Manualtherapeutische Maßnahmen zur Durchblutungsförderung

Transcription

Manualtherapeutische Maßnahmen zur Durchblutungsförderung
Manualtherapeutische Maßnahmen zur
Durchblutungsförderung der unteren Extremität
bei Poliospätfolgen.
Eine Fallstudie
Eingereicht durch
Alfred Ellinger
zur Erlangung des Titels
„Physiotherapeut“
Dezember 2006
1
I. Danksagung
Ich danke meiner Mutter, einer
wundervollen Frau mit viel Herz
und
enormer
Lebenskraft.
Selbst in der Nachkriegszeit an
Kinderlähmung erkrankt, hat Sie
sich
lassen,
niemals
ist
unterkriegen
aktiver
als
so
mancher „gesunde“ Mitmensch
und ist mir ein Beispiel dafür,
dass
eine
körperliche
Behinderung nicht „verhindert“. Ihre Liebe hat mich mehr gelehrt als alle
Bücher dieser Welt, denn Sie hat mich aus meinen Fehlern lernen lassen
anstatt zu strafen, hat mich mit Ihrer Führsorge begleitet und mir nicht
zuletzt meine Ausbildung ermöglicht. Sie ist mir nicht nur Mutter, sondern
auch ein lieber Freund, dessen Bekanntschaft ich niemals missen möchte.
Ich danke Dir „Mutti“!
Danke an alle jungen Poliopatienten/innen, die ich während meinem
Praktikum in Nepal kennen lernen, behandeln, befragen, filmen und
fotografieren durfte. Sie alle haben meiner Arbeit zu mehr Relevanz,
Lebendigkeit und Farbe verholfen.
Weiters danke ich Herrn Mag. Jürgen Hacker (Institut für Botanik der
Leopold Franzens Universität) und Herrn Dr. Andreas Grainer (Abteilung
für
Gefäßchirurgie
an
der
Universitätsklinik
Innsbruck)
für
ihre
umfangreiche Mithilfe bei den Messungen und deren Auswertung.
Vielen Dank meinem Erstleser Physiotherapeut Wolfgang Kattnig D.O.,
der mir auch mit viel Geduld eine Einführung in die Recoiltechnik der
Arterien nach Paul Chauffour D.O. gab, dem Physiotherapeut Ulli Gmach,
der die Zweitleserschaft übernommen hat und meinem Puppi Lu.
2
II. Erklärung
Ich erkläre hiermit ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Diplomarbeit
selbst verfasst und die aus fremden Quellen direkt oder indirekt
übernommenen Gedanken als solche kenntlich gemacht habe. Die
gegenständliche
Arbeit
wurde
bisher
noch
keinem
anderen
Prüfungsgremium vorgelegt und keinerlei Veröffentlichung zugeführt.
Banepa (Nepal), Oktober 2006
Alfred Ellinger
3
III. Vorwort
Meine Mutter leidet seit dem Jahr 1954 an den Folgen einer Polioinfektion.
In diesem Jahr gab es in Österreich 835 Fälle von akuter Poliomyelitis mit
tödlichem Ausgang der Infektionskrankheit in 103 Fällen [BMGF, 2006].
Früh hab ich begriffen, dass sich meine Mutter in manchen Dingen von
anderen Müttern unterscheidet. Sie hat dieses seltsame steife Rohr, in
das sie ihren linken Fuß packte und zwei Stöcke ohne die sie das Haus
nie verlässt. Kälte konnte sie noch nie ausstehen und oft lässt sie ihre
Beine in einem Eimer warmen Wasser baumeln, als wäre es ein kühles
Bächlein. Ich bin allein mit meiner Mutter und all ihren körperlichen
Einschränkungen aufgewachsen und es gab keine Probleme; ihr Gang, ihr
schiefes „Kreuz“, sie war einfach so wie ich sie von Anfang an kannte. Im
Laufe meiner Ausbildung zum Physiotherapeut wurde mir erstmals
bewusst, was ich all die Jahre zuvor beobachtet und „mitgelebt“ hatte. Ich
sehe nun die Probleme meiner Mutter, die sie durch die Polioerkrankung
hat und die ihr Leben erschweren. Grund genug endlich was zu tun und
die Diplomarbeit bot den richtigen Rahmen dafür. Bestätigt in der Wahl
meines Themas wurde ich auch durch ein zweimonatiges Pädiatrie und
Orthopädiepraktikum im Hospital and Rehabilitation Center for Disabled
Children (HRDC) in Banepa (Nepal) im Herbst 2006. Dort traf ich bereits
an meinem ersten Arbeitstag ein junges Mädchen (Abb. 1), das seit ihrem
zweiten Lebensjahr an paralytischer Poliomyelitis leidet. Ihr Name ist
Ashmi.
Sie
erlaubte
mir
sie
zu
befunden.
Ich
sah
die
unterschiedlich langen und atrophierten Beine, den Beckenschiefstand,
die Skoliose mit dem dominanten „Rippenbuckel“ und auch Trauer in ihren
Augen. Ich palpierte als erstes ihre Füße und Beine. Sie waren kalt und
ich kannte diese Kälte von den Füssen meiner Mutter.
4
Abb. 1: junges Mädchen (Ashmi Sherpa) aus dem Tengboche Village
(Nepal), das an den Folgen einer spinalen Kinderlähmung leidet
[Alfred Ellinger, Nepal 2006].
5
IV. Abstrakt
Titel:
Manualtherapeutische
Durchblutungsförderung
der
Maßnahmen
zur
unteren
bei
Extremität
Poliospätfolgen. Eine Fallstudie.
Hypothese: Durch ausgewählte Manualtherapeutische Maßnahmen ist
es möglich, bei einer Probandin mit Paralysen der unteren
Extremität in Folge von spinaler paralytischer Poliomyelitis,
die Durchblutung und den venösen Rückfluss in der unteren
Extremität während einer Behandlung zu beeinflussen. Auch
das subjektive Wärmeempfinden der Probandin lässt sich
beeinflussen. Dies geschieht durch manuelle, lokal oder
konsensuell
gesetzte
Reize,
die
einen
Durchblutungsfördernden Effekt auf verschiedene Strukturen
der unteren Extremität haben sollen.
Methoden: Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine
Fallstudie. Über einen Zeitraum von fünf Monaten wird die
Probandin mit fünf verschiedenen manualtherapeutischen
Techniken zehnmal behandelt. Folgende Techniken werden
angewendet:
Fußreflexzonenmassage,
Bindegewebs-
massage, Manuelle Therapie nach Maitland, Propriozeptive
Neuromuskuläre Fazilitation, Recoiltechnik an den Arterien
nach Paul Chauffour D.O.. Jede Technik wird zweimal
innerhalb einer Woche angewendet, wobei zwischen den
Techniken jeweils eine dreiwöchige Behandlungspause
angesetzt wird. Zur Einschätzung der Therapiewirkung
werden zwei Beurteilungskriterien eingesetzt. Bei jeder
zweiten Behandlung mit einer Therapieform, werden mit
einer
Infrarot
veränderungen
Messpunkten
Wärmebildkamera
an
der
ermittelt.
unteren
Die
die
Temperatur-
Extremität
Probandin
in
zwei
dokumentiert
schriftlich ihre subjektiven Empfindungen zur jeweiligen
Therapieform und ihren Wirkungen.
6
Ergebnisse: Die Fußreflexzonenmassage führt an zwei Messpunkten zu
einer durchschnittlichen Zunahme der Hauttemperatur um
2.51°C.
Die
Probandin
Fußreflexzonenmassage
als
beschreibt
symptomlindernd
die
und
wirkungsvoll. Auch die Recoiltechnik der Arterien nach Paul
Chauffour
D.O.
führt
zu
einer
Erhöhung
der
Oberflächentemperatur an den Beinen um durchschnittlich
0.6°C. Bei den andern Therapietechniken zeigten sich keine
deutlichen oder konstanten Temperaturveränderungen. Aber
auch diese Techniken hatten positive Wirkungen, die von der
Probandin subjektiv bewertet wurden. Die Mobilisation der
Wirbelsegmente Th12–L2 hat laut der Probandin einen
später einsetzenden, wärmenden Effekt auf die untere
Extremität.
Schlüsselwörter:
Poliomyelitis,
Durchblutungsförderung,
manualtherapeutische
Fußreflexzonenmassage,
Techniken,
Bindegewebs-
massage, Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation, Manuelle Therapie,
Recoiltechnik nach Paul Chauffour D.O.
7
I. Danksagung
2
II. Erklärung
3
III. Vorwort
4
IV. Abstrakt
6
V. Inhaltsaltsverzeichnis
8
1. Einleitung
11
2. Poliomyelitis
12
2.1. Poliomyelitis und ihre Geschichte
12
2.2. Poliomyelitis und ihre Spätfolgen
19
2.3. Kalte Füße
22
3. Durchblutung
25
3.1. Einführung
25
3.2. Kreislauforgane
26
3.3. Transportsystem Blutkreislauf
29
3.4. Hämodynamik
29
3.5. Treibende Kräfte
29
3.5.1. Das Herz als Druckpumpe
29
3.5.2. Das Druckgefälle im Gefäßsystem
31
3.5.3. Der venöse Rückfluss
31
3.6. Der Strömung entgegenwirkende Kräfte
32
3.6.1. Strömungswiderstand
32
3.6.2. Die innere Flüssigkeitsreibung
34
3.6.3. Die Wandreibung in Gefäßen
34
3.7. Mikrozirkulation Organisation und Funktion
3.7.1. Funktionelle Anatomie der terminalen Strombahn
36
36
3.7.2. Kräfte und Austauschprozesse in der terminalen
Strombahn
3.7.3. Lymphsystem
3.8. Die Rolle des vegetativen Nervensystems
37
38
39
3.8.1. Regelkreise
40
3.8.2. Autonomie der Gefäße
40
3.8.3. Vegetative Regulation und Vasomotorik
40
8
3.8.4. Organisation des vegetativen Nervensystems unter
besonderer Berücksichtigung der Kreislauf- und
Thermoregulationszentren
42
3.8.4.1. Der Hypothalamus
43
3.8.4.2. Temperaturregulation
45
3.8.4.3. Kreislaufregulation
48
3.8.4.4. Sympathikus versus Parasympathikus
52
3.8.5. Zusammenfassung der Mechanismen der
Durchblutungsregulation
57
3.8.5.1. Kreislaufregulation
57
a) kurzfristige Mechanismen
57
b) mittelfristige Mechanismen
58
c) langfristige Mechanismen
59
3.8.5.2. lokale Durchblutungsregulation
60
3.8.5.3. Nervale Regulation des Gefäßtonus
63
Dermographismus
65
3.9. Regulation des Blutflusses bei körperlicher Leistung
66
3.10. Orthostatische Durchblutungsanpassung
68
3.11. Reflexphysiologie, viszerale Afferenzen und
therapeutische Ansätze
70
3.11.1. Die Haut und ihre sensible Seite
70
3.11.2. Reflexphysiologie
71
4. Leitungsbahnen der unteren Extremität
4.1. vegetative Leitungsbahnen der unteren Extremität
77
79
4.1.1. Efferenzen
79
4.1.2. Afferenzen
79
4.3. Vegetative Reflexbögen der unteren Extremität
80
5. Empirischer Teil
81
5.1. Studienumfeld
81
5.2. Studiendesign
81
5.3. Studienvorbereitung
82
5.4. Behandlungstechniken
83
5.4.1. Fußreflexzonentherapie
83
9
5.4.2. Bindegewebsmassage
83
5.4.3. Manuelle Therapie (Mobilisation Th10–L2)
83
5.4.4. Recoiltechnik der Arterien nach Paul Chauffour D.O. 84
5.4.5. Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation (PNF)
5.5. Messmethoden
84
85
5.5.1. Infrarotkamera
85
5.5.2. Subjektives Empfinden der Probandin
85
5.6. Vorstellung der Probandin
86
5.7. Ergebnisse
88
6. Diskussion
96
7. Schlusswort
97
8. Literaturverzeichnis
98
9. Abbildungsverzeichnis
101
10
1. Einleitung
1958 schrieb der der Schweizer Kinderarzt und Begründer der modernen
Pädiatrie
Guido
Fanconi
im
Neujahrsblatt
der
Naturforschenden
Gesellschaft Zürich folgendes:
„Die Geschichte der Kinderlähmung im 20. Jahrhundert gehört zu den
faszinierendsten Kapiteln der Medizingeschichte überhaupt. Noch vor 70
Jahren ein dem praktischen Arzt kaum bekanntes Krankheitsbild,
entwickelte
sich
die
Poliomyelitis
parallel
mit
der
Hebung
des
Lebensstandards in den hoch zivilisierten Ländern zur wichtigsten und am
meisten gefürchteten Infektionskrankheit der letzten zwei Dezennien.“
[vgl. Fanconi 1958, S. 65]
11
2. Poliomyelitis
2.1.
Poliomyelitis und ihre Geschichte
Die epidemiologische Geschichte
und Geographie der Poliomyelitis
als
Infektionskrankheit,
beginnt
mit der Zivilisationsentstehung an
den Ufern des Nils im Mittleren
Osten vor etwa 5000 Jahren. Den
wahrscheinlich ältesten Hinweis
auf paralytische Poliomyelitis fand
man
in
Steintafel
Ägypten.
Auf
ist
ägyptischer
Hohepriester
ein
mit
verkürztem
einer
atrophiertem,
Bein
bei
und
Abb. 2: Hohepriester mit Spitzfuß
Spitzfußstellung,
einer
[aus Lehmann-Buri 2004, S. 3]
Opferzeremonie dargestellt (siehe
Abb. 2). Für Jahrhunderte eine
kaum wahrgenommene und unbekannte Viruskrankheit, erreicht die
Poliomyelitis ihren Höhepunkt bei epidemischen Ausbrüchen in den
Jahren 1881 bis 1920 und einer Ausbreitung zur Pandemie in den Jahren
1921 bis 1955. [Smallman-Raynor et al., 2006].
Vom Krankheitsbild der Poliomyelitis wird dann gesprochen, wenn das
Virus über hematogenen oder nervalen Weg das zentrale Nervensystem
erreicht und dort entzündliche Prozesse verursacht. Man unterscheidet
einen aportiven, seichten Verlauf der Infektion, von einem akuten
paralytischen Verlauf. Beim paralytischen Verlauf werden motorische
Neurone, auf spinaler und seltener auf cerebraler Ebene durch infektiösentzündliche Prozesse zerstört. Die Bezeichnungen Poliomyelitis anterior
acuta, Kinderlähmung und akute Poliomyelitis, sind der paralytischen
Verlaufsform vorbehalten.
12
Die Poliomyelitis wird erstmals im 17 Jahrhundert, zu Beginn des
Industriezeitalters, als „Paralysie atrophique graisseuse de l’ enfance“
erwähnt. Die ersten detaillierten Beschreibungen liefern der italienische
Arzt Monteggia (I 1762–1815) und später der Orthopäde Heine (D 1799–
1879). Die beiden Neurologen Romberg und Duchenne (F 1806–1875)
untersuchen die Krankheit auf ihre neurologisch-klinischen Aspekte und
beschreiten mit dem Einsatz von Strom neue diagnostische und
therapeutische Wege. Charcot (F 1825–1893) erhärtet mit seinen
histologischen Untersuchungen den Verdacht, dass sich die Symptome
dieser Erkrankung aus einem Verlust von grauer Substanz in den
Vorderhörnern des Rückenmarks ergeben. Die Abklärung der Krankheit
unter infektiologischen und epidemiologischen Gesichtspunkten, dauert
aufgrund der damaligen medizinischen Erkenntnisse, speziell im Bereich
der Mikrobiologie und Virologie etwas länger. [vgl. Lehmann-Buri 2004, S.
3 f.] 1954 erhaltet das Forschertrio Enders, Robins und Weller den
Nobelpreis für den Nachweis, dass der Poliovirus sich in verschiedenen,
auch
nicht
neuronalen
Strukturen,
vermehren
kann.
[vgl.
Nobel
Foundation 2006; vgl. Howard 2005, S. 1315]
Es gibt drei Serotypen von Polioviren, von denen Typ I am virulentesten ist
und 85% der paralytischen Krankheitsverläufe verursacht. Polioviren sind
kleine hüllenlose RNS Viren und gehören zur Gruppe der Enteroviren,
einem Subtyp, der gegenüber Umwelteinflüssen sehr stabilen Gruppe der
Pocaronaviren. Der Infektionsgipfel befindet sich in den warmen
Jahreszeiten. Das Virus dockt an die Wirtszelle an. Er injiziert ein
viruskodiertes Enzym, das eine Eiweißzerstörende Wirkung hat und die
Translationsfähigkeit der Zelle stoppt. Dies führt nach Ausbeutung der
Wirtszelle als „Virusfabrik“ zum Untergang der Zelle durch Pyknose. [vgl.
Miksits/Hahn 2004, S. 71 ff.; Hahn et al. S. 513]
Die Krankheit wurde Mitte des 19. Jahrhunderts als nosiologische Einheit
erkannt. [vgl. Lehmann-Buri 2004, S. 3 f.] Die Kinderlähmung hat zu
diesem Zeitpunkt, aufgrund der weltweit mehreren Millionen, vorwiegend
jungen Opfer, bereits pandemische Ausmaße. Die Bedrohung durch die
Polioviren wird auch vom damaligen amerikanischen Präsident Franklin D.
Roosevelt (32. Präsident der USA 1933–1945) erkannt, der selbst seit
1921 an den Lähmungsfolgen einer Polioinfektion leidet. Er unterstützt
13
über Initiativen, wie die „National Foundation for Infantile Paralysis“, die
„Warm
Springs
Foundation“
und
die
„March
of
Dimes“,
eine
Wohltätigkeitsvereinigung, die Versorgung von Poliobetroffenen in den
USA und Kanada und treibt die medizinische Forschung auf dem Gebiet
der Virologie und die Entwicklung eines Impfstoffes voran. [ vgl. Halstead
1998, S 36 f.; vgl. Neumann 2004, S. 481 f.; vgl. Hahn et al.2005, S. 512].
Auch
einige
physiotherapeutische
Behandlungskonzepte
stehen
entwicklungsgeschichtlich im Zusammenhang mit der Poliomyelitis.
Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation (PNF) gründet auf der
manuellen therapeutischen Arbeit der Krankenschwester Elisabeth
Kenney mit Opfern der Poliomyelitis-Epidemien, die zu Beginn der 40erJahre in den USA grassieren. [vgl. Junker 2003, S. 34 ff.] In der Zeit von
1916–1955 gibt es in den USA etwa 1,5 Millionen Fälle von akuter
Poliomyelitis [vgl. Neumann 2004, S. 481] mit irreversiblen Lähmungen in
etwa 800.000 Fällen. Der Neurophysiologe Dr. H. Kabat entwickelt,
angeregt
durch
die
Techniken
von
Kenney,
das
Konzept
der
„propriozeptiven Fazilitation“, das er mit der Physiotherapeutin Margaret
Knott, die er 1945 einstellt, weiterentwickelt. [vgl. Junker 2003, S. 34 ff.]
Der Arzt und Physiotherapeut A. Neumann von der Marquett Universität in
Milwaukee (USA) beschreibt in seinem Artikel: “Polio: Its Impact on the
People of the United States and the Emerging Profession of Physical
Therapy”, neben den Auswirkungen der Krankheit, auch den Einfluss der
Poliomyelitis
auf
die
Entwicklung
der
Physiotherapie
und
ihrer
Behandlungskonzepte in den USA. Es wird auf die großen, physischen
und intellektuelle Herausforderungen der Polio-Epidemien, auf die
Physiotherapeuten der damaligen Zeit hingewiesen. Diese müssen sich
erst mit dem Krankheitsbild vertraut machen und ihr therapeutisches
Vorgehen an die Anforderungen der neuen Patienten anpassen. Die
„Krankengymnasten-Ausbildung“ ist damals noch eine rein praktische
Ausbildung
mit
relativ
geringem
theoretischem
Hintergrundwissen.
Neumann [2004, S. 484] weist darauf hin, dass besonders unter dem
Aspekt, der Selbstständigkeit des Patienten und seiner Lebensqualität,
damals wie Heute die Funktionalität und die Kräftigung im Vordergrund
stehen. Durch die neuen Anforderungen des Krankheitsbildes, der damit
verbundenen körperlichen Einschränkungen und der großen Anzahl an
14
Betroffenen wurde die Entwicklung von neuen Behandlungsprinzipien in
der Physiotherapie zwingend notwendig. Neben PNF werden auch
Konzepte aus anderen Bereichen, wie etwa das, aus der Sportmedizin
stammende, die Muskelfunktion verbessernde Konzept des ‘‘progressive
resistance exercise’’ (PRE) von DeLorme (1948) integriert. Dieses
Konzept führt, auch in Verbindung mit der zu dieser Zeit noch jungen
Unterwassertherapie,
zu
Behandlungserfolgen
bei
gelähmten
Poliopatienten. Die ersten Arbeiten über Gang, Gangschulung und
wahrnehmbare Abweichungen vom physiologischen Gangmuster werden
verfasst. Orthopädische Hilfsmittel wie Krücken, Schienen und Rollstühle
werden entwickelt und produziert. Dies führt in den 40ern auch zu
Fortschritten im Bereich der Orthopädietechnik. Die Therapeuten müssen
die Patienten mit ihren neuen Hilfsmitteln vertraut machen und ihnen nicht
nur möglichst ökonomische Variationen von Bewegungen und Transfers,
sondern auch Formen der Fortbewegung beibringen. Man möchte mit den
Patienten ein Maximum an Mobilität und Selbstständigkeit erarbeiten. Es
werden in dieser Zeit die fundamentalen Gangmuster mit Krücken, wie
etwa der Zwei-, Drei-, Vierpunkt und der Schwunggang beschrieben. [vgl.
Neumann 2004, S. 484 f.]
1936 gibt es den ersten Impfstoff, der aber eine hohe Rate an ImpfPoliomyelitis verursacht. [vgl. Lehmann-Buri 2004, S. 4 f.] Nach intensiver
Forschung gelingt es Salk 1955 einen Impfstoff mit formalininaktivierten
Viren zu entwickeln, der per Injektion verabreicht wird. Sabin entwickelt
einen oral zu verabreichenden Lebendimpfstoff der 1961 auf den Markt
kommt. In diesem Impfstoff sind alle drei Wildpolio Virusarten in „inaktiver“
Form enthalten. Durch diese beiden Impfstoffe, die immer noch ein
minimales Infektionsrisiko in sich bergen und die weltweiten Initiativen und
Impfkampagnen, der seit 1948 agierenden Weltgesundheitsorganisation
(WHO), wird die Poliomyelitis in den 70er Jahren in den Industriestaaten
bis auf wenige Fälle stark zurückgedrängt. 1988 macht die WHO die
Ausrottung der Poliomyelitis zu einem ihrer weltweiten Hauptanliegen und
Aufgrund der hohen Durchimfpungsrate sind heute beinahe alle
westlichen Industrieländer als Poliofrei deklariert. Ein ähnlicher Erfolg wird
auch mit etwas Verspätung in den übrigen überwiegend wirtschaftlich
armen Ländern erreicht. In einigen Staaten Afrikas und Asiens, wie
15
etwa in Nigeria und Indien ist die Poliomyelitis aber auch heute noch
präsent und fordert tausende von Opfern. [vgl. WHO 2006] Die letzten
Fälle von paralytischer Poliomyelitis in Europa durch eine Infektion mit
Wildpolioviren (3 Serotypen) ereignen sich 2001 in Bulgarien. Drei
Romakinder aus sozial benachteiligten Umfeldern im Alter zwischen drei
und 26 Monaten erkranken an akuter Poliomyelitis [vgl. Kojouharova et al.
2003, S. 476 ff.] Sie leiden heute noch, falls nicht verstorben, an den
Spätfolgen der Kinderlähmung. Der letzte Fall von akuter Poliomyelitis in
Österreich scheint in der Statistik des Bundesministeriums für Gesundheit
und Frauen (BMGF) [2006] im Jahre 1980 auf. Somit gibt es in Österreich
seit nunmehr sechsundzwanzig Jahren keine Polio-Neuinfektionen mit
akut symptomatischem Verlauf. Insgesamt werden in Österreich in der Zeit
von 1946–1980 offiziell 12.658 Fälle von akuter paralytischer Poliomyelitis
mit einer Letalität von 11.3 % verzeichnet. Den Auflistungen des BMGF
[2006] ist eine Gipfelzeit der Morbidität in der Nachkriegsjahren und ein
deutlicher
Abfall
der
Inzidenz
nach
Einführung
des
oralen
Lebendimpfstoffes 1961 zu entnehmen. Im Jahr 1980, in dem in der
Steiermark (Österreich) der letzte Fall von Poliomyelitis bekannt wird, gibt
es laut WHO [2006] weltweit 52.630 dokumentierte Fälle. Indien ist mit
18.975 Betroffenen das Land mit den meisten Krankheitsfällen. Laut
BMGF [2006, S. 34] treten in Europa manchmal durch Touristen
eingeschleppte Polioinfektionen auf. In den Jahren 1992 und 1993 kommt
es beispielsweise in den Niederlanden zu einer kleinen Polioepidemie mit
68 Erkrankungen, die ungeimpfte Personen betrifft. In der Zeit von ersten
Jänner 1980 bis zum 12.Dezember 2006 werden von der WHO [2006]
weltweit offiziell 528.572 akute Poliofälle dokumentiert, die durch
Wildpolioviren verursacht wurden. Diese Zahlen ergeben sich aus
Erhebungen in weltweit 191 Ländern, wobei sich über 99% der Fälle auf
Schwellenländer und Länder der dritten Welt beschränken. Indien ist mit
fast 300.000 (über 50%) Fällen das Land mit den meisten Polioopfern
weltweit. [vgl. WHO 2006]
Diese Zahlen geben keine Auskunft über die tatsächliche stille
Durchseuchung der Weltbevölkerung mit dem Poliovirus, da über 90% der
Infektionen inapparent verlaufen. [vgl. Hahn et al. 2005, S. 512] Nur 4–8%
aller Infektionen haben einen aportiven Verlauf (minor illness) mit
16
allgemeinen Infektionszeichen, wie Unwohlsein, Durchfall und leichtem
Fieber. Etwa bei 1% aller Infektionen erreicht das Virus über die
Darmbarriere und über die Lymphknoten hämatogen das zentrale
Nervensystem, was auch in diesem Fall meist zu unspezifischen leicht
meningitischen
Krankheitszeichen,
wie
Kopf-,
Nacken-
und
Rückenschmerzen führt. Seltener wandern die Viren über Wunden im
Nasen-Rachenraum axonal direkt in den Hirnstamm ein, wo sie in
wenigen Fällen eine schwere bulbäre Form der akuten Poliomyelitis
verursachen können. Nur 0,1% aller Polio-Virusinfektionen führen nach
den allgemeinen Infektionszeichen und einem einige Tage dauernden
beschwerdefreien Intervall zu einem direkten Befall von Nervenzellen
(major illness). Es kommt zu Entzündungsprozessen in der grauen
Substanz der Vorderhörner und/oder motorischen Kerngebieten im
Hirnstamm. Im akuten Stadium kommt es zu aufsteigenden Lähmungen
unterschiedlicher asymmetrischer Ausprägung, Adynamie und erheblichen
Nervenschmerzen.
Ist
die
Funktion
der
Atemmuskulatur
stark
beeinträchtigt oder sind vegetative, viszeromotorische Bereiche im
Hirnstamm durch den Virus erheblich betroffen (bulbäre/bulpontine Form),
kann es zu einem Atemstillstand kommen. Dies bedeutet für den
Patienten eine Intubation und dauerhafte mechanische Beatmung oder
den Erstickungstod. Patienten mit einem solchen „worst-case-Verlauf“
wurden bis in die späten 60er
Jahre
mit
Hilfe
der
so
genannten „Eisernen Lunge“
beatmet (siehe Abb. 3).
[vgl. Niedersächsisches
Gesundheitsamt 2006]
Polioviren können in seltenen
Fällen
auch
befallen
Probleme
Abb. 3: Kind in der eisernen Lunge
und
das
Myokard
so
kardiale
verursachen.
Herzkreislaufversagen
und
das
der
Aussetzen
Atemfunktion führen zu einer
[aus www.pathmicro.med 12/2006]
17
10%gen Letalitätsrate bei akuter Kinderlähmung. Bei der paralytischen
Verlaufsform der Infektion bleiben bei über 50% der Betroffenen
irreversible Lähmungen zurück, die sich in den meisten Fällen mit
unterschiedlicher Ausprägung und Symmetrie in der unteren Extremität
manifestieren. [vgl. WHO 2006; vgl. Bundesverband Polio e.V. 2006,
Speer/Gahr 2005, S. 459 f.]
Eine teilweise Rückbildung oder ein vollständiges Abklingen des
Lähmungszustandes ist nur möglich, wenn das Motoneuron, oder die von
ihm ausgehenden Fasern nur für eine bestimmte Zeitspanne durch ein
entzündungsbedingtes Ödem komprimiert, das Neuron selbst vom Virus
aber nicht zerstört wurde. [vgl. Krämer/Grifka 2005, S. 124]
Bei einem inapparenten oder aportiven Verlauf und dessen nur leichten
und
kurzfristigen
Symptomen,
kommt
es
nur
selten
zu
Diagnoseerhebungen durch einen Arzt. Vor allem in Ländern, in denen der
Gang zum Arzt nur bei schweren Erkrankungen und lebensbedrohlichen
Zuständen in Erwägung gezogen wird, oder gar keine medizinische
Versorgung mit Laboreinrichtungen im westlichen Format vorliegt, kann
man keine Auskünfte über reelle Infektionsraten geben. Die Mehrzahl
akuter Poliopatienten hat keinen Zugang zu einer medizinischen
Versorgung und Therapieeinrichtungen. Die WHO kann nur einen Anteil
aller akuten Poliofälle dokumentieren. Man geht davon aus, dass die
tatsächliche Anzahl der Polioerkrankten mit Lähmungserscheinungen um
das 5–6-fache höher ist, als jene, die den statistischen Erhebungen der
WHO (2006) zu entnehmen ist. [vgl. Weiss 1997] Dies soll zu keiner Kritik
an der WHO führen, denn ihr ist der weltweit starke Rückgang der
Kinderlähmung in den letzten Jahrzehnten zu verdanken. Vielmehr sei
darauf hingewiesen, dass es kein leichtes Unterfangen ist einen Virus wie
den Poliovirus zu bekämpfen und zu kontrollieren. Dies hängt neben
gesellschaftlichen, auch von politischen Grenzen und der Stabilität
innerhalb eines Landes ab. Besonders in Unruhe und Kriegsgebieten sind
eine
flächendeckende
Durchimpfung
der
Bevölkerung
und
eine
statistische Erhebung der Krankheitsfälle sehr schwierig. Zu Ende dieses
Jahres (2006) berichtet die WHO von weltweit 1791 akuten paralytischen
Erkrankungsfällen. Eine Zahl die zeigt, wie durch weltumspannende
Impfkampagnen der WHO, besonders seit 1988, eine Abnahme der
18
Anzahl von Neuerkrankungen an paralytischer Poliomyelitis erreicht
wurde. Von jährlich weltweit hundert Tausenden paralytischen Opfern bei
Epidemiespitzen in der ersten Hälfte des 19 Jahrhunderts, wurde ein
Rückgang auf knapp 1800 Fälle im Jahr 2006 erreicht. Diese Anzahl zeigt
aber auch, dass das propagierte Ziel der WHO die Welt von Poliomyelitis
zu befreien weder im Jahr 2000 noch im Jahr 2005 erreicht wurde. Ein
Anstieg der Neuerkrankungen kann auch im Vergleich mit dem Jahr 2001
erkannt werden, in dem es weltweit 537 dokumentierte Erkrankungen gab.
[vgl. Hahn et al. 2005, S. 513] Die Tendenz der Erkrankungsfälle zeigt
auch von Seiten der WHO [2006] 2006 vor allem in endemischen Ländern
eine Zunahme der dokumentierten Neuerkrankungen im Vergleich zum
selben Zeitraum des Vorjahres.
2.2. Poliomyelitis und ihre Spätfolgen
Die WHO schätzt die Anzahl der Menschen die an den Spätfolgen der
paralytischen Poliomyelitis leiden weltweit auf über 12 Millionen. [vgl.
Weiss 1997] Nimmt man die, von der WHO über den Zeitraum von
1980–2006 erhobene Zahl von 528.572 paralytischen Fällen und rechnet
man mit einem irreversiblen Zurückbleiben von Lähmungen bei etwa
50–60 % der Fälle, so ergibt dies eine Zahl von weltweit etwa 300.000
Menschen die seit 1980 an den Spätfolgen eine Poliovirus-Infektion mit
paralytischem Verlauf leiden. Geht man aufgrund der Annahme von Weiss
[1997] davon aus, dass die tatsächliche Anzahl der Lähmungsfälle 5–6
mal höher ist als die von der WHO erhobene Zahl, und bezieht man eine
Letalitätsrate von 10% ein, so erhält man in etwa eine Anzahl von 1,6
Millionen vorwiegend jungen Menschen, überwiegend aus wirtschaftlich
benachteiligten
Ländern,
die
seit
1980
an
den
Folgen
einer
Kinderlähmung leiden. Vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern
wie Indien, mit etwa 300.000 paralytischen Fällen [vgl. WHO 2006] im
Zeitraum von 1980–2006, in denen das Umfeld, die Infrastruktur und die
medizinische Versorgung für behinderte Menschen im internationalen
Vergleich gering ist, haben Polioopfer einen schweren Alltag zu
bewältigen. Polioviren können Paralysen und zentralnervöse Läsionen
19
verschiedenster Ausprägung verursachen. Vornehmlich kommt es aber
nach einer Infektion und akut paralytischem Verlauf zu schlaffen
atrophischen Lähmungen der unteren Extremität, da das Virus primär
enterotop wirkt und somit, nach Überwinden der Darmbarriere, eher die
unteren Segmente des Rückenmarks befällt. [vgl. WHO 2006; vgl. Hahn et
al. 2005, S. 513]. Die Sensibilität in den betroffenen Körperabschnitten
bleibt erhalten. Oft besteht eine generelle Überempfindlichkeit in den
gelähmten Körperabschnitten, besonders gegenüber thermischen und
mechanischen Reizen. Schmerzreize werden mit steigernder Tendenz im
Alter mit bis zu doppelter Intensität wahrgenommen. [vgl. Bruno et al
1985b]
Besonders bei sich im Wachstum
befindenden
Kindern
unter
10
Jahren, mit Lähmungen der Beine
nach Polio, kommt in über 95 %
der
Fälle
zu
einer
ungleichen
Ausbildung der unteren Extremität.
Dies
zeigt
sich
Umfangsdefizit
in
einem
und
einem
strukturellem Längendefizit von bis
zu 10 Zentimetern und mehr (siehe
Abb. 4). In über 90% der Fälle sind
sowohl
Abb. 4: Kinderlähmungsopfer mit
Beinlängendifferenz von ~5 cm
als
auch
Tibia
verkürzt. Das durch die Lähmung
stärker betroffene Bein ist meist
das
[Alfred Ellinger 2006]
Femur
Kürzere.
Es
wurden
Zusammenhänge zwischen dem
Ausmaß der Beinverkürzung, dem Erkrankungsalter, sowie dem Grad der
Lähmung beobachtet. Diese Zusammenhänge konnten jedoch nicht
bewiesen werden und auch der genaue Grund für die Beinverkürzung ist
unklar. [vgl. Ratliff 1959, S. 56 ff.] Eine Überlegung wäre, dass durch die
verringerten muskulären Reize und die geringeren axialen Belastungen
auf die Knochen, sowie aufgrund verminderte Durchblutung der Extremität
infolge der Inaktivität, eine unzureichende Trophik der wachsenden
Strukturen
vorliegt.
Auch
ein
nervales
Versorgungsdefizit
auf
20
somatischer und vegetativer Ebene kann Grund für Versorgungsdefizite
sein. Durch die unterschiedliche Länge der Beine wird das Körpergefüge
in seinem Zusammenspiel gestört und Belastungen können nicht mehr in
den
physiologischen
Achsen
der
Gelenke
wirken.
Es
kann
zu
Überlastungen der teilweise schwächer ausgebildeten arthrogenen
Strukturen kommen (Genu recruvatum im Stehen). Häufige Folgen sind
Beckenschiefstand und Verkrümmungen der Wirbelsäule. Skoliosen
können durch asymmetrische Paresen der Bauch und Rumpfmuskulatur
entstehen oder durch diese verstärkt werden. Kontrakturen bei schlaffen
Lähmungen von Muskulatur entstehen durch den Zug der Stärkeren
weniger oder nicht paretischen Antagonisten und den geringeren
Widerstand der schlaffen Agonisten. Dies kann bei Kindern, die sich im
Wachstum befinden und bei denen die Knochen noch keine große
Festigkeit aufweisen, zu starken Fehlstellungen der Gelenke und Knochen
führen. Bei starken Kontrakturen und Fehlstellungen sind meist operative
Eingriffe und orthopädisch invasive Techniken an Sehnen, Knochen und
Gelenken notwendig. Starke Muskelverkürzungen werden häufig mit
Traktion und Sehnenverlängerungen beseitigt und Fehlstellungen der
Extremitäten durch operative Umstellung von Knochen und Gelenken,
sowie
gipsen
in
Korrekturstellung
therapiert.
Um
skoliotische
Veränderungen der Wirbelsäule zu verhindern, legte man Poliopatienten,
besonders
in
früheren
Zeiten,
ein
Gipskorsett
an.
Aber
auch
therapeutische Interventionen hinterlassen Spuren am wachsenden
Skelett. Es kommt bei akuter Poliomyelitis nicht nur zu somatischmotorischen Funktionsverlusten, sondern auch zum Untergang vegetativer
Motorneurone auf spinaler und/oder cerebraler Ebene, die führ die
Steuerung der Eingeweide zuständig sind. Dies führt zum Verlust oder
zum Ungleichgewicht des regulierenden vegetativen Einflusses. So kommt
es neben sympathischer Dysregulation und Vasomotionsstörungen auch
zur Beeinträchtigung von Organen auf parasympathischer Ebene. Bruno
et al [1995] beschreiben eine Häufung von Problemen im Bereich des
Gastrointestinaltraktes bei Polioopfern, die 5–6-mal höher ist als beim
Durchschnitt der Bevölkerung. Sie diskutieren diese Prädestinierung im
Zusammenhang mit einer Schädigung vorderer Anteile des Hypothalamus
und vasomotorischer Zentren im Hirnstamm. Vor allem im Falle der
21
bereits
erwähnten
bulbären
Verlaufsform
können
lebenswichtige
Regelungsprozesse beeinträchtigt werden. Ist eine Läsion der vegetativen
Kreislaufzentren durch den Virus zu groß, kann es zu einem plötzlichen
Versagen der kardiovaskulären Funktionen kommen. [Bruno et al. 1995,
S.
594]
Nach
überstandener
akuter
Polioinfektion,
die
häufig
zentralnervöse Läsionen hinterlässt, verursachen Folgeschäden und
Spätfolgen der Kinderlähmung chronische körperliche Probleme und
beeinträchtigen
die
Einschränkungen
in
Durchblutungsprobleme
Lebensführung
der
und
Mobilität,
ein
der
Betroffenen.
sondern
Kältegefühl
in
Nicht
nur
auch
Schmerzen,
den
paralytischen
Extremitäten erschweren das Leben nach der Poliomyelitis. In manchen
Fällen kommt es nach Jahrzehnten zu einer erneut auftretende
progrediente
Verschlechterung der Symptome, dem so genannte
Postpolio Syndrom (PPS) [vgl. Bundesverband Polio e.V. 2006.] Dies
verringert erneut die Lebensqualität der Betroffenen und stellt sie vor neue
Probleme. Bei der paralytischen Form der Kinderlähmung werden
Motoneurone
zerstört
die
ein
bestimmtes
Myotom
mit
anderen
Motoneuronen des gleichen, oder benachbarten Segments innervieren.
Dadurch müssen jene Neurone die vom Entzündungsprozess verschont
bleiben 5–10-mal mehr motorische Einheiten versorgen. Dieser Aufgabe
sind die Nervenzellen je nach Beanspruchung nur über einen gewissen
Zeitraum gewachsen. Durch einen, einem Verschleißprozess ähnelndem
Vorgang kann es zu einem weiteren Verlust von motorischer Funktion und
einer Schwächung des Gesamtorganismus kommen. Es zeigt sich eine
Verstärkung und Ausweitung von Lähmungen, Schmerzsymptomatiken,
chronischen Müdigkeitssymptomen. Im Dokumentationssystem ICD-9
wurden von 1992 bis 2003 in Österreich 994 Krankenhausaufenthalte mit
der Diagnose ICD-9 138 – Spätfolgen der akuten Poliomyelitis (805
Patientinnen und Patienten) codiert.
2.2.
Die kalten Füße
Bei der Palpation der gelähmten Extremitäten von Poliopatienten fällt
häufig, auch bei relativ warmen Umgebungstemperaturen, eine Kälte
22
auf. Betroffene erzählen von einem quälenden Kältegefühl in den
paralytischen
Gliedmaßen
in
Verbindung
mit
einer
erhöhten
Schmerzsensibilität. Meist sind diese Empfindungen distal an der
Extremität und in den Akren stärker ausgeprägt und konzentrieren sich
mehr auf die schwächere Extremität. Owen (1985) erwähnt, dass 50%
aller Menschen mit Poliofolgen, besonders ältere, eine Kälteintoleranz
aufweisen. Kälte führt bei diesen Personen häufig zu einem gesteigerten
Schmerzempfinden und verursacht bei über 60% der Betroffenen
Muskelschmerzen, und einen Verlust von Muskelkraft. Bei etwa 40%
kommt es zu allgemeinen Ermüdungszuständen durch Kälteeinwirkung.
[vgl. Bruno et al. 1985b] In der geringen Literatur zu dieser Thematik
werden mehrere Mechanismen und Gründe für die Kälte in den gelähmten
Extremitäten genannt. Primär beruhen alle Annahmen auf einer gestörten
vegetativen Regulation des Gefäßtonus und einem, durch das Fehlen der
Muskelvenenpumpe verringerten venösen Rückfluss. Stammers [1954,
S.214] berichtet von Patienten mit peripheren Durchblutungsstörungen
bedingt durch einen Vasospasmus nach akuter Poliomyelitis. Dies ist auf
eine übermäßige Sympathikusaktivität zurückzuführen. Die Patienten
leiden an trophischen Störungen der Haut und besonders in den kalten
Jahreszeiten an unterkühlten Extremitäten. Bei diesen Patienten führte der
Chirurg in vielen Fällen eine partielle Sympathectomy, also eine partielle
Durchtrennung des sympathischen Grenzstranges durch. In den 50er
Jahren gab es noch keine pharmakologische Therapiemöglichkeit um
einen Sympathikotonus zu hemmen. Damit erreicht man für einen
gewissen Zeitraum eine trockene, stärker durchblutete Haut. Ulcera die in
manchen Fällen durch die Minderdurchblutung entstehen, können
verheilen. Durch das invasive Ausschalten des Sympathikus besteht in
den Gefäßen nur mehr ein Basaltonus. Dies führt zu einer Weitstellung
der Gefäße, auch jener in der Peripherie, und damit zu einem Abfall des
peripheren
Widerstandes.
Es
kommt
zu
Veränderungen
der
Blutdrucksituation und der Belastung des kardiovaskulären Systems. Der
Patient empfindet eine momentane Erleichterung, da seine Beine durch
die gefüllten Hautkapillaren eine lebendige Farbe bekommen und sich bei
warmen Umgebungstemperaturen auch relativ warm anfühlen. Einige
Folgen dieser invasiven Therapie sind jedoch ein vermehrtes
23
Versacken des Blutes in die Beinen, eine Neigung zu Ödemen in den
Beinen
und
eine
irreversible
Beeinträchtigung
von
kreislaufregulatorischen, blutdrucksteuernden und thermoregulatorischen,
vegetativen Mechanismen. Damit erreicht der Patient eine ähnliche
vegetative Ausgangslage in den Extremitäten, wie jene Poliopatienten, bei
denen
das
Kältegefühl
auf
eine
verringerte
Sympathikusaktivität
zurückzuführen ist. Bruno et al [1985] erklären, dass durch die
Verminderung sympathischer Neurone im Rahmen der Kinderlähmung
auch die vaskulären Regelmechanismen des vegetativen Nervensystems
beeinträchtigt werden. Eine Vasokonstriktion durch die in der Media
liegenden
Muskelschicht
ist
nicht
mehr
möglich
und
die
Anpassungsfähigkeit der Gefäße an thermische Reize geht verloren. Die
Gefäße verfügen wie im Falle der Sympathectomy nur mehr über einen
abgeschwächten Tonus und sind teilweise permanent dilatiert. Sinkt die
Außentemperatur an der Haut und kontrahieren die kleinen Arterien,
Arteriolen und die präkapillaren Sphinktere nicht reflektorisch, da sie keine
sympathischen Afferenzen bekommen, dann strömt weiter warmes Blut
vom Zentrum in das Kapillargebiet. Dieses Blut wird von den Venen nahe
der Körperoberfläche, die sich durch die Kälte passiv kontrahieren, in das
Kapillargebiet zurück gestaut. Dieses gestaute Blut ist Sauerstoffarm. Es
zeigt sich eine levide Verfärbung der Haut. Zusätzlich ist der venöse
Rückstrom durch die verringerte Muskelvenenpumpe eingeschränkt. Die
Körperwärme, die von den weit gestellten Arterien über das Blut
permanent an die Haut nachgeliefert wird, geht an die Umgebung
verloren. Der Körper kühlt aus und die Strukturen der Extremität sind
durch das zurück gestaute, kalte Blut und die Umgebungstemperatur stark
abgekühlt. Dieser Unterkühlung kann der Organismus durch die
verringerte
Muskelfunktion
nur
unzureichend
mit
Muskelaktivität
entgegenwirken und er produziert Wärme über den Stoffwechsel. Der
Körper verliert Wärme und Energie. [vgl. Bruno et al. 2006] Dies wäre
auch eine Erklärung für die Müdigkeitszustände. Eine Abkühlung der
Extremitäten
und
Energieverlust
kann
nur
durch
entsprechende
Bekleidung, oder eine relativ hohe Umgebungstemperatur (< 30°)
verhindert werden.
24
3. Durchblutung
3.1. Einführung
…die Durchblutung liegt mir am Herzen
durch Sie fließt Leben, Wärme und Leidenschaft…
Im Roche Lexikon für Medizin [5. Auflage 2003] wird die Durchblutung
recht einfach und übersichtlich als die
Leistung des Herz-Kreislauf-
Systems unter der Berücksichtung einer Hand voll physikalischer und
chemischer Einflüsse beschrieben. Legitim für ein Nachschlagewerk, aber
die Durchblutungsregulation des menschlichen Organismus ist auch von
der Funktion anderer komplexer Systeme, wie dem Atmungssystem, dem
Nervensystem, dem endokrinen System und dem Lymphsystem abhängig.
Besonders die neuronale Regulation von Atmung und Kreislauf ist sehr
eng aneinander gekoppelt [vgl. Schmidt/Schaible 2006, S. 170].
Die Durchströmung und ausreichende Versorgung der verschiedenen
Körperabschnitte mit Blut ist ein komplexer physiologischer Prozess, der
von einer Vielzahl verschiedenster anatomischer Strukturen, deren
physiologisch
störungsfreien
Funktionen
und
einem
reibungslosen
Zusammenspiel all dieser Komponenten untereinander, abhängig ist.
Umgekehrt schafft die Durchblutung im Sinne der Energie- und
Sauerstoffversorgung, des Stoffwechsels und der Immunabwehr die
Voraussetzung für die gesunde Funktion aller Organe, Gewebe und
Strukturen im Körper. „Wo Du Heilen willst, dort bringe Blut hin.“ Diesem
Gedanken scheint auch der Körper zu folgen, wenn sich die Durchblutung
bei Entzündungen, Heilungs- und Reparationsprozessen, oder auch im
Rahmen von Immunabwehrreaktionen am Ort des Geschehens erhöht.
Um Durchblutung in ihrer Gesamtheit zu verstehen, ist eine Betrachtung
dieser Thematik unter Einbeziehung verschiedener wissenschaftlicher
Disziplinen notwendig. Die Anatomie und Histologie bringen die
Strukturen, Gewebe und Leitungsbahnen näher, die Durchblutung
ermöglichen.
25
Die Physik gibt uns Auskünfte über die Hämodynamik, Kräfte zur
Aufrechterhaltung der Homöostase und physikalische Größen, die im und
auf das kardiovaskulären System wirken; wie den Gewebsdruck, den
hydrostatische Druck, den kolloidosmotische Druck, die arteriovenöse
Druckdifferenz und den Strömungswiderstand in Gefäßen.
Die Chemie bildet Grundlagen um physiologische Prozesse, synaptische
Informations- und Signalübertragung und die Wirkung von vasoaktiven
Substanzen,
Peptiden
und
Hormonen
auf
das
Gefäßsystem
nachvollziehen zu können.
Die Mechanik gibt vereinfachte Modelle vor, um komplexe physiologische
und
neurovegetative
Regelungsprozesse
und
somit
die
Durchblutungsregulation verstehen zu können.
3.2. Kreislauforgane
Das Blut im Körper, beim Erwachsenen etwa 5–6 Liter, strömt aus den
Ventrikeln durch je eine Arterie in alle Körperabschnitte. Im Herz befinden
sich am Ende der Diastole etwa 7% des Blutvolumens. Das Blut für den
Körperkreislauf, in dem sich etwa 84% des Blutes befinden, wird vom
linken Ventrikel mit einem Druck von etwa 130 mm/Hg und einer
Strömungsgeschwindigkeit von rund 20 cm/s durch die Aorta gepumpt.
Der
rechte
Ventrikel
transportiert
das
Blut
für
den
kleineren,
widerstandsärmeren Lungenkreislauf, in dem sich etwa 9% des gesamten
Blutvolumens befinden, mit einem mittleren Druck von etwa 25 mm/Hg
durch den Truncus pulmonalis. [vgl. Schmidt 2001, S. 205 ff.] Wie die
Wurzeln eines Baumes durchziehen Verzweigungen und Verästelungen
mit immer kleineren Arterien und schließlich Arteriolen die Gewebe und
Organe. [vgl. Lüllman-Rauch, 2003, S. 207 f.] Bei den größeren Arterien
und Venen treten durch die Tunica externa Vasa Vasorum ein, Gefäße für
die Gefäße, die die äußeren Wandschichten versorgen. Alle anderen
kleineren Gefäße werden vom intravasalem Blutstrom versorgt. [vgl.
Fritsch/Kühnel 2003, S. 86] Die terminalen Arterien und Arteriolen werden
auch Widerstandsgefäße genannt. Ihr kleiner Querschnitt und ihre stark
muskuläre
Wandstruktur
bewirken
bis
zu
50%
des
26
Gesamtwiderstandes im Gefäßsystem. Es kommt auf relativ kurzer
Strecke zu einem Druckabfall im Körperkreislauf, von 85 mm Hg zu
Beginn der terminalen Arterien auf 15 mm Hg beim Eintritt in das
Kapillargebiet, welches aufgrund der großen Anzahl an Kapillaren und
deren Kürze, nur zu 25% am gesamten Strömungswiderstand beteiligt ist.
Bis zum arteriellen Abschnitt der Endstrombahn bezeichnet man den
Körperkreislauf auch als Hochdrucksystem (arterielles System), während
der
Lungenkreislauf,
die
Kapillaren
und
das
Venensystem
des
Körperkreislaufs zum Niederdrucksystem gezählt werden, in dem sich
etwa
85%
des
gesamten
Blutvolumens
Füllungsdruck von 6–7 mm Hg
befinden.
Der
mittlere
bei Herzstillstand, auch statischer
Blutdruck genannt, macht ebenfalls deutlich, wie groß der Anteil des
Niederdrucksystems am Kreislaufsystem ist. [vgl. Thews/Vaupel 2005,
S.184
ff.]
Das
Gesamtquerschnitt
Kapillarnetz
als
die
hat
einen
Aorta.
500–800-fach
Dies
größeren
bewirkt
eine
500–800-fach geringere mittlere Strömungsgeschwindigkeit des Blutes in
den Kapillaren (etwa 0,2–0,5 mm/s). Ein Erythrozyt verweilt somit bei einer
durchschnittlichen Länge der Kapillaren von 0,75 mm etwa 1,5 Sekunden
in einer Kapillare. Aufgrund der hohen Permeabilität der Wände von
Kapillaren und postkapillären Venolen reicht die Zeit aus, um vorwiegend
durch Diffusion einen effektiven Stoffaustausch zwischen Interstitium und
dem Kapillarblut zu erwirken. [vgl. Thwes/Vaupel 2005, S. 174]
Nach Austauchprozessen im Kapillargebiet beginnt der Rückweg des
sauerstoffarmen und mit Metaboliten angereicherten Blutes über die
drainierenden Venolen und kleinen Venen, die zu, in ihrem Durchmesser
immer größer werdenden Venen, konvergieren. Aufgrund ihrer hohen
Elastizität bezeichnet man Venen auch als Kapazitätsgefäße. Sie bieten
Speicher- und Kompensationskapazität für den Kreislauf. Bei Verlust von
einem Liter Blut wird das Blutvolumen so umverteilt, dass dem
Hochdrucksystem nur 5 ml seines Volumens fehlen; die restlichen 995 ml
werden von den venösen Kapazitätsgefäßen kompensiert. [vgl. van den
Berg 2000, S. 125 f.] Im rechten Atrium des Herzens münden die V. Cava
inferior et superior aus dem Körpergreislauf, im linken Atrium die Vv.
Pulmonalis des rechten und des linken Lungenflügels. Der größte
Druckabfall im venösen Schenkel liegt beim Durchtritt der V. Cava
27
durch das Zwerchfell. Ausgehend von einem Druck von 12 mm Hg vor
dem Zwerchfell erreicht das Blut den rechten Vorhof mit einem zentralen
Venendruck von nur 3–5 mm Hg. [vgl. van den Berg 2000, S. 126] Die
Vasa Lymphatica, die man als
ein in das Venensystem einspeisende
Rückflusssystem für die interstitiellen lymphpflichtigen Lasten beschreiben
kann [vgl. Kettenhuber, 2005, S. 12 ff.], beginnen blind als im Gewebe
liegende fingerförmige Ausbuchtungen oder Kapillarschlingen. Diese
nehmen die überschüssige Lymphe auf und führen sie über die
Präkollektoren, die epi- und subfaszial verlaufenden Kollektoren und
schließlich über die beiden Hauptlymphstämme den Ductus thoracicus in
den linken- und den Ductus lymphaticus dexter
in den rechten
Venenwinkel.
Abb. 5: Überblick über das kardiovaskuläre Drucksystem
[aus Schmidt 2001, S. 205]
28
3.3.Transportsystem Blutkreislauf
Das Kreislaufsystem ist ein sich schnell anpassendes und konvektives
Transportsystem, das besonders für den O2 und CO2 und den
Stoffwechsel unabdingbar ist. Wie wichtig die Konvektion für die
Versorgung und Homöostase des Organismus ist, soll an folgendem
Beispiel verdeutlicht werden:
Die Zeit für eine Diffusion steigt mit dem Quadrat der Diffusionstrecke an.
Somit beträgt die Diffusionszeit eines Glukosemoleküls durch eine ein µm
Dicke Kapillarwand 0,5 ms, durch eine ein Zentimeter dicke Ventrikelwand
jedoch 15 Stunden. Im Gegensatz dazu, dauert der konvektive
Sauerstofftransport von der Lunge bis in das Bindegewebe der Akren der
unteren Extremität, über das kardiovaskuläre System mit Blut als
strömendem Medium, dem Hämoglobin als Carrier und dem Erythrozyten
als Transportzelle, nicht mehr als 20 sek.
[vgl. Schmidt et al., 2005, S. 604]
3.4. Hämodynamik
Damit sich eine Flüssigkeit in einem geschlossenen Röhrensystem in
Bewegung versetzen kann, müssen unter Berücksichtigung der wirkenden
physikalischen Einflussgrößen in diesem System, treibende Kräfte
bestimmte Widerstände überwinden.
3.5.Treibende Kräfte
3.5.1.Das Herz als Druckpumpe
Im Kreislaufsystem wird das Blut entlang eines Druckgefälles befördert.
Die Systole beginnt mit der isovolumetrischen Kontraktionsphase
(Anspannungsphase)
des
Herzens.
Bei
maximaler
Füllung
und
geschlossenen Semilunarklappen erhöht sich der Druck im Ventrikel
29
durch die einsetzende Kontraktion des Herzmuskels (1. Herzton). Dadurch
schließen
sich
die
Atrioventrikularklappen
und
es
folgt
eine
isovolumetrische Kontraktion der Herzkammern, der Herzmuskel verformt
sich rundlich, wird kleiner, und die Wanddicke des Ventrikels nimmt zu. Es
kommt also in Abhängigkeit von der Wandspannung und des Innenradius
des Ventrikels zu einer Druckanstiegsphase ohne Volumsveränderung. Ist
der diastolische Aortendruck von etwa 80 mm Hg, etwa 10 mm Hg bei der
Arteria pulmonalis, überschritten, öffnen sich Seminularklappen und in der
Austreibungsphase kommt es durch Verkürzung der Herzmuskelfasern zu
einem weiteren Druckanstieg. Es kommt zu einem Volumensauswurf von
60–70 % des enddiastolischen Ventrikelvolumens (Ejaktionsfraktion)
ausgeworfen. Durch diese auxotone Kontraktion nähert sich die
Ventilebene (Klappenebene)
(siehe Abb.6) der unteren
Herzspitze
mit
stempelartigen
einer
Bewegung,
die eine Sogwirkung auf das
Blut
in
den
großen
herznahen Venen ausübt.
Am Ende dieser Phase liegt
der Druck in der Aorta über
Abb. 6: Das Herz
[aus van den Berg 2000, S. 139]
dem Druck in den Ventrikel,
die
Aortenklappe
sich
(2.Herzton)
schließt
und
die
Diastole beginnt. So wird von der Herzmuskelpumpe in Abhängigkeit von
Alter, Leistungsfähigkeit und Kreislaufanforderung ein Schlagvolumen von
etwa 10 ml bei Neugeborenen bis zu 200 ml beim Leistungsmaximum
eines Spitzensportlers in das vaskuläre System ausgeworfen. Dies
entspricht beim Menschen einem Herzzeitvolumenspektrum von etwa
einem Liter bis zu 40 Litern. [vgl. van den Berg 2000, S. 139 ff.]
30
3.5.2.Das Druckgefälle im Gefäßsystem
Im
vaskulären
durchschnittlich
System
96%
kommt
(etwa
es
zu
100–130
einem
mm
Druckgefälle
von
zwischen
dem
Hg)
Druckmaximum beim Austritt des Blutes aus dem linken Vorhof in die
Aorta, bis zum Druck des Blutes in den herznahen Venen (siehe auch
Abb. 5). Dieses Druckgefälle ist die entscheidende Voraussetzung für die
Überwindung des Strömungswiderstandes.
3.5.3.Der venöse Rückfluss
Unterstützt wird der venöse Rückstrom durch den Restdruck des linken
Herzens in den Venen, die Aktionen des rechten Ventrikels und dessen
Ventilebenenmechanismus, durch die Atemexkursion des Thorax, den
Druck-Saugpumpen-Effekt der Inspiration und der Zwerchfellsenkung, den
massierenden Effekt der arteriellen
Pulswelle (Abb. 6) Einen wichtigen
Beitrag zum Rückfluss trägt auch die
Kontraktion der Skelettmuskulatur
bei (Muskelvenenpumpe), die auch
zu einem Abfall des Venendrucks
führt [vgl. Gauer/Thron 1965, S.
2409 ff.] [vgl. Tews/Vaupel 2005, S.
Abb. 7: Rückflussfördernder
184 ff.]. Der venöse Rückfluss kann
Effekt der arteriellen Pulswelle
[aus van den Berg 2000, S. 127]
aufgrund
insuffizienz,
einer
eines
Rechtsherzübermäßigen
Widerstandes, beispielsweise durch eine hohe Spannung des Zwerchfells,
oder das Fehlen der Muskelvenenpumpe beeinträchtigt sein. Dadurch
kommt es zu einem erhöhten Gefäßinnendruck und einen dadurch
erhöhte Filtrationsdruck. Die Folge ist ein übermäßiger Austritt von
Flüssigkeit ins Gewebe. Kann diese aufgrund des Rückstaus (erhöhter
venöser Druck) nicht im ausreichenden Maße rückreapsobiert werden und
ist die Förderkapazität des
Lymphsystems ausgeschöpft, kommt es,
primär in der unteren Extremität, zu Ödembildungen. Stick et al.
31
[Grote/Witzleb (Hrsg.)1987, S. 187 ff.] beschreiben in ihrer Studie: „Über
Einflüsse der Muskelpumpe auf das extravaskuläre Flüssigkeitsvolumen
der
Wade“,
die
Bedeutung
der
„ödemprotektiven
Wirkung“
der
Wadenpumpe in Orthostase. Sie untersuchten über die Messung des
Wadenvolumens und den Verlauf des Venendrucks in der Vena Saphena
magna
bei
Muskelarbeit,
die
drainierenden
Eigenschaften
von
Muskelaktivität auf das interstitielle Flüssigkeitsvolumen der Wade. Es
zeigte eine Tendenz zur Abnahme des Wadenumfangs bei 17-minütiger
Beinarbeit am Fahrradergometer.
3.6. Der Strömung entgegenwirkende Kräfte
3.6.1. Strömungswiderstand
Ohne Herzdruckpumpe gäbe es keine Druckentstehung und ohne
Widerstand könnte kein Blutdruck entstehen.
Der Strömungswiderstand, der dem Blut im Gefäßsystem entgegenwirkt,
ist von der Viskosität des Blutes, sowie der Länge und dem Durchmesser
des Gefäßes abhängig. Da der Energieverlust der Strömungsstärke durch
Reibung umgekehrt proportional der vierten Potenz des Röhrenradius ist
(Hagen-Poiseuille Gesetz), bewirken bereits kleinste Veränderungen im
Röhrendurchmesser starke Änderungen des Strömungswiderstandes.
[vgl. Schmidt 2001, S.208] Da das Gefäßsystem kein Netzwerk aus
starren Röhren ist, trifft die Anwendung des Hagen-Poiseuille Gesetz auf
die Physiologie des Gefäßsystems nicht in jeder Hinsicht zu, erklärt aber,
weshalb sich der Hauptwiderstand im Gefäßsystem im Bereich der
Arteriolen und Kapillaren befindet. [vgl. Schmidt et al. 2005, S. 607].
Aufgrund der Elastizität und der Kontraktionsfähigkeit von Gefäßen, sind
der Strömungswiderstand und somit auch das Stromvolumen für einen
Gefäßabschnitt
nicht
immer
konstant.
Die
Gefäße
werden
bei
zunehmendem transmuralem Druck (Druckdifferenz zwischen Innen- und
Außenseite der Gefäßwand) gedehnt, was zu einem Absinken des
Strömungswiderstandes und einem steilen Anstieg des Stromvolumens
führt. Im Rahmen der Autoregulation der Gefäße kann durch eine
32
rasche Erhöhung des Gefäßinnendrucks und somit auch eines Dehnreizes
auf die Gefäßwand, eine myogene Reaktion der Media als Reizantwort
erfolgen. Die Media kontrahiert sich, wirkt dem erhöhten intravasalen
Druck entgegen und reguliert somit den Blutstrom. [vgl. Schmidt 2001,
S.209] Diese als Bayliss-Effekt bezeichnete Reaktion ist vor allem für die
konstante Durchblutung, der an die terminalen Arterien und Arteriolen
nachgeschalteten Kapillargebiete, von Bedeutung. Besonders ausgeprägt
ist dieser Effekt bei den kleinen Arterien der Niere und des Gehirns, da für
die Funktion dieser Organe eine konstante Durchblutung besonders
wichtig ist. Eine Änderung der Körperposition bewirkt eine entsprechende
Änderung des hydrostatischen Drucks im Kopfbereich. Durch die
myogene Durchblutungsregulation kann die Hirndurchblutung in einem
Bereich von 70 bis 160 mm Hg des arteriellen Drucks weitgehend
konstant gehalten werden. [vgl. Thews/Vaupel 2005, S. 202]
Abb.
8:
Drücke,
mittlere
lineare
Strömungsgeschwindigkeit,
und
Gesamtquerschnitte der verschiedenen Abschnitte des kardiovaskulären
Systems. [aus Thews/Vaupel 2005, S. 190]
33
3.6.2. Die innere Flüssigkeitsreibung
Die innere Flüssigkeitsreibung des Blutes ist durch die Reibung
aneinander vorbei gleitender Flüssigkeitsschichten bedingt. Blut ist ein
heterogenes fluides Medium, mit sich in ihrem Aggregatszustand und ihrer
Größe variierenden Bestandteilen, die unter statischer und dynamischer
Betrachtungsweise
unterschiedliche
Eigenschaften
besitzen.
Die
Viskosität des Blutes hängt von der Viskosität des Blutplasmas und vom
Hämatokritwert, also dem Anteil an Erythrozyten im Blut, ab.
Sie
verändert sich auch mit dem Gefäßdurchmesser, der Fließgeschwindigkeit
und der damit verbundene Schubspannung, der sich gegeneinander
teleskopartig
verschiebenden
Flüssigkeitsschichten.
Bei
starker
Strömungsstärke und hoher Schubspannung nimmt die scheinbare
Viskosität des strömenden Blutes so weit ab, dass sie sich der
Plasmaviskosität annähert und sich wie eine dünnflüssige Emulsion
verhält. Diese Eigenschaft ist auf die Verformbarkeit der Erythrozyten
zurückzuführen
(Glocken-
oder
Tropfenform).
Bei
geringer
Strömungsgeschwindigkeit und herabgesetzter Schubspannung steigt die
scheinbare Viskosität des Blutes an. Dies kommt durch die Neigung zur
Bildung von geldrollenartigen Erythrozytenaggregaten bei niedriger
Strömungsgeschwindigkeit zustande. [vgl. Thews/Vaupel 2005, S.162 f.]
Besonders im venösen System ist die Strömungsgeschwindigkeit gering,
weshalb hier die Wahrscheinlichkeit der Thromben- und Aggregatbildung
erhöht ist.
3.6.3. Die Wandreibung in Gefäßen
Das Blut fließt meist in einer Schichtenströmung (laminare Strömung) mit
einem parabolähnlichem Strömungsprofil, wobei der zu den Gefäßachsen
parallel verlaufende Axialstrom des Blutes schneller ist, als der Randstrom
nahe
der
Gefäßwand.
Wird
eine
kritische
Fließgeschwindigkeit
überschritten, so geht die geordnete laminare Strömung in eine turbulente,
langsamere
Strömung
über,
was
zu
einer
Abflachung
des
Strömungsprofils und Wirbelbildung führt. Für die Höhe dieser
34
kritischen Geschwindigkeit sind die Viskosität und der Durchmesser von
Gefäßen verantwortlich. [vgl. Schmidt 2001, S. 208] Während der
Austreibungsphase wird dieser Wert in den proximalen Abschnitten der
Aorta und der A. pulmonalis um ein vielfaches überschritten, sodass es zu
kurzeitigen Wirbelbildungen im Blutstrom kommt. Bei Stenosen oder
Widerständen im Gefäß, wie Thromben, sowie bei erhöhter Viskosität,
kann es auch in peripheren Arterien zu auskultierbaren, turbulenten
Strömungen kommen. [vgl. Schmidt et al. 2005, S. 607] In Blutgefäßen mit
einem Durchmesser von unter 300 μm bewegen sich Erythrozyten
vorwiegend im schnelleren Axialstrom, sodass im Randbereich der
Gefäße eine gleitfähige Plasmaschicht verbleibt. Die scheinbare Viskosität
des Blutes nimmt bis zu einem Kapillardurchmesser von 4 μm ab und
erreicht nahezu den Plasmawert, danach ist die Flexibilität der
Erythrozyten
ausgeschöpft
und
bei
weiterer
Verringerung
des
Durchmessers steigt die scheinbare Zähigkeit des Blutes wieder steil an.
[vgl. Thews/Vaupel 2005, S. 162 f.] Da sich Gefäße in ihrem Durchmesser
der Kreislaufsituation anpassen müssen, ist deren Compliance in den
unterschiedlichen Abschnitten des Gefäßsystems verschieden und
abhängig von der jeweiligen Wandstruktur, sowie dem auf die Gefäßwand
wirkenden transmuralen Druck. Der transmurale Druck entspricht meist
dem intravasalen Druck, da in den meisten Geweben nur geringe Drücke
vorliegen. Konträr ist die Situation in der Muskulatur, da sich hier durch
Kontraktion der Muskelfasern ein hoher extravasaler Druck aufbaut.
Übertrifft dieser den Gefäßinnendruck, so kommt es zu einem Kollaps des
Gefäßes
und
so
zu
einer
Unterbrechung
der
Durchblutung
im
nachfolgenden Versorgungsgebiet. [vgl. van den Berg et al. 2000, S. 121].
Ist die Compliance von Gefäßen aufgrund von pathologischen Prozessen
oder Läsionen herabgesetzt, so ist meist auch die Funktionsfähigkeit der
Media herabgesetzt. Dieser Verlust der Funktion kann zu irreversiblen
Schäden and der Gefäßstruktur führen, sowie in weiterer Folge die
Funktionsfähigkeit des Herzkreislaufsystems beeinträchtigen.
35
3.7. Mikrozirkulation Organisation und Funktion
3.7.1. Funktionelle Anatomie der terminalen Strombahn
Die Endstrombahn des Gefäßsystems ist für den Stoff-, Flüssigkeits- und
Wärmeaustausch zwischen Blut und Interstitium besonders wichtig. [vgl.
Thews/Vaupel, 2005, S. 174 f.]. Sie wird durch Arteriolen, Metarteriolen,
Kapillaren
(Ø
4–8
μm),
postkapilläre
Venolen,
Venolen,
sowie
arteriovenöse Anastomosen und kleine Lymphgefäße gebildet und fasst
die peripheren Abschnitte des Gefäßsystems zu einer funktionellen Einheit
zusammen. [vgl. Schmidt et al., 2005, S. 619]. Ungefähr 1000 m²
Gesamtfläche
werden
für
Austauschprozesse
im
menschlichen
Organismus durch die etwa 40 Milliarden Kapillaren und die postkapillaren
Venolen zur Verfügung gestellt. Es gibt drei Arten von Kapillaren, die sich
durch die Ultrastruktur ihres Wandaufbaus unterscheiden und dadurch
eine divergente Permeabilität für Stoffe aufweisen. Kapillaren besitzen
keine muskulären Wandelemente, weshalb ihre
Weite durch ihre
Elastizität und den transmuralen Druck bestimmt wird. Somit variiert die
Gefäßweite mit den vorgeschalteten Strömungswiderständen.
Abb. 9: Terminale Strombahn und Verhältnis von Filtration und
Resorption durch die Kapillarmembran bei unterschiedlichem Gefäßtonus
[aus Schmidt 2001, S. 215]
36
Jedes Organ und jede Struktur verfügt über ein, den spezifischen
Erfordernissen entsprechendes terminales Strombahnmuster, das dem
organtypischen Durchblutungsbedarf angepasst ist und die spezifische
Funktion des Organs ermöglicht. Unter Ruhebedingung und in Arbeit, ist
das Kapillargebiet, je nach Durchblutungsbedarf und Beteiligungsprofil des
Organs an einer Aufgabe, unterschiedlich ausgelastet. Im Gehirn und der
Leber kommen Variationen der Kapillarperfusion nur geringfügig vor. Bei
den Funktionen der Skelettmuskulatur spielt dieses Variationsspektrum im
Dienste der Fortbewegung und Thermoregulation eine große Rolle, da
hier der Perfusionsbedarf, je nach Ausmaß der zu erbringender
Muskelleistung,
sehr
unterschiedlich
ist.
Die
Durchblutung
des
Kapillargebiets wird durch das vegetative Nervensystem, die Vasomotion
und kontraktile Muskelringschichten, sogenannte präkapillare Sphinkter an
den Übergängen von den Metarteriolen zu den Kapillaren reguliert. (siehe
Abb. 9) [vgl. Thews/Vaupel 2005, S. 176] Unter Ruhebedingung sind nur
25–35% der Kapillaren durchblutet, was einer Austauschfläche von 300
m² entspricht. In den meisten Fällen stellen Kapillaren keinen direkten
Verbindungsweg
zwischen
Arteriolen
und
Venolen
dar.
Die
Hauptstrombahn wird von den Metarteriolen gebildet, die in die Venolen
münden. Von ihnen wird das arterielle Blut, bei unterbrochener
Kapillardurchblutung, direkt dem venösen System zugeführt und verzweigt
sich nicht in den Kapillarbäumen. [vgl. Schmidt et al. 2005, S. 619 ff.]
Daneben existieren vor allem in der Haut der Extremitäten und der Akren
muskelstarke arteriovenöse Anastomosen (Kurzschlussgefäße) zwischen
kleinen Arterien und Venen, die dort thermoregulatorische Prozessen
dienen. [vgl. Thews/Vaupel 2005, S. 175]
3.7.2. Kräfte und Austauschprozesse in der terminalen Strombahn
Der Anteil des Flüssigkeits- und Stoffaustausches
im Gebiet der
terminalen Gefäße wird beinahe zu 98% durch Diffusion und somit durch
ein Konzentrationsgefälle erreicht. Nur 2–3 % des täglichen Austausches,
bei dem etwa beachtliche 80.000 Liter an Flüssigkeit und bis zu 20 kg
Glucose
verschoben
werden,
wird
durch
den
Filtrations37
Rückresorptions-Prozess erzielt. Bei Letzterem sind hydrostatische und
koloidosmotische Drücke die treibende Kraft. Die Permeation, das
Durchtreten
von
Eiweißmolekülen
durch
große
Poren
der
Kapillarmembran, kommt regional unterschiedlich und physiologisch nur
im geringen Umfang vor. Wie die Diffusion erfolgt sie entlang eines
Konzentrationsgefälles,
in
diesem
Fall
aufgrund
verschiedener
Eiweißkonzentrationen zwischen intravasalem und interstitiellem Raum.
[vgl. Schmidt 2001, S. 216]
Abb. 10: Stofftransport durch Diffusion und Filtration im Bereich der
terminalen Strombahn im Verhältnis zum HZV. [aus Schmidt 2001, S. 216]
3.7.3. Lymphsystem
Die Anzahl der Lymphkapillaren ist mit Ausnahme des ZNS, der Knochen
und der Oberhaut ähnlich groß, wie die der Blutkapillaren. Da die Bilanz
des Filtrationsflusses, im arteriellen Schenkel und des Resorptionsflusses
im venösen Schenkel des Kapillarbetts nicht stimmig ist, müssen etwa
38
10 % (2–4 l/Tag physiologisch) der filtrierten Flüssigkeit mit einem
durchschnittlichen Eiweißgehalt von 20 g/l als Teil der Lymphe über das
Lymphsystem abtransportiert werden. [vgl. Schäffler/Menche 1999, S. 257
f.] Das Lymphsystem hat neben seinen Aufgaben im Rahmen der
Immunabwehr und des Transportes, von über die Darmwand resorbierten
Stoffen, eine wichtige Drainagefunktion. Über den Lymphfluss wird das
interstitielle Flüssigkeitsvolumen und damit auch den hydrostatischen
Druck des Gewebes reguliert. Dieser Funktion ist besonders dann wichtig,
wenn
beim
Flüssigkeitsaustausch
über
die
Blutkapillaren,
die
Filtrationsgeschwindigkeit die Zeit für die Rückresorption übertrifft. [vgl.
Schmidt 2001, S.216] Ist dieses System in seiner Funktion eingeschränkt
oder aufgrund von pathologischen Vorgängen überfordert, kommt es zur
Ödembildung.
3.8. Die Rolle des vegetativen Nervensystems
Abb. 11: schematische Darstellung des Zusammenspiels von Vegetativem
Nervensystem, Gehirn und Organismus. [aus Schmidt/Schaible 2006, S.133]
39
3.8.1. Regelkreise
Regelkreise haben die Aufgabe in einem geschlossenen Wirkungskreis
vorgegebene Regelgrößen mit Fühlern zu überwachen, Störgrößen zu
erkennen und bei der Abweichung von bestimmten Grenzwerten durch
regulierendes und steuerndes Eingreifen eines Reglers, ein Gleichgewicht
oder benötigtes Ungleichgewicht zu erhalten. Regelkreise können
untereinander auf verschiedenste Weise verschalten sein und aufeinander
Einfluss haben. Alle regulativen Prozesse des vegetativen Nervensystems
als sich in Regelkreisen darstellen.
3.8.2. Autonomie der Gefäße
Gefäße besitzen einen Basaltonus, also eine autonome Spannung der
glatten Muskulatur, die bei den Arteriolen und einigen großen Arterien
auch nach Denervation, etwa im Falle einer Querschnittsymptomatik,
erhalten bleibt. Dies gilt vor allem für Organe mit wechselnden
Durchblutungsanforderungen, wie der Skelettmuskulatur. [vgl. Schmidt
2001, S. 217]. Der Ruhetonus eines Gefäßes setzt sich aus dem
Basistonus und dem, durch die Impulse der sympathischen Fasern
getriggerten Tonus in Ruhe, zusammen. In Stresssituationen ist der
Blutdruck
oft
erhöht.
Dies
kann
man
auf
eine
erhöhte
Sympathikusaktivität, die den Tonus in den meisten Gefäßen generell
erhöht, zurückführen.
3.8.3. Vegetative Regulation und Vasomotorik
Somato- und viszerosensible Afferenzen aus der Peripherie und von den
Organen werden im Hinterstrang (aufsteigende Bahnen) und im
Seitenstrang (vegetative Bahnen) des Rückenmarks auf spinaler Ebene
unter Einbeziehung einer oder mehrere Segmente in einem vegetativen
Reflexbogen rückgekoppelt, und/oder gelangen entlang der sensiblen
(aufsteigenden) Nervenbahnen, dem Tractus Spinothalamicus und den
40
Hinterstrangbahnen (Fasciculus Cuneatus und Gracilis), aber auch
entlang
von
Hirnnerven
zu
den
entsprechenden
Umschalt-
und
Verarbeitungszentren (Reglern) des vegetativen Nervensystems.
Afferenzen der sensiblen
aufsteigenden Bahnen
Abb. 12: (A): Afferenzen des Viszeralen-Motor-Systems treffen über
Hirnnerven
und
aufsteigenden
sensiblen
Bahnen
(orange),
(B) Topographie des Solitarischen Traktes mit den Kerngebieten der
viszeralen Sensibilität [aus Hall et al., 2001]
Es gibt aber auch Afferenzen aus über- und untergeordneten Bereichen
des Gehirns, wie dem Hirnstamm, dem limbischen System und dem
Neokortex
und
somit
auch
Verbindungen
zu
den
Arealen
der
Empfindungen, der Emotion, der Vorstellung und des bewussten
Handelns (somatische Funktionen). Das vegetative Nervensystem passt
das Köperinnere und die Leistung der Organe nicht nur über die
Information des Sensiblen Systems dem exogenen und endogenen Milieu
und Einflüssen an, sondern bereitet den Körper und seine Organe und
Gewebe durch viszerale und vegetative Anpassungsvorgänge auf
bewusste
Handlungen
(somatomotorisches
Nervensystem)
und
Geschehnisse vor und begleitet diese. Ein wichtiger Bereich beim
Multitasking des Hypothalamus nimmt dabei die Kontrolle des HerzKreislaufsytems und somit auch die Beeinflussung der Vasomotorik, der
Vasomotion und Durchblutung ein. Feststellbar ist dieser Einfluss bei
41
einem Kurzstreckenläufer, bei dem sich bereits vor dem Start das
Herzzeitvolumen und die Durchblutung der Skelettmuskulatur erhöht. Man
kann sich auch die Veränderung der primären und sekundären
Geschlechtsorgane bei der Ansicht oder Vorstellung eines erregenden
Moments vor Augen halten. [vgl. Schmidt/Schaible 2006, S. 132 ff.] Auch
über humorale Wege und hormonell vermittelt, erreicht Information aus
dem
Körperinneren
die
vegetativen
Bereiche
des
zentralen
Nervensystems und versorgt so das Regelzentrum mit den nötigen
Informationen, Istwerten aber auch allfälligen Störgrößen. Aus den
vegetativen Zentren entspringen die motorischen Efferenzen für die glatte
Muskulatur der Gefäße und Eingeweide. Über die Verbindung von
Hypothalamus zur Hypophyse wird auch das endokrine System reguliert
und Hormone ausgeschüttet. [vgl. Kahle/Frotscher 2002, S. 292] Durch
diese Befehle an Erfolgsorgane in der vegetativen Kette werden die
fundamentalen Funktionen des Kreislaufes und der Atmung, der
Verdauung und Ausscheidung, des Stoffwechsels, der Sekretion, der
Köpertemperatur und der Fortpflanzung kontrolliert und geregelt.
3.8.4. Organisation des Vegetativums unter besonderer Berücksichtigung
der Kreislauf- und Thermoregulationszentren
Abb. 13: Steuerung der spinalen Anteile des vegetativen Nervensystems durch
Kerngebiete im Hirnstamm und der Hypophyse [aus Schmidt 2001, S. 150]
42
3.8.4.1. Der Hypothalamus
Der Hypothalamus, ein Teil des Zwischenhirns, ist das komplexe
Regulations und Rechenzentrum des vegetativen Nervensystems. Er
reguliert das innere Milieu in Anpassung an innere und äußere
Bedürfnisse und Anforderungen. Diese exakte Regulierung geschieht
unbewusst und funktioniert sehr genau und
reflexartig, da das innere
Gleichgewicht nur in sehr engen Grenzen bestehen kann.
Abb. 14: a: Lokalisation des Hypothalamus, b: afferente und efferente
Neuronale und humorale Verbindungen des Hypothalamus
[aus Schmidt/Schaible 2006, S. 173]
Der Hypothalamus nimmt über neuronalen aber auch über humoralen und
hormonellen
Weg
Organfunktionen.
Einfluss
Er
regelt
auf
die
das
Regulation
Endokrine
verschiedener
System
über
Releasinghormone, die über die hypothalamischen Portalgefäße den
Hypophysen Forderlappen zugeführt werden. Dieser sezerniert je nach Art
des Releasinghormons unterschiedliche Hormone in das Blutsystem, die
Organe beeinflussen und die Hormonausschüttung endokriner Drüsen wie
der Nebennierenrinde, der Schilddrüse und der Keimdrüse regeln. Über
spezielle Rezeptoren in Hypothalamusneuronen wirken die Hormone der
endokrinen Drüsen auf die Neurone im Hypothalamus zurück. Somit wird
43
die Konzentration der Hormone im Blut überwacht. Der Hypothalamus
passt den Hormonbedarf an den Organismus an.
Bei längerer
Kältebelastung kommt es zu einer Aktivierung der Schilddrüse und bei
körperlicher und/oder seelischer Belastung zur Ausschüttung von
Glucocorticoiden in der Nebennierenrinde, welche die Widerstandskraft
des Organismus erhöhen. [vgl. Schmidt/Schaible 2006, S. 172 ff.] Der
Sympathikus bewirkt in der Nebennierenrinde beim so genannten Fightand-Flight-Syndrom
Ausschüttung
einen
Adrenalinausstoß,
wiederum
Hypothalamus
zur
über
die
Ausschüttung
der
hormonale
von
bei
längerer
Regulation
Glucocorticoiden
des
führt
(Anpassungssyndrom). Adrenalin wird wie Noradrenalin und Dopamin zu
den Katecholaminen gezählt die vorwiegend sympathisch anregende
Wirkungen
auf
das
Herzkreislaufsystem
haben.
Bei
Herz-
und
Skelettmuskeln, sowie in der Leber wirkt Adrenalin jedoch bis zu einer
gewissen Konzentration vasodilatatorisch. Das im Nucleus Supraopticus
des Hypothalamus produzierte Vasopressin (ADH) erreicht axonal die
Hypophyse und gelangt von dort ins Blut. Es ist von großer Bedeutung für
den Wasserhaushalt des Körpers, wirkt auch in der Niere, wo es neben
Aldosteron die osmotische Rückresorption von Wasser aus dem Harn
ermöglicht
und somit die Anpassung
des
Blutvolumens
an
die
Gefäßkapazität unterstützt. Vasopressin wird als stark blutdrucksteigernde
Substanz auch erfolgreich bei der Reanimation von Patienten mit
Herzkreislaufstillstand eingesetzt. Es wirkt bei hoher Konzentration
vasokonstriktorisch. Im Gehirn- und Koronarkreislauf wirkt es jedoch durch
die
lokale
Freisetzung
eines
Lokalhormons
(EDRF)
aus
dem
Gefäßendothel vasodilatatorisch. Der Endothel Derived Relaxing Faktor
(EDRF) ist auch als Hemmstoff für Thrombozytenadhäsionen bekannt.
[vgl. Schmidt 2001, S. 217 f.]
44
3.8.4.2.Temperaturregulation
a
b
Abb. 15:Überblick Temperaturregulation; a: die wichtigsten beteiligten
Strukturen, [aus Schmidt/Schaible 2006, S. 176] b: Schaltbild der
Temperaturregulation [aus Schmidt 2001,S. 260]
Der Hypothalamus ist auch Ort der Thermoregulation des menschlichen
Organismus. Eine Konstanthaltung der Körpertemperatur in einem relativ
engen Bereich ist Voraussetzung für die Funktion des Organismus.
Bei
warmblütigen
Tieren
muss
man
zwischen
Kern-
und
Schalentemperatur unterscheiden. Die Kerntemperatur ist sehr konstant
während die Schalentemperatur sehr stark mit der Umgebungstemperatur
variiert (siehe Abb. 16).
Abb. 16: Die Körperkerntemperatur in
Abhängigkeit zur Außentemperatur;
gleichwarmer Körperkern in A und B
(dunkelrot); Das Temperaturfeld der
wechselwarmen Körperschale (hell)
hängt
von
der
Außentemperatur
(blau/gelb) und der Wärmebildung
des Körpers ab. Bei kalter Umgebung
verlagert sich die Wärme in die
Körpertiefe.
[aus Schmidt 2001, S. 257]
45
Die Körperinnentemperatur wird über die Produktion und Abgabe von
Wärme
durch
das
vegetative
Nervensystem
eingestellt.
Durch
somatomotorische Aktivitäten wie etwa Muskelzittern kommt es zur
Wärmebildung im Körper. Bei Neugeborenen wird dies auch durch einen
gesteigerten Fettstoffwechsel unter dem Einfluss des vegetativen
Nervensystems erreicht (zitterfreie Thermogenese). Die Wärmeabgabe
wird über das Blut nahe der Körperoberfläche, durch eine erhöhte
Hautdurchblutung und über Schweiß und dessen Verdunstung an der
Hautoberfläche erzielt. In den Fingern etwa kann die Durchblutung in
einem Verhältnis von 1:600 variieren und jeder Liter Schweiß, der an der
Körperoberfläche verdunstet, entzieht dem Körper durchschnittlich 2400
Kilojoule an Wärmeenergie. Im Hypothalamus befinden sich spezialisierte
„Temperaturneurone“, die vor allem einen Anstieg, aber auch einen Abfall
der Kerntemperatur registrieren. Beide Mechanismen der Wärmeabgabe
werden über den Sympathikus geregelt, der sekretionssteigernd auf die
Schweißdrüsen wirkt und eine Veränderung des Gefäßtonus steuert. (vgl.
Schmidt/Schaible 2006, S. 174 ff.] Bei den Blutgefäßen der Haut und des
Gastrointestinaltraktes
bewirkt
eine
Sympathikusstimulation
eine
Konstriktion der Gefäßwand, während er in der Skelettmuskulatur und
beim Herz zu einer Dilatation führt. [vgl. Trepel 2004, S. 278]. Bei dem
Wärmeabgabemechanismus über die Haut werden die sympathischen
viszeromotorischen Neurone gehemmt, die Vasomotoren übermitteln eine
verminderte Impulsrate, was zu einer Weitstellung der Gefäße führt. Das
warme Blut wird nahe zur Körperoberfläche transportiert, wo es durch die
Umgebungstemperatur
und/oder
die
beim
Schwitzen
entstehende
Verdunstungskälte abgekühlt wird. In der Haut sind vor allem die
Kaltsensoren an der Thermoregulation beteiligt, während die kutanen
Warmsensoren
keine
Rolle
im
zentral
gesteuerten
Prozess
der
Temperaturanpassung zu spielen scheinen. [vgl. Schmidt/Schaible 2006,
S. 175]
Kaltsensoren sind zwischen 20°C und 34°C besonders
empfindlich. Wenn die Haut von einer neutral empfundenen Temperatur
ausgehend (~34°C) abgekühlt wird, reagieren die Kaltsensoren mit einem
Anstieg der Entladungsfrequenz. Bei starker Abkühlung wird auf den
"Burstmodus" umgestellt. Aktionspotentiale werden in Gruppen (Bursts)
gefeuert, die durch Perioden ohne Aktivität getrennt sind. Kaltsensoren
46
reagieren auch auf chemische Stimulation mit Menthol. Die Kaltafferenzen
werden reflexartig von vegetativen Neuronen im Hypothalamus mit einer
Erhöhung der sympathischen Impulse der Vasomotoren beantwortet, was
zu einer Vasokonstriktion und somit zu einer Durchblutungsverminderung
in der Haut führt. Der Körper versucht den Verlust von Wärme über das
Blut in der Haut zu verringern. Warmsensoren sind zwischen 37°C und
34°C besonders empfindlich. Sie reagieren auf Erwärmung über die
neutrale Hauttemperatur mit einem Anstieg der Entladungsfrequenz. Bei
Temperaturen
über
45°C
übernehmen
Schmerzrezeptoren
die
Temperaturregistrierung. Capsaicin (scharfer Bestandteil von Chili) erregt
auch die Wärmerezeptoren. Kaltpunkte sind dicht unter der Epidermis,
Warmpunkte in der Lederhaut. Es gibt grundsätzlich mehr Kalt- als
Warmpunkte, die Dichte variiert in den Körperregionen. Axone von
Kaltpunkten sind myelinisiert und leiten deshalb schneller. Bei gleich
bleibender
Temperatur
Dauerentladung.
[vgl.
zeigen
Fain
Warm
2003,
S.
und
56
Kaltrezeptoren
ff.]
Die
so
von
eine
den
Temperaturrezeptoren impulsartig generierten Afferenzen werden einem
Reflexbogen und/oder dem Hypothalamus zugeführt. Dieser erwirkt im
Falle eines drohenden Absinkens der Körperkerntemperatur eine erhöhte
Wärmeproduktion durch Muskelaktivität (Muskelzittern) und bei starker
längerer Abkühlung eine starke Vasokonstriktion in der Peripherie und
eine Verschiebung des Blutvolumens nach zentral. [vgl. Schmidt/Schaible
2006, S. 175 f.]
Die Thermoregulation ist also auch als eine Leistung des Kreislaufsystems
zu
sehen,
was
sich
neuroanatomisch
in
der
Verschaltung
des
Hypothalamus und den Kreislaufzentren im Hirnstamm zeigt.
47
3.8.4.3. Kreislaufregulation
Abb.
17:
Kreislaufzentrum
im
Hirnstamm
mit
den
zuständigen
Nervenkernen und Leitungsbahnen. RVLM = rostrale ventrolaterale
Medulla, NTS = Nucleus tractus solitarii, KVLM = kaudale ventrolaterale
Medulla, E = exitatorische bzw I = inhibatorische Verbindungen.
[aus Thews/Vaupel 2005, S. 218]
Die Kernbereiche im Gehirn, die primär als Kreislaufumschaltzentren
beschrieben werden, finden sich hauptsächlich in Nachbarschaft zum
Atemzentrum in der
Formatio reticularis (Anhäufung von vernetzten
Nervenkernen) des Tegmentums (Haube), dem entwicklungsgeschichtlich
alten Bereich des Hirnstamms. Er erstreckt sich über Medulla oblongata,
Pons und Mesenzephalon und wird in der Höhe von Medulla und Pons
48
vom Kleinhirn überlagert. [vgl. Kahle/Frotscher 2002, S. 132]. Die enge
Verbindung zwischen Atmung und Kreislauf beruht funktionell und
anatomisch auf der Einbindung der Lunge in das Herzkreislaufsystem und
physiologisch
auf
dem
wechselnden
Bedarf
an
Sauerstoff
und
Kohlendioxidabtransport der verschiedenen Organe und Gewebe bei
Ruhe und Aktivität. Das Kreislaufsystem kann in Depressorenzentrum und
Pressorenzentrum unterteilt werden. Das Depressorenzentrum liegt
medialer und kaudaler im Hirnstamm als das Pressorenzentrum; seine
Reizung durch Mechanorezeptoren führt zu einer Verringerung der
Herzleistung und einem Abfall des Blutdrucks durch Vasodilatation. Eine
Reizung des Pressorenzentrums führt zu einer Erhöhung der Herzaktivität
und des Blutdrucks durch Vasokonstriktion. [vgl. Trepel 2004, S. 137]. Die
Mechanorezeptoren (Barorezeptoren) im Herz und den großen Gefäßen
und hoch spezialisierte Chemorezeptoren in der Aorta und den
Bifurkationen der Karotisarterien sind die Fühler die Blutdruckregulation.
Die Nervenendigungen der Barorezeptoren reagieren auf Veränderungen
der Wandspannung von Gefäßen und liefern Informationen über
Herzfrequenz, den Blutdruck und dessen Amplitude. Wirkt auf die
Gefäßwand ein, die Toleranzgrenze der Barosensoren überschreitender
Gefäßinnendruck, kommt es zum sogenannten Pressosensorenreflex
(siehe Abb.17).
Abb. 18: Pressosensorenreflex als Regelkreis [aus Schmidt 2001, S. 219]
Durch
eine
Minderung
des
Sympathikus
und
Steigerung
des
Parasympathikus werden die Herzleistung und der periphere Widerstand
49
verringert und der Blutdruck sinkt. Die wichtigen Efferenzen für die
Blutdruckanpassung haben ihr Innervationsgebiet am Herzen und bei den
kleinen Arterien und Arteriolen. Diese Efferenzen werden kontinuierlich als
Impulse von vegetativen Kernen im Hirnstamm über Rückkoppelung mit
den Afferenzen der Rezeptoren generiert. Sinkt etwa im Rahmen einer
Anpassung
durch
eine
parasympathische
Intervention
aus
dem
Hirnstamm die Impulsrate der parasympathischen Kardiomotoneurone
und/oder erhöht sich die Impulsrate der sympathische Kardioneurone, so
kommt es zu einem Anstieg der Herzfrequenz. Eine Erhöhung der Impulse
von sympathischen Vasomotoren führt zu einer Gefäßverengung und
somit zu Blutdrucksteigerung durch Widerstandserhöhung in den kleinen
Arterien. [vgl. Schmidt/Schaible 2006, S. 167 ff.]
a
Abb. 19: sympathische Innervation eines Gefäßes;
a: Vasokonstriktor projiziert auf seinen Effektor; b: sympathisches
Nervengeflecht
umgibt
das
Gefäß;
c
und
d:
Organisation
der
neuroeffektorischen synaptischen Impulsübertragung
[aus Schmidt/Schaible 2006, S.151]
50
Chemorezeptoren reagieren auf die Partialdrücke von Sauerstoff und
Kohlendioxid und kontrollieren den Atemgasgehalt und sind somit auch
am Säure-Basenhaushalt des Körpers beteiligt. [vgl. Hall et al. 2004]
Ausschlaggebend ist hier der Kohledioxid Partialdruck; übersteigt dieser
einen gewissen Grenzwert, erfolgt von Kernen im Atemzentrum, welche im
Hirnstamm mit dem Kreislaufzentrum korrespondieren, ein Atmungsreiz.
Die Afferenzen aus der Peripherie werden über den Nervus Vagus und
Glossopharyngeus und die sensiblen aufsteigenden Bahnen (somato und
viszerosensibel) im Rückenmark in die dorsolateren Formatio reticularis zu
den Nuclei tractus solitarii
geleitet. Interzerebrale Afferenzen kommen
vom Nucleus paraventricularis hypothalami, vom Amygdalkerngebiet im
Hypothalamus und von der vorderen Großhirnrinde. Die Efferenzen für die
vegetative
Steuerung
von
Herz
und
Blutgefäßen
verlassen
das
Kreislaufzentrum über den Nucleus ambigus und Kerngebiete in der
oberen ventrolateralen und ventromedialen Medulla und ziehen über die
motorische extrapyramidale Bahn zu den Erfolgsorganen. [vgl. van den
Berg et al. 2000 S. 389 ff.]. Im Kreislaufzentrum der Formatio reticularis
kann der Blutruck und die Durchblutung auch autonom und ohne den
Einfluss von übergeordneten Hirnregionen, wie im Fall von psychischer
Erregung, durch den Neokortex und das limbische System, gesteuert
werden.
[vgl.
Schmidt/Schaible
2006,
S.
167]
Die
neuronale
Kreislaufregulation spielt natürlich auch in vielen anderen Bereichen der
Homöostase, der Anpassung, sowie im Bereich der Psychosomatik, der
Verdauung und der Sexualfunktionen eine Rolle. Alle Bereiche stehen in
komplexen Wechselbeziehungen zueinander und beeinflussen sich
verschiedenste Weise untereinander. Ein gutes Beispiel wäre etwa eine
psychogen bedingte Impotenz, bei der es im Rahmen einer Stresssituation
und/oder
psychogenen
Anspannung
zu
einem
Ausbleiben
der
Mehrdurchblutung des Schwellkörpers und somit der Erektion kommt.
51
3.8.4.4. Sympathikus versus Parasympathikus
Abb. 20: Organisation und Versorgungsgebiete von Sympathikus (rot) und
Parasympathikus (grün); postganglionäre Axone sind gepunktete Linien
[aus Schmidt Schaible 2006, S. 136]
Sympathikus und Parasympathikus bewirken je nach Ort und Gewebe
unterschiedliche
Reaktionen.
Dem
sympathischen
Anteil
des
Vegetativums wird eine energiemobilisierende und aktivitätssteigernde
Funktion auf den Körper zugeschrieben während der parasympathische
Anteil
eher
für
Konservierung
und
Wiederaufbau
der
Energien
verantwortlich ist. [vgl. Trepel 2004, S. 277] Sie wirken nicht nur
antagonistisch, sondern auch synergistisch und wechseln in ihrer Präsenz
ab. Dies geschieht durch Ab- und Zunahme der von den vegetativen
Regelzentren generierten Impulse. In einer Stresssituation werden meist
beide aktiviert, was die Erklärung für einen Harndrang bei Aufregung und
Magenbeschwerden bei häufiger Unruhe sein kann. Die beiden Bereiche
des vegetativen Nervensystems unterscheiden sich primär aufgrund ihrer
anatomischen Topographie und der Transmitter die sie im Erfolgsorgan
ausschütten.
Das
schwerpunktmäßige
Innervationsgebiet
der
52
parasympathischen Fasern sind die Eingeweide von Kopf, Brust,
Abdomen und Becken, während sich die sympathischen Fasern durch alle
Körperabschnitte ziehen und auch die Extremitäten versorgen. Das
Leitungssystem des Sympathikus weist eine thorakolumbale Verteilung
der ersten Neurone auf (Rückenmarksegmente Th1–L2), wobei die
meisten Neurone in der paravertebralen Ganglienkette auf das zweite
Neuron verschalten werden. Die ersten Neurone des Parasympathikus
sind craniosacral organisiert und werden in Ganglien nahe dem
Erfolgsorgan oder in der Wand des Erfolgsorgans, selbst verschalten.
Physiologisch bewirkt eine Aktivierung des Parasympathikus meist eine
sehr selektive und auf einzelne Organe bezogene Wirkung. Der
Sympathikus hingegen wirkt meist umfassender und im Bezug auf
mehrere Systeme. Ein gutes Beispiel für diesen Unterschied ist die
selektive, parasympathisch bedingte Steigerung der Magenperistaltik, im
Gegensatz zu einer Schrecksituation, bei der es zu einer Vielzahl von,
durch den Sympathikus gesteuerten, Reaktionen kommt. Während beide
Systeme bei der synaptischen Verschaltung des ersten Neurons
Acethylcholin
als
Neurotransmitter
verwenden,
ist
das
zweite
sympathische Neuron noradrenerg und das zweite parasympathische
Neuron cholinerg. Ob nun eine sympathische Synapse an einem glatten
Muskel hemmend oder erregend wirkt, hängt von der ausgeschütteten
Transmittersubstanz ab und entscheidet sich am postsynaptischen
Rezeptor der Muskelzelle. Es existieren Alpha- und Beta- Rezeptoren die
sich noch weiter unterteilen lassen. Dabei hat etwa die Stimulation von
Alpharezeptoren durch einen Transmitter eine erregende und die von
Betarezeptoren eine hemmende Wirkung. Es hängt letzt endlich von der
Mengenverteilung der unterschiedlichen Rezeptoren in der glatten
Muskulatur ab ob es zu einer Tonussenkung oder -erhöhung kommt. Beim
Parasympathikus liegt eine ähnliche Situation vor. Hier ist es jedoch die
Art des vorherrschenden choilnergen m-Rezeptors die ausschlaggebend
selektive Struktur. Die sympathische Innervation von Schweißdrüsen stellt
insofern eine Ausnahme dar, als dass die sonst noadrenergen
sympathischen Fasern des zweiten sympathischen Neurons, wie auch das
zweite
parasympathische
Neuron
Acethylcholin
als
Hauptüberträgersubstanz verwenden. [vgl. Trepel 2004, S. 278 ff.]
53
Abb. 21: (A): Organisation des Sympathikus auf spinaler Ebene
(B): Topographie der sympathischen Neurone im Rückenmark
[aus Hall et al. 2001]
54
Abb. 22: (A): parasympathische Kerngebiete im Hirnstamm
(B): Topographie der parasympathischen Kerne im Hirnstamm
(C): Organisation des Parasympathikus auf spinale Ebene
(D): Topographie der parasympathischen Neurone im
Rückenmark
[aus Hall et al. 2001]
55
Abb. 23: Sympathikus und Parasympathikus: Versorgungsgebiete
[aus Hall et al. 2001]
56
3.8.5. Zusammenfassung der Mechanismen der Durchblutungsregulation
Abb. 24: a: Tonusregulation der Widerstandsgefäße; b: Blutdruck in
Abhängigkeit zum Tonus der Widerstandsgefäße;
[aus van den Berg 2000, S. 130]
3.8.5.1. Kreislaufregulation
a) kurzfristige Mechanismen
Kreislaufreflexe die als Regelkreise verschalten sind, ermöglichen
Blutdruckanpassung im Sekundenbereich. Kreislaufreflexe werden von
den folgenden Sensoren ausgelöst:
•
Barosensoren
im
Aortenbogen
und
Karotissinus:
Ihre Erregung führt zur Hemmung des Sympathikus und Aktivierung
des Parasympathikus. Sie ermöglichen eine Anpassung der
Herzleistung und des Blutdrucks.
•
Volumendehnungsrezeptoren in den Vorhöfen und großen Venen:
57
Sie erfassen den zentralen Venendruck und korrigieren denselben,
falls
erforderlich,
über
vegetative
Tonusveränderung
der
Skelettmuskelgefäße.
•
Dehnungsrezeptoren in den Ventrikeln:
Sie wirken reflektorisch über den Nervus Vagus hemmend auf die
Schlagkraft
des
Herzens
(negativ
ionotrop).
Bei
einem
Herzversagen werden die Blutgefäße erweitert. Hierdurch wird eine
Senkung der Herzfrequenz (Bradykardie) und eine Verringerung
des Blutdruckes erreicht.
•
Chemosensoren in der Aorta und den Carotiden:
Sie messen Hypoxie, Hyperkapnie, und Azidose und sind
hauptsächlich für die Atemregulation verantwortlich.
•
Chemosensoren im verlängerten Rückenmark:
bei starker Hypoxie wird über diese Sensoren eine extrem
Sympathikusaktivität eingeleitet um eine Minderversorgung des
Gehirns zu verhindern.
b) mittelfristige Mechanismen
Die mittelfristigen Mechanismen wirken im Verlauf von Minuten
transkapilläre
Verschiebung
von
Volumen:
Verschiebung
von
Flüssigkeitsvolumen über Änderung des effektiven Filtrationsdrucks in
der terminalen Strombahn.
•
Stressrelaxation von venösen Gefäßen (delayed compliance):
Nach rascher Füllung oder Entleerung von Venen wird die
Dehnungsfähigkeit langsam angepasst, damit sich der intravasale
Druck nach großer Volumenänderung wieder dem Ausgangswert
nähern kann.
58
•
Renin-Angiotensin-System:
Bei
einer
Minderdurchblutung
der
Niere
wird
durch
die
Barorezeptoren ein Gefäßreflex ausgelöst und es wird lokal Renin
freigesetzt (Juxtaglomerulärer Apparat). Renin wird enzymatisch zu
Angiotensin II überführt, welches lokal stark vasokonstriktorisch
wirkt, den Sympathikus aktiviert und die Sekretion von Aldosteron
triggert.
c) langfristige Mechanismen
Langfristige Mechanismen der Kreislaufregulation beziehen sich
vorwiegend auf die Anpassung des extrazellulären und intravasalen
Volumens.
•
Renales Volumenregulationssystem:
arterielle Hypertonie führt zu erhöhter Harnausscheidung und somit
zur Senkung des Venendrucks. Dadurch kommt es zur Minderung
des
Herzzeitvolumens
und
des
Blutdrucks
und
zu
einer
verminderten Diurese.
•
Adiuretin-System:
Die
Wirkung
des
Vasopressin
ist
Teil
des
Renalen
Volumenregulationssystem.
•
Aldosteronsystem:
Aldosteron erhöht die tubuläre Resorption von Kochsalz und
Wasser.
59
3.8.5.2. lokale Durchblutungsregulation
Gefäßtonus und seine lokalen Faktoren:
•
Temperatur:
Verschieden Temperaturen führen zur Durchblutungsanpassung
der Haut im Rahmen der Thermoregulation
•
Transmuraler Druck:
Bei hohem externem Druck auf die Gefäßwand kommt es zu einem
Anstieg des intravasalen Drucks und damit des Blutdrucks. Das
Gefäß weitet sich je nach Ausmaß seiner Elastizität in Abhängigkeit
zum transmuralen Druck. Bei einigen Gefäßen führt dieser
Dehneffekt zu einem reaktiven Tonusanstieg (Bayliss-Effekt). Durch
starken mechanischen Druck auf
Gefäße über einen längeren
Zeitraum kann es zu ischämischen Versorgungsdefiziten in
Geweben und wie vom Dekubitus bekannt, auch zu einer
Gewebsschädigung kommen.
•
Lokale Metaboliten:
Die Anhäufung von verschiedenen
Stoffwechselprodukten in
Geweben, wie etwa von Kohlendioxid oder Milchsäure, führt zu
einer
lokalen
metabolischen
Vasodilatation.
Die
Stoffwechselprodukte koppeln an einen Rezeptor am Endothel der
Gefäße,
wodurch
Lokalhormone
mit
vasodilatatorischen
Eigenschaften freigesetzt werden. Eine Reaktive Hyperämie nach
Unterbrechung der Blutzufuhr ist auf diesen Effekt zurückzuführen.
•
Lokalhormone: Dazu zählen vasoaktive Stoffe die lokal produziert
und freigegeben werden. In der Folge werden die wichtigsten
beschrieben.
Histamin: Histamin ist ein wichtiger Entzündungsmediator der
hauptsächlich
durch
Immunglobulin
und
andere
60
Histaminliberatoren von Mastzellen freigesetzt wird. Es wird in der
Epidermis, der Magenschleimhaut und in Nervenzellen synthetisiert
und über Vesikel aus der Mastzelle dem Gewebe zugeführt.
Histamin,
ein
vasoaktives
biogenes
Amin,
bewirkt
durch
Stimulierung der ihm zugeordneten H1- und H2-Rezeptoren
unterschiedliche Reaktionen. So induziert es an Gefäßen mit einem
Durchmesser
unter
80
μm
(Arteriolen
und
Venolen)
eine
Vasodilatation (H1-Rezeptor-Subtyp), bei einem Gefäßdurchmesser
größer als 80 μm (Arterien und Venen) eine Vasokonstriktion (H2Rezeptor-Subtyp). Die Erregung von H1-Rezeptoren an den
Endothelzellen hat des Weiteren eine Endothel-„Kontraktion“, eine
Permeabilitätserhöhung und die Freisetzung von EDRF und somit
eine Gefäßdilatation zur Folge.
Bradykinin: Ist wie das Histamin als Entzündungsmediator bekannt
und hat neben seinem vasodilatierenden und permiabilitätssteigernden Effekt auf Gefäße, auch konstriktorische Wirkung auf
die Bronchien, den Darm und den Uterus.
Eikosanoide:
Sie
wirken
als
Immunmodulatoren,
intra-
und
extrazelluläre Signalstoffe und Neurotransmitter, und sind an,
Allergien, entzündlichen Prozessen, Fieber, Schmerz, und der
Blutgerinnung beteilig. Sie können von jeder Zelle produziert
werden und sind Produkte des Stoffwechsels von mehrfach
ungesättigten
Omega-Fettsäuren.
Zu
ihnen
zählen
die
Prostaglandine (E und F Serie), Prostacyclin, Thromboxane und
Leukotriene. Prostaglandin aus der F Serie sowie Thromboxan A2
und Leukotriene wirken vasokonstriktorisch. Prostaglandine aus der
Serie E und Prostacyclin wirken vasodilatorisch.
Endothel Derived Relaxing Faktor (EDRF) und Endothel Derived
Hyperpolarizing Faktor (EDHF): Dies sind Lokalhormone, die durch
die Aktivierung anderer Substanzen, wie Stoffwechselprodukte und
Neurotransmitter im Gefäßendothel synthetisiert und freigesetzt
werden. Sie diffundieren direkt in die Muskelzellen der Media und
61
bewirken
dort
eine
starken
Dilatation
und
eine
Permeabilitätssteigerung. Der Endothel Derived Hyperpolarizing
Faktor ist primär in Koronargefäßen und im Mesenterium von
Bedeutung.
Endothelin: ist ein
Peptid, das seine Wirkung an den glatten
Muskelzellen der Gefäße und des Gastrointestinaltraktes entfaltet.
Es wird von Endothelzellen der Arterien, aber auch von anderen
Zellen gebildet. Als vasoaktive Substanz ist es ein Bestandteil der
Kreislaufregulation und ein hochwirksamer Vasokonstriktor. Es
spielt
wahrscheinlich
eine
Rolle
bei
der
Pathogenese
der
Hypertonie. Es hat eine gefäßverengende und damit eine Blutdrucksteigernde Wirkung, die einhundertmal höher ist als die des
Noradrenalins. [vgl. Roche Lexikon der Medizin]
Abb. 25:
[aus Thews/Vaupel 2005, S. 199]
62
3.8.5.3. Nervale Regulation des Gefäßtonus
Die nervale Regulation der Gefäße dient vorwiegend überregionalen,
gesamtregulatorischen
Aufgaben.
Zusammenstellung
der
Im
Folgenden
eine
unterschiedlichen
kurze
vegetativen
Leitungsqualitäten und deren Wirkung auf die Durchblutung.
•
Sympathisch-vasokonstriktorisch: Die sympathischen Efferenzen
sind die wichtigsten Informationen im Sinne der Kreislaufregulation.
Noradrenalin und die Kotransmitter ATP und das Neuropeptid Y
sind hier Überträgerstoffe, die postsynaptisch an α-Rezeptoren
binden. Eine Entladungsfrequenz der Synapsen von ein bis drei
Impulsen/sek. führt zu dem über den Basistonus hinausgehenden
Ruhetonus von Gefäßen. Bei 8-10 Impulsen/sek. wird die maximal
durch Vasomotoren provozierbare neuronale Vasokonstriktion
erreicht. Eine Vasodilatation wird durch Nachlassen der Impulsrate
erreicht.
•
sympathisch-vasodilatorisch: Diese vegetative Wirkung, die eine
Herabsetzung des Gefäßtonus unter den Basistonus bewirkt, ist
bisher nur in der Skelettmuskulatur von Karnivoren (Hunde und
Katzen) nachgewiesen worden. Sie wird beim Abwehrverhalten der
Tiere aktiviert und führt zu einer starken Durchblutung der
Skelettmuskulatur. Überträgerstoff ist hier, wie bei der synaptischen
Übertragung der parasympathischen, sudomotorischen Neurone,
Acethylcholin, das an m-Rezeptoren (muskarinerge) bindet. Diese
m- Rezeptoren können durch Atropin blockiert werden, weshalb
Atropin
in
der
Medizin
häufig
eingesetzt
wird
um
den
Parasympathikus zu blockieren.
•
Parasympathisch-vasodilatatorisch:
Diese
Leitungsqualität
ist
vorwiegend am Ruhetonus von Gefäßen beteiligt und kommt nicht
in allen Organen vor. Bekannt ist diese Art von Vasodilatation bei
zerebralen
und
koronaren
Arterien
und
Arteriolen,
der
Speicheldrüse, beim exokrinen Pankreas, der Mukosa von
63
Magen und Darm und bei genitalem erektilem Gewebe. Primärer
Überträgerstoff ist hier das Acethylcholin das an m-Rezeptoren
bindet.
•
sensorisch-efferent: Laut Frau Univ. Prof. Dr. Michaela Kress vom
Institut für Physiologie der medizinischen Universität Innsbruck ist
die lokale Durchblutungssteigerung und die Rötung der Haut nach
einem
mechanischen
Reiz,
wie
er
etwa
bei
der
Bindegewebsmassage eingesetzt wird, auf einen Axonreflex der
Nozirezeptoren (Schmerzrezeptoren) in der Haut zurückzuführen.
Als Axonreflex bezeichnet man die von einem Axon über dessen
Kollateralen
ausgelösten
Reaktionen
ohne
synaptische
Impulsübertragung. Somit ist ein Axonreflex kein Reflex im engeren
Sinn. [vgl. Roche Lexikon der Medizin 2003]
Abb. 26: Axonreflex [aus Roche Lexikon der Medizin 2003]
Diese rückläufige (antidrome) Erregung von Axonkollateralen,
durch die, bei einem Reiz aktivierten afferenten C-Fasern des
Axons, führt an den synaptischen Kollateralendigungen zu einer
Freisetzung von Neuropeptiden wie der Substanz P und dem
„Calcitonine Genrelated Peptide“ (CGRP). Diese Neuropeptide
werden auch durch thermische, elektrische und chemische Reize,
sowie UV Strahlung ausgeschüttet. Haupteigenschaften dieser
Neuropeptide
sind
Vasodilatation,
Permiabilitätssteigerung,
Plasmaextravasation (Ödem) und dadurch auch Ausschleusung
von Entzündungszellen ins Gewebe. [vgl. Saloga et al 2006, S. 58]
64
Die physiologische Bedeutung der so entstehenden neurogenen
Entzündung ist die Auslösung einer lokalen Abwehrreaktion auf
schädliche Reize, wie etwa eine schnelle Beseitigung von
eingedrungenen
Fremdsubstanzen
und
Beschleunigung
der
Wundheilung. (vgl. Zimmermann 2004, S. 515). Die Hyperämie bei
der neurogenen Entzündung entsteht durch Vasodilatation von
Arteriolen und wird durch das CGRP vermittelt, das Austreten von
Proteinen
in
das
Interstitium
geschieht
hingegen
an
den
postkapillären Venolen und wird primär von der Substanz P
hervorgerufen. Die erste Phase der Extravasation wird durch die
Wirkung von Substanz P ausgelöst. In der späten Phase werden
auch andere freigesetzte Mediatoren wie Serotonin, Histamin,
Prostaglandine,
Leukotriene
und
andere
Mastzellmediatoren
wirksam(Holzer, 1992; Brain, 1997). [vgl. Tsalik 2006, S. 14 f.]
Neuropeptide spielen auch eine Rolle bei der Bronchiomotorik.
Substanz P wird, wie Immunglobulin E (hautsensibilisierender
Antikörper), zu den Histaminliberatoren gezählt und triggert auch
die
Prostaglandinauschüttung
und
EDRF-Freisetzung
im
Gefäßendothel. Substanz P wurde im Zellkörper markloser,
afferenter Neurone gefunden und kann nach axonalem Transport
sowohl an der zentralen als auch an der peripheren Endigung
freigesetzt werden. [vgl. Hirner 2006]
Dermographismus
Der Dermographismus („Hautschrift“), die lokale Verfärbung der
Haut auf einen mechanischen Reiz ist ein Ausdruck des
Axonreflexes, der, wenngleich ein lokaler Prozess, auch von der
vegetativen Ausgangslage in den Gefäßen und im Hautgewebe
abhängig ist. [vgl. Roche Lexikon der Medizin 2003] Auch bei
Pathologien
oder
trophischen
Unregelmäßigkeiten
dieser
Strukturen, kann sich die reaktive Hautzeichnung verschieden
repräsentieren. Dies zeigt sich in der Verzögerung des Eintretens
und der unterschiedlichen Ausdehnung und Qualität der Rötung,
65
aber auch in der Farbe des Dermographismus. Somit bietet die
Interpretation der Hautschrift Möglichkeiten der Diagnose. Der rote
Dermographismus
(Dermographia
rubra
oder
erythematosa)
entsteht infolge einer Gefäßweitstellung durch Ausschüttung
vasoaktiver Mediatoren und Neuropeptide und führt damit zu einer
kutanen Hyperämie. Diese Rötung beruht auf einer „tripple
response“ (vgl. Lewis 1927). Diese Dreifachantwort besteht aus
einer Rötung an der Reizstelle, einem Reflexerythem, das sich über
die Reizstelle ausdehnt (flare response) und einem Ödem durch
Plasmaextravasation.
Der weiße Dermographismus bei einem
Druckstrich
Haut,
auf
der
den
man
bei
Neurodermitikern
beobachten kann, ergibt sich aus einer paradoxen Gefäßreaktion.
Er ist auf eine Vasokonstriktion oder auf die Ausbildung eines
perivaskulären
Kompression
Ödems,
der
welches
Gefäße
die
durch
eine
Hautdurchblutung
mechanische
vermindert,
zurückzuführen. [vgl. Edusei 2006, S. 71 f.]
Kapitel 3.8.5, 3.8.5.1, 3.8.5.2, 3.8.5.1 [vgl. Schmidt 2001, S. 217 ff.]
3.9. Regulation des Blutflusses bei körperlicher Leistung
Hier sei wiederum auf die gegenseitige Abhängigkeit von Atmungs- und
Kreislaufkoordination hingewiesen. Atmung ist ein zentraler Rhythmus im
Körper. Er besteht aus Inspiration, Postinspiration, Exspiration und
expiratorischer Pause. Dieser Atemzyklus wird im respiratorischen
Hirnstammzentrum erzeugt. Durch das benachbarte Kreislaufzentrum wird
der individuelle Sauerstoffbedarf der Körperabschnitte erhoben, und über
die synaptische Verknüpfung mit den Kerngebieten des Atemzentrums
wird die Atmungsfrequenz für den Gastransport angeglichen. Unter Arbeit
wird die Durchblutung dem Bedarf der unterschiedlichen Strukturen
angepasst. In Ruhe wird das Herzzeitvolumen etwa folgendermaßen
Aufgeteilt: 20% Skelettmuskulatur, 50% Viszeralbereich (incl. Nieren),
15% Gehirn, 5% Koronarkreislauf, 10% Haut.
66
Anpassungen der Blutverteilung bei Muskelarbeit:
•
Das Herzzeitvolumen erhöht sich bis zum 5-fachen
•
Die Durchblutung im viszeralen Bereich nimmt ab.
•
Die Koronardurchblutung nimmt bis um das 4-fache zu
•
Der Blutfluss in der Skelettmuskulatur nimmt bis zum 20-fachen zu
Mann weiß bis zum heutigen Tage nicht ganz genau wie diese
Anpassungsreaktionen zustande kommen. Mann geht aber von einer
Verschaltung von Herzkreislauf-, Atmungs- und somatomotorischem
Zentrum aus, wobei die somatischen Efferenzen aus dem Kortex ebenso
eine Rolle spielen wie Afferenzen aus den Muskeln, die Rückmeldungen
über die metabolischen Veränderungen im Muskel bei Leistung geben.
[vgl. Schmidt/Schaible 2006, S 170 ff.]
Abb. 27: a: Gegenüberstellung Ruhedurchblutung maximale Durchblutung
b: Blutbedarf verschiedener Organ bei Ruhe und Arbeit
[aus van den Berg 2000, S. 129]
67
3.10. Orthostatische Durchblutungsanpassung
Der sogenannte Pressosensorenreflex
wird bei der Orthostasereaktion, also
beim Wechsel vom Liegen zum Stehen,
wirksam.
Das
Gefäßsystem
ist
ein
geschlossenes System. Im Liegen sind
die hydrostatischen Drücke auf das
Kreislaufsystem
vernachlässigbar.
Im
Stehen ist der Gefäßdruck in den Beinen
höher als in Rumpf und Kopf. Der
transmurale Druck in den Gefäßen der
unteren Extremität nimmt zu und 400–
a
600 ml Blut versacken in den Beinvenen.
Etwa
2–4
Zwerchfells
Finger
liegt
unterhalb
die
des
hydrostatische
Indefferenzebene (siehe Abb. a) in der
sich der Druck bei Lagewechsel nicht
ändert. Oberhalb dieser Ebene ist im
Thorax und im Kopf der Druck im Stehen
geringer als im Liegen. Beim Übergang
vom Liegen ins Stehen kommt es zu
einer Verzögerung des Abtransportes
des Blutes aus der unteren Extremität.
Dadurch nimmt das Blutvolumen im
venösen Kapazitätssystem der Beine zu.
Aufgrund
des
verminderten
venösen
Rückstroms zum Herzen kommt es zu
b
Abb. 28: a: Einfluss der Gravitation
auf die Gefäßdrücke;
b: orthostatische Kreislaufanpassung
[aus Schmidt 2001, S. 214]
einer geringeren diastolischen Füllung
der
Ventrikel,
einem
verminderten
Schlagvolumen
und
geringerer
Blutdruckentwicklung.
verminderten
Wegen
des
Schlagvolumens,
einem
geringeren arteriellen Druckanstieg in
68
der Auswurfphase und folglich auch einem Abfall der Wandspannung im
Karotissinus. Es sinkt die Entladungsrate, der im Karotissinus liegenden
Dehnungsrezeptoren und es kommt zum so genannten DifferentialVerhalten der Barorezeptoren. Bei noch gleicher Herzfrequenz sinkt das
Herzzeitvolumen, was bei noch gleichem peripherem Widerstand einen
Abfall des Blutdrucks im arteriellen System zur Folge hat. Dies verringert
die Entladungsrate der Barorezeptoren ebenfalls (Proportional-Verhalten
der Barorezeptoren). Durch die verringerte Entladungsrate und somit
einen veränderte Istwert-Information an das Kreislaufregelsystem im
Hirnstamm wird eine Sympathikusaktivierung bei gleichzeitiger Hemmung
der parasympathischen Vagusaktivität ausgelöst. So wird zunächst die
Herzfrequenz um ca. 20% gesteigert und der Gefäßwiderstand durch
Vasokonstriktion nimmt zu. Dieser orthostatische Reflex ist individuell sehr
unterschiedlich ausgeprägt. Bei manchen Menschen, die häufig auch
hypotone Blutdruckwerte aufweisen, reichen diese Mechanismen nicht zur
Aufrechterhaltung
einer
ausreichenden
Kreislauffunktion
bei
der
Orthostasereaktion aus. Klinisch bedeutsam ist die orthostatische
Hypotonie,
die
Unfähigkeit
des
Kreislaufs,
Blutdruck
und
Herzminutenvolumen nach Lageänderung vom Liegen zum Stehen im
Regelbereich zu halten. Das Kreislaufsystem ist nicht in der Lage, den
Blutdruck
an
die
veränderten
Bedingungen
anzupassen
(Orthostasesysndrom). Hierbei sinkt bei raschem Lagewechsel der
Blutdruck deutlich ab und als Folge einer zerebralen Minderdurchblutung
treten
subjektive
Beschwerden
wie
Schwindel,
oder
sogar
ein
Bewusstseinsverlust (orthostatischer Kollaps) auf. [vgl. Schmidt 2001, S.
214 ff.]
69
3.11. Reflexphysiologie, Viszerale Afferenzen und therapeutische Ansätze
3.11.1. Die Haut und ihre sensible Seite
Abb. 29: Die sensiblen Organe der Haut [aus Schmidt 2001 S. 96]
Das sensible System der Dermis vermittelt Berührung und somit auch den
Kontakt zwischen Patient und Therapeut. Berührung und Reize über die
Haut werden sowohl bewusst, als auch unbewusst wahrgenommen und
über das vegetative Nervensystem verarbeitet. Das sensible System
ermöglicht uns Wahrnehmungen, Empfindungen und nach Verarbeitung
reaktives und geplantes Handeln. In der Unterhaut liegen die Blutgefäße
und Nervenendigungen und deren Fasern in einem lockeren, subkutanen
Gewebe,
in
dem
sich
auch
viele
gewebsständige
Zellen
mit
Strukturbildenten Eigenschaften und Immunabwehrfunktionen befinden.
Verschiedene freie Nervenendigungen und eingekapselte Rezeptororgane
nehmen unterschiedliche sensible Qualitäten wie Temperatur, Berührung,
Vibration, Druck, und Schmerz auf. Eingekapselte Rezeptoren nehmen
70
eher Druck, Vibration und Berührung wahr und besitzen schnell leitende
myelisierte A-Fasern, während die gänzlich freien Nervenendigungen
langsam leiten und für Berührung, Wärme-, Kälte-, Juckreiz und dumpfen,
später
eintretenden
C-Faserschmerz
zuständig
sind.
In
Knäuel
organisierten Nervenendigungen leiten auch eher schnell und vermitteln
Druck, Wärme und Kältereize und den ersten hellen Schmerz. Die klinisch
bedeutendste sensible Qualität ist der Schmerz. [vgl. Schiffter/Harms
2005, S. 6 f.]
3.11.2. Reflexphysiologie
Fast alle Strukturen mit Ausnahme des Gehirns, der Knochensubstanz,
und des Bandscheibengewebes besitzen Schmerzrezeptoren. Schmerz
wirkt sympathikusaktivierend und löst segmentale Schutzreflexe und über
Muskelkontraktion analgetische Schonhaltungen aus [vgl. Schiffter/Harms
2005, S. 6 f.] Schmerz hat eine bewusste und eine unbewusste
Komponente, die beim Menschen Unbehagen, Stress und vegetative
Reaktionen im endokrinen und viszeralen Bereich verursacht. Auf
Körpersegmentebene
sind
sensible-,
somato-
und
viszerosensible
Efferenzen, sowie vegetative und motorische Afferenzen miteinander
verschalten, wodurch sich komplexe Reflexmechanismen ergeben, die
sich auf verschiedenen spinalen Ebenen verschalten. [vgl. Schiffter/Harms
2005, S. 12 ff.]
Abb. 29: Aufbau eines vegetativen Reflexbogens [aus Schmidt 2001, S. 150]
71
Abb. 31: Reflexverschaltungen zwischen Enterotom, Myotom und
Dermatom: viszerogene, kuti-viszerale, myo-viszerale Reflexe
[aus Schiffter/Harms 2005, S. 16]
Laut der Physiotherapeutin Katja Seizer (Physiotherapeutin an der
Abteilung
für
Innere
Medizin
der
Universitätsklinik)
stehen
die
Rückenmarksegmente auch noch in einem anderen korrespondierenden
Verhältnis. So steht etwa Zervikalsegment C1 mit Thorokalsegment Th1 in
Verbindung, C2 mit Th2,…, Th5 mit L1,…, L2 mit S5,….
Die
entsprechenden
Gewebsanteile
eines
Segments
können
entwicklungsgeschichtlich in Neurotom, Dermatom, Myotom, Enterotom
und Sklerotom unterteilt werden. Diese Unterteilung ergibt sich daraus,
dass die meisten Gewebe eines Segmentes entwicklungsbedingt aus den
Selben Ursegmenten (Somiten), die sich aus dem embryonalen
Mesoderm differenzieren, hervorgehen. Das Neurotom mit seinen
segmentalen Neuronen und Axonen versorgt alle anderen Gewebsanteile
des Segments mit sensiblen Fasern und zu gewissen Anteilen auch mit
somato- und viszeromotorischen Efferenzen. Durch die Verschaltung der
Neurotome auf segmentaler spinaler Ebene und in der Peripherie in einem
Plexus oder einem Ganglion wird ein Erfolgsorgan meist von mehreren
Segmenten
nerval
versorgt.
Durch
diese
anatomische
und
72
neuroanatomische Organisation der Segmente ergeben sich unzählige
Verschaltungen zwischen sensiblem, motorischem und vegetativem
System. [vgl. Schiffter/Harms 2005, S. 12 ff.]
Somit erklären sich
segmentale konsensuelle Wirkungen auf eine Extremität, die von Reizen
auf der kontralateralen Seite ausgehen. Es gibt mannigfaltige Reflexe
zwischen Strukturen, die nicht nur von Seite zu Seite sondern in allen
Dimensionen des Körpers wirken.
Die wichtigsten vegetativen Reflexe :
•
Viszero-kutaner Reflex: Reflexbogen von Organen zur Haut, der
Sensibilität, Trophik und Pilomotion beeinflussen kann.
•
Viszero-somatomotorischer Reflex: vom Organ zur im Segment
liegenden
Muskulatur;
beeinflusst
Spannungsveränderungen,
Schmerz und Trophik der Muskulatur
•
Viszero-periostaler Reflex: vom Organ zur Knochenhaut und
Knorpelgewebe; beeinflusst die Entstehung von schmerzhaften
Quellungen
Bsp.:
und
Eintellungen
Palpationsschmerz
im
der
Periost
(Periostpunkte).
Sternokostalgelenke
bei
Herzerkrankungen.
•
Viszero-viszeraler Reflex: von einem Organ zum anderen;
•
Kuti-viszeraler Reflex: von der Haut zum Organ im selben Segment;
Möglichkeit der Beeinflussung von Organen über die Haut; Bsp.:
Schröpfen, Wärme zum lösen von Koliken
•
Myo-viszeraler Reflex: von der Muskulatur zum Organ;
•
Osteo-viszeraler Reflex: von der Knochenhaut oder dem Gelenk
(Arthrotom)
zum
Enterotom;
eingesetzt
etwa
in
der
Periostbehandlung nach Prof. Vogler, bei der durch manuelle
kleinflächige Druckmassage in druckdolenten Knochenhaut- und
Sehneninsertionszonen Einfluss auf viszerale Bereiche genommen
wird; oder bei der Manipulativmassage nach Dr. Terrier bei dem
das
Gelenk
und
segmentgebundene
die
periartikulären
Einheit
angesehen
Strukturen
werden.
als
[vgl.
Kolster/Paprotny 2002, S. 193 ff.]
73
Es gibt also eine Vielzahl an segmentalen Reflexmechanismen, die zu
Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Gewebsanteilen eines
Segments führen. Laut Henry Head besteht zwischen den Enterotomen
und den Dermatomen auf segmentaler Ebene, eine Verbindung, wodurch
jedes Organ auf einem bestimmten Hautbereich im gleichen oder
benachbarten Segment projiziert und dort hyperalgetische Hautzonen
(Headsche-Zonen) verursachen kann. [Trepel 2004, S. 290]
Abb. 32: Verknüpfung vegetativer und somatischer Efferenzen auf spinaler
Ebene; (1) viszero-kutaner Reflex, (2) viszero-somatischer Reflex (3) kutiviszeraler Reflex, (4) viszero-viszeraler Reflex
[aus Schmidt/Schaible 2006, S. 158]
Dadurch ergeben sich verschiedene
diagnostische und therapeutische
Optionen. Nimmt man diese segmentale Sichtweise als Grundlage, so
kann man durch gewisse optische strukturelle und sensibel-sensorische
Veränderung der Haut und des Bindegewebes, aber auch schmerzhafte
Punkte im Myotom auf organische Probleme rückschließen. Umgekehrt
kann man über
Dermatome, Myotome, Sklerotome und Neurotome
Einfluss auf Enterotome nehmen. So kann etwa in der Schmerztherapie
durch einen mechanischen oder thermischen Reiz im Dermatom oder
74
Reizung von Druckpunkten im Myotom (Mackenzie Maximalpunkte) ein
Schmerzreiz aus dem zugehörigen Enterotom überlagert werden und über
Segmentreflexe
Einfluss
auf
Organe
genommen
werden.
[vgl.
Schiffter/Harms 2005, S. 12 ff.] Trepel [2004, S. 290] versucht die
Headschen Zonen anhand der sensiblen viszeralen Afferenz zu erklären.
Er weist darauf hin, dass viszerale und somatische Afferenzen im
Hinterhorn des Rückenmarksegments auf das Selbe weiterleitende
Neuron verschalten sind, welches die sensiblen Afferenzen zum
somatosensiblen Kortex weiterleitet. Das Gehirn scheint auf diese Weise
oft viszerosensible Reize fälschlicherweise als somatosensible Impulse zu
interpretieren, was zu Schmerzen in einem Dermatom führen kann dem
eigentlich eine viszerosensible Schmerzafferenz zugrunde liegt. In der
Kinesiologie wiederum liegt der diagnostischen und therapeutischen
Angriffspunkt in den Muskelzonen. Jedem Organ ist dabei ein oder
mehrere Muskeln zugeordnet, über die man Einfluss auf den viszeralen
Bereich nehmen kann. [vgl. van den Berg 2000, S.176] Dr. Fitzgerald und
Bowers, die als Begründer der Körperlängszonen gelten, veröffentlichten
1917 Erkenntnisse bezüglich der Reflexzonen and Händen, Füßen, Ohren
und im Gesicht. Dies könnte auf der Überlegung beruhen, dass bei der
segmentalen Entwicklung die Gewebeanteile auseinander und in die
Peripherie wachsen, aber ihre segmentalen Verbindungen erhalten
bleiben. Diese Mechanismen haben sich auf empirischer Ebene schon oft
bewahrheitet, sind aber nicht hinreichend erforscht. Allerdings gelang es
dem italienische Neurologen Prof. Dr. Calligaris und auch Dr. Armasian
(Baltimore) bereits 1976 die Verbindungen zwischen den Reflexzonen und
gewissen, sich überlappenden Gehirnzonen und denen zu ihnen
gehörigen Organen nachzuweisen. [vgl. van den Berg 2000, S. 171 ff.]
Auch an der Universitätsklinik Innsbruck wurden zwei Studien über die
organassoziierten
Wirkungen
der
Fußreflexzonentherapie
auf
die
Durchblutung durchgeführt. Mur et al. bewiesen durch Stimulierung der
organassoziierten Reflexzonen der Niere [1999, S. 129 ff.] und des
Darmes
[2001,
S.
Durchblutungssteigerung
Fußreflexzonentherapie.
86
ff.]
in
Die
und
einer
damit
verbundenen
diesen
Organen,
die
Wirkung
der
globale
Wirkung
von
Reizen
und
Segmentreflexen ergibt sich wahrscheinlich dadurch, dass bewusst
75
wahrgenommene sensible Reize und deren Verarbeitung auch die
vegetativen Zentren integrieren. Deshalb stellt therapeutisches Arbeiten
mit
reflektorischen
Strategien
in
den
meisten
Fälle
auch
eine
Ganzkörpertherapie dar. [vgl. Schiffter/Harms 2005, S. 17 f.] Viele
Therapieformen, auch fernöstliche Formen, beruhen auf dem Prinzip der
reflexartigen Verbindungen und Verschaltungen im Körper. Besonders in
der Traditionellen chinesischen Medizin, bei Akupunktur und Tuina,
spielen reflexartige Zusammenhänge zwischen Punkten in der Haut und
im Bindegewebe und deren Verbindungen in Meridianen, denen
unterschiedliche Organe und Körperfunktionen zugeordnet werden, eine
Rolle. Aber auch in Indien hat man in alten Zeiten durch Beobachtungen
diese Zusammenhänge erkannt und diese im Joga und der Ayuvedischen
Volksmedizin umgesetzt. Verschiedene Atemtechniken aus Asien, wie
etwa Pranajama in Indien oder Qi Gong in China haben Einfluss auf Teile
oder die Gesamtheit des Organismus, in einer Art, wodurch diese
Wirkungen nicht nur auf eine gesteigerte Oxigenierung und die Mechanik
der
Zwerchfellatmung
zurückzuführen
sind.
Diese
Atemübungen
verursachen neben strukturellen auch psychogene Veränderungen. Auch
bestimmte
Körperübungen
und
deren
spezifische
Wirkungen
auf
Organsysteme ist vom Joga, Tai Chi und auch dem Lu Jong der
tibetanischen Mönche bekannt. Ähnlich Körperübungen wurden auch von
den Germanen praktiziert. Sie setzten ihre Symbole (Runen), denen sie
unterschiedliche kosmisch-energetische Eigenschaften zusprachen, in
Körperstellungen und so genannte Runengriffe um. Man war davon
Überzeugt das diese Übungen starke Wirkungen auf Leib, Seele und
Umwelt hatten. [vgl. Spiesberger 1968, S. 1 ff.]
76
4. Leitungsbahnen der unteren Extremität
a
b
77
c
d
Abb. 33: Leitungsbahnen der UEX:
a: Nerven
b: Arterien
c: tiefe Venen
d: oberflächliche Venen
e: epifasziale Lymphgefäße
[aus Todd R. Olson/ Wojciech Pawlina
1999, 226 ff.]
78
4.1. Vegetative Leitungsbahnen der unteren Extremität
Vegetativ wird die untere und obere Extremität nur vom Sympathikus
innerviert. Er regelt die Vasomotorik der peripheren Gefäße, die
Sudomotorik und die Piloerektion der kleinen Hauthärchen.
4.1. 1. Efferenzen
Die präganglionären sympathischen Fasern verlassen das Rückenmark
aus den Rückenmarksegmenten Th10–L2 [vgl. Trepel 2004 S. 285]
(Lagebeziehung zu den Wirbelkörpern beim Erwachsenen: BWK Th8Th11) über das Vorderhorn und ziehen als Teil des jeweiligen Spinalnerv
aus den Zwischenwirbellöchern der Lendenwirbel TH10–L3. [vgl. Rohen et
al. 2002, S.461] Unmittelbar danach zweigen die präganglionären Fasern
als Ramus comunicans albus in die zugehörigen lumbalen und sakralen
Grenzstrangganglien ab, wo sie auf das zweite sympathische Neuron
umgeschaltet werden. Dann schließen sie sich als Ramus comunicans
griseus (marklos) wieder den jeweiligen Spinalnerven an. (siehe Abb. 29)
[vgl. Trepel 2004 S. 283 ff.] Die so in ihrer Leitungsqualität vermischten
bidirektionalen Spinalnerven vereinigen sich im Plexus Lumbosacralis zu
den peripheren Nerven der unteren Extremität. Diese Nervenstränge aus
dem Neurotom verzweigen sich dann wie Gefäße und ziehen sub- und
epifaszial in segmentaler Anordnung zu den jeweiligen Sklero-, Myo- und
Dermatomen und den Gefäßwänden im Angiotom, die sie als feines
Nervengeflecht begleiten. (siehe Abb. 19b)
4.1.2. Afferenzen
Die viszerosensiblen und allgemein sensiblen Afferenzen für das
vegetative Nervensystem werden von Berührungs-, Druck-, VibrationsKalt-
und
Chemorezeptoren
registriert.
Entlang
der
Afferenten
Faseranteilen des Nervus Femoralis, des Nervus Ischiadicus und des
79
rein
sensiblen
Reizinformationen
Nervus
über
cutaneus
den
femoris
Ramus
lateralis
comunicans
gelangen
albus
und
die
das
Spinalganglion in das Hinterhorn des Rückenmarks ein. [vgl. Trepel 2004,
S. Dort verschalten sie sich in einem Reflexbogen über ein oder mehre
Segmente und/oder werden zu den übergeordneten vegetativen Zentren
im Gehirn geleitet. (siehe Abb. 12)
4.3. Vegetative Reflexbögen der unteren Extremität
Es kommt zu vasomotorischen, sudomotorische und pilomotorischen
Reflexen. Ein Beispiel für einen vegetativen Reflexbogen ist die jedem
bekannte Gänsehaut durch Kälte, bei der sich durch die Aktivierung eines
segmentalen sympathischen Reflexbogens die Musculi arrector pili der
Wollhare in einem größeren Hautgebiet kontrahieren. Entsteht die
Gänsehaut durch einen psychogenen Trigger, wie etwa ein schlechtes
Gewissen im Nacken, so wäre dies ein gutes Beispiel für eine, im Kortex
initiierte sympathische Efferenz die zu einer Piloerektion führt.
80
5. Empirischer Teil
5.1. Studienumfeld
Die Behandlungen werden in einem Therapieraum der gefäßchirurgischen
Ambulanz
der
Universitätsklinik
Innsbruck
durchgeführt.
Alle
Behandlungen werden auf einer Therapieliege ausgeführt. Während aller
zehn Behandlungen wird mit Hilfe eines Raumthermostats auf eine
konstante Raumtemperatur von 25 Grad Celsius geachtet. Es wird bei
geschlossenen Türen und Fenstern behandelt. Durch diese Maßnahmen
wird versucht, verfälschende Temperatureinflüsse in der unmittelbaren
Umgebung der Probandin so gering wie möglich zu halten.
5.2. Studiendesign
Bei dieser Studie handelt es sich um eine Fallstudie. Diese dient dem
Verfasser dieser Arbeit als Pilotstudie für weitere Untersuchungen auf
dem
Gebiet
Durchblutungsfördernder
und
-regulierender
Therapiemaßnahmen. Es wird zur Evaluation der Durchblutungsbeeinflussenden
Wirkung der verschiedenen Therapieformen eine
wissenschaftliche und eine subjektive Beurteilungsmethode verwendet. Es
wird bewusst auf einen Fragebogen verzichtet. Die Probandin wird
gebeten, zu jeder Therapieform ihre subjektiven Empfindungen und die,
ihr auffallenden Veränderungen und Wirkungen in eigenen Worten
schriftlich auszuformulieren. Im Zeitraum vom 29 Mai bis zum 14 Oktober
2006 wird die Probandin insgesamt zehnmal behandelt. Es werden fünf
verschieden Therapieformen im physiotherapeutischem Kontext an der
Probandin angewendet. Mit jeder Therapieform wird zweimal innerhalb
einer
Woche
behandelt,
wobei
zwischen
den
angewendeten
Therapieformen jeweils eine dreiwöchige Pause angelegt wird, um
Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Therapienformen möglichst
auszuschließen. Die Behandlungen finden jeweils an einem Montag und
Donnerstag zwischen 16 und 17 Uhr statt .Die Behandlungsdauer für
81
die verschiedenen Therapieformen wird zwischen 20 und 40 Minuten
angesetzt. Die beiden Behandlungen einer Therapieform werden in Ablauf
und Dauer möglichst gleichartig ausgeführt. Bei jeder Behandlung ist Herr
Dr. Grainer von der Abteilung für Gefäßchirurgie anwesend. Mittels einer
Infrarotkamera wird durch Herrn Mag. Juergen Hacker vom Institut für
Botanik der Leopold Franzens Universität, ein Film jeder zweiten
Behandlung gedreht.
5.3. Studienvorbereitung
Die Probandin wird von Herrn Dr. Grainer angiologisch abgeklärt um eine
periphere arterielle Verschlusserkrankung und andere Gefäßerkrankungen
auszuschließen, die eine Kontraindikation für gewisse Therapieformen
darstellen könnten.
Es werden Literaturrecherchen und Gespräche mit, im medizinischen
Bereich tätigen Personen geführt, um ein tieferes Verständnis über die
spezifischen
anatomischen
Strukturen,
an
denen
während
den
Behandlungen gearbeitet wird zu erlangen. Besonders im Fall von
Gefäßen und Nerven, die als leicht verletzlich gelten, scheint dies
angebracht zu sein. Es werden alle Therapieformen, jeweils in der Zeit vor
den Behandlungsblöcken, vom Therapeuten wiederholt und einstudiert
(nicht am Probanden), um eine möglichst effektive und therapiegerechte
Ausführung zu gewährleisten.
82
5.4. Behandlungstechniken
5.4.1. Fußreflexzonentherapie
Die Probandin wird in Rückenlage gelagert. Es wird jeder Fuß jeweils 20
Minuten behandelt.
Behandlungsplan: Es wird vorerst 20 Sekunden Kontakt mit beiden Füßen
aufgenommen; Handflächen auf den Fußflächen. Danach folgt die
Behandlung von Lymphzonen (10 min), Zwerchfellzone (5 min), Herzzone
(5min), Es wird zuerst der Linke, dann der Rechte Fuß behandelt
5.4.2. Bindegewebsmassage
Es wird 30 Minuten behandelt.
Behandlungsplan: Grundaufbau (1. Aufbaufolge) im Langsitz (15 min),
Umlagerung in Rückenlage (1 min), Behandlung der Beine in Rückenlage
(je Bein 7 min)
5.4.3. Manuelle Therapie (Mobilisation Th10–L2)
Probandin wird in Bauchlage gelagert. Es wird 30 Minuten behandelt.
Behandlungsplan: 20 Sekunden Kontaktaufnahme; Handflächen beidseits
am thorako-lumbalen Übergang; dann Behandlung der Wirbelsegmente
TH10–L2 mit „kleinamplitudigen“, der Skoliose und Rotation der
Wirbelsäule entgegenwirkenden, Rotationsmobilisationen (15 min) und
sanften Segmentmobilisationen von posterior nach anterior(15 min).
5.4.4. Recoiltechnik der Arterien nach Paul Chauffour D.O.
Die Probandin wird in Rückenlage gelagert. Es wird 30 Minuten behandelt.
Es wird durch Palpation ein struktureller Kontakt mit dem jeweiligen
83
Gefäßabschnitt aufgebaut; bei Gefäßen gut durch die Pulsation spürbar.
Das Gefäß wird dann sanft in seiner Qualität und Beweglichkeit getestet.
Fällt beim Testen der Beweglichkeit in alle Freiheitsgrade oder der
Qualität (Elastizität) des Gefäßes eine Restriktionen oder Einschränkung
auf, wird nach Einstellen der Struktur in die Restriktion (sanfter
Spannungsaufbau) ein Recoil (-Impuls) durch spontanes loslassen der
Struktur ausgeführt. Die Technik wird sanft und mit viel Gefühl und
Vorsicht durchgeführt. [vgl. Wolfgang Kattnig 2006]
Behandlungsplan: Es wird zuerst die Vena Cava inferior getestet. Danach
werden vom Herz ausgehend, über den Aortenbogen absteigend, der
thorokale Abschnitt der Aorta, sowie die Arteria thoracica interna (dexter
et sinister) getestet. Danach folgen die abdominale Aorta bis zur
Bifurkation und von dort, zuerst entlang der Arteria iliaca externa dexter,
über die rechte Femoralarterie, die Arterien des rechten Unterschenkels
und Fußes. Danach werden von der Bifurkation ausgehend die linke A.
iliaca externa und die Arterien der linken unteren Extremität getestet.
Ein Recoil wurde an den folgenden Gefäßen ausgeführt:
Arteria thoracica interna dexter;
bei folgenden Arterien wurde beidseits ein Recoil ausgeführt:
Arteria iliaca externa und interna, Arteria femoralis im gesamten Verlauf,
Arteria poplitea, Arteria typialis anterior und posterior, Arteria dorsalis
pedis, Arteria plantaris.
5.4.5. Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation (PNF) (Pelvispattern)
Die Probandin wird in Seitenlage gelagert. Es wird auf jeder Seite 10
Minuten gearbeitet. Bei der Umlagerung ist eine 3-minütige Pause
vorgesehen.
Behandlungsplan: Pelvispattern in Seitenlage zuerst rechts dann links;
Pattern: anteriore Elevation und posteriore Depression;
Zuerst passive rhythmische Bewegungseinleitung (3 min/je Seite), dann
aktiv assistiv (3 min/je Seite) und zuletzt aktive Bewegung gegen
moderaten Widerstand (4 min/je Seite).
84
5.5. Messmethoden
5.5.1.Infrarotkamera
Jeweils
die
zweite
Behandlung
jeder
Therapieform
wird,
unter
Verwendung einer Infrarot Wärmebildkamera (ThermaCAMTM S60) der
Firma Flir Systems (Danderyd, Schweden), gefilmt. Die Steuerung der
Infrarotkamera erfolgt über einen Labtop, der mittels FireWire/IEEE1394
mit der Kamera verbunden ist .Die ThermaCAMTM Kamera erfasst ,die von
einem warmen Gegenstand oder Körper emittierte Infrarotstrahlung in
einem Wellenlängenbereich von 0,7 bis 14 µm. Jeder Körper mit einer
Schalentemperatur über dem absoluten Nullpunkt emittiert Strahlung. Die
Intensität und Wellenlänge der emittierten Strahlung ist von der
Temperatur des Körpers abhängig (Stefan-Boltzmann-Gesetz). Durch die
Aufzeichnung der emittierten Wärme- bzw. Infrarotstrahlung mit einer
Infrarotkamera kann die Oberflächentemperatur eines Körpers ermittelt
werden. Die Visualisierung der unterschiedlichen Temperaturen erfolgt
durch
einer
Farb-
charakteristischen
oder
Graustufencodierung,
Infrarotbilder
entstehen.
wodurch
Typischerweise
die
werden
Farbverläufe verwendet, wobei die niedrigen Temperaturen dunklen
Farben und die hohen Temperaturen hellen Farben entsprechen. Die
Temperaturbereiche zwischen den Maxima werden durch entsprechende
Farb- oder Graustufen dargestellt. Für eine gute Übersichtlichkeit werden
die Temperaturen mit einer Grauskala visualisiert, wobei die Farbe
schwarz einer Temperatur von 25°C und die Farbe weiß einer Temperatur
von 35°C entspricht. Der Temperaturverlauf wird jeweils in einem distalen
und einem proximalen Punkt an der Hautoberfläche eines Beines ermittelt.
5.5.2. Subjektives Empfinden der Probandin
Die
Probandin
Therapieformen
schreibt
und
ihre
ihren
subjektiven
Wirkungen
Empfindungen
am
zu
Donnerstagabend
allen
der
jeweiligen Behandlungswoche nieder.
85
5.6. Vorstellung der Probandin:
Alter: 61Jahre
Geschlecht: weiblich
Beruf: –
Hobbys: Lesen, Landschaft, Theater,
Kultur, Reisen, Kinder und
Enkel
Abb. 34: Die Probandin
Probleme:
häufige Harnwegsinfekte (2–3-mal jährlich); intermittierendes Kältegefühl
in
den
Beinen,
zeitweise
Kreislaufbeschwerden,
Schwäche
und
Abgeschlagenheit, leichte Verdauungsstörungen;
Schmerzen:
leichte intermittierende Schulter- und Armschmerzen rechts, leichte
intermittierende
krampfartige
Schmerzen
im
Becken
und
Unterbauchbereich links;
Diagnosen:
St.p.
akuter
paralytischer
Poliomyelitis
1954
mit
unsymetrischen
Restlähmungen der unteren Extremität
→ 1957 Arthrodese linkes Sprunggelenk, 1960 operativer Epiphysenfugenverschluss rechte Tibia proximal, 1965 Stellungsosteotomie bei
Genu
valgum
und
Arthrodese
rechtes
Sprunggelenk,
1980
Stellungsosteotomie rechtes Knie mit Hüftspan bei Genu recruvatum;
St.p. lymphozytisches Non-Hodgkin-Lymphom,
→ Operation 4.12 1990 (Teilresektion des Magens), August 1992 Rezidiv
im Bereich des Restmagens ohne Hinweis auf Streuung, es folgt
Chemotherapie nach NOSTE- Schema (i.v. und oral) im September 1992April1993; komplette Remission;
Kontrolle 12/2006: Gastritis, Magengeschwür;
86
Überblick:
Die Probandin lebt selbständig. Sie ist mit Stützapparat (linkes Bein) und
Unterarmkrücken über mehrere hundert Meter, bei flachem Untergrund,
gehfähig. Sie kann Stiegen, bis zu einem Stockwerk, ohne große
Anstrengungen mit Geländer steigen. Die untere Extremität ist atrophiert;
links > rechts. Die Haut der unteren Extremität hat eine blasse, leicht
levide Farbe. Die untere Extremität fühlt sich besonders distal kühl an. Die
peripheren Pulse der unteren Extremität sind ab der Leiste (A. femoralis)
abgeflacht und schwer palpierbar; rechts > links. Es besteht eine
Beinlängendifferenz; die linke Tibia ist um 2cm kürzer. Bei der Probandin
zeigt sich ein Beckenschiefstand, die rechte Crista iliaca steht höher.
b
Abb. 35 : a/p Röntgen der Probandin;
a: Rumpf, Becken, Hüfte (6/2000)
b: Thorax (12/2005)
a
[Sylvia Ellinger 2006]
Es besteht eine doppelt s-förmige Skoliose,
die im LWS-Abschnitt
linkskonvex, im BWS-Abschnitt rechtskonvex und im HWS-Abschnitt
linkskonvex verläuft. Die Probandin hat schlaffe Lähmungen der unteren
Extremität, links ausgeprägter als rechts. Die Zehen des linken Fußes
können nur leicht bewegt werden; Rechts sind auch kleine Bewegungen
im Sprunggelenk möglich. Das rechte Bein kann leicht aktiv in der Hüfte
gebeugt, aber nicht gestreckt werden. Beim Gehen wird das Rechte Bein
in der Standbeinphase über Hyperextension im Knie stabilisiert. In der
87
Schwungbeinphase ist eine leichte aktive Flexion in der Hüfte zu erkennen
Die Bauchmuskulatur wird unterstützend eingesetzt, um über ein
Dorsalkippen des Beckens das Bein mit Schwung weiter nach vorne zu
bringen. Links besteht diese Bewegungsstrategie, als Ersatz für die
aktiven Hüftflexion, ausgeprägter und das durch den Stützapparat
versteifte Bein wird mit einer Zirkumduktion nach vorne bewegt. Die obere
Extremität ist im Vergleich sehr stark ausgebildet und in allen Gelenken
besteht das volle Bewegungsausmaß.
5.7.Ergebnisse
88
Abb. 36: Infrarotbilder Fußreflexzonenmassage
Die Fußreflexzonentherapie führt zu einer durchschnittlich Erhöhung der
Hauttemperatur von 2.35°C in den gemessen Punkten. Der am
Oberschenkel
gemessene
Wert
ist
um
0,5°C
höher.
Die
Umgebungstemperatur beträgt ~25°C. Die Ausgangstemperatur der
Messpunkte liegt im Durchschnitt bei 30.15°C. In den Infrarotaufnahmen
sind
deutliche
Temperaturzunahmen,
vor
allem
im
Bereich
der
oberflächlichen Venen, wie der Vena saphena magna, erkennbar. Die
stärkste Temperaturzunahme in den Messpunkten wurde in den ersten 15
min der Behandlung erreicht.
89
Abb. 37: Infrarotbilder Bindegewebsmassage
Die Durchschnittliche Ausgangstemperatur der beiden Messpunkte beträgt
zu Beginn der Behandlung 32.05°C. Der proximal gemessen Wert ist um
1.1°C höher. Die Umgebungstemperatur beträgt ~25°C. Es kommt in den
ersten
15
min
der
Behandlung
zu
einem
durchschnittlichen
Temperaturabfall von 1.05°C in den Messpunkten. Mit Beginn der
Beinbehandlung steigt die Hauttemperatur innerhalb von 5 Minuten mit
steilem Verlauf auf durchschnittlich 32°C an und liegt in beiden Punkten
etwa beim Ausgangswert. Im Verlauf der Beinbehandlung fällt die
Temperatur wieder auf durchschnittliche 30.9°C ab und liegt damit 1.6°C
unter dem Ausgangswert.
90
Abb. 38: Infrarotbilder Manuelle Therapie (Mobilisation Th10-L2)
Die durchschnittliche Ausgangstemperatur der beiden Messpunkte liegt
bei 29.55°C. Die Temperatur des am Oberschenkel gemessenen Punkt ist
um 0.1°C höher. Die Umgebungstemperatur beträgt ~25°C. Die
Temperatur des proximalen Hautpunktes fällt in den ersten fünf Minuten
der Behandlung um 0.2°C ab, während der distal gemessene Wert um
0.4°C zunimmt und über dem durchschnittlichen Wert und dem proximal
gemessenen Ausgangswert liegt. Der proximal auf der Haut gemessene
Temperaturwert verläuft danach geradlinig, ohne Veränderung bis zum
Ende der Behandlung. Der distale Wert verhält sich gleich sinkt aber in
den letzten 5 Minuten der Behandlung und liegt nur mehr 0.1°C über
seinem Ausgangswert.
91
Abb.
39:
Infrarotbilder
Recoiltechnik
nach
Paul
Chauffour
D.O.
Bei durchschnittliche Ausgangstemperatur liegt bei 31,35°C. Die proximal
gemessene Hauttemperatur ist um 0.7°C niederer als der distale Wert. Die
Umgebungstemperatur beträgt ~25°C. Zu Beginn der Behandlung steigt
der distale Temperaturwert um 0.3°C an, während der proximale Wert um
0.2°C sinkt. Danach kommt es zu einem durchschnittlichen Anstieg beider
Werte um 1.25°C; mit einem Anstiegsgipfel zwischen der 25. und 30.
Minute der Behandlung. Zu diesem Zeitpunkt wird im Bereich der rechten
Femoralarterie behandelt. In den letzten 5 Minuten sinkt die Temperatur
durchschnittlich um 0.65°C ab, liegt aber immer noch um 0.6°C über der
durchschnittlichen Ausgangstemperatur.
92
Abb. 40: Infrarotbilder PNF Pelvispattern
Die durchschnittliche Ausgangstemperatur der Messpunkte liegt am
rechten Bein bei 29.1°C. Die Umgebungstemperatur beträgt ~25°C. Der
proximal gemessene Temperaturwert ist um 0.4°C geringer als der distale.
In den ersten fünf Minuten kommt es zu einem Temperaturanstieg beider
Messpunkte um 0.4°C. Danach bleibt der proximal gemessene Wert
stehen und der distale Wert steigt weiter und liegt zum Ende der
Behandlung der rechten Seite um 0.5°C höher als sein Ausgangswert.
Nach einer Umlagerung auf die linke Seite und drei Minuten Pause liegt
93
die Ausgangstemperatur am linken Bein bei durchschnittlich 29.75°C und
ist somit um 0.65°C höher als die Ausgangstemperatur zu Beginn der
Behandlung. Während der Behandlung der linken Seite kommt es jedoch
zu
einem
durchschnittlichen
Abfall
der
Temperatur
des
distalen
Messpunktes um 1°C und damit zu einem Abfall um 0.5°C unter den
durchschnittlichen Ausgangswert zu Beginn der Behandlung. Die proximal
in einem Punkt erhobene Hauttemperatur steigt nach einem 5minütigem
Abfall gemeinsam mit dem distalen Messwert wieder leicht an und
befindet
sich
zum
Ende
der
Behandlung
0.3°C
unter
seinem
Ausgangswert.
Die unterschiedlichen Therapieformen im Vergleich:
94
Subjektives Empfinden der Probandin zu den Therapieformen und deren
Wirkung:
„„Ich empfand die Fußreflexzonentherapie als schmerzhaft. Die Beine
wurden gleich während der Behandlung warm. Diese Wärme hat nach der
Behandlung noch einige Stunden bis zum Abend angehalten. Nach der
Behandlung verspürte ich ein Gefühl wie einen Muskelkater in den Beinen.
Meine Füße waren danach einfach besser zu spüren. Sie waren mir
bewusster. Von dieser Behandlung halte ich viel“
„Die Bindewebemassage empfand ich als sehr entspannend und ich bin
während der Behandlung angenehm müde geworden. Mein Rücken ist
beinahe heiß geworden. In den Beinen habe ich keine große Wärme
verspürt. Ich habe in dieser Nacht sehr gut geschlafen und mein Rücken
fühlte sich auch am nächsten Tag noch gut an.“
„Nach der ersten Anwendung der Manuellen Therapie, hatte ich noch ein
paar Tage nachher Schmerzen im Rücken. Eine Stunde nach der
Behandlung habe ich einen Schub Durchblutung in den Beinen verspürt.
Bei der zweiten Anwendung hatte ich Schulter- und Armschmerzen, die
aber in keinem Zusammenhang mit der ersten Behandlung stehen. Die
Schmerzen sind dann verschwunden und ich habe mich sehr wohl gefühlt.
Das Wärmegefühl war nicht so stark aber ich hatte noch am nächsten Tag
das Gefühl den Effekt zu spüren.“
„Bei der PNF Technik hatte ich ein Wärmegefühl während und nach der
Therapie. Außerdem verspürte ich Bewegung. Ich fühlte mich danach
vitaler. Dieser Effekt hielt bis zum Abend an. Von der Wärme verspürte ich
nicht so viel wie bei den anderen Techniken.“
„Durch die Arterientechnik hatte ich kurz nach der Behandlung ein
Wärmegefühl, das etwa eine halbe Stunde anhielt.““
[vgl. Sylvia Ellinger 2006]
95
6. Diskussion
Es geht in dieser Arbeit nicht darum Therapieformen einem allgemeinen
Wirkungsvergleich
zu
unterziehen.
Jede
Behandlung
hat,
wenn
medizinisch oder aufgrund ihrer Wirkung gerechtfertigt, ihre Berechtigung.
Da es sich um eine Fallstudie handelt, kann man nur Aussagen über die
verschiedenen Wirkungen der Therapieformen bei der Probandin machen.
Die Wirkung einer Therapieform kann von Patient zu Patient variieren.
Was dem einen Patient gut tut und gefällt, führt bei einem anderen
vielleicht nicht zum erwünschten Erfolg. Diese Arbeit soll in ihrem
theoretischen Teil einige physiologische Hintergründe zum Thema
Durchblutung geben. Mit der Hilfe dieses Fundaments werden im
empirischen Teil verschiedene therapeutische Wege beschritten um die
Durchblutung zu beeinflussen.
Eine sehr gute Wirkung hat bei der Probandin die Fußreflexzonentherapie
gezeigt. Sie führte zur durchschnittlichen Zunahme der Temperatur um
2.51°C
bei
einer
bereits
relativ
hohen
Schalentemperatur.
Die
Umgebungstemperatur liegt unter der Temperatur der Haut. Der Anstieg
der Temperatur verläuft relativ konstant.
Auch die Bilder zeigen
eindrucksvoll ein, in den Graustufen hell erkennbares Hervortreten der
oberflächlichen Venen. Dies weist auf einen gesteigerten Rückfluss von
warmem Blut hin. Den venösen Rückfluss zu verbessern ist wie aus dem
theoretischen Teil hervorgeht, von großer Bedeutung für paralytische
Opfer der Poliomyelitis, da sich das Blut im Kapillargebiet staut und an der
Oberfläche stark abkühlt. Es zeigt sich bei der Fußreflexzonenmassage
eine Wirkung von Segmentreflexen auf das Erfolgsorgan. Es scheint durch
die Behandlung eine harmonisierende Wirkung auf das vegetative System
vorzuliegen. Dies fördert die Durchblutung der Haut der unteren Extremität
und den venösen Rückfluss. Durch den angepassten peripheren
Widerstand nimmt der Druck im angrenzenden Kapillargebiet ab, dies
begünstigt eine Flüssigkeitsverschiebung vom interstitiellen Raum in die
Kapillaren und postkapillären Venolen. Während in den Venen durch eine
Tonusanpassung, der Rückfluss des gespeicherten Blutvolumen in
Richtung rechten Vorhof begünstigt wird. Das Blut kann das Kapillargebiet
schneller passieren und kühlt nicht in der Peripherie ab. Bei der
96
Probandin verringert sich das Kältegefühl und der Temperaturanstieg an
der Haut lässt sich mit der Infrarotkamera nachweisen. Der venöse
Rückfluss wird natürlich auch durch die horizontale Lagerung der
Probandin auf der Behandlungsliege unterstützt, da der hydrostatische
Druck nicht mehr auf die Beingefäße wirkt. Einen weiteren zusätzlichen
Effekt könnte die gerichtete Aufmerksamkeit der Probandin auf das
Erfolgsorgan, in diesem Fall die Füße, haben. Die Probandin beschreibt
im Rahmen seiner subjektiven Empfindungen, dass er seine Füße bei und
nach
der
Fußreflexzonentherapie
noch
längere
Zeit
bewusster
wahrgenommen hat.
Auch die Bindegewebsmassage zeigt eine Wirkung, die jedoch erst einen
positiven Einfluss zeigt, als die Behandlung der Beine beginnt.
Die Manuelle Therapie zeigt bei den Temperaturmessungen einen
unauffällig gleich bleibenden Verlauf. Die Probandin beschreibt aber einen
später stark eintretenden Effekt.
Auch die Recoiltechnik nach Chauffour D.O. der Arterien führt durch einen
Temperaturanstieg der Extremität zu einem Erfolg. Die Probandin verspürt
ein Wärmegefühl.
PNF erwärmt anfangs die Beine, nach Seitenwechsel liegt jedoch ein, im
Vergleich starker Temperaturabfall vor.
7. Schlusswort
Auch wenn die Themen Durchblutung und Herzkreislaufsystem in der
Physiologie sehr ausgiebig behandelt werden, sind meiner Meinung nach,
in der wissenschaftlichen Betrachtung physiotherapeutischer Maßnahmen
und deren gezielten Wirkungen auf die Durchblutung verschiedener
Körperabschnitte und Organe, noch viele Fragen offen. Physiotherapeuten
sollten aktiv an medizinischer Forschung teilnehmen. Ich glaube, dass es
in der Physiotherapie, vor allem im Bereich der viszeralen Therapie und
damit, auf physiologischer Ebene auch in den Bereichen des vegetativen
Nervensystems und der Reflexphysiologie, noch viel zu erkunden gibt.
97
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Abb. 1: junges Mädchen (Ashmi Sherpa) aus dem Tengboche
Village, das an den Folgen einer spinalen Kinderlähmung leidet
[Alfred Ellinger 2006, Nepal]
•
Abb. 2: Hohepriester mit Spitzfuß [Lehmann-Buri Chr., 2004 S. 3]
•
Abb. 3: Kind in der eisernen Lunge
[http://www.pathmicro.med.sc.edu/lecture/vaccines.htm 1.12.2006]
•
Abb. 4: Kinderlähmungsopfer mit Beinlängendifferenz von ~5 cm,
[Alfred Ellinger 2006, Nepal]
•
Abb. 5: Überblick über das kardiovaskuläre Drucksystem
[aus Schmidt 2001, S. 205]
•
Abb. 6: Das Herz [aus van den Berg 2000, S. 139]
•
Abb. 7: Rückflussfördernder Effekt der arteriellen Pulswelle
[aus van den Berg 2000, S. 127 ]
•
Abb. 8: Drücke, mittlere lineare Strömungsgeschwindigkeit, und
Gesamtquerschnitte
der
verschiedenen
Abschnitte
des
kardiovaskulären Systems. [aus Thews/Vaupel 2005, S. 190]
•
Abb. 9: Terminale Strombahn und Verhältnis von Filtration und
Resorption durch die Kapillarmembran bei unterschiedlichem
Gefäßtonus [aus Schmidt 2001, S. 215]
•
Abb. 10: Stofftransport durch Diffusion und Filtration im Bereich der
terminalen Strombahn im Verhältnis zum HZV.
[aus Schmidt 2001, S. 216]
•
Abb.
11:
Schema
des
Zusammenspiels
von
Vegetativem
Nervensystem, Gehirn und Organismus.
[aus Schmidt/Schaible 2006, S.133]
101
•
Abb. 12 Abb. 12: (A): Afferenzen des Viszeralen-Motor-Systems
treffen über Hirnerven und aufsteigenden sensiblen Bahnen
(orange), (B) Topographie des Solitarischen Traktes mit den
Kerngebieten der viszeralen Sensibilität
[aus Hall et al., 2001]
•
Abb.13:
Steuerung
Nervensystems
der
durch
spinalen
Kerngebiete
Anteile
im
des
Hirnstamm
vegetativen
und
der
Hypophyse [aus Schmidt 2001, S. 150 ]
•
Abb. 14: a: Lokalisation des Hypothalamus, b: Afferente und
efferente
neuronale
und
humorale
Verbindungen
des
Hypothalamus [aus Schmidt/Schaible 2006, S. 173]
•
Abb. 15: Überblick Temperaturregulation; a: die wichtigsten
beteiligten Strukturen, [aus Schmidt/Schaible 2006, S. 176]
b: Schaltbild der Temperaturregulation [aus Schmidt 2001,S. 260]
•
Abb. 16: Die Körperkerntemperatur in
Abhängigkeit zur
Aussentemperatur; [aus Schmidt 2001, S. 257]
•
Abb. 17: Kreislaufzentrum im Hirnstamm mit den zuständigen
Nervenkernen und Leitungsbahnen.
[aus Thews/Vaupel 2005, S. 218]
•
Abb. 18: Pressosensorenreflex als Regelkreis
[aus Schmidt 2001, S. 219]
•
Abb. 19: sympathische Innervation eines Gefäßes;
a: Vasokonstriktor projiziert auf seinen Effektor; b: sympathisches
Nervengeflecht umgibt das Gefäß; c und d: Organisation der
neuroeffektorischen synaptischen Impulsübertragung
[aus Schmidt/Schaible 2006, S.151]
•
Abb. 20: Organisation und Versorgungsgebiete von Sympathikus
(rot) und Parasympathikus (grün); postganglionäre Axone sind
gepunktet Linien [aus Schmidt Schaible 2006, S. 136]
•
Abb. 21: (A): Organisation des Sympathikus auf spinaler Ebene
(B): Topographie der sympathischen Neurone im Rückenmark
[aus Hall et al. 2001]
102
•
Abb. 22: (A): parasympathische Kerngebiete im Hirnstamm
(B): Topographie der parasympathischen Kerne im Hirnstamm
(C): Organisation des Parasympathikus auf spinale Ebene
(D): Topographie der parasympathischen Neurone im Rückenmark
[aus Hall et al. 2001]
•
Abb. 23: Sympathikus und Parasympathikus: Versorgungsgebiete
[aus Hall et al. 2001]
•
Abb. 24: a: Tonusregulation der Widerstandsgefäße; b: Blutdruck in
Abhängigkeit zum Tonus der Widerstandsgefäße;
[aus van den Berg 2000, S. 130]
•
Abb. 25: Übersicht über die wichtigsten vasomotorischen Funktion
des Endothels [aus Thews/Vaupel 2005, S. 199]
•
Abb. 26: Axonreflex [aus Roche Lexikon der Medizin 2003]
•
Abb. 27: a: Gegenüberstellung Ruhedurchblutung maximale
Durchblutung b: Blutbedarf verschiedener Organ bei Ruhe und
Arbeit [aus van den Berg 2000, S. 129]
•
Abb. 28: a: Einfluss der Gravitation auf die Gefäßdrücke;
b: orthostatische Kreislaufanpassung [aus Schmidt 2001, S. 214]
•
Abb. 29: Die sensiblen Organe der Haut [aus Schmidt 2001 S. 96]
•
Abb. 30: Aufbau eines vegetativen Reflexbogens
[aus Schmidt 2001, S. 150]
•
Abb. 31: Reflexverschaltung zwischen Enterotom, Myotom und
Dermatom: viszerogene, kuti-viszerale, myo-viszerale Reflexe
[aus Schiffter/Harms 2005, S. 16]
•
Abb. 32: Verknüpfung vegetativer und somatischer Efferenzen auf
spinaler Ebene; (1) viszero-kutaner Reflex, (2) viszero-somatischer
Reflex (3) kuti-viszeraler Reflex, (4) viszero-viszeraler Reflex
[aus Schmidt/Schaible 2006, S. 158]
•
Abb. 33: Leitungsbahnen der UEX: a: Nerven, b: Arterien, c: tiefe
Venen, d: oberflächliche Venen, e: epifasziale Lymphgefäße
[aus Todd R. Olson/ Wojciech Pawlina 1999, 226 ff.]
•
Abb. 34: Die Probandin [Alfred Ellinger 2005]
•
Abb. 35 : a/p Röntgen der Probandin; a: Rumpf, Becken, Hüfte
(6/2000); b: Thorax (12/2005) [Sylvia Ellinger 2006]
103
•
Abb. 36: Infrarotbilder Fußreflexzonenmassage
•
Abb. 37: Infrarotbilder Bindegewebsmassage
•
Abb. 38: Infrarotbilder Manuelle Therapie (Mobilisation Th10–L2)
•
Abb. 39: Infrarotbilder Recoiltechnik nach Paul Chauffour D.O.
•
Abb. 40: Infrarotbilder PNF Pelvispattern
Abb. 36–40: [Ellinger A./Hacker J.2006]
104