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Dylans Doppelgänger
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Er schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und
zieht ein Zahnschmerzgesicht. Mein grunzender Klingelton treibt ihn endgültig aus dem Zimmer. “Unbekannter Anrufer” erscheint auf dem Display.
“Hallo …” Ich höre nur ein Rauschen und Knacken und
wiederhole mein “Hallo”, diesmal aber energischer.
“Hi Amelie, this is Dylan. It’s good to hear your voice”,
sagt jemand und wirkt dabei kurzatmig wie ein Kettenraucher.
“Hi Dylan, it’s good to hear your voice, too”, gehe ich
auf den Blödsinn ein.
Schweigen und Rauschen und Knacken. Ich halte das
Gespräch am Laufen.
female weiblich
“So, Dylan, how are you?”
glued geklebt
“I’m all right, thanks.”
“That’s good to know. Did you find a sponsor for your
programme yet? I’m keeping my fingers crossed that
you’ll find one soon. But I’m not worried. Now I’ve
heard your voice, I’m sure all the listeners, especially
the female ones, are sitting with their ears glued to
the radio.”
Ich plappere und plappere. Der arme MöchtegernDylan kommt gar nicht mehr zu Wort.
“I have to go now”, sagt er rasch. “Talk to you later …”
Hat da jemand im Hintergrund gekichert? Vielleicht
Meura? Natürlich, wer sonst? Von meiner besten
Freundin hätte ich das nicht erwartet! Morgen in der
Schule werde ich sie ausquetschen wie eine Zitrone,
bis sie alles gesteht. Oops, das klingt ja nach einer
echten Kommissarin. Lotta maunzt und scheint meine
Gedanken lesen zu können.
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Dylans Doppelgänger
“Essen ist fertig!” Papa stößt die Tür auf und wedelt mit
einem Geschirrhandtuch. Er hat Spaghetti mit Hackfleischsoße gekocht. Dazu gibt es einen leckeren Frühlingssalat mit Ananas und Erdbeeren. Wir prosten uns
mit Apfelsaftschorle zu.
“Auf die Zukunft”, sage ich.
Papa schnauft geräuschvoll und meint: “Wir lassen
uns nicht unterkriegen.”
“Willst du nicht schon seit Jahren einen dicken, fürchterlich klugen und wichtigen Roman schreiben?” frage
ich.
Er schnauft erneut und sagt nach einer Pause: “Wollen
ja, aber zwischendurch muss Geld aufs Konto kommen. Verstehst du? Geld für die Miete, für Strom, Telefon und so weiter. Nicht zu vergessen dein Taschengeld.”
“Die paar Euro fallen ja kaum ins Gewicht”, sage ich.
“Meura bekommt in der Woche so viel Taschengeld
wie ich in einem Monat.”
Das war gar nicht ernst gemeint, aber Papa hat meine
flapsigen Worte offensichtlich in den falschen Hals bekommen.
“Du führst dich auf wie eine verwöhnte Prinzessin”,
sagt er mit sanfter Stimme.
Ich merke ihm an, wie er mit großer Anstrengung seine
Wut unterdrückt, und passe auf, dass mir kein falsches
Wort mehr herausrutscht. Lieber verzichte ich auf den
Nachtisch, Schokoladenpudding mit Schlagsahne,
und gehe auf mein Zimmer.
“Und damit du es weißt, unser Urlaub ist gestrichen!”,
ruft er mir hinterher.
Dylans Doppelgänger
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Mehr aus Versehen knalle ich die Tür zu, kehre um und
nuschele eine Entschuldigung.
“Entschuldigung angenommen”, sagt Papa und
schenkt mir sogar ein Lächeln. Er erklärt, dass im Augenblick bei allen Fernsehsendern gespart wird. “Die
Aussichten, auf die Schnelle bei einer anderen Serie
einsteigen zu können, sind nicht gerade rosig. Verstehst du?”
Natürlich verstehe ich, was er meint. Ich bin schließlich
kein Baby mehr.
“Ich habe noch zu tun”, sage ich.
Auf die Reise nach Ägypten kann ich wirklich verzichten. Vielleicht besuche ich dann doch Mama auf Mallorca. Oder … Dylan – ein aberwitziger Gedanke. Und
von Berlin nach Sheffield zu fliegen ist auch nicht gerade billig, wie ich schon im Internet herausgefunden
habe. Ich schalte meinen Laptop an, der mich gleich
willkommen heißt. Nett von ihm. Wenn es nur nicht immer eine halbe Ewigkeit dauern würde, bis der alte
Schlaptop mich ins Internet lässt. Endlich. Post von
Dylan! Mit Anhang! Ich fange an zu glühen. Lotta
springt auf meinen Schoß. Und legt die Pfoten auf die
Tastatur. Will sie sich einen internetten Kater angeln?
“Nicht so neugierig, altes Mädchen.” Mit sanfter Gewalt befördere ich sie auf den Boden.
Ich klicke rasch auf den Anhang und feuere meinen
Laptop an, sich ein wenig zu beeilen. Vergebliche
Mühe. Das Foto öffnet sich nur schneckenlahm. Erst
sehe ich die Haare, dann die Stirn, die Ohren und die
Augen, schließlich den Mund und das Kinn und endlich
das komplette Gesicht … Oops! Lotta hüpft wieder auf
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Dylans Doppelgänger
meinen Schoß, starrt auf den Monitor und scheint
ebenso beeindruckt zu sein wie ich.
From: [email protected]
To: [email protected]
Subject: Greeting
Hi Amelie,
I’m still floating on cloud nine. I would so like to share
my luck with you. Of course I know that you can’t fly to
Sheffield just like that. It’s not exactly
cloud nine
just around the corner from Berlin.
Wolke sieben
I have a surprise for you … I really
like that so
want to know whether you like my
exactly gerade
around um
picture. Unfortunately, it’s only one
whether ob
from a photo booth. I’ve just scanned
unfortunately leider
it. It’s obviously not one I can use for
photo booth
the autograph cards. My sister Gracie
Passfoto-Automat
is actually an excellent amateur photo scan einscannen
obviously
tographer. She’s going to take some
offensichtlich
photos of me sometime soon.
amateur
Now you know what I look like, I hope
photographer
Amateurfotograf
you’ll send me a picture of yourself.
yourself dir
I’d be really happy to get one.
All the best.
I’ll be online from nine o’clock tonight.
Alles Gute.
Hope to hear from you soon.
All the best,
Dylan