Reise Sprich mal „Schkopau“ auf Spanisch aus
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Reise Sprich mal „Schkopau“ auf Spanisch aus
Berliner Zeitung · Nummer 276 · 24./25. November 2012 R 2 ......................................................................................................................................................................................................................................................................................................... Reise F O T O L I A / A L E X A N D E R Y A KO V L E V Damit haben die Deutschen mal nichts zu tun: Amerikanische Oldtimer prägen das Straßenbild Havannas. KUBA Sprich mal „Schkopau“ auf Spanisch aus Deutsche haben in Kuba erstaunlich viele Spuren hinterlassen – sowie ein paar ihrer geliebten Vierbeiner. Eine Geschichte über Teckel, Jecken, Glücksritter als man glaubt. Der Namensgeber des Kulturhauses fällt ihm stets als erstes ch, Kubas zugereiste Schönhei- ein, wenn es um Preußen geht, die ten: Sie aalen sich im feinen den Weg hierher gefunden haben. Alexander von Humboldt war Sand von Varadero, dösen in der Sonne, wiegen ihre Hüften zu zweimal auf der Insel, 1800 und 1804, den Salsa-Takten, die der Wind her- kämpfte sich von Havanna bis Surgitreibt. Sie promenieren übers Kopf- dero im Süden quer durch die Insel steinpflaster Trinidads, vorbei an und den Busch, katalogisierte Würgebonbonfarbenen Häusern und sehen feigen, zählte Leguane, spießte Käfer den Pferdedroschken hinterher, sie auf. Und vermaß die Höhlen in den streichen um Havannas patinierte Bergen oberhalb von Güines. Über Jugendstilfassaden, flanieren den 16 Kilometer lang ist das System aus Malecón herunter, mit keckem Blick, feuchten Schächten, schmalen Gäntauchen ihre Nasen in den salzigen gen und immer neuen Räumen, die Karibiknebel, den die Brandung über sich auftun, weit unten in der Erde. die Promenade trägt. Und sie zieren, Minerale blühen grün auf bleichem fein säuberlich gerahmt, das Büro Kalk, ein paar Frösche, ein paar Olme von Ivan Muñoz Duthil. Dackel, sagt und perfekte Stille. So muss es gewesen sein, vor gut 200 Jahren, als Humer, sind doch eine Legende. Der Professor hat sich in den boldt hier herunterstieg. Und so ist es heute, wenn Jesús, deutschen Dachshund irgendwie verliebt, eine ganze Meute ist ver- der Kellner vom Loma de Candela, sammelt an den Wänden in der Cá- Gästen einen Sonderwunsch erfüllt. tedra Humboldt, unweit von Havan- Kaum einer kennt die Höhle besser nas Universität. Vor gut hundert als Jesús und er weiß, wo die kritiJahren ist der Dackel hier gestrandet schen Stellen sind beim steilen Weg nach unten, zum und seitdem tauAt Eingang in den sendfach Teil der 100 km USA la nt dunklen Schlund. Karibik-Fauna, i Das Loma de Canwenn auch weitgeBAHAMAS dela ist von dort hend assimiliert: Havanna zehn Gehminuten Der Kuba-Dackel, Varadero weg, doch der idesagt Muñoz Duthil, Santa Clara Güines ale Platz für ein ist nicht ganz so Karib KUBA isches Restaurant wäre diszipliniert, dafür Meer gleich oberhalb der aber musikaliSurgidero Höhle, wo das scher. Hochplateau an eiVor allem aber JAMAIKA ner glatten Kante ist der ÜbersiedR AU F E L D endet. ler das perfekte Dort ist der Blick Symbol für die deutsch-kubanische Freundschaft – frei aufs Tal. Das Valle de Güines: eine und die pflegt man in der Cátedra erbsengrüne Ebene, platt wie ausgeHumboldt mit Deutschkursen, Aus- gossen, Süßkartoffeln, Zuckerrohr, stellungen und rheinischer Folklore. garniert mit Königspalmen und ge„Fasching!“, ruft ein Plakat im Flur, scheckten Kühen darunter. „Ein Gedas Treppenhaus schmücken Luft- mälde!“, seufzt Jesús und zeigt auf ballons, Girlanden und Clowns mit den Boden unter sich: Hier wäre die roten Nasen. Ein Praktikant aus Köln Terrasse für die Gäste und dort hinhat die Deko organisiert und beim ten, sagt er, könnte doch ein FernKostümfest am vergangenen Wo- rohr stehen, mit dem man in die chenende rieselte der Putz, so wa- Landschaft sehen kann, so wie ckelten die Wände. Richtig deutsche Humboldt damals. Stimmung, sagt der Professor, alegría Den Mayabeque alemana, doch, auch beim Feiern hätte man dann von Nahem, wie er sich können wir noch was lernen. N SO FLI Die Teckel und die Jecken also, durch die Felder CKR/J.SAM ausgerechnet hier, zwischen Latino- schlängelt, und seine AbRhythmen, Strandhandtüchern und zweigung zum Aquädukt. Gut Mojitos, Papageien und Bananen- 500 Meter stehen noch: ein Bauwerk stauden, pastellfarbenen US-Oldti- wie im alten Rom, das Wasser brachmern und Revolutions-Romantik. te zu den Zuckermühlen. Als AlexanEine kuriose Mischung, sagt Muñoz der von Humboldt kam, war es geraDuthil, der germanophile Universi- de fertig und der deutsche Forscher tätsprofessor, aber Kuba ist deutscher, ließ sich zeigen, wie man mit gussV O N T H O M A S H E I N L OT H A SERVICE Individuell: Kuba öffnet sich, wenn auch langsam: Neben dem staatlich kontrollierten Pauschal-Tourismus an den Stränden von Varadero gibt es immer mehr privat geführte Restau rants, die Paladares, und Privatunterkünfte. Dennoch ist die Insel für Individualtouristen immer noch eine Herausforderung. Dr. Tigges erstmals eine 16-tägige Studienreise „Deutsche Spuren in Kuba“ (ab 3395 Euro). www.cubarealtours.de Pauschal: Seit November bietet Cuba Real Tours zusammen mit Infos im Internet: www.cubatravel.cu www.autenticacuba.com k eisernen Achsen dem harten Rohr seinen süßen Saft abpresste. Zucker, Rum, Tabak und Kaffee: Stets wurde man mit Drogen reich auf Kuba und erstaunlich viele Zuwanderer aus dem fernen Krautund-Kartoffel-Land verdienten Anfang des 19. Jahrhunderts kräftig mit. Die zweitgrößte Finca der Insel regierte Cornelius Sasse, ein Bremer Kaufmann – und ein Sklavenhalter. Über 450 Männer pflückten auf seinen Ländereien Kaffee im Akkord und der Turm steht noch, an dem die Glocke hing, die die Sklaven auf die Felder rief. Auch die Grundmauern des Haupthauses haben die Zeit überdauert, eine Säulenhalle, die auf einer Anhöhe bei Artemisa thront. Und im nahen Stadtmuseum: die Marmor-Göttin, die die Eingangshalle zierte, und eine abgewetzte Meerschaumpfeife des Patrón. Kein schlechter Mann, sagt der Stadthistoriker Rolando García, schon klar, ein Sklavenhalter, aber seine Leute hat er gut behandelt, zweimal in der Woche gab es Rum. Auch García träumt von einem kleinen Restaurant, da, wo Deutsche ihre Spuren hinterlassen haben: Gleich neben der Ruine wäre Platz. Und ein paar Schautafeln hat er schon entworfen – über den Bremer Kubaner und die anderen deutschen Glücksritter, die an der Nordsee ablegten und in der Karibik an. In Camagüey bauten die deutschen Bauern Kokospalmen an, in Las Villas Zitrusfrüchte und Tabak in den Bergen von Viñales. In der Zigarrenfabrik der Brüder August Der Kuba-Dackel: Weniger diszipliniert, dafür musikalisch und Hermann Upmann wird immer noch eine der berühmtesten Kubanerinnen gerollt: die Montecristo. Es ist die Mischung, die eine Zigarre zu einer Montecristo macht, sagt Julio Cecar Aguero, denn Tabak ist nicht gleich Tabak: Ein Blatt prägt das Aroma, seco, eines sorgt für guten Zug, volado, und eines, ligero, bestimmt die Stärke. Cecar Agueros strenger Geschäftsführerblick wacht über 180 Dreherinnen und Dreher in einer mosaikgefliesten Aula und Fidel Castro sieht zu aus einem Rahmen an der Wand. Die Vorleserin liest Grass Blatt für Blatt geht durch zweimal 180 Hände, seco, volado, ligero, und dann das Deckblatt, dünn wie Papier, aber geschmeidig wie allerfeinstes Leder. In der Luft liegen Tabakduft und Tabakrauch und über allem eine Frauenstimme: Die Vorleserin, auf einem Podest am Mikrofon, beginnt mit ihrem Vortrag. Eine kubanische Tradition, sagt Cecar Aguero, die Dreher sind so konzentrierter bei der Arbeit. Meist geht es los mit den nationalen Nachrichten aus dem Parteiorgan, dann folgt ein Hörspiel, dann ein Roman. Und sehen Sie mal, sagt der Zigarren-Chef, heute ist es Günter Grass. Nicht immer war das deutschkubanische Verhältnis so entspannt. 1941 erklärte Havanna Nazi-Deutschland den Krieg. Vor Kubas Küsten kreuzten U-Boote der Reichsmarine. Und als Hemingway das Gerücht streute, die Boote würden von Krauts auf der Insel dirigiert, internierte man kurzerhand fast die komplette deutsche Gemeinde. Dabei war es nur Heinz-August Lüning, Hitlers Mann in Havanna, der dabei seine Hände im Spiel hatte. Lüning Schließlich hatten wir uns eine Revoflog 1942 auf und wurde umgehend lution erkämpft. Zurück in der alten hingerichtet. Der Schießkugelschrei- Heimat begleitete er oft offiziellen ber des Spions liegt heute hinter Glas Besuch aus Ostberlin, meist zu den auf blauem Samt neben kürbis- Pilgerstätten des kubanischen Soziagroßen Muscheln und einer ausge- lismus. Die Plaza de la Revolución stopften Löwin, die mal aus dem Zir- durfte dabei nie fehlen, die Asphaltkus türmte, im Stadtmuseum von wüste in der Neustadt von Havanna, Cardenas. Er funktioniert noch, sagt gesäumt vom gigantischen Konterfei die Aufseherin und lächelt fein: Ist Che Guevaras und gekrönt vom über eben deutsche Qualität. Einen Raum 100 Meter hohen Obelisken mit dem weiter stehen Solinger Macheten und Nationalhelden José Martí. Und Sanim Hof, unter einer Königspalme, ta Clara, sagt Irsula Peña, stand auch immer auf dem Programm. zwei kruppstählerne Kanonen. Es ist der wohl heiligste Ort der Das Museum ist das Renommierstück Cardenas’, ein Prachtbau an kubanischen Revolution: 1958 schlug der Plaza in hellblau und mädchen- Che Guevara hier die entscheidende rosa. Wenn Markt ist, wird die Plaza Schlacht gegen die Truppen der Banoch einmal bunter, unter den tista-Diktatur, 1997 überführte man mächtigen Ficus-Bäumen parkt seine Gebeine nach Santa Clara. Die dann eine Armada Droschken, über- letzte Ruhestätte des Comandante: voll mit weißem Knoblauch, roten groß, aber erstaunlich pathosfrei. Zwiebeln und Papaya in Orange. An Keine Wachablösung im Stechschritt den Essensständen frittieren sie und keine Souvenirs, nicht einmal aufgeregtes AnKochbananen zu standspersonal. Tostones und in Das Mausoleum den Geruch von ist ein schlichter frischem Popcorn Raum, halbdunmischt sich das kel, mit 39 Namen Klackklackklack an einer Schieferder Hufe, das von wand: die der Hauptstraße 39 Kämpfer, die herüberdringt. mit dem ComanCardenas ist die dante 1967 in BoStadt der Kutlivien fielen. Sischen. Eine Pfermon, Ramon, Judestärke treibt eilio, José und, zwei nen Lieferwagen Reihen rechts von an, die andere ein Che, Tania. Tania Taxi. Nur manchaus Eisenhüttenmal ist das satte stadt. Tamara Dieseln eines alBunke war ihr ten Chevrolets zu bürgerlicher hören, liebevoll WIKIMEDIA Name, Tania hieß gepflegt seit über 50 Jahren, und ab Alexander von Humboldt: Der Forscher sie als Guerillera an der Seite der und zu das Motowar zweimal auf Kuba. Revolutions-Ikorengeräusch eines ne. Im Museum neben dem MausoIFA W50-Lasters aus Ludwigsfelde. Vor allem bei den Schwermaschi- leum hängt ihre cremefarbene Wollnen ist Kuba ein ostdeutsches Indus- mütze, daneben Ches Tagebuch-Katriemuseum: Fast jede Zementfabrik lender, wohl ein Geschenk der kommt aus dem alten Bruderstaat. ostdeutschen Vertrauten: Der letzte Der biedere, aufgeräumte, ernüch- Eintrag ist an einem „Sonnabend“ ternd reale Sozialismus aus Ostberlin verzeichnet. Nur schade, dass der Papst bei seiund Fidel Castros bärtige KaribikRevolutionäre standen sich erstaun- nem Besuch im vergangenen März lich nahe, nicht nur der Bananen we- keinen Abstecher hierher gemacht gen, die man tauschte gegen Plaste hat. Das, sagt Irsula Peña, wäre doch aus Schkopau. Sprich das mal aus, ein schönes deutsch-deutsches Spitsagt Jesús Irsula Peña, „Ssssschko- zentreffen gewesen: Benedikt und pau“, für einen Kubaner ist das ein Tania, der Papst aus Altötting am Albtraum. In Leipzig hat er Geschich- Grab der Freiheitskämpferin aus Eite und Literatur studiert, vier Jahre senhüttenstadt, vereint auf einer lang. In der DDR, sagt Irsula Peña, Dackel-Insel unter den Königspalwaren wir Exoten, aber auch geachtet: men der Karibik.