Tyrannenmord

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Tyrannenmord
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Tyrannenmord
Londo bringt auf Narn alles in Stellung, um Imperator Cartagia zu ermorden. Doch der Anschlag verläuft nicht nach Plan.
Währenddessen bereitet sich Captain Sheridan darauf vor, den Vorlonen und den Schatten entgegenzutreten. Doch
dafür ist ein großes Opfer erforderlich…
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Originaltitel: The Long Night
Episodennummer: 4x05
Bewertung:
Erstausstrahlung USA: 27. Januar 1997
Erstausstrahlung D: 20. Juni 1998
Drehbuch: J. Michael Straczynski
Regie: John LaFia
Hauptdarsteller: Bruce Boxleitner als Captain John Sheridan, Claudia Christian als Commander Susan Ivanova, Jerry
Doyle als Security Chief Michael Garibaldi, Mira Furlan als Delenn, Richard Biggs als Doctor Stephen Franklin, Bill Mumy
als Lennier, Stephen Furst als Vir Cotto, Jason Carter als Marcus Cole, Jeff Conaway als Zack Allan, Patricia Tallman als
Lyta Alexander, Peter Jurasik als Londo, Andreas Katsulas als G'Kar.
Gastdarsteller:
Bryan Cranston als Ericsson,
Wortham Krimmer als Emperor Cartagia,
Ron Campbell als Drazi Ambassador,
Carl Reggiardio als Centauri #1,
Mark Bramhall als Centauri #2,
Kim Strauss als G'Lorn,
William Scudder als Jester u.a.
Kurzinhalt:
Londo und seine Mitverschwörer haben auf Narn alles in Stellung gebracht, um Imperator Cartagia zu ermorden. G'Kar
soll vor seiner Hinrichtung noch einmal vorgeführt werden – eben dies will Londo für eine Ablenkung nutzen, in dem er
seine Ketten lockern lässt. G'Kar soll sich losreißen und für Wirbel sorgen, woraufhin Londo Imperator Cartagia
schnappt und ihn eine vergiftete Nadel zwischen seine Herzen rammt. Doch als der Zeitpunkt gekommen ist, verläuft das
Attentat nicht nach Plan. Währenddessen bereitet sich Captain Sheridan auf Babylon 5 darauf vor, den Vorlonen und
den Schatten entgegenzutreten. Die Flotte, die er für diese alles entscheidende Schlacht zusammenstellt, wird dabei
von Tag zu Tag größer. Dennoch werden sie die Unterstützung der Allerersten brauchen, wenn sie siegreich aus der
Schlacht kommen wollen, weshalb er Ivanova zusammen mit Lorien losschickt, um noch einen letzten Versuch zu
starten, sie aufzuspüren und für ihre Sache zu gewinnen. Captain Sheridan arbeitet indes an einem Plan, um sowohl
die Vorlonen als auch die Schatten ins Coriana-System zu locken, um sich ihnen dort mit vereinten Kräften
entgegenstellen zu können. Doch damit dies gelingt, ist ein großes Opfer erforderlich…
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Denkwürdige Zitate:
"I can see things now, that were invisible to me before. An empty eye sees through to an empty heart."
(G'Kars leeres Auge scheint ihm die Augen geöffnet zu haben.)
"How fast does the poison work?"
"Very quickly. He said almost instantaneously."
"Almost? How fast is 'almost'? Time enough for him to stagger back into the main room and cry out 'Londo killed me'?!?!"
(Unter diesen Umständen ist verständlich, dass es Londo gerne genauer wüsste.)
"If this information comes too easily, they won't believe it. We need them to believe it's real. Real enough to fight for, real
enough to…"
(Sheridan macht Ericsson den Ernst der Lage klar.)
"I did not fight to remove one dictator just to become another myself!"
(G'Kar versucht den anderen Narn Vernunft einzuimpfen.)
Review:
"Tyrannenmord" bietet wieder eine gelungene Mischung zwischen persönlichen bzw. Einzelschicksalen und den großen
Ganzen. Beides findet sich bereits in der Handlung auf Babylon 5 wieder. Einerseits geht es dort in erster Linie darum,
die Weichen für den anstehenden Showdown zwischen Sheridans Kräften sowie den Vorlonen und Schatten zu stellen.
Letztere haben mittlerweile begonnen, in nicht minderer Härte aus die Vorlonen zurückzuschlagen und ebenfalls
Planeten mit Vorlonen-Präsenz vollständig zu vernichten. Falls sie nicht aufgehalten werden, droht sich Koshs
Prophezeiung zu bewahrheiten und die gesamte Galaxis "in einem großen Brand" verschlungen zu werden. Doch um
sowohl die Vorlonen als auch die Schatten an jenen Ort zu locken, wo er sich ihnen mit seiner Streitmacht in den Weg
stellen will, muss Sheridan den Ranger Ericsson und seine Crew in den Tod schicken. Es ist eine düstere,
deprimierende Szene, die – wie auch der nachfolgende Moment als sich Sheridan eine Aufzeichnung von der Zerstörung
des Weißen Sterns anhört – ihre gewünschte, berührende Wirkung zumindest bei mir nicht verfehlte.
Auch wenn wir Ericsson bisher nicht kannten, schafft es der spätere "Breaking Bad"-Star Bryan Cranston (in einem
seiner ersten TV-Auftritte), ihm Tiefe zu verleihen, und ihn uns in nur wenigen Momenten sofort sympathisch zu machen.
Auch die dahinterliegenden Emotionen vermittelt er sehr gut und glaubhaft. Davon abgesehen leidet man natürlich in
erster Linie auch mit Sheridan selbst mit – macht Bruce Boxleitner doch deutlich, wie schwer dieses Opfer dass er von der
Crew des Weißen Sterns verlangen muss auf seinen Schultern lastet. Eine weitere nette Szene gab es bereits relativ zu
Beginn, nämlich sein Gespräch mit Ivanova – wo diese sich in einer tragischen Geschichte an ihre Mutter erinnerte.
Zudem hatte das Gespräch fast ein bisschen etwas von einem Abschied – so als würde Sheridan nicht damit rechnen,
sie leben wieder zu sehen. Am Ende begibt er sich zusammen mit Delenn zum Weißen Stern, um mit der mittlerweile
beeindruckend großen Flotte nach Coriana 6 aufzubrechen – unterlegt mit Sheridans Lesung jenes berühmten Zitats aus
Tennysons "Ulysses", dass ihm jemand (man darf wohl von Sinclair ausgehen) beim Amtsantritt auf den Schreibtisch
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seines Büros gelegt hat: "Though we are not now that strength which in old days moved earth and heaven, that which
we are, we are. One equal temper of heroic hearts, made weak by time and fate, but strong in will, to strive, to seek, to
find, and not to yield." Mit dieser gänsehauterzeugenden Szene wurde man perfekt auf die anstehende, alles
entscheidende Konfrontation im Schattenkrieg eingestellt.
Doch auch rund um Imperator Cartagia geht es dramatisch weiter. Während die Handlung auf Babylon 5, von Ericssons
Tod abgesehen, in erster Linie noch Vorbereitungsarbeit für den anstehenden dramatischen Höhepunkt liefert, wird
dieser auf Narn bereits erreicht, als Londo seine Pläne zur Ermordung Cartagias erfolgreich in die Tat umsetzt – wenn
dieses auch nicht ganz nach Plan verläuft. Es war für mich eine der größten Überraschungen und Schocks bei der
Erstsichtung von "Babylon 5": Imperator Cartagia wird nicht etwa, wie gedacht, von Londo ermordet (der dies wohl mit
einem Schulterzucken abgetan hätte), sondern vielmehr just vom unschuldigen Vir – den dies in eine tiefe Krise stürzt,
aus der er sich mit Alkohol zu fliehen sucht. Seine Schuldgefühle ob dieser Tat, so notwendig sie auch gewesen sein
mag, sowie sein nachfolgendes Gespräch mit Londo, ist für mich mit Abstand der Höhepunkt der Episode, und zählt
für mich generell zu den besten Szenen der gesamten Serie. Ein unheimlich starker Moment, sowohl von Peter
Jurassik als insbesondere auch Stephen Furst phantastisch gespielt.
Zudem macht diese Szene auch wieder einmal deutlich, wie weit die Figuren gekommen sind. Wenn sich Londo an den
Vir erinnert, der damals in "Ragesh 3" vor ihm stand, kommt man als Zuschauer nicht umhin, sich ebenfalls diese Figur –
aber auch den damaligen Londo – in Erinnerung zu rufen, und dabei wird deutlich, wie sehr sich die beiden seither
verändert haben. Gleiches gilt übrigens auch für G'Kar, dessen Wandlung vor allem am Ende, nachdem Londo Wort
gehalten und den Narn ihre Freiheit wiedergegeben hat, deutlich wird. Die Narn beginnen daraufhin, die von den
Centauri mitgebrachte Einrichtung zu zerstören. Sie lechzen nach Blut und nach Rache. Narn ist noch keine Stunde
befreit, da überlegen sie schon, wie sie zurückschlagen können. Der G'Kar aus "Ragesh 3" hätte enthusiastisch in
die Schreie nach Vergeltung eingestimmt – doch mittlerweile ist auch er ein geläuterter Mann. Die Centauri wurden
besiegt und vertrieben, Narn ist frei – reicht das nicht? Sollte man sich nicht vielmehr auf den Wiederaufbau
konzentrieren, und darauf, dem eigenen Volk zu helfen? Auch auf die Aussage des Narn, er könne dies nicht verstehen,
und was habe er denn schon durchgemacht – die uns, der wir seinen Leidensweg mitgegangen sind, mindestens so
schwer trifft wie ihn – hätte er früher wohl deutlich anders reagiert. Nun tut er es, da der Vorwurf derart absurd ist, mit
einem Lachen ab, und lässt die anderen Narn verdutzt (und wohl auch ein bisschen ratlos) zurück. Ein ebenfalls sehr
starker Moment in einer insgesamt sehr guten und überaus kurzweiligen Episode.
Abschließend noch drei Anmerkungen zu sowie mein einziger Kritikpunkt an "Tyrannenmord": Die Szene zu Beginn mit
Londo und seinen (überraschend zahlreichen) Mitverschwörern war verdammt gut inszeniert, mit der langen
Einstellung bzw. der Kamerafahrt um den Tisch herum. Sehr amüsant fand ich die Selbstironie die man mit Cartagias
Kommentar, sein Raum auf Narn wäre zum Thronsaal auf Centauri Prime fast identisch, beweist – denn natürlich
wurden die besagten Szenen auf genau dem gleichen Set gedreht. Und mit G'Kar am Kreuz, der auf dem Weg zu
Cartagia sogar hinfallen darf, woraufhin man ihm aufhilft, wird die Jesus-Analogie endgültig auf die Spitze getrieben.
Einzig jener Moment, wo Cartagia Londo sagt, er habe die Ketten verstärken lassen, wirkte sehr gekünstelt und
konstruiert auf mich. Warum sollte Cartagia ihm dies genau in diesem Moment und unter diesen Umständen mitteilen?
Die Antwort darauf ist natürlich: Damit die Szene für den Zuschauer noch einmal ein bisschen spannender wird. Ich
wünschte nur, JMS hätte einen etwas natürlicheren Weg gefunden, uns diese Information zukommen zu lassen.
Fazit:
Auch wenn sie in vielerlei Hinsicht erst noch das Vorspiel zum großen Finale des Schattenkonflikts ist, finde ich
"Tyrannenmord" einfach nur grandios. Neben der herrlichen Wendung rund um Vir, die zumindest für mich damals bei
der Erstsichtung völlig unerwartet kam, verdankt sie das vor allem einigen Dialogszenen, die wieder einmal die
Vorzüge des "holographischen" Erzählungsstils der Serie deutlich machen – da eben jede Episode nicht nur für sich
selbst steht, sondern sie insgesamt ein großes Ganzes bilden. Wenn G'Kar am Ende gefragt wird, was er denn schon
für sein Volk durchgemacht hätte, würde man den Narn am liebsten schnappen und ihm eine verpassen. Früher
hätte dies wohl auch G'Kar getan. Stattdessen fängt er, aufgrund der Absurdität dieses Kommentars – die wir da wir
G'Kars Leidensweg miterlebt haben nachvollziehen können – zu Lachen an und wendet sich ab. Herrlich. Nicht minder
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gelungen das Gespräch zwischen Londo und Vir, nachdem letzterer zwangsweise den Imperator ermordet hat. Vir ist
völlig fertig und wird von Schuldgefühlen geplagt – da er einen Mord begangen hat, den er erst in der Episode davor als
notwendig erachtet und akzeptiert hat. Vermutlich hat seine Tat Tausende, vielleicht sogar Millionen von Leben gerettet,
dennoch lastet es schwer auf seinem Gewissen. Im Vergleich dazu wirkt Londos Gewissen geradezu verkümmert. Und
genau darum beneidet er ihn – was in einer grandiosen, minutenlangen Dialogszene, die dennoch keine Sekunde zu lang
oder gar langweilig ist, deutlich wird. Das Tüpfelchen auf dem i ist dann die berührende, nachhallende Szene, als
Sheridan den Ranger und seine Crew in den Tod schicken muss, um die Schatten nach Coriana 6 zu locken. Und mit
dem aus der Serie bereits bekannten Zitat aus Tennysos "Ulysses" (das ja auch im letzten Bond-Film "Skyfall" prominent
vertreten war) wird man schließlich perfekt auf die kommende Episode eingestimmt. Hinein ins Feuer!
Wertung: 4.5 von 5 Punkten
Christian Siegel
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Vom Skript zur Folge:
Sieht man davon ab, dass zwei Szenen zwischen Lorien und Ivanova (ihr Gespräch in seinem Quartier auf Babylon 5,
sowie auf dem weißen Stern bezüglich Geduld) von "Tyrannenmord" nach "Das dritte Zeitalter" verschoben wurden,
gibt es keine nennenswerten Unterschiede zwischen dem Drehbuch und der fertigen Folge.
Quelle: "Babylon 5: The Scripts of J. Michael Straczynski - Volume 8"
Stimmen zur Episode:
- Regisseur John LaFia über die Szene mit den Verschwörern: &bdquo;Das war einer meiner kühneren Einfälle, und
ich hoffte, man würde mich dafür nicht einäschern. Ich hatte zuvor viele Szenen aus vielen verschiedenen
Einstellungen gemacht, und als ich mir diese Szene genauer anschaute, entdeckte ich einen konspirativen Ton.
Manchmal bist du dazu angehalten, die ganze Zeit die Gesichter zu zeigen, aber hier dachte ich, ich kann hören was sie
sagen, und ich mochte dieses Gefühl um sie herumzuschleichen als wären wir ein unsichtbarer Zuhörer der sie
insgeheim belauscht. Ich drehte die Szene, und es funktionierte so toll dass ich es dabei belassen habe. Wenn du dich
auf den Spielplatz von jemand anderem begibst, weißt du nie wie er darauf reagieren wird, wenn du sein Spielzeug
verwendest, aber hier schienen alle damit glücklich zu sein, was nett war.&rdquo;
- Peter Jurasik über Londo: &bdquo;Er behauptet gegenüber Vir zwar, kein Herz zu haben, aber das stimmt leider
nicht. Er hat sehr wohl ein Herz, sonst würde er seinen Schmerz nicht mehr erdulden müssen; sowas gibt es nicht.
Das Schicksal und die Götter sind nicht gütig genug um uns zu erlauben, völlig ohne Reue oder Schuldgefühle zu
sein. Wir können uns von unserem Gewissen nicht vollständig befreien; Londo kann es jedenfalls nicht. Er würde
gerne glauben, dass er kein Herz oder Gewissen mehr hat, aber seine Taten – oder vielleicht das, was diesen zugrunde
liegt – strafen ihn Lügen.&rdquo;
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- Stephen Furst über Virs Schuldgefühle: &bdquo;Ich glaube dass wir, um als Person zu wachsen, Schmerz
empfinden müssen. Wenn alles immer für jeden richtig läuft und alles gut wird, wachsen wir nie als menschliche
Wesen, und das gleiche gilt auch für eine künstliche Figur wie Vir.&rdquo;
Quelle: "Babylon 5: Season by Season-Guides - Volume 4: No Surrender, No Retreat"
Kommentare von JMS
- Ãœber den gesamten Verlauf der Serie sieht man immer wieder meinen Theater-Hintergrund durchscheinen. Ich bin
dahingehend immer auf der Hut, weil mein Kopf mir irgendwo sagt "Ja, du hast Theater-Erfahrung, und lässt du es an
deinen Zuschauern aus!" Aber es gibt Szenen, da ist es gerechtfertigt und notwendig. Die Szene mit Vir und Londo
muss so lang sein um an den Punkt zu gelangen, den sie letztendlich erreicht. Ich hätte natürlich in die Szene
hineingehen können mit einen Vir der seinen Schuldgefühlen bereits freien Lauf lässt, ohne die Comedy zu Beginn,
aber dann wäre es sehr einseitig gewesen, und was mich an einer Szene interessiert ist die Achterbahn, wo du im einen
Moment lachst, und dann im nächsten Augenblick plötzlich tief bewegt von etwas bist.
Quelle: "Babylon 5: Season by Season-Guides - Volume 4: No Surrender, No Retreat"
- Bei den meisten Autoren beginnen die Figuren nach einer Weile, mit dir zu reden. In meinem Fall galt das unter
anderem für G'Kars Abschlussmonolog bei Staffel 3, und insbesondere für die Szene in der Londo Cartagia
ermorden will. Es war immer meine Absicht, dass Londo derjenige ist der die Nadel in Cartagias Brust sticht. Aber als es
Zeit war die Szene zu schreiben, konnte ich mich nicht dazu bringen, sie zu beenden. Irgendetwas war falsch. Und da
trat Vir – oder jener Teil meines Gehirns der zum Zweck dieser Diskussion für ihn gesprochen hat – nach vorn und sagte
"Lass mich es tun." "Warum?" "Weil wenn Londo Cartagia tötet, ist das für ihn 'business as usual'. Aber wenn ich es
mache, werde ich gewaltige Reue empfinden, und Schuldgefühle, und das kannst du für einige Zeit ausspielen. Es
wird stärker sein. Vertraue mir." Und das tat ich. Und es funktionierte.
Das ist eines der Schlüsseldinge die ich jedem zu vermitteln versuche der an mich mit der Absicht, Schriftsteller zu
werden, herantritt: Hör auf deine Figuren. Schubse sie nicht herum, sondern lass sie sich auf eine Art und Weise
verhalten die für sie natürlich ist, und erlaube ihnen zu dir mit ihren eigenen Ideen zu kommen, und ihrer eigenen
Stimme. Mache sie real genug dass sie mit dir in deinem Kopf debattieren können. In dem Moment wo du eine Figur
dazu zwingst etwas zu tun, wird sich alles was danach kommt unaufrichtig anfühlen. Vir war voll und ganz die richtige
Person um Cartagia zu töten. Und es war ganz seine Idee, ich hatte damit nicht das Geringste zu tun.
- Nachdem ich in der vorangegangenen Episode einen Planetenkiller der Vorlonen vorgestellt hatte, brauchte ich nun
etwas für die Seite der Schatten, was ebenso mächtig sein würde, aber nicht genauso aussah; einfach ein weiteres
großes Schiff. Ich zerbrach mir Tagelang den Kopf um mir etwas cooles zu überlegen, aber es kam nichts. Schließlich
ging ich zu Harlan Ellison, Babylon 5s kreativem Berater, der genau für jene Fälle da war wo ich nicht mehr weiter
wusste. "Ich brauche einen Planetenkiller für die Schatten", erklärte ich ihm als wir im unteren Bereich seines Büros
waren und Pool spielten. "Etwas, dass cool aussieht, und sehr, sehr furchteinflößend." Er versenkte eine weitere Kugel
im Loch – er ist beim Pool ein Killer, wohingegen ich in etwa so gut spiele wie ein Blinder – und fünf Sekunden später
hatte er eine Antwort für mich. Ich erwähnte die Schnelligkeit seiner Antwort vor allem auch um die Frage zu
beantworten "Was hat Harlan bei der Serie gemacht?". Denn das war genau das, was er tat wenn es erforderlich war:
Mir den Arsch gerettet.
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"Du machst folgendes", sagte er. "Du hat diese unheimlich aussehende Wolke, und sie umschließt einen Planeten zur
Gänze. Im inneren der Wolke sind tausende, TAUSENDE von Raketen mit Nuklearsprengköpfen, die alle zur gleichen
Zeit auf den Planeten zuschießen. Aber sie explodieren nicht etwa an der Oberfläche. Sie dringen tief in den Planeten
ein, und lassen ihn vom Innern her zerbersten. Ist das cool genug für dich?" Ich sagte, das war es, und am nächsten
Tag, während einer Produktionssitzung, erklärte ich das Konzept den anderen. Produzent George Johnsen hörte sich
die Erklärung an, und nickte danach für eine Weile still vor sich hin. "Abertausende von Raketen", sagte er. "Huh. Muss
ja ganz schön schwierig sein, nachzuladen." Es gibt halt in jeder Runde einen Klugscheißer…
- In gewisser Weise ist der Subtext für die meisten der ersten Episoden der vierten Staffel das Thema der
Wiedergeburt. Imperator Cartagia glaubt, dass er als Gott wiedergeboren wird, Sheridan wird von den Toten
zurückgebracht, selbst Morden wird wieder zum Leben erweckt. Aber die wichtigste Wiedergeburt in dieser Episode,
und vielleicht der gesamten vierten Staffel, ist jene von G'Kar. Der G'Kar der zu Beginn von Babylon 5 von
Rachegedanken gegenüber den Centauri besessen war, der in seiner Zukunft nichts sehen konnte außer deren
Zerstörung, existiert nicht länger. An seiner Stelle steht nun jener G'Kar der die Centauri als ein Volk sieht, das zu
bemitleiden ist, und der selbst gegenüber seinen Feinden Mitgefühl zeigt. Er hat einen Punkt in seiner Entwicklung
erreicht wo er über das Verlangen nach Rache hinausgewachsen ist… etwas, dass selbst seine Leute nicht verstehen
können. Als wir G'Kar zum ersten Mal kennenlernten, war er ein Krieger… dann war er ein Anführer seines Volkes…
und nun hat er selbst dieses Ziel beiseite gelegt, und ist auf dem Weg etwas noch größeres zu werden, eine religiöse
Figur.
Diese Reise war eine der wichtigsten Elemente die ich beim Erzählen von "Babylon 5" abbilden wollte, und als ich damit
fertig war "Tyrannenmord" zu schreiben, fühlte ich mich insofern zufrieden als dass wenn dies tatsächlich unsere letzte
Staffel sein sollte, es mir dennoch möglich war diesen Wandel in vollem Ausmaß darzustellen. Zu zeigen, dass
Mitgefühl aus Grausamkeit erwachsen kann, dass Veränderung für uns alle in Griffweite ist, und dass es letztendlich,
ganz egal wie tief wir glauben gefallen zu sein, immer Hoffnung gibt.
- Cartagia merkt in dieser Episode an, dass der Thronsaal der auf Narn gebaut wurde mit jenem auf Centauri Prime "fast
identisch" war. Das liegt daran, weil es das gleiche Set ist. Wir konnten es uns nicht leisten, für diese Reihe an
Episoden zusätzliche Sets zu bauen, und da wir bereits etabliert hatten dass es auf Narn einen Korridor gibt der gebaut
wurde um wie jener zu Hause "auszusehen", dachte ich mir, wir könnten das bis zur Grenze ausreizen. Aber nachdem
ich diese Entscheidung getroffen hatte brauchte ich jemanden, der es laut aussprach, um das was bestenfalls eine
alberne Idee war zu verkaufen. Diese Aufgabe fiel Cartagia zu, der dafür gerade verrückt genug war. Was hingegen
nicht kommentiert wird, ist das auch die Zelle und die Tür die zur Zelle führt genau das gleiche Set ist. Nur die
Beleuchtung wurde verändert, um ihr einen blutroten Narn-Farbton zu geben. Aber irgendwie war die Idee, Cartagia auch
noch sagen zu lassen "Oh, und habt ihr gesehen? Sie haben sogar unsere Zellen so wie wir sie zu Hause haben
nachgebaut, ist das nicht rührend?" schien… oh, ich weiß nicht… lächerlich. Und so machten wir weiter und hofften, es
würde niemandem auffallen. Und, interessanterweise, soweit ich feststellen kann, tat das auch nie jemand.
Was auch nie jemand bemerkte ist dass wir eine Einstellung in die Szene hineingeschummelt haben, während G'Kar
ausbricht. Ihr werdet sehen wie er seine rechte Hand hebt um die Ketten auf der Seite zu greifen, und kurz darauf sieht
man in einer zweiten Einstellung, wie er das gleiche mit der linken Hand macht. Aber wir hatten im Schneideraum nur
eine Einstellung mit seiner rechten Hand. Da ich seinen Ausbruch wirklich zu einem Höhepunkt machen wollte,
spiegelten wir die erste Einstellung um aus seiner rechten Hand seine linke Hand zu machen. Davon abgesehen ist es
genau die gleiche Einstellung.
Quelle: "Babylon 5: The Scripts of J. Michael Straczynski - Volume 8"
- Die Mission des Weißen Stern in dieser Folge hatte bestimmte Wurzeln: Um im Zweiten Weltkrieg die Deutschen davon
zu überzeugen, dass wir nicht in der Normandie landen würden, wurden unsere eigenen Agenten mit falschen
Informationen gefüttert und losgeschickt… dann ließ man Informationen zu den Deutschen durchsickern, die es ihnen
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ermöglichte, die Agenten zu fangen und die Informationen aus ihnen herauszufoltern. Dies hier war nicht ganz so
schlimm, die Besatzung wusste wenigstens, worauf sie sich einließ… aber im Krieg gibt es oft keine guten
Entscheidungen.
- Die Ericsson-Szene war ergreifend.
Danke… Ich denke die Leistung des Schauspielers, der Ericsson spielte, hatte viel damit zu tun. Er hat der Rolle Tiefe
gegeben.
Quelle: Der deutsche Lurker’s Guide für Babylon 5
Zusammengestellt und überarbeitet von Christian Siegel
(Bilder © Warner Bros.)
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