ENTSORGUNG KLÄRSCHLAMM
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ENTSORGUNG KLÄRSCHLAMM
KLÄRSCHLAMM ENTSORGUNG Vorwort ist eine technisch einfache, für die Kläranlagenbetreiber kostengünstige und wegen der Düngestoffe im Klärschlamm für die Klärschlammabnehmer auf den ersten Blick interessante Lösung. Willi Stächele MdL Minister für Ernährung und Ländlichen Raum des Landes Baden-Württemberg Die Verwertung von Abfällen bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Ökologie, Ökonomie und sozialer Verantwortung. Die Verwertung kommunaler Klärschlämme war in der Vergangenheit stark auf die Landwirtschaft ausgerichtet. Seit etwa 10 Jahren werden große Klärschlammmengen auch im Landschaftsbau, d.h. im wesentlichen bei Rekultivierungsmaßnahmen, eingesetzt. In Großstädten und industriellen Ballungsgebieten ist man dagegen schon seit längerer Zeit auf die Klärschlammverbrennung angewiesen. Eine Klärschlammverwertung in der Landwirtschaft und im Landschaftsbau Die ökologische Problematik bei dieser Art der Klärschlammverwertung liegt darin, dass kommunaler Klärschlamm immer eine Senke für Schadstoffe darstellt, die von unseren Flüssen, Bächen und Seen fern gehalten werden müssen. Je besser die Abwässer in den kommunalen Kläranlagen gereinigt werden, umso mehr Schadstoffe müssen sich zwangsläufig in den Klärschlämmen wiederfinden. Dabei geht es heute nicht nur um schädliche Schwermetalle, sondern immer mehr um schwer abbaubare ökotoxische organische Substanzen, die zunehmend aus dem häuslichen Umfeld stammen: Wirkstoffe in Arzneimitteln und Kosmetika, Rückstände aus Wasch- und Reinigungsvorgängen, Weichmacher aus Kunststoffen, Flammschutzmittel, Rückstände aus Verbrennungsvorgängen, usw. Das Gefährdungspotential dieser Stoffe für die Bodenfauna und -flora ist zwar noch weitgehend unbekannt, es besteht aber die Besorgnis, dass wir bei Fortsetzung der Klärschlammverwertung in der Fläche den Böden und dem Grundwasser schaden. Im Übrigen hat uns die BSE-Problematik verstärkt auf die bei der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung zu beachtenden hygienischen Risiken hingewiesen. Das Ministerium für Umwelt und Verkehr und das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum BadenWürttemberg raten deshalb aus Vorsorgegründen von einem weiteren bodenbezogenen Klärschlammeinsatz ab. Dadurch stellt sich automatisch Ulrich Müller MdL Minister für Umwelt und Verkehr des Landes Baden-Württemberg die Frage, welche alternativen Entsorgungswege anzustreben sind. Diese Broschüre hilft, eine richtige Lösung zu finden. Dabei kann es nur ein Ziel geben, nämlich eine für das Wasser, den Boden und die Luft unschädliche und ökonomisch akzeptable Klärschlammentsorgung mit hoher Verlässlichkeit für die Kläranlagenbetreiber. Die thermische Entsorgung mit bewährten und innovativen Verfahren bietet hierzu die angemessene Antwort. Daneben müssen wir uns verstärkt bemühen, düngewirksame Substanzen, insbesondere Phosphate, aus den Klärschlämmen zurückzugewinnen, sei es direkt in den Kläranlagen oder aus den Rückständen nach der thermischen Behandlung. 3 Die Klärschlammmenge In Baden-Württemberg erzeugen derzeit mehr als 1100 kommunale Kläranlagen Klärschlämme in einer Menge von insgesamt über 300.000 Tonnen Trockenmasse* pro Jahr. Anfang der 90er Jahre waren dies noch nahezu 400.000 Tonnen. Dieser Rückgang ist insbesondere auf intensive Anstrengungen der Industrie und des Gewerbes zurückzuführen, mit Brauchwasser sparsamer umzugehen und die Produktionsabwässer bereits im Betrieb weitgehend zu reinigen. Dies mit dem Ziel, so wenig schlammträchtige Stoffe wie möglich in die Ortskanalisation abzuleiten. Inzwischen ist nahezu jeder Betrieb und fast jeder Einwohner in Baden-Württemberg an die Kanalisation angeschlossen. Auch die meisten geplanten Regenwasserbehandlungsanlagen sind gebaut. In Zukunft wäre deshalb wohl nur dann mit einer Zunahme der Klärschlammmenge zu rechnen, wenn eine Verschärfung der Anforderungen an die Abwasserreinigung zusätzliche Abwasserbehandlungsstufen (Feinstfilter, Aktivkohlefilter, usw.) erfordern würde. Es werden jedoch sicher auch in den kommenden Jahren vielfältige Anstrengungen unternommen, die Klärschlammmenge in den Kläranlagen zu reduzieren, etwa durch eine noch bessere Ausfaulung oder durch die Abtrennung von Nutzstoffen (Phosphat, Nitrat, Kalk) aus den Klärschlämmen. Die Menge an Klärschlämmen könnte somit stabil gehalten werden. * Trockenmasse bedeutet Klärschlamm nach vollständigem Wasserentzug. Diese Rechengröße wird benutzt, weil Klärschlämme in den Kläranlagen mit unterschiedlichen Wassergehalten anfallen und auch mit unterschiedlichen Wassergehalten entsorgt, d.h. verwertet oder beseitigt, werden. 4 Klärschlammanfall in Baden-Württemberg Tonnen Trockenmasse 450 000 400 000 350 000 300 000 250 000 200 000 150 000 100 000 50 000 0 1991 1995 1996 1997 1998 1999 2000 Pflanzenwachstum sagt nichts aus über die Qualität des Klärschlamms 2001 Der Klärschlamm ist eine Schadstoffsenke Primäres Ziel der Abwasserreinigung ist es, unsere Bäche, Flüsse und Seen vor Schadstoffen zu bewahren. In den Kläranlagen werden deshalb die Trübstoffe und viele in Lösung befindliche organische und anorganische Stoffe zurückgehalten. Dadurch sind unsere Gewässer sichtbar sauberer geworden. Dennoch müssen wir feststellen, dass die zunehmende Vielfalt an Gebrauchschemikalien wie z. B. Lacke, Lösemittel, Reinigungsmittel, aber auch Mittel zur Körperpflege und ausgeschiedene Medikamente, neue Probleme für die Abwasserreinigung mit sich bringen. Praktisch jeder Haushalt leitet somit unbewußt giftige und gefährliche Substanzen in geringen Mengen in das öffentliche Kanalnetz ein, auch in ländlichen, wenig industrialisierten Gegenden. Da wir uns bemühen, diese Stoffe durch die Abwasserbehandlung in den Kläranlagen möglichst vollständig von den Gewässern fernzuhalten, finden sich immer mehr davon in den Klärschlämmen. Diese stellen somit im Sinne des Umweltschutzes angestrebte Schadstoffsenken dar. Wir werden diese Senken noch lange benötigen, denn es ist nicht abzusehen, dass die Bevölkerung auf ihr lieb gewordene Gebrauchschemikalien verzichten möchte oder dass diese kurzfristig durch umweltverträglichere Substanzen ersetzt werden könnten. 5 Schwermetalle im Klärschlamm Bei Untersuchungen von Schadstoffen in Klärschlämmen standen bisher die Schwermetalle im Vordergrund, da diese bei der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung das wichtigste Qualitätskriterium darstellen. Die dabei nachweisbaren Blei-, Cadmium-, Chrom-, Nickel- und Quecksilbergehalte stammen vor allem aus industriellen Abwässern. Bei den Kupfer- und Zinkgehalten spielen dagegen korrodierende Regenrinnen, Trinkwasserleitungen und Dachverwahrungen unserer Wohnhäuser zunehmend eine dominierende Rolle. Die nebenstehenden Abbildungen zeigen die Entwicklung der Cadmium-, Quecksilber- und Kupfergehalte in Klärschlämmen am Beispiel des Abwasserzweckverbandes Heidelberg. Die Verlaufskurven sind repräsentativ für die großen Anstrengungen in Baden-Württemberg bei der Reduzierung von Schadstoffeinleitungen in die Ortskanalisationen. Dabei wird aber auch deutlich, dass die Konzentrationen der dargestellten Schwermetalle in letzter Zeit wieder leicht ansteigen. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass die Klärschlämme in den Kläranlagen zunehmend besser ausgefault werden. Je mehr Klärgas (Methan) aus dem organischen Anteil der Klärschlämme gewonnen wird, umso mehr reduziert sich der organische Anteil im Klärschlamm, wodurch zwangsläufig die Konzentrationen der anorganischen Schadstoffe zunehmen. Zur Orientierung vgl. Abb. rechts, die nach der gültigen Klärschlammverordnung zulässigen Schadstoffgehalte und die von der EG-Ökolandbauverordnung tolerierten Werte beim Einsatz bestimmter organischer Abfälle als Düngemittel. Bei der vorgeschlagenen Novellierung der Klärschlammverordnung sollen u. a. die Grenzwerte für Schwermetalle wesentlich reduziert werden. Dabei werden von der Bundesregierung Werte zur Diskussion gestellt, die größenordnungsmäßig den Werten der EGÖkolandbauverordnung entsprechen. 6 Kupfer mg pro kg Trockenmasse 900 800 700 Grenzwert der Grenzwert der Klärschlammverordnung Klärschlammverordnung 600 Gehalt im Klärschlamm Gehalt im Klärschlamm Grenzwert der EG-Ökolandbauverordnung Grenzwert der für den Einsatz bestimmter organischer Abfälle EG-Ökolandbauverordnung für den Einsatz bestimmter organischer Abfälle 500 400 300 200 100 0 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 Quecksilber mg pro kg Trockenmasse 14 Grenzwert der der Grenzwert Klärschlammverordnung Klärschlammverordnung Gehalt im Klärschlamm 12 Gehalt im Klärschlamm Grenzwert der EG-Ökolandbauverordnung Grenzwert der für den Einsatz bestimmter organischer Abfälle EG-Ökolandbauverordnung für den Einsatz bestimmter organischer Abfälle 10 8 6 4 2 0 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 Cadmium mg pro kg Trockenmasse 45 Grenzwert der Grenzwert der Klärschlammverordnung Klärschlammverordnung Gehalt im Klärschlamm 40 Grenzwert der Gehalt im Klärschlamm EG-Ökolandbauverordnung 35 für den Einsatz bestimmter organischer Abfälle Grenzwert der EG-Ökolandbauverordnung für den Einsatz bestimmter organischer Abfälle 30 25 20 15 10 5 0 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 Organische Schadstoffe im Klärschlamm Bei Untersuchungen von Klärschlämmen auf organische Schadstoffe waren bisher die Parameter AOX, Dioxin und PCB gefragt, da die Klärschlammverordnung bei der landwirtschaftlichen Verwertung hierfür Grenzwerte festgelegt hat. Unter dem Parameter AOX (adsorbierbare organisch gebundene Halogene) verbergen sich eine Vielzahl organischer Schadstoffe. Die Entwikklung der AOX-Konzentration in landwirtschaftlich verwerteten Klärschlämmen aus Baden-Württemberg ist der nebenstehenden Abbildung zu entnehmen. Der Kurvenverlauf zeigt, dass das Verminderungspotential wohl weitgehend ausgeschöpft ist. Aktuelle Klärschlammuntersuchungen konzentrieren sich auf spezielle organische Schadstoffgruppen. So hat das Land Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren ca. 1,5 Millionen Euro für Untersuchungen zur Identifikation und Bewertung von Arzneimittel und hormonell wirksamen Substanzen in der aquatischen Umwelt aufgewendet. Es handelt sich hierbei vor allem um weitverbreitete und in großen Mengen verabreichte Antibiotika, blutdrucksenkende, empfängnisverhütende, schmerzstillende, entzündungshemmende, fiebersenkende, blutfettsenkende, durchblutungsfördernde oder krampflösende Arzneimittel, Betablokker, Beruhigungs- und Röntgenkontrastmittel, bei Chemotherapien eingesetzte Mittel, aber auch Tierarzneimittel, Flammschutzmittel und Industriechemikalien mit östrogener Wirkung (Xenoöstrogene). AOX (AOX = Summenparameter für adsorbierbare organisch gebundene Halogene) mg pro kg Trockenmasse 1000 Grenzwert der 900 Klärschlammverordnung Grenzwert der Gehalt im Klärschlamm Klärschlammverordnung 800 Gehalt im Klärschlamm 700 600 500 400 300 200 100 0 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 Klärschlammuntersuchungen Konzentrationsbereich in µg pro kg Arzneimittelwirkstoffe Metoprolol(Betablocker) Sotalol (Betablocker) Propyphenazon (Schmerzmittel) Roxithromycin (Antibiotikum) Clarithromycin (Antibiotikum) < < < < 7 2 2 2 2 – – – – – 130 40 24 85 180 Flammschutzmittel mit vermuteter hormoneller Wirkung Tetrabrombisphenol A Polybromierte Diphenylether 0,4 – 62,2 44,5 – 461,3 Industriechemikalien mit östrogener Wirkung (Xenoöstrogene) Alle diese Stoffe wurden auch in Klärschlämmen nachgewiesen. Es ist nicht zu erwarten, dass es kurzfristig gelingen könnte, diese umweltrelevanten Substanzen aus dem Stoffkreislauf zu eliminieren. p-Nonylphenol 4-tert-Octylphenol Bisphenol A 4-tert-Butylphenol 2,3 – 49,5 < 0,02 – 3,8 < 0,04 – 10 0,58 – 3,8 7 Künftige Klärschlammentsorgung Das nachstehende Schaubild zeigt, dass sich bereits in der Vergangenheit große Veränderungen bei der Entsorgung von Klärschlämmen aus Baden-Württemberg ergeben haben. Es stellt sich nun die Frage, welche Entsorgungswege für den Klärschlamm in Zukunft unter ökologischen und ökonomischen Randbedingungen einzuschlagen sind. Entsorgung der in Baden-Württemberg angefallenen Klärschlämme Tonnen Trockenmasse 1991 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 450 000 400 000 350 000 300 000 250 000 200 000 150 000 100 000 50 000 0 Deponierung Landwirtschaft Verbrennung Landschaftsbau Gesamt Klärschlamm gehört nicht auf die Deponie 1991 wurden Klärschlämme noch hauptsächlich auf Deponien entsorgt. Derzeit werden nur noch weniger als 10 % der im Lande erzeugten Klärschlämme deponiert. Dieser deutliche Rückgang erklärt sich dadurch, dass die Deponiebetreiber die Ablagerung 8 feuchter Klärschlämme stark drosseln mussten, um die Deponien stabil zu halten. Sie ließen deshalb nur noch stark getrocknete Klärschlämme zur Ablagerung zu. Da die Klärschlammtrocknung relativ teuer ist, fand eine Umlenkung des Entsorgungsweges vor allem in Richtung Landschaftsbau statt. Die Klärschlammentsorgung auf Deponien kommt allenfalls noch bis Mitte 2005 in Frage. Danach ist das Deponieren organischer Abfälle nicht mehr erlaubt. Klärschlammverwertung in der Landwirtschaft und im Landschaftsbau ist ein Auslaufmodell Knapp 40 % der in baden-württembergischen Kläranlagen anfallenden Klärschlämme werden derzeit im Landschaftsbau, und ca. 25 % in der Landwirtschaft verwertet. Der Bedarf von Klärschlamm im Landschaftsbau wird jedoch schon mittelfristig deutlich zurückgehen, da in absehbarer Zeit wesentliche Einsatzbereiche, wie die Rekultivierung von Bergbauhalden, industrielle Altstandorten und Deponieoberflächen entfallen. Klärschlammverwertung in der Landwirtschaft abzuraten. Auch die Agrar- und Umweltminister des Bundes und der Länder haben ihre Bedenken am 13. Juni 2001 in Potsdam durch folgenden Beschluss ausgedrückt: „Im Sinne des vorbeugenden Umweltschutzes müssen bedenkliche Stoffeinträge in die Umweltmedien Boden, Wasser, Luft verhindert werden. Wegen der besonderen Bedeutung der landwirtschaftlichen Böden für eine Produk- tion gesunder Nahrungsmittel ist aus Vorsorgegründen sicherzustellen, dass es durch Bewirtschaftungsmaßnahmen (insbesondere Ausbringung von Klärschlamm, Gülle und anderer Wirtschaftsdünger, mineralischem Dünger sowie Kompost) zu keiner Anreicherung von Schadstoffen im Boden kommen kann.“ Auch die Bundesregierung ist sich ihrer Verantwortung bewusst und hat klar zu verstehen gegeben, dass sie die Klärschlammverordnung in Kürze novellieren will. Bei der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass selbst bei Einhaltung der derzeit zulässigen Schlammausbringungsmengen eine Schwermetallanreicherung in den Böden zu befürchten ist. Hinzu kommt das bei der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung stets relevante hygienische Risiko, das durch die BSEProblematik neu akzentuiert wurde. Im Übrigen geht die Wissenschaft intensiv der Frage nach, ob bzw. inwieweit sich die in den Klärschlämmen entdeckte Vielfalt organischer Substanzen schädlich auf die Bodenfauna und -flora auswirken könnte. Bisher sind bei landwirtschaftlichen Produkten aus mit Klärschlämmen gedüngten Ackerflächen noch keine erkennbaren Qualitätsprobleme oder Ernteeinbußen zu verzeichnen. Solange jedoch vermutete Gefahren wissenschaftlich nicht eindeutig entkräftet werden können, ist es umweltpolitisches Gebot, Vorsorge einzufordern. Konsequenterweise hat das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum im Einvernehmen mit dem Ministerium für Umwelt und Verkehr des Landes Baden-Württemberg im Frühjahr 2001 seine Dienststellen angewiesen, aus Vorsorgegründen von einer Ausbringung von Klärschlamm auf landwirtschaftlichen Flächen 9 Für die Landwirtschaft relevante Schadstoffgrenzwerte (in mg pro kg Trockenmasse) 1) Parameter Klärschlammverordnung von 1996 in den Niederlanden geltende Grenzwerte in Dänemark geltende Grenzwerte Vorsorgewerte für Böden nach Bodenschutzrecht EG-ÖkolandbauVerordnung Nr. 2002/911) Cadmium 10 (5) 1,25 0,8 0,4 – 1,5 0,7 Kupfer 800 75 100 20 – 60 70 Nickel 200 30 30 15 – 70 25 Blei 900 100 120 40 - 100 45 Zink 2500 300 4000 60 – 200 200 Quecksilber 8 0,75 0,8 0,1 – 1 0,4 Chrom 900 75 100 30 – 100 70 Die EG-Ökolandbauverordnung erlaubt keine Klärschlammverwertung in der Landwirtschaft. Sie regelt die Aufbringung von bestimmten organischen Abfällen auf Böden. In seinem Beschluss vom 26. April 2002 fordert der Bundesrat von der Bundesregierung eine baldige Überarbeitung der Klärschlammverordnung mit folgenden Verschärfungen: • Reduzierung der Schwermetalleinträge in Böden durch Absenkung der zulässigen Schwermetallgehalte für landwirtschaftlich zu verwertende Klärschlämme, • Überprüfung der bei der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung zulässigen Gehalte organischer Schadstoffe und Prüfung, ob in die Klärschlammverordnung neue organische Parameter aufzunehmen sind, • erhöhte Anforderungen an die Klärschlammbehandlung zur Reduzierung hygienischer Gefahren, • konkrete Anforderungen an Klärschlammgemische, • qualitätssichernde Maßnahmen (z.B. neutrale Probeentnahmen für die Klärschlammuntersuchungen), 10 • Verbesserung der Klärschlammuntersuchungen (mengenabhängige Staffelung, Harmonisierung der Untersuchungsverfahren), • Anpassung der Bodenwerte für Schwermetalle an die Vorsorgewerte der Bundesbodenschutzverordnung und Ergänzung um Werte für polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Benz(a)pyren. Im Übrigen plädiert der Bundesrat dafür, geeignete Klärschlämme vorzugsweise regional zu verwerten. Er empfiehlt zudem der Bundesregierung, innovative Technologien zur schadstoffarmen Rückgewinnung der wertgebenden Inhaltstoffe, insbesondere des Phosphats, stärker finanziell zu fördern. Wenn die vom Bundesrat erhobenen Forderungen umgesetzt werden, können wahrscheinlich viele Kläranlagenbetreiber die Ansprüche an eine landwirtschaftliche Verwertung ihrer Klärschlämme nicht mehr erfüllen. Aber auch die Landwirte, die noch „gute“ Klärschlämme als Düngemittel einsetzen, laufen dann Gefahr, dass ihre landwirtschaftlichen Produkte Imageschäden erleiden und damit schwieriger zu vermarkten sind. Naheliegende Lösung: Klärschlamm thermisch entsorgen Derzeit werden rd. 30 % der in BadenWürttemberg anfallenden Klärschlämme thermisch entsorgt. Größere Schlammmengen werden schon seit langem in eigens für die thermische Klärschlammbeseitigung eingerichteten „Mono“-Verbrennungsanlagen in den Kläranlagen Stuttgart, Karlsruhe und Ulm entsorgt. Diese technisch und ökologisch bewährten Entsorgungsanlagen sind jedoch relativ teuer. Eine kostengünstigere Lösung ist die Mit-Verbrennung von Klärschlämmen in thermischen Großanlagen. Derzeitige „Favoriten“ sind dabei Kohlekraftwerke sowohl in Baden-Württemberg als auch in anderen Bundesländern. Klärschlämme können aber auch in Zementwerken mitverbrannt werden. Die Mit-Verbrennung setzt voraus, dass die Klärschlämme geruchsarm, d.h. biologisch oder chemisch stabilisiert sind, bei Kohlekraftwerken einen Feststoffgehalt von mindestens 25 %, bei Zementwerken über 70 %, aufweisen und bestimmte Schadstoffgehalte nicht überschreiten (dabei ist insbesondere der Quecksilbergehalt von Bedeutung). Aber auch andere Faktoren wie z.B. hohe Kalk- und Phosphatgehalte können bei der Mit-Verbrennung limitierende Faktoren sein. In solchen Fällen hilft möglicherweise eine Mischung von Schlämmen, um die Vorgaben des Entsorgers einzuhalten. Ent- und Vergasungstechniken. So wandelt das Sekundärrohstoffverwertungszentrum (SVZ) „Schwarze Pumpe“, Spreetal, schon seit längerer Zeit größere Klärschlammmengen in ein energetisch oder stofflich verwertbares Synthesegas um. Aber auch in BadenWürttemberg wird in einer Pilotanlage auf der Kläranlage Balingen pyrolytisch ein energiereiches Gas aus Klärschlamm gewonnen (Durchsatz rd. 1000 Tonnen Trockenmasse pro Jahr bei einem Wassergehalt des zu pyrolysierenden Schlamms von etwa 65 %). 1 Bild 1 Kohlekraftwerk Heilbronn Bild 2 Anlieferung von Klärschlamm zur Mit-Verbrennung im Kohlekraftwerk Heilbronn 2 Für die thermische Klärschlammentsorgung kommen auch Hausmüllverbrennungsanlagen in Betracht. Wegen der relativ geringen Müllverbrennungskapazitäten und der hohen Kosten werden in Baden-Württemberg wohl nur geringe Klärschlammmengen in diesen Entsorgungsweg münden. Innovative Methoden der thermischen Klärschlammentsorgung beruhen auf 11 Thermische Klärschlammentsorgung wird nur unwesentlich teurer! Das Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg hat die organisatorischen und finanziellen Konsequenzen bei einem Wechsel von der derzeitigen Entsorgungsmethode zur thermischen Entsorgung untersucht1). Das Ergebnis lässt sich wie folgt zusammenfassen: Für Kläranlagenbetreiber, die ihren bereits maschinell entwässerten Schlamm an den Landschaftsbau oder die Landwirtschaft abgeben, kostet ein Wechsel zur thermischen Entsorgung im Mittel rd. 4 Cent pro m3 Abwasser. Unter günstigen Bedingungen kann eine solche thermische Schlammentsorgung aber auch zu Einsparungen führen. Eine Abschätzung von Kostenveränderungen für Kläranlagen, die ihren Schlamm noch auf Deponien ablagern, war wegen der sehr unterschiedlichen Deponiegebühren nicht möglich. Die Zusatzkosten dürften in diesen Fällen jedoch wie bei einem Wechsel von der Klärschlammverwertung im Landschaftsbau zur thermischen Entsorgung liegen. Etwa 340 Kläranlagen mit Kapazitäten von meist unter 10 000 EW2), geben insgesamt etwa 3 % der in BadenWürttemberg anfallenden Klärschlammtrockenmasse als Nassschlamm an die Landwirtschaft ab. Beim Wechsel zu einer thermischen Entsorgung benötigen diese Kläranlagen eine maschinelle Schlammentwässerung (stationär oder mobil) und ggf. Maßnahmen zur Speicherung des bei der mechanischen Klärschlammentwässerung durch Pressen anfallen- 12 Kläranlage mit Solartrocknung (oben links) den Filtratwassers. Mit der Filtratwasserspeicherung sollen Schmutzstöße vermieden werden, die besonders bei kleineren Kläranlagen die Reinigungsleistung beeinträchtigen können. Im Mittel haben diese Kläranlagen Mehrkosten von rd. 17 Cent pro m3 Abwasser zu erwarten. Kann wegen günstiger Randbedingungen in der Kläranlage, beim Vorfluter oder durch die Nassschlammtrocknung in einer solaren Trocknungsanlage auf einen Filtratwasserspeicher verzichtet werden, verringern sich die durchschnittlichen Mehrkosten auf rd. 12 Cent pro m3 Abwasser. Hochgerechnet auf das gesamte Land Baden-Württemberg ergeben sich bei einem vollständigen Wechsel zur thermischen Klärschlammentsorgung jährliche Mehraufwendungen für Betriebskosten von rd. 16,5 Millionen Euro, d. h. ca. 1,5 Euro pro Einwohner und Jahr. 1) „Zukünftige Klärschlammentsorgung in Baden-Württemberg (Auswirkung der thermischen Entsorgung auf die Abwassergebühr)“ (www.uvm.baden-wuerttemberg.de) 2) Einwohnerwert (EW): Maß für die Ausbaugröße von Kläranlagen (die Summe der Ausbaugrößen aller Kläranlagen in Baden-Württemberg (in EW) entspricht etwa der zweifachen „echten“ Einwohnerzahl von Baden-Württemberg) Die genannten Beträge können als Anhaltspunkte für eine grobe Orientierung dienen. Bei einem exakten, fallbezogenen Kostenvergleich muss jedoch noch berücksichtigt werden, dass auch bei einer eventuellen Fortsetzung der Schlammverwertung in der Landwirtschaft und im Landschaftsbau beachtliche Zusatzkosten entstehen werden. Nämlich aus den zu erwartenden wesentlichen Verschärfungen der Anforderungen an die Klärschlammhygienisierung und Klärschlammuntersuchung. Somit werden für Betreiber kleiner Kläranlagen bei einer thermischen Entsorgung vergleichsweise nur geringe Mehrkosten entstehen. Um übermäßige Kostensteigerungen zu dämpfen, wird das Land BadenWürttemberg Investitionen fördern, die eine thermische Klärschlammentsorgung erleichtern oder verbilligen. Zum Beispiel die Verbesserung der Stabilisierung und des Entwässerungsgrades des Klärschlamms, die Filtratwasserspeicherung und die solare Trocknung. Dies gilt jedoch nur, wenn sichergestellt wird, dass die mit höherem Aufwand vorbehandelten Klärschlämme dann nicht mehr in der Landwirtschaft oder im Landschaftsbau verwertet werden. 1 2 3 Bild 1 Faultürme einer Kläranlage Bild 2 Solare Klärschlammtrocknung auf einer kleineren Kläranlage Bild 3 Mobile Schlammpresse, Entwässerungskonzept mit Filtratwasserspeicher 13 Das Land Baden-Württemberg empfiehlt: Baldiger Wechsel zur thermischen Klärschlammentsorgung! Den Kläranlagenbetreibern, die heute ihren Klärschlamm deponieren oder „im Boden“ verwerten, wird dringend empfohlen, sich so bald wie möglich um eine thermische Entsorgungsmöglichkeit und die hierzu eventuell notwendige Optimierung der Behandlung ihres Schlammes zu bemühen. Sofern noch nicht geschehen, wird geraten, dabei folgende Schritte zu vollziehen: • Genaue Dokumentation der Menge und Beschaffenheit des Klärschlamms in der Form, wie er heute die Kläranlage mit dem Ziel der Entsorgung verlässt. Dabei ist wichtig, auch die Jahresganglinien der für eine thermische Entsorgung wichtigen Faktoren zu dokumentieren. • Einholung von Angeboten zur thermischen Entsorgung der Klärschläm- me, ggf. einschließlich der notwendigen Schlammentwässerung. setzung und die Masse des zu entsorgenden Schlamms). • Abklärung, ob bzw. inwieweit auf Grund der eingeholten Angebote für eine thermische Klärschlammentsorgung ein überörtliches Klärschlammmanagement mit dem Ziel, Entsorgungskosten zu reduzieren, interessant und realisierbar sein könnte. • Prüfung, ob auf der eigenen oder auf der mitbenutzen Kläranlage Investitionen vorgenommen werden müssen, welche Betriebskosten dabei in Ansatz zu bringen sind und welche finanziellen Fördermöglichkeiten hierfür bestehen. • Optimierung der eigenen – bzw. zusammen mit anderen Kläranlagenbetreibern bereits betriebenen oder geplanten – Verfahren Schlammeindickung – Stabilisierung – Entwässerung (Trocknung) oder des gemeinsamen Klärschlammtransports zu den Entsorgungsanlagen. Bei der Klärschlammstabilisierung und -entwässerung ist auch auf die eingesetzten Hilfsmittel zu achten (Einfluss auf die chemische Zusammen- Diese Punkte sollten auch deshalb bald abgearbeitet werden, damit die Anbieter von Entsorgungsleistungen den „kommunalen Klärschlammmarkt“ besser einschätzen und die notwendigen Kapazitäten rechtzeitig zur Verfügung stellen können. Das Ministerium für Umwelt und Verkehr empfiehlt eine Intensivierung der Zusammenarbeit der Kläranlagenbetreiber mit dem Ziel, durch größere Klärschlammmengen bessere Konditionen bei der Entsorgung zu erzielen. Klärschlammentsorgung 2002 Schlammstabilisierung Filtratwasserspeicher Schlammentwässerung Landwirtschaft Landschaftsbau Deponie Abwasser aus Kanalisation Abwasserreinigung Thermische Entsorgung Künftig 14 Aufbereitungsrückstände Aufbereitung phosphorhaltige Düngemittel Thermische Klärschlammentsorgung in den Stadt- und Landkreisen 2001 0 – 10 % * 10– 20 % * 20– 30 % * 30– 50 % * 50–100 % * Mannheim Main-Tauber-Kreis * prozentualer Anteil der im jeweiligen Stadt- oder Landkreis bereits thermisch entsorgten Klärschlammmenge (bezogen auf die jeweilige Gesamtmenge – gemessen als Trockenmasse) Heidelberg Neckar-Odenwald-Kreis Hohenlohekreis Rhein-Neckar-Kreis Lkr Heilbronn Lkr Karlsruhe Heilbronn Schwäbisch Hall Karlsruhe Enzkreis Rastatt Ludwigsburg Pforzheim Ostalbkreis Rems-Murr-Kreis Stuttgart Baden-Baden Calw Freudenstadt Böblingen Esslingen Göppingen Alb-Donau-Kreis Tübingen Ortenaukreis Heidenheim Reutlingen Ulm Rottweil Zollernalbkreis Emmendingen Schwarzwald Baar-Kreis Freiburg Biberach Tuttlingen Sigmaringen Breisgau-Hochschwarzwald Ravensburg Konstanz Lörrach Waldshut Bodenseekreis 15 1 2 3 4 5 Bild 1 Kläranlage Mühlhausen, Stuttgart Bild 2 Scheibentauchkörperkläranlage Bild 3 Schaltzentrale in einer Kläranlage Bild 4 Belebungsbecken Bild 5 Kläranlage AZV Mariental, Ravensburg Herausgeber: Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg, Telefon: 0711-126-0 Internet: www.uvm.baden-württemberg.de Herstellung: E. Kurz & Co, Stuttgart 1. Auflage, 1. August 2002, 10 000 Ex. 2. Auflage, 1. Dezember 2002, 5 000 Ex.