Baltic Newsbox

Transcription

Baltic Newsbox
Baltic Newsbox
Nachrichten und Meldungen
Unsere Rubrik BALTIC NEWSBOX möchte einen kurzen Überblick zu aktuellen Meldungen der zurückliegenden Monate
geben. Die Nachrichtenlage ist inzwischen sehr gut per Internet übersehbar - über Suchmaschinen und spezialisierte Dienste
lassen sich insbesondere Zeitungsbeiträge im deutschsprachigen Raum sehr gut einsehen. Die Nachrichten dieser Ausgabe
sind zusammengefasst und ggf. übersetzt aus folgenden Quellen: APA, Baltic News Service (BNS), Baltic Times, Deutsche
Presseagentur (DPA), Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Frankfurter Rundschau, Kölnische Rundschau, Neue Züricher
Zeitung, Reuters. DER SPIEGEL, Der Standard (Wien), Salzburger Nachrichten, Stern, Schwäbische Zeitung, Schweriner
Volkszeitung, Stuttgarter Zeitung, sowie Pressemitteilungen der deutschen Botschaften in den baltischen Staaten, der
Europäischen Kommission und der baltischen Außenministerien.
Europäische
Union
Großbritannien will Arbeitsmarkt für
Estland bereits zwei Jahre nach EUBeitritt öffnen
Einer Pressemitteilung des estnischen Außenministeriums
zufolge hält der Staatssekratär im britischen Foreign Office,
Jack Straw, zwei Jahre Übergangszeit für den britischen
Arbeitsmarkt nach Beitritt der neuen EU-Mitglieder für völlig ausreichend. Gleichzeitig äußerte Straw die Hoffnung,
dass Estland bei der EU-Erweiterungsrunde bereits 2004
dabei sein kann. Weiter teilte das estnische Außenministerium mit, dass Länder wie Irland, die Niederlande, Schweden
und Dänemark ihre Bereitschaft bekundet hätten, ihren Arbeitsmarkt sofort nach einem EU-Beitritt für estnische Arbeitskräfte zu öffnen. Der deutsche Bundeskanzler Schröder
hatte im letzten Jahr noch einen Vorschlag von einer Übergangszeit von sieben Jahren vorgebracht.
Wunsch nach koordiniertem EU-Referendum im Baltikum
Einem Bericht der Neuen Züricher Zeitung zufolge empfiehlt
die interparlamentarische Versammlung der drei baltischen
Staaten den Parlamenten von Estland, Lettland und Litauen, ihre
Volksabstimmungen über einen Beitritt zur EU am gleichen Tag
abzuhalten. In dem Aufruf heisst es, dies wäre ein Symbol der
baltischen Verbundenheit, welche durch den gleichzeitigen
Kampf der drei Länder zur Wiedererreichung der Unabhängigkeit von der damaligen Sowjetunion entstanden sei.
Ein gemeinsamer Wahltag hätte aber auch praktische politische Vorteile. Obwohl in allen drei Ländern eine grosse
Mehrheit der Bürger für eine feste Verankerung im Westen
ist, hat der komplizierte und mit Entbehrungen für viele
Menschen verbundene Reformprozess der letzten Jahre in
allen drei Ländern die Skepsis gegenüber einer EU-Mitgliedschaft wachsen lassen, so dass nicht sicher ist, ob heute
Mehrheiten dafür votieren würden. Die historische Erfahrung von Skandinavien zeigt auch, dass ein Referendum in
einem der Länder jeweils die öffentliche Meinung in Nachbarländern stark beeinflussen kann.
Lettische Regierungsmitglieder hatten sich schon mehrfach
für ein gemeinsames Datum für die baltischen EU-Volksabstimmungen ausgesprochen, wobei als Datum der 23. August 2003 genannt wurde. Mit diesem Datum verbinden sich
für die Balten die schmerzlichen historischen Erinnerungen
an den Molotow-Ribbentrop-Pakt von 1939, in welchem
Nazideutschland und die Sowjetunion die Aufteilung ihrer
Interessensphären in Osteuropa vereinbarten.
Umwelt &
Energie
Sorge um möglichen Bau einer
Ölplattform vor Kaliningrad
Nur 22km seewärts von der unter Naturschutz stehenden
Kurischen Nehrung plant die russische „LUKOILKaliningradMor Neft“ die Errichtung einer Ölförderplattform
auf dem Ölfeld Kravtsovkoe D6, das teilten russische und
litauische Umweltgruppen im Mai in einer Presseerklärung
mit. Solche Pläne, verbunden mit intensiver Förderung und
der Verlegung einer Ölpipeline gefährden das im Dezember
2000 in die Liste des Weltnaturerbes der UNESCO aufgenommene Naturgebiet der Nehrung, so die Umweltschützer.
Die Betreiberfirma LUKOIL habe bisher keinerlei Pläne zur
Vermeidung und Bekämpfung von Ölunfällen vorgelegt,
und Umweltexperten halten das Risiko einer nachhaltigen
Schädigung und Wertminderung des Naturgebiets für hoch.
Russische Umweltschützer rufen inzwischen international
dazu auf, Protestbriefe an den Gouverneur des Gebiets
Kaliningrad zu schreiben und haben weitere Informationen
im Internet unter www.ecodefense.ru bereitgestellt.
Größter Windpark des Baltikums entsteht in Kurland
Insgesamt 33 Windmühlen werden von der lettisch-deutschen Joint Venture Firma VEJA PARKS in der Nähe von
Grobiòa in Lettland aufgebaut werden - alle etwa 78 m hoch
und mit einer Kapazität von 22 MW. Die ersten von der
lettischen Baufirma CESU BUVNIEKS erstellten Anlagen
werden bereits im Juni ihren Betrieb aufnehmen können und
dann Strom ins Netz des lettischen Stromversorgers
LATVENERGO einspeisen. Die Projektkosten sind auf etwa
20 Millionen US-Dollar kalkuliert.
Ruhrgas und E.ON beteiligen sich bei
litauischen Gasversorger
Am 14. Mai 2002 wurde ein Abkommen des Lithuanian State
Property Fund (SPF) einem deutschen Konsortium aus
RUHRGAS AG und E.ON über den Kauf von 34 Prozent der
Aktien an dem De-Facto-Monopolisten Lietuvos Dujos in
Litauen unterzeichnet. Als Kaufpreis wird die Summe von
116 Millionen Litas (33,62 Millionen Euro) genannt. Mitbewerber war die französische „Gaz de France“ gewesen.
Weitere 34 Mio. Litas sollen gezahlt werden, sobald die
staatliche Kontrollkommission für Energiepreise die Grundlagen zur Regulierung des nationalen Gas-Sektors angepasst
hat. Weitere 34 Prozent der Anteile möchte die litauische
Regierung demnächst an einen Gaslieferanten verkaufen.
INFOBLATT BALTISCHE STAATEN 1/02
S.49
Dafür hat die russische Gazprom bereits Interesse angemeldet. RUHRGAS ist gemeinsam mit Gazprom bereits in den
baltischen Nachbarländern Lettland und Estland aktiv.
Lietuvos Dujos erreichte nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr einen Umsatz von 570 Millionen Litas (ca. 155
Mio Euro). Über den Kaufpreis gibt es bisher keine offiziellen
Angaben. Nach Informationen litauischer Medien werden
150 Millionen Litas (43,48 Mio Euro) an die litauische
Staatskasse gehen.
Sorgen um litauischen Atomstrom
Besorgt äußerte sich zu den deutsch-litauischen Kooperationen am 24.5. in München GREENPEACE Deutschland. Die
Zusammenarbeit des E.ON-Konzerns mit Litauen können
bedeuten, dass es wieder Importe von Atomstrom nach
Deutschland geben könne, sagte der Energieexperte von
GREENPEACE München, Walter Fuchs.
Litauens Präsident Brazauskas dagegen plagen wiederum
andere Sorgen: Nur wegen der „psychologische Bedenken“
anderer EU-Mitgliedsstaaten will man das AKW Ignalina
schließen. Die Regierung hat sich verpflichtet, einen der
beiden Reaktoren bis 2005 abzuschalten, die Entscheidung
darüber, ob der 2. Block 2009 geschlossen wird, soll aber erst
2004 fallen. Noch einmal 3 Milliarden Euro soll die Abschaltung kosten, und die EU kann wegen ihrer derzeitigen Finanzstrategie, die nur bis 2006 reicht, noch keine festen Zusagen
für eine Unterstützung machen. So geht das Pokerspiel vorerst einmal in die nächste Runde.
Das litauische Aussenministerium berichtet von einer Expertengruppe des Europäischen Atomforums, die sich vom 22.24.5.02 in Litauen aufhielt und zum Bau eines neue Atomreaktors in Litauen „gedrängt“ habe. Vor einigen Wochen hatte
Finnland sich per Parlamentsentscheidung für den Bau eines
neuen Atomkraftwerks ausgesprochen.
Estland stoppt Privatisierung von
Kraftwerken doch noch
Am 8. Januar 2002 erklärte die estnische Regierung in einem
Statement zur Privatisierung von zwei Kraftwerken im ost-
estnischen Narwa die bisherigen Gespräche mit dem USamerikanischen Energiekonzern NRG für beendet und wies
das Wirtschaftsministerium an, Alternativvorschläge auszuarbeiten. Ursprünglich wollte der Betreiber EESTI ENERGIA
zusammen mit NRG Verträge mit Banken über die Bereitstellung von 285 Millionen Euro an Krediten unterzeichnen
und eine Modernisierung der Anlagen anstreben. Zu derartigen Abkommen sei es aber nicht gekommen, hiess es aus
dem estnischen Aussenministerium.
Im Zuge der Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union
(EU) strebt Estland Übergangsfristen beim Energieimport
S.50
INFOBLATT BALTISCHE STAATEN 1/02
an. Zwar habe die geplatzte Zusammenarbeit mit NRG lediglich Auswirkungen auf die Frage, wer in der Lage sein
könnte, die Umweltsituation bei der Nutzung des
Ölschiefervorkommens zu verbessern, so sagte Alar
Streimann, Estlands Chef-Unterhändler bei den Beitrittsverhandlungen. Wenn jedoch die estnische Bevölkerung
sich dafür entscheide, weiter Ölschiefer zu nutzen, dann
müsse Estland in der Lage sein, den Import von Energie zu
limitieren.
Am 21. März 2002 wies der neue estnische Ministerpräsident
Siim Kallas gegenüber Dave Peterson, dem Präsidenten von
NRG Energy, Vorschäge nach Wiederaufnahme von
Privatisierungsgesprächen zu den beiden Kraftwerken mit
den Worten zurück, die ökonomische Situation Estlands
habe sich in den sechs Jahren, in denen vorher verhandelt
worden sei, sehr geändert. „Auch die Energiepolitik der
Europäischen Union muss im Zuge der EU-Beitrittsgespräche
Estlands berücksichtigt werden,“ so Kallas.
Politik
Estland
Estland mit neuer Regierung
Nachdem die Regierung des estnischen Ministerpräsidenten
Mart Laar Anfang Januar zurückgetreten war, wurde der bis
dahin amtierende Finanzminister und
frühere Chef der
Bank von Estland,
Siim
Kallas
(Reformpartei), wenige Wochen später
als Regierungschef
vereidigt.
Einige wichtige Regierungsämter werden in der neuen Regierung von Frauen
besetzt: Als Außenministerin folgt die
35-jährige Kristiina Siim Kallas
Ojuland (Reformpartei) dem langjährigen Außenminister Ilves nach, und das
nun wieder zusammengelegte Wirtschafts- und Verkehrsministerium übernahm Liina Tõnisson (Zentrumspartei), die
dieses Amt bereits 1995 schon einmal inne hatte. Ministerin
für Kultur wurde die Textildesignerin Signe Kivi (Reformpartei), Bildungsministerin Mailis Rand (Zentrum) und Sozialministerin wurde Siiri Oviir (Zentrum).
Als Grund für das Ende der konservativen Regierungskoalition war unter anderem der Rückzug des ehemaligen Koalitionspartners „Reformpartei“ aus dem Stadrat der Hauptstadt
Tallinn. Dadurch war die Mitte-Rechts-Koalition nach Ansicht des Regierungschefs auf Staatsebene nicht mehr lebensfähig. Das Kabinett Laar war seit März 1999 im Amt,
verfügte über eine knappe Mahrheit von 53 der 101 Sitze, und
bestand aus der Pro-Patria-Union Laars, der Moderaten Partei und der Reformpartei.
Zentrumspartei und Reformpartei arbeiten auch inzwischen
in den Kommunal verwaltungen von Tallinn, Tartu, Viljandi,
und Pärnu zusammen. In der Koalitionsvereinbarung der
neuen Regierung war eine Beibehaltung des Kurses bei der
Steuerpolitik sowie beim EU- und NATO-Beitritt festgeschrieben worden. Die Verwaltungsreform wird dagegen in
der bisherigen Form als mißglückt bezeichnet und den Bezirken wird empfohlen, Zusammenschlüsse nach eigenen Maßstäben anzustreben. Weiterhin ist der Bestand der russischen
Gymnasien auch nach dem Jahr 2007 vorgesehen, eine
Rentenerhöhung noch 2002, und 2006 sollen erstmals Direktwahlen des Präsidenten abgehalten werden. Nachdem die
Einwohner der Insel Saaremaa befragt worden sind, soll auch
der Bau einer Brücke zwischen der Insel und dem Festland
erwogen werden. Die Sommerzeit wurde bereits in Estland
wieder eingeführt – ebenfalls ein Punkt der Koalitionsvereinbarung.
Regierungschef Siim Kallas erklärte im April im Rahmen einer
Presseerklärung, er halte die Zusammenarbeit der Regierungskoalition aus Zentrumspartei und Reformpartei für erfolgreich
und könne sich auch nach den in Estland anstehenden Kommunalwahlen (Oktober 2002) und den Parlamentswahlen im
März 2003 eine gleichartige Zusammenarbeit vorstellen.
Landwirtschaft
Baltische Staaten lehnen Vorschläge
der EU-Kommission zu
Agrarbeihilfen ab
Vorschläge der EU.Kommission, für die neuen Mitgliedstaaten ab 2004 zunächst nur 25 Prozent der EU-AgrarHilfen nach derzeitigen Regeln auszuzahlen und das Niveau
erst bis 2014 auf 100 Prozent anzuheben, lehnten die baltische Staaten in Form einer gemeinsamen Presseerklärung
Anfang des Jahres in Vilnius ab. Zwar zeigte auch der
lettische Vizeaußenminister Andris Kesteris Verständnis
dafür, dass einige EU-Mitgliedstaaten ihre Bürger offensichtlich in einem Wahljahr beruhigen wollten, die Haltung
der baltische Regierungen dazu sei jedoch klar: „Wir wollen
nicht, dass die Kandidatenländer Mitglieder zweiter Klasse
werden.“
Die drei baltischen Ostseeländer hoffen auf den Abschluss
der Beitrittsverhandlungen in diesem Jahr und den Beitritt
selbst 2004. Der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt (BIP) beträgt nach eigen Angaben bei sinkender
Tendenz in Estland fünf Prozent, in Lettland vier Prozent und
in Litauen neun Prozent.
EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler hingegen beeilte sich zu versichern, es werde erhebliche Einkommenssteigerungen für die baltischen Bauern geben. Die EU-Kommission hatte den Agrarministern eine Studie vorgelegt, der
zufolge die Bauern aus Mittel- und Osteuropa in jedem Fall
von einem Beitritt zur Europäischen Union profitieren - auch
wenn sie nur Markstützungsmaßnahmen wie Interventionen,
aber keine Direktzahlungen erhielten. Die Landwirte in den
Beitrittsländern könnten ihre Einkommen demnach um durchschnittlich 30 Prozent steigern, in Lettland sogar um 59
Prozent und in Estland um 55 Prozent.
Wenn die mittel und osteuropäischen Bauern von Beginn des
geplanten Beitritts 2004 an Direktzahlungen von 100 Prozent
des gegenwärtigen Standards der 15 EU-Staaten erhielten,
könnten die Bauern ihre Einkommen gar um mindestens 89
Prozent steigern. Das allerdings, warnt die Fischler-Studie,
würde zu Verschiebungen im sozialen Gefüge der EUBeitrittsstaaten führen, zu „Verwerfungen und Ungleichheiten“ zwischen Stadt und Land.
Die Studie untermauert den Vorschlag, den die EU-Kommission am 30. Januar vorgelegt hatte. Dieser sieht eine stufenweise Steigerung der Direktbeihilfen an mittel- und osteuropäische Landwirte vor. Demnach würden im Jahr 2004
Direktbeihilfen von 25 Prozent, 2005 bei 30 Prozent, und
2006 bei 35 Prozent des gegenwärtig geltenden EU-Niveaus
gezahlt. Bis zum Jahr 2013 sollen die Bauern der neuen EUStaaten Zahlungen auf dem gleichen Niveau erhalten wie
ihre Kollegen aus den alten EU-Ländern. Ursprünglich als
Ausgleich für die Senkung der Stützungspreise eingeführt,
werden den Landwirten der 15 EU-Staaten für bestimmte
Sektoren, vor
allem Ackerpflanzen,
Tierzucht,
Reis
und
Milch, direkte Zahlungen
gewährt. Zunehmend haben die Zahlungen ihren
Ausgleichscharakter
verloren und
sind zu Einkommensbeihilfen geworden. Immer öfter wird eine schrittweise Senkung der Direktbeihilfen gefordert.
Politik
Lettland
Lettisches Parlament ändert Wahlgesetz
In der 2.Lesung stimmte das lettische Parlament (SAEIMA)
mit ¾-Mehrheit am 9. Mai für eine Änderung des Wahlgesetzes und damit für geänderte Bedingungen für gewählte
Volksvertreter. Danach werden fehlende Kenntnisse der
lettischen Sprache nun kein Ausschlußkriterium mehr sein
für die Wahl in die Saeima oder ein Kommunalparlament; das
ändert allerdings nichts daran, dass sämtliche Debatten weiterhin in Lettisch gehalten werden. Sowohl die Organisation
für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSCE) als
auch die US-Regierung begrüßte die Entscheidung, die vielfach als Voraussetzung für den Erhalt der Chancen Lettlands
als NATO-Beitrittskandidat gesehen wurden. NATO-Generalsekretär George Robertson hatte anlässlich einer Rede im
lettischen Parlament im Februar die Frage der Wahlrechtsänderung in Verbindung mit den Beitrittschancen zur NATO
dargestellt. Dementsprechend hatte es auch Reaktionen in
der lettischen Öffentlichkeit gegeben, die negativ auf den
erneuten Druck aus dem Ausland auf die lettischen Entscheidungsträger reagierten. Umfragen zeigen, dass die uneingeschränkte Unterstützung für einen EU-Beitritt teilweise auf
nur noch 40% gefallen war.
Der Europäische Gerichtshof hatte kürzlich einer Klägerin
aus Lettland Recht gegeben, die dagegen protestiert hatte,
dass ihr bereits 1995 kurz vor der Wahl wegen fehlendem
Nachweis der Sprachprüfung eine Kandidatur verweigert
worden war.
Die nächsten Parlamentswahlen finden in Lettland im Oktober diesen Jahres statt.
Militär
NATO-Treffen in Riga soll gemeinsame Positionen der Kandidatenländer
stärken
Am 5./6. Juli 2002 werden sich in Riga die Vertreter jener Länder
treffen, die im Mai 2000 bereits anlässlich einer Konferenz in der
litauischen Hauptstadt ein gemeinsames „VILNIUS STATEMENT“ verabschiedet hatten (daher auch VILNIUS GRUPPE
genannt). Die Erklärung der Vertreter Bulgariens, Estlands,
INFOBLATT BALTISCHE STAATEN 1/02
S.51
Lettlands, Litauens, Mazedoniens, Rumäniens, der Slowakei,
Sloweniens und Albaniens beinhaltet
eine Willenserklärung, sich den „EuroAtlantischen Werten“ (individuelle
Freiheit, freie Marktwirtschaft, gemeinsame Rechte) verpflichtet zu fühlen (Kroatien schloss sich 2001 an).
Die teilnehmenden Staaten erklären
sich zur Mitarbeit in der NATO bereit
und wollen bereits jetzt sich den
NATO-Standards anpassen.
Plakat von NATO-Befürwortern in Litauen: Wer
will welches Stück von
welchem Kuchen?
Die VILNIUS GRUPPE will in Riga
ihre gemeinsamen Positionen vor
dem im Herbst 2002 in Prag anstehenden NATO-Gipfel noch einmal
stärken. Als realistisch gelten inzwischen die Beitrittschancen von sieben Kandidaten: Estland, Lettland
und Litauen, Slowenien und die Slowakei, ferner Rumänien und Bulgarien. Es gilt ebenfalls als wahrscheinlich, dass es nach dieser
Erweiterungsrunde in absehbarer Zeit keine weitere mehr
geben wird.
Wirtschaft
Anzahl der Autobesitzer in Estland
gestiegen
Bereits 319 Autos pro 1.000 Einwohner wurden in Estland im
Jahr 2000 registriert, so ein Bericht des estnischen Verkehrsministeriums von Anfang diesen Jahres. Damit sei diese Zahl
bereits mit Ländern wie Dänemark vergleichbar (329 Autos
pro 1.000 Einwohner). 1991 hatte es in Estland noch 174
private PKWs auf 1.000 Einwohner gegeben
Norddeutsche Landesbank erwirbt
Anteile in Litauen
76% der Anteile an der litauischen ZEMES UKIO BANK
(LZUB / Landwirtschaftsbank), die sich bisher in staatlicher
Hand befanden, wurden im Februar 2002 von der Norddeutschen Landesbank (NORD LB) erworben. 71 Millionen
Litas (20,58 Mill. Euro) zahlte die Bank dafür und versprach,
weitere 65 Millionen Litas investieren zu wollen. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung hält gegenwärtig noch etwa 11% der Anteile, weitere 11% gehören der
VILNIAUS BANK und 1,2% privaten Investoren. Die LZUB
war die letzte litauische Bank, die sich mehrheitlich in staatS.52
INFOBLATT BALTISCHE STAATEN 1/02
lichem Besitz befunden hatte. Damit sei der Anteil ausländischer Anteile im litauischen Bankensektor auf 89% angewachsen, gegenüber nur 58% im Jahr 2000.
Die ist nur halb so groß wie die litauische Hansa LTB, die
2001 an die in schwedischem Besitz befindliche Hansabank
verkauft wurde. Die Einlagen der LZUB machen 13% des
litauischen Marktes aus, gleich nach der VILNIAUS
BANKAS und der HANSA LTB (beide in schwedischem
Besitz). Die Niederlassung der NORD LB in Vilnius, die
1999 eröffnet wurde, soll nun mit der entsprechenden Filiale
der ZEMES UKIO Bank zusammengelegt werden.
Auch bei der lettischen PIRMA BANKA ist die NORD LB
inzwischen Anteilseigner und eröffnete inzwischen auch ein
Büro in Tallinn. Litauen erhofft sich von dem Engagement der
NORD LB auch einen stärkeres Interesse deutscher Investoren.
Verkehr
Bahn-Schnellstrecke RAIL-BALTICA
soll Warschau mit Tallinn verbinden
Der für Fragen der Eisenbahn im lettischen Verkehrsministeriums zuständige Direktor Janis Veidmanis teilte Reportern
des Baltic News Service im April diesen Jahres mit, dass die
Planung zur Entwicklung eines neuen Schnellzug-Angebots
mit dem Namen RAIL BALTICA beinahe abgeschlossen
seien. Die Fahrtroute soll von Warschau nach Tallinn gehen.
Eine Machbarkeitsstudie dazu soll Anfang 2003 abgeschlossen werden. Bereits im November 2001 hatten die baltischen
Verkehrsminister im estnischen Pärnu eine Vereinbarung zur
Entwicklung des gemeinsamen Bahnverkehrs unterzeichnet.
Kuldar Vaarsi, Sprecher des estnsichen Verkehrsministeriums, hatte damals die Voraussetzungen für das Projekt in
Estland bereits als geklärt bezeichnet. Wie die POSTIMEES
am 20.Mai 2002 schrieb, kursieren aber inzwischen sehr
verschiedene Kostenschätzungen für das Projekt. Oleg Epner,
Chef der estnischen Eisenbahnverwaltung, bezifferte die Kosten für den estnischen Teil der Strecke auf 15 - 16 Millionen
Euro. Das estnische Verkehrsministeriums listet in der im
Februar 2002 neu herausgegebenen Langzeitplanungsstrategie
für die Verkehrsplanung 21 Millionen Euro an Finanzierungsbedarf auf; die Planung ist für 2004 und die Durchführung für
2006 projektiert. Ago Vilu wiederum, Vorstandsmitglied bei
der Planungsgesellschaft EURORAIL, bezeichnete gegenüber BNS aus seiner Sicht die Strecke über Tartu wenig
lohnend, da der Weg über Pärnu 136 km kürzer sei.
Die Machbarkeitsstudie wird gegenwärtig in Zusammenarbeit
mit dem deutschen Verkehrsministerium durchgeführt. Das lettische Verkehrsministerium sagte dazu, Deutschland sei sehr interessiert an einem steigenden Bahnverkehr Richtung Osten und
plane daher, das Projekt in EU-Programme INTERREG und
PHARE zurKofinanzierung zuintegrieren, fallsdie Machbarkeitsstudie positiv ausfalle. Es ist allerdings noch nicht entschieden, ob
die osteuropäische breite Spur behalten werden soll, oder eine
schmale Spur gebaut werden soll. Eine Planungskonferenz für das
Projekt ist für September 2002 vorgesehen.
Kultur
Filmpreis für estnisch-lettische Koproduktion
Auf den 52. Internationalen Filmfestspielen Berlin wurde der
einzige diesjährige Beitrag aus dem Baltikum, die estnischlettische Koproduktion „Gute Hände“ (Head Käed/Labas
Rokas), mit dem Manfred-Salzgeber-Preis ausgezeichnet.
Der Streifen des estnischen Regisseurs Peeter Simm durfte
sich den mit 25.000 Euro dotierten Preis, der zum dritten Mal
an innovative Spielfilme des Wettbewerbs und Panoramas
vergeben wurde, mit dem slowenischen Beitrag „Varuh
meje“ von Maja Weiss teilen.
Der Film erzählt die Geschichte einer gewieften Diebin aus
Riga (gespielt von Rezija Kalnina), vor deren geschickten
Händen nichts sicher ist. Auf der Flucht vor der Polizei landet
sie in einem estnischen Kaff, in dem die Zeit trotz fortschreitender Computerisierung mehr als stehengeblieben zu sein
scheint. Die Welt seiner skurrilen (vor allem männlichen)
Bewohner wird durch die plötzlich auftauchende schöne
Unbekannte tüchtig durcheinandergewirbelt.
In der Laudatio lobt die Jury die „erfrischende Komödie“
über „eine Art Anti-Amélie“, die „von einem phantastischen
Quartett unvergeßlicher Charaktere kuriert wird, die in ihr nur
das Beste sehen“. Mit der Preisvergabe zollt die Jury dem
originellen Stil der Drehbuchautoren Toomas Raudam und
Peeter Simm und der kunstvollen Regieführung von Peeter
Simm ihre Anerkennung, dank derer das Publikum bis zum
Schluß des Films in Spannung gehalten wird.
Herder-Preis an lettischen Dichter
verliehen
Mâris Èaklais, einer der angesehensten Dichter lettischer
Sprache, erhielt in diesem Jahr den HERDER-PREIS der in
Hamburg angesiedelten Alfred-Töpfer Stiftung. Der Preis
wurde am 3. Mai 2002 an der Universität Wien verliehen und
ist mit 15.000 Euro dotiert. Mit dem HERDER-PREIS werden Persönlichkeiten aus Osteuropa ausgezeichnet, „deren
wissenschaftliches und künstlerisches Werk für ganz Europa
von Bedeutung ist“ (Ausschreibung der Stiftung). Auf Vorschlag jeder Preisträgerin und jedes Preisträgers erhält eine
begabte wissenschaftliche Nachwuchskraft aus dem glei-
chen Land ein monatliches Stipendium in der Höhe von
920,— Euro monatlich für ein Studienjahr an einer Wiener
Hochschule.
Kurzfilmpreis für Lettland
Anlässlich der 48.Oberhausener Kurzfilmtage ist im Mai
2002 der 10-minütige Dokumentarfilm „Papa Gena“ der
lettischen Filmemacherin Laila Pakalniòa mit dem Preis der
Jury in Höhe von 500 Euro ausgezeichnet worden. Aus der
Begründung der Jury: „Für das feinfühlige, verständnisvolle
Portrait nicht nur der Menschen, sondern eines Landes, für
den unauffälligen Glauben an eine Idee und die schöne Form
diesen zu verbreiten und für die tiefe Menschlichkeit.“
Sport
Eishockey-WM in Lettland noch unklar
Eine Million Schweizer Franken hinterlegte die lettische
Regierung beim Internationalen Eishockeyverband als Voraussetzung, um das Recht zur Ausrichtung der Weltmeisterschaften im Jahre 2006 zugesprochen zu bekommen. Bisher
ist aber der Bau neuer Hallen, die zur Durchführung des
Turniers nötig sein werden, noch unklar. Der Termin mit der
US Firma „IMS Studio 6“, bis zum 20.Mai 2002 einen
Projektvorschlag für eine Multifunktionshalle auf dem Tisch
zu haben, konnte nicht eingehalten werden. Falls sich Lettland nicht in der Lage zeigt, bis 2005 eine Halle mit 6.000
Plätzen und eine weitere mit 12.000 Plätzen zu bauen, würde
die WM an andere Interessenten vergeben werden müssen.
Spätestens anlässlich der WM 2003 wird mit einer definitiven
Entscheidung in dieser Sache gerechnet.
INFOBLATT BALTISCHE STAATEN 1/02
S.53