Der Abschied von der Staatspost war überfällig

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Der Abschied von der Staatspost war überfällig
Juli / August 2014
Der Abschied
von der Staatspost
war überfällig
Vor 25 Jahren wurde mit dem
Poststrukturgesetz die Reform des
Postmarktes eingeleitet
In diesen Tagen gibt es einen Anlass, einmal ein Vierteljahrhundert zurückzublicken, um zu verstehen, wie atemberaubend
sich der Postmarkt in dieser Zeit verändert hat. Am 1. Juli 1989
trat das Poststrukturgesetz in Kraft. Die augenfälligste Konsequenz war das Ende der alten Bundespost und die Trennung von Telekom, Postdienst und Postbank. Noch geschah
alles unter den Fittichen des Bundespostministers, aber sofort
ging es auf die Suche nach geeigneten Managern. Bei der Post
wurde es Klaus Zumwinkel, der bis 2008 das Unternehmen
führte und prägte. Schon seit den 1960er-Jahren hatte es mehrere Anläufe zu einer Postreform gegeben. Als 1982 die Regierung Kohl ihre Arbeit aufnahm, schien die Zeit reif, aber erst
nach der Bundestagswahl 1987 packte Bundespostminister
>
WHO IS WHO IN DER POSTPOLITIK?
S. 3
1989: SCHWARZ-SCHILLING UND BÖRNSEN ERINNERN SICH
S. 4
POST-MITARBEITERIN ALS OSZE-BEOBACHTERIN
S. 7
Fortsetzung von Seite 1
EDITORIAL
Liebe Leserinnen und Leser,
ich frage mich manchmal, ob es nun
schon oder erst 25 Jahre her ist, dass
der Gesetzgeber mit der Trennung der
Bereiche Telekommunikation, Postdienste
und Postbank die Reform des Postwesens
einleitete. Die backsteinroten Gebäude
mit dem goldenen gotischen Lettern
„Postamt“ erinnern in so mancher Stadt
noch daran, wie hier einst Beamte in blauer Uniform hinter verglas­
ten Schaltern mit kleinen runden Sprechöffnungen saßen.
Post – das war etwas Hoheitliches. Als die Politik sich nach mehreren
vergeblichen Anläufen 1988/89 endlich an eine grundlegende Reform
der Deutschen Bundespost wagte, waren nicht nur Gewerkschafter
der Meinung: Telekommunikation vielleicht ja, aber die „gelbe Post“
muss eine staatliche Aufgabe der Daseinsvorsorge bleiben –
so wie Schule, Polizei oder Justiz. Man fürchtete Schlimmstes,
wenn das Postwesen in den freien Wettbewerb entlassen würde.
Die düsteren Szenarien, die da an die Wand gemalt wurden sind
allesamt nicht eingetreten. Das Grundgesetz garantiert
eine flächendeckende Versorgung mit den wichtigsten
Postdienstleistungen. Und der Gesetzgeber war klug genug,
den Weg in die Privatisierung und Liberalisierung zusätzlich mit
der so genannten Post-Universaldienstleistungsverordnung zu
koppeln. Darüber hinaus sind die Tarife überall gleich, egal ob der
Brief in der Stadt oder auf der Hallig zugestellt wird. Und sie sind
vor allem eines: günstig. Möglich war dies, weil die Deutsche Post
nach der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft frei war, den
heimischen Markt durch eine globale Strategie zu erweitern und
abzusichern. Ein reiner Heimatmarkt, wie er 1989 noch bestand,
hätte die Post auf Dauer zum Kostgänger des Staates gemacht.
Die Postämter von einst sind heute Partnerfilialen gewichen,
die näher am Kunden sind und längere Öffnungszeiten haben.
Ich kenne niemanden, der den alten Zeiten nachtrauert.
Und wenn mich jemand fragt, was denn passiert wäre, hätte es
vor 25 Jahren nicht die erste Postreform gegeben, habe ich eine
klare Antwort: Dann hätte uns die Europäische Union Beine
gemacht. Aber vielleicht wäre dann der Zug für eine erfolgreiche
Unternehmenspolitik schon abgefahren gewesen.
Ihr Dr. Rainer Wend
Leiter des Zentralbereichs Politik und Regulierungsmanagement
IMPRESSUM
Herausgeber Deutsche Post AG, Zentrale, Zentralbereich Politik und
Regulierungsmanagement, 53250 Bonn
Verantwortlich für den Inhalt Dr. Rainer Wend
Redaktion
Alexander Rometsch-Steinmann
Fotos
Deutsche Post DHL, BMWi, BMF, privat, Stefan Abtmeyer,
Ulrich Rosenbaum
Das Postforum erscheint auch monatlich auf der Homepage von Deutsche Post DHL:
www.dpdhl.de/postforum
Bestellungen und Anfragen richten Sie bitte an die Redaktion.
Postforum wird CO2-neutral gedruckt auf 100% Recyclingpapier.
Das Papier trägt das Umweltzeichen „Blauer Engel“.
Christian Schwarz-Schilling das heiße Eisen an. Der Veränderungsdruck kam vor allem aus dem Bereich der „grauen Post“,
also der Telekommunikation, deren Strukturen mit den technischen Veränderungen nicht Schritt hielten.
Und die „gelbe“ Post? Sie war für sich gerechnet hoch defizitär, im
Paketbereich hatte die Konkurrenz den Marktanteil der Post unter
25 Prozent gedrückt. Dennoch war es keineswegs selbstverständlich, dass aus der Behörde Bundespost drei Unternehmen werden
konnten. Denn noch galt der Artikel 87 des Grundgesetzes in der
Fassung von 1949: „In bundeseigener Verwaltung mit eigenem
Verwaltungsunterbau werden geführt der Auswärtige Dienst,
die Bundesfinanzverwaltung, die Bundeseisenbahnen, die Bundespost ...“ Daran etwas zu ändern, hätte einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat bedurft. Und weil dafür 1988
die SPD noch nicht dafür zu gewinnen war, war viel mehr als die
Sparten­trennung nicht machbar. Vor allem der Postdienst wurde
als hoheitliche Aufgabe verstanden, die der Staat unabhängig von
ihrer Wirtschaftlichkeit sicherzustellen hatte. Bei den Unionsparteien wollten viele den Beamtenstatus nicht opfern, aber auch das
bedeutete den Status quo.
Dennoch war es richtig, ohne weiteren Verzug wenigstens das
Poststrukturgesetz durchzubringen, das man später „Postreform I“ nannte. Und zwar ohne Verzögerung. Im Nachhinein
stellte sich nämlich die Frage, ob nach dem Fall der Mauer das
Vorhaben nicht auf Eis gelegt worden wäre. 1994 war dann auch
die SPD bereit, per Grundgesetzänderung die Bundespost aus
der staatlichen Verwaltung zu entlassen und den Weg für die
nächsten Schritte zu ebnen: Privatisierung (die Umwandlung der
drei Unternehmen in Aktiengesellschaften) und die Liberalisierung (2008 vollständige Öffnung des Postmarktes).
Die Befürchtungen von einst, ein Ende der Staatspost bedeute
auch ein Ende garantierter Postdienstleistungen für alle, haben
sich als unbegründet erwiesen. Schon mit dem neuen Grund­
gesetzartikel 87f wurde festgelegt: „... gewährleistet der Bund im
Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen.“
Im Postgesetz und in der Post-Universaldienstleistungsverordnung wurde dies dann konkretisiert.
Nicht bestätigt haben sich auch Befürchtungen, die „gelbe Post“
sei ohne staatliche Hilfen nicht überlebensfähig. Relativ schnell
hat sich die Deutsche Post aus der Verlustzone herausentwickelt.
Mit der Postreform II war dann fünf Jahre nach dem Gesetz von
1989 auch eine Internationalisierung möglich, die von der Unternehmensführung beherzt angepackt wurde.
Die Politiker, die entscheidend bei der Weichenstellung waren,
kommen in diesem POSTFORUM zu Wort: Christian SchwarzSchilling (CDU) und Arne Börnsen (SPD). Zwei Erkenntnisse
aus diesem Gespräch sind neu: Schwarz-Schilling offenbart, dass
die Deutsche Postgewerkschaft versuchte, per einstweiliger Verfügung zu verhindern, dass das Poststrukturgesetz überhaupt auf
die Tagesordnung des Bundeskabinetts kam. Das war ein einmaliger Vorgang in der Verfassungsgeschichte. Und Börnsen verrät,
wer der Strippenzieher hinter den Kulissen war, der die SPD reformbereit machte: Ex-Bundesgeschäftsführer Peter Glotz. Seite 2 POSTFORUM 07 & 08/2014
Who is who in der Postpolitik?
Nach der letzten Bundestagswahl
wurden einige Personalien ausgetauscht.
Aber nicht alle.
Zwei Sätze finden sich im Koalitionsvertrag der schwarzroten Bundesregierung zum Thema Post: „Wir werden
eine qualitativ hochwertige, flächendeckende und bezahlbare Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit
Postdienstleistungen sicherstellen. Am Postuniversaldienst werden wir festhalten.“
Die Zuständigkeit für Postthemen ist
genauso klar wie zuvor: Es ist der Bundeswirtschaftsminister, nun also Siegmar Gabriel (1) von der SPD, der das
letzte Wort hat. Während es unter den
drei Parlamentarischen Staatssekretären
keine Zuordnung zu Postthemen gibt, ist
auf der Beamtenebene alles beim Alten
geblieben. Denn Gabriel
hat Staatssekretär Stefan Kapferer (2) im Amt
belassen.
Zuständiger
Abteilungsleiter ist Detlef Dauke, der zuvor die
Energieabteilung geleitet
hatte. Unter den Referatsleitern ist vor allem Peter
Knauth mit der Postpoli5
tik befasst.
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Nach wie vor beschäftigt sich auch das Bundesfinanzministerium mit dem Thema Post, in erster Linie aber als Anteilseigner.
Deshalb ressortieren diese Fragen auch in der von Bruno Kahl
geleiteten Abteilung „Beteiligungen“. Direkt zugeordnet ist das
Thema Post dem Unterabteilungsleiter Michael Offer. Über allen steht Staatssekretär Thomas Steffen (4) und natürlich der
Minister Wolfgang Schäuble (3). Für Philatelisten interessant ist
das Referat VIII A 7 „Postwertzeichen und Münzen“. Das Minis­
terium ist nach wie vor für die Gestaltung der Sonderbriefmarken zuständig und wird dabei von einer Auswahlkommission
beraten.
Was manchmal übersehen wird: Auch im Bundeskanzleramt
gibt es zu allen Ressorts Spiegelreferate. Beim Thema Post ist
es das Referat 421 in der Abteilung IV, die von Angela Merkels
„Sherpa“ Lars-Hendrik Röller geleitet wird.
Die Zeiten, als es im Bundestag sogar einen Unterausschuss für
Post gab, sind längst vorbei. Bei der SPD ist nach wie vor Klaus
Barthel (6) postpolitischer Sprecher. Bei der Unionsfraktion läuft
sich der 43jährige Hansjörg Durz (5; CSU) aus Augsburg warm.
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Jedenfalls eröffnete
er die erste Debatte
über die Zukunft
der Postdienste, die
im neuen Bundestag
auf der Tagesordnung stand. Außer
ihm gaben Klaus
Barthel,
Herbert
Behrens (Die Linke)
und Harald Ebner
(Bündnis 90/Die Grünen) ihre Debattenbeiträge zu Protokoll.
Durz gehört allerdings nicht dem
Beirat der Bundesnetzagentur an,
die sich ohnehin weit mehr um Energie- und Telekommunikationsfragen kümmert. Vorsitzender des
Gremiums ist seit diesem Jahr Joachim Pfeiffer (7; CDU)
für den Bundestag,
sein Stellvertreter ist
der niedersächsische
Wirtschaftsminister
Olaf Lies (8; SPD) für
die Länder. Alle zwei
Jahre erfolgt automatisch ein Wechsel. Insider erwarten, dass
2016 Klaus Barthel,
der auch schon bei der früheren
Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post die SPD
im Beirat vertrat und damit der
„Dienstälteste“ ist, Pfeiffer ablösen
könnte und dann ein unionsregiertes Bundesland den Stellvertreterposten einnimmt. Der Beirat
tagt alle zwei Monate im Berliner
Dienstsitz am Fehrbelliner Platz.
Veränderungen gab es in der Leitung der Bundesnetzagentur:
Während Jochen Homann weiterhin Präsident und Peter Franke einer der Stellvertreter ist, wurde der zweite Vize-Posten mit
Wilhelm Eschweiler besetzt, der zuvor Referatsleiter im Bundeswirtschaftsministerium war. Das Thema Post ressortiert bei
Franke. Keine Veränderung gab es bei zwei weiteren, für die Post
wichtigen Adressen: Das Bundeskartellamt wird nach wie vor
von Andreas Mundt geleitet. Und die Monopolkommission von
Daniel Zimmer. Seite 3 POSTFORUM 07 & 08/2014
Wir haben ein günstiges
Zeitfenster genutzt“
Vor 25 Jahren trat die erste Postreform in Kraft.
Die Verhandlungsführer von damals, Christian Schwarz-Schilling
(CDU) und Arne Börnsen (SPD) erinnern sich.
Postforum: Wenn Sie heute die Situation
auf dem deutschen Postmarkt betrachten:
Entspricht das dem, was Sie vor 25 Jahren
mit der ersten Stufe der Postreform
erreichen wollten?
Schwarz-Schilling: Von einigen Kleinigkeiten abgesehen, würde ich heute sagen,
dass es eine der gelungensten Reformen
war, die ich aus der Geschichte des Deutschen Bundestages kenne. Versuche sind
seit den 60er Jahren immer wieder unternommen worden. Dann haben wir einen
neuen Anfang gewagt, und der ist gelun-
gen. Um es gleich zu sagen: Das eigentliche
Wunder dabei ist der Erfolg der gelben
Post. Es galt zunächst als ausgeschlossen,
dass man sie in ein privates Management
überführen könnte. Ohne die Subventionierung aus dem Telekommunikationsbereich werde das alles scheitern, hieß es. Ich
war schon immer anderer Meinung und
habe dann nicht nur die Telekom abgetrennt sondern auch die Postbank.
Ich bin noch heute mit dem, was wir damals begonnen haben, absolut zufrieden.
Börnsen: In den letzten 25 Jahren hat sich
natürlich wesentlich mehr entwickelt
als wir damals erwartet hatten. Es gab
erhebliche Zweifel, ob man das mit der
Beseitigung des Defizits bei der gelben Post
hinbekommen könnte. Das war auch der
Grund dafür, dass viele, die für eine
Reform bei Telekommunikation aufgeschlossen waren, einer Veränderung bei
der Post skeptisch gegenüber standen.
Sie hielten das jährliche Defizit von zwei
Milliarden Mark für quasi naturgegeben
und meinten, ohne die Quersubventionie-
Christian Schwarz-Schilling (CDU), Jahrgang 1930,
Unternehmer, war 1976 bis 2002 Mitglied des
Bundestages und 1982 bis 1992 Bundespostminister. Heute kümmert er sich u. a. als Ehrenpräsident des Berliner Zentrums für Integrative
Mediation um Menschen aus Südosteuropa.
Arne Börnsen (SPD), Jahrgang 1944, Schiffbauingenieur, war 1980 bis 1983 und 1987 bis 1998
Mitglied des Bundestages und 1987 bis 1992
postpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Heute
betreibt er die Firma AB Consulting in Berlin.
rung von der grauen Post werde die gelbe
Post nicht mehr existieren können. Das
Risiko, das wir damals eingegangen sind,
war also groß, aber am Ende sind – nachdem auch der Schritt in die Privatisierung
vollzogen worden war – die Erwartungen
übererfüllt worden. Es war also im Grundsatz eine richtige Entscheidung.
Postforum: Die aber erst nach erheblichen
Widerständen zustande gekommen war.
Wie war das damals?
Schwarz-Schilling: Ja, ich hatte in meiner
eigenen Fraktion damals große Wider­
stände. Man war nicht einverstanden, dass ich auch noch die Postbank
abtrennen und zu einem eigenständigen
Institut machen wollte.
Börnsen: Die Widerstände bei der SPD
waren natürlich noch größer. Als ich selber
1987 in den Bundestag zurückgekehrt war
und postpolitischer Sprecher wurde, war es
Peter Glotz, der bis dahin SPD-Bundesgeschäftsführer war und nun in der Regierungskommission saß, der mich in ein
Seite 4 POSTFORUM 07 & 08/2014
Café einlud und mich zwei Stunden lang
in die Hintergründe einweihte. Das hat mir
geholfen, einen eigenen, von den Forderungen der Gewerkschaften unabhängigen
Standpunkt zu entwickeln. Auf dieser
Basis bin ich dann ins Gespräch mit Herrn
Schwarz-Schilling gekommen. Die Zusage,
dass die SPD sich beim Poststrukturgesetz
wenigstens der Stimme enthalten würde,
konnte ich aber leider nicht einlösen.
Schwarz-Schilling: Die Situation war
schwierig, weil vor allem die Postgewerkschaft überhaupt nicht einlenken wollte.
Ich war der Bösewicht, der die Post zerschlagen wollte, überall wurde gegen mich
demonstriert. Und dann gab es einen
Vorgang, der wenig bekannt geworden ist.
Als ich im Mai 1988 die Gesetzesvorlage
ins Kabinett einbringen wollte, versuchte
dies die Deutsche Postgewerkschaft mit
einer einstweiligen Verfügung zu stoppen,
was ein bis dahin einmaliger Vorgang war.
Als das Kabinett zusammentrat, konnte ich eine Agenturmeldung verlesen,
wonach das Gericht das Begehren der
Postgewerkschaft abgewiesen habe.
Wenn das Gesetz nicht zum 1. Juli 1989 in
Kraft getreten wäre, also vor dem Zusammenbruch der DDR – wer weiß, was dann
aus dem Vorhaben geworden wäre.
Postforum: Stimmt es, dass es ausgerechnet der Sozialdemokrat Arne Börnsen
war, der nach der Bundestagswahl Druck
machte, die nächsten Schritte zu gehen?
Sie haben dann im Juni 1991 im Bundestag eine denkwürdige Rede gehalten,
genauer gesagt zu Protokoll gegeben.
Börnsen: Es war nicht Druck, sondern
die Erkenntnis, dass man, wenn man
den drei Unternehmen die notwendige
Flexibilität gewähren wollte, eine private
Rechtsform anstreben musste. Im Januar
1991 habe ich mich dann mit einigen
Leuten zusammengesetzt, die mit mir
der Überzeugung waren, dass die Reform von 1989 nicht ausreiche. Es hatte
sich nämlich gezeigt, dass sich die drei
öffentlichen Unternehmen gehindert
sahen, sich im internationalen Geschäft
zu entwickeln und deshalb eine Privatisierung die nächs­te Stufe sein müsse.
Schwarz-Schilling: Ich habe ich erst Tage
später den Beitrag meines Kollegen Arne
Börnsen im Protokoll nachlesen können.
Er stellte auch das öffentliche Dienstrecht
in Frage. Das aber bedeutete eine Grundgesetzänderung, was die SPD bis dahin
ausgeschlossen hatte. Ich habe daraufhin
Arne Börnsen in meine Bonner Wohnung eingeladen, und an diesem Tag
begann unsere Freundschaft. Ich musste
nun erst einmal die Stimmung in meiner
eigenen Partei sondieren. Also gab ich
der Wirtschaftswoche ein Interview, das
allerdings erst Ende Juli gedruckt wurde,
aber dennoch seine Wirkung nicht
verfehlte, denn ich sprach mich dafür aus,
die Unternehmen von den Fesseln des
öffentlichen Dienstrechts zu befreien und
in Aktiengesellschaften umzuwandeln.
Die Reaktion blieb nicht aus. Im Urlaub
erreichte mich die Nachricht, dass der
postpolitische Sprecher der CDU/CSUFraktion, Gerhard O. Pfeffermann, erklärt
habe, das Beamtenrecht stehe nicht in
Frage und eine Grundgesetzänderung
stehe nicht auf der Tagesordnung dieser
Legislaturperiode. Dies könne er in ausdrücklichem Einvernehmen mit Bundeskanzler Kohl sagen.
Postforum: Und war das so?
Schwarz-Schilling: Nein. Ich habe sofort
mit Kohls Vertrautem Eduard Ackermann telefoniert, der bei dem Gespräch
anwesend gewesen war und der mir
sagte, Kohl habe sich das nur angehört
und gesagt, darüber müsse man reden.
Abgelehnt habe er gar nichts. Stattdessen
konnten wir nun eine neue Kommission
unter Einbeziehung der SPD einsetzen.
Postforum: Der Pfeffermann der SPD hieß
Peter Paterna, der Vorsitzende des Postausschusses, der klar auf Gewerkschaftslinie
war. Kurt van Haaren, der Chef der Postgewerkschaft soll die Philosophie vertreten haben, Post müsse so wie Schule, Polizei oder
Justiz eine hoheitliche Aufgabe bleiben …
Börnsen: Ja, das war seine Auffassung von
Daseinsvorsorge. Ich habe, bevor ich die
Rede im Bundestag formuliert habe, viele
Gespräche im Hintergrund geführt, unter
anderem mit meinem Fraktionsvorsitzenden Hans-Jochen Vogel. Der riet mir,
mit der Gewerkschaft zu reden. Es kam
zu einem Treffen in Frankfurt, wo van
Haaren und seine Leute mir und TelekomVorstand Gerd Tenzer, den ich mitgebracht
hatte, aufmerksam zuhörten und nicht
grundsätzlich widersprachen. Danach
haben Vogel und sein Nachfolger HansUlrich Klose meine Bemühungen unterstützt. Dennoch meinten viele, dass man
zwar die Telekom, nicht aber die Post privatisieren solle. Und das war ein Punkt, wo
ich mit Christian Schwarz-Schilling ganz
einer Meinung war. Wenn man die Post in
eine wettbewerbliche Rolle bringen und ihr
Angebot verbessern wollte, konnte man sie
nicht anders als die Telekom behandeln.
Es wäre eine Herabsetzung nach dem Motto „Ihr seid sowieso marode und braucht
Subventionen“ gewesen.
Postforum: Aber es ging dann ohne Sie
als SPD-Verhandlungsführer weiter.
Was war da im Dezember 1992 passiert?
Börnsen: Mein Konflikt mit dem Ausschussvorsitzenden Peter Paterna hatte
sich so verschärft und die Gemengelage
in der SPD war so unüberschaubar, dass
Hans-Ulrich Klose uns beide zu sich
rief und uns – um es deutlich zu sagen –
kaltstellte. Übernommen hat meine Aufgabe Hans Gottfried Bernrath, der dann
großes Verhandlungsgeschick aufbrachte
und das Gesetz und die Grundgesetzänderung 1994 in der letzten Sitzung der
Legislaturperiode durchbrachte.
Postforum: Aber auch Sie, Herr SchwarzSchilling, sind im Dezember 1992 als
Minister ausgeschieden, weil Sie die Außenund Menschenrechtspolitik der Regierung
nicht mehr mittragen wollten. Haben Sie
diesen Schritt im Nachhinein bereut?
Schwarz-Schilling: Natürlich ist es mir
schwer gefallen, in dieser Aufbruchssitua­
Seite 5 POSTFORUM 07 & 08/2014
Wir gestalten
die Entwicklung
aktiv mit”
Solitär. Bereits 2012 haben wir
mit der globalen Delphi-Studie
„Logistik 2050“ Zukunftsbilder
entwickelt, wie das Leben im
Jahr 2050 aussehen könnte.
Interview mit Jürgen Gerdes,
Als langfristig und nachhaltig
Konzernvorstand Post –
ausgerichtetes Unternehmen
eCommerce – Parcel von
lassen wir uns nicht von
Deutsche Post DHL,
Entwicklungen überraschen,
zur E-Tailing-Studie
sondern gestalten sie aktiv mit.
Unsere Zukunftsstudien dienen
Wachstum weltweit:
Onlinehandel
Studie von Deutsche Post DHL: Anteil von E-Commerce am Handelsvolumen der Industriestaaten
könnte 2025 auf bis zu 40 Prozent steigen
Der Onlinehandel wird in den kommenden zehn Jahren nicht
nur in den Industrienationen noch stärker als bisher angenommen an Bedeutung gewinnen, sondern auch die Handelswelt in
den Entwicklungs- und Schwellenländern maßgeblich beeinflussen. Die Logistik spielt dabei eine wesentliche Rolle: Sie bietet den Unternehmen wichtige Wettbewerbsvorteile, etwa durch
Lieferungen innerhalb weniger Stunden am Tag der Bestellung,
flexible Annahme- und Retourezeiten sowie belastbare Logistikund Mehrwertkonzepte in den Schwellenländern.
Das ist eines der zentralen Ergebnisse der Studie „Global E-Tailing 2025“, initiiert von Deutsche Post DHL, unter Beteiligung
der Trendforschungsinstitute Z_punkt und See More sowie
zahlreicher internationaler Experten aus Handel, Logistik und
Forschung. Die Untersuchung ist die erste weltweit angelegte
Szenario-Studie zum grenzüberschreitenden Onlinehandel und
dessen Implikationen für die Logistikbranche.
Fortsetzung von Seite 5
tion von Post und Telekommunikation
zu gehen. Aber zu diesem Zeitpunkt
gab es das Eckpunktepapier, was das
Verhandlungsergebnis der Gespräche
der Regierungsfraktionen mit der SPD
beinhaltete und in dem der Konsens mit
der SPD für die Grundgesetzänderungen
bereits festgehalten war. Ich hatte das
Gefühl, dass insofern die wichtigsten
Entscheidungen für die Fortsetzung der
Postreform verabschiedet waren und ich
meinen Beitrag dazu durch die Verhand-
Warum initiiert ein Logistik-
als Orientierungshilfe, sie sollen
konzern eine Zukunftsstudie
Denkanstöße geben und zur
zum E-Commerce?
Diskussion einladen.
Jürgen Gerdes: E-Commerce
ist für die Deutsche Post DHL
Was sind für Sie die wichtigsten
ein zentrales Geschäftsfeld und
Erkenntnisse aus der Studie
ein wichtiger Wachstumstreiber.
„Global E-Tailing 2025“?
Wir sind nicht nur der weltweit
Jürgen Gerdes: Wie die Zu-
führende Post- und Logistik-
kunft wirklich aussehen wird,
konzern, wir sind auch DER
können wir natürlich nicht
E-Commerce-Dienstleister für
vorhersagen und das ist auch
nationale und internationale
nicht das Ziel dieser Studie. Sie
Versender. Deshalb beschäf-
hilft uns aber dabei, den Blick
tigen wir uns logischerweise
für mögliche Entwicklungen
intensiv mit der Entwicklung
zu öffnen. Auch wenn das eine
eines so zentralen Marktes für
oder andere zunächst einmal
unser Geschäft. Dabei ist die
unwahrscheinlich erscheint.
„Global E-Tailing“-Studie kein
Aber: Wer von uns hätte vor
In vier Zukunftsszenarien beschreibt die Studie, wie die elektronische Einkaufswelt für Verbraucher und Unternehmen rund
um den Globus bald schon aussehen könnte.
Das erste Szenario geht davon aus, dass die heutigen Schwellenländer in elf Jahren die weltweite Konjunktur antreiben und
der Onlinehandel sich zum echten Everywhere-Commerce entwickelt hat. Die Taktung der Konsumentenbelieferung hat sich
lungsführung der Regierungsfraktionen
mit der Opposition bereits geleistet hatte.
Börnsen: Dein Rücktritt hat in der Tat
in der SPD zu erheblichen Irritationen
geführt. Ich hatte sogar Sorge, dass bei
uns noch alles den Bach hinunter gehen
könnte. Immerhin waren noch zwei Jahre
Zeit bis zum Ende der Legislaturperiode,
und die wurden dann gut genutzt. Man
darf dabei nicht übersehen, dass die SPD
damals das erste Mal überhaupt eine
Entscheidung gegen den ausdrücklichen
Wunsch einer Gewerkschaft getroffen hat.
Das hatte Kurt van Haaren auch seinem
Auftritt in der SPD-Fraktion zu verdanken,
bei dem er zu lange redete und nicht auf
den Punkt kam, so dass alle ungeduldig
wurden. Das Ergebnis war auch einer der
Gründe, weshalb es heute die Deutsche
Postgewerkschaft nicht mehr als eigenständige Organisation gibt. Wir haben damals
aber auch ein günstiges Zeitfenster genutzt.
Ich weiß nicht, ob so etwas heute noch so
einfach gehen würde, wo wir eine GegenWelle erleben, etwa bei der Re-Kommunalisierung von Betrieben. Seite 6 POSTFORUM 07 & 08/2014
15 Jahren geahnt, welche
tionsführer als Logistikpartner
Bedeutung das Smartphone für
im E-Commerce.
unser Leben heute haben wird?
Wir haben eine ganze Palette an
Über alle Szenarien hinweg
Lösungen und Leistungen, die
manifestiert sich in der Studie
man braucht, um diesen Markt
eine zentrale Erkenntnis: Der
zu beeinflussen, getestet und
Onlinehandel wird in den kom-
vor allem erfolgreich einge-
menden zehn Jahren nicht nur
führt: von der Packstation über
in den Industrienationen noch
den Paketkasten, von flexiblen
stärker als bisher angenom-
Zustellmöglichkeiten, etwa
men an Bedeutung gewinnen,
der Abendzustellung, bis hin
sondern auch die Handelswelt
zur Lebensmittellieferung an
in den Entwicklungs- und
private Haushalte.
Schwellenländern maßgeblich
In Zukunft planen wir, weitere
beeinflussen. Die Logistik spielt
Leistungen von der ersten bis
dabei eine wesentliche Rolle:
zur letzten Meile anzubieten.
Sie bietet den Unternehmen mit
Das geht weit über die Zu-
innovativen Lösungen wichtige
stellung hinaus und umfasst
Wettbewerbsvorteile und lässt
beispielsweise auch Portallösun­
Logistikunternehmen damit
gen, Bezahlsysteme und Fulfill­
noch stärker als heute die Rolle
ment. Das Ganze nicht nur in
des Enablers für den E-Com-
Deutschland, sondern auch in
merce einnehmen.
Europa und darüber hinaus.
Wir verfügen über beste Markt-
Welche Rolle spielt hier die
kenntnisse und sehen eine gute
Deutsche Post DHL?
Chance, binnen weniger Jahre
Jürgen Gerdes: Die Deutsche
der weltweit führende Anbieter
Post DHL ist nicht nur Markt-
in der E-Commerce-bezogenen
führer, sondern auch Innova-
Logistik zu werden. rapide erhöht – Zustellzeiten im Expressversand liegen standardmäßig unter 24 Stunden und werden in Minuten gemessen. Ein
weiteres Szenario beschreibt eine digitale Hochkultur, in der ein
Großteil des Handels online abgewickelt und durch Avatare unterstützt wird. Um die Hersteller vor Produktpiraten abzusichern,
bieten hier viele Logistiker geschützte Lieferketten.
Die Studie stellt die Zukunft des weltweiten E-Tailings aber nicht
nur innerhalb positiver Rahmenbedingungen dar, sondern skizziert auch die Entwicklung in einem kritischeren gesellschaftlichen Umfeld. So beschreibt zum Beispiel Szenario vier, wie sich
der weltweite Konsum entwickelt, wenn die globale Konjunktur
unter weiteren Finanzkrisen leidet und Energie- und Rohstoffpreise exponentiell steigen. In einem solchen Umfeld könnten
sich unter den Konsumenten statt der „Alles-Neu“- in Zukunft
eine Do-it-Yourself-Mentalität und Tauschkultur herausbilden.
Allen Szenarien und Beiträgen gemeinsam ist die Schlussfolgerung: Der elektronische Handel wird – entweder auf
globalem Niveau oder national und
regio­nal begrenzt – an Intensität noch
einmal deutlich zunehmen. Mehr Informationen zur Studie im Internet:
www.dpdhl.de/etailing
Einsatz in Trostjanetz
Mitarbeiterin der Postzentrale als
OSZE-Wahlbeobachterin in der Ukraine
Während die ganze Welt im Mai auf die Präsidentschaftswahlen
in der Ukraine schaute, war Christina Müschen direkt vor Ort
– als Wahlbeobachterin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Ihr Arbeitsplatz ist normalerweise in der Konzernzentrale von Deutsche Post DHL. Hier ist sie
Pressesprecherin. Für den Einsatz reiste Christina Müschen zehn
Tage durchs Land, lernte die Menschen und das politische System
kennen. Die erste Station war Kiew. Dort bekamen alle Wahlbeobachter eine genaue Einweisung. „Erst hier erfuhren wir dann
auch, in welcher Region wir in den nächsten Tagen unterwegs sein
würden.“ Es war die kleine Stadt Trostjanetz. Der Ort zählt rund
8000 Einwohner und liegt im Südwesten des Landes. Christina
Müschen war eine von rund 900 ehrenamtlichen Kurzzeit-Wahlbeobachtern in der Ukraine, darunter 100 aus Deutschland. Neu
war dieses Engagement für sie nicht. Nach Einsätzen in Georgien
im Jahr 2007, in Nepal 2008 und schon einmal in der Ukraine
2010 war es für Müschen bereits die vierte Reise in eine Region,
in der freie, geheime und demokratische Wahlen nicht selbstverständlich sind. In den Tagen vor der Wahl besuchte das vierköpfige Team, dem sie zugeteilt war, die lokalen Wahlbüros. „Sind alle
Urnen da? Werden die Wahlunterlagen ordnungsgemäß gelagert
und gesichert? Unsere Beobachtungen fassten wir dann in Berichten zusammen.“ Am Wahltag selbst fuhr das Team von Wahllokal zu Wahllokal – unangekündigt. „Unsere Aufgabe war es im
wahrsten Sinne des Wortes die Wahl zu ‚beobachten‘.“ In Trostjanetz lag die Wahlbeteiligung zwischen 60 und 70 Prozent. „Man
spürte, dass die Bürger im Land wählen wollten – besonders die
jungen Menschen. Der Wunsch nach einem sicheren Leben ist
allgegenwärtig. Ich habe das Wort ‚Frieden‘ selten so oft gehört,
wie in meiner Einsatzzeit in der Ukraine“, erinnert sich Müschen.
Nach ihrer Reise in die Ukraine ist sie froh, dass sich der Einsatz gelohnt hat. „Die OSZE hat bekannt gegeben, dass die Wahl
weitestgehend transparent, fair und geheim abgelaufen ist.“ Ihr
ehrenamtliches Engagement während ihres Urlaubes hat sich
also ausgezahlt. Seite 7 POSTFORUM 07 & 08/2014
Deutsche Post AG · Zentralbereich Politik und Regulierungsmanagement · 53250 Bonn
Pressesendung, Entgelt bezahlt, G 31287
Brüssel genehmigt Subventionen. Die EU-Kommission
hat der französischen La Poste gewährte Subventionen
genehmigt. Im Zeitraum von 2013 bis 2017 darf La Poste
nun Steuererleichterungen in Höhe von insgesamt 850
Millionen Euro erhalten. Damit soll die flächendeckende
Präsenz von Postfilialen finanziert werden. Außerdem
wurden 597 Millionen Euro für die Finanzierung des
Vertriebs von Printmedien genehmigt.
Brüssel knöpft sich Spanien vor. Die EU-Kommission
prüft Zeitungsberichten zufolge offenbar ein Vorgehen
gegen Subventionszahlungen an die spanische Post.
Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia möchte wissen,
ob die Zahlungen der öffentlichen Hand so stark gestiegen sind, dass die Post damit Dumpingpreise finanziert.
DHL erweitert Straßengut-Netzwerk. DHL Freight hat
seinen Eurapid-Service in Europa weiter ausgebaut. Elf
neue Terminals wurden in das Netzwerk aufgenommen. Der Service für Teilladungsverkehre bis zu einem
Gewicht von 2,5 Tonnen ist nun an insgesamt 41 Terminals verfügbar und deckt 75 Prozent aller Geschäfts­
adressen in Europa ab. Eurapid-Sendungen werden
prio­
risiert behandelt. DHL Freight plant, die Abdeckung von Eurapid künftig weiter auszubauen.
DHL transportiert Giraffe nach Israel. DHL Global Forwarding hat die Reihe seiner spektakulären Tiertransporte fortgesetzt. Dieses Mal war es „Jengo“, eine
männliche Giraffe, die von Lüttich in ihr neues Zuhause
in der Ramat Gan Safari in Tel Aviv zu transportieren
war. Über das internationale Frachtnetzwerk von
DHL kam das Tier sicher
und gesund am Ziel an.
Die Giraffe wurde in einer besonderen Box mit
einem Frachtflugzeug der
israelischen Fluglinie El Al
geflogen. Neben einem
Sicherheitsteam war eine
Tagesration
Futter
mit
einem Gewicht von rund
100 Kilogramm an Bord.
47
ZAHL DES MONATS
47 Stunden hat eine Filiale
der Deutschen Post heute durchschnittlich in der
Woche geöffnet. Vor der
Postreform von 1989 waren
es nur 18 Stunden.
Blütenträume im
Schalterraum
Aus dem einstigen Postamt von Schöneiche bei Berlin
wurde eine Manufaktur für essbare Blüten
Für welchen Zweck das Haus in Schöneiche bei Berlin einst erbaut
wurde, verraten die gotischen Lettern: „Postamt“. Allerdings ist es
14 Jahre her, dass hier zum letzten Mal Briefmarken verkauft und
Pakete angenommen wurden. Wer heute den einstigen Schalterraum betritt, taucht in eine ganz andere Welt ein: Duftende Zubereitungen aus Blüten aller Art werden angeboten. Lediglich die
Scherengitter vor den Fenstern erinnern an alte Zeiten.
Mit den Postreformen von 1989 und 1994 begann der Abschied
von den „Postämtern“. Sie waren, wie hier in Schöneiche, Stützpunkt nicht nur der „gelben“ sondern auch der „grauen“ Post. Im
ersten Stock des 1928 erbauten Hauses war die Telefonzentrale.
Karin Griesche, heute Stadträtin, erinnert sich: „Mein Vater hatte
eine Autowerkstatt, und wenn er viele Anrufe bekam, sprang irgendein Relais im Postamt raus. Dann musste der Mitarbeiter ran,
der im Postamt wohnte.“ Andere Alteingesessene wollen wissen,
dass unter dem Dach zu DDR-Zeiten ein Stasi-Horchposten war.
Martina Kabitzsch hat das Haus 2003 aus dem BundespostImmobilienbesitz erworben und dort die „Manufaktur von Blythen“ aufgebaut. Die ehemalige Kinderkrankenschwester produziert auf Basis von Blüten (mittelhochdeutsch „Blythen“) von
Rosen und anderen essbaren Blumen Blütenkonfitüren, -liköre
und -marinaden und bietet Kochkurse im ehemaligen Telegrafenraum an. Bundesweit bekannt wurde sie durch Auftritte mit
Fernsehkoch Johann Lafer und auf der weltgrößten Feinschmecker-Messe in Turin war ihr Stand von Köchen aus aller Welt
umlagert. Denn mit essbaren Blüten kennt sich niemand so gut
aus wie sie und sie hat auch Bücher darüber geschrieben. Und
wer ihr gastliches Haus betritt, wird von einem Relikt aus PostZeiten begrüßt: den Postfächern. Seite 8 POSTFORUM 07 & 08/2014