihres
Einflusses auf Geschlechterrollen, Kooperation, Kommunikation und Vernetzung auch auf die
Entwicklung von Kleinunternehmen auswirken können. Geschlechterrollen beispielsweise sind
weniger durch Gleichheit geprägt als in städtischen Gebieten, und traditionelle Auffassungen
bezüglich einer bestimmten geschlechtsspezifischen Identität können sich für Frauen als
Unternehmensinhaberinnen als hinderlich erweisen (Tigges und Green 1994). Gleichzeitig findet
Shields keinen Nachweis dafür, dass Geschlechterstereotypen sich auf weibliches Unternehmertum in
ländlichen Gebieten signifikant ausgewirkt hätten.
182
Die in Ostdeutschland durchgeführten Fallstudien betonen den Effekt der „Pfadabhängigkeit“ bei
der Einstellung gegenüber Unternehmertum und der Bereitschaft zum Aufbau eines Unternehmens.
Dieses Merkmal ist in postsozialistischen Volkswirtschaften allgemein verbreitet und beschränkt sich
nicht allein auf ländliche Gebiete. Es schränkt die Möglichkeiten ländlicher Standorte zur
Hervorbringung dynamischer Unternehmer mit neuen Geschäftsprojekten ein. In diesem Fall
verbindet sich Ländlichkeit mit den Effekten des Übergangs von der zentralen Planwirtschaft. Es wird
klar, wie sehr Fragen der ländlichen Entwicklung mit ortsspezifischen Faktoren verknüpft sind.
Soziales Kapital
Hinsichtlich des sozialen Kapitals gelten enge und starke Bindungen als Charakteristika
ländlicher Gemeinden, wo Menschen eher auf langfristige, enge, vertrauensvolle und
nachbarschaftszentrierte Beziehungen bauen als in ihren städtischen Vergleichsgebieten (Beggs et al.
1996). Aus dieser Situation können sich für das Unternehmertum durchaus Ressourcen ergeben.
Insbesondere basiert soziales Kapital in ländlichen Gebieten auf der Interaktion zwischen Individuen
in formellen und informellen Netzwerken. Dazu gehören soziales Vertrauen und manchmal eine
kulturelle Dimension, die sich bei der ländlichen Bevölkerung gegenüber der städtischen in einem
verstärkten Engagement im Bereich freiwilliger Aktivitäten ausdrückt (Mandl et al. 2007).
Bezüglich der neuen EU-Mitgliedstaaten kommt Valentinov (2003) zu dem Ergebnis, dass das
soziale Kapital eine der ausschlaggebenden Determinanten des sozioökonomischen Wohlstands
ländlicher Gemeinden ist, die sich im Übergang zu einer marktorientierten Wirtschaft befinden.
Gleichzeitig wurde argumentiert, dass soziales Kapital im Hinblick auf wirtschaftliche Zwecke in
ländlichen Gebieten weniger als in städtischen zum Tragen kommt. Hierin liegt eine spezifische
Herausforderung für kommunalpolitische Handlungsträger. Ein weiterer Faktor mit Auswirkungen auf
die Verwertbarkeit persönlicher Netzwerke für Geschäftsentwicklungszwecke ist deren
Zusammensetzung. Bei unterentwickeltem Unternehmertum bestehen geringere Chancen, dass sich im
persönlichen Netzwerk eines potenziellen Unternehmers Personen befinden, die über Wissen und
Fähigkeiten und/oder Kontakte mit möglichen praktischen Inputs für den Unternehmer verfügen.
Lokale Entwicklungseinrichtungen, zu denen Regierungsvertreter, kommunale Einrichtungen,
Entwicklungsagenturen, Unternehmen und Geschäfte, Berufsverbände sowie freiwillige und
kommunale Organisationen gehören, stellen eine Möglichkeit der Wertschöpfung aus dem zugrunde
liegenden sozialen Kapital dar, das in ländlichen Gemeinden vorhanden ist (OECD 1990). Tatsächlich
zielen die EU-Programme Leader und Leader+ auf den Aufbau örtlicher Aktionsgruppen ab, die das
Bewusstsein für ländliche Entwicklungsmaßnahmen stärken und einen längerfristigen Lernprozess in
Kraft setzen sollen. Daraus ergibt sich im Rahmen der ländlichen Entwicklung ein stark kommunal
basierter Bottom-Up-Ansatz (Shucksmith et al. 2006).
Obgleich verschiedene Studien soziales Kapital als einen der potenziellen Vermögenswerte für
ländliche Unternehmen ansehen, sind die empirischen Nachweise zur Stützung dieser Annahme
beschränkt. Meccheri und Pelloni (2006) meinen, dass aufgrund der starken Präferenz ländlicher
Unternehmen für einen lokalen Zugang zu unternehmerischer Betreuung ein wichtiges Ziel für die
institutionelle Politik die Mobilisierung von Ressourcen (z.B. Wagniskapital) sein müsse, die für die
unternehmerische Entwicklung in der örtlichen Kommune eventuell vorhanden sind. Ländliche
Fördernetzwerke, die von lokalen Institutionen gesponsort werden, sind eine mögliche Antwort auf
eine Verknüpfung ländlicher Unternehmer und neuer Beschaffungsmöglichkeiten hinsichtlich Kapital,
Mitarbeitern, Partnerschaften und unternehmerischen Dienstleistungen (Dabson 2001). Entsprechende
Netzwerke können verschiedene Formen annehmen, dazu zählen auch Business Angel
Investorennetzwerke, nicht-traditionelle Wagniskapitalfonds und Inkubatorennetze, die den jeweiligen
örtlichen Bedürfnissen und Bedingungen entsprechen.
183
Die Rolle der Zuwanderung
In einigen Ländern führen die Lebensqualität und der landschaftliche Reiz vieler ländlicher
Gemeinden zu einer Zuwanderung. Unter den Zuwanderern befindet sich auch ein gewisser Anteil von
Personen mit unternehmerischer oder geschäftlicher Erfahrung (Dabson 2001). Wo ein solcher Trend
vorliegt, kann die Immigration in einem ländlichen Gebiet zu einer verstärkten unternehmerischen
Kapazität beitragen: Direkt, sofern Zuwanderer selbst neue Ventures gründen, jedoch auch indirekt,
wenn sie ihre Erfahrung dortigen Unternehmern (und/oder sozialen Unternehmen) zur Verfügung
stellen, indem sie als Mentoren oder Berater fungieren.
Studienergebnisse aus Großbritannien haben gezeigt, dass Zuwanderer in einer ländlichen Region
sich eher in Sektoren mit externer Ausrichtung konzentrieren, während seit Geburt ortsansässige
Personen eher im Bereich lokaler Dienstleistungen tätig sind. Im Rahmen derselben Studie hat sich
gezeigt, dass zugewanderte Unternehmer über einen größeren Umfang an informellen
Geschäftskontakten außerhalb der Region verfügen, und auch das Absatzvolumen in diesem Bereich
war größer (Centre for Rural Economy 2000). Gleichzeitig muss man bei der Interpretation der
Implikationen dieses Ergebnisses für die Politik vorsichtig sein, da viele Zuwanderer erst im bzw.
nahe am Rentenalter in ländliche Gebiete ziehen. Auch wenn ein Teil dieser Gruppe unternehmerische
Aktivitäten aufnimmt, ist dies unter Umständen keine Vollzeitbeschäftigung und/oder es bestehen
keine Absichten bezüglich eines Geschäftsausbaus oder der Beschäftigung anderer Personen.
Ähnlich
haben einige
US-Studien
Verhaltensunterschiede
festgestellt
zwischen
Kleinunternehmen, die sich im Besitz von kurzfristig ansässigen Personen befinden, und
Kleinunternehmen im Besitz von länger ansässigen Vergleichspersonen, und zwar sowohl in Bezug
auf ihren Kundenstamm als auch hinsichtlich der Neigung zu starken Bindungen. Die erste Gruppe
legte dabei weniger Wert auf die Beziehungen zur Familie, zu Freunden und Nachbarn. Ob sich hierin
Schwierigkeiten bei der Aufnahme in die Gemeinschaft oder eine positivere Nutzung größerer
Netzwerke durch Newcomer widerspiegelt, konnte nicht klar aufgezeigt werden. Anderson und
McAuley (1999) sind der Auffassung, dass sich dabei grundsätzliche Unterschiede in den von den
Mitgliedern der beiden Gruppen gegründeten Unternehmen manifestieren.
Merkmale ländlicher Unternehmen und die Wirtschaftsstruktur ländlicher Gebiete
Die unternehmerische Leistung einer Region und ihr Veränderungspotenzial sind auch von der
Struktur und Leistung ihrer bestehenden Unternehmen abhängig. In diesem Abschnitt werden die
Ergebnisse hinsichtlich Größenzusammensetzung, Sektorenstruktur sowie Innovations- und
Wachstumsergebnissen ländlicher Unternehmen überprüft.
Größe
Unternehmen in ländlichen Gebieten sind im Allgemeinen kleiner als ihre städtischen
Gegenstücke und weisen einen höheren Anteil an Kleinst- und Ein-Mann-Betrieben auf, was darauf
schließen lässt, dass sie ihren Bedarf aus eigenen Ressourcen abdecken können. Kleinstunternehmen
sind allerdings nicht nur zahlenmäßig vorherrschend, in einigen Regionen bestehen sie größtenteils
aus einem einzigen Eigentümer/Geschäftsführer, d.h. es werden keine weiteren Arbeitskräfte
beschäftigt (Centre for Rural Economy 2000). Die geringe durchschnittliche Firmengröße in
Kombination mit geringer Verbreitungsdichte und entlegenen Standorten erschwert die Bereitstellung
von Unternehmensberatungsdiensten für ländliche Unternehmen und steigert im Vergleich zu
städtischen Gebieten potenziell die Kosten entsprechender Leistungen. Darüber hinaus handelt es sich
bei Kleinstunternehmen um eine für außerbetriebliche Agenturen bekanntermaßen „schwer
erreichbare“ Gruppe, da Managementzeit in diesen Firmen für das Ausfindigmachen und die
184
Inanspruchnahme von externer Hilfe nur sehr begrenzt zur Verfügung steht und zudem seitens der
Geschäftsinhaber bezüglich des Wertes externer Unterstützung nur geringe Wertschätzung besteht.
Sektorenmix
Traditionell bestanden in der wirtschaftlichen Struktur städtischer und ländlicher Gebiete
sektorale Unterschiede, die bestimmte potenzielle Auswirkungen auf die unternehmerische
Entwicklung haben. Es handelt sich hierbei jedoch um einen Aspekt der ländlichen Entwicklung, der
sich in jüngerer Zeit in reifen Marktwirtschaften verändert hat und sich weiter fortentwickelt. In den
USA beispielsweise ist die traditionell auf der Landwirtschaft basierende ländliche Wirtschaft
mittlerweile von einer Mischung aus Produktionsdiensten, Freizeitangeboten und nichtlandwirtschaftlichen Leistungen abhängig (Whitener und McGranahan 2003). Traditionelle Branchen
wie Landwirtschaft und Bergbau sind nicht mehr die Hauptbeschäftigungsfaktoren, da neue
wirtschaftliche Aktivitäten ihren Einzug in ländliche Gebiete gehalten haben. Produktion und
insbesondere Dienstleistungen bringen zunehmend neue Arbeitsplätze. Gleichzeitig kann das Fehlen
einer wirtschaftlichen Diversifikation in einigen ländlichen Gebieten zu Abhängigkeit von einem
einzigen Produktionsbetrieb führen, was bedeutet, dass die meisten kommunalen Institutionen diesem
einen Unternehmen und seinen Angestellten in gewisser Weise dienstbar sein müssen (Dabson 2001).
Die negativen Auswirkungen der Dominanz großer Betriebsstätten auf das Vorhandensein und die
Qualität von Unternehmertum in einer lokalen Ökonomie sind in der Literatur zum Unternehmertum
seit Langem untersucht und bekannt, man spricht hier vom so genannten „Upasbaum“-Effekt (z.B.
Fothergill und Gudgin 1982).
Ungeachtet dieser strukturellen Veränderungen bleibt die Landwirtschaft in vielen ländlichen
Wirtschaftsräumen ein Kernsektor. Trotz des dramatischen prozentualen Rückgangs der in der
Landwirtschaft beschäftigten Arbeitskräfte hat die Landwirtschaft weiterhin einen starken Einfluss auf
die ländliche Wirtschaft. Eine produktive landwirtschaftliche Basis kann ein Hauptabnehmer lokaler
Erzeugnisse, darunter auch Dienstleistungen, sein. Und Landwirtschaft liefert auch Produkte zur
lokalen Weiterverarbeitung. Gleichzeitig haben eine Kürzung der landwirtschaftlichen Subventionen
und sich verändernde Markttrends den Anpassungsdruck auf die Landwirte erhöht und zu einer
Diversifizierung ihrer Aktivitäten geführt. Da Landwirte zunehmend größerem Wettbewerbsdruck
ausgesetzt sind und Unterstützungsleistungen gekappt werden, besteht eine der Herausforderungen für
die Politik darin, Landwirte zur Nutzung neuer Geschäftsmöglichkeiten anzuregen.
Die Diversifikation von landwirtschaftlichen Betrieben kann eine Reihe von Formen annehmen,
dazu zählen auch Einzelhandelsaktivitäten (Bauernhofläden, Handwerkszentren, Selbsternte,
Direktverkauf und Lebensmittelverarbeitung), Sport- und Freizeitangebote (Indoor/OutdoorAktivitäten,
Informationsveranstaltungen,
Wassersport,
Pferdesport),
Dienstleistungen
(landwirtschaftlicher, nicht-landwirtschaftlicher und industrieller Arbeitsbereich) und Tourismus (z.B.
Ferien auf dem Bauernhof u. Ä.). Diversifikation bietet ein beträchtliches Spektrum an Möglichkeiten
zur Verbesserung der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit landwirtschaftsbasierter Betriebe und leistet
überdies einen Beitrag zur lokalen Wirtschaftsentwicklung (MAFF 2000). Dennoch ist Diversifikation
kein Allheilmittel, und Landwirte benötigen hier zum Erfolg oftmals gute Beratung. Ferner sind die
Möglichkeiten für eine profitable Diversifikation standortabhängig, der Zugang zu großen städtischen
Zentren ist dabei ein Schlüsselfaktor.
Innovationsleistung
Innovation bildet den Kern der Fähigkeit einer Region, sich im internationalen Wettbewerb
behaupten zu können. Unternehmer tragen wesentlich zur Wettbewerbsfähigkeit einer Region bei,
indem sie neue Produkte und Dienstleistungen schaffen, auf den Markt bringen und ihren
185
Konkurrenten einen Schritt voraus bleiben. Folglich ist die Leistung von (ländlichen) Regionen
hinsichtlich Innovation und Unternehmertum für ihre zukünftige Entwicklung von ausschlaggebender
Bedeutung. In Bezug auf die USA hat man darauf hingewiesen, das Dilemma ländlicher Regionen
liege darin, dass sie bei Innovation und Unternehmertum zurückblieben (Drabenstott und Henderson
2006).
Eine Reihe von Studien in Großbritannien in den achtziger und neunziger Jahren zeigte, dass
ländliche KMU innovativer als ihre städtischen Vergleichspartner waren (University of Cambridge
1992). Dennoch schlugen sich hohe Levels an Produktinnovation oft nicht in Verfahrensinnovationen
nieder, insbesondere bei KMU im Produktionssektor in entlegenen ländlichen Räumen war dies der
Fall (Keeble et al. 1992, Smallbone et al. 1993). Hier waren sowohl die Inanspruchnahme überhaupt
als auch die Intensität der Computertechnologie relativ niedrig (North et al. 1997). Keeble et al. (op.
cit.) gelangten zu dem Ergebnis, dass Unternehmen in leicht zugänglichen ländlichen Gebieten
besonders innovationsfreudig sind. Mitte bis Ende der neunziger Jahre war der Unterschied zwischen
städtischen und ländlichen Unternehmen hinsichtlich Innovation in den Cambridger Untersuchungen
allerdings nicht mehr nachweisbar (Cosh und Hughes 2003). Die Methodik dieser in regelmäßigen
Abständen durchgeführten Untersuchungen war dabei im Lauf der Zeit gleich geblieben.
Einer der Indikatoren bezüglich der Verfahrenstechnologie bezieht sich auf die Inanspruchnahme
und den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT). Obgleich der effektive
Einsatz von ICT eine der Möglichkeiten von ländlichen Betrieben zur Überwindung von Nachteilen
durch die Entfernung von großen Märkten und Lieferanten darstellt, lassen Forschungsergebnisse
darauf schließen, dass ländliche Unternehmen beim Einsatz von ICT im Durchschnitt hinter ihren
städtischen Vergleichsunternehmen zurückliegen. Eine in verschiedenen europäischen Ländern
durchgeführte Studie bezüglich des Einsatzes von ICT hat ergeben, dass die Haupthindernisse für
einen umfangreicheren Einsatz von ICT fehlende Zeit für Schulungen und direkte Anwendung von
ICT, fehlende persönliche Fähigkeiten und hohe Ausrüstungskosten sind (Gray und Juhler 2000). Die
schnelle Kommunikation durch das Internet und andere Formen der Telekommunikation stellen zwar
tatsächlich eine neue „Industrielle Revolution“ dar, es wurde jedoch auch darauf hingewiesen, dass die
Veränderungen durch das Internet für ländliche Gebiete von unterschiedlichem Nutzen sind.
Diesbezüglich hat Freshwater (2000) die Ansicht vertreten, dass ländliche Gebiete in der Praxis von
vielen der Veränderungen in der neuen informationsbasierten Wirtschaft nicht profitieren werden, da
die dortigen Arbeitnehmer oftmals nicht über die für eine effektive Nutzung erforderlichen
Grundkenntnisse und Fertigkeiten verfügen.
Ansätze der Unternehmenspolitik für den ländlichen Raum in OECD-Mitgliedsländern
Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Politikansätzen zur Förderung des ländlichen
Unternehmertums. Einige davon sind gebietsspezifisch, andere zielen auf bestimmte
Wirtschaftssektoren ab, die in einzelnen ländlichen Gebieten eine besondere Bedeutung haben; im
Rahmen anderer Ansätze sollen nationale oder regionale Politikansätze so adaptiert werden, dass sie
den Bedürfnissen ländlicher Unternehmen besser entsprechen. In den meisten OECD-Mitgliedsländern
hat im Laufe der Zeit eine Verschiebung weg von traditionellen sektoralen Politikansätzen (die sich
insbesondere auf landwirtschaftliche Subventionen konzentrieren) hin zu standortbasierten Ansätzen
stattgefunden. In der Politik bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung in ländlichen Gebieten zeigt
sich dies deutlich (OECD 2005). Es wurden drei Faktoren ermittelt, die einen besonderen Einfluss auf
die jüngsten Veränderungen der ländlichen Politik in den OECD-Mitgliedsländern haben:
Ein verstärkter Fokus auf Einrichtungen wie Denkmalstätten, historische Stätten und andere
Erholungsstätten;
186
Druck auf die Reformierung der Landwirtschaftspolitik zur Verringerung von Verzerrungen
im internationalen Handel sowie aus Haushaltsgründen; und
Dezentralisierungstrends in der Regionalpolitik mit dem Ziel einer Mobilisierung von
lokalen Vermögenswerten; hierzu zählt auch ein Bottom-Up-Ansatz in der Politik und
verhandelbare Formen von Governance (OECD 2006a).
Unter besonderer Bezugnahme auf Politikansätze im Bereich Unternehmertum und
Unternehmensentwicklung in ländlichen Gebieten haben North und Smallbone (2006)
unterschieden zwischen: Politikansätzen zur Stimulierung und Förderung von Ventureprojekten,
dazu zählen auch Ansätze zur Förderung einer Kultur des Unternehmertums; unternehmerischer
Bildung und Ansätzen zur Förderung von Personen im Rahmen der Gründung und in der
Frühphase eines Unternehmens; „traditionelleren Unternehmensförderansätzen“, die sich mit
Wachstumsfähigkeit, Lebensfähigkeit und Wettbewerbfähigkeit bestehender KMU befassen. Im
Wesentlichen zielen Ansätze im Bereich der Unternehmenspolitik direkt auf den Aufbau von
Kapazitäten in ländlichen Gebieten und die Schaffung neuer Unternehmen ab, während
Unternehmensförderansätze auf die Unterstützung im Bereich Modernisierung und Anpassung
bestehender Firmen durch die Kombination von finanzieller Unterstützung, Beratung, Schulung
und infrastrukturellen Verbesserungen ausgerichtet sind.
In den USA ermittelte Henderson (2002) zur Förderung von Unternehmen mit hohem
Wachstumspotenzial drei Arten von politischen Interventionsmaßnahmen. Obwohl sie nicht eigens für
ländliche Gebiete konzipiert wurden, ist Henderson der Ansicht, dass sie Unternehmen mit hohem
Wachstumspotenzial in ländlichen Gebieten unterstützen.
Maßnahmen zur Verbesserung der Fähigkeiten einzelner Unternehmer, z.B. durch
Managementkurse und sonstige Lehrgänge. In den USA werden diese in der Regel von den
Small Business Development Centers (SBDC) angeboten, die oftmals mit Universitäten und
Colleges zusammenarbeiten.
Maßnahmen zur Stärkung der kommunalen Ressourcen für Unternehmer, insbesondere zur
Mobilisierung potenzieller Wagniskapitalgeber, und Maßnahmen zur Unterstützung des
Aufbaus einer Unternehmenskultur.
Maßnahmen mit dem Ziel der Förderung von Netzwerken, die Unternehmer bei der Nutzung
benötigter
Ressourcen
unterstützen,
dazu
gehören
oft
auch
bestimmte
Inkubatorenprogramme.
Viele der Programme, die Finanzierungen für Unternehmertum und Unternehmensentwicklung in
ländlichen Gebieten zur Verfügung stellen, konzentrieren sich nicht allein auf ländliche Unternehmen,
sondern umfassen auch andere Aspekte der ökonomischen und sozialen Entwicklung in ländlichen
Gebieten. Gebietsspezifische oder gebietsbasierte politische Maßnahmen wie das Leader-Programm
der EU gehören zu dieser Kategorie, die durch einen holistischen Ansatz zur ländlichen Entwicklung
gekennzeichnet ist. Sie umfassen in der Regel auch Infrastrukturinvestitionen, oft jedoch auch
Maßnahmen zur Förderung der Gründung neuer Ventures und zur Entwicklung kleiner Unternehmen.
In diesem Kontext wurden in einer Analyse bestehender Politikansätze bezüglich ländlicher
Unternehmen in zehn verschiedenen europäischen Regionen fünf Programmtypen mit folgenden
Ausrichtungen ermittelt: Territorial oder gebietsbasiert; sektoral; in Bezug auf
Wirtschaftsentwicklung; in Bezug auf Unternehmensförderung; in Bezug auf den Arbeitsmarkt (North
und Smallbone 2006). In derselben Studie wurden außerdem vier wichtige Lektionen in Bezug auf
187
politische Prozesse bzw. politische Prioritäten ermittelt: Die Notwendigkeit, politische Maßnahmen
den örtlichen Gegebenheiten anzupassen, die sich ihrerseits auf die Art und den Umfang von
Politiktransfer auswirken können; die Notwendigkeit, die interne und externe Kohärenz politischer
Eingriffe zu verbessern; die Notwendigkeit, Diversifikation in der Landwirtschaft und ländlich
basierten Sektoren anzuregen; außerdem die Notwendigkeit zur Überwindung von Barrieren bei der
Annahme neuer Technologien in ländlichen Gebieten.
Ungeachtet der Heterogenität der zehn Fallstudiengebiete und des Nachdrucks auf die
Angemessenheit von Politik an die Bedürfnisse ländlicher Wirtschaftsgebiete heben North und
Smallbone (1996) zwei Hauptprioritäten für die Politik hervor. Bezüglich der Nachfrageseite weisen
sie auf die Notwendigkeit der Entwicklung potenzieller Quellen des Unternehmertums in den
entlegenen ländlichen Räumen Europas hin, besonders im Hinblick auf junge Menschen, Zuwanderer
und bereits vorhandene Unternehmer, die als Vorbilder und Rollenmodelle fungieren können.
Bezüglich der Angebotsseite zeigen sie die Notwendigkeit der Infrastrukturentwicklung zur Förderung
des Unternehmertums auf; ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf Bildung und Ausbildung, auf
der physischen und sozialen Infrastruktur sowie auf Maßnahmen zur Überwindung von Barrieren für
Innovation und Unternehmensentwicklung. Institutionelle Entwicklung ist für die erfolgreiche
Umsetzung dieser Vorschläge von zentraler Bedeutung.
Eine alternative Typologie politischer Eingriffsmöglichkeiten in Bezug auf ländliche
Unternehmen wurde von Smallbone et al. (2003c) basierend auf einer Analyse der entsprechenden
Praxis in Großbritannien vorgelegt:
Initiativen für landwirtschaftliche Betriebe und den ländlichem Raum allgemein, z.B.
Diversifizierungsprogramme
für
landwirtschaftliche
Betriebe,
langfristige
Entwicklungsprogramme, Einbeziehung von Beratern für landwirtschaftliche Betriebe mit
dem Ziel einer Integration unternehmerischer Beratung und Förderung von Landwirten im
Rahmen von Großprogrammen;
Sonstige Initiativen im ländlichen Sektor mit Fokus auf nicht-landwirtschaftlichen
Aktivitäten, z.B. Unterstützungsprogramme für den ländlichen Einzelhandel und
Tourismusprogramme;
Allgemeine Unternehmensberatung/Schulungsprogramme für Kleinunternehmen, z.B.
aufsuchende Beratung und Förderung für Start-Ups;
Initiativen für Minderheiten oder benachteiligte Gruppen in ländlichen Gebieten, z.B. für
Langzeitarbeitslose oder Frauen;
Strategische Initiativen zum ländlichen Wiederaufbau; hier steht die Unternehmensförderung
im Rahmen umfassenderer wirtschaftlicher Wiederaufbauprogramme.
Obgleich sie die Unterschiedlichkeit der 24 Fallstudienprojekte betonten, haben die Autoren eine
Reihe von wiederkehrenden und mit einander verbundenen Merkmalen Guter Praxis ermitteln können,
die jeweils auf der Angemessenheit von Interventionen in Bezug auf die speziellen Bedürfnisse
ländlicher Unternehmen und/oder ländlicher Gebiete basieren. Dabei handelte es sich um folgende
Merkmale:
Ein integrierter Ansatz, in dessen Rahmen Unternehmensförderung in eine umfassendere
Strategie der ländlichen Entwicklung integriert ist; dazu zählen von außen kommende
188
Investitionen, Wohnungsbau, Verkehr, Soziales – stets unter besonderer Berücksichtigung
der Interdependenzen innerhalb der ländlichen Wirtschaft.
Partnerschaften, die bei der Mobilisierung knapper Ressourcen helfen, Doppelarbeit
verringern und den Einsatz der bestehenden ländlichen Infrastruktur steigern helfen können.
Beiträge zum Kapazitätsausbau, wodurch langfristiger Nutzen aus dem politischen Eingriff
und ein verbessertes Sozialkapital als zukünftige Entwicklungsressource gesichert werden.
Ein Bottom-Up-Ansatz, wozu auch anfängliche „Recherche und Nachforschung“ seitens der
Kommunen gehört, wodurch kommunales Eigentum und ein fundierter Ansatz im Rahmen
der ländlichen Entwicklung gefördert und neues soziales Kapital gebildet wird.
Ein proaktiver Ansatz, da mehrjährige Erfahrungen in Großbritannien die
einer aufsuchenden Beratung im Rahmen der Unternehmensförderung
Gebieten deutlich gemacht haben, insbesondere weil viele ländliche
Bauernhöfe und Kleinstunternehmen) in der jüngeren Vergangenheit
Zielgruppen von größeren Unternehmensberatungsfirmen lagen.
Effektive
Koordination
sektorspezifischer
Unternehmensförderungsleistungen.
Unterstützung
Notwendigkeit
in ländlichen
Betriebe (z.B.
außerhalb der
mit
typischen
Anreize zu Zusammenarbeit und Networking zwischen Unternehmen, wodurch
Einkaufskosten reduziert und durch gemeinsames Marketing Absatz und Wissenstransfer
erhöht werden können.
So genannte „One-Stop-Shops“ mit einer gemeinsamen Anlaufstelle für sämtliche Anfragen
von Unternehmen, die dort entsprechend gebündelt und weitergeleitet werden. Dadurch wird
die Fragmentierung verringert, und Einrichtungen können Serviceleistungen effektiver
erbringen.
Diese Merkmale stellen eine potenziell übertragbare Reihe politischer Grundsätze dar, die auf
ländliche Entwicklungspolitik an anderen Orten unter zwei Bedingungen übertragbar sind. Erstens: In
Regionen, in denen keine oder nur eine rudimentäre Kultur des Unternehmertums besteht, muss einer
Verknüpfung der Entwicklung mit Bildungseinrichtungen mehr Nachdruck verliehen werden, da diese
im Sinne einer Veränderung von Einstellungen und Verhaltensmustern in Bezug auf Unternehmertum
von grundlegender Bedeutung sind. Zweitens: Ein expliziterer Nachdruck auf institutionellen
Kapazitätsaufbau ist für die Anregung zu unternehmerischem Verhalten durch Institutionen in
ländlichen Regionen wahrscheinlich ebenfalls grundlegend.
Implikationen für die Politik zur Förderung des Unternehmertums in ländlichen Regionen
Ostdeutschlands
Dieser letzte Abschnitt der Untersuchung befasst sich insbesondere mit den Aufgaben und
Möglichkeiten der Entwicklung von Unternehmertum in den ländlichen Gebieten in Ostdeutschland
sowie mit den Implikationen, die sich daraus für die Einflussnahme seitens der Politik ergeben.
Ländliche Regionen in Ostdeutschland teilen viele Merkmale und Probleme ländlicher Regionen in
anderen Ländern; überdies sind sie durch ihren Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft
gekennzeichnet. Obgleich sie im Detail voneinander abweichen, ist in sämtlichen ostdeutschen
Fallstudiengebieten ein hoher Grad an Abhängigkeit von der Beschäftigung in ländlich basierten
189
Industrien und zudem eine starke Abwanderung, insbesondere junger Menschen, sowie ein schwacher
lokaler Markt für Waren und Dienstleistungen zu konstatieren.
Bezeichnenderweise waren in diesen ländlichen Regionen unter Anderem eingesetzte
bundespolitische Maßnahmen zur Förderung des Unternehmertums bislang darauf ausgerichtet, die
bereits bestehende Auffassung in der Bevölkerung, dass Unternehmertum und Selbständigkeit eine
Alternative zur Arbeitslosigkeit darstellt, zu untermauern. Der Existenzgründungszuschuss zur
sozialen Sicherung für 3 Jahre ist ein Beispiel dafür. Es zeigt sich außerdem, dass höher qualifizierte
Personen, die in den Regionen verbleiben, meist Anstellungsmöglichkeiten, sofern diese verfügbar
sind, der Selbständigkeit vorziehen.
Die vorherrschende Kultur scheint die einer Abhängigkeit von staatlichen Mitteln und
Interventionen zu sein, was als Gegenteil einer unternehmerischen Kultur angesehen werden kann.
Darüber hinaus führt ein Unternehmertum, das in erster Linie durch ein Fehlen von
Anstellungsmöglichkeiten
entsteht
und
nicht
durch
das
Ausfindigmachen
von
Geschäftsmöglichkeiten, dazu, dass die betreffenden Personen Geschäftsaktivitäten mit niedrigen
Zugangsbarrieren in Angriff nehmen, was mit der Zeit wiederum zunehmend gesättigte Märkte und
niedrige Renditen für Geschäftsinhaber mit sich bringt. In diesem Umfeld ist, wenn Unternehmertum
eine treibende Kraft im Rahmen der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung werden soll, eine groß
angelegte Veränderung von Einstellungen und Verhaltensmustern erforderlich, und zwar seitens der
politisch Verantwortlichen ebenso wie innerhalb der örtlichen Bevölkerung.
Eine detaillierte Analyse der ostdeutschen Fallstudienregionen (Dabson 2006) zeigt eine Reihe
von Prioritäten für die Politik zur Förderung von unternehmerischem Engagement, wobei davon
ausgegangen werden kann, dass diese Prioritäten auch für andere ländliche Regionen in
Ostdeutschland gelten. Im verbleibenden Teil dieses Abschnitts werden potenziell relevante Initiativen
im Bereich ländlicher Politik aus OECD-Mitgliedsländern zu diesen Prioritäten in Vergleich gesetzt,
woraus Implikationen für Politikansätze zur Förderung des Unternehmertums in Ostdeutschland
abgeleitet werden.
Förderung unternehmerischen Engagements in ländlichen Gebieten mit historisch gering
ausgeprägter Unternehmerkultur
Die Veränderung der Kultur in ländlichen Regionen stellt zweifelsohne die größte
Herausforderung für politische Handlungsträger in Ostdeutschland dar, und für den Erfolg ist eine
Reihe von koordinierten politischen Maßnahmen erforderlich. Dennoch kann eine fundamentale
Veränderung von Einstellungen gegenüber dem Unternehmertum mindestens eine Generation dauern,
das heißt, eine erfolgreiche Strategie muss sowohl kurzfristige als auch langfristige Ziele und
Ergebnisse aufweisen. Bildungsprogramme sind hier ein erstes Beispiel, zielgerichtete Förderung von
Unternehmensneugründungen ein zweites.
Das Ziel besteht in der Schaffung und Vertiefung eines Bewusstseins für unternehmerische
Optionen und in dem Aufweis von Erfolgen durch die aktive Verbreitung von Erfahrungen und
unternehmerischen Rollenmodellen. Politische Maßnahmen mit diesem Ziel müssen sich an
unterschiedliche Zielgruppen wenden, darunter auch an junge Menschen im schulischen
Sekundarbereich sowie an Studenten. Die im Folgenden beschriebenen politischen Initiativen
veranschaulichen, wie dies erreicht werden könnte. Der Fall von REAL (Rural Entrepreneurship
through Action Learning) in den USA ist dabei ein potenziell relevantes Beispiel, da Lernenden hier
190
unternehmerisches Wissen durch Erfahrung im Rahmen von Praktika über schulbasierte kommunale
Entwicklungseinrichtungen vermittelt wird.33
North und Smallbone (2004) beschreiben für Europa einen innovativen Ansatz zur Entwicklung
unternehmerischen Bewusstseins bei Jugendlichen in Waldshut (Deutschland) an einer
Wirtschaftsschule. Es handelt sich dabei um ein Jungunternehmensprogramm, an dem Schüler der
Schule teilnehmen und das als gegründetes Unternehmen mit marktfähigen Produkten und
Dienstleistungen auf realen Märkten auftritt. Die Teilnehmer lernen unternehmerisches Denken und
unternehmerische Entscheidungsprozesse kennen und werden dadurch für unternehmerische Belange
und Möglichkeiten sensibilisiert.
Andere Autoren haben auf die Notwendigkeit von Programmen zur Förderung der
berufsbegleitenden Weiterbildung unter ländlichen Arbeitnehmern sowie auf die Möglichkeit des
Wissenserwerbs durch Unterbringung in bestehenden Unternehmen hingewiesen (z.B. Meccheri und
Pelloni 2006). Dennoch ist ein solcher „Learning by doing“-Ansatz in Gebieten schwierig, wo die
unternehmerische Mentalität schwach ausgebildet ist und nur wenige dynamische Unternehmen
existieren. Unter diesen Bedingungen stellt die Einbeziehung wirtschaftlicher und unternehmerischer
Inhalte in der Primarstufe, den Sekundarstufen und den Bildungsplänen von Hochschulen ein
Kernelement im Rahmen einer längerfristigen Strategie dar. Um dies zu erreichen, ist jedoch
kurzfristig ein nachhaltiges Engagement für die „Ausbildung von Ausbildern“ erforderlich, damit eine
hohe Qualität der entsprechenden schulischen und universitären Ausbildung gewährleistet werden
kann. Ein Programm wie der neue Masters in International Entrepreneurship Education and Training
(IMEET) unter Leitung der Universität Aarhus ist ein Beispiel für ein Programm, das zur Ausbildung
von Personal zur Führung entsprechender Initiativen beitragen kann. Beispiel einer potenziell
relevanten Start-Up-Initiative ist das Leader+ Projekt in der Region Kellerswald-Dersee in
Deutschland.34
Die aktive Förderung von Rollenmodellen erfolgreicher ländlicher Unternehmer ist ein
Schlüsselelement beim Aufbau des Bewusstseins ländlicher Bevölkerungen für die bestehenden
Möglichkeiten, und dies insbesondere unter jungen Menschen. Ein unlängst veröffentlichter Bericht
der australischen Regierung stellt eine besonders relevante Initiative vor (Keynon 2005). Im Bericht
wird die Geschichte von 20 dynamischen ländlichen Unternehmen untersucht, wobei sich sechs dieser
Unternehmen im Besitz örtlicher Kommunen befanden. Obgleich es sich um eine sehr heterogene
Gruppe handelt, ließ sich eine Reihe von Gemeinsamkeiten feststellen:
Leidenschaft und Beharrlichkeit, denn ohne sie ist geschäftlicher Erfolg nicht möglich.
Zentrale Werte und Visionen, die über die Profitmaximierung hinausgehen.
Eingebundenheit in den kommunalen Kontext wurde sowohl von kommunalen als auch von
Unternehmen und Geschäften in Privateigentum stets als sehr wichtig eingestuft.
Ein hochqualitativer Kundenservice, wobei dieser in sämtlichen Fällen KundenfeedbackMechanismen umfasste.
Stets neue Ideen, Innovation und fortdauernde Verbesserung mit dem Ziel, immer um eine
Nasenlänge voraus zu sein.
33
Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage.
34
Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage.
191
Entschiedener Führungsstil und qualifizierte Management-Praxis unter Hinzuziehung
externer Beratung im Bedarfsfall.
Zufriedene und stolze Belegschaft, was im Normalfall mit einem starken Engagement für
Personalschulung und Einbeziehung der Mitarbeiter in unternehmerische Belange
einhergeht.
Produktdifferenzierung und Qualität, die in einigen Fällen auf die Aspekte der ländlichen
Umgebung ausgerichtet waren.
Zusammenarbeit, Networking und strategische Partnerschaften, auch unter Einbeziehung
wichtiger Akteure innerhalb kommunaler Strukturen, sowie innovatives Marketing.
Bei vielen dieser Punkte handelt es sich zwar um allgemeingültige unternehmerische Merkmale,
bei einigen ist jedoch eine für den ländlichen Kontext typische Ausrichtung festzustellen. Eine der
Hauptzielgruppen sind Vermittler, die mit jungen Menschen aus entlegenen ländlichen Gemeinden in
Australien im Rahmen von Programmen zur Förderung von Unternehmertum und Selbständigkeit
zusammenarbeiten.
Vor dem Hintergrund der OECD-Ergebnisse und der Hauptempfehlungen aus den lokalen
Fallstudien lassen sich die nachfolgenden Handlungsempfehlungen an die Politik ableiten:
Aktive Förderung von Unternehmertum als „Karriereoption“ für junge Menschen in
ländlichen Gebieten in der Sekundarstufe und an Hochschulen unter Einsatz einer
Kombination aus experimentellem Lernen durch Praktika, Jungunternehmer-Programme und
über die aktive Verbreitung von unternehmerischen Rollenmodellen.
Angebot von Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrer und Dozenten an Sekundarschulen,
weiterführenden Schulen und höheren Bildungseinrichtungen ländlicher Gebiete zum
Aufbau einer qualifizierten Ausbildung im Bereich der Vermittlung unternehmerischer
Unterrichtsinhalte.
Vorrangigkeit des Aufbaus von Förderprogrammen für Unternehmensneugründungen in
ländlichen Gebieten, wozu auch die Unterstützung in den Phasen unmittelbar vor und nach
der Gründung eines Unternehmens gehört.
Einleitung von Maßnahmen zur aktiven Werbung für ländliche Unternehmer in den
verschiedenen regionalen Medien.
Einrichtung eines Portfolios von Preisen für erfolgreiche Unternehmer und aufstrebende
Unternehmer aus ländlichen Regionen, einschließlich des Preises „Jungunternehmer des
Jahres“.
Anreize für Landwirte zur Diversifizierung und zum Aufbau nicht-landwirtschaftlicher Aktivitäten
Der Diversifizierungsdruck auf Landwirte in voll entwickelten Marktwirtschaften besteht nahezu
durchgängig, und viele Regierungen haben Maßnahmen zur Förderung und Unterstützung dieses
Prozesses ergriffen. Landwirte müssen zunehmend unternehmerischer denken und auftreten und eine
Diversifizierung hin zu anderen Aktivitäten vornehmen (z.B. Biolandwirtschaft, nicht konventionelle
Viehzucht sowie Aufbau von nicht-landwirtschaftlichen Unternehmen) (Carter und Rosa 1998). Als
ganz eigener Geschäftssektor steht die Landwirtschaft dennoch im Kontext einer umfassenderen
192
Lieferkette und ist durch ihre landschaftlichen Gestaltungsmaßnahmen ein wesentlicher Faktor im
Rahmen des ländlichen Tourismus. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass
landwirtschaftsbezogenen ländlichen Betrieben unternehmerische Unterstützungsleistungen sowie
Maßnahmen zur Verbesserung der Integration in die allgemeine Geschäftswelt offen stehen (Rural
Affairs Forum for England 2002). Die Land Management Initiatives der Countryside Agency in
England waren ein Versuch einer Anwendung dieser Grundsätze.35
Untersuchungen in Neuseeland haben gezeigt, dass Bauernmärkte für landwirtschaftliche
Gelegenheitsunternehmer, die Produkte mit einem hohen Mehrwert herstellen, eine wichtige Rolle
spielen und dass dies ebenfalls für Landwirte gilt, die aus der Lieferkette für Nahrungsmittel
herausgedrängt wurden (Cameron und de Vries 2006). Auf einem Bauernmarkt verkaufen Landwirte,
Züchter und Produzenten regelmäßig frisches Obst, Gemüse und andere landwirtschaftliche
Erzeugnisse direkt an die Verbraucher (Payne 2002).
Bauernmärkte können für neu gegründete Geschäfte eine Inkubatorfunktion übernehmen, indem
sie einen Geschäftsaufbau mit niedrigen Kosten und minimalem Risiko ermöglichen (Feenstra et al.
2003). Sie stellen eine Möglichkeit dar, in deren Rahmen Landwirte erste Versuche im Bereich
unternehmerischer Aktivitäten wagen können, wozu auch der Direktverkauf gehört. Darüber hinaus
kann das Konzept auf das örtliche Handwerk und entsprechende Aktivitäten ausgeweitet werden, was
mit einigem Erfolg in East Lancashire im Rahmen örtlicher Bestrebungen zur Verbesserung der
Marktstellung ländlicher Betriebe und von Jungunternehmern auch getan wurde (Smallbone et al.
2005, S. 49).
Die nachfolgenden Empfehlungen an die Politik sind vor dem Hintergrund der OECD-Ergebnisse
und der Empfehlungen aus den lokalen Fallstudien zu betrachten:
Angebot hochqualitativer Unternehmensberatung und Unterstützungsleistungen für
Landwirte mit Interesse an Diversifizierung hin zu nicht-landwirtschaftlichen Aktivitäten
und
Förderung von Bauernmärkten als Mittel des „Austestens“ neuer Geschäftsideen und neuer
Aktivitäten.
Förderung und Implementierung eines integrierten Ansatzes in der ländlichen Entwicklung
Der Übergang von einer verwalteten und geplanten hin zu einer innovativen und unternehmerisch
geprägten Wirtschaft (Audretsch und Thurik 2000) stellt ländliche Regionen vor besondere
Herausforderungen. Drabenstott und Henderson (2006) zufolge müssen sich ländliche Kommunen
insbesondere um rechtliche Trennungslinien überschreitende Partnerschaften sowie um nicht immer
vorhandene Führungskapazitäten bemühen. Angesichts der Entwicklungsherausforderungen, denen
ländliche Regionen in den USA gegenüber stehen, stellen diese Autoren drei Hauptprioritäten für die
Bundespolitik fest:
Unterstützung ländlicher Kommunen beim Aufbau neuer Wettbewerbsstrategien, dabei dem
Beispiel Italiens folgend, wo 15% der Mittel für die regionale Entwicklung in die
Ausbildung
und
Schulung
kommunaler
Funktionsträger
im
Bereich
„Wettbewerbsfähigkeiten“ fließen.
35
Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage.
193
Vernetzung von Forschungsinstrumenten des Bundes (die sich zuvor sehr stark auf
Landwirtschaft konzentriert haben) im Sinne des Aufbaus von Innovationsstrategien für den
ländlichen Raum innerhalb der New Economy.
Aufbau eines effektiveren Fördersystems für Unternehmer im ländlichen Raum mit
besonderem
Augenmerk
auf
ländliche
Startup-Unternehmen
mit
hohen
Wachstumsaussichten.
Man hat die These aufgestellt, dass in den USA einer der erfolgreicheren Versuche des
öffentlichen Sektors zur Stimulierung und Förderung ländlichen Unternehmertums von der
Appalachian Regional Commission (ARC) kam. Hier wurde der institutionelle Kapazitätsaufbau in
den Vordergrund gestellt.36
Ähnlichen Nachdruck auf Kapazitätsaufbau und Führungsqualitäten weist das Rural Leadership
Programme
2007
von
Scottish
Enterprise
auf
(http://www.scottishenterprise.com/sedotcom_home/services-to-the-community/rural), das der Verbesserung der
Führungsqualitäten von leitenden Personen im landwirtschaftlichen und ländlichen Bereich bei
Erklärung, Motivierung, Einflussnahme, Förderung und Verteidigung des landwirtschaftlichen Sektors
und zur Sicherung von dessen Zukunft innerhalb der schottischen Wirtschaft dient. Es zielt somit
direkt auf Teilnehmer aus dem ländlichen Sektor ab und ist Bestandteil der landesweiten
Werbekampagne. Das Programm beabsichtigt die Schaffung eines entsprechenden Bewusstseins im
Rahmen kommunalpolitischer Fragen bei den Teilnehmern, und im Rahmen dieses Programms soll
unter Anderem ein Kontaktnetzwerk zur Maximierung des zukünftigen Einflusses der Teilnehmer
aufgebaut werden.
Nachdruck auf einem integrierten Ansatz in der ländlichen Entwicklung mit dazugehörigem
Kapazitätsaufbau steht im Mittelpunkt des EU-Programms Leader, das zudem sehr leicht an örtliche
Gegebenheiten angepasst werden kann. Leader II (1994-99) und Leader+ (2000-2006) zielten auf die
Förderung ländlicher Entwicklung und örtlicher Gemeinden mittels lokaler Aktionsgruppen ab und
stellten Mittel für ein großes Spektrum von Projekten zur Verfügung; hierzu gehörten kommunal
basierte unternehmerische Maßnahmen (North und Smallbone 2004). Im Rahmen zahlreicher
Evaluationen wurde die Ausrichtung von Leader-Programmen auf bestimmte Standorte mit stark
entwickelter lokaler Eigentumsstruktur nachgewiesen (z.B. Midmore 1998). Das Programm hat zur
Diversifizierung ländlicher Wirtschaftsräume beigetragen, hat den Aufbau lokaler Kapazitäten
unterstützt und aktiv Gute Praxis gefördert. Zum Schwerpunkt des Aufbaus Guter Praxis gehört die
Website von Leader+ „Gute Praxis“-Initiativen aus den 25 EU-Mitgliedstaaten vor der Erweiterung
(http://intranet.leaderplus.org). Die Ermittlung „Guter Praxis“ stand in Zusammenhang mit den sieben
grundlegenden Ansätzen von Leader+: Territorialer Ansatz; Bottom-up-Ansatz; Regionales
Entwicklungskonzept; Innovationsansatz; Integrationsansatz; Vernetzung und Zusammenarbeit
zwischen Gebieten; lokale Finanzierung und Verwaltung. Übertragbarkeit und Nachhaltigkeit sind neu
hinzugekommen. Beispiele von Leader+ Initiativen, die für Fallstudienregionen besonders relevant
sind, werden in der Anlage beschrieben.37
Die nachfolgenden Empfehlungen an die Politik sind vor dem Hintergrund der OECD-Ergebnisse
und der Empfehlungen aus den lokalen Fallstudien zu betrachten:
36
Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage.
37
Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage.
194
Aktive Förderung des Leader-Programms der EU in sämtlichen ländlichen Regionen und
Angebot von Workshops, um Interessenten bei der Erstellung von Vorschlägen zu
unterstützen.
Erwägung der Einrichtung eines zusätzlichen Fonds zur Förderung integrierter ländlicher
Entwicklungsprojekte auf der Grundlage von LEADER-Grundsätzen.
Bereitstellung von Unterstützung für Führungsentwicklungsprogramme basierend auf dem
Modell von Scottish Enterprise, um kommunalen Handlungsträgern in ländlichen Gebieten
den Aufbau von Wissen, Fähigkeiten und Kontakten zur Förderung und Anleitung
unternehmerischer Entwicklung innerhalb ihrer Kommunen zu ermöglichen.
Förderung von Networking zwischen Unternehmern, potenziellen Unternehmern und wichtigen
Einrichtungen in ländlichen Gebieten
Da Unternehmer im ländlichen Raum isolierter sind und über weniger unmittelbaren Zugang zu
Märkten und anderen Ressourcen verfügen, sind für sie unterschiedliche Arten von Netzwerkbildung,
Ressourcen und Risiko-Pooling erforderlich. Die beschränkten Ressourcen, die Unternehmen in
ländlichen Gebieten zur Verfügung stehen (z.B. unzureichende lokale Märkte, Entfernung von großen
Märkten und beschränkte Verfügbarkeit von Kapital), scheinen einen systemischen Ansatz zu
verlangen.
Vor diesem Hintergrund ist die Förderung unternehmerischer Netzwerke ein Schlüsselelement im
Rahmen einer Strategie zur Entwicklung des unternehmerischen Potenzials ländlicher Gebiete, da sie
einen Beitrag zum Aufbau wirtschaftlich relevanten Sozialkapitals leisten. Obgleich empirische Daten
nur bedingt zur Verfügung stehen, erwägt Lyons (2002) einen Ansatz zum Aufbau sozialen Kapitals
für die Unternehmensentwicklung basierend auf drei Fallstudien in den USA: Ein ländliches
Geschäftsinkubationssystem in Alabama, ein Geschäftsinkubationsprogramm im ländlichen Humboldt
County in Kalifornien sowie ein kommunales Wirtschaftsentwicklungsprogramm in der Region
Zentral-Appalachen. Die Analyse der drei Fallstudien durch Lyons stellt eine Reihe von
Hauptmerkmalen in Zusammenhang mit dem erfolgreichen Aufbau sozialen Kapitals in ländlichen
Regionen zusammen. Dazu gehören:
Multiple Verknüpfungen zwischen mehreren Teilnehmern zur Entwicklung einer NetzwerkKultur.
Ein prozessorientierter Ansatz im Rahmen wirtschaftlicher Inkubationsverfahren in
Verbindung mit Netzwerkaktivitäten, obgleich der Ansatz eher prozessorientiert und weniger
auf die Implementierung neuer physischer Strukturen ausgerichtet ist.
Eine auf einzelne Sektoren ausgerichtete Unternehmensentwicklungsstrategie, z.B.
Lebensmittelverarbeitung, Möbelfertigung und Computerserviceleistungen.
Verfahren zum Aufbau sozialen Kapitals, die mit spezifischen Barrieren für die Entwicklung
von Unternehmertum im ländlichen Räumen korrelieren, z.B. Verfügbarkeit von Kapital,
Verbindungen zu externen Märkten.
Dienstleistungsanbieter, die zu unternehmerischem Verhalten bereit und in der Lage sind.
Eine Kombination aus formalen und informalen Verknüpfungen.
195
Langfristige Bereitschaft zur Aufrechterhaltung von Netzwerken.
Der Ausbau von Einrichtungen zur Förderung unternehmerischen Engagements wurde als ein
Schlüsselelement im Rahmen des Aufbaus einer unternehmerisch geprägten Grundhaltung in den
ländlichen Gebieten der USA erkannt (Centre for Rural Entrepreneurship 2003). Förderorganisationen
sollen dabei ihren Schwerpunkt eher auf Unternehmer als auf die dazugehörigen Betriebe legen,
Einrichtungen zur Förderung von unternehmerischem Engagement sollen Unternehmertum im
gesamten Verlauf des unternehmerischen Prozesses unterstützen, von der Entwicklung von
Geschäftsideen bis hin zum lebensfähigen Unternehmen. Ziel ist der Aufbau unternehmerischer
Umfelder mit Unterstützung sowohl des privaten als auch des öffentlichen Sektors, wobei ein
strategischer, umfassender und den jeweiligen Gegebenheiten angepasster Ansatz zu verfolgen ist, der
den Unternehmern vor Ort gerecht wird.
Der Aufbau von Einrichtungen zur Förderung unternehmerischen Engagements muss den
Charakter eines Netzwerks, einer Vermittlungsstelle oder eines sektoralen Clusters aufweisen. Zu den
spezifischen Aktivitäten gehören: Auffindung, Förderung und Unterstützung von Personen vor Ort mit
der erforderlichen Motivation und dem erforderlichen Engagement zum Aufbau eines erfolgreichen
Unternehmens, Unterstützung von Fördernetzwerken mit Zugang zu Mentoren und Rollenmodellen,
Unterstützung von Unternehmern bei der Finanzierung in unterschiedlichen Phasen der
Geschäftsentwicklung, Unterstützung von Unternehmern beim Eintritt in entfernte Märkte, z.B. durch
Teilnahme an Fachmessen, Vermittlung von technischer Assistenz verschiedener Art, Engagement im
Rahmen einer Art von Unternehmensförderung, die über zeitnahe Schulungen und
Wissensaufbauprogramme hinausgeht, hin zur Entwicklung langfristiger Partnerschaften mit
Unternehmern.
Eine verbreitete Form von Zusammenarbeit und Networking zwischen Unternehmern sind
gemeinsame Marketinginitiativen, die im Falle von nahrungsmittelbezogenen Aktivitäten von CoBranding und externen Kostenersparnissen sowie von gesteigerter Wirtschaftlichkeit durch
Großproduktion profitieren. Ein Beispiel ist die Clyde Valley Tomato Growers Initiative in
Schottland.38
Auf europäischer Ebene beschreiben Mandl et al. (2007) eine Reihe von Fallstudien, in denen
spezifische Aktivitäten mit dem Ziel des Aufbaus von sozialem Kapital zu ökonomischen Zwecken in
ländlichen Gebieten eine Rolle spielten. Dazu zählen die Schaffung und Förderung traditioneller
Cluster in Gebieten, wo es keine Tradition der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen gibt, sowie
der Aufbau unternehmerischer Netzwerke zum gemeinsamen Vertrieb von Produkten, zur Stärkung
des lokalen Tourismus sowie zum Aufbau weiterer Netzwerke. Ein Beispiel für ein traditionelles
Geschäftscluster in Spanien wird in der Anlage zu diesem Bericht beschrieben.39
Die Bedeutung des sozialen Kapitals stellt die Rolle sozialer Unternehmen auf den Prüfstand, die
nach Auffassung der britischen Regierung zum Erfolg von ländlichen Kommunen beitragen können
(Defra 2005). Soziale Unternehmen sind definiert als „Unternehmen mit primär sozialen Zielen, deren
Überschüsse grundsätzlich zu diesem Zweck in das Geschäft oder die Gemeinde reinvestiert werden
und die somit nicht der Notwendigkeit der Profitmaximierung für Aktionäre, Anteilseigner und
Eigentümer unterliegen“ (www.sbs.gov.uk). Detaillierte Untersuchungen einer Gruppe sozialer
Unternehmen im ländlichen Devon wiesen deutlich auf den Beitrag bestimmter Arten sozialer
Unternehmen im Bereich ländlicher Dienstleistungen zur sozialen Vernetzung und kommunalen
Inklusion hin, wobei diese Unternehmen zudem Standards im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit
38
Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage.
39
Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage.
196
einhielten (Smallbone et al. 2003b). In Großbritannien leisten soziale Unternehmen einen Beitrag im
Bereich von Dienstleistungen wie kommunaler Transport, Village Shops und Postämter bis hin zur
Kinderbetreuung, wenn diese Dienste aus wirtschaftlichen Gründen weder vom privaten noch vom
öffentlichen Sektor angeboten werden. Bestimmte Arten sozialer Unternehmen leisten offenbar einen
besonderen Beitrag zur Entwicklung unternehmerischen Engagements in ländlichen Gebieten mit
derzeit niedriger unternehmerischer Kapazität.40
Das Beispiel eines sozialen Unternehmens im ländlichen Dorset in Südengland veranschaulicht
den Beitrag, der von sozialen Unternehmen zu einer nachhaltigen Landwirtschaft und
Lebensmittelindustrie, insbesondere durch Direktvermarktung an den Verbraucher, geleistet werden
kann. Einerseits wird dies durch Bauernmärkte erreicht, auf denen Landwirte neue Kontakte zu
Verbrauchern knüpfen und direkt auf die steigende Nachfrage nach lokal erzeugten Lebensmitteln
reagieren können. Ein anderes Mittel sind Lebensmittelkooperativen mit dem Ziel, direkte
Absatzverbindungen zu schaffen und das Bewusstsein für den gesundheitlichen Nutzen von frischem
Obst und Gemüse auch in den einkommensschwächeren Schichten zu schärfen.
Die nachfolgenden Empfehlungen an die Politik sind vor dem Hintergrund der OECD-Ergebnisse
und der Empfehlungen aus den lokalen Fallstudien zu betrachten:
Einräumung einer Vorrangstellung der Entwicklung von Netzwerken in ländlichen Gebieten,
die entstehende und neue Unternehmen mit ihren erfahreneren Pendants und mit den
entsprechenden Institutionen verbinden.
Förderung und Unterstützung der Entwicklung von latenten Clustern der geschäftlichen
Aktivität in ländlichen Gebieten.
Förderung der Option sozialer Unternehmen für ländliche Kommunen als Mittel der
Stimulierung unternehmerischer Aktivität, wodurch das ländliche Dienstleistungsangebot für
Unternehmen und/oder die ländliche Bevölkerung verbessert wird.
Gewährleistung des Zugangs zu qualifizierter Beratung und Unterstützung für soziale
Unternehmen im ländlichen Raum.
Einräumung einer Vorrangstellung für die Bereitstellung von Marketingunterstützung für
neue und kleine ländliche Firmen, z.B. durch gemeinsame Vermarktungsinitiativen und
Events, bei denen Anbieter und potenzielle Kunden aufeinander treffen.
Ermittlung innovativer Wege zur Verbesserung des Zugangs zu unternehmerischen Dienstleistungen
für neue und bestehende Unternehmer in Gebieten mit niedriger Bevölkerungsdichte
Einer der wichtigsten Grundsätze für den Aufbau einer Unternehmensförderinfrastruktur mit
Bereitstellung von Beratungs- und Schulungsmöglichkeiten, technischer Unterstützung und
Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten für Unternehmer ist die Ausrichtung auf den Kunden. Diese zeigt
sich darin, dass Dienstleistungen leicht zugänglich und eher auf die Bedürfnisse des Kunden als die
des Finanziers zugeschnitten sind. Die Beispiele aus Nordamerika und Europa, wo Kritiker eine
Fragmentierung des Dienstleistungsangebots, fehlende Kontinuität und strategische Vision, oftmals
einhergehend mit kurzfristigen Finanzierungsplänen und einer fehlenden Einbettung von
Förderagenturen, feststellten, sind zahlreich. Das Projekt Entrepreneurship Development Systems in
Rural Development, beschrieben von Lichenstein und Lyons (2001), war ein Versuch, diese Probleme
40
Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage.
197
durch ein Ausschreibungsverfahren zur Erlangung von Finanzierungsmitteln, das von Kommunen aus
verschiedenen ländlichen Regionen ausging, zu vermeiden. Zusammenarbeit und Partnerschaft waren
Schlüsselkriterien im Rahmen der entsprechenden Evaluierung konkurrierender Gesuche um die von
einer privaten Stiftung zur Verfügung gestellten Mittel. Das Prinzip konkurrierender Gesuche zur
Erlangung öffentlicher Mittel ist in Europa allgemein üblich und stellt, wie die Programme Leader und
Leader+ zeigen, ein Verfahren zur Stimulierung der Zusammenarbeit zwischen Einzelpersonen und
Organisationen dar, zwischen denen es traditionell wenig Kooperation gegeben hat.
Unternehmensinkubationszentren können insbesondere für die ländlichen Regionen geeignet
sein, in denen lokale Beratungsmöglichkeiten und Unternehmensdienstleistungen fehlen. Niedrige
Bevölkerungs- und Unternehmensdichten können für ihre Lebensfähigkeit allerdings eine
Herausforderung darstellen. Einen innovativen Ansatz im Rahmen dieses Problems bietet Outreach
Incubator, eine Erweiterung von Greenhouse Incubator, gegründet 1999 in Inverness, Schottland.41
Gute Beratungsmöglichkeiten, die eine Fragmentierung vermeiden helfen, sind zentrale
Anlaufstellen oder „Gateways“ im Rahmen des Unternehmensfördersystems.42
Die nachfolgenden Empfehlungen an die Politik sind vor dem Hintergrund der OECD-Ergebnisse
und der Empfehlungen aus den lokalen Fallstudien zu betrachten:
Einrichtung eines Fonds für Projekte zur Ermittlung innovativer Förderwege für Leistungen
an ländliche Unternehmen, im Rahmen derer Unternehmensfördereinrichtungen und andere
Institutionen in ländlichen Gebieten auf Konkurrenzbasis sich um Mittel bewerben, wodurch
auch das unternehmerische Verhalten auf deren Seite angeregt wird.
Förderung der aktiven Beteiligung höherer Bildungseinrichtungen an der Entwicklung
unternehmerischen Engagements in ländlichen Regionen durch Einrichtung eines Fonds
Höhere Bildungseinrichtungen/Ländliche Unternehmen zur Förderung der Verknüpfungen
zwischen diesen Einrichtungen und Unternehmern.
Förderung von Innovation in ländlichen Unternehmen
Universitäten leisten einen erheblichen Innovationsbeitrag in einem ländlichen
Wirtschaftssystem, wobei sie eng mit anderen Einrichtungen und Institutionen zusammenarbeiten. Die
wichtige potenzielle Rolle höherer Bildungseinrichtungen innerhalb der lokalen wirtschaftlichen
Entwicklung wird in etablierten Marktwirtschaften zunehmend erkannt, obgleich signifikante
Ergebnisse in der Praxis ein starkes institutionelles Engagement und Entschlossenheit verlangen. Der
Fall der Innovation Group im Bundesstaat Kentucky veranschaulicht, was diesbezüglich in einem
ländlichen Kontext erreicht werden kann.43
Das ländliche Kentucky verfügt über landschaftliche Reize, dort befinden sich jedoch auch einige
der wirtschaftlich schwächsten Regionen der USA, da traditionelle Beschäftigungsmöglichkeiten für
die regionale Wirtschaft nicht länger tragfähig sind. Zu den Wettbewerbsbarrieren gehören
Abwanderung, eine schlecht ausgebildete Arbeiterschaft, Arbeitslosigkeit und eine inadäquate
Infrastruktur.
41
Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage.
42
Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage.
43
Siehe Übersicht der internationalen Lernmodelle und Beispiele Guter Praxis in Ostdeutschland in der Anlage.
198
Die nachfolgenden Empfehlungen an die Politik sind vor dem Hintergrund der OECD-Ergebnisse
und der Empfehlungen aus den lokalen Fallstudien zu betrachten:
Bereitstellung von Unterstützung für ein Programm ländlicher Geschäftsinkubatoren mit
Schwerpunkt auf dem Prozess der Unternehmensinkubation und der aktiven Beteiligung
wichtiger Handlungsträger in ländlichen Kommunen als Partner.
Bereitstellung von Mitteln für Universitäten zur Errichtung von Innovations- und
Geschäftszentren mit Schwerpunkt auf einer Vergrößerung ihrer Kapazität zur effektiven
Unterstützung neuer und kleiner ländlicher Unternehmen.
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ERGEBNISSE DER LOKALEN FALLSTUDIEN UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
OECD
Ländliche Regionen stellen im Bereich der Förderung des Unternehmertums tendenziell eine
Herausforderung dar. Der Umfang dieser Herausforderung ist von Region zu Region verschieden, die
Haupthindernisse rühren jedoch von der geringen Größe und der niedrigen Bevölkerungsdichte
ländlicher Kommunen, ihrer sozialen und wirtschaftlichen Zusammensetzung sowie von der Natur
interner und externer Verknüpfungen her. Das Transportwesen ist dort tendenziell stärker fragmentiert,
und
der
Zugang
zu
Banken,
geeigneten
Geschäftsund
Betriebsräumen,
Hochgeschwindigkeitsinternetzugang und spezieller technischer Beratung gestaltet sich schwieriger.
Das Networking zwischen einzelnen Unternehmern ist oftmals eingeschränkt oder hat seinen
Schwerpunkt im Bereich Landwirtschaft. Letzteres ergibt sich daraus, dass die Diversifikation in
ländlichen Wirtschaftsräumen tendenziell weniger ausgeprägt ist als in städtischen. Deshalb weisen
Arbeitskräfte im ländlichen Raum oftmals Defizite beim Ausbildungsstand, eine geringe
Ausdifferenzierung der Qualifikationen und eine Nichtübereinstimmung mit dem lokalen
Arbeitsmarkt auf, eine Asymmetrie, die auch durch die Abwanderung von jungen, gut ausgebildeten
Menschen und Fachkräften mit verursacht wird.
Erfahrungen aus anderen OECD-Ländern zeigen, dass ein entscheidender Faktor für den Erfolg
von Förderprogrammen im Bereich Unternehmertum darin liegt, Landwirte oder abhängig
Beschäftigte im landwirtschaftlichen Sektor von ihrer Fähigkeit zu überzeugen, selber Unternehmer zu
werden, neue und profitable Projekte durch neue Initiativen in Angriff zu nehmen und dabei vor
Risiken nicht zurückzuscheuen. Landwirte sind oftmals eine attraktive Zielgruppe für entsprechende
Förderinitiativen, weil sie durch die Leitung ihres Betriebes bereits über eine Reihe von Fähigkeiten
und Kenntnissen verfügen, die für die erfolgreiche Führung eines Geschäfts notwendig sind.
Modernisierung und Diversifizierung sind jedoch nicht immer die ersten Ideen eines
landwirtschaftlichen Unternehmers. In den Landkreisen Uckermark (Brandenburg) und Parchim
(Mecklenburg-Vorpommern), dem Fallstudienbereich mit Schwerpunkt auf ländlichem
Unternehmertum, wurden in Verbindung mit diesem Ansatz beträchtliche Erfolge erzielt.
Verschiedene Initiativen im Rahmen von LEADER und LEADER PLUS haben eine Förderung des
Aufbaus von Partnerschaften, Kooperationsinitiativen und Synergieeffekten zwischen
unterschiedlichen Akteuren durch die Gründung lokaler Aktionsgruppen zum Ziel. Ferner sollen
verschiedene Initiativen zur Diversifizierung ländlicher Wirtschaftsbereiche in den beiden Landkreisen
mit umfassenderen lokalen wirtschaftlichen Entwicklungsstrategien verknüpft werden, deren Ziel in
der Förderung des Unternehmertums als Motor für die Schaffung von Arbeitsplätzen und von
wirtschaftlichem Wachstum besteht. Die Aktivitäten der Initiativengruppe zielen auf die Förderung
des lokalen Tourismus und der Gesundheitsbranche ab; zudem gibt es Bemühungen zur Verbesserung
bei der Modernisierung und Diversifizierung bestehender Ventures im Bereich der kommerziellen
Landwirtschaft. Beide Landkreise befinden sich in der Nähe der städtischen Zentren Berlin und
Hamburg. Somit besteht eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Entwicklung von Aktivitäten im Bereich
Freizeit- und Wochenendtourismus. Überdies kann ein Immobilienmarkt, der für Rentner aus der Stadt
zugeschnitten ist, entwickelt werden. Der zweite Interventionsbereich unterstützt Unternehmer im
Rahmen alternativer Geschäftsausrichtungen wie Bioproduktion in der Landwirtschaft, Produktion
und Vermarktung im Rahmen der lokalen Lebensmittelversorgung und innerhalb des gesamten
205
Bereichs von Biomasse und erneuerbaren Energien. Bei beiden Gruppen richten sich die politischen
Maßnahmen auf die Entwicklung von Fähigkeiten ländlicher Unternehmer in den Bereichen
professionelle Methoden, Geschäftskenntnisse, einschließlich Investitionsbewertung und
umfassendere Finanzierungsfragen bezüglich Eigenkapital und externer Finanzierung.
Der teilweise ländliche Charakter der beiden Landkreise und ihre Nähe zu wirtschaftlichen
Entwicklungszentren innerhalb und außerhalb der Landesgrenzen unterstreicht zusätzlich den
grundsätzlichen Bedarf nach einer zunehmenden Integration verschiedener politischer Programme und
Initiativen und ihrer Zusammenfassung in lokalen Entwicklungsstrategien, die einen Rahmen für
Unternehmertum und die Schaffung von Arbeitsplätzen abgeben können. Ferner machen die
regionalen Unterschiede der Gebiete den lokalen Zuschnitt von auf Landesebene konzipierten
politischen Maßnahmen und Programmen zur Grundvoraussetzung ihrer Wirksamkeit. Im Sinne der
Integration politischer Maßnahmen ist es deshalb wichtig, dass eingeleitete Programme und
Initiativen, z.B. in den Bereichen der Modernisierung bestehender KMU, der allgemeinen
Weiterbildung der Arbeitnehmer, der Stärkung der lokalen und regionalen wissenschaftlichen Basis,
und die Förderung des Unternehmertums innerhalb von Gruppen, in denen Unternehmenseigentümer
nur begrenzt vertreten sind, klar miteinander verknüpft und ebenso Teil einer allgemeinen Strategie
sind. In den lokalen Fallstudiengebieten findet sich eine Anzahl von Beispielen Guter Praxis zur
Überwindung der Barrieren, die einer Entwicklung von Unternehmertum in ländlichen Gebieten
entgegenstehen. Integrierte Strategien der ländlichen Entwicklung wurden konzipiert und
implementiert. Die Entwicklung der so genannten Integrierten Ländlichen Entwicklungskonzepte und
die Einrichtung von regionalen Agenturen, das so genannte Regionalmanagement, haben die
Verdeutlichung neuer wirtschaftlicher Perspektiven für ländliche Gebiete zum Ziel. Ein
kontinuierlicher Aufbau von Synergien auf Landesebene zwischen dem Landwirtschaftsministerium,
führenden ländlichen Entwicklungsbestrebungen und wichtigen Einrichtungen für die Entwicklung
des Unternehmertums werden ebenfalls zu einer Minimierung von Koordinationsproblemen auf
lokaler Ebene beitragen, die sich aus einer Übertragung unterschiedlicher Prioritätssetzungen auf
einzelne Strategien ergeben, die von verschiedenen Agenturen auf lokaler Ebene und/oder auf
Landesebene umgesetzt werden. Dies ermöglicht Synergieeffekte zwischen landwirtschaftlicher
Produktion und wichtigen Wirtschaftsbereichen, beispielsweise in der Erzeugung erneuerbarer Energie
und im Tourismus, und stellt außerdem einen soliden Unterbau für eine effektive Politik zur
Förderung ländlichen Unternehmertums dar.
Die weitere Förderung unternehmerischer Aktivitäten und wirtschaftlicher Entwicklung könnte
durch die demographischen Herausforderungen einer alternden Bevölkerung und einer fortdauernden
Abwanderung junger und gut ausgebildeter Menschen beeinträchtigt werden. Wichtig ist, dass neue
Möglichkeiten für ländliche Gebiete – wie zum Beispiel eine zunehmende Nachfrage nach ländlichen
Erholungsmöglichkeiten seitens der Stadtbevölkerung, ungenutzte Ressourcen der wirtschaftlichen
Entwicklung durch eine diversifizierte Landwirtschaft und das steigende Interesse am ländlichen
Tourismus, die Niederlassung von Firmen, die sich für ländliche Gebiete als neuen Geschäftsstandort
entscheiden – von der Politik erkannt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden. Der Aufbau
eines eignen Geschäfts ist jedoch nur in sehr wenigen Fällen eine Alternative zur Migration an andere
Orte mit besseren Arbeitsmöglichkeiten. Migration kann jedoch temporär sein, und die Politik kann
hierauf Einfluss nehmen. Oftmals möchten Migranten nach einer gewissen Zeit zurückkehren und die
neu gewonnen Fähigkeiten und Kenntnisse in der Heimat einbringen. Die Bereitstellung geeigneter
Rahmenbedingungen für den Aufbau eines eigenen Unternehmens, den Antritt einer
Geschäftsnachfolge oder die Koordination mit dem Bedarf von Unternehmen an qualifizierten und
hoch qualifizierten Arbeitskräften sind bewährte Ansätze, die in anderen OECD-Regionen entwickelt
wurden.
206
Was kann die Politik tun, und welche Aktivitäten können tatsächlich zur Förderung eines
ländlichen Unternehmertums beitragen? Der teilweise ländliche Charakter größerer Teile
Ostdeutschlands und die Nähe ländlicher Gebiete zu wirtschaftlichen Entwicklungszentren innerhalb
und außerhalb der Landesgrenzen unterstreicht zusätzlich den oben genannten Grundsatz einer
Koordination und Integration verschiedener politischer Programme und Initiativen und ihrer
Zusammenfassung in lokalen Entwicklungsstrategien, die einen Rahmen für Unternehmertum und die
Schaffung von Arbeitsplätzen abgeben können. Darüber hinaus machen die regionalen Unterschiede
der Gebiete den lokalen Zuschnitt von auf Landesebene konzipierten politischen Maßnahmen und
Programmen zur Grundvoraussetzung ihrer Wirksamkeit. Kommunale Handlungsträger müssen
lokales und regionales „Kapital“ ermitteln und es mit Hilfe von staatlichen Programmen in
unternehmerische Aktivität umwandeln. Die Erfolgschancen für das Erreichen größerer Märkte sind
oft mit der Fähigkeit eines Unternehmers bzw. eines Unternehmens verknüpft, die sich aus dem
Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien ergebenden Möglichkeiten der
Beschaffung von Produktionsmitteln und des Verkaufs von Produkten und Dienstleistungen zu nutzen.
Insbesondere in peripher gelegenen Gebieten ist ein verstärkter Einsatz von E-Commerce bei der
Modernisierung und Diversifizierung bestehender Unternehmen von Nutzen und bietet Möglichkeiten
zur Überwindung der Barriere einer unzureichenden Kapazität lokaler Märkte.
Die lokalen Fallstudien in Ostdeutschland haben eine Reihe von Empfehlungen an die Politik
erbracht, die trotz ihrer lokalen Abkunft eine gewisse Relevanz für andere Standorte in Ostdeutschland
und anderswo aufweisen. Somit sollten die nachfolgenden Empfehlungen als Checkliste für politisch
Verantwortliche und lokale Organisationen im Rahmen einer Erneuerung der Politik zur Förderung
von Unternehmertum und der Entwicklung neuer lokaler Initiativen für Aufbau und Stärkung des
ländlichen Unternehmertums sowie der Diversifizierung ländlicher Wirtschaftsbereiche durch neue
und innovative unternehmerische Aktivitäten herangezogen werden.
Handlungsempfehlungen zur Förderung unternehmerischer Aktivität im ländlichen Raum



Attraktive Regionen schaffen. Initiativen sollten entwickelt werden, um vermehrt unternehmerisch
eingestellte Personen aus anderen Gegenden anzuziehen, die zur Steigerung der Neugründungen vor Ort
beitragen können. Marketing- und Werbemaßnahmen der Landkreise sollten auf unternehmerische
Persönlichkeiten zielen, wobei deren bereits vorhandene lokale Kontakte genutzt werden sollten.
Ehemalige Einwohner der Landkreise, die nun außerhalb leben, aber noch familiäre Bindungen aufrecht
halten, sollten eine besondere Zielgruppe für solche Maßnahmen darstellen. Denn gerade sie werden
leichter die Lebensqualität und die wirtschaftlichen Möglichkeiten dieser Landkreise erkennen (z.B.
niedrigere Lebenshaltungskosten, Zugang zu Fördermitteln, landschaftlich reizvolle Natur usw.). Außerdem
bewegen oft gerade soziale Beweggründe zu einer Rückkehr.
Identifizierung von lokalen und regionalen Vorteilen und deren mögliche Umsetzung in Unternehmertum. In
wirtschaftlich unter Druck stehenden Gegenden überwiegt oftmals die Darstellung von Problemen und
Unzulänglichkeiten - auch um öffentliche Investitionen und Förderung anzuziehen. Dies erschwert es
Chancen zu erkennen, die sich in wirtschaftliche Vorteile umsetzen lassen. Eine 'Inventarisierung' lokaler
und regionaler Vorzüge – selbst wirtschaftlich benachteiligte ländliche Gemeinden verfügen über eine
Reihe von Vorteilen – kann Möglichkeiten aufzeigen, um unternehmerische Aktivität anzulocken und
wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Integration von Entrepreneurship-Ausbildung in Lehrpläne von Schulen, Fach- und Hochschulen sowie in
Aus- und Weiterbildungsprogramme. Eine Erweiterung der Erziehung und Berufsausbildung zu
Enterpreneurship Themen mit dem Ziel, neues und wachsendes Unternehmertum zu schaffen, ist potentiell
ein starkes Mittel, um junge Menschen in ländlichen Gemeinden zu halten. Ein solcher Ansatz kann auch
dazu beitragen, Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft sowie in anderen Berufsgruppen mit
Unternehmertum vertraut zu machen. Insbesondere dann, wenn diese für ihre abhängige Beschäftigung
keine angemessene Entlohnung finden und nicht auf der Suche nach besseren Chancen in die Stadt
ziehen möchten.
207





Entwicklung einer lokalen Förder- und Unterstützungshaltung für Unternehmertum bei der örtlichen
Bevölkerung, um Chancen für erfolgreiches Unternehmertum auszuweiten. Wenn Menschen bei dem
Versuch, ein Unternehmen zu gründen oder auszuweiten, dem Misstrauen und der Geringschätzung durch
die örtliche Bevölkerung begegnen, werden sie entweder ihr Unternehmen aufgeben oder wegziehen.
Ländliches Unternehmertum muss von der örtlichen politischen Führung als eine effektive Alternative oder
Ergänzung zur Anlockung von Unternehmen von außerhalb verstanden und willkommen geheißen werden.
Förderleistungen für Unternehmer zu vernetzten effektiven Systemen ausbauen. Ausbildung und
technische Unterstützung, Zugang zu Kapital und die Bereitstellung von Gewerbeflächen und -räumen
sowie Orientierung zu rechtlichen Vorgaben sollte systemisch vernetzt erfolgen. Ziel eines solchen
Ansatzes sollte es sein, Wege und Möglichkeiten einzubringen, um Effizienz zu steigern und
Transaktionskosten zu verringern, wobei die Qualität der Förderung von verstreut angesiedelten ländlichen
Unternehmern gehalten oder verbessert werden sollte. Beziehungen und Netzwerke zwischen
Regierungsstellen, Kammern und anderen Einrichtungen der Unternehmensförderung sind entscheidend
um zu gewährleisten, dass jenen Unternehmern mit der Motivation, Arbeitsplätze und Wohlstand in den
ländlichen Gemeinden zu schaffen, integrierte und umfassende Unterstützung zuteil wird. Besondere
Beachtung gilt dabei den ordnungspolitischen Rahmenbedingungen und der Zeit, die erforderlich ist, um
Genehmigungen und andere Zusagen zu erhalten.
Ländliche Unternehmer in überregionale Märkte einbinden, um eine Abhängigkeit ihrer Produkte und
Dienstleistungen von stagnierenden lokalen Märkten zu reduzieren. Strategien hierzu sollten folgendes
einschließen: Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien für E-Commerce, kooperative
Vermarktungsstrategien, die sektoral oder geographisch oder beides sein könnten, Stärkung von
Netzwerken und ein Austausch zwischen Unternehmern, auch über regionale und nationale Grenzen
hinweg. Fördermaßnahmen sowie Aus- und Weiterbildung sollten auf die Bedeutung des Zugangs zu
überregionalen Märkten ausgerichtet werden.
Förderung von Basisinnovationen. Es sollte mehr unternommen werden, um Innovationen in der
Landwirtschaft, der Nahrungsmittelindustrie, der Grundgüterindustrie und in den vor- und nachgelagerten
Sektoren und den darin operierenden kleineren und weniger kapitalintensiven Unternehmen anzuregen. Es
gilt, Gute Praxis in Basisinnovationen ausfindig zu machen und zur Nachahmung anzuregen.
Unterstützungsaktivitäten im Bereich Technologie ausweiten. Eine Inanspruchnahme von externen F&EDienstleistungen könnte KMU im ländlichen Raum bei ihren Innovationsbestrebungen unterstützen. Sollten
sich die Landkreise für die Schaffung der erforderlichen Innovationsinfrastruktur als zu klein empfinden,
könnte eine überregionale Zusammenarbeit mit benachbarten Kreisen oder thematisch verwandten
Hochschul- und Forschungseinrichtungen hier Abhilfe schaffen.
208
Box 11. Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in der Förderung des Unternehmertums im
ländlichen Raum
Unternehmen leicht gemacht in ländlichen Kansas – Vereinigte Staaten von Amerika: Das Verständnis für
ländliches Unternehmertum als eine effektive Alternative um Unternehmen von anderorts anzulocken fördern.
Eine integrierte Entwicklungsstrategie in Dundalk – Irland: Den Zugang zu Finanzierungsmitteln durch
Partnerschaften mit Banken und Venture Kapital Institutionen erleichtern.
Ein System zur Förderung von Unternehmertum im ländlichen Raum – Vereinigte Staaten von Amerika: Ein
umfassendes Unterhmensentwicklungssystem aufbauen, welches finanzielle Anreize und technische Assistenz
und Gemeinschaftsanstrengungen von öffentlichen, privaten und non-profit Akteuren bündelt.
Strategien zur Anlockung von Talenten in Schottland – Vereinigtes Königreich: Wiederbelebung von primär
ländlichen, schwach besiedelten und äußerst peripheren Gebieten, wie dem schottischen Hochland und den
Inselregionen um Schottland.
Innovation und Unternehmertum im ländlichen Kentucky – Vereinigte Staaten von Amerika: sich externe Märkten
durch regional Entwicklungscluster in ländlichen Regionen zu Nutze machen.
Ein Aktionsprogramm zur Förderung von Unternehmertum im ländlichen Raum (REAL) - North Carolina –
Vereinigte Staaten von Amerika: Förderung von unternehmerischen Aktivitäten unter Studenten in ländlichen
Regionen.
Strategien zur Förderung eines nachhaltigen Unternehmertums in Appalachia – Vereinigte Staaten von Amerika:
Regional Märkte für ländliche Unternehmer aufbauen.
209
KAPITEL 6
GESTALTUNG UND UMSETZUNG DER UNTERNEHMENSFÖRDERPOLITIK
211
POLITISCHE UMSETZUNGSMASSNAHMEN: SCHWIERIGKEITEN UND CHANCEN
FÜR DIE ENTWICKLUNG DES UNTERNEHMERTUMS
Frederike Walter, Deutschland
Einleitung
Unternehmertum und insbesondere Startup-Unternehmen sind seit Mitte der neunziger Jahre zu
einem Schwerpunkt der deutschen Politik auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene geworden.
Unternehmertum gilt als Mittel zur Verringerung der Arbeitslosigkeit und zur Verjüngung der
Wirtschaft. Zahlreiche Programme und politische Maßnahmen auf allen Ebenen zielen auf die
Förderung neuer Unternehmensprojekte ab. Vor diesem Hintergrund erörtert das vorliegende
Diskussionspapier in Kürze die derzeitige Entwicklung des Unternehmertums in Ostdeutschland;
anschließend werden das politische und institutionelle Umfeld sowie Trends im Rahmen der
Förderung des Unternehmertums betrachtet. Darüber hinaus werden aktuelle sozioökonomische
Schwierigkeiten unter Berücksichtigung möglicher Anpassungen des bestehenden politischen
Umfelds, insbesondere auf kommunaler Ebene, erörtert. Die lokalen Fallstudien werden zur
Veranschaulichung des politischen Umfelds, der aktuellen Schwierigkeiten und der möglichen
Antworten seitens der Politik herangezogen.
Entwicklung des Unternehmertums in Ostdeutschland
Mit der Einführung gesetzlicher Regelungen, die eine Veränderung von Eigentumsrechten mit
sich brachten, und mit der Zulassung privaten Unternehmertums im Jahr 1990 erlebte das
Unternehmertum in Ostdeutschland in den frühen neunziger Jahren einen Boom. Zwischen 1988 und
1991 hat sich die Anzahl der ostdeutschen Unternehmer mehr als verdoppelt.44 Im Jahr 2005 belief
sich die Anzahl der Unternehmer auf 689.000 (Tabelle 1). Das rapide Wachstum in den ersten fünf
Jahren nach der Wiedervereinigung hat sich jedoch beträchtlich verlangsamt. Dabei folgt die
Entwicklung des Unternehmertums in Ostdeutschland dem allgemeinen Muster ehemals
sozialistischer Länder, d.h. nach einem anfänglichen Anstieg angesichts der vielen Möglichkeiten und
einer Vielzahl von Unternehmensneugründungen verlangsamt sich die unternehmerische Entwicklung
im Zuge einer Auffüllung von Marktnischen und zunehmendem Wettbewerb. Der stärkste Anstieg
erfolgte in den Jahren 1991-1995, seit Mitte der neunziger Jahre verläuft der Zuwachs jedoch
langsamer. Insgesamt bleibt das Niveau nur leicht hinter dem westsdeutschen zurück. Im Jahr 2005 lag
der Anteil von Unternehmern unter der erwerbstätigen Bevölkerung in Ostdeutschland bei 10,8
Prozent, in Westdeutschland bei 11,2 Prozent. Trotz der niedrigeren Wachstumsraten seit Mitte der
neunziger Jahre wurden seit Beginn des Umwandlungsprozesses nach der Wiedervereinigung
bedeutende Fortschritte erzielt.
44
Für 1988 siehe Schrumpf (1990). Die Daten in Tabelle 1 stammen aus dem Mikrozensus, bei dem es sich um eine jährliche
repräsentative Studie (Erfassung: 1%) des Statistischen Bundesamtes handelt. Erhoben werden Daten zum
Beschäftigungsstatus, wobei zwischen abhängiger Beschäftigung, Familienhilfe und Selbständigkeit unterschieden wird.
Letztere kann als Indikator für das Unternehmertum gelten. Die Kategorie „Selbständigkeit“ umfasst Personen, die
Eigentümer bzw. Miteigentümer eines Unternehmens mit Angestellten sind oder allein arbeiten. Dazu zählen auch von zu
Hause aus arbeitende Unternehmer.
213
Doch auch mehr als ein Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung unterscheidet sich die Art des
Unternehmertums zwischen Ost und West. Beispielsweise arbeiten in Ostdeutschland mehr
Unternehmer Vollzeit als in Westdeutschland, was auf unterschiedliche Arbeitsmarktlagen hinweist
(Tabelle 1). 2005 (1991) lag der betreffende Anteil bei 90,1% (94,8%) im Osten und bei 83% (88%)
im Westen. Darüber hinaus ist der Anteil weiblicher Unternehmer in Ostdeutschland nach wie vor
höher:45 Im Jahr 2005 waren fast ein Drittel aller Unternehmer Frauen, im Westen lag ihr Anteil bei
29,6%. 1991 lag dieser Anteil bei 28,2% im Osten und bei 25,6% im Westen. In beiden Teilen
Deutschlands lässt sich jedoch ein Trend hin zu Kleinstunternehmen verzeichnen. Während 1991 noch
45,9% (Ostdeutschland) bzw. 44,7% (Westdeutschland) der eingetragenen Unternehmen als Firmen in
Einzelinhaberschaft betrieben wurden, stiegen diese Anteile bis zum Jahr 2005 auf 58% bzw. 55,8%.
Tabelle 2 Umfang und Art des Unternehmertums in Ostdeutschland, 1991-2005
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
Gesamtanzahl der
Unternehmer, in
1.000
348
394
431
463
486
487
512
542
544
553
562
552
583
621
689
Ohne Angestellte,
in %
45.9
43.4
42.9
43.6
43.2
45.5
48.9
46.5
44.9
47.9
48.8
48.7
51.6
54.6
58.1
VollzeitUnternehmer, in
%
94.8
94.9
95.8
95.2
94.9
94.0
93.8
94.1
93.8
92.4
92.3
92.2
91.6
92.3
90.1
28.2 28.7 30.4 29.8 29.4 29.8 30.7 29.7 30.1
Weibliche
Unternehmer, in
%
Source: Statistisches Bundesamt (2006) und eigene Berechnungen der Autorin.
30.6
30.2
31.9
31.6
31.7
32.2
Regional vergleicht das NUI-Ranking das Gründungsgeschehen in sämtlichen deutschen Städten
und Landkreisen.46 Der NUI-Indikator gibt an, wie viele Gewerbebetriebe pro 10.000 Einwohner im
erwerbsfähigen Alter in einer Region in einem Jahr neu angemeldet wurden. Für fünf der sechs
lokalen Fallstudien sind Daten verfügbar (eine Ausnahme stellt Marzahn-Hellersdorf dar, wo die
Daten für Berlin zu Verzerrungen führen würden). Tabelle 2 zeigt, dass Gewerbeanmeldungen,
gemessen an Änderungen des Indikators, in vier der Fallstudienregionen schwach bleiben, nämlich in
der Uckermark (Brandenburg), dem Altenburger Land (Sachsen), Parchim (MecklenburgVorpommern) und Halle (Sachsen-Anhalt).
45
Eine detaillierte Untersuchung des weiblichen Unternehmertums in Deutschland findet sich bei Welter (2006).
46
Der Indikator misst die Anzahl der Gewerbeanmeldungen im Verhältnis zur erwerbstätigen Bevölkerung innerhalb des
Vorjahres. Siehe IfM Bonn (2007).
214
Tabelle 3 Entwicklung des Unternehmertums in den lokalen Fallstudien
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
Landkreis Mittweida
140.9
138.7
130.2
120.8
112.9
138.7
128.8
155.2
Halle (Saale), kreisfreie
Stadt
150.5
133.9
124.7
125.2
116.3
125.9
148.7
134.0
Landkreis Parchim
137.8
133.4
122.7
110.6
109.8
136.7
174.3
133.0
Landkreis Altenburger
Land,
127.7
114.9
111.9
109.0
99.5
110.3
143.0
123.4
Landkreis Uckermark
100.2
84.6
83.2
78.2
74.6
78.7
115.8
105.0
Source: IfM Bonn (2007).
Hinsichtlich des regionalen Rankings nimmt die Uckermark dauerhaft einen der letzten Plätze
unter allen deutschen Landkreisen und Städten ein: Platz 435 von 439 im Jahr 2005 und Platz 434 im
Jahr 1998. Das Ranking des Kreises Altenburger Land verschlechterte sich von Platz 347 im Jahr 1998
auf Platz 419 im Jahr 2005. Ein ähnlicher Trend ist in den Landkreisen Parchim (264 in 1998, 390 in
2005) und Halle (385 in 2005, 197 in 1998) zu verzeichnen. Allein der Landkreis Mittweida in
Thüringen verzeichnet ein relativ stabiles Ranking und lag im Jahr 2005 auf Platz 265 und in 1998 auf
Platz 250.
Unternehmertum und politischer Rahmen
Die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen hat in Deutschland eine lange Tradition,
während politische Maßnahmen zur Förderung des Unternehmertums vergleichsweise neu sind und
erst seit den neunziger Jahren an Bedeutung gewinnen. Einer der stärksten Pluspunkte des deutschen
Systems liegt im breiten Umfang der Fördermaßnahmen. Deutsche KMU und Neuunternehmer
können in der Regel leicht ein Programm finden, das sie bei der Lösung von möglichen Problemen in
unterschiedlichen Phasen der Unternehmensentwicklung unterstützt. Ein weiterer Vorteil liegt im
engmaschigen Fördernetzwerk, zu dem öffentliche und private Partner auf regionaler und
subregionaler Ebene zählen.
Unternehmensförderung auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene
Das politische Umfeld für die Unternehmensentwicklung in Ostdeutschland ist durch einen
dezentralisierten Ansatz zur Förderung von KMU und Neufirmen gekennzeichnet, der auf dem
Subsidiaritätsprinzip beruht, nach dem die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern gemäß
dem deutschen Grundgesetz geregelt ist. Aufgrund der dezentralisierten und oftmals komplementären
Natur ist hier eine Kurzdarstellung der Umsetzung von Programmen und Förderbereichen auf Bundes, Landes- und Kommunalebene wichtig.
Förderbereiche und politische Umsetzung auf Bundesebene
Die Bundesregierung hat im Jahr 2006 mit der Umsetzung der neuen KMU-Initiative zur
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit kleiner Unternehmen begonnen. Zu den acht Politikbereichen
gehören die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für KMU und Unternehmertum, der Abbau
bürokratischer Hürden, die Schaffung einer Initiative für Unternehmertum, die Modernisierung der
beruflichen Ausbildung, die Verbesserung von Finanzierungsbedingungen insbesondere auch im
Bereich Wagniskapital sowie die Förderung der Internationalisierung. Dies wird auf der regionalen
Ebene durch die so genannten Gemeinschaftsaufgaben der Bundesregierung und der
Länderregierungen unterstützt und bezieht sich auf die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der
215
regionalen Wirtschaftsstruktur“ und die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und
des Küstenschutzes“ für eine integrierte ländliche Entwicklung. Die Gemeinschaftsaufgaben sind ein
Instrument, in dessen Rahmen die deutsche Bundesregierung und die Länderregierungen strategisch
zusammenarbeiten, ihre regionalen politischen Maßnahmen integrieren und über gemeinsame
Finanzierungen entscheiden. Die Bundesregierung und die Länderregierungen legen gemeinsam die
im Rahmen dieser Politik zu fördernden Regionen sowie die entsprechenden Förderbereiche fest.
Bei der Auswahl von Förderprojekten sind die Bundesministerien zunehmend zu
Ausschreibungen mit Schwerpunkt auf öffentlich-privaten Partnerschaften innerhalb sämtlicher
verschiedener politischen Ebenen und Netzwerke übergegangen; bei der Auswahl zu finanzierender
innovativer Konzepte greift man zunehmend auf öffentlich-private Prüfungsausschüsse zurück. Ein
solches Beispiel ist die Initiative „Unternehmen Region“, zu der auch Programme wie InnoRegio,
Innovative regionale Wachstumskerne, Zentren für Innovationskompetenz, Innovationsforen und
InnoProfile gehören. Diese Initiative konzentriert sich insbesondere auf die Förderung innovativer
KMU in den ostdeutschen Regionen und trägt damit zur regionalen Entwicklung unternehmerischen
Engagements bei. Die derzeitige Aufteilung von Projekten innerhalb dieser verschiedenen Programme
zeigt das bekannte Bild eines Nord/Süd- und eines Stadt/Land-Gefälles, d.h. Projekte bilden Cluster
um größere Städte sowie im Süden Ostdeutschlands.47 Ein weiteres gesamtdeutsches Beispiel ist das
Programm „Lernregionen“, dessen Schwerpunkt im Bereich der Förderung regionaler oder
regionsübergreifender Lerninitiativen liegt.
Diese und ähnliche politische Maßnahmen stellen, obgleich auf Bundesebene initiiert, einen
dezentralisierten, regionalen Ansatz dar. Verfolgt wird keine Strategie der Förderung von schwächer
entwickelten Regionen durch Aufbau ihrer Infrastruktur und Subvention von wirtschaftlichen
Aktivitäten innerhalb dieser Regionen, sondern diese Programme konzentrieren sich vielmehr stark
auf den Aufbau regionaler Spitzenforschungszentren, so genannter Exzellenzzentren, und zwar
unabhängig von deren Standort. Einige der lokalen Fallstudiengebiete - Parchim, die Uckermark und
Mittweida - konnten diese Programme zur Förderung des lokalen Unternehmertums in Anspruch
nehmen, indem sie Beispiele Guter Praxis der Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure im Rahmen der
Förderung des Unternehmertums vorzuweisen hatten.
Umsetzung von Fördermaßnahmen im Bereich Unternehmertum auf Landesebene
Auf Landesebene gibt es verschiedene Modelle zur Institutionalisierung politischer Maßnahmen
bezüglich Unternehmertum und KMU. Diese Modelle reichen von einem unkoordinierten Ansatz mit
Beteiligung einer Reihe von Ministerien und Abteilungen und einer oftmals problematischen
Koordination bis hin zu einer neuerdings erfolgenden Gründung besonderer staatlicher Banken bzw.
Investitionsagenturen, die für Verwaltung (bisweilen auch für die Umsetzung) sämtlicher staatlicher
Programme zuständig sind. Die grundlegende Idee ist hier eine „One-Stop-Agency“, eine zentrale
Anlaufstelle, die im Idealfall zu einfacheren Verfahren und transparenteren Strukturen für kleine
Unternehmen führen sollte. Für die meisten der ostdeutschen Länder war es von Vorteil, dass der
Aufbau ihrer Förderstrukturen nach 1989 von Grund auf erfolgen konnte. Dadurch waren sie in der
Lage, rasch zu integrierten und übergreifenden Förderansätzen und Maßnahmenmodellen
überzugehen. Dies zeigt sich in den staatlichen Initiativen, die zur Förderung des Unternehmertums
eingesetzt wurden und ein breites Spektrum öffentlicher und privater Handlungsträger umfassen,
politische Maßnahmen zur Förderung des Unternehmertums bündeln und sich über unterschiedliche
Regierungs- und Verwaltungsebenen erstrecken.
47
http://www.unternehmen-region.de/en/67.php.
216
Obgleich diese Ansätze ursprünglich dem Top-Down-Prinzip folgen, scheinen sie dennoch bei
der Zusammenführung von Landes- und Kommunalregierungen erfolgreich gewesen zu sein und
reichen über die Verwaltungsebene hinaus. Beispiele sind: „agil – Aufbruch: Gründen im Land“ in
Brandenburg, eine im Jahr 2000 vom Wirtschaftsministerium ins Leben gerufene Initiative zur
Koordinierung von Abteilungen verschiedener Ministerien, wobei seit 2002/03 auch Industrie-,
Handels- und Handwerkskammern, kommunale Entwicklungsagenturen, Finanzierungseinrichtungen,
Universitäten und Andere mit einbezogen wurden; TIP (Transparent – Innovativ – Passgenau), der
Nachfolger der Kampagne „Einfach Anfangen“ in Mecklenburg-Vorpommern, mit Verlagerung des
Schwerpunkts auf Verbesserungsmöglichkeiten bezüglich der Überlebensperspektiven von
Unternehmertum, oder die ego.-Existenzgründungsinitiative in Sachsen-Anhalt.
Umsetzung von Fördermaßnahmen im Bereich Unternehmertum auf Kommunalebene
Kommunen, d.h. die Gemeinden und Landkreise, sind in erster Linie an einer Förderung der
lokalen wirtschaftlichen Entwicklung durch Investitionen innerhalb ihrer Region interessiert. Dazu
kann in gewissem Umfang die Förderung neuer und bestehender Kleinunternehmen gehören. Die
Maßnahmen beschränken sich jedoch nicht auf diese Art von Unternehmen. Die Hauptakteure auf
lokaler Ebene sind Unternehmensverbände, Industrie-, Handwerks- und Handelskammern, die
Entwicklungsabteilungen von Verwaltungen und Wirtschaftsförderagenturen, die sich oft (teilweise)
im Eigentum der Kommunalverwaltungen befinden.48 Sie bieten eine Vielzahl von Dienstleistungen
wie unternehmensbezogene Informationen und Beratungsdienste, Beratung in Bezug auf öffentliche
Förderprogramme oder die Gründung neuer Unternehmensprojekte und fungieren dabei als
Schnittstelle zwischen der kommunalen Verwaltung und den Investoren. Obgleich viele
Wirtschaftsfördereinrichtungen mittlerweile Orientierungsdienste für neue Unternehmen anbieten,
liegt ihr Hauptschwerpunkt jedoch auf den bereits etablierten Firmen.49
Neue Zielgruppen und Bereiche der Unternehmensförderung
In den späten neunziger Jahren war eine allgemeine Konzentration auf die Förderung von
Startup-Unternehmen zu verzeichnen, weil man die Gründung neuer Unternehmen ankurbeln und
dadurch neue Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen wollte. Viele dieser Initiativen auf Landesebene
bündeln jedoch einfach bestehende Instrumente und Programme, ohne dass eine kohärente oder
radikal neue Strategie entwickelt wird. Die Mehrzahl der politischen Maßnahmen in Deutschland in
Bezug auf Startup-Unternehmen konzentriert sich auf die Ausweitung und Stabilisierung der
finanziellen Basis neuer Ventures, während Beratung eine weniger wichtige Rolle spielt. Dennoch gab
es in jüngerer Zeit eine Tendenz hin zu integrierten Paketen aus finanzieller Unterstützung und
Beratung oder Mentoring. In den neunziger Jahren wurden zudem neue Förderinstrumente im Bereich
Entwicklung von Unternehmertum geschaffen, weil man jetzt unterschiedliche Zielgruppen
ansprechen und damit das allgemeine Level des Unternehmertums anheben wollte. Die neuen Trends
lassen sich folgendermaßen voneinander abgrenzen: Förderung des Unternehmertums von
Hochschulabsolventen und Einbeziehung betriebswirtschaftlicher Ausbildungsinhalte in Schule und
Universität; Förderung benachteiligter Gruppen wie Arbeitslose und junge Menschen;
Unternehmertum von Frauen und Mikrofinanzierung.
48
Wirtschaftsfördergesellschaften bestehen auch auf Landesebene, ihr Ziel ist die Anwerbung ausländischer Anleger in das
betreffende Land und die Öffnung ausländischer Märkte für örtliche Unternehmen.
49
Einem Urteil des Landgerichts Trier vom 25.5.2000 zufolge (siehe DST et al.. [2001]), ist es
Wirtschaftsfördereinrichtungen nicht erlaubt, individuelle Beratung für Geschäftseinsteiger und Jungunternehmer,
Unterstützung im Rahmen der Entwicklung eines Geschäftsplans und bei der Beschaffung von Finanzierung und
Wagniskapital zu erbringen.
217
Betriebswirtschaftliche Ausbildung von Studenten und Schülern
Seit Mitte der neunziger Jahre haben die meisten deutschen Regierungen Maßnahmen eingeleitet,
um das Bewusstsein für Unternehmertum als Beschäftigungsmöglichkeiten bei Studenten und
Schülern zu fördern. Auf Bundesebene umfasst die Initiative „EXIST“, die im Dezember 1997
eingeführt wurde, eine Reihe unterschiedlicher Projekte, die darauf abzielen, Unternehmertum bei
Absolventen von Universitäten und Fachhochschulen zu fördern, auch durch die Schaffung regionaler
Fördernetzwerke. Ein Evaluierungsbericht kam dabei zu dem Schluss, dass viele geplante Projekte
trotz verweigerter Finanzierung zustande kamen.50 Somit hatte möglicherweise das bloße Organisieren
einer solchen Initiative als Wettbewerb durch den damit einhergehenden Anstoß regionaler
Partnerschaften weit reichende „indirekte“ Auswirkungen auf die Förderung des Unternehmertums in
Deutschland. Auf Landesebene wurden in einer Untersuchung aus dem Jahr 2001 für ganz
Deutschland 13 staatliche Programme ermittelt, die sich ausschließlich auf Studenten konzentrieren,
hauptsächlich durch Ermöglichung einer Teilzeitbeschäftigung an der Universität für die Zeit der
Realisierung einer Geschäftsidee.51 Andere Programme konzentrieren sich auf unternehmerische
Ausbildungsinhalte in Schulen, oftmals durch Initiierung von Minifirmen. Programme auf
Länderebene sind beispielsweise JUNIOR52 oder Schüler unternehmen was. Daneben gibt es
Initiativen auf Landesebene, etwa in Mecklenburg-Vorpommern separate Programme in Schulen oder
in Sachsen-Anhalt im Rahmen der Initiative ego.
Diese politischen Maßnahmen sind ein gutes Beispiel institutionell-privater Partnerschaften über
unterschiedliche staatliche bzw. behördliche Ebenen hinweg: Die Programme wurden auf Bundesoder Landesebene konzipiert, werden jedoch auf lokaler Ebene umgesetzt; oftmals spielen Stiftungen
und private Handlungsträger eine wichtige Rolle bei der Initiierung entsprechender Initiativen; ihre
Finanzierung erfolgt oft im Zusammenspiel öffentlicher und privater Stellen. Beispielsweise profitiert
die unternehmerische Ausbildung in Halle (Saale) durch Dienste und Unterstützung von Univations,
eines Innovations- und Unternehmernetzwerks für Universitäten im südlichen Sachsen-Anhalt, das
Universitäten und lokale Handlungsträger aus der Wirtschaft miteinander in Verbindung bringt. In
Mittweida ist die örtliche Fachhochschule Mitglied von SAXEED, einem Netzwerk aus Universitäten
in Südsachsen, zu dem unterschiedliche kommunale und staatliche Partner gehören und das vom Land
Sachsen unterstützt wird. Generell gibt es in entsprechenden Netzwerken ein hohes Maß an
Engagement seitens örtlicher privater und öffentlicher Handlungsträger, wodurch das Unternehmertum
über das Ziel der Förderung unternehmerischer Ausbildungsinhalte an Universitäten hinaus durch
einen direkten Beitrag zur unternehmerischen Kultur innerhalb der Region gestärkt wird. Seit Mitte
der neunziger Jahre haben Bundesregierung und Landesregierungen den Aufbau dieser Netzwerke
zunehmend gefördert, wobei man die möglichen Auswirkungen eines solchen Ansatzes auf die
unternehmerische Entwicklung im Auge hatte. Programme zur Förderung regionaler Netzwerke finden
sich auf Bundesebene - hier unterstützt EXIST seit 1998 fünfzehn regionale Netzwerke rund um
Universitäten53 - sowie im Rahmen der meisten Länderinitiativen zur Förderung neuer Ventures.
Förderung von Unternehmertum bei Arbeitslosen
Seit Mitte der neunziger Jahre begann man auf Bundes- und Landesebene
Unternehmensförderprogramme für benachteiligte Gruppen anzubieten, die Schwierigkeiten haben, in
50
Siehe Stahlecker (2001).
51
Siehe Papenheim und Görisch (2001).
52
Sachsen und Sachsen-Anhalt traten 1995/96 bzw. 1994/95 bei, Brandenburg 2000/01 und Mecklenburg-Vorpommern
sowie Thüringen 2004/05.
53
www.exist.de
218
den Genuss allgemeiner Förder- oder Finanzierungsmaßnahmen zu gelangen, weil bestehende
Leistungen nicht auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten sind und weil den potenziellen
Unternehmern zum Auf- und Ausbau ihrer Unternehmensidee Informationen, Qualifikationen
und/oder Ressourcen fehlen. Zu den entsprechenden Maßnahmen zählen Zuschüsse für
Unternehmensgründungen, oft gekoppelt mit Beratung und Qualifizierungskursen. Zu den
Fördermaßnahmen auf Bundesebene zählen der Gründungszuschuss und das Gründungsgeld sowie
Zuschüsse für Arbeitslose, die Anspruch auf Arbeitslosengeld (ALG und ALG II) haben. Anfangs war
die Mehrzahl der politischen Maßnahmen auf arbeitslose Unternehmer ausgerichtet, später jedoch
wurde der Ansatz auf Landesebene spezifisch auf jüngere Arbeitslose zugeschnitten. So nehmen
beispielsweise sämtliche ostdeutschen Länder am Projekt Enterprise teil. Enterprise wurde 1999 als
Pilotprojekt in Brandenburg ins Leben gerufen und erstreckt sich heute über sämtliche ostdeutschen
Länder, wobei Thüringen dem Programm als letztes ostdeutsches Bundesland im Jahr 2006 beitrat.
Dieses Programm richtet sich spezifisch an junge Arbeitslose zwischen 18 und 27 Jahren, die keinen
Zugang zu sonstigen Fördermaßnahmen oder Bankkrediten haben. Es bietet die Erstellung eines
Persönlichkeitsprofils sowie Coaching, Qualifikation und Mikrokredite bis zu 6.000 Euro an und zielt
außerdem auf eine Integration der Zielgruppe in bestehende Förderstrukturen ab. Einige Länder
beschränken das Programm auf besonders benachteiligte Landkreise und Städte, so zum Beispiel in
Thüringen und Sachsen-Anhalt.
Die Reichweite scheint bislang sehr gering zu sein. In Mecklenburg-Vorpommern haben die
Programm-Manager seit 2001 1.150 Interessenbekundungen registriert, 700 junge Menschen erhielten
eine grundlegende Beratung, jedoch nur 78 durchliefen den gesamten Prozess und gründeten ein
Geschäft; weitere 130, die Beratung erhalten hatten, gründeten ein Unternehmen ohne Fördermittel
aus Enterprise.54 Vor dem Hintergrund des anhaltenden Rufs nach mehr Unternehmenskultur in
Deutschland55 sind jedoch die direkten Ergebnisse eines solchen Programms nicht der beste Indikator
für die Messung seines Erfolgs, da indirekte und längerfristige Effekte wie die Etablierung
unternehmerischer Rollenmodelle in Regionen mit hoher (Jugend-)Arbeitslosigkeit wahrscheinlich
sehr viel gewichtiger sind. In dieser Hinsicht wären Fördermaßnahmen zur Stärkung einer
unternehmerischen Haltung auf kommunaler Ebene für die lokalen Fallstudienregionen von
besonderer Bedeutung. Aufgrund der offenkundig schwach ausgebildeten unternehmerischen Kultur
gilt dies insbesondere für das Altenburger Land, Mittweida, Parchim, die Uckermark und MarzahnHellersdorf.
Unternehmertum von Frauen
In den späten neunziger Jahren begann die deutsche Regierung auch dem Thema des weiblichen
Unternehmertums ihre Aufmerksamkeit zu widmen, da es als wichtiges Mittel zur Anhebung des
allgemeinen Levels des Unternehmertums betrachtet wird. Dennoch spielen unternehmerische
Aktivitäten von Frauen in keiner der lokalen Fallstudien eine wichtige Rolle, weder hinsichtlich der
lokalen Entwicklungsstrategie noch hinsichtlich der zielgerichteten Förderung. Einzelne
Fördermaßnahmen, die sich ausschließlich an weibliche Unternehmer richten, sind hauptsächlich auf
54
http://www.enterprise-mv.de/_index.php?wo=galerie
55
Der allgemeine Ruf nach einer neuen „Kultur des Unternehmertums“ lässt sich bis ins Jahr 1991 zu dem Symposium
zurück verfolgen, das von einem der bekanntesten Unternehmer und Unternehmenseigentümer in Deutschland, Reinhard
Mohn von Bertelsmann, abgehalten wurde. Im öffentlichen Diskurs wird davon ausgegangen, dass der zu beobachtende
Mangel an unternehmerischer Kultur – oder an unternehmerischem Geist – in Deutschland nur durch politische
Maßnahmen ausgeglichen werden könnte, ohne dass jedoch ein allgemeines diesbezügliches Konzept genannt wird. Im
Rahmen einer Analyse dieser besonderen Diskussion in ihrem umfassenderen Kontext veranschaulichten Lagemann und
Welter (1999), dass es keine Übereinkunft darüber gibt, was denn eine neue „Kultur des Unternehmertums“ eigentlich
ausmachen würde, was „neu“ an dieser Kultur wäre oder ob es in Deutschland tatsächlich an unternehmerischem Geist
fehlt.
219
Landesebene zu finden. Dazu gehören beispielsweise ein Programm für unternehmerische
Karriereplanung für Studentinnen in Sachsen-Anhalt (FrauenMachtUnternehmen), das von 2005 bis
2007 lief, oder kleinere Kreditrahmen wie z.B. in Mecklenburg-Vorpommern von 1996 bis 2002. Im
Rahmen dieser Programme wird jedoch nur eine kleine Anzahl von Unternehmerinnen gefördert. In
Mecklenburg-Vorpommern stellte das Land beispielsweise 11 Mio. Euro zur Verfügung, womit 397
Unternehmen gefördert und 663 Stellen geschaffen wurden.
Die Länderregierungen führen bisweilen auch spezifische Regelungen für groß angelegte
Darlehensprogramme ein, insbesondere wenn diese von Bund und Land gemeinsam finanziert werden.
Ein entsprechendes Beispiel gab es in Mecklenburg-Vorpommern, wo die staatliche Investitionsbank
Darlehen direkt an weibliche Unternehmer unter der Voraussetzung ausgab, dass diese zuvor von
Banken abgelehnt worden waren.56 Derartige Regelungen haben einen Ausgleich der möglicherweise
negativen Auswirkungen des deutschen Hausbankensystems zum Ziel, in dessen Rahmen
Geschäftsbanken eine „Pförtnerfunktion“ innehaben, da sämtliche Anwendungsbereiche der
finanziellen Förderung über diese Banken kanalisiert werden. Im Allgemeinen richten sich in
Deutschland die meisten Programme zur Förderung des Unternehmertums von Frauen auf deren
(mutmaßlichen) Förderbedarf im Bereich finanzielles Kapital oder Humankapital, wobei der Einfluss
des allgemeinen rechtlichen und institutionellen Rahmens ausgeblendet wird.
Überdies gibt es eine fortdauernde leichte Verschiebung im Bereich der Fördermaßnahmen zum
Unternehmertum bei Frauen, insbesondere auf Bundesebene.57 Traditionell konzentrierten sich
Förderansätze im Bereich Unternehmertum von Frauen auf die Beseitigung von Problemen auf der
individuellen Ebene durch Einrichtung besonderer Kreditrahmen oder von Schulungsprogrammen,
wobei die allgemeine Umgebung, in der Frauen tätig sind, und ihr Zugang zu allgemeinen
Fördermaßnahmen unberücksichtigt blieben. Heute beruht der Schwerpunkt der Förderung zunehmend
auf einem organisationsbasierten Ansatz. Durch diesen sollen geschlechtsspezifische
Förderthematiken nicht nur in Förderagenturen, sondern auch in andere Organisationen wie
Handelskammern und Unternehmensverbände Eingang finden, wodurch man den Zugang von
Unternehmerinnen zu allgemeinen Förderprogrammen ausweiten will. Dieser Ansatz gilt als beste
Lösung hinsichtlich der Frage, ob spezifische Programme, die sich ausschließlich an
Unternehmerinnen richten, eingerichtet werden sollen oder nicht, das heißt, ob Unternehmerinnen für
eine besondere, zielgerichtete Förderung in Frage kommen oder ob für sie schlicht ein gleicher Zugang
zu Fördermaßnahmen und die gleiche Behandlung wie für Männer zu schaffen und zu gewährleisten
sind. Auf lokaler Ebene erfordert dies, dass Verwaltungen eng mit Unternehmensorganisationen und
Förderagenturen zusammenarbeiten, so dass eine lokale Strategie, wie die Förderung eines
Unternehmertums von Frauen am besten zu bewerkstelligen ist, entwickelt werden kann.
Mikrofinanzierung
Mikrokredite widerspiegeln eine Verschiebung innerhalb der finanziellen Förderung, die von der
Tatsache herrührt, dass bestimmte Gruppen von Unternehmern, wie bei vielen Frauen und
Arbeitslosen der Fall, häufig als Teilzeitbetriebe starten und kleinere Kreditsummen benötigen. In
Deutschland sind Mikrokredite ein neueres Element im Rahmen der Förderung des Unternehmertums.
Nach einer Initiative der International Labour Organisation58 führte die deutsche Regierung diese Art
von Mikrokreditprogrammen während der späten neunziger Jahre auf breiter, bundesweiter Ebene ein.
Dazu gehören die Programme StartGeld, das Kredite bis zu 50.000 Euro bietet, und Mikrokredit mit
56
Siehe Kehlbeck und Schneider (1999), S. 29.
57
Siehe Welter und Langemann (2003).
58
Insbesondere das „Action Research Programme on Micro Credit and Business Creation of Unemployed“.
220
Krediten von bis zu 25.000 Euro für beginnende Unternehmer und Neuunternehmer mit einem
zeitlichen Rahmen von bis zu drei Jahren. Beide Programme können für Vollzeit- und (zumindest
anfänglich) Teilzeit-Startups in Anspruch genommen werden, wodurch die verschiedenen Wege ins
Unternehmertum Berücksichtigung finden.
Seit 2003 gab es in Deutschland auf Bundes-, Landes- bzw. Kommunalebene 24
Mikrokreditprogramme, drei davon auf Landesebene in Ostdeutschland, nämlich in MecklenburgVorpommern, Sachsen und Brandenburg.59 Landesprogramme werden oft von Landesfonds und
europäischen Fonds gemeinsam finanziert, so zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern, wo
Neuunternehmer zur Finanzierung von Betriebsausgaben Mikrokredite von bis zu 10.000 Euro oder
aber die von allen ostdeutschen Ländern innerhalb des Enterprise-Programms angebotenen
Mikrokredite beantragen können. Im Gegensatz zu den Bundesprogrammen scheinen die meisten
Landesprogramme jedoch keine Förderung von anfänglichem Teilzeitunternehmertum vorzusehen.
Vollzeitunternehmertum wird allgemein als langfristiger Beitrag zu Beschäftigung und Wachstum
angesehen, während Teilzeitunternehmertum mit Verlegenheitsunternehmertum, geringen
Wachstumsambitionen und niedrigen Überlebensraten gleichgesetzt wird, obwohl die Forschung
gezeigt hat, dass beispielsweise in Nordrhein-Westfahlen fast ein Viertel der anfänglichen
Teilzeitunternehmer den Übergang zum Vollzeitunternehmer geschafft hat.60 Anfängliches
Teilzeitunternehmertum erleichtert potenziellen Unternehmern den Einstieg ins Unternehmertum, da
sie hier Ressourcen und Know-how aufbauen können.
Örtliche Kommunalverwaltungen waren Trendsetter für Deutschland, da die ersten
Mikrokreditprogramme auf kommunaler Ebene ins Leben gerufen wurden, oftmals mit Unterstützung
seitens der Kommunen.61 GÖBI ist eines der frühesten Beispiele einer öffentlich-privaten
Partnerschaft auf kommunaler Ebene, in die auch Bankinstitute einbezogen sind.62 Dieser Fonds wurde
1997 von der Göttinger Stadtverwaltung zusammen mit Sparkassen und dem Landkreis Göttingen
eingerichtet, und er richtet sich an junge, vordem arbeitslose Geschäftsgründer. Seit Programmbeginn
hat GÖBI rund 60 Unternehmensventures finanziert. Die Sparkassen stellen das Kapital zur
Verfügung, während die am Programm beteiligten kommunalen Stellen Bürgschaften für 50 Prozent
des Ausfallrisikos stellen und einen Zuschuss auf den Zinssatz leisten.
Kommunale Programme richten sich oft an eine spezifische Zielgruppe und beschränken sich
dabei häufig auf Arbeitlose. Sämtliche entsprechenden Initiativen müssen sich jedoch an das deutsche
Kreditwesengesetz halten, das Nichtbanken eine Ausreichung von Krediten verbietet, obschon
Nichtbankenorganisationen eine gewisse Beteiligung am Mikrofinanzierungsmarkt eingeräumt ist.63
Dies verhindert in erster Linie die Einrichtung spezieller Mikrofinanzierungsinstitutionen, kann sich
jedoch auch einschränkend auf kommunale Programme auswirken: Bankinstitute sind häufig an
Länderinitiativen beteiligt, weniger jedoch an kommunalen Programmen. Im Jahr 2002 waren sie zum
Beispiel nur an drei von acht kommunalen Initiativen, jedoch an acht von insgesamt elf
Länderprogrammen beteiligt.64 Kommunale Initiativen, an denen keine lokalen Banken beteiligt sind,
haben diese Beschränkung oftmals dadurch zu umgehen versucht, dass sie sich als Gesellschaften
eintragen ließen und Mikrokredite zugunsten ihrer Mitglieder ausreichten.
59
Siehe Habschick, Evers und Jung (2004), Seiten 43-67.
60
Siehe Kay et al. (2001).
61
Siehe Jung (2002).
62
Siehe Jung (2002) und auch http://wrg-goettingen.de/index.php?id=323.
63
Siehe Evers und Habschick (2001).
64
Vgl. Jung (2002).
221
Herausforderungen für das Unternehmertum in Ostdeutschland
Schwierige Bedingungen ergeben sich aus dem sozioökonomischen Gesamtumfeld für
unternehmerisches Handeln in Ostdeutschland. Dies gilt für Veränderungen des gesellschaftlichen
Kontextes für unternehmerisches Handeln ebenso wie für strukturelle Veränderungen beispielsweise
im Bankensystem, die die Finanzierung vor allem neuer kleiner Unternehmen bedrohen. Überdies
zwingt die hohe Arbeitslosigkeit viele Menschen in die Selbständigkeit, ohne dass sie hierzu über die
nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen, womit „traditionelle“ Ansätze der
Unternehmensförderung auf lokaler Ebene – im Wesentlichen die Bereitstellung von
Infrastrukturangeboten zur Verbesserung des allgemeinen Geschäftsumfeldes - fraglich werden.
Weitere Herausforderungen ergeben sich aus den unterschiedlichen Handlungskontexten
unternehmerischen Engagements in städtischem vs. ländlichem Umfeld, in alten Industrieregionen vs.
Wissensbasierten High-Tech-Regionen oder in Rand- vs. Zentralregionen. All dies wirkt sich auf die
Verfügbarkeit von Ressourcen wie Finanzierungsmöglichkeiten, Informationen und Support aus. In
Ostdeutschland findet überdies parallel im Zuge der Privatisierung ein massiver
Deindustrialisierungsprozess statt, der mit beträchtlichen sozialen Übergangsproblemen und
demographischen Veränderungen verbunden ist. In den folgenden Abschnitten sollen kurz die
wichtigsten Herausforderungen dargestellt werden, die sich aus dem neuen Unternehmensumfeld und
dem neuen Handlungskontext ergeben, um so die lokalen Fallstudien besser einordnen zu können.
Der lokale Kontext unternehmerischen Handelns
Unternehmerisches Engagement vollzieht sich auf kommunaler Ebene. Von Bedeutung für
unternehmerisches Handeln und für die Entscheidung zur Unternehmensgründung sind beispielsweise
folgende Faktoren: Welche Kaufkraft und welche handelbaren Güter stehen zur Verfügung? Welche
Finanzierungsmöglichkeiten und welche Flächen und Räumlichkeiten gibt es? Wie sieht das lokale
institutionelle Umfeld aus? Nach der Startup-Phase ist die lokale Einbindung für das Überleben einer
Firma lebenswichtig, und die meisten kleinen Unternehmen verfügen auch vor allem über lokale
Geschäftskontakte. Wer lokale Unternehmensprozesse nachvollziehen kann, kann einen besseren
Beitrag zur Förderung der Wirtschaftsentwicklung auf kommunaler Ebene leisten. Kontakte auf
lokaler Ebene sind also für Umfang und Art der Entwicklung des Unternehmertums von
entscheidender Bedeutung. Schwierigkeiten ergeben sich diesbezüglich in Ostdeutschland vor allem
aus industriellen, strukturellen und demographischen Veränderungen sowie aus den unterschiedlichen
räumlichen Gegebenheiten und dem Entwicklungsrückstand in Bezug auf unternehmerisches
Engagement.
De-Industrialisierung und Unternehmertum
Seit den früher 1990er Jahren hatten alle ostdeutschen Bundesländer einen tief greifenden
sozioökonomischen Wandlungsprozess zu bewältigen, der vor allem mit einer grundlegenden
Umstrukturierung der gesamten Industrie und im Fall Mecklenburg-Vorpommerns auch der
Landwirtschaft einherging. Das Unternehmertum konnte zwar in allen Neuen Bundesländern
Zuwächse verzeichnen, jedoch konnten die neu gegründeten Unternehmen bei weitem nicht die
Arbeitsplatzverluste bei den vormaligen staatseigenen Betrieben auffangen. Inzwischen ist ein NordSüd-Gefälle zu beobachten: Die südlichen Länder – wie Thüringen und Sachsen – haben bei der
Umstrukturierung ihrer Wirtschaft bessere Ergebnisse erzielt als die nördlichen. Dies geht zum Teil
auf die Wirtschaftspolitik zurück, etwa in Thüringen, das sich auf die Unterstützung industrieller
Kerne konzentriert hat. Wo die Bundesländer ihre Informationsstrategien an traditionellen Stärken wie
Innovationskenntnisse und Innovationsfertigkeiten ausrichteten, gelang ihnen in vielen Fällen die
Schaffung eines günstigen Umfeldes für wachstumsorientierte Unternehmen und eine erfolgreiche
Entwicklung hin zu High-Tech-Bereichen, was in besonderem Maße für Halle (Saale) gilt.
222
Die Unterschiede zwischen den Regionen sind jedoch noch immer recht groß, was zum Teil
darauf zurückzuführen ist, dass sich die Bundesländer auf die Umstrukturierung früherer
Wachstumskerne konzentrieren. Hier zeigt sich denn auch ein Dilemma der Regionalpolitik: Soll man
eher Stärken weiter ausbauen oder sich auf die Beseitigung von Schwächen konzentrieren, die die
regionale Entwicklung hemmen? Aufgrund von Etatbeschränkungen stellen sowohl die
Bundesregierung wie die Landesregierungen eher den „Ausbau vorhandener Stärken“ in den
Mittelpunkt, was in vielen Fällen regionale Schwerpunktsetzungen auf städtische Zentren bedeutet.65
Dieser Ansatz bleibt nicht ohne Folgen für die Entwicklung des Unternehmertums in
strukturschwachen Regionen, denen es häufig an den physischen und infrastrukturellen
Voraussetzungen für die Ansiedelung neuer Unternehmen und an Geschäftsmöglichkeiten für eine
günstige Wirtschaftsentwicklung mangelt. So hat sich Thüringen in seiner Wirtschaftspolitik auf die
Förderung strukturstarker Regionen konzentriert und die Entwicklung strukturell benachteiligter
Regionen zurückgestellt. Damit ist dem Land die (Wieder-) Erschließung einer gesunden industriellen
Basis geglückt, die indes vorwiegend aus kleinen und mittelgroßen Unternehmen besteht. Eine solche
Strategie ist zwar in Anbetracht der knappen Etatmittel und der Notwendigkeit des Wiederaufbaus
einer industriellen Basis nachvollziehbar, führt jedoch zu starken regionalen Verzerrungen, wie sie
beispielsweise an der De-Industrialisierung des Altenburger Landes und der derzeitigen schwierigen
Lage dieses Landkreises deutlich werden. Ebenso verloren Zehntausende Menschen in MecklenburgVorpommern ihre Arbeitsplätze im Schiffbau, in der Lebensmittelerzeugung, in großen
landwirtschaftlichen Genossenschaften, beim Militär und sogar im Tourismussektor, was zu
ernsthaften Problemen für die Entwicklung des Unternehmertums geführt hat. Noch im Juni 2007 wies
dieses Bundesland die höchste Arbeitslosigkeit in ganz Deutschland auf.
Alle ostdeutschen Bundesländer haben, wenn auch in unterschiedlichem Maß, vergleichbare
Erfahrungen gemacht, die wiederum beträchtliche Auswirkungen auf die Entwicklung des
Unternehmertums mit sich bringen. Die De-Industrialisierung geht Hand in Hand mit steigender
Arbeitslosigkeit. Langfristig trägt sie zum Verschwinden individueller Fertigkeiten und
Qualifikationen und zur Minderung des Selbstbewusstseins der Arbeitnehmer bei, und sie führt
überdies zur Abwanderung qualifizierter Personen, die sich außerhalb der Region und des
Bundeslandes nach Beschäftigungsmöglichkeiten umsehen. In dieser Hinsicht verdeutlichen die
meisten lokalen Fälle die nachteiligen Auswirkungen dieses Transformationsprozesses. Wo der
Transformationsprozess indes gut verlaufen ist und Regionen auf ihrer traditionellen industriellen
Basis und auf ihren traditionellen Stärken aufbauen konnten, finden sich immer wieder Cluster von
technologiebasierten (kleinen) Unternehmen, die als Ausgangspunkte für eine lebhafte
Wirtschaftsentwicklung dienen können. In dieser Hinsicht bieten Halle (Saale) und in gewissem Maße
auch Parchim gute Beispiele.
Unternehmertum in städtischem und ländlichem Umfeld
Städtische und ländliche Regionen bieten verschiedene sozioökonomische Herausforderungen für
die Unternehmensentwicklung und die sie stützenden Strukturen. Negative Erfahrungen aufgrund
wirtschaftlicher und sozialer Veränderungen mussten vor allem manche Stadtkerne machen; besonders
gut zu beobachten ist dies in Marzahn-Hellersdorf. Die Verschlechterung der Wirtschaftslage mit
Langzeitarbeitslosigkeit, rückläufigen Einkommen und sinkender Kaufkraft, Abwanderung und
entsprechenden sozioökonomischen und demographischen Auswirkungen zählen zu den
Negativeffekten der derzeitigen Dynamik in der Entwicklung der städtischen und ländlichen Räume.
Sie könnten sich in den Landkreisen zu dauerhaften Standortnachteilen verfestigen und damit die
geschilderte Negativdynamik weiter beschleunigen. Ländliche Gebiete in Ostdeutschland stehen vor
zusätzlichen ernsten demographischen Herausforderungen. In ganz Ostdeutschland hat sich die
65
Vgl. OECD (2007).
223
Bevölkerungsstruktur aufgrund der andauernden Abwanderung junger und gut ausgebildeter
Menschen, die anderswo Arbeitsmöglichkeiten suchen, drastisch verschlechtert. Das gilt in
besonderem Maße für ländliche Gebiete und für Randgebiete, die Bevölkerungsteile einbüßen, die
eine wachstumsorientierte Wirtschaft aufbauen könnten. Zurück bleiben die Benachteiligten,
insbesondere junge männliche Arbeitslose, wie eine jüngere Untersuchung des Berlin-Instituts für
Bevölkerung und Entwicklung belegt. Seit dem Fall der Berliner Mauer haben über 1,5 Millionen
Ostdeutsche ihre Heimat verlassen; in ländlichen Gebieten und in Randgebieten besteht ein
Überschuss von 25% und mehr an Männern im Alter von 18 bis 29 Jahren.66
Aus den regionalen Fallstudien in Randgebieten und ländlichen Gebieten geht hervor, dass
unternehmerische Aktivitäten hier oftmals nur wenig Wertschöpfung erzielen. Die Gemeinden in
diesen Gebieten betrachten die Entwicklung des Unternehmertums oftmals als wichtigste Lösung des
Problems der Arbeitslosigkeit. Ein Umfeld indes, in dem die Menschen möglicherweise das Vertrauen
in ihre eigenen Fähigkeiten schon eingebüßt haben und kaum Chancen haben, sich selbständig zu
machen, benötigt einen ganz anderen Förderansatz mit Konzentration sowohl auf die gezielte
Einzelförderung wie auf eine Strategie zur Förderung der lokalen Unternehmenskultur insgesamt.
In benachteiligten städtischen wie auch ländlichen Gebieten gewinnt die Förderung des örtlichen
Unternehmertums zwar an Bedeutung, jedoch steht die wirtschaftliche Erneuerung durch Förderung
des Unternehmertums zugleich vor mehreren Schwierigkeiten. Hierzu gehören ungenügende
Finanzierungsmöglichkeiten, denen mit spezifischen Maßnahmen zu begegnen ist, sowie die
insgesamt niedrige und weiter absinkende Kaufkraft der Verbraucher vor Ort, die Unternehmen
zwingt, sich neue Märkte und Verbraucherkreise erst zu erschließen. Im Fall der ländlichen Gebiete
sind hier der Mangel an geeigneten Standortflächen und die oft beträchtliche Entfernung zum
Stadtzentrum sowie ein jeweils unattraktives Image der Gesamtregion zu nennen. Des Weiteren ist
von einer Gesamttendenz zur Gründung kleiner Unternehmen in Geschäftsfeldern mit niedrigen
Markteintrittsschwellen und geringen Wachstumsaussichten bei gleichzeitig verschärftem Wettbewerb
auszugehen, was zu Geschäftsmodellen mit geringerer Nachhaltigkeit führt (etwa
Haushaltsdienstleistungen, Einzelhandel oder Catering). Und schließlich ist ein Mangel an
Bereitschaft und Ressourcen zum Engagement über den unmittelbar eigenen Geschäftshorizont hinaus
in lokalen Entwicklungsnetzwerken festzustellen, wie sich am Fall Marzahn-Hellersdorf beobachten
lässt. Überdies stehen ländliche Gebiete und/oder Randgebiete vor dem Zusatzproblem kleiner Märkte
und mangelnder Möglichkeiten der Gründung und Weiterentwicklung lokaler Firmen, was sich
beispielsweise in der Uckermark, in Parchim oder dem Altenburger Land beobachten lässt.
Die lokale Unternehmenskultur
Den Handlungsträgern auf der kommunalen Ebene wird zunehmend deutlich, dass „weiche“ und
gesellschaftliche Faktoren für die Entwicklung des Unternehmertums auf kommunaler Ebene eine
wichtige Rolle spielen, womit sie die in Deutschland nie abgerissene öffentliche Debatte über einen
(wahrgenommenen) Mangel an Unternehmergeist aufgreifen. Die Resultate aus dem Regionalen
Entrepreneurship Monitor (REM) können etwas Licht auf diese oft pauschal kritisierte „negative“
Einstellung der Ostdeutschen gegenüber eigenem unternehmerischem Engagement werfen, denn sie
verweisen auf einen Zusammenhang zwischen unternehmerischer Haltung, der Neigung zur
Existenzgründung und der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung auf regionaler Ebene: In wirtschaftlich
florierenden Gebieten mit bereits höherem Anteil von Unternehmertum sehen mehr Menschen für sich
die Chance zur Existenzgründung als in wirtschaftlich danieder liegenden Gebieten oder in Gebieten
mit unzureichender Infrastruktur in der Unternehmensförderung.67 Dies spiegelt sich in einer
66
Vgl. Köhnert und Klingholz (2007).
67
Vgl. Bergmann (2005).
224
niedrigeren Rate bei Unternehmensneugründungen in Gebieten mit langsamer oder stagnierender
Wirtschaftsentwicklung. So belief sich der Anteil der Unternehmensneugründer, d.h. der Personen, die
gerade dabei waren, ein Unternehmen zu gründen, im Jahr 2001 auf 6,1% der deutschen
Gesamtbevölkerung in Köln und auf 4,2% in München, jedoch auf nur 2,8% in Leipzig und 2% in
Rostock.68 Zudem ist die Angst zu scheitern in Gebieten mit nur wenigen in Gründung befindlichen
Unternehmen größer - zu diesen Gebieten gehören auch die beiden in der vorliegenden Studie
untersuchten Regionen -, was auf das Fehlen unternehmerischer Rollenvorbilder verweist. In Bezug
auf die regionale Entwicklung des Unternehmertums könnte sich ein Teufelskreis ergeben, der mit der
De-Industrialisierung und massiven Arbeitsplatzverlusten einsetzt und zu sich verschlechternden
wirtschaftlichen Bedingungen und schließlich dazu führt, dass die Menschen das Vertrauen verlieren
und eine Existenzgründung als Option für sich selbst ganz und gar ausschließen. Dies wiederum bleibt
nicht ohne Auswirkung auf die individuelle Haltung gegenüber dem Unternehmertum, da lokale
Rollenvorbilder für (erfolgreiche) Entrepreneure nicht bestehen. Diese Einstellungsbarrieren
gegenüber der Entwicklung des Unternehmertums traten in den meisten von der OECD untersuchten
lokalen Fallstudiengebieten zutage.
In diesem Kontext können die Medien durch die Vorstellung von Rollenmodellen einen
bedeutenden Einfluss auf individuelle Einstellungen nehmen. Obgleich jedoch Unternehmertum in der
offiziellen politischen Debatte als wichtigster Lösungsansatz für wirtschaftliche Probleme gilt,
widerspiegelt sich dies nicht notwendig in den Medien. Ergebnisse einer laufenden Forschungsstudie
zur Darstellung des Unternehmertums in bundesweiten deutschen Zeitungen belegen, dass die
Behandlung von Themen im Bereich Unternehmertum immer weniger mit positiven Bewertungen
verbunden ist. So wandelte sich beispielsweise in der deutschen „Tageszeitung“ (taz) im
Untersuchungszeitraum (1996 – 2006) das Bild vom Unternehmertum vom eher positiven Bild hin zu
einer negativen und sogar zynischen Einstellung.69 Da die Mediendebatten Einfluss auf das
tatsächliche Handeln haben, könnten von einem überwiegend negativen Diskurs mit Betonung des
Mangels an Unternehmergeist „falsche“ Signale an potenzielle Unternehmer ausgehen. Die
kommunalen Verantwortungsträger haben hier nicht nur für die Unterstützung der
Wirtschaftsentwicklung zu sorgen, sondern auch Wege zu finden, um das Selbstvertrauen der
Menschen zu stärken, insbesondere wo Gemeinden beabsichtigen, in ihrer Region
unternehmensfördernd tätig zu werden.
Schaffung eines unternehmensfreundlichen Umfeldes auf lokaler Ebene
Bei der Unterstützung der Geschäftswelt haben sich die Gemeinden bislang vor allem auf die
Bereitstellung eines unternehmensfreundlichen Umfeldes konzentriert, was vor allem erreicht wurde
durch Bürokratieabbau und/oder durch die Einrichtung von Startup-Zentren und Technologieparks.
Heute stehen die Gemeinden in Ostdeutschland vor großen Herausforderungen, da sie sich einem
zunehmenden Förderbedarf potenzieller Unternehmer - in vielen Fällen Beschäftigungslose gegenübersehen. Nachgefragt werden Informationen und Schulungsmöglichkeiten bis hin zu Darlehen
an kleine Geschäftsinhaber zu Wachstums- oder Innovationszwecken. Eher traditionelle gezielte
Infrastrukturmaßnahmen
zur
Schaffung
und
Aufrechterhaltung
eines
günstigen
Unternehmensumfeldes können damit unter Umständen ins Leere laufen. Die Beauftragten für
Wirtschaftsentwicklung vor Ort bemühen sich um große und erfolgreiche Investments in ihrer Region,
68
Vgl. Wagner und Sternberg (2004), S. 227.
69
Vgl. Achtenhagen und Welter (2006). Im Rahmen dieses Forschungsprojektes wird auch die Darstellung weiblicher
Unternehmer in deutschen Zeitungen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Darstellungen wenig
Identifikationsmöglichkeit bieten und damit die Bereitschaft von Frauen zur Selbstständigkeit sowie den Beitrag von
Frauen insgesamt zur Wirtschaftsentwicklung hemmen. Vgl. z.B. Achtenhagen und Welteer (2005), Welter und
Achtenhagen (2006).
225
während zugleich immer mehr Arbeitslose gezwungen sind, eine eigene Existenzgründung ins Auge
zu fassen; dieser Personenkreis macht einen ganz anderen Ansatz in der Förderung des
Unternehmertums erforderlich. In diesem Kontext ergeben sich bei der Schaffung eines
unternehmensfreundlichen Umfeldes auf kommunaler Ebene Schwierigkeiten aufgrund von
Finanzierungsbedarf und dem allgemeinen Bedarf nach besseren geschäftlichen Bedingungen für die
Unternehmen vor Ort.
Geschäftsfinanzierung: Zwischen Mikrokrediten und Beteiligungskapital
Die Übernahme der Eigenkapitalvorschriften im Rahmen der Basel II - Rahmenvereinbarung hat
zu Finanzierungseinschränkungen in Fällen geführt, in denen Unternehmen die Rating-Kriterien nicht
erfüllen; vor diesem Problem stehen Neuunternehmer nicht selten, da sie noch nicht über stabile
Bankbeziehungen verfügen bzw. im Fall von Hochtechnologie-Unternehmen auf Bankmitarbeiter
stoßen, die nicht über die erforderlichen Kenntnisse zur Bewertung einer Geschäftsidee und eines
Geschäftsmodells verfügen. Darüber hinaus hat die Umstrukturierung innerhalb des deutschen
Bankensystems dazu geführt, dass große Geschäftsbanken Niederlassungen geschlossen und ihre
Bankenaktivitäten an weniger Standorten konzentriert haben, womit der Zugang zu
Finanzierungsmöglichkeiten für Neuunternehmer insbesondere in ländlichen Gebieten und in
Randgebieten und Kleinstädten eingeschränkt wurde. Dies hat sich in den meisten lokalen Fallstudien
als Problem erwiesen, zu dessen Lösung ein weitergehend dezentralisierter Ansatz in der
Unternehmensfinanzierung erforderlich ist. Vor dem Hintergrund der laufenden Umstrukturierung im
deutschen Bankensektor wird für einen solchen lokalen Ansatz offensichtlich ein neues Modell für
Partnerschaften zwischen der öffentlichen Hand und dem privaten Sektor benötigt. Ein mögliches
Modell ist in diesem Kontext eine jüngere Initiative bei Kleindarlehen. In diesem Zusammenhang hat
das deutsche Mikrofinanzinstitut mit der Akkreditierung regionaler und kommunaler Institutionen für
die Mikrofinanzierung begonnen.70 Die örtlichen Mikrofinanzorganisationen bewerten Kreditanträge
für örtliche Banken, die für die Kreditvergabe zuständig sind, während Ausfallrisiken durch einen
Fonds aufgefangen werden. Derzeit gibt es acht akkreditierte Mikrofinanzorganisationen, von denen
vier in Brandenburg, Berlin, Sachsen und Thüringen tätig sind. Ferner lässt sich die Mikrofinanzierung
in allen Fallstudienregionen Mithilfe von Bundes- und Landesprogrammen bewerten, deren Mittel
allein durch die „Hausbanken“ fließen. In dieser Hinsicht, so wird berichtet, ist der Zugang in
manchen Fällen schwierig, da die Banken mehr Interesse am Verkauf ihrer eigenen Förderprogramme
als an der Vermittlung von Bundes- und Länderprogrammen zu haben scheinen. Dies wurde bei den
Bundesprogrammen, beispielsweise bei Mikrokredit und StartGeld (und bei den meisten
Länderprogrammen) berücksichtigt, bei denen eine Haftungsbegrenzung der Banken auf 80%
angeboten wird.
Neben dem Mangel an Mikrokredit-Angeboten fehlt es den Banken auch an Kenntnissen und
Mitteln zur Finanzierung innovativer Unternehmen. Gerade hier setzen die Bundesregierung und die
Landesregierungen in den neunziger Jahren mit der Unterstützung der Bereitstellung von
Beteiligungskapital ein; eines dieser Programme konzentrierte sich beispielsweise auf die Förderung
von Risikokapitalinvestments in technologieorientierte Unternehmen in Ostdeutschland. Der Bereich
Business Angels scheint nach wie vor schwach entwickelt. Das Business Angels Netzwerk
Deutschland e.V. (BAND) verfügt derzeit über 40 Mitglieder aus ganz Deutschland mit je einem
Netzwerk in jedem ostdeutschen Bundesland (mit Ausnahme Sachsens, das über zwei Netzwerke
verfügt). Das BAND verzeichnete 2005 zudem weitere 80 private Business Angels. Da in Deutschland
jedoch herkömmlicherweise die Finanzierung aus Eigenmitteln und über Bankkredite der Regelfall
war, sind insbesondere die Eigentümer neuer und kleiner Geschäfte strikt gegen jede Form des
Einsatzes von Risiko- und Beteiligungskapital. Entrepreneure in Deutschland bevorzugen als
70
www.mikrofinanz.net/index.php?page=kreditvergabe&sub=dmi-mikrofinanzierer.
226
Finanzquellen eher Eigenmittel und Bankdarlehen; Beteiligungskapital rangiert hier an letzter Stelle,
was auch die langsame Entwicklung des Beteiligungskapitalmarktes in Deutschland widerspiegelt. Für
das Jahr 2005 zeigt eine umfangreiche Untersuchung, dass die Inhaber kleiner Geschäfte großen Wert
auf die Finanzierung aus eigenen Mitteln legen (2 auf einer Skala von: 0 = sehr hohe Wichtigkeit der
Finanzierungsquelle bis 6 = sehr niedrige Wichtigkeit der Finanzierungsquelle); an nächster Stelle
folgen kurz- und längerfristige Bankdarlehen, bewertet mit 3,5 bzw. 3,6 Punkten, während
Beteiligungskapital mit einer Bewertung von 5,5 für die Geschäftsfinanzierung nur eine geringe Rolle
spielte.71
Für die „traditionellen“ Förderbedürfnisse sorgen
Empirische Belege zeigen, dass Unternehmer großen Wert auf Faktoren wie qualifizierte und
zügige Verwaltungsdienstleistungen und damit auch auf weniger Bürokratie auf kommunaler Ebene
legen, was sich auch in der Bedeutung dieser Faktoren als „weicher“ Standortfaktoren und als oft
genanntes Problem widerspiegelt. Nach dem Hauptschwierigkeiten ihrer Geschäftstätigkeit befragt,
verwiesen 20% der Unternehmensgründer in einer Umfrage unter kommunalen Unternehmern aus
dem Jahr 1995 - insbesondere diejenigen, deren Geschäftsgründung durch zeitaufwändige
Genehmigungsverfahren verzögert wurde - auf mangelndes Verständnis von Seiten der (kommunalen)
Verwaltungen.72 Hier werden zwar Handlungsspielräume deutlich, jedoch zeigt die selbe
Untersuchung auch, dass das Geschäftsumfeld zum Teil deshalb kritisch zu bewerten ist, weil die
Geschäftsgründer mangelhaft vorbereitet waren und deshalb nicht über Informationen verfügten, die
auf kommunaler Ebene leicht zugänglich gewesen wären. Im Rahmen der Europäischen
Beschäftigungsstrategie legten die deutsche Bundesregierung und die meisten Länderregierungen
Programme zur Verbesserung des allgemeinen Umfeldes für das Unternehmertum auf. Neben den
oben beschriebenen Förderinitiativen auf Länderebene gehören zu den diesbezüglichen Maßnahmen
auch die Beseitigung von Barrieren für Unternehmensneugründungen, die Vereinfachung von
Gesetzen und Vorschriften, Steuererleichterungen für kleine Unternehmen, die Einrichtung zentraler
Anlaufstellen wie der Lotsendienste in Brandenburg und die Einrichtung eines Internetportals zur
Erleichterung von Unternehmensnachfolgen.
Vergleichbare Beispiele Guter Praxis finden sich auf kommunaler Ebene. Bürokratische Hürden
für neue oder expandierende Unternehmen betreffen hier vor allem Planungs- und Baugenehmigungen
sowie Zulassungen für Industrieanlagen, an denen jeweils eine Vielzahl von Akteuren beteiligt ist, was
die Genehmigungs- und Gründungsverfahren in die Länge zieht. Zur Verbesserung des
Geschäftsumfeldes konzentrierte man sich in allen lokalen Fallstudiengebieten auf die Integration von
Dienstleistungen und die Erleichterung von Unternehmensgründungen. Erreicht wird dies durch die
Einrichtung „virtueller“ oder „realer“ Anlaufstellen, an denen potentielle und neue Unternehmer
allgemeine Informationen erhalten können und an spezifischere Organisationen weiterverwiesen
werden. In diesem Kontext sind zu nennen: die E-Government-Mechanismen in Marzahn-Hellersdorf,
Parchim und in der Uckermark; das „Haus der Wirtschaft“ als zentrale Anlaufstelle für
Geschäftsdienstleistungen in der Uckermark; die Regional- Managements im Altenburger Land oder
in Marzahn-Hellersdorf, obgleich im letztgenannten Fall zwei solcher Anlaufstellen bestehen, was auf
eine Inkohärenz in der Strategie zur Unternehmensförderung schließen lässt.
71
Vgl. Zimmermann und Schumacher (2005).
72
1995 nannten Unternehmer in Deutschland eine unternehmensfreundliche kommunale Verwaltung an siebter Stelle unter
22 Faktoren (DST et al. 2001). 2004 bewerteten 75% der in 25 Städten befragten Unternehmer ein
„unternehmensfreundliches“ Umfeld als sehr wichtig oder wichtig, während nur 22% angaben, dass ihre kommunale
Verwaltung unternehmensfreundlich eingestellt sei (Bertelsmann Stiftung et al. 2004). Dem entsprechend legten 64% bzw.
62% bei ihren Geschäftsgründungsvorhaben Wert auf gute Beratungs- und Informationsleistungen, während lediglich 24%
bzw. 16% mit den diesbezüglichen Leistungen in ihrer Gemeinde zufrieden waren.
227
Aufbau einer kohärenten Politik und eines kohärenten Fördersystems auf kommunaler Ebene
Dieser Abschnitt befasst sich mit Fragen der politischen Umsetzung und mit Governance-Fragen
und deren Rolle in der Förderung des Unternehmertums auf kommunaler Ebene. Gemeinden tendieren
im ihren Versuchen zur Schaffung eines unternehmensfreundlichen Umfeldes oft dazu, sich
ausschließlich auf Infrastrukturfragen und Geschäftsunterstützung zu konzentrieren. Vernachlässigt
werden die institutionellen Herausforderungen im Aufbau eines kohärenten Fördersystems. Diese
Herausforderungen liegen in der Entwicklung einer lokalen Strategie, im Aufbau von Netzwerken und
in der gezielten Förderung unterschiedlicher Gruppen (potenzieller) Unternehmer.
Entwicklung einer kommunalen Strategie zur Unternehmensförderung
Wachsende Arbeitslosigkeit und zunehmende Etatknappheit zwingen die politisch
Verantwortlichen auf kommunaler Ebene, auf Landesebene und auf Bundesebene in immer stärkerem
Maß, sich nach neuen Möglichkeiten für die Finanzierung ihrer KMU und ihrer Förderpolitik
umzusehen, was vor allem die Möglichkeit von Partnerschaften zwischen der Öffentlichen Hand und
dem Privatsektor sowie zwischen der Bundes- und Landesebene betrifft. Am deutlichsten wird dies
auf Landes- und Bundesebene, jedoch richteten auch die Gemeinden ihre Unternehmensförderpolitik
in den vergangenen Jahren neu aus. Etatknappheit auf kommunaler Ebene ist nur ein Faktor unter
mehreren. Ein weiterer Faktor sind die uneindeutigen Erfahrungen mit früheren Maßnahmen zur
Unternehmensförderung wie kapitalintensive Einrichtungen von Startup-Zentren und
Technologieparks, auf die sich die Unternehmensförderpolitik zahlreicher Gemeinden bis in die frühen
90er Jahre hinein konzentrierte.73 Vor dem Hintergrund knapper Etats, gemischter Erfahrungen mit
Fördermaßnahmen und neuer Anforderungen der Unternehmer änderten die auf kommunaler Ebene
Verantwortlichen ihre Förderphilosophie in den späteren 1990er Jahren. Die Förderung einer
physischen Infrastruktur gilt nicht mehr als Königsweg der Entwicklungsförderung auf kommunaler
Ebene. Die Maßnahmen haben sich vielmehr, wie oben gezeigt, hin zu einem subtiler vorgehenden
Ansatz verschoben und konzentrieren sich inzwischen auf die Verbesserung des allgemeinen
Geschäftsumfeldes und des allgemeinen Geschäftsklimas, wobei jedoch auch spezifische
Förderbedürfnisse berücksichtigt werden. Die Entwicklung des Unternehmertums auf kommunaler
Ebene widerspiegelt daher nicht unbedingt genuin „neue“ Ansätze der kommunalen Handlungsträger,
sondern ist vielmehr in umfassendere Bundes- und Länderprogramme und politische Ansätze des
Bundes und der Länder eingebettet. Maßnahmen auf der kommunalen Ebene gehen in vielen Fällen
auf Programme des Bundes und/oder der Länder zurück, was auch die meisten der durchgeführten
lokalen Fallstudien belegen.
Solche „projektorientierten“ Strategien leisten zwar einen Beitrag zur Entwicklung des
Unternehmertums auf lokaler Ebene, sie könnten jedoch auch auf einen Mangel an Eindeutigkeit in
Visionen und politischer Strategie hindeuten, der langfristig der Entstehung einer Unternehmenskultur
auf kommunaler Ebene im Wege steht. Die Bewusstseinsbildung ist jedoch nur ein zentrales
Erfordernis für die Entwicklung einer Unternehmenskultur auf kommunaler Ebene; benötigt werden
auch individuelle Förderer, Engagement und eine gemeinsame Vision. In dieser Hinsicht zeigen die
lokalen Fallstudien Probleme auf mehreren Ebenen auf. So sind den auf Gemeindeebene
Verantwortlichen etwa im Altenburger Land, in Mittweida und in Marzahn-Hellersdorf die
Schwierigkeiten bei der lokalen Unternehmensförderung zwar bewusst, jedoch scheint es ihnen an
einer gemeinsamen Konzeption und an einer gemeinsamen Leitung zu fehlen.
73
Vgl. Behrendt (1996); Sternberg et al. (1997); Tamasy (1995) insbesondere im Hinblick auf die Bewertung von
Technologie- und Startup-Zentren in Ostdeutschland.
228
Die Aufgabe besteht hier darin, unterschiedliche Initiativen mit dem Ziel der Förderung des
lokalen Unternehmertums in einer kohärenten Politik zusammenzuführen, ohne die verfügbaren
finanziellen Ressourcen zu weit zu streuen oder in zu hohem Maße auf externe Zuschüsse zu bauen. In
benachteiligten städtischen Bezirken wie Marzahn-Hellersdorf beispielsweise könnten Maßnahmen
zur Förderung lokaler Kleinunternehmen oder Gemeindeunternehmen eine wichtige Rolle beim
Wiederaufbau des städtischen Zusammenlebens spielen und einen ersten Schritt sowohl im Aufbau
des Unternehmertums wie in Aufbau einer Grundlage für umfangreichere Aktivitäten in den Bereichen
wissensbasiertes und innovatives Unternehmertum spielen. Das Fehlen einer lokalen
Entwicklungsstrategie führt stattdessen zu einem zu eng begrenzten Ansatz, wie sich an offensichtlich
widersprüchlichen institutionellen Regelungen (zwei Regionalmanagements in derselben
Wirtschaftsregion) ablesen lässt. Der Stadtteil steht offenbar auch vor Schwierigkeiten bei der
Entwicklung eines kohärenten Ansatzes, weil es sowohl bei der Gemeinde wie auf Seiten der
Geschäftswelt an Engagement mangelt und die administrativen Kompetenzen für die Entwicklung
einer kommunalen Entwicklungsstrategie nicht ausreichend sind. Verschärft wird die Lage in vielen
Fällen noch durch mangelnde regionale Identität74 und ein schlechtes Selbstbild der Regionen, wie aus
vielen lokalen Fallstudien ersichtlich wird. In einem solchen Kontext können Modelle aus anderen
Ländern oder Bundesländern, etwa Verhaltenskodices, KMU-Chartas und Ähnliches als
Modellbeispiele Guter Praxis in der Entwicklung einer kohärenten Politik dienen, die die
Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure erleichtert.
Zusammenarbeit: Aufbau von Netzwerken und Partnerschaften zwischen Öffentlicher Hand und
Privatsektor
Auf der institutionellen Ebene bezieht sich ein wichtiger Ausgangspunkt für einen kohärenten
Ansatz auf kollaborative Netzwerk-Initiativen, die örtliche Behörden, die bestehende örtliche
Geschäftsgemeinschaft und die Einwohner einbeziehen. Eine solche Politik kann der örtlichen
Identität Auftrieb verschaffen und zugleich einen Beitrag zur Entwicklung einer örtlichen
Unternehmenskultur leisten.75 Im kommunalen Kontext dienen Netzwerke als Plattform, über die
unterschiedliche Akteure der regionalen Unternehmensförderung Informationen austauschen und ihre
Kenntnisse Guter Praxis bei der Förderung der kommunalen Unternehmensentwicklung
zusammenführen. Damit werden weitere Lernprozesse angestoßen, die regionsspezifisches
Hintergrundwissen schaffen, das wiederum Vorteile im Wettbewerb der Regionen mit sich bringt. Zur
Schaffung eines institutionellen Netzwerks wird eine große Bandbreite von Mitwirkenden benötigt.
Hierzu gehören Regierung und Verwaltung auf ihren verschiedenen Ebenen ebenso wie Universitäten
und sonstige (höhere) Bildungseinrichtungen, Handelskammern und Verbände, (örtliche) Banken,
Inkubatoren und Privatakteure.
In diesem Kontext sind inzwischen immer mehr Gemeinden, Städte und/oder ländliche Bezirke
zu Kooperationen übergegangen, um sowohl den Auswirkungen der immer schmaler werdenden Etats
zu begegnen wie auch ihre Attraktivität für neue Investoren zu steigern. Hierzu gehören auch
gemeinsame Initiativen und Programme zur Förderung neuer Geschäftsansiedelungen. Für
Deutschland lassen sich zwei typische Modelle mit unterschiedlichen Graden an Engagement und
Formalisierung unterscheiden, die zum einen auf die Initiierung und Erleichterung institutioneller
Kooperationen über Gemeindegrenzen hinweg und zum anderen auf die Unterstützung gemeinsamer
Dienstangebote und Infrastruktureinrichtungen oder auf die Schaffung institutionell verankerter
74
Wigren (20003) verdeutlicht anhand einer Industrieregion in Schweden die Bedeutung der örtlichen Identitätsbildung für
die Schaffung einer Unternehmenskultur. In Gnosjö sind die Geschäftsebene und die gesellschaftliche Ebene eng
miteinander verzahnt, was der Entwicklung einer besonderen Identität - man spricht vom „Geist von Gnosjö“ - förderlich
ist.
75
Vgl. Forrest und Kearns (2005).
229
Netzwerke abzielen, wobei jeweils eine unternehmerisch orientierte und attraktive Region geschaffen
werden soll: (i) Zusammenführung von Ressourcen durch Angebot gemeinsamer Dienstleistungen und
Infrastruktureinrichtungen innerhalb von Landkreisen und Gemeinden und über einzelne Landkreise
und Gemeinden hinaus, und (ii) Schaffung regionaler Netzwerke.
Beim ersten dieser Modelle führen ländliche Gemeinden und Landkreise ihre Ressourcen in
Pools zusammen und arbeiten bei der Schaffung einer gemeinsamen Infrastruktur bzw. bei der
Bereitstellung gemeinsamer Infrastruktureinrichtungen zusammen. Die zugrunde liegende Idee ist
hier, die Infrastruktureinrichtungen kosteneffektiv zu betreiben und die Vermarktungsanstrengungen
zu bündeln, um neue Unternehmen anzuziehen und/oder potenzielle Unternehmer in der Region zu
halten. Ein weiterer wichtiger Trend, der sich in kleineren (mit Ressourcen weniger gut ausgestatteten)
Gemeinden und Landkreisen beobachten lässt, ist das Angebot gemeinsamer Dienstleistungen für
Unternehmer. Es überrascht nicht, dass dieses Modell in kleineren Gemeinden ohne lange
Wegstrecken und mit starken gemeinsamen Interessen am besten funktioniert. Dabei handelt es sich
zugleich um ein Modell, das in abgelegeneren und weniger entwickelten Gebieten sinnvoll ist, wo es
sich in vielen Fällen nur mit Hilfe langfristiger systematischer Unterstützung durch regionale
Entwicklungsagenturen umsetzen lässt. In einigen der lokalen Fallstudiengebiete könnte sich ein
solches Modell zur Erweiterung des Förderansatzes anbieten. Ein Beispiel hierfür ist das Altenburger
Land, in dem es keinen Technologiepark und keine höhere Bildungseinrichtung gibt und wo die
Zusammenarbeit mit anderen Regionen die Schaffung diesbezüglicher „kostengünstiger“ Lösungen
erleichtern kann. Ein weiterer Fall könnte Marzahn-Hellersdorf sein, wo eine gut ausgebaute
Infrastruktur existiert, potenzielle Unternehmer jedoch fehlen. In beiden Fällen könnte die
Zusammenarbeit mit angrenzenden Gemeinden oder Stadtteilen die Entwicklung eines örtlichen
Unternehmertums begünstigen.
Die Zusammenarbeit mit dem Ziel der Schaffung eines formalisierten regionalen institutionellen
Netzwerks ist das schwierigere Modell der lokalen Kooperation, weil es größere Anstrengungen
erfordert, um die lokalen Partner zusammenzuführen und weil es eines langfristigen Engagements aller
Beteiligten bedarf. Zugrunde liegende Zielsetzungen begründen in vielen Fällen eine Notwendigkeit
der Umstrukturierung der wirtschaftlichen Basis einer Region. Kooperationsmodelle reichen von
informellen bis hin zu institutionalisierten Formen und beinhalten Partnerschaften zwischen
Öffentlicher Hand und Privatsektor in Form von Netzwerken unter Leitung der Wissenschaft, der
Industrie und/oder der Politik.76 In wissenschaftlich geführten regionalen Netzwerken sorgen
Universitäten oder Forschungseinrichtungen für regionale Entwicklungsfortschritte, oftmals mit dem
Schwerpunkt auf regionaler Forschung und Entwicklung. In Netzwerken unter Leitung der Industrie
gehen Innovationen von großen Firmen aus, während politisch geleitete Netzwerke von kommunalen
Verwaltungskräften und Zwischenakteuren wie Unternehmensverbänden initiiert werden.
Diese Netzwerke werden oftmals im Rahmen von Bundesprogrammen wie den genannten
Initiativen „Unternehmen Region“ oder „Lernende Region“ ins Leben gerufen. So bietet etwa Nukleus
in Parchim ein Beispiel für ein von Industrie und Wissenschaft geführtes Netzwerk. Nukleus ist ein
Netzwerk für Präzisionsmaschinenbau im Rahmen des Förderprogramms InnoRegio mit dem Ziel des
Ausbaus der Region Parchim-Wismar-Rostock hin zu einem expandierenden und international
anerkannten Standort für den Präzisionsmaschinenbau. Nukleus arbeitet über die Grenzen von
Regierungsebenen und Landkreisen hinweg und führt eine Vielzahl privater und öffentlicher Akteure
aus Wirtschaftsförderungsgesellschaften, Gemeinden, Unternehmen und Hochschulen in
Mecklenburg-Vorpommern zusammen. Ein weiteres Beispiel ist das Netzwerk „Luchs“, das im
Rahmen des Programms „Lernende Region“ in der Uckermark ins Leben gerufen wurde. In beiden
Fällen scheinen die unterschiedlichen Beteiligten aus dem öffentlichen und privaten Sektor
76
Vgl. Schätzl (1999), S.103.
230
gemeinsam mit den Förderern großen Einfluss auf die Schaffung eines nachhaltigen und erfolgreichen
regionalen Netzwerks genommen zu haben.
Ausrichtung der Förderung auf die kommunale Ebene: Unterschiedliche Zielgruppen erreichen
Schließlich ist die zielgenaue Ausrichtung der Förderung das dritte Element in der Entwicklung
eines kohärenten lokalen Ansatzes. Die Förderung neuer Unternehmen und spezifischer Zielgruppen
beinhaltet eine Reihe unterschiedlicher Maßnahmen, zu denen etwa spezifische Informations- und
Beratungsangebote für vormals arbeitslose Existenzgründer, Frauen, Erfinder und
Hochschulabsolventen als potentieller Entrepreneure gehören. Die Hauptschwierigkeit der lokalen
Verwaltungen liegt hier in der Ermittlung des dringlichsten Förderbedarfs und der adäquaten
Zielgruppen innerhalb der jeweiligen Region, die Voraussetzung für die Entwicklung eines kohärenten
Politikansatzes ist.
Die Komplexität der Aufgabe lässt sich am Beispiel Halle verdeutlichen; hier zeigt die lokale
Fallstudie ein integriertes Fördermodell zur Mobilisierung und Schulung von Hochschulabsolventen in
allen Fragen der Existenzgründung. Das Hochschulgründernetzwerk Univations besteht in allen
Universitätsstädten im südlichen Sachsen-Anhalt und bietet institutionalisierte Förderung an. Wie bei
den vergleichbaren Instrumentarien auf kommunaler Ebene liegt dem ganzen Netzwerk eine
ausgezeichnete Philosophie zugrunde. Im Gegensatz zu manchen anderen kommunalen Programmen
indes kann Univations auf eine Erfolgsgeschichte zurückblicken: Über 200 Existenzgründungen durch
Studenten wurden gefördert. Im Rahmen dieser Initiative gelang ferner die Mobilisierung der
Wirtschaft und außeruniversitärer Akteure - ein wichtiger Schritt in der Entwicklung eines kohärenten
lokalen Ansatzes zur Förderung von Existenzgründungen durch Hochschulabsolventen auf regionaler
Ebene. Geringes Interesse innerhalb der Universitäten kann sich jedoch langfristig als Hemmnis
erweisen, da nachhaltige Schulungsbemühungen für potenzielle Unternehmer auf eine breite
Mentorenbasis in allen Fachbereichen angewiesen sind. Eine Schwäche der Konzentration auf die
Zielgruppe der Hochschulabsolventen in Halle liegt offenbar im mangelnden Erfolg bei der Förderung
wachstums- oder technologieorientierter Geschäftsgründungen. Das mag überraschen, da gerade Halle
eine beeindruckende Infrastruktur zur Nutzung und zur wirtschaftlichen Verwertung von
Forschungsergebnissen besitzt; zu nennen sind hier Technologieparks, Forschungsinstitute und
Patentgesellschaften. Insgesamt werden hier Schwächen der kommunalen Entwicklungsstrategie
deutlich, die sich auf die Stärkung der Bindungen zwischen Universität und den
Forschungseinrichtungen konzentrieren sollte.
Besondere Bedeutung gewinnt in diesem Zusammenhang ein weiterer Aspekt der zielgerichteten
Förderung in Regionen mit niedrigem Niveau an unternehmerischem Engagement. Hier müssen die
Gemeinden Erweiterungen ihrer Förderansätze ins Auge fassen und auch neue Gruppen möglicher
Entrepreneure in ihre Maßnahmen einbeziehen. Auch hier dienen die lokalen Fallstudien als Modelle,
die die Komplexität der Aufgabe der Entwicklung zielgerichteter kommunaler Ansätze verdeutlichen.
So konzentrieren sich sowohl Mittweida wie das Altenburger Land in der Förderung des
Unternehmertums auf Technologiesektoren und vernachlässigen andere potenzielle Fördergruppen wie
Frauen, junge Menschen oder kreative Existenzgründer. Andere Regionen wie Parchim und die
Uckermark konzentrieren viele ihrer Programme auf Beschäftigungslose und vernachlässigen die
Förderung der Potenziale bestehender KMU.
Schlussfolgerungen und Ausblick
Seit der Wiedervereinigung hat Ostdeutschland enorme Fortschritte bei der Entwicklung des
Unternehmertums gemacht. Die durchgeführten Fallstudien für sechs repräsentative Regionen in
Ostdeutschland verdeutlichen eine Vielzahl auf kommunaler Ebene eingesetzter innovativer Modelle
231
zur Bewältigung der geschilderten Schwierigkeiten. Dennoch gibt es weiterhin Spielraum für
Verbesserungen, insbesondere im Austausch von Elementen Guter Praxis bei der kommunalen
Unternehmensförderung. Die nachstehenden Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen
basieren auf der Durchsicht der Fallstudienberichte im Rahmen des OECD-Programms zur Stärkung
des Unternehmertums und der wirtschaftlichen Entwicklung in Ostdeutschland vor dem Hintergrund
des gegebenen politischen Umfeldes und der derzeitigen Herausforderungen in der Entwicklung des
Unternehmertums.
Berücksichtigung des lokalen Kontextes des Unternehmertums
Der lokale Kontext für das Unternehmertum in Ostdeutschland bietet eine Herausforderung für
„traditionelle“ Ansätze der Entwicklung des Unternehmertums auf kommunaler Ebene, insbesondere
in Bezug auf Ansätze in der Verbesserung des Geschäftsumfeldes und auf Ansätze, die sich auf die
Bereitstellung von Infrastruktureinrichtungen konzentrieren. De-Industrialisierung und hohe
Arbeitslosigkeit bilden eine wichtige Hürde für jede Strategie der Unternehmensförderung:
Arbeitslose besitzen oftmals wenig Selbstvertrauen und verfügen nicht über unternehmerische
Qualifikationen; qualifizierte Personen wandern aus den Regionen ab, während es in ländlichen
Regionen und in Randgebieten oder in Regionen, die einen De-Industrialisierungsprozess durchlaufen
haben, zugleich an Geschäftsmöglichkeiten und Infrastruktureinrichtungen fehlt. Diese Tendenz kann
zudem durch die derzeitige Dynamik der städtischen und ländlichen Entwicklung verschärft werden.
Besonders betroffen von der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformation sind einige
Innenstadtbereiche. Zu den negativen Auswirkungen gehören der weitere wirtschaftliche Niedergang
in Form von Langzeitarbeitslosigkeit, sinkenden Einkommen und sinkender Kaufkraft sowie die
Abwanderung samt entsprechenden demographischen und sozioökonomischen Veränderungen.
Empfehlung: Die örtlichen Gemeinden sollten ihre Unternehmensförderung einer Evaluierung
unterziehen und sie auf den jeweiligen lokalen Kontext zuschneiden. Gemeinden etwa in
Mecklenburg-Vorpommern oder in Randgebieten und de-industrialisierten Regionen in Thüringen
benötigen Strategien, die den Faktoren hohe Arbeitslosigkeit, Ausbildungsmängel und
Motivationsmangel ebenso Rechnung tragen wie dem Mangel an Geschäftsmöglichkeiten.
Trotz Schwierigkeiten während des gesamten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Wandlungsprozesses scheinen sämtliche lokalen Fallstudiengebiete Fortschritte bei der Entwicklung
des örtlichen Unternehmertums gemacht zu haben, ohne jedoch das volle unternehmerische Potenzial
der Regionen ausgeschöpft zu haben. In Regionen, in denen starke Netzwerkinitiativen bestehen, wie
dies in einigen der Fallstudiengebiete der Fall ist, besitzen diese Fortschritte auch eine nachhaltige
Basis in der Region. In Gebieten, in denen der Transformationsprozess gut vorangekommen ist und
Regionen auf ihrer traditionellen Industriebasis und auf ihren traditionellen Stärken aufbauen konnten,
entstanden überdies Cluster von kleinen Unternehmen; zu beobachten ist dies beispielsweise in Halle
und Parchim, wo die Ausgangsbasis für eine lebhafte Wirtschaftsentwicklung liegen könnte. In dieser
Hinsicht stehen die Verantwortlichen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene vor einem Dilemma,
nämlich vor der Frage, ob sie sich auf bestehende Stärken konzentrieren oder aber Schwächen
bekämpfen sollen, die die regionale Entwicklung hemmen. Wo sich die Handlungsträger vorrangig auf
die „Förderung ausgewählter Stärken“ konzentrieren, behindert dies die Entwicklung des
Unternehmertums in strukturschwachen Regionen, da es in diesen Regionen oft an der physischen
Infrastruktur und der Förderinfrastruktur fehlt, die für Unternehmensneugründungen benötigt wird.
Empfehlung: Die Landesregierungen sollten ihre politische Strategie der Regionalentwicklung
durch die „Stärkung von Stärken“ einer Überprüfung unterziehen, da diese Strategie ein zusätzliches
Hemmnis für die Entwicklung des Unternehmertums in strukturschwachen Regionen bilden kann und
damit der Unternehmensförderung auf Bundesebene zuwiderläuft. Weiteres politisches Augenmerk
232
könnte die Konzentration auf die „Beseitigung von Schwächen“ oder eine Mischung beider Ansätze
mit Feinabstimmung auf die jeweiligen regionalen Gegebenheiten verdienen. In dieser Hinsicht
besteht offensichtlich Spielraum für die Verbesserung der Koordination verschiedener Politikfelder
(beispielsweise Regionalpolitik und bundesweite Unternehmensförderung).
Des Weiteren hängt die Verwirklichung des vollen unternehmerischen Potenzials innerhalb einer
Region auch von der örtlichen Unternehmenskultur ab. Ein Umfeld, in dem die Menschen das
Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten eingebüßt haben und in dem es ihnen an Möglichkeiten der
Existenzgründung mangelt, erfordert eine Strategie zur Förderung der lokalen unternehmerischen
Kultur insgesamt. Das betrifft sowohl in der Region lebende Einzelpersonen wie auch die örtlichen
Gemeinden, für die die Unternehmensentwicklung oftmals im Mittelpunkt der Lösungsansätze für das
Problem der Arbeitslosigkeit steht, statt dass deren wirtschaftliches Potenzial erkannt wird. Auch in
dieser Hinsicht ergibt sich aus den Fallstudien, dass Spielräume für Verbesserungen bestehen. Ein
wesentlicher Mangel, den die Studien zu Tage gefördert haben, betrifft das Fehlen passender
Rollenvorbilder und ein oftmals negatives Image der Regionen; beides kann sich als Hindernis für die
Entstehung einer unternehmerischen Kultur auf kommunaler Ebene erweisen.
Empfehlung: In den Fallstudiengebieten bestehen beträchtliche Spielräume für die Verbesserung
„weicher“ Faktoren wie der Bewusstseinsbildung, die ein konstitutives Element für die
Unternehmenskultur auf kommunaler Ebene ist. Die vor Ort Verantwortlichen aus Verwaltung und
Wirtschaft sollten mit den lokalen Medien zusammenarbeiten, um zu klären, wie am besten
Rollenmodelle zu präsentieren sind, indem lokale Unternehmer samt ihren Geschäftsmodellen und
ihren Strategien der Problemlösung während der Geschäftsentwicklung vorgestellt werden.
Werbekampagnen, Preise für den kommunalen Unternehmer des Jahres und vergleichbare
Maßnahmen können zur Verbesserung der lokalen Bewusstseinsbildung in Bezug auf das
Unternehmertum mit dem Ziel der Förderung der regionalen Wirtschaftsentwicklung beitragen. Was
das Problem des negativen Images von Regionen angeht, sind solche spezifischen Kampagnen durch
umfassende Marketinganstrengungen zu flankieren, um eine Imagewerbung zu erzielen und
qualifizierte Personen in der Region zu halten oder für die Region zu gewinnen.
Verbesserung des Geschäftsumfeldes auf lokaler Ebene
Herkömmlicherweise haben sich die Gemeinden in der Unternehmensförderung auf die
Entwicklung eines geschäftsfreundlichen Umfeldes vor allem durch Bürokratieabbau und/oder durch
die Einrichtung von Startup-Zentren und Technologieparks konzentriert. Wie aus allen Fallstudien
hervorgeht, ist der beste lokale Ansatz zur Verbesserung des Geschäftsumfeldes der Versuch zur
Integration von Dienstleistungen und die Erleichterung der Existenzgründung. Erreicht werden kann
dies durch die Einrichtung „virtueller“ und „realer“ Anlaufstellen, an denen potenzielle und neue
Unternehmer allgemeine Informationen erhalten können und an spezifischere Einrichtungen weiter
verwiesen werden. Darüber hinaus haben die kommunalen Stellen sich auf unterschiedliche Gruppen
von Unternehmern auf lokaler Ebene einzustellen, was die Notwendigkeit unterschiedlicher
Förderstrategien beinhaltet. Die Finanzierung eines Geschäftes auf lokaler Ebene bietet vor dem
Hintergrund der zunehmenden Zentralisierung des deutschen Bankensystems eine besondere
Herausforderung.
Empfehlung: Die politisch Verantwortlichen vor Ort sollten Gespräche mit örtlichen
Kreditinstituten über einen erleichterten Zugang zu finanziellen Ressourcen auf lokaler Ebene
aufnehmen. Ferner sollten die entstehenden neuen Modelle von Partnerschaften zwischen öffentlichem
und privatem Sektor für die Mikrofinanzierung einer kritischen Prüfung unterzogen werden; hier
scheint eine umsetzbare Lösung für dezentralisierte Kreditfinanzierungsmöglichkeiten zu liegen. In
Hinblick auf ihre Finanzierungsbedürfnisse sollten Unternehmer zur Nutzung unterschiedlicher
233
Finanzierungsquellen angeregt werden - etwa durch Business Angels oder Beteiligungskapital -, statt
sich vorrangig auf Bankdarlehen zu verlassen. Dies erfordert jedoch auch die Förderung lokaler
Netzwerke von Business Angels.
Entwicklung einer kohärenten Politik und eines kohärenten Fördersystems auf kommunaler Ebene
Die Kommunalverwaltungen stehen bei der Entwicklung eines kohärenten Fördersystems auch
vor institutionellen Herausforderungen. Dies bezieht sich auf die Entwicklung lokaler politischer
Strategien mit dem Schwerpunkt Unternehmensförderung. Die meisten Maßnahmen in diesem Bereich
auf kommunaler Ebene widerspiegeln nur selten wirklich neue Ansätze der Verantwortlichen; in
vielen Fällen gehen sie auf Programme des Bundes und/oder des Landes zurück, wie auch aus den
meisten Fallstudien ersichtlich wird. Lokale Fördermaßnahmen konzentrieren sich auf die
Verbesserung des Geschäftsumfeldes, auf die Finanzlage potenzieller Unternehmer oder auf das
Angebot von Schulungs- und Qualifikationsmaßnahmen für potenzielle Unternehmer und
vernachlässigen „weiche“ Faktoren wie die oben angeführte örtliche Unternehmenskultur. Ein solcher
projektorientierter Ansatz kann als Indiz für das Fehlen einer klaren politischen Strategie gewertet
werden, das sich langfristig als Hemmnis für die Entstehung einer lokalen Unternehmenskultur
erweisen kann, wie ebenfalls aus mehreren lokalen Fallstudien ersichtlich wird. Probleme ergeben sich
aus dem Fehlen einer gemeinsamen Konzeption und gemeinsamer lokaler Visionen, aus mangelndem
Engagement und aus oftmals unklaren Zuständigkeiten der Beteiligten über verschiedene
Verwaltungsebenen und Grenzziehungen hinweg.
Empfehlung: Die kommunalpolitisch Zuständigen sollten sich um die Entwicklung einer lokalen
Vision und Strategie für die Unternehmensentwicklung bemühen und dabei die Stärken und den
jeweiligen allgemeinen Kontext des Standortes berücksichtigen. Das bedeutet eine Prioritätensetzung
und eine Klärung der Zuständigkeiten der verschiedenen Beteiligten. Darüber hinaus muss sich eine
kohärente Strategie auf kommunaler Ebene um die Förderbedürfnisse auf der Ebene von
Einzelpersonen und auf der Unternehmensebene sowie auf die für die Schaffung einer lokalen
Unternehmenskultur erforderlichen Faktoren konzentrieren.
Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor könnten zur Schaffung einer
kohärenten politischen Strategie auf kommunaler Ebene beitragen. In dieser Hinsicht bieten
unterschiedliche räumliche, strukturelle und demographische Zusammenhänge für das örtliche
Unternehmertum Herausforderungen in Fragen der Verwaltung und Umsetzung der
Unternehmensförderung auf kommunaler Ebene. Vor dem Hintergrund schmaler werdender Etats
könnten die auf kommunaler Ebene Verantwortlichen über Wege zur Zusammenfassung ihrer
Ressourcen in Pools und zur Zusammenarbeit durch die Schaffung gemeinsamer Dienstleistungen
oder Infrastruktureinrichtungen nachdenken. Eine besondere Stärke des ostdeutschen Fördersystems
scheint in diesem Kontext mit den starken Netzwerken und Partnerschaften gegeben, die auch die
Regierungsebene mit einbeziehen. Als die ostdeutschen Länder und die lokalen Akteure in
Ostdeutschland mit der Unternehmensförderung und der Förderung von KMU begannen, entdeckten
sie schnell den Netzwerkansatz, der sich aus der allgemeinen Tendenz hin zur Zusammenarbeit
zwischen öffentlichem und privatem Sektor und aus wettbewerbsorientierten Auswahlverfahren ergab.
Eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Netzwerkarbeit und für die erfolgreiche
Zusammenarbeit von öffentlichem und privatem Sektor liegt in der Überwindung institutioneller und
persönlicher Egoismen und politischer Vorbehalte; dies verweist auf die Notwendigkeit des
Engagements der lokalen Akteure und auf die Notwendigkeit der Identifizierung lokaler Förderer. Ob
private Akteure über Partnerschaften zwischen öffentlichem und privatem Sektor oder sogar durch
eine Führungsrolle des Privatsektors einbezogen werden, hängt ganz von den Umständen vor Ort ab.
234
Empfehlung: In Hinblick auf Netzwerke und Partnerschaften ergeben sich aus allen lokalen
Fallstudien Beispiele für beträchtliches Engagement privater und öffentlicher Akteure auf kommunaler
Ebene; dies deutet auch auf ein hohes Maß an Bewusstsein, wie es für die Entstehung einer
unternehmerischen Kultur auf kommunaler Ebene erforderlich ist. In dieser Hinsicht bieten die lokalen
Fallstudien interessante Beispiele dafür, wie das Unternehmertum auf lokaler Ebene durch
Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor sowie durch Netzwerke unter
Führung der Politik, der Industrie oder der Wissenschaft gefördert werden kann. Andere Regionen in
Ostdeutschland und Westdeutschland können von solchen Modellen lernen; daher wird ein solcher
Austausch durch die Bekanntmachung von Beispielen Guter Praxis beispielsweise im Rahmen
bestehender Netzwerke und Organisationen empfohlen.
Unterschiedliche Kontexte für lokales Unternehmertum bieten auch Schwierigkeiten auf der
Förderebene. Dies bezieht sich auf zweckdienliche Maßnahmen und Programme für eine große
Vielfalt von Zielgruppen von innovativen Start-Ups über wissensbasierte Geschäfte und
Existenzgründer nach dem Hochschulabschluss bis hin zu Existenzgründungen durch Arbeitslose. Die
lokalen Fallstudien zeigen Modelle Guter Praxis für das Erreichen von Zielgruppen wie
Hochschulabsolventen, während eine zentrale Schwierigkeit darin liegt, alle relevanten lokalen
Zielgruppen eindeutig zu ermitteln und zu unterstützen. Erklärbar ist dies zum Teil durch die stark
angebotsorientierte Ausrichtung der kommunalen Förderung, wie alle lokalen Fallstudien in
bestimmtem Maße belegen. Dies könnte die Gemeinden an der Entwicklung einer kohärenten
Strategie zur Förderung des kommunalen Unternehmertums und an der Ausschöpfung des vollen
unternehmerischen Potenzials innerhalb einer Region hindern.
Empfehlung: Die Landkreise und Stadtteile, die im Rahmen des OECD-Programms untersucht
wurden, sollten ihre Zielgruppen überprüfen, um ihren Förderansatz zu erweitern und „neue“
Zielgruppen wie zum Beispiel Frauen, die sich selbständig machen, oder junge Unternehmer zu
erreichen. Ein solcher Ansatz lässt sich verwirklichen, wo dies zweckdienlich und erforderlich ist, und
er sollte auf einer sorgfältigen Bewertung des Wirtschaftspotenzials innerhalb der Region basieren.
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237
LOKALE FALLSTUDIEN: ERGEBNISSE UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
OECD
Das Unternehmertum ist vor allem eine lokale Angelegenheit: Es schafft Arbeitsplätze, generiert
und verbessert sowohl privates wie öffentliches Einkommen, und es leistet damit einen Beitrag zur
kommunalen Entwicklung. Im Idealfall sollte die Gestaltung und Umsetzung der Politik auf der
Partizipation einer großen Bandbreite Beteiligter und auf die lokalen Bedürfnisse und Gegebenheiten
zugeschnitten sein. Die Stärkung des Unternehmertums ist eine Aufgabe, die die politischen
Handlungsebenen übergreift. Die Effektivität der öffentlichen Förderung hängt von der Integration
und Koordination der Politiken und Maßnahmen ab. Der politische Rahmen betrifft alle
Politikbereiche, die für das Unternehmertum und die Unternehmensentwicklung relevant sind,
einschließlich Politiken und Programme sowie sämtliche legitimen Akteure, die an der Gestaltung,
Umsetzung und Bewertung der Unterstützung durch die Öffentliche Hand beteiligt sind. Derzeit
konzentrieren sich die politischen Modelle im Bereich Unternehmertum und Innovation stark auf die
Entwicklung von wissensbasierten und hochtechnologieorientierten Branchen. Jüngere Arbeiten der
OECD zur Überprüfung nationaler Innovationssysteme betonen diesbezüglich die Bedeutung
zunehmender Netzwerkbildung und Zusammenarbeit öffentlicher Stellen. Erforderlich ist eine stärkere
Konzentration auf institutionelle Anpassungen im Bereich Unternehmertum, Wissenschaft,
Technologie und Innovation über die Zuständigkeitsgrenzen von Ministerien hinweg.77 Bei dieser
Koordination muss die kommunale Ebene in der Ermittlung des benötigten Politikmix nach Maßgabe
der lokalen Erfordernisse sowie bei der Zusammenstellung der zweckdienlichen Maßnahmen auf
unterschiedlichen nationalen, regionalen und lokalen Regierungs- und Verwaltungsebenen einbezogen
werden.
Aus den lokalen Fallstudien wurde ersichtlich, dass auf Landesebene über die
Zuständigkeitsgrenzen der Ministerien hinweg mehr zur verbesserten Integration und Koordination der
Unternehmensförderung und Innovationspolitik geschehen kann. Die derzeitigen Regelungen auf
Landesebene scheinen die Entwicklung einer besseren Integration und Koordination auf der Ebene der
Landkreise eher zu bremsen, da die unterschiedliche Prioritätensetzung zu verschiedenen Strategien
führt, die von verschiedenen Stellen auf kommunaler Ebene und/oder auf Landesebene umgesetzt
werden. Ein lokaler Zuschnitt der Politiken würde neben einer engeren Zusammenarbeit zwischen der
kommunalen Ebene und der Landesebene auch überregionale Kooperationen mit anderen
Bundesländern erfordern. In einem föderalen Staat entspricht die Wirtschaftsgeographie nicht
unbedingt den Verwaltungsgrenzen. Von entscheidender Bedeutung ist dies für die Förderung des
Unternehmertums mit dem Ziel der umfassenderen Wirtschaftsentwicklung. Die lokalen Fallstudien
ergaben, dass sich insbesondere in Wirtschaftsräumen über Landesgrenzen hinweg
Kooperationsbeschränkungen der Bundesländer in politischen Fragen der Unternehmensförderung
negativ auf die Zusammenarbeit und die Bündelung der Bemühungen auf kommunaler Ebene
auswirken. Alle Bundesländer haben erkannt, dass die Einbeziehung des Privatsektors beim Zuschnitt
der Politik auf die Bedürfnisse der Geschäftswelt ein wichtiger Faktor für die Effektivität politischer
Maßnahmen ist. Landesweite Programme führen zu strategischen Allianzen mit dem Privatsektor auf
Landesebene. In einigen Fällen wurden Beratungs- und Evaluationsgremien eingerichtet. Das
77
OECD (2005): „Governance of Innovation Systems“, Bd. 2: Case Studies in Innovation Policy, Paris.
239
Engagement der Mitglieder dieser Gremien scheint jedoch aufgrund von Zeitmangel bei Gestaltung
und Kontrolle sowie aufgrund einer ungenügenden Kompetenz- und Aufgabenverteilung nicht immer
zureichend und effektiv.
Die lokalen Fallstudien ergaben den Eindruck, dass die politische Gestaltung und Umsetzung auf
kommunaler Ebene eher zersplittert ist. Probleme des lokalen Unternehmertums scheinen zwar gut
begriffen zu werden, jedoch sind die Kapazitäten zur politischen Gestaltung auf kommunaler Ebene
begrenzt. Zahlreiche Initiativen arbeiten - angefangen mit der Landesebene - „von oben nach unten“,
wobei der Grad für jeweilige Ermessensentscheidungen vor Ort unterschiedlich ist. Was fehlt, ist eine
systematische Analyse der lokalen Erfordernisse und der politischen Optionen auf kommunaler Ebene.
Die Einbeziehung der kommunalen Verwaltungen geht einher mit begrenzten Finanz- und
Humanressourcen. Die Kompetenzen der Kommunalverwaltungen sind auf die Flächennutzung, die
Registrierung von Unternehmen und die Bereitstellung von Informationen beschränkt. In vielen Fällen
nutzen diese Programme Online-Schulungsangebote als Ergänzung zu Schulungsmaßnahmen mit
persönlicher Anwesenheit. In allen lokalen Fallstudien wird festgestellt, dass die Senkung
administrativer Hemmnisse für Unternehmer und Investoren zwingend erforderlich ist, damit die
Verantwortlichen in den Landkreisen und Gemeinden einen echten Beitrag zur wirtschaftlichen
Entwicklung und zum Wachstum leisten können. Im Großteil des Landes sorgen Wettbewerbe und
Preise für die am besten unternehmerisch orientierten kommunalen Verwaltungen für mehr Klarheit,
Transparenz und Kommunikation bei der Geschäftsförderung für lokale Unternehmer.
Die politischen Gestaltungsträger setzen überwiegend allgemeine Instrumentarien mit nur
begrenztem Bezug zum jeweiligen lokalen Kontext ein. Jedoch ist eine große Anzahl von Beteiligten
aus dem öffentlichen Sektor und dem Privatsektor in die Lokale Wirtschaftsentwicklung einbezogen.
Trotz erweiterter Möglichkeiten über erfolgreiche Projekt-Kooperationen mit Förderprogrammen wie
dem EFRE und dem ESF könnte sich das Fehlen eines strategischen Dokuments für die
Unternehmensentwicklung im Rahmen einer weitergehenden Strategie der wirtschaftlichen
Entwicklung als entscheidende Barriere für das Gelingen eines umfassenden Ansatzes erweisen, der
die Integration von Wiederbelebungsprojekten für urbane Räume, den Ausbau der Infrastruktur,
Eigentumsinitiativen, die Ausbildungsförderung und umfassendere strategische Aktivitäten in der
Wirtschaftsentwicklung beinhalten könnte. Somit besteht das Risiko, dass Projekte ad hoc und
vorwiegend nach Maßgabe der jeweiligen Finanzierungsmöglichkeiten umgesetzt werden. Die lokalen
Fallstudien erbrachten kaum Belege für systematische Evaluationen von Projekten und Programmen,
so dass schwer zu sagen ist, welche Ansätze die besten sind, welche Politiken und Förderprogramme
dem entsprechend ausgeweitet werden sollten und was getan werden sollte, um deren Wirksamkeit zu
erhöhen. Im Hinblick auf die Vielfalt der lokalen Entwicklungsorganisationen und Akteure kann eine
partizipatorische Auswertung früherer und laufender Programme und Projekte unter Einbeziehung der
wichtigsten Beteiligten auf kommunaler und regionaler Ebene bei der Schaffung eines
Erfahrungsinventars bis zum heutigen Tag und zur Anpassung unterschiedlicher Strategien und
Aktionspläne hilfreich sein.
Die nahe liegende Frage der Kompetenzverteilung in der Entwicklung und Umsetzung von
Strategien lässt sich nicht allgemein beantworten. Gegebenenfalls ist die gesamte Reichweite der
Unternehmensförderung auf den Prüfstand zu stellen. Reicht eine Planung auf Landkreisebene nicht
aus, müssen Möglichkeiten der Zusammenarbeit benachbarter Landkreise ermittelt werden. Es müssen
Kommunikationskanäle zwischen verschiedenen Regierungs- und Verwaltungsebenen geschaffen
werden, soweit diese noch nicht existieren. Die formellere Einbeziehung der zuständigen
Länderministerien in bestehende lokale Netzwerke in den Fallstudiengebieten böte weitere
Möglichkeiten zur Entwicklung und genaueren Ausrichtung lokaler Ansätze und würde einen
zeitnahen Austausch über veränderte Anspruchskriterien und Vorschriften in der öffentlichen
Förderung ermöglichen.
240
Unterschiede zwischen den lokalen Fallstudiengebieten wurden bei der horizontalen
Zusammenarbeit zwischen lokalen Organisationen sichtbar. An einigen Orten zeigten sich bedeutende
Netzwerkaktivitäten zwischen Wirtschaftsentwicklungsorganisationen; diese Netzwerkbildung trug
zur Entwicklung eines Bottom-Up-Prozesses in der Gestaltung lokaler Strategien bei. Einige dieser
Netzwerke wurden zu strategischen Allianzen formalisiert, während andere eher informell arbeiten
und sich je nach aktueller Problemlage zusammenfinden. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen die
politischen Beziehungen vertikal zwischen Land und kommunaler Ebene statt horizontal zwischen
Partnern innerhalb eines Landkreises oder verschiedener Landkreise organisiert sind. Daraus können
sich Koordinations- und Integrationsverluste ergeben. In den verschiedenen lokalen
Fallstudiengebieten waren die Beziehungen zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor
unterschiedlich gestaltet. An einigen Orten war eine mangelhafte Fähigkeit zur Aufrechterhaltung
enger und zeitnaher Verbindungen mit der Geschäftswelt vor Ort festzustellen, was zu Mängeln beim
Verständnis der Bedürfnisse der lokalen Geschäftswelt führte, während die Kooperation zwischen
öffentlichem und privatem Sektor in anderen Fallstudiengebieten mit regelmäßigen Beratungen gut
funktioniert.
In allen Fallstudiengebieten zeigte sich, dass es an einer lokalen Entwicklungsstrategie für das
Unternehmertum mit einer klaren Bewertung der Bedürfnisse und des politischen Handlungsbedarfs
sowie an Beratungsangeboten und an der Umsetzung durch Unterstützungsnetzwerke vor Ort
mangelte. Beispiele Guter Praxis aus anderen OECD-Regionen belegen, dass der Erfolg der Förderung
des Unternehmertums eng verbunden ist mit einem proaktiven und umfassenden lokalen Einsatz mit
dem Ziel der Verbesserung der Koordination und des lokalen Zuschnitts über verschiedene
Regierungs- und Verwaltungsebenen hinweg. Eine solche Unternehmensförderstrategie ermöglicht
dem lokalen institutionellen Netzwerk, einen systematischeren Ansatz bei der Ermittlung der
wichtigsten Prioritäten zu verfolgen und kann damit eindeutige Prioritäten für die verschiedenen
Geschäftszweige, Standorte und sozialen Gruppen setzen helfen.
Von Bedeutung sind auch zweckdienliche Verknüpfungen der Strategieentwicklung und der
Strategieumsetzung zwischen der kommunalen und der regionalen Ebene, statt nur den Bedarf
einzelner Landkreise ohne Berücksichtigung der regionalen Chancen und Herausforderungen zu
berücksichtigen. Dieser Ansatz sollte flankiert werden durch Bemühungen zur Vereinfachung der
Schnittstellen zwischen Organisationen zur Unternehmensförderung und KMU, was durch
Partnerschaften zwischen den relevanten Organisationen und deutlich sichtbare Anlaufstellen erreicht
werden kann. In einigen der lokalen Fallstudiengebiete verfügen die wichtigsten Förderorganisationen
nur über einen einzigen Standort. Damit erhalten Unternehmer Zugang zu einer eindeutigen
Anlaufstelle nach dem Motto: „Der Unternehmer muss nicht wissen wer ihm hilft, sondern wo er Hilfe
findet.“ Dieser Ansatz kontrastiert mit dem zweiten festgestellten Ansatz, bei dem die
Wirtschaftsförderung eine integrierte Dienstleistung der Landkreisverwaltung darstellt und sonstige
Förderereinrichtungen auf verschiedene Standorte verteilt sind. Der Ansatz erfordert unter Umständen
mehr Zeitaufwand und Personal für die Kommunikation und die Organisation von Partnerschaften.
Erfahrungen aus anderen OECD-Mitgliedsstaaten belegen positive Resultate aus der Ansiedelung
von Beratungsdiensten innerhalb von Geschäftsinkubationseinrichtungen, Technologieparks und
Innovationszentren. In einigen lokalen Fallstudiengebieten wurden solche Einrichtungen mit weiterer
regionaler Reichweite geschaffen. Sie können auch Cluster von technologieorientierten Unternehmen
initiieren, entwickeln und unterstützen und den lokalen Wissenschaftsbetrieb durch Netzwerke,
Zwischenunternehmen und Forschungseinrichtungen ohne Berücksichtigung von Verwaltungsgrenzen
stärken. Solche Einrichtungen ermöglichen auch wertvolles Feed-back für die politische Gestaltung
auf Landesebene und Bundesebene. Die Netzwerkbildung kann ein bedeutender Faktor in der
Förderung des Wachstums von kleinen Unternehmen sein. Netzwerkbildung ist insbesondere für
Hightech-Firmen eine Möglichkeit, Risiken und Ungewissheiten in der Entwicklung und
241
wirtschaftlichen Verwertung neuer Produkte und Verfahren abzufedern. In allen lokalen
Fallstudiengebieten waren Initiativen für Gute Praxis zu beobachten, in deren Rahmen die
Netzwerkbildung zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen ohne Beschränkung auf
Verwaltungsgrenzen angeregt wurde. Diese Initiativen basieren auf regionalen Netzwerken und der
kontinuierlichen Aufnahme neuer Akteure, wobei der Grundsatz des Vertrauens, der Wechselseitigkeit
und des gemeinsamen Vorteils der Beteiligten maßgeblich ist.
Erfahrungen aus den OECD-Mitgliedsstaaten belegen, dass Clusterbildungen oftmals über die
Einrichtung von Foren, Plattformen und regelmäßigen Zusammenkünften von Firmen und
Organisationen in Verbindung mit bestimmten Produktionsnetzwerken für Teile der lokalen
Wertschöpfungskette initiiert werden konnten. Aktivitäten dieser Art können eine wichtige Rolle bei
der Entwicklung von Sektoren wie Gesundheitswesen oder Tourismus spielen, in welchen
Standortvorteile von Bedeutung sind. Der Zugang zu strategischen Informationen ist ein guter Anreiz
für Zusammenkünfte. Technologieprognosestudien und Untersuchungen zu strategischen
Clusterbildungen können auf lokaler Ebene oder mit lokalem Input erstellt werden. Hier ließe sich die
Rolle des Regionalmanagements in Bezug auf die Einführung und das Management von Clustern als
neue Aufgabe überprüfen.
Für kleine Unternehmen ist die Integration in Cluster und/oder Produktionsketten größerer
Unternehmen oft schwierig. In den meisten lokalen Fallstudiengebieten sind Verbände gemeinsam mit
den Kammern aktiv mit der Herstellung von Kontakten und Kommunikationswegen befasst, mit deren
Hilfe kleine Firmen ihre Position in lokal, regional oder international ausgerichteten
Wertschöpfungsketten verbessern können. Oftmals bereiten sich KMU und insbesondere
Kleinunternehmen durch Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen auf Wachstumsphasen vor. In
allen lokalen Fallstudiengebieten gibt es bereits Initiativen, die dafür sorgen sollen, dass
Ausschreibungsverfahren des öffentlichen Sektors sich nicht zum Nachteil kleinerer Unternehmen
auswirken. Die lokalen Verwaltungen verbessern ihre Beschaffungsverfahren, um zu gewährleisten,
dass kleinere Unternehmen besseren Zugang zu Informationen und bessere Bedingungen für die
Teilnahme an Ausschreibungen erhalten. Es werden spezielle Schulungsseminare zur Behandlung der
besonderen Schwierigkeiten kleinerer Unternehmen aufgrund mangelnder Kenntnisse bestehender
Geschäftsmöglichkeiten organisiert.
Die lokalen Fallstudien in Ostdeutschland ergaben eine Reihe von Handlungsempfehlungen, an
die im Zuge der Überprüfung der derzeitigen politischen Handlungsansätze in der
Unternehmensförderung und in der Förderung des Unternehmertums sowie in der Entwicklung einer
lokal ausgerichteten Strategie angeknüpft werden kann, die umfassendes und integriertes Handeln
ermöglichen soll. Trotz ihrer lokalen Ausrichtung besitzen die Handlungsempfehlungen doch eine
gewisse Relevanz für andere Standorte nicht nur in Ostdeutschland. Daher sollte die nachfolgende
Aufstellung von Handlungsempfehlungen von Regierung, Verwaltung und von mit der Förderung des
Unternehmertums und mit der kommunalen Wirtschaftsentwicklung befassten Organisationen auf
Bundesebene und auf kommunaler Ebene als Checkliste genutzt werden.
Handlungsempfehlungen die Politikgestaltung und –umsetzung betreffend
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Erarbeitung einer lokalen Entwicklungsstrategie. Eine lokale Entwicklungsstrategie mit Schwerpunkt
Unternehmertum stellt den Rahmen dar, um Bestrebungen und Zusammenwirken von Schlüsselpartnern
zur Stärkung und Förderung von Unternehmertum zu formalisieren. Einem umfassenden und integrierten
Ansatz folgend sollte durch öffentliche Debatte, Beratung und Konsensbildung eine Entwicklungsstrategie
für Unternehmertum und KMU-Entwicklung entstehen. In einem Aktionsplan sollten klare Prioritäten und
Rollen für die Partner, Zeitrahmen und Ressourcen definiert werden. Bei der Strategieformulierung sollte
man auch wirtschaftlich geographische Ausdehnungen außerhalb der administrativen Grenzen
berücksichtigen.
242
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Politik zugeschnitten auf das lokale und regionale Umfeld gestalten. Eine Anpassung der Zielsetzung in der
Politikformulierung an lokale Gegebenheiten und Bedürfnisse schafft Raum für Divergenz und Diversität in
der Politik. Daher sollten Anstrengungen unternommen werden, um Koordination und Integration zwischen
den auf unterschiedlichen administrativen Ebenen tätigen Institutionen zu erhalten und zu nutzen. Ebenso
wichtig sind antizipative und zukunftsorientierte Ansätze in der Unternehmensförderpolitik sowie eine über
verschiedene Politikbereiche hinausgehende Kooperation.
Klare Prioritäten setzen. Eine Strategie für Unternehmertum und ein abgestimmter institutioneller Rahmen
bauen auf klaren Prioritäten. Eine klare Schwerpunktsetzung kann örtlichen Einrichtungen helfen, sich ein
besseres Bild über regionales Unternehmertum zu verschaffen. Dies erleichtert ein frühzeitiges Erkennen
von Wachstumsunternehmen und eine zugeschnittene Förderung. Ebenso kann durch eine entsprechende
Schwerpunktsetzung auf Bedürfnisse und Engpässe von KMU eingegangen werden. Beispiele sind die
Entwicklung von Strukturen und Instrumenten der Mikrofinanzierung in Zusammenarbeit mit örtlichen
Finanzinstitutionen, um der schwachen Kapitalausstattung zu begegnen, und eine Ausweitung der
Wissenstransfer-Aktivitäten in der Innovationsförderung von KMU.
Die Policy-Cycle-Methode übernehmen und weiter ausbauen. Die Entwicklung von Politiken und
Programmen auf allen Regierungsebenen sollte als Einbeziehung von vier miteinander verbundenen
Stufen gesehen werden – Problemdefinition, Entwicklung, Umsetzung und Bewertung. Diese Stufen
unterstreichen einen stärkeren und systematischeren Ansatz in bei der Förderpolitik. Das Verbinden von
Ziel- und Objektivsetzungen verschiedener Programme und Initiativen ist ein Hauptbestandteil der
Formulierung und Bildung einer soliden lokalen Entwicklungsstrategie. Eine systematische Evaluierung und
Bewertung früherer und laufender Projekte und Programme unter Einbeziehung bedeutender lokaler und
regionaler Partner kann dabei helfen, einen großen Erfahrungsschatz zusammen zu bringen und die
verschiedenen Strategien und Aktionspläne entsprechend anzupassen.
Identifizierung von Unternehmenskategorien und Ausrichtung der Fördermaßnahmen. Ein institutioneller
Rahmen, der durch ein hohes Maß an Koordination, Kooperation und Integration gekennzeichnet ist, kann
sich positiv auf unternehmerische Entwicklung und Unternehmenswachstum auswirken. Thematische
Koordinierung in funktionellen Politikfeldern sollte verstärkt werden. Im Hinblick auf ländliche Entwicklung,
können
inter-ministerielle
Arbeitsgruppen
auf
Landesebene
unter
Einbeziehung
des
Landwirtschaftsministeriums und anderer für Unternehmertum zuständiger Ministerien dazu beitragen, die
Entwicklung von Unternehmertum zu einer gemeinsamen Priorität werden zu lassen. Ein solches Vorgehen
könnte auch dazu beitragen, hinderliche Rahmenbedingungen zu identifizieren und entsprechend
umzugestalten. Weiterhin könnte dieser Prozess zu einer Vereinfachung von Auflagen verschiedener
Förderprogramme beitragen. Auf lokaler Ebene könnten Schlüsselpartner von einer formaleren
Zusammenarbeit profitieren, zum Beispiel, indem Partnerschafts- und Netzwerkmodelle – auch solche, die
administrative Grenzen übergreifend arbeiten – verstärkt zum Tragen kommen.
Unterstützung in den Bereichen Technologie und Innovation ausweiten. Aufgrund der Kostenstrukturen
sind KMU in OECD-Ländern in wachsendem Maße darauf angewiesen, mit Technologie und anderen
Wertschöpfungskomponenten ihre Wettbewerbsfähigkeit zu festigen. Eine Inanspruchnahme von externen
F&E-Dienstleistungen könnte örtliche KMU bei ihren Innovationsbestrebungen unterstützen. Sollten sich
die Landkreise für die Schaffung der erforderlichen Innovationsinfrastruktur als zu klein empfinden, könnte
eine überregionale Zusammenarbeit mit benachbarten Kreisen oder thematisch verwandten Hochschulund Forschungseinrichtungen Abhilfe schaffen.
Förderung von institutioneller Innovation. Ein institutioneller Rahmen, der durch ein hohes Maß an
Integration, Kooperation und transparente Koordination gekennzeichnet ist, hat einen positiven Einfluss auf
unternehmerische Entwicklung und Unternehmenswachstum. Es ist wichtig, die Koordinierung in
funktionellen Politikfeldern zu verstärken. Inter-ministerielle Arbeitsgruppen auf Landesebene können dazu
beitragen, die Entwicklung von Unternehmertum zu einer gemeinsamen Priorität werden zu lassen. Ein
derartiges integriertes Vorgehen könnte auch dazu beitragen, hinderliche Rahmenbedingungen zu
identifizieren und entsprechend umzugestalten. Weiterhin könnte dieser Prozess zu einer Vereinfachung
von Auflagen verschiedener Förderprogramme beitragen. Auf lokaler Ebene könnten Schlüsselpartner von
einer formaleren Zusammenarbeit profitieren, zum Beispiel, indem Partnerschafts- und Netzwerkmodelle –
auch solche die administrative Grenzen übergreifend arbeiten – verstärkt zum Tragen kommen.
Einführung von Koordinations- und Kooperationsmechanismen zur Bündelung lokaler Entwicklungsmaßnahmen von bestehenden Netzwerken. Die Teilnahme an der Politik und Programmgestaltung könnte
durch eine Zusammenführung von unterschiedlichen Netzwerken intensiviert werden. Die Einrichtung eines
„Sounding Boards“, einer Institution mit beratender Funktion, hat sich andernorts als nützliches Instrument
erwiesen, um Rückmeldungen zur Effektivität und den Wirkungen von Politiken und Maßnahmen zur
Förderung des Unternehmertums zu erhalten. Außerdem könnten effiziente Koordinationsmechanismen
243
und das Vorhandensein von Sozialkapital als ein starker lokaler Standortvorteil vermarktet werden.
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Bereits bestehende Netzwerke für neue Mitglieder geöffnet lassen. Eine Einbeziehung weiterer Akteure, die
für die Bearbeitung neuer Themen und Probleme, wie beispielsweise bei der Bereitstellung von
Ausbildungsplätzen, Unternehmensnachfolge und der Entwicklung des ländlichen Tourismus von
Bedeutung sind, sollte in einem bestehenden Netzwerk stets bedacht werden. Eine verstärkte
Einbeziehung der kommunalen Selbstverwaltung könnte dazu beitragen bestimmte Verfahren in Bezug auf
Unternehmensanmeldung sowie Verwaltungsangelegenheiten zu vereinfachen.
Verstärkung internationaler Netzwerkaktivitäten. Eine aktive Teilnahme an internationalen Netzwerken
könnte einen Beitrag zur Internationalisierung der lokalen Wirtschaft leisten. Es ist wichtig,
Schlüsselakteure in der lokalen/regionalen Wirtschaftsentwicklung mit Kollegen in anderen Regionen
zusammenzubringen. Als Beispiele solcher Netzwerken können genannt werden: die Europäische
Vereinigung Regionaler Entwicklungsagenturen (European Association of Development Agencies,
EURADA) - diese plant gerade den Start eines europäischen Netzwerks von Universitäten und Regionen -,
der Internationale Rat für Wirtschaftliche Entwicklung (International Economic Development Council, IEDC)
in den Vereinigten Staaten von Amerika, das Netzwerk der Europäischen Business Engel (European
Business Angels Network), die Nationale Vereinigung der Business Inkubatoren (National Business
Incubation Association) sowie die Aktivitäten des Programmes für Lokale Wirtschafts- und
Beschäftigungsentwicklung der OECD (Local Economic and Employment Development, LEED).
Steigerung des privaten Engagements in der Infrastrukturentwicklung. Öffentliche Bezuschussungen und
Unterstützungsleistungen in der Unternehmensförderung sind in Ostdeutschland zwar möglicherweise noch
auf längere Zeit gegeben, jedoch wird empfohlen, verstärkt auch private Mittel einzubringen, zum Beispiel
in die Immobilienkomponente einer Unternehmensförderstrategie. In Anbetracht des künftig höheren
Bedarfs von Unternehmen an einer qualitativ und quantitativ diversifizierten Innovationsinfrastruktur sollten
private Entwickler und Manager von High-Tech-Standorten frühzeitig in die Planung eingebunden werden.
Erfolgreiche Firmen werden sich in den kommenden Jahren mit großer Geschwindigkeit entwickeln
müssen. Standorte müssen hierauf vorbereitet sein; anderenfalls besteht das Risiko, dass erfolgreiche
Start-Ups und bestehende Unternehmen andernorts nach Räumlichkeiten und Personal suchen.
Nachdenken über die Schaffung einer Unternehmensagentur. Eine Unternehmensagentur, die (evtl. als
One-Stop-Shop)
auf
langfristige
formelle
und
informelle
Beziehungen
mit
Unternehmensförderorganisationen und der lokalen Unternehmensgemeinschaft bauen kann, könnte dabei
helfen, die Effektivität und Effizienz öffentlicher Förderprogramme zu steigern, potentielle Interessenten
über bestehende Programme zu informieren und so die Verbindungen zwischen Wissenschaft und
Industrie erhöhen. Eine erfolgreiche Agentur ist auf aktive Unterstützung durch die lokalen und regionalen
Interessenvertreter angewiesen, wie z. B. Kammern, Angestellte von größeren privaten und öffentlichen
Institutionen, einschließlich des Krankenhauses und Finanzinstitutionen, deren Dienste der Schlüssel zur
Entwicklung von kleinen Unternehmen ist. Ohne vorherige Erfahrungen mit einer derartigen
Zusammenarbeit wird es wahrscheinlich eine schwierige Aufgabe sein, Unterstützung von diesen
Interessenvertretern zu erhalten. Deshalb wäre eine starke Führerschaft durch die kommunale
Selbstverwaltung in politischer und praktischer Hinsicht so wichtig. Eine solche Unternehmensagentur
könnte mit der Entwicklung einer Strategie zur Förderung des Unternehmertums beauftragt werden.
Einführung einer “Charta für Kleinunternehmen”. Zweck der Einführung einer Charta für Kleinunternehmen
ist eine Abstimmung und entsprechende Veränderungen von internen Verwaltungsabläufen, die direkt dem
Mittelstand zugute kämen. Es geht nicht darum, kleine Firmen zu bevorzugen oder große zu diskriminieren.
Alle Abteilungen der betroffenen Behörden sind während der Einführungsphase der Charta an einer
Bewertung der gegenwärtigen Verfahrensweisen beteiligt, um so eine unternehmensfreundlichere
Verwaltung zu gestalten. Die Umsetzung einer solchen Charta erfordert viel Beratung und Schulung
innerhalb der Verwaltung, um bestmöglich die Bedürfnisse von KMU zu berücksichtigen. Eine starke
politische Führung ist sowohl für die Einführung als auch für die bleibende Wirksamkeit einer solchen
Charta nötig.
Die Existenz einer Charta für Kleinunter-nehmen allgemein bekannt machen. Für eine bestmögliche
Wirkung
muss
die
Charta
allgemein
bekannt
gemacht
werden.
Repräsentative
Unternehmensorganisationen können in die Ausarbeitung der Charta und in die periodische Einschätzung
ihrer Wirksamkeit einbezogen werden. Bei internationalen Vermarktungsaktivitäten könnte ein Hinweis auf
die Existenz einer solchen Charta die Attraktivität des Stadtbezirks als Unternehmensstandort erhöhen, da
er das Engagement der lokalen Verwaltung für eine effektive Zusammenarbeit mit den KMU deutlich
macht.
244
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Überprüfung der Beschaffungspolitik örtlicher Behörden. Die Teilnahmebedingungen für Ausschreibungen
örtlicher Behörden können oftmals von kleinen Unternehmen kaum erfüllt werden. Die zum Risikoschutz
eingeführten Auflagen und Beschränkungen machen, wie Erfahrungen anderenorts zeigen, die öffentliche
Verwaltung oftmals übertrieben vorsichtig. Dies kann Zur Folge haben, dass der öffentlichen Hand so ein
wertvolles Instrument zur Förderung kleiner Unternehmen vorenthalten bleibt. Marketingmaßnahmen
müssen gestartet werden, um kleine Unternehmen auf die Änderungen und Möglichkeiten aufmerksam zu
machen. Schulungen von Mitarbeitern der Behörden sind notwendig, um zu gewährleisten, dass die
Bedingungen von öffentlichen Ausschreibungen die Bedürfnisse kleiner Unternehmen berücksichtigen.
Schulungs- und Förderprogramme für kleine Unternehmen können diese bei der Erstellung von
erfolgreichen Angeboten bei Ausschreibungen unterstützen.
Box 12. Lesen was-wie-woanders funktioniert - Gute Praxis in der Politikumsetzung
Annahme einer Charta für Kleinunternehmen: Beispiele aus dem Vereinigten Königreich: Lokale Behörden
unternehmerfreundlich gestalten.
Gemeinsames Handeln in der Unternehmensförderung: Enterprise Estonia – Estland.
Die institutionelle Architektur in der Politikumsetzung in Nordost England – Vereinigtes Königreich.
Wissenschaft
und
KMU
in
Nordjütland
Rationalisierungsumsetzungen neu gestalten.
–
Dänemark:
regionale
Industriepolitiken
und
Eine regionale Strategie für kleine Unternehmen, Ontario – Kanada.
Harmonisierung von Planungsinstrumenten der Stadt-, Dorf- und Regionalentwicklung – Deutschland: Ein
einzelnes nicht-formalisiertes und flexibles regionales Planungsinstrument.
Integriertes Förderprogramm „Regionales Wachstum“ mit drei Modulen – Deutschland: Programm zur
Maximierung der öffentlichen Förderung durch einen integrierten Ansatz, welcher technische Assistenz und
Budget-Abwicklungen miteinander verknüpften.
245
TEIL III
SCHLUSSFOLGERUNGEN UND ALLGEMEINE HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
Teil III beschließt den vorliegenden Bericht mit einer Zusammenfassung der wichtigsten
festgestellten Herausforderungen für das Unternehmertum und für KMU in den ostdeutschen
Regionen. Er formuliert die wichtigsten Handlungsempfehlungen zur Schaffung von mehr und
besseren Arbeitsplätzen und erörtert Handlungsoptionen der Politik; ferner wird die Frage
erörtert, welche Ebenen von Regierung und Verwaltung am zweckdienlichsten mit der Gestaltung
und Umsetzung von Politiken nach der im vorliegenden Bericht dargelegten Auffassung zu
betrauen sind, nach welcher der lokale Zuschnitt politischer Maßnahmen ein entscheidender
Faktor für deren Wirksamkeit sein kann.
247
SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN FÜR ÜBERGREIFENDE
POLITIKMASSNAMEN
Andrea Hofer und Jonathan Potter, OECD
Durch einen simplen Ost-West-Vergleich lassen sich zwei wichtige Besonderheiten
unternehmerischer Entwicklung in Ostdeutschland erkennen, die in diesem Bericht erörtert worden
sind. Die erste besteht darin, dass Ostdeutschland eine bedeutend niedrigere Rate unternehmerischer
Aktivität als Westdeutschland aufweist. Dabei ist es für ostdeutsche Unternehmer auch
wahrscheinlicher, dass sie ein Unternehmen aus der Not heraus gründen, beispielsweise als seine
Alternative zur Erwerbslosigkeit. Die zweite Besonderheit: In Ostdeutschland ist ein rascheres
Wachstum bei innovativen Sektoren als im Westteil des Landes festzustellen. Ganz klar ergibt sich
daraus die Herausforderung, die Rate unternehmerischer Tätigkeit in Ostdeutschland zu erhöhen und
sie stärker auf ein Unternehmertum auszurichten, das aus der Nutzung von Chancen erwächst. Es gibt
aber auch Anzeichen für das in Ostdeutschland vorhandene starke Potenzial, innovative Aktivitäten in
Gang zu setzen.
Jedoch gibt es aber auch lokale Unterschiede im Hinblick auf Herausforderungen und Chancen
für Unternehmertum und KMU-Entwicklung in den ostdeutschen Regionen insgesamt. Diese lassen
sich in einem Ost-West-Vergleich nicht herausfinden, sind aber trotzdem von erheblicher Bedeutung
für die Politikgestaltung. Um diese Fragen aufzugreifen, setzte die Arbeit für diesen Bericht bewusst
bei der lokalen Ebene an, indem ein genauer Blick auf die örtlichen Barrieren und Chancen für
Unternehmertum und KMU-Entwicklung sowie auf das Potenzial geworfen wurde, das neue Wege für
Politikgestaltung in ausgewählten ostdeutschen Landkreisen und Städten bereithält. Für jedes der in
diesem Bericht behandelten Themen wurden Politikempfehlungen zur Förderung neuer und wirksamer
Politikansätze und -initiativen entwickelt. Diese basieren auf Befunden aus lokalen Fallstudien, auf der
Durchsicht vorhandener lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Literatur und
wissenschaftlichen Ergebnissen sowie auf der Prüfung von Ansätzen guter Praxis aus anderen
Ländern. Das in den vorausgehenden Kapiteln und den lokalen diagnostischen Berichten verwendete
Format zur Erstellung dieser Empfehlungen besteht in einer Checkliste, die die politischen
Entscheidungsträger auf Bundes-, Länder- und örtlicher Ebene befähigen soll, gegenwärtigen Ansätze
zu überdenken und neue Aktionen zur Stärkung von Unternehmertum und KMU-Entwicklung zu
formulieren. Hier sind die detaillierteren Botschaften zur Politikgestaltung in diesem OECD-Bericht
zu finden.
Die Frage, die beim Abschluss dieses Vorhabens zu stellen ist, lautet: Was kann und sollte
‟public policy‟ insgesamt tun, um eine höhere Rate unternehmerischer Tätigkeit zu erleichtern und die
Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen in Ostdeutschland zu stimulieren? Mit anderen
Worten, wir schauen hier nach übergreifenden Schlüsselbotschaften, die in der Region eine sehr breite
Resonanz finden werden. Es sollte ganz klar entweder keinen Ansatz oder nur einen solchen Ansatz
geben, der die Einwirkung von Politik in exklusive Richtungen treibt, z. B. indem er entweder
Firmenneugründungen in großer Zahl oder nur das Potenzial von Unternehmen mit hohem Wachstum
fördert. Was in den meisten Fällen nötig ist, sollte nicht eine Wahl zwischen gegensätzlichen
Alternativen, sondern vielmehr eine Schwerpunktverlagerung der Politikziele und -methoden sein.
Und hier nun sind die wichtigen Verlagerungen zu erörtern. Im Falle der Wahl zwischen einer
249
Ausrichtung auf die Zahl von Start-ups oder auf deren Wachstum beispielsweise müssen wir den
Unterschied zwischen zwei Politikzielen erkennen – sozialen und ökonomischen – und für jedes Ziel
eine eindeutige Förderung bei einem angemessen ausgewogenen Verhältnis gewähren. Die Befunde
dieses Berichts deuten allerdings darauf hin, dass doch mehr Gewicht auf Wachstum gelegt werden
muss als es bisher der Fall gewesen ist. Wenn untersucht werden soll, wie Politik das Unternehmertum
und die KMU-Entwicklung in Ostdeutschland besser voranbringen kann, betrifft eine entscheidende
Frage den Grad staatlicher Kontrolle, der der Planung, Umsetzung und Evaluierung von
Politikmaßnahmen am besten gerecht. die In diesem Bericht untersuchte Annahme, die sich wie ein
roter Faden hindurch zieht, lautet, dass ein lokaler Zuschnitt von Politikmaßnahmen einen Unterschied
hinsichtlich ihrer Effektivität ausmachen kann, dass aber eine bessere Koordination nötig ist, um das
Potenzial dieses Ansatzes zu maximieren.
Davon ausgehend können folgende wichtige Schlussfolgerungen gezogen werden:
Die Koordinierung von Politiken zur Förderung von Unternehmertum und KMUEntwicklung ist quer über die verschiedenen Ebenen staatlichen Handelns hinweg nicht sehr
ausgeprägt. Planung und Umsetzung von Politik lassen Anzeichen von Zersplitterung
erkennen, die hauptsächlich durch die große Zahl beteiligter Akteure und dass Fehlen
umfassender, integrierter und langfristig angelegter regionaler und lokaler Strategien für
Unternehmertum und KMU-Entwicklung verursacht wird.
Es gibt eine große Fülle von KMU-Fördermaßnahmen, die eher auf den Akt von
Unternehmensneugründungen und die Förderung von bestehenden KMU ausgerichtet sind
als auf die Ermutigung von Innovation bei derartigen Operationen. Es bestehen sehr viele
Kleinst-, Klein- und Mittelstandsunternehmen, die ihre Tätigkeit modernisieren und
diversifizieren müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Politik muss diese Firmen zur
Innovation ermutigen. Außerdem gibt es erhebliche Möglichkeiten für die Schaffung eines
Kerns von Firmen mit hohem Wachstumspotenzial aus den stärksten Hochschulen und
Forschungseinrichtungen in der Region heraus. Dazu müssen aber die Wege der
Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen und des Wissenstransfers gestärkt werden.
Die sozioökonomische Hinterlassenschaft der jüngeren Vergangenheit Ostdeutschlands war
für die Entstehung einer Unternehmenskultur nicht günstig. Während in bestimmten
Sektoren und Bevölkerungsgruppen unternehmerisches Denken und Handeln stark
ausgeprägt sind, ist die Haltung der Gesellschaft insgesamt gegenüber dem Unternehmertum
für die Entwicklung unternehmerischen Geistes nicht sehr förderlich. Bestimmte
Politikinitiativen haben den Weg gewiesen, aber es muss noch viel getan werden, um die
Haltungen zum Unternehmertum als Option für den eigenen Berufsweg zu verbessern und
damit das Reservoir an unternehmerisch geprägten Menschen zu vergrößern, von denen
unternehmerisches Wachstum ausgehen wird.
Diese drei Schlussfolgerungen werden nachstehend in Empfehlungen für eine Gesamtpolitik
übersetzt.
Zersplitterung bei Politikplanung und -umsetzung angehen
Die Förderung von Unternehmertum und KMU-Entwicklung ist ein horizontales Politikfeld, das
mehrere staatliche Bereiche mit einer bedeutenden lokalen Dimension umfasst. Um die Politik und die
staatlichen Programme effektiver und effizienter zu machen, muss auf dem Gebiet des
Unternehmertums der institutionellen Anpassung über die ministeriellen Ressortgrenzen hinweg mehr
Beachtung geschenkt werden. Ein verstärkte Koordinierung auf der Ebene des Bundes und der Länder
250
wird ebenfalls helfen, um die Abstimmungsschwierigkeiten auf örtlicher Ebene zu minimieren, da
verschiedene Ministerien und Dienststellen auf einer höheren Ebene häufig andere Schwerpunkte,
Zielstellungen und Einzelziele setzen. Diese werden dann in sich überlappende Strategien,
Maßnahmen und Initiativen auf der nächst niedrigeren Ebene übersetzt. Eine derartige Zersplitterung
bringt die Wahrscheinlichkeit der Duplizierung und des ineffizienten Gebrauchs von Ressourcen mit
sich.
Der Politikmix bei der Förderung von Unternehmertum sollte im Idealfall die lokalen Kontexte
und die lokalen Erfordernisse widerspiegeln, auf die die Politik Anwendung findet. Es müssen deshalb
Kommunikationskanäle zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen dort geschaffen, wo sie
bislang nicht vorhanden waren bzw. vorhandene gestärkt werden. Eine stärkere Einbeziehung von
Länderministerien und -dienststellen in vorhandene lokale Netzwerke würde Chancen bieten, die
Politiken stärker auf die örtlichen Bedingungen zuzuschneiden. Eine potenzielle Schwierigkeit könnte
sein, dass die stärkere Einbeziehung von Einrichtungen höherer Ebene von den lokalen Akteuren als
Einschränkung gegenüber ihrer Flexibilität und ihres schöpferischen Denkens wahrgenommen werden
könnte. Trotzdem könnte eine regelmäßige Kommunikation helfen zu gewährleisten, dass lokale
Akteure Zugang zu rechtzeitiger Kommunikation über staatliche Programme und sich verändernde
Kriterien und Regelungen über Anspruchsberechtigung bei öffentlicher Finanzierung sowie über
Ansätze erhalten, die sich anderswo als erfolgreich erweisen. Solche Verknüpfungen und Beziehungen
liefern auch wertvolle Informationen für die Partner von staatlichen Stellen auf Bundes- und
Länderebene darüber, funktioniert hat und was nicht.
Eine weitere Hürde für effektive Politikplanung und -umsetzung besteht darin, dass die Mehrzahl
von Initiativen zur Förderung unternehmerischer Tätigkeit in Ostdeutschland hierarchisch („topdown‟) von der Ebene der Bundesländer bei unterschiedlichem Ermessensspielraum und Input auf
lokaler Ebene in Gang gesetzt werden und somit den Grad des bestehenden lokalen Zuschnitts
einschränken. Es wird deshalb empfohlen, systematische Analysen der lokalen Erfordernisse und
politischer Optionen im Hinblick auf Unternehmertum und KMU-Entwicklung einzuführen. Zum
Gebrauch der Methode des Politikzyklus auf lokaler Ebene sollte ermutigt werden. Dabei geht es um
die Konzeptualisierung des Prozesses der Entwicklung von Politik in vier miteinander verknüpften
Phasen: Darlegung des Problems, Planung, Umsetzung und Evaluierung. Dies ist ein proaktives
Vorgehen, das eher zukunftsorientiert als reaktiv auf ökonomische Veränderungen vor Ort und
Initiativen auf höherer Ebene eingeht.
Regionale oder lokale Strategien zur Entwicklung von Unternehmertum und Unternehmen
werden in anderen Regionen und Städten innerhalb der OECD erfolgreich angewendet, um die
Politikkoordinierung und den lokalen Zuschnitt von Politikmaßnahmen zu unterstützen, Solche
Strategien haben eine langfristige Orientierung und schließen in Fällen bester Praxis Vorkehrungen für
das Monitoring und die Evaluierung ex ante sowie im Verlaufe und am Ende des Prozesses ein, was
bei Notwendigkeit auch eine Reorientierung der Strategie zulässt. Eine regionale oder lokale Strategie
sollte idealerweise gemeinsame Zielstellungen sowie Maßnahmen darlegen, die von Akteuren auf
unterschiedlichen Ebenen durchzuführen sind. In einigen Fällen können örtliche Stellen auf Landkreisoder Gemeindeebene den Wunsch zur Zusammenarbeit mit ihren Nachbarn haben, um ein
ausreichendes Ausmaß und Integration für eine kombinierte lokale oder regionale Strategie zu
schaffen. Lokale oder regionale Strategien für das Unternehmertum können auch zur stärkeren
Einbeziehung privater Finanzierungsquellen in Projekten zur wirtschaftlichen Entwicklung und
Förderung von Unternehmertum beitragen.
251
Unternehmenswachstum fördern
Eine wichtige Entscheidung, die es bei der Politik für Unternehmertum und KMU-Entwicklung
zu treffen gilt, betrifft die relative Gewichtung bei der Förderung, d. h. ob eine große Zahl von
Personen und Unternehmen oder eine kleinere Gruppe von Unternehmen mit hohem
Wachstumspotenzial gefördert werden sollen. In Ostdeutschland erfolgt eine sehr weit reichende
Förderung zugunsten von Unternehmensneugründungen (‟start-ups‟) und von bestehenden KMU,
obwohl viele dieser Firmen weder exportieren noch innovativ sind. Als Strategie für wirtschaftliche
Entwicklung hat dieses Vorgehen erhebliche Schwächen, da eben gerade die relativ kleine Gruppe von
Innovations- und Exportunternehmen sowie „unternehmerisch“ geführte Firmen Arbeitsplätze und
Einkommenszuwachs für die lokale und regionale Wirtschaft schaffen. Es wird deshalb empfohlen,
dass verstärkt das Schwergewicht auf die Überwindung der Barrieren gelegt wird, die der Entwicklung
dieser Gruppe von Firmen und Personen mit Wachstumspotenzial in Ostdeutschland entgegenstehen.
Dazu zählen sowohl neue Unternehmer/Innen und Unternehmen als auch bestehende Firmen, die an
Modernisierung und Innovation interessiert sind. Die Rolle der Politik besteht hierbei darin, ein
kleinen Pool von potenziellen Innovatoren und Wachstumsträgern zu identifizieren und dieser Gruppe
durch spezielle Förderung zu helfen, die spezifischen Hemmnisse, denen sie sich gegenübersehen, zu
überwinden, beispielsweise bei der Entwicklung von Managementfähigkeiten, bei der
Wachstumsfinanzierung, der Suche nach Partnern auf externen Märkten, der Verknüpfung mit einer
Infrastruktur zur Innovationsförderung und beim Zugang zu geeigneten Gewerbeflächen und -räumen.
Eine stärkere Ausrichtung auf handelbare Produkte und Dienstleistungen und eine größere
Internationalisierung der Tätigkeit von KMU sollte durch die Politik gefördert und unterstützt werden.
Die generelle Verlagerung der Politik seitens des Bundes und der Länder in Richtung
Innovationsförderung und weg von Investitionsbeihilfen sollte beibehalten und dazu ermutigt werden.
Es ist auch ein erhebliches Potenzial dafür vorhanden, innovatives Unternehmertum im Umfeld
von Kernstärken in Wissenschaft und Technik an ostdeutschen Hochschulen und
Forschungseinrichtungen zu entwickeln. Trotzdem sind Barrieren zu überwinden, da es angesichts der
gegebenen Hochschul- und Forschungsstrukturen sowie des Regelungsrahmens an dem Vermögen
mangelt, sich der Aufgabe der Stimulierung von Unternehmertum anzupassen. Die zu beschreitenden
Wege bestehen einerseits in Erleichterungen bei der Ausgründung von Unternehmen und andererseits
in der Stimulierung und Stärkung des Transfers von Technologie und Wissen von
Hochschuleinrichtungen zu Unternehmen, insbesondere von den leistungsfähigsten universitären
Exzellenzzentren. Eine Reihe von unternehmerischen Programmen und Initiativen zur Erleichterung
des Wissenstransfers wurden in Ostdeutschland in Gang gesetzt: Die Beteiligung an WissenstransferAktivitäten und die Zahl von Ausgründungen nehmen zu, aber in dieser Hinsicht kann noch weiteres
Potenzial erschlossen werden.
Unternehmerische Kultur schaffen
In vielerlei Hinsicht wird das Leben in Ostdeutschland von einer Arbeitnehmermentalität
beherrscht, die die Menschen dazu veranlasst eher Beschäftigung in etablierten Unternehmen oder im
öffentlichen Sektor zu suchen als ihr eigenes Unternehmen zu gründen und zu betreiben. Darüber
hinaus ist die Rate unternehmerischer Tätigkeit niedrig, ein hoher Anteil von Existenzgründungen
erfolgen aus der Not heraus, negative Urteile über Ostdeutschland als Standort für die Gründung und
Betreibung eines Unternehmens sind vorherrschend, viele talentierte Menschen andern ab. Selbst dort,
wo Leute eigene Unternehmen gründen und betreiben, wird ihr Tun oft nur von dem Wunsch
motiviert, die Erwerbslosigkeit zu vermeiden und weniger von dem Bestreben, wahrgenommene
Marktchancen zu nutzen; solche Existenzgründer werden in der Tendenz mit relativ schwachen
Aussichten für ein Wachstum und das Überleben des Unternehmens assoziiert. Deshalb werden
mehrere Aktivitäten zur Förderung unternehmerischer Fähigkeiten und Motivierungen empfohlen.
252
Dazu zählen die Förderung erfolgreicher Rollenmodelle als Unternehmer, die Stärkung des
Bewusstseins für unternehmerische Chancen und Etablierung von Mentoren für neue und potenzielle
Unternehmer/Innen.
Eindeutig ist ein Gleichgewicht erforderlich zwischen Aktivitäten zur Förderung der
Herausbildung von unternehmerischen Haltungen und Fertigkeiten in der Bevölkerung als Ganzes und
Aktivitäten zur Förderung von Existenzgründungen und bestehenden Kleinunternehmen. Es kann
jedoch leicht eintreten, dass zuviel Augenmerk auf die sog.‟harte‟ Förderung für kleine und
mittelständische Unternehmen (KMU) wie Finanzierung, Gewerbeflächen und -räume und Ausbildung
und nicht genug auf die ‟weiche‟ Förderung zur Erweckung der richtigen Fähigkeiten und
Motivierungen gerichtet wird. Die letztgenannten Aktivitäten sollten verstärkt werden. Sie zielen
darauf, Menschen dazu zu ermutigen, Unternehmertum als eine lohnenswerte Wahl für ihre eigene
berufliche Entwicklung für sich selbst und für Menschen anzusehen, die sie kennen. Dabei sollten sie
Unternehmertum nicht nur als das Betreiben einer Firma oder die Arbeit in derselben, sondern
vielmehr als die Wahrnehmung von Chancen betrachten, aus denen durch die Entwicklung neuer
Produkte und Dienstleistungen, neuer Märkte und neuartiger Formen der Produktionsorganisation
Nutzen gezogen werden kann.
Durch ein Mehr an „weicher‟ Förderung wird die Politik zunehmend einen eher traditionellen
Ansatz der „KMU-Politik‟ für neue und bestehende Unternehmen verbinden können mit einer neueren
„Politik für Unternehmertum‟, um so entsprechend der besten Praxis in anderen Ländern den Pool an
unternehmerisch gesinnten Menschen und künftigen Unternehmer/Innen stärken zu können.
253
AUTOREN
Heiko Bergmann ist leitender Forscher am Schweizerischen Institut für Klein- und
Mittelunternehmen und Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen (Schweiz). Er leitet eine Reihe
von Projekten der Grundlagen- und Anwendungsforschung im Bereich Unternehmertum und KMU;
daneben ist er der Schweiz-Verantwortliche für das Projekt ‟Global Entrepreneurship Monitor‟. Er hat
Artikel zu Fragen der Entscheidung für Unternehmensneugründung, Unternehmertum und
Hochtechnologie und regionale Unterschiede bei unternehmerischer Tätigkeit veröffentlicht. Seinen
Doktorgrad in Ökonomie hat er an der Universität Köln (Deutschland) erlangt.
Dietmar Grichnik ist Professor für Unternehmertum und Leiter des Lehrstuhls für
Unternehmertum und Existenzgründung (Stiftungslehrstuhl der Prof. Otto Beisheim Stiftung) an der
WHU - Otto Beisheim School of Management in Vallendar, Deutschland. Sein Bachelor, Master und
PhD Studium in den Wirtschaftswissenschaften absolvierte er an der Universität zu Köln. Seine
Habilitation an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf wurde ausgezeichnet mit dem WolfgangRitter-Preis 2007 für hervorragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der Betriebs- und
Volkswirtschaftslehre (Wolfgang Ritter Stiftung). Bevor er als Professor zur WHU Dietmar berufen
wurde, war er als Visiting Professor in den Vereinigten Staaten an der Case Western Reserve
University, am Babson College und am Global Entrepreneurship Center der Thunderbird University
tätig. Seine Arbeiten wurden in zahlreichen nationalen und internationalen Zeitschriften veröffentlicht
und er wirkte an bedeutenden amerikanischen Forschungskonferenzen, wie der AOM, BCERC, und
ICSB, mit. Seine derzeitige Forschung konzentriert sich auf International Entrepreneurship und
Entrepreneurial Finance mit dem Fokus auf das Entscheidungs- und Risikoverhalten von
Unternehmern und Venture-Finanziers im internationalen Kontext. Er kann praktische Erfahrungen im
Bankwesen vorweisen und betreute als Gutachter und Coach Gründungsinitiativen an der Hochschule
und in regionalen Businessplanwettbewerben.
Heike Grimm ist geschäftsführende Direktorin der ‟Erfurt School of Public Policy‟ (ESPP), hält
eine Forschungsdozentur für Public Policy an der Universität Erfurt inne und wirkt als Forscherin am
Max-Planck-Institut für Ökonomik in Jena (Deutschland). Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der
Rolle, die Unternehmertum und Public Policy für das wirtschaftliche Wachstum spielen. Bevor sie auf
diese Posten in Erfurt berufen wurde, arbeitete Dr. Grimm als Senior Fellow am German-American
Center for Visiting Scholars (Deutsch-Amerikanisches Zentrum für Gastwissenschaftler) in
Washington, D.C., das zur Johns Hopkins University gehört. Sie leitete auch verschiedene
Forschungsprojekte am Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung der Deutschen Hochschule für
Verwaltungswissenschaft Speyer und an der Universität München. Außerdem wirkte Dr. Grimm als
Consultant für die Wirtschaftsministerien in Niedersachsen und Brandenburg und für Beratungsfirmen
in Berlin, Hamburg und Brüssel (Belgien). Sie hat Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft,
Wirtschaftsgeschichte und Arabisch an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und an der
London School of Oriental and African Studies (Institut für Orient- und Afrikastudien) studiert. Ihren
Doktorgrad erlangte sie an der Universität München.
Rebecca Harding ist Gründerin und Geschäftsführerin von Delta Economics Ltd. Sie wirkt als
Chefpolitikberaterin für die Allparteien-Parlamentsarbeitsgruppe für Unternehmertum. Von 2002 bis
2007 war sie Direktorin von GEM UK, und zwischen Dezember 2005 und Mai 2007 wirkte sie als
255
Exekutivdirektorin von Global Entrepreneurship Monitor (GEM). Vorher war sie stellvertretende
Forschungsdirektorin bei Deloitte. Bis Dezember 2004 arbeitete sie als Chefvolkswirtin bei The Work
Foundation und war Senior Fellow an der London Business School. Sie hat beim Forschungsinstitut
für Public Policy gearbeitet und war bei der Science and Technology Policy Research Unit (SPRU)
der Universität Sussex tätig. Rebecca ist Direktorin beim Deutsch-Britischen Forum, Vorstandmitglied
des Trestle Group Foundation‟s Venture Fund und Mitglied des Internationalen Beirates der „Global
Angels‟. Sie ist schreibende Herausgeberin der Business Strategy Review und verfasst regelmäßig eine
Kolumne für das Magazin The Director. Zu ihren Spezialgebieten gehören Public Policy und
ökonomische Forschung, Innovationsmanagement, Beteiligungskapital, Unternehmertum in der
Wissenschaft, soziales Unternehmertum sowie Arbeitsorganisation und Produktivität. .Sie ist Autorin
von 9 Monographien und über 150 Artikeln und Berichten akademischen und politischen Inhalts.
Andrea-Rosalinde Hofer kam 2004 zur OECD (Organisation for Economic Co-operation and
Development – Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und arbeitet als
Politikanalytikerin am LEED-Zentrum für Lokale Entwicklung in Trento (Italien). Sie ist
verantwortlich für inernationale Prüfstudien und Kapazitätenaufbau im Zusammenhang mit
Regierungsführung für lokale Entwicklung in Ost- und Südosteuropa und trägt damit zur Arbeit im
Bereich Unternehmertum und Innovation bei. Bevor sie ihre Tätigkeit bei der OECD aufnahm, leistete
Andrea Forschungsarbeit für Entwicklungsprojekte zu lokaler Politik auf dem Gebiet
Dezentralisierung, lokale Regierungsführung, und Probleme der Reformierung der öffentlichen
Verwaltung an der Bundeswehrakadmie in München (Deutschland) und bei den Vereinten Nationen
(UNDP und UNODC).
Jonathan Potter ist als Senior-Volkswirt in der OECD (Organisation for Economic Co-operation
and Development, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) verantwortlich
für die OECD-Tätigkeit im Bereich unternehmerische Politik auf lokaler Ebene und Ansätze zur
Evaluierung von lokalen Politiken zur Förderung von wirtschaftlicher Entwicklung und
Beschäftigung. Er ist leitend zuständig für vier Reihen internationaler Prüfstudien zu Unternehmertum
und Innovation auf lokaler Ebene und hat mehrere OECD-Publikationen zu Fragen des
Unternehmertums herausgebracht. Bevor er zur OECD kam, arbeitete Jonathan im Vereinigten
Königreich bei der PA Consulting-Gruppe, wo er sich auf die Evaluierung öffentlicher
Politikprogramme spezialisiert hat, sowie als Forscher an der Universität Cambridge, wo er sich mit
der Untersuchung von Faktoren befasste, die die Unternehmensgründungsraten beeinflussen. Er
erlangte seinen Doktorgrad an der Universität Cambridge.
Joachim Ragnitz ist der geschäftsführender Leiter der Zweigstelle Dresden des IfO. Er arbeitet
gegenwärtig an Fragen der Wirtschaftsentwicklung in Ostdeutschland unter besonderer
Berücksichtigung der Dynamik struktureller Veränderungen und der Evaluierung von Public Policy.
Darüber hinaus lehrt er an der Technischen Universität Dresden und ist als Berater für die
Bundesregierung und mehrere regionale Verwaltungen zu Wirtschaftsproblemen der Neuen Länder
tätig. Von 1994 bis 2007 arbeitete der am Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Herr Ragnitz
ist Autor mehrerer Monographien und von für die Öffentlichkeit bestimmten Artikeln über
wirtschaftliche Probleme Ostdeutschlands. Er promovierte an der Universität Köln.
David Smallbone ist Professor für Klein- und Mittelunternehmen und Unternehmertum und
stellvertretender Direktor des Forschungszentrums für Kleinunternehmen, dem er seit Juli 2004
angehört, nachdem er vorher das Forschungszentrum für Unternehmens- und Wirtschaftsentwicklung
an der Universität Middlesex geleitet hatte. David ist auch Gastprofessor an der Chinesischen
Universität für Geowissenschaften in Wuhan (China), Ehemaliger Präsident des Europäischen Rates
für Kleinunternehmen und Unternehmertum (ECSB) und Erster Vizepräsident (Programme) des
Internationalen Rates für Kleinunternehmen und Unternehmertum (ICSB). David war seit Ende der
256
1980er Jahre an Forschungsarbeiten zu KMU und KMU-Politik beteiligt und ist seitdem regelmäßig
auf nationalen und internationalen Tagungen vertreten. Er hat viel veröffentlicht zu Themen wie
Unternehmertum und KMU-Entwicklung in Transformationsländern; KMU mit Hochwachstum;
Unternehmensentwicklung in ländlichen Gebieten; Innovation und Innovationspolitik;
Internationalisierung
und
KMU-Entwicklung;
Anwendung
externer
Förderung
und
Politikunterstützung für KMU; ethnische Minderheit und einwanderndes Unternehmertum. Er verfügt
über weit reichende Erfahrungen bei der forschungsbasierten Beratung für eine Reihe von nationalen
und internationalen Auftraggebern, darunter Ministerien von Zentralregierungen in verschiedenen
Ländern, bei der Europäischen Kommission, UNDP, OSZE und OECD.
Markku Virtanen ist Professor und Direktor des Master-Programms an der Helsinki School of
Economics (HSE) und Dozent an der Universität Jyväskylä. Von 1981 bis 1998 führte er an der HSE
Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für Kleinunternehmenszentren durch. Danach war Dr.
Virtanen für das Weiterbildungszentrum des Polytechnikums von Mikkeli verantwortlich. Von 2001
bis 2004 war er als Professor und Abteilungsleiter für das Unternehmens- und Managementprogramm
der Universität Kuopio zuständig. Schwerpunkte seiner Forschungsarbeit waren Wachstum,
Wagniskapital, Entwicklung des Unternehmertums, Unternehmens-Knowhow, regionale Entwicklung
und KMU-Politik. Professor Virtanen war an dem Wettbewerb „Finnish Venture Cup‟ als
Hauptunterstützer und Juror aktiv beteiligt und ist gegenwärtig Vorstandsmitglied der nationalen
Stiftung ‟Venture Cup‟. Er wirkt auch in den Vorständen mehrerer KMU sowie im Aufsichtsrat von
JSBM. Seinen Doktorgrad auf dem Gebiet Unternehmertum erlangte er an der HSE.
Friederike Welter ist gegenwärtig Professorin auf dem Gebiet Management von
Kleinunternehmen und Unternehmertum an der Universität Siegen. Sie hält die TeliaSonera-Professur
für Unternehmertum der Stockholm School of Economics in Riga (Lettland) inne. Sie ist auch
Präsidentin des Europäischen Rates für Kleinunternehmen und Unternehmertum. Von 2003 bis 2006
war sie als stellvertretende Leiterin des Forschungsbereiches “Unternehmertum und
Unternehmensleistung” am Rheinland-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) tätig.
Ihre Hauptforschungsinteressen sind KMU und Unternehmensentwicklung in reifen und aufstrebenden
Volkswirtschaften, Unternehmertum bei Frauen und Förderpolitiken. Friederike Welter hat sowohl
national als auch international viel publiziert. Sie sitzt im Aufsichtsrat mehrerer internationaler
akademischer Zeitschriften. Darüber hinaus verfügt sie über weit reichende Erfahrungen in der
angewandten Forschung mit Politikbezug zu KMU-Entwicklung und Unternehmertum, viel davon im
internationalen Kontext.
Andrea-Rosalinde Hofer and Jonathan Potter vom LEED Programme der OECD haben diesen
Bericht zusammengestellt. Dank gilt Wolfgang Helmstädter, Referatsleiter im Bundesministerium für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für die technische Begleitung des Projektes sowie dem
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für die finanzielle Unterstützung.
Űbersetzung aus dem englischen Originaltext: Donnell Reed & Partner, Berlin und Harald
Hildebrand, freischaffender Űbersetzer, Berlin.
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Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)
Zentrum für Unternehmertum, KMU und Lokale Entwicklung (CFE)
Lokale Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung (LEED)
2, rue André Pascal, 75775 Paris CEDEX 16, Frankreich
www.oecd.org/cfe/leed
OECD LEED Zentrum für Lokale Entwicklung
Vicolo San Maro, 1, 38100 Trento, Italien
www.trento.oecd.org
Dr. Jonathan Potter and Andrea R. Hofer von der
OECD
haben
dieses
Diskussionpapier
zusammengestellt und danken Enikö Soujon,
Technische Universität Dresden, Deutschland,
Elisa Campestrin, OECD LEED Zentrum in
Trento und Roberto Chizzali OECD LEED
Zentrum in Trento für deren hervorragende
Mitarbeit.
Deutsche Übersetzung:
Donnell Reed & Partner, Berlin
Fremdspracheninstitut Dresden
Harald Hildebrand, Berlin
Übersetzungsdienst Ende, Leipzig
Titelbild: Enikö Soujon, mit freundlicher Unterstützung von UNIVATIONS.
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