Handwerk rund um die Jagd: Gamsbartbinder
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Handwerk rund um die Jagd: Gamsbartbinder
Handwerk rund um die Jagd: Gamsbartbinder Vom Haarbüschel zum Schmuckstück Ein Gamsbart ist nicht nur ein handwerkliches Kunststück, sondern auch ein jagdliches. Denn nicht viele Jäger haben die Chance, fünf Gamsböcke oder mehr in ihrem Leben zu erlegen. So viele sind nämlich mindestens nötig, um aus ihren Grannenhaaren einen Bart zu binden. Wie es funktioniert, erfuhren wir bei Bartbinder und BJV-Mitglied Helmut Liegl. Text und Bilder: Stephanie Geißendörfer W enn Helmut Liegl auf der Gamsjagd durchs Spektiv schaut, tut er das sprichwörtlich mit zwei Augen: „Mit dem einen schau ich auf die Kruckn, und mit dem anderen schau ich nur aufs Haar.“ Denn Liegls Augen sind nicht nur die eines Jägers, sondern auch die eines Bartbinders – ein Kunsthandwerk, das der Oberbayer seit über 40 Jahren ausübt. „Wenn ich sehe, dass der Bock in der Brunft seine Haare aufstellt, ist das ein Zeichen, dass sie nicht sehr lang und üppig sind“, so Liegl. „Wenn die Haare allerdings dafür zu schwer sind, und sie vom Wind hin und Die Haare werden mit Hilfe von Glasröhrchen sortiert und zu Büscheln gebunden. 20 11/2008 her bewegt werden, eignen sie sich prima für einen Gamsbart.“ Der 73-jährige Jagdaufseher aus Bernried am Starnberger See hat schon immer gerne Tracht getragen, wie er sagt, und da darf ein Gamsbart nicht fehlen. Als er 1964 im Stubaital seinen ersten Gamsbock erlegte, zeigte ihm sein Tiroler Jagdfreund, wie man ihn rupft. „Für einen Gamsbart verwendet man die langen Grannenhaare, die man gegen die Wuchsrichtung am sogenannten Aalstrich des Gamsrückens samt der Wolle herausrupft“, erklärt Liegl. „Wenn man nach dem Schuss etwa eine viertel Stunde wartet, doch nicht so lange, bis die Totenstarre eingetreten ist, lässt der Gamsbock die Haare leicht los.“ Zu Hause zeigte ihm damals dann ein ehemaliger Hausknecht, der Edelweiß-Toni, wie man aus den Haaren einen Bart bindet, und gab ihm ein Büschel Haare aus der Mähne eines Hirsches zum Üben mit. Seitdem hat den inzwischen pensionierten Eisenbahner Liegl das Bartbinden nicht mehr losgelassen. „Der Toni hat immer mehr Kunden an mich verwiesen, weil er das Bartbinden aus Altersgründen aufgeben musste“, erzählt er. Vor etwa 20 Jahren richtete Liegl sich dann einen kleinen Laden ein, in dem er Gams-, Hirsch-, Dachs- und Saubärte ausstellt und verkauft – neben selbstgemachten Charivari und anderem Trachtenschmuck sowie selbst geschnitzten Figuren. Bis Bartbinder Helmut Liegl das Material für einen einzigen kapitalen Gamsbart beisammen hat, können Jahre vergehen. Bevor Helmut Liegl einen Gamsbart binden kann, sammelt er oft über Jahre hinweg Material. „Für einen kapitalen Bart benötige ich die Haare von bis zu 20 Böcken und mehr“, sagt er. „Für einen kleinen reichen drei bis vier.“ Die Haare einer Gamsgeiß eignen sich laut Liegl übrigens nicht für einen Bart, denn sie sind zu kurz. „Dafür lässt sich daraus prima ein anderes Trachtenschmuckstück machen, das sogenannte Gamsradl“, so der Experte. Vor dem Binden steht das Sammeln und Sortieren Viele von Liegls Kunden sind Jäger, die sich den Bart als Trophäe an den Hut stecken wollen. Sie schicken dem Bartbinder über Jahre hinweg immer wieder Haare oder ganze Decken zu. „Am liebsten ist mir, ich rupfe die Tiere selber, dann gehen keine Haare verloren“, so Liegl. Dafür sollte die Decke aber frisch bei ihm angeliefert werden. Ist das nicht möglich, sollte der Jäger sie gleich nach dem Zerwirken einfrieren. „Auf keinen Fall salzen“, rät der Fachmann, „sonst lassen sich die Haare nicht mehr rupfen.“ Liegl bindet Bärte aber auch ohne konkreten Auftrag. Die Haare dafür kauft er den Jägern ab – 150 bis 200 Euro zahlt er dafür pro Bock –, sammelt sie und beginnt mit der Arbeit, wenn er genug zusammen hat. „Als erstes kämme ich die Haare aus und befreie sie von der Wolle und sogenannten blinden Haaren ohne Reif“, erzählt er. „Sind sie verbogen, so muss ich sie erst pressen.“ Dann werden die Haare der Länge nach sortiert. Dazu verteilt Liegl sie in verschie- Die Haarbüschel bindet Helmut Liegl an einen Rundholzstecken, den er am oberen Ende schmal zuschnitzt, mit grünem Garn umwickelt und verleimt. den lange Glasröhrchen, nach halben Zentimetern abgestuft – von 6,5 bis 18 oder in seltenen Fällen auch mal bis 20 Zentimeter – und bindet daraus einzelne Büschel. „Für einen starken Bart brauche ich fünf Büschel pro Länge“, so Liegl. Bis er die beisammen hat, können Jahre vergehen. Jedes einzelne Büschel bindet er dann streng auf einen kleinen Rundholzstecken – die kürzeren zuerst – bis daraus nach und nach ein Bart entsteht. Hat er alle Büschel verarbeitet und der Bart die gewünschte Dicke, schnitzt Liegl das untere Stück des Holzsteckens schmal zu. „Zum Abschluss binde ich ein grünes Garn herum und verleime es“, erklärt er. Nach dem Trocknen kämmt er den fertigen Bart noch aus. Vom Sortieren der Haare bis zum letzten Schritt braucht Helmut Liegl je nach Stärke des Bartes 30 bis 60 Stunden. Auf dem Preisschild der kleineren Bärte steht 60 oder 70 Euro, auf dem größten mit 20,5 Zentimetern, den Liegl als Rarität bezeichnet, 4.000 Euro. Jäger, die aus selbst gelieferten Haaren einen Bart bestellen, zahlen bei Helmut Liegl nur den Stundenlohn von sechs Euro. Der letzte Arbeitsschritt ist das Auskämmen des Gamsbartes, bevor ihn sich der Kunde an den Hut stecken kann. Hier eine Rarität von 20 Zentimetern Länge. 24. Gamsbartolympiade in Mittenwald Zum Abschluss der Ganghofer-Hubertuswoche wurde in Mittenwald die 24. Gamsbart-Olympiade ausgerichtet. Die Veranstaltung findet alle vier Jahre und abwechselnd in Österreich und Deutschland statt. Teilnehmen können sowohl Binder als auch Besitzer von Gams-, Hirsch- oder Dachsbärten. Dieses Jahr wurden 90 Bärte zur Bewertung eingereicht. Sieger in der „Königsklasse“, die Gamsbärte von 19 Zentimetern und mehr umfasst, waren der bayerische Gamsbartbinder Johann Schober aus Mittenwald (Platz 2) und der österreichische Profi Eduard Zaiser. Die beiden teilten sich auch die vorderen Plätze bei den Hirschbärten. Der Erste Preis bei den Dachsbärten ging an Gisela Betz aus Amerang für ein in Bad Goisern erworbenes Exemplar. Die Veranstaltung wurde von über 500 Gästen besucht. VK ● Kontakt: Helmut Liegl, Reitweg 2, 82347 Bernried am Starnberger See, Tel.: 08158/3709 11/2008 21