Wählen wäre Selbstentwürdigung,Scientology in der

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Wählen wäre Selbstentwürdigung,Scientology in der
Wählen
Selbstentwürdigung
wäre
Die HINTERGRUND-Redaktion hat ein dreiteiliges
Positionspapier zur Bundestagswahl 2013 gemacht, Autor
Hartmut Krauss. Teil I vom 2.9. firmiert unter Zur
Erosion der repräsentativen Demokratie und weiß uns
"pseudolegitimatorischem Stimmvieh" nicht viel Gutes über
unsere Demokratie zu berichten. Dafür erfahren wir etwas über
eine Art „diskursiven Tugendterror“ alias Correctness:
Im Gegensatz zu ihrer vordergründigen Propaganda und im
Einklang mit den Mainstreammedien haben die politischen
Funktionsträger Deutschland längst in eine „Postdemokratie“
verwandelt und den demokratischen Souverän weitgehend
entmachtet. Zwar existieren formal-demokratische Institutionen
wie Parlamente, freie Wahlen, scheinbar unterschiedliche
Meinungsbildungsinstanzen etc. Aber das Handeln von Regierung
und Opposition, die in zentralen Fragen und in ihren
Programmatiken zunehmend ununterscheidbar geworden sind, wird
primär durch einflussreiche ökonomische und religiöse
Lobbygruppen bestimmt. Auf diese Weise bewegt sich die
Gesellschaft zurück in vormoderne Zeiten, in denen
privilegierte und vom Volk abgehobene „ständische“
Machtgruppen den politischen Prozess unter sich regeln.
Demgegenüber fungieren die ausgegrenzten Wahlbürger nur noch
als
pseudolegitimatorisches
Stimmvieh
und
passive
Mehrheitsbeschaffer. Ihnen, den weitgehend entmündigten
„Kunden“ der Parteien, mehr direktdemokratische bzw.
plebiszitäre Entscheidungsmöglichkeiten im Rahmen öffentlichrationaler
Argumentationsund
Diskussionsprozesse
einzuräumen, wird als „Populismus“ abgewehrt und verweigert.
Tatsächlich aber sind es die etablierten (Bundestags-)Parteien
selbst, die in Form einer niveauarmen Wahlreklame einen
Vulgärpopulismus unterster
Stammtischniveau, betreiben.
Schublade,
d.
h.
unter
Echte Demokratie setzt mindestens zwei Bedingungen voraus:
Erstens die Möglichkeit zur chancengleichen Teilnahme am
öffentlich-politischen Diskurs und zweitens die Schaffung von
inhaltlichen und argumentativen Voraussetzungen demokratischer
Partizipation. Tatsächlich aber ist eine systematische Erosion
der „demokratischen Öffentlichkeit“ durch ökonomische und
politische Vermachtung und Hierarchisierung der Zugänge zur
„freien öffentlichen Rede“ zu konstatieren. D. h.: Eine reale
Möglichkeit zur gleichberechtigten rational-argumentativen
Teilnahme am medial vermittelten öffentlichen Diskurs wird
durch informelle Zulassungs- und Selektionskartelle blockiert.
Als deren offizielle Exekutivorgane bzw. Regulierungsinstanzen
agieren diverse Beiräte, verfilzte Aufsichtsbehörden,
privatkapitalistisch
regulierte
Chefredaktionen
oligopolistisch strukturierten Printmedien, staats-
der
und
parteinahe Stiftungen, undurchsichtige Preisverleihungsgremien
etc.
Hinzu kommt als aktuelles Leitprinzip der politisch-medialen
Erzeugung herrschaftskonformer Meinungsbildung die postmoderne
„Political Correctness“. Darunter ist ein politisch wirksam
werdendes sprachliches und ideologisches Dressurinstrument zu
verstehen, das mit gleichschaltendem Effekt festlegt, welche
Themen, Begriffe, artikulierten Denkhaltungen, Deutungs- und
Bewertungsmuster, Forderungen etc. gesellschaftlich erwünscht
und erlaubt sind und welche als unerwünscht und verpönt
gelten. Die öffentliche Kommunikation wird damit als freier
kritischer Argumentationsaustausch weitgehend suspendiert. An
seine Stelle tritt eine Art „diskursiver Tugendterror“:
„Wer sich diesen zuteilenden Diskursregeln nicht unterwirft,
bestimmte herrschaftskonforme Signalbegriffe im Sinne von
sprachlichen Demutsgesten nicht verwendet, grundsätzliche
Kritik am Systemganzen erkennen lässt, Gegen-Begriffe einführt
et cetera, bleibt vom herrschaftlich kontrollierten Diskurs
ausgeschlossen und wird – gemäß der jeweiligen konkreten
Herrschaftsformen – als ‚Ketzer’, ‚Ungläubiger’, ‚Kommunist’,
‚vaterlandsloser Geselle’, ‚Klassenfeind’, ‚Volksschädling’,
‚Rassist’ et cetera verpönt und stigmatisiert.
Das Anheften von Etiketten ohne rational überzeugende
Begründung ist untrennbarer Bestandteil von Diskursherrschaft
– auch in nichttotalitären Herrschaftssystemen wie dem
postdemokratischen Kapitalismus. ‚Politische Korrektheit’ im
Allgemeinen ist demnach sprachlich domestizierte und
öffentlich
ausgedrückte
Herrschaftskonformität
via
Diskursanpassung.“[1].
Neben der „politisch-korrekten“ Domestizierung der
öffentlichen Debatte ist ein zunehmender Niveauverlust der
medialen Kommunikationsinhalte und -formen zu konstatieren.
Hierfür sind insbesondere zwei verschränkte Einflussfaktoren
verantwortlich: Zum einen die zunehmende Verwandlung von
Information/Nachricht in eine den kapitalistischen
Marktgesetzen unterworfene Ware mit dem Effekt der
verwässernden Vermischung von Information und Unterhaltung.
Dabei ersetzt die so entstandene Infotainment-Industrie zum
anderen logische Argumentation und rationalen Diskurs durch
manipulative
Überredung,
entpolitisierende
Betroffenheitsrhetorik und demoskopische Meinungsvermarktung.
Der aufklärte und mündige Citoyen wird „stillgelegt“ und durch
chaotische Diskutanten in verworrenen Talkshows verdrängt. Auf
diese Weise werden tendenziell immer mehr frustrierte und
infolgedessen entpolitisierte Staatsbürger produziert, die
weder politisch-demokratische Teilhabekompetenzen und motivationen aufweisen noch über reflektierte und halbwegs
wissensbasierte politisch-weltanschauliche Überzeugungen
verfügen[2]. Ohne die neue Form der „politisch-korrekten“
Entmündigung überhaupt wahrzunehmen, reduziert sich für diesen
Teil der Gesellschaftsmitglieder „Demokratie“ im Wesentlichen
darauf, zwischen Aldi, Lidl und Rewe bzw. generell zwischen
Konsumangeboten frei auswählen zu können: „Ich shoppe, also
bin ich …“[3].
Schon vor diesem Hintergrund, der noch von inhaltlichen und
interessenpolitischen Aspekten abstrahiert, wird deutlich,
warum die Nichtwähler bei der Bundestagswahl 2009 beinahe
doppelt so stark waren wie die Wähler der SPD (10 Millionen)
und zwei Millionen stärker als die Wähler von FDP (6,3
Millionen), Linkspartei (5,2 Millionen) und Grünen (4,6
Millionen) zusammen. Auch die CDU als stärkte Partei landete
mit ihren 14,7 Millionen Wählern abgeschlagen hinter den
Nichtwählern. Ein ähnliches Bild zeigte sich bei den folgenden
Landtags- und Kommunalwahlen. Bei der Kommunalwahl in
Schleswig-Holstein am 26. Mai 2013 fiel die Wahlbeteiligung
von 49,4% (2008) auf 46,7% und damit auf den historischen
Tiefstand. In der Landeshauptstadt Kiel lag sie sogar nur bei
37,2%.[4]
Darüber hinaus sinkt laut einer Umfrage der BertelsmannStiftung auch der Glaube an die Selbstheilungskräfte der
Märkte. „Dagegen plädierten acht von zehn Bundesbürgern als
Konsequenz aus der Krise für eine neue Wirtschaftsordnung mit
stärkerer Betonung von sozialem Ausgleich und Umweltschutz (…)
Auch stimmten 80 Prozent der Bundesbürger der Aussage zu, dass
jeder Einzelne sich fragen müsse, ob immer
Wirtschaftswachstum das Wichtigste sei.“[5]
[1]
mehr
http://www.heise.de/tp/artikel/36/36618/1.html
[2] Wurden früher große Hoffnungen in den Politisierungseffekt
des Internets gesetzt, so zeigten Studien im Gegensatz dazu,
„dass das allgemein geringe Interesse an politischen
Informationen vor allem auf das Internet zutreffe. Lediglich 6
Prozent bekundeten ein ‚sehr starkes’ Interesse an politischen
Informationen im Internet, 12 Prozent ein ‚starkes’. 83
Prozent gaben an, beim Surfen ‚kaum’ oder ‚gar nicht’ an
politischen Informationen interessiert zu sein. Der Bezug
politischer Information findet vor allem über das Fernsehen
(stark:42 Prozent; ‚sehr stark’: 24 Prozent) sowie über
Tageszeitungen statt (44 bzw. 20)“ (Decker u. a. 2013, S.
116f.).
[3] Vgl. Zygmunt Baumann: Leben als Konsum. Hamburg 2009.
[4] Vgl. Neue Osnabrücker Zeitung vom 27.5.2013, S. 1.
[5] Kölner Stadtanzeiger vom 17.8.2012, S. 10.
Kommentar wissenbloggt: nach der wortmächtigen Philippika
bleibt einem erstmal der Atem weg. Warum aber
Inkonsequenz, die Lobbygruppe Bertelsmann-Stiftung
die
für
Argumente heranzuziehen und so ihre "Diskursherrschaft" zu
stärken?
Scientology in der Krise
L. Ron Hubbard war der Guru von Scientology. In
ihren Ashrams hält die Scientology-Kirche immer
einen Raum vor, der dem Arbeitszimmer des
Scientology-Gründers nachgebaut ist. Ein leerer
Raum als Objekt der Verehrung, naja, wem's
gefällt …
In Hollywood hat das hahnebüchene Scientology-Credo von der
Selbstoptimierung vielen gefallen. Diverse Stars wurden
Scientologen und bezahlten schwer dafür. Jetzt rührt sich was,
und einiges vom Scientology-Urgestein macht sich davon.
Ein Autor namens Lawrence Wright hat ihnen nachgespürt (200 an
der Zahl) und daraus ein Buch über Scientology verfertigt:
Going Clear: Scientology, Hollywood and the Prison of Belief
(zu deutsch etwa Tschüss, Scientology, Hollywood und das
Gefängnis des Glaubens).
Scientology kontert mit einem streitbaren Artikel How Lawrence
Wright got it so wrong, unter dem Rubrum Fact vs. Fiction. Das
ist lustig, weil Scientology, der Vertreter der
Illusionsindustrie, sich auf der Seite der Fakten sieht, und
ihren Gegner sehen sie auf der Seite der Fiktion. Man muss
sich auf die Kabale nicht näher einlassen, da dürfte auch ein
Gutteil Buchverkaufs-Propaganda dabeisein.
Das Ganze dient der Süddeutschen Zeitung am 2.9. als Aufhänger
für den schönen Artikel von Lena Jakat Scientology und
Hollywood Massenexodus der Prominenz Zur SZ sagte Wright:
"Scientology hatte sowieso schon einen miserablen Ruf. Mein
Ziel war es lediglich, zu verstehen, was Leute in die Kirche
zieht und wie sie davon profitieren."
Vielerorts war man eher der Meinung, dass vor allem
Scientology profitierte, wenn es den Jüngern die teuren
Fortbildungskurse verkaufte. Wie auch immer, der Gründer
Hubbard hatte es geschafft, Glamour für seine Sekten-Kreation
zu perpetuieren, indem er die Anziehungskraft der
Leinwandstars ausnutzte, die auf ihn reinfielen. Die SZ dazu:
"Bisher haben sich prominente Mitglieder so heimlich von
Scientology distanziert, wie sie sich der Kirche oft auch
angenähert hatten. Doch nun verlassen erste berühmte
Scientologen die Sekte mit einem Knall. Menschen, die lange
Zeit glaubten, ihr Erfolg, ihr Ruhm hänge auch mit den
Hubbard-Programmen zur Selbstoptimierung zusammen."
Laut SZ zweifeln die Flüchtlinge nicht unbedingt an der Lehre,
sondern eher am Chef der Kirche, dem Scientology-Papst David
Miscavige. Die Liste der Vorwürfe: autoritärer Führungsstil,
drakonische Strafen bei Ungehorsam, massive psychische und
körperliche Misshandlung.
Wow, das haben die sich gefallen lassen? Wie sieht's denn
Tom Cruise aus, dem Aushängeschild von Scientology, der
seinen letzten beiden Filmen 400 Mio. Dollar eingespielt
und damit die Kriegskasse von Scientology polstert? Kriegt
auch drakonische Strafen und rundum-Misshandlung zu spüren?
mit
mit
hat
der
Verdient hätte er's für die Verdummungsdienste, die er seiner
Kirche leistet. Und sein Geld könnte auch reichen, um
Scientology über die Krise wegzuhelfen. In der SZ ist die Rede
von mehr als 1 Mrd. liquiden Mitteln. Damit kann man viele
Dumme missionieren.