Untersuchung der zukünftigen Frequenzbedarfe

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Untersuchung der zukünftigen Frequenzbedarfe
Technische Universität Braunschweig | Institut für Nachrichtentechnik
Schleinitzstraße 22 | 38106 Braunschweig | Deutschland
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
Referat I C 4
Herrn Baumeister
Technische Universität
Braunschweig
Institut für Nachrichtentechnik
Schleinitzstraße 22
38106 Braunschweig
Deutschland
Prof. Dr.-Ing. Thomas Kürner
Prof. Dr.-Ing. Ulrich Reimers
53107 Bonn
Tel. +49 (0) 531 391-2480
Fax +49 (0) 531 391-5192
[email protected]
www.ifn.ing.tu-bs.de
Datum: 21. Januar 2013
Untersuchung der zukünftigen Frequenzbedarfe des
terrestrischen Fernsehens und des Mobilfunkdienstes
sowie weiterer Funknutzungen im Frequenzband 470-790
MHz sowie Bewertung von Optionen zur Verteilung der
Frequenznutzungen unter sozio-ökonomischen und
frequenztechnischen Gesichtspunkten insbesondere im
Teilfrequenzband 694-790 MHz
Abschlussbericht
Prof. Dr.-Ing. Thomas Kürner
Prof. Dr.-Ing. Ulrich Reimers
Dr.-Ing. Kin Lien Chee
Dipl.-Ing. Thomas Jansen, M. Sc.
Dipl.-Ing. Frieder Juretzek
Dipl.-Ing. Peter Schlegel
i
Mit Schreiben vom 27. August 2012 hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie dem Institut für Nachrichtentechnik der Technischen Universität Braunschweig
einen Sachverständigenauftrag (Projekt-Nr.: 85/12) mit dem o. a. Titel erteilt. Der vorliegende
Bericht stellt die Abschlussdokumentation zu diesem Sachverständigenauftrag dar.
Zusammenfassende Darstellung – Executive Summary
Vor dem Hintergrund der Entscheidung der World Radiocommunication Conference (WRC)
2012 über die Tagesordnung der WRC 2015, bei der es unter anderem um Untersuchungen
zur möglichen zukünftigen Nutzung des Frequenzbandes von 694 MHz bis 790 MHz für den
Mobilfunkdienst gehen soll, analysiert das vorliegende Gutachten anfänglich die
Perspektiven der bisher in diesem Frequenzband stattfindenden terrestrischen TVVerteilung. Es entwickelt drei mögliche Szenarien, von denen nur das Szenario „Umstieg von
DVB-T auf DVB-T2“ und das Szenario „Ausstieg aus der terrestrischen TV-Verbreitung“ als
realistisch angesehen werden.
Sollte ein Umstieg von DVB-T auf DVB-T2 erfolgen, so kann ab ca. 2018 in den
Ballungsräumen und ab ca. 2020 bundesweit ein Teil des 700-MHz-Bandes für andere
Dienste genutzt werden, sofern eine Koordinierung mit dem Ausland erfolgreich verläuft. Im
Zuge einer Umnutzung müssen hunderte TV-Sendeanlagen verändert werden. Die Belange
der Kabelnetzbetreiber, in deren Netzen in dem betrachteten Frequenzbereich sowohl TVals auch Internetdienste betrieben werden, sind zu berücksichtigen. Betreiber von PMSESystemen benötigen Frequenzzuweisungen außerhalb des UHF-Bandes. Das Gutachten
schlägt für dieses Szenario Bandpläne unter Berücksichtigung von Mobilfunkdiensten und
Diensten der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) vor, in denen
insbesondere auch Koexistenz-Bedingungen zwischen unterschiedlichen Funknutzungen
berücksichtigt werden.
Auch für den Fall eines Ausstieges aus der terrestrischen TV-Verteilung, der unter
bestimmten Umständen bereits 2019 abgeschlossen sein könnte, stellt das Gutachten
Bandpläne vor. Eine Vielzahl von offensichtlichen und weniger offensichtlichen
Konsequenzen ist in einem solchen Fall zu bedenken. Neben der bereits erwähnten
Koordinierung mit dem Ausland und der Berücksichtigung der Belange der
Kabelnetzbetreiber müssen beispielsweise Finanzierungsmodelle für die Zukunft des
privaten und des öffentlich-rechtlichen Hörfunks gefunden werden, da dieser die
Mitbenutzungsmöglichkeiten von TV-Sendemasten etc. verliert. Die Betreiber von PMSESystemen benötigen in diesem Fall für sie reservierte Frequenzbereiche. Für die
Übertragung von Live-Video zu portablen und mobilen, auch in Fahrzeuge fest verbauten,
Empfangsgeräten müssen innovative Lösungen jenseits heutiger Mobilfunkstandards
gefunden werden. Dabei sollte die Übertragung von Live-Video außerhalb der von
Mobilfunknetzbetreibern in ihren Kunden-Verträgen vorgegebenen Daten-Volumen-Grenzen
ermöglicht werden und evtl. mit einer Must-Carry-Verpflichtung verbunden sein u. v. a. m.
Das Gutachten stellt abschließend Forschungsansätze vor, mittels derer das immer
drängender werdende Problem der ko-operativen bzw. ko-primären Nutzung von
ii
terrestrischen Frequenzen für Rundfunk- und Mobilfunkdienste gelöst werden kann und
plädiert für Forschungs- und Entwicklungsförderung auf diesem wichtigen Feld.
iii
iv
Inhaltsverzeichnis
1 2 Einleitung ...................................................................................................................... 1 1.1 Aufgabenstellung .................................................................................................. 1 1.2 Vorgehensweise ................................................................................................... 1 1.3 Bemerkungen zur Unterscheidung Mobilfunk / Broadcast .................................... 2 Frequenzbedarf für die terrestrische TV-Versorgung .............................................. 4 2.1 Terrestrische Fernsehversorgung mit DVB-T ....................................................... 4 2.2 Perspektiven der Einführung von DVB-T2 ............................................................ 7 2.3 Frequenzbedarf im Jahr 2020 ............................................................................... 8 2.3.1 Fortführung der DVB-T-Ausstrahlung im Umfang des Jahres 2012 ............ 9 2.3.2 Umstieg von DVB-T auf DVB-T2 ................................................................. 9 2.3.3 Ausstieg aus der terrestrischen TV-Verbreitung ........................................ 10 2.4 3 4 Empfehlung zur Zukunft der terrestrischen TV-Verbreitung ............................... 11 Frequenzbedarf für PMSE-Systeme (PMSE: Program Making and Special
Events) im UHF-Band ................................................................................................ 13 3.1 Einsatz von PMSE-Geräten ................................................................................ 13 3.2 Derzeitige Frequenzsituation der PMSE-Systeme.............................................. 14 3.3 Randbedingungen bei der Nutzung von Frequenzen/Kanälen durch PMSE ...... 16 3.4 Zusammenstellung von Anforderungen an Spektrum für PMSE-Systeme
basierend auf Gesprächen mit Systemherstellern, Anwendern sowie auf
Recherchen ........................................................................................................ 17 3.5 Mögliche Szenarien ............................................................................................ 20 Untersuchungen
zur
Nutzung
des
UHF-Spektrums
durch
Breitbandanwendungen des kommerziellen Mobilfunkdienstes .......................... 24 4.1 Ausgangssituation der Spektrums-Nutzung durch den Mobilfunk in
Deutschland ........................................................................................................ 24 4.2 Stand der Diskussion bezüglich Verkehrsprognosen und Spektrumsbedarf ...... 25 4.3 Möglichkeiten zur Deckung des steigenden Kapazitätsbedarfs.......................... 35 4.4 Leistungsfähigkeit von Mobilfunksystemen......................................................... 37 4.5 Potential zur Nutzung des UHF-Spektrums durch den kommerziellen
Mobilfunk ............................................................................................................ 38 4.6 Fazit .................................................................................................................... 42 v
5 6 Untersuchungen des Frequenzbedarfs für Breitbandanwendungen der
Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), Militär und
Betreiber kritischer Infrastrukturen .......................................................................... 43 5.1 Hintergrund zu Spektrumsnutzung von BOS in Deutschland ............................. 43 5.2 Stand der Diskussion zum Spektrumsbedarf für BOS ........................................ 45 5.3 Diskussion der Kandidatenbänder ...................................................................... 47 5.3.1 Diskussionsstand in der CEPT ECC FM49 ............................................... 47 5.3.2 Perspektiven der BOS-Dienste in den Frequenzbändern 400 MHz
bzw. 700 MHz ............................................................................................ 49 5.4 Stand der Diskussion zum Spektrumsbedarf bei militärischen
Anwendungen ..................................................................................................... 50 5.5 Spektrumsbedarf für Betreiber kritischer Infrastrukturen im Energie-,
Transport- und Industriebereich .......................................................................... 51 5.6 Fazit .................................................................................................................... 51 Neuartige Ansätze zur gemeinsamen Spektrumsnutzung durch
terrestrische TV- und Mobilfunknetze ...................................................................... 53 6.1 6.1.1 Effiziente Spektrumsnutzung durch den Einsatz von Punkt-zuMultipunkt Übertragung (Point-to-Multipoint - P2MP) ................................ 53 6.1.2 Effiziente P2MP Übertragung innerhalb von Mobilfunknetzen durch
den Einsatz eines Tower-Overlays ............................................................ 54 6.1.3 Nutzung bestehender Broadcast-Technik für den Tower Overlay ............. 56 6.1.4 Zusammenfassung .................................................................................... 57 6.2 7 Tower-Overlay für LTE-Netze ............................................................................. 53 Dynamic Broadcast ............................................................................................. 58 Empfehlungen und Handlungsoptionen .................................................................. 60 Literatur ................................................................................................................................. 66 1 Einleitung
1.1
Aufgabenstellung
Mit Schreiben vom 27. August 2012 hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie dem Institut für Nachrichtentechnik der Technischen Universität Braunschweig
einen Sachverständigenauftrag (Projekt-Nr.: 85/12) mit dem Titel „Untersuchung der
zukünftigen Frequenzbedarfe des terrestrischen Fernsehens und des Mobilfunkdienstes
sowie weiterer Funkanwendungen im Frequenzband 470-790 MHz sowie der Bewertung von
Optionen zur Verteilung der Frequenznutzungen unter sozio-ökonomischen und
frequenztechnischen Gesichtspunkten insbesondere im Teilfrequenzband 694-790 MHz“
erteilt. Die Untersuchungen sollten sich zunächst schwerpunktmäßig an folgenden im
Ausschreibungstext geforderten Punkten orientieren:

Untersuchungen zur Nutzung durch terrestrische TV-Übertragung und drahtlose
Produktionstechniken

Untersuchungen zur erweiterten Nutzungsmöglichkeit für den Mobilfunkdienst

Untersuchungen zur Nutzung durch Breitbandanwendungen für Behörden und
Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS)

Hybride Ansätze zur gemeinschaftlichen Nutzung des Spektrums, insbesondere
Dynamic Broadcast-Ansätze.
Eine erste Zwischenpräsentation zu unseren Untersuchungen fand im Rahmen der
Informationsveranstaltung "Mobile Media 2020" im Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie (BMWi) am 12. November 2012 vor interessierten Kreisen statt. Im Rahmen
dieser Veranstaltung wurde seitens des BMWi auch das Diskussionspapier „Mobile Media
2020“ [64] vorgestellt. Im Nachgang zu dieser Veranstaltung hatten alle Beteiligten die
Gelegenheit zu Stellungnahmen sowohl zum Diskussionspapier als auch zu unserer
Zwischenpräsentation.
Der
vorliegende
Bericht
stellt
die
Abschlussdokumentation
zu
diesem
Sachverständigenauftrag dar. In diesem Abschlussbericht fanden insbesondere auch die im
Diskussionspapier und in den eingegangen Stellungnahmen aufgeführten Aspekte
Berücksichtigung.
1.2
Vorgehensweise
Für die Untersuchung gingen wir in drei Schritten vor:

Zunächst wurden die Frequenzbedarfe der unterschiedlichen Dienste im UHF-Band
einzeln analysiert. Gegenstand dieses Teils der Untersuchung waren die terrestrische
TV-Versorgung (Kapitel 2), PMSE (Program Making and Special Events; Kapitel 3),
die Breitbandversorgung durch den kommerziellen Mobilfunkdienst (Kapitel 4) sowie
die
Breitbandanwendungen
der
Behörden
und
Organisationen
mit
Einleitung
Sicherheitsaufgaben (BOS)
Infrastrukturen (Kapitel 5).
1.3
2
und
des
Militärs
und
der
Betreiber
kritischer

In einem zweiten Schritt wurden die in Kapitel 6 vorgestellten neuartigen, am Institut
für Nachrichtentechnik entwickelten, Ansätze zur gemeinsamen Spektrumsnutzung
durch terrestrische TV- und Mobilfunknetze in die Betrachtungen einbezogen.

Basierend auf den Ergebnissen aus den Kapiteln 2 bis 6 wurden Handlungsoptionen
und Empfehlungen abgeleitet und für verschiedene Szenarien jeweils konkrete
Bandpläne entwickelt (Kapitel 7).
Bemerkungen zur Unterscheidung Mobilfunk / Broadcast
Die Erfahrung aus vielfältigen Gesprächen zeigt, dass die Stakeholder im Mobilfunk und die
in Hörfunk und Fernsehen (hier als Broadcast zusammen gefasst) die grundsätzlichen
Unterschiede ihrer „Welten“ häufig nicht verstehen oder nicht zur Kenntnis nehmen. Dieser
Abschnitt beschreibt daher einige dieser grundsätzlichen Unterschiede.
Ein Mobilfunknetz-Betreiber erwirbt einen bestimmten Frequenzblock, in dem nur sein
Service angeboten wird. Sein Service ist die Bereitstellung einer Kommunikationsleistung,
nicht die eines spezifischen Inhaltes. Nutzer dieses Service erwarten die Bereitstellung einer
bestimmten Datenrate bzw. einer bestimmten Quality of Service und es ist ihnen egal,
welche Frequenz oder welche Netzzelle ihnen den Service bereitstellt. Ein Frequenzwechsel,
z. B. an der Versorgungsgrenze einer Netzzelle, führt wieder zu einer Frequenz des einen
Netzbetreibers, dessen SIM-Karte in ihrem Endgerät steckt, innerhalb der von ihm
erworbenen Frequenzzuteilung und damit wieder zu derselben Kommunikationsleistung.
Ein Broadcast-Netzbetreiber nutzt die dem Broadcast zugewiesene Frequenzen nicht zur
Bereitstellung einer Kommunikationsleistung, sondern zur Übertragung von spezifischen
Inhalten. Daher stehen die Anbieter dieser Inhalte untereinander im Wettbewerb um die
Frequenzausstattung – selbst wenn sie einen gemeinsamen Broadcast-Netzbetreiber
beauftragt haben. Insofern überträgt jede Frequenz einen anderen Inhalt. Ein
Frequenzwechsel führt automatisch zu einem anderen Inhalt. Wenn an einem Empfangsort
drei oder auch sieben TV-Kanäle empfangbar sind, so werden darüber z. B. 12 oder 28
unterschiedliche Programme angeboten.
Kundinnen und Kunden eines Mobilfunknetz-Betreibers erwerben ihre Endgeräte
üblicherweise von ihm. Diese Endgeräte sind in den meisten Fällen im Preis subventioniert,
da mit ihrem Erwerb ein z. B. zweijähriger Nutzungsvertrag verbunden ist. Die Kundinnen
und Kunden erfahren daher den realen Marktpreis des Endgerätes nicht. Nach
typischerweise zwei Jahren erhalten sie ein neues Gerät – mit einem neuen Vertrag.
Käuferinnen und Käufer eines TV-Empfängers sind über die Pflicht zur Zahlung des
Rundfunkbeitrags
mit
den
öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten
(und
den
Landesmedienanstalten) in gewisser Weise vertraglich verbunden. Sie erstehen das Gerät
ohne Subventionierung und bezahlen den Marktpreis. Einen Incentive zum Tausch des
Gerätes gibt es erst dann, wenn das Gerät funktionsunfähig wird, oder wenn z. B. der
Wunsch entsteht, HDTV nutzen zu wollen. Die typische Lebensdauer des
Einleitung
3
Fernsehempfängers liegt in einer Größenordnung von fünf bis 10 Jahren. Insbesondere die
in den Jahren 2011 ff gekauften Geräte bieten von ihrer technischen Ausstattung meist so
viele Möglichkeiten (HDTV, 3DTV, HbbTV etc.), dass ein Neukauf in absehbarer Zeit nicht zu
erwarten ist. Jede Veränderung der Ressourcen für die TV-Übertragung tangiert daher
potentiell Millionen von Menschen, die in die Endgeräte privat investiert haben.
2 Frequenzbedarf für die terrestrische TV-Versorgung
Dieses Kapitel analysiert anfänglich den heute erreichten Stand der terrestrischen TVVersorgung in Deutschland. Besonders betrachtet wird hierbei die derzeitige Nutzung des
Frequenzbereichs 694 MHz bis 790 MHz. Im Anschluss daran wird das System DVB-T2
vorgestellt, dessen mögliche Einführung eine Weiterentwicklung der terrestrischen TVVersorgung, beispielsweise mit dem Ziel der Einführung von HDTV, erlaubt. Anschließend
erfolgt eine Betrachtung alternativer Szenarien der zukünftigen Nutzung des UHF-Bereiches
für die terrestrische TV-Versorgung. Das Kapitel schließt mit einer Empfehlung zur Zukunft
der terrestrischen TV-Versorgung.
2.1
Terrestrische Fernsehversorgung mit DVB-T
Beginnend mit dem Jahr 2003 wurde in Deutschland das analoge terrestrische Fernsehen
Region nach Region durch DVB-T [1] ersetzt [2]. Ende 2008 war der Umstieg beendet. Zu
diesem Zeitpunkt waren 488 DVB-T-Sender in Betrieb [3].
Während anfänglich die Landesrundfunkanstalten der ARD noch auf der Nutzung des VHFFrequenzbereiches für DVB-T bestanden hatten, wurden die dort in Betrieb genommenen
Sender, insbesondere wegen der hohen Belastung dieses Frequenzbereichs durch den
sogenannten Man-Made-Noise, später wieder außer Betrieb genommen. Alle DVB-T-Sender
sind damit auf den Frequenzbereich 470 bis 790 MHz konzentriert. Hier befinden sich die 40
Kanäle 21 bis 60, deren jeweiliger Kanalabstand 8 MHz beträgt. In dem im Zusammenhang
mit der WRC 2015 speziell zu betrachtenden Frequenzbereich 694 MHz bis 790 MHz liegen
die 12 Kanäle 49 bis 60, also 30% der derzeit für die DVB-T-Ausstrahlung genutzten
Ressourcen. Eine aktuelle, nach Bundesländern sortierte, Liste der DVB-T-Sender incl. der
Angabe der Programmbelegung ist in [4] zu finden.
Von den in Deutschland tatsächlich in Betrieb befindlichen DVB-T-Sendern finden sich 139
Sender im Bereich der Kanäle 49 bis 60 [5]. Die Leistung (ERP) dieser Sender reicht bis zu
100 kW. Hier erkennt man einen wesentlichen Unterschied zu der Situation, die im Bereich
791 MHz bis 862 MHz vor der sogenannten Digitalen Dividende herrschte. Während dort nur
relativ wenige DVB-T-Sender in Betrieb waren, werden die Kanäle 49 bis 60 intensiv genutzt.
Die Karte in Abbildung 2-1 zeigt die Versorgung Deutschlands mit DVB-T per Mai 2012 [6].
Während die öffentlich-rechtlichen Programmanbieter ARD und ZDF einen Empfang von
jeweils mindestens vier Programmen per Dachantenne nahezu überall in Deutschland
ermöglichen, sind die privaten Programmanbieter im Wesentlichen in Ballungsräumen mit
Programmen vertreten. In der Konsequenz entstehen im UHF-Frequenzbereich mehr oder
weniger bedeutende „TV White Spaces“. Dies sind regionale Frequenzlücken in dem
eigentlich für die Fernsehversorgung vorgesehenen Frequenzbereich, in denen unter
gewissen Umständen andere Funkanwendungen gestattet werden könnten, ohne dass
dadurch der Fernsehempfang gestört wird [7]. Abbildung 2-2 zeigt diese TV White Spaces
für den Beispielfall eines Empfangs „outdoor“ bei einem realistisch ermittelten
Frequenzbedarf für die terrestrische TV-Versorgung
5
Empfangsleistungs-Grenzwert von -72 dBm [8] unter Berücksichtigung der bei der
Bundesnetzagentur dokumentierten Sender der Nachbarländer und unter Annahme weiterer
Randbedingungen. Nicht einbezogen sind die besonderen Eigenschaften der Ausbreitung
über Wasser, welche insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern einen gewissen Einfluss
auf die Zahl der „TV White Spaces“ hätte. Die in der nebenstehenden Skala abzulesende
Zahl der als „TV White Spaces“ verfügbaren TV-Kanäle sollte hier nicht überinterpretiert
werden, da sie natürlich von der Empfindlichkeit des genutzten TV-Empfängers abhängt. Die
Abbildung zeigt aber, dass als Folge der in Abbildung 2-1 dokumentierten ungleichmäßigen
Nutzung der verfügbaren TV-Kanäle Frequenzressourcen im UHF-Band heute schon brach
liegen.
Abbildung 2-1: DVB-T-Empfangsmöglichkeiten in Deutschland (Mai 2012)
Mittels DVB-T werden in Deutschland in einem Kanal mit einer Netto-Datenrate von 13,27
Mbit/s typischerweise vier TV-Programme in der Qualität SDTV (Standard Definition
TeleVision) übertragen. Es gibt jedoch, beispielsweise in Berlin, auch eine DVB-T-Variante
mit einer Netto-Datenrate von 22,12 Mbit/s worüber sechs TV- und 7 Radioprogramme in
einem einzigen Kanal übertragen werden können.
Frequenzbedarf für die terrestrische TV-Versorgung
6
Abbildung 2-2: TV White Spaces im UHF-Band in Deutschland
Die Zahl der an einem Empfangsort empfangbaren Programme variiert deswegen erheblich,
weil die privaten Programmanbieter im Wesentlichen nur in den Ballungsräumen auf die
Programmverbreitung per DVB-T setzen. In der Folge liegt die Zahl der per DVB-T
empfangbaren Programme beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern bei nur 9, in Berlin
aber bei nahezu 40 [4]. Die Haushaltsnutzung von DVB-T wird jährlich im
Digitalisierungsbericht der Landesmedienanstalten dokumentiert. Die nachfolgende Grafik
(Abbildung 2-3) entstammt dem Digitalisierungsbericht 2012 [9].
Abbildung 2-3: DVB-T-Nutzung in den Bundesländern
Frequenzbedarf für die terrestrische TV-Versorgung
7
Eine wichtige Erkenntnis, die aus Abbildung 2-3 abgeleitet werden kann ist die, dass nur
dort, wo sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Fernsehprogramme zu empfangen sind,
die Nutzung von DVB-T den einstelligen Prozentbereich überschreitet. Sollten die privaten
Programmanbieter also beschließen, die terrestrische TV-Verbreitung aufzugeben, ist mit
einer massiven Erosion der Nutzung zu rechnen. Dem Digitalisierungsbericht 2012 ist
ebenfalls zu entnehmen, dass im Jahr 2012 etwa 4,8 Mio. der insgesamt 38 Mio. Haushalte
in Deutschland DVB-T nutzen. Im Vergleich zu 2011 ist ein Zuwachs um etwa 0,3 Mio.
Haushalte zu verzeichnen. Von den DVB-T-Nutzern sehen etwa 3,7 Mio. Haushalte DVB-T
am ersten TV-Gerät und etwa 1,1 Mio. nur an weiteren TV-Geräten. DVB-T wird aber nicht
nur am klassischen Fernsehempfänger, sondern auch am PC oder Laptop sowie im
Automobil genutzt. Von den im Digitalisierungsbericht 2012 ermittelten etwa 5,8 Mio.
Haushalten, in denen auch per PC oder Laptop TV gesehen wird, nutzen mindestens 33,7 %
DVB-T – dies sind also etwa 2 Mio. Haushalte. Nach Schätzungen der Deutschen TVPlattform sind etwa 1 Mio. PKWs mit DVB-T-Empfängern ausgestattet.
2.2
Perspektiven der Einführung von DVB-T2
Mit DVB-T2 steht ein System der zweiten Generation für die terrestrische
Programmverbreitung zur Verfügung, das im Vergleich zu DVB-T weitreichende
Verbesserungen der Programmversorgung ermöglicht. Mit DVB-T2 ist es beispielsweise
möglich, die in terrestrischen TV-Netzen benötigte Sendeleistung unter Beibehaltung der
bereits bei DVB-T genutzten Datenrate pro Kanal deutlich zu senken. Alternativ ist es
möglich, die Datenrate pro Kanal unter Beibehaltung der heute für DVB-T genutzten
Sendeleistungen deutlich zu erhöhen. DVB-T2 bietet neben vielen anderen innovativen
Merkmalen „Multiple Physical Layer Pipes (MPLP)“. Mittels MPLP können in einem Kanal
Signale unterschiedlicher Robustheit ausgestrahlt werden, so dass z. B. einige der
Programme mit einer kleinen Stabantenne am Gerät empfangen werden können, während
zum Empfang anderer Programme im selben Übertragungskanal hochwertige Antennen
erforderlich sind. Mit DVB-T2 sind Gleichwellennetze (SFNs) realisierbar, in denen der
Senderabstand deutlich größer ist, als in den heutigen DVB-T-Netzen. DVB-T2 ermöglicht
den Empfang auch im schnell fahrenden Fahrzeug etc. etc.
Im Rahmen des DVB-T2 Modellversuchs Norddeutschland wurde DVB-T2 ausführlich
untersucht. Die Technische Leitung des Modellversuchs lag bei den Autoren dieses
Gutachtens. Der Abschlussbericht [10] dokumentiert die Ergebnisse des Modellversuches.
Im Ergebnis der Untersuchungen verständigten sich die beteiligten öffentlich-rechtlichen und
privaten Programmanbieter, Netzbetreiber, Medienanstalten und Hersteller auf drei mögliche
Szenarien für eine Einführung von DVB-T2, die im Folgenden beschrieben werden:
Szenario 1: Schwerpunktsetzung auf portablen und mobilen Empfang von SDTVProgrammen. Hier wird der DVB-T2-Modus [16 k FFT, 16 QAM, Coderate 3/5] verwendet.
Für sicheren Empfang wird ein Störabstand von 11 dB bei stationärem und portablem
Empfang und von 14,0 dB bei mobilem Empfang benötigt. Die verfügbare Datenrate liegt bei
14,8 Mbit/s, von denen nach Abzug der für den gesamten Multiplex benötigten Datenrate von
0,7 Mbit/s für Program Specific Information/Service Information (PSI/SI) und Nullpakete 14,1
Frequenzbedarf für die terrestrische TV-Versorgung
8
Mbit/s verbleiben. Diese Datenrate reicht in Abhängigkeit von Detail-Entscheidungen der
Programmanbieter zur Übertragung von 7 oder 8 SDTV-Programmen aus, wenn die
Videocodierung H.264/AVC MPEG-4 part 10 genutzt wird.
Szenario 2: Versorgung stationärer, portabler und mobiler Empfangsgeräte mit in der
Bildqualität verbessertem SDTV (SDTV+).Hier wird der DVB-T2-Modus [16 k FFT, 64 QAM,
Coderate 3/5] verwendet. Für stationären und portablen Empfang wird ein Störabstand von
16,4 dB und für mobilen Empfang von 24,4 dB benötigt. Die verfügbare Datenrate liegt bei
22,2 Mbit/s, von denen nach Abzug der für den gesamten Multiplex benötigten Datenrate von
0,7 Mbit/s für PSI/SI und Nullpakete 21,5 Mbit/s verbleiben. Diese Datenrate reicht in
Abhängigkeit von Detail-Entscheidungen der Programmanbieter zur Übertragung von 7 oder
8 SDTV+-Programmen aus, wenn die Videocodierung H.264/AVC MPEG-4 part 10 genutzt
wird. Alternativ könnten auch 4 oder 5 SDTV+-Programme und ein HDTV-Programm in
einem Kanal ausgestrahlt werden.
Szenario 3: Schwerpunktsetzung auf Versorgung stationärer und portabler HDTVEmpfangsgeräte. Hier wird der DVB-T2-Modus [32 k FFT, 64 QAM, Coderate 2/3]
verwendet. Für sicheren Empfang in stationären und portablen Empfangssituationen wird ein
Störabstand von 17,0 dB benötigt. Die verfügbare Datenrate liegt bei 27,3 Mbit/s, von denen
nach Abzug der für den gesamten Multiplex benötigten Datenrate von 0,7 Mbit/s für PSI/SI
und Nullpakete 26,6 Mbit/s verbleiben. Diese Datenrate reicht in Abhängigkeit von DetailEntscheidungen der Programmanbieter zur Übertragung von 3 oder 4 HDTV-Programmen
aus, wenn die Videocodierung H.264/AVC MPEG-4 part 10 genutzt wird.
In der nicht nur theoretischen Vielzahl an Kombinationen von Dienste-Szenarien und
Parametersätzen zeigen sich die Flexibilität des Systems DVB-T2 und sein Charakter als
Toolbox.
Eine Entscheidung zur Einführung von DVB-T2 ist in Deutschland bisher nicht gefallen,
allerdings mehren sich insbesondere in den Monaten Oktober und November 2012 die
Aussagen, dass DVB-T2 in Deutschland eingeführt werden sollte, z. B. [11].
2.3
Frequenzbedarf im Jahr 2020
Die Zukunft der terrestrischen TV-Verbreitung in Deutschland ist derzeit (Jahresende 2012)
nicht abschließend prognostizierbar. Der Versuch einer Vorhersage des tatsächlichen
Frequenzbedarfs kann daher nur in Szenarien erfolgen. Bei allen im Folgenden dargestellten
Varianten ist zu berücksichtigen, dass die Nutzung der für die TV-Verbreitung verfügbaren
Kanäle in internationalen Vereinbarungen geregelt ist und dass Deutschland an diese
Vereinbarungen gebunden ist. Das terrestrische Fernsehen spielt in einigen Nachbarländern
Deutschlands weiterhin eine bedeutende Rolle als primärer Verbreitungsweg für TVProgramme und es ist zu vermuten, dass diese Länder unabhängig von möglichen
Entscheidungen in Deutschland an der terrestrischen Verbreitung festhalten werden. In
Anbetracht der Tatsache, dass nicht absehbar ist, ob und gegebenenfalls wann die
Nachbarländer Deutschlands bereit sind, die existierenden Vereinbarungen zu ändern,
stehen die Szenarien sämtlich unter dem Vorbehalt der internationalen Koordinierbarkeit.
Frequenzbedarf für die terrestrische TV-Versorgung
9
In den folgenden Szenarien werden innovative Ansätze, wie z. B. Dynamic Broadcast oder
der Einsatz von Broadcast-Netzen als Overlay über zellularen Netzen nicht berücksichtigt.
Auf diese Ansätze geht Kapitel 6 des Gutachtens ein.
2.3.1
Fortführung der DVB-T-Ausstrahlung im Umfang des Jahres 2012
In diesem Szenario wird davon ausgegangen, dass die Programmanbieter die DVB-TVersorgung im bisherigen Umfang dauerhaft aufrechterhalten werden. In diesem Fall
erscheint es dringend erforderlich, die regional unterschiedliche Nutzung der verfügbaren
Kanäle zu konsolidieren. Im Rahmen der Planung der DVB-T-Versorgung in Deutschland
forderten die privaten Programmanbieter eine Frequenzausstattung, die derjenigen
vergleichbar war, die den öffentlich-rechtlichen Programmanbietern zur Verfügung gestellt
werden konnte [2]. In der Realität wird diese Frequenzausstattung jedoch nicht adäquat
genutzt. Ebenfalls ungenutzt ist der Kanal, der für den Betrieb von DVB-H (Handheld)
vorgesehen worden war. Im Rahmen einer Neuplanung der DVB-T-Versorgung in
Deutschland wird es gelingen, den Frequenzbedarf für die terrestrische Fernsehversorgung
zu reduzieren. Bisher nicht veröffentlichte Erkenntnisse einer Arbeitsgruppe der BNetzA
(„UHF klein“) deuten darauf hin, dass bis auf wenige Ausnahmen eine Zusammenführung in
den Kanälen 21 bis 48 möglich sein wird. Grundsätzlich erscheint es also möglich, die
Kanäle 50 bis 60 mittelfristig für eine neue Nutzung freizugeben. Der Kanal 49 wird an
einigen Orten für die DVB-T-Ausstrahlung benötigt. An diesen Orten ist der Kanal 50 (ggf.
teilweise) vermutlich als Schutzkanal von neuen Nutzungen freizuhalten. In den übrigen
Regionen muss der Kanal 49 (ggf. teilweise) als Schutzkanal definiert werden.
Die Fortführung der DVB-T-Ausstrahlung birgt das Risiko, dass die terrestrische TVVersorgung mittelfristig auch in den Regionen an Akzeptanz verliert, in denen DVB-T heute
noch in nennenswertem Umfang genutzt wird (vgl. Abbildung 2-3). Nach Prognosen der
Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik (gfu, Pressemitteilung vom
20. 11. 2012) werden allein im Jahr 2012 in Deutschland 10 Millionen, vermutlich sämtlich
HDTV-fähige, Fernsehempfänger verkauft werden. Die Zahl der Haushalte, die
empfängerseitig für den HDTV-Empfang ausgestattet sind, nimmt damit weiter zu. Es darf
vermutet werden, dass die Besitzer dieser Geräte zunehmend auf einen Verbreitungsweg
umsteigen werden, der auch tatsächlich HDTV-Qualität bietet. Da DVB-T dies nicht bieten
kann, muss von einem Absinken der Nutzerzahlen ausgegangen werden. In der Konsequenz
könnte z. B. im Jahr 2020 die DVB-T-Ausstrahlung unwirtschaftlich geworden sein.
Forderungen der Programmanbieter bzw. der Netzbetreiber nach Fortführung der
dauerhaften DVB-T-Ausstrahlung im Umfang des Jahres 2012 sind nicht bekannt.
2.3.2
Umstieg von DVB-T auf DVB-T2
In einer Pressemitteilung vom 12. September 2012 erklärt die ARD, dass mit DVB-T2
portabler und mobiler Empfang erreicht werden solle. Für die lineare Programmverbreitung
werde HDTV-Bildqualität angestrebt. Ein Einstieg in DVB-T2 komme frühestens 2016 bis
2018 in Betracht [10]. Es darf wohl davon ausgegangen werden, dass das ZDF eine ähnliche
Zielsetzung verfolgt. Von Seiten der privaten Programmanbieter gibt es zur Einführung von
Frequenzbedarf für die terrestrische TV-Versorgung
10
DVB-T2 derzeit keine verbindlichen Aussagen. Die Media Broadcast GmbH schlägt vor, im
Frühjahr 2014 mit der Ausstrahlung von DVB-T2 in einem Kanal zu beginnen. Vermutlich
handelt es sich dabei um den Kanal, der ursprünglich für die Ausstrahlung von DVB-H
(Handheld) vorgesehen war. Diese Ausstrahlung soll in den Regionen erfolgen, in denen
bereits derzeit sowohl öffentlich-rechtliche wie auch private Programmanbieter DVB-T
ausstrahlen [12]. Die über DVB-T2 übertragenen Programme sollen aus dem Angebot der
öffentlich-rechtlichen Programmanbieter stammen und in HDTV-Qualität angeboten werden.
Im Verlauf des Jahres 2016 sollen entsprechend den Vorstellungen von Media Broadcast
dann die bisherigen DVB-T-Angebote nach einer relativ kurzen Simulcast-Phase (Simulcast:
Simultaneous Broadcast) von DVB-T und DVB-T2 auf DVB-T2 umgestellt werden. Etwa ab
Mitte 2017 würden dann in sechs oder sieben Kanälen DVB-T2-Signale ausgestrahlt werden.
Der Frequenzbedarf entspräche damit dem, der bereits in Abschnitt 2.3.1 für den Fall der
weiteren Ausstrahlung von DVB-T identifiziert worden war.
Ein seit langem bekanntes Problem bei einer Einführung von DVB-T2 liegt darin, dass, wie in
Abschnitt 2.2 beschrieben, mit DVB-T2 unterschiedliche Ziele realisiert werden können. Es
gibt Protagonisten der Idee, DVB-T2 für die Übertragung von HDTV-Programmen zu nutzen.
Ginge man von vier HDTV-Programmen pro Kanal aus (Abschnitt 2.2, Szenario 3), so bliebe
der Frequenzbedarf gegenüber der heutigen DVB-T-Ausstrahlung in erster Näherung
unverändert. Es muss allerdings gefragt werden, ob alle heute per DVB-T ausgestrahlten
Programme zukünftig in HDTV-Qualität angeboten werden. Es ist außerdem davon
auszugehen, dass die privaten Programmanbieter das bereits bei der Satellitenübertragung
ihrer HDTV-Programme genutzte HD+-Konzept auch terrestrisch umsetzen werden. Die
Vielfalt der dann unverschlüsselt empfangbaren Programme wird dadurch auf die
Programmangebote der öffentlich-rechtlichen Programmanbieter reduziert. Zuschauerinnen
und Zuschauer würden also auch bei der Nutzung von DVB-T2 eine gewisse Gebühr zahlen
müssen, um die derzeit in den Ballungsräumen genutzte DVB-T-Programmvielfalt auch
weiter erleben zu können. Dazu kommt die Frage, ob nicht diejenigen Zuschauerinnen und
Zuschauer, die an HDTV interessiert sind, bis zu einer HDTV-Einführung per DVB-T2 auf
einen anderen Verbreitungsweg (Kabel, Satellit oder IPTV) umgestiegen sein werden (vgl.
die Prognose der Verkaufszahlen von HDTV-fähigen Fernsehempfängern in Abschnitt 2.3.1).
2.3.3
Ausstieg aus der terrestrischen TV-Verbreitung
Dem Vernehmen nach haben die Verträge privater Programmanbieter mit der Media
Broadcast GmbH über die Ausstrahlung ihrer Programme per DVB-T eine Laufzeit bis zum
Jahresende 2014. Verhandlungen zwischen den Vertragspartnern über eine Fortführung der
Ausstrahlung über das Jahresende 2014 hinaus finden nach mündlicher Auskunft der
Verhandlungspartner gegenüber den Autoren dieser Studie derzeit statt. Sollten diese nicht
zu einer Verlängerung der Ausstrahlung führen, so ist davon auszugehen, dass bereits im
Jahr 2015 die Akzeptanz von DVB-T auch in den Bundesländern erheblich zurückgehen
wird, in denen nach Abbildung 2-3 DVB-T besonderen Anklang findet. Damit steht die
Wirtschaftlichkeit der terrestrischen Fernsehverbreitung auch für die öffentlich-rechtlichen
Programmanbieter in Frage. Sie werden im Frühjahr 2015 ihren Finanzbedarf für die Jahre
2017 bis 2020 bei der Kommission für die Ermittlung des Finanzbedarfs der
Frequenzbedarf für die terrestrische TV-Versorgung
11
Rundfunkanstalten (KEF) anzumelden haben. Es ist zu bezweifeln, dass die KEF nach
einem Ausstieg der privaten Programmanbieter einen Finanzbedarf für die Fortsetzung der
DVB-T-Ausstrahlung für diesen gesamten Zeitraum als wirtschaftlich anerkennen können
wird. Möglicherweise würde dies zu einer Beendigung der terrestrischen TV-Verbreitung z.
B. zum Jahresende 2018 führen.
Sollte es zu dieser Situation kommen, so hätte diese vermutlich erhebliche Auswirkungen für
die terrestrische Hörfunkverbreitung, da die Hörfunk-Sendeanlagen in vielen Fällen an
Standorten betrieben werden, die derzeit auch für die DVB-T-Ausstrahlung genutzt werden.
Nach einer eventuellen DVB-T-Abschaltung würden die Hörfunkanbieter die bisher mit dem
Fernsehen geteilten Standortkosten dann alleine tragen müssen. Es wäre zu erwägen, die
zukünftigen Nutzer der in diesem Szenario vom Fernsehen geräumten Frequenzen zur
Beteiligung an den Kosten der Hörfunk-Ausstrahlung zu verpflichten.
Im Falle einer Beendigung der terrestrischen TV-Verbreitung könnten die TV-Sender
gegebenenfalls dazu genutzt werden, Broadcast-Daten (Audio, Video, Daten) in einer Form
auszustrahlen, die in Kapitel 6 als „Tower Overlay over LTE-Advanced“ beschrieben wird.
Die Sender würden also ihre Funktion nicht grundsätzlich verlieren, sondern würden statt für
den klassischen TV-Rundfunk zukünftig für eine Versorgung mobiler Endgeräte wie
Smartphones und Tablets mit Medieninhalten genutzt.
2.4
Empfehlung zur Zukunft der terrestrischen TV-Verbreitung
In Anbetracht der zu Jahresende 2012 existierenden Ungewissheit bzgl. der Fortführung der
terrestrischen TV-Verbreitung seitens der privaten Programmanbieter stellt die nachfolgende
Empfehlung einen Versuch dar, aus den drei vorgestellten Szenarien diejenigen zu
identifizieren, welche die sinnvollste Nutzung des UHF-Spektrum bieten und dabei eine
terrestrische Verbreitung von Live-Video ermöglichen. Die dauerhafte Fortführung der DVBT-Ausstrahlung im Umfang des Jahres 2012 kann nicht empfohlen werden. Also ist von
einem Umstieg auf DVB-T2 oder, nach Beendigung einer klassischen terrestrischen TVVerbreitung, von innovativen Konzepten für die Übertragung von Live-Video speziell zu
mobilen und portablen Endgeräten auszugehen, wobei es allerdings den Programmanbietern
überlassen bleiben muss, zu entscheiden, ob im Fall des Umstiegs auf DVB-T2 dann HDTV
oder SDTV+ angeboten wird, und ob die Programme unverschlüsselt (die öffentlichrechtlichen Programmanbieter haben sich dazu entschlossen) oder verschlüsselt übertragen
werden.
Bei einem Umstieg auf DVB-T2 wird dieser voraussichtlich – gegebenenfalls mit dem im
Abschnitt 2.3.2 beschriebenen Vorlauf in dem für DVB-H vorgesehenen Kanal – ab 2016
erfolgen. Er wird in den Ballungsräumen im Jahr 2018 abgeschlossen sein. Zu diesem
Zeitpunkt wird zumindest dort eine Reduzierung des für die terrestrische TV-Versorgung
benötigten Frequenzbereiches auf die Kanäle 21 bis 48 (gegebenenfalls bis Kanal 49, siehe
Abschnitt 2.3.1) erfolgt sein können. Der Umstieg wird unter Umständen außerhalb der
Ballungsräume bis zu zwei Jahre länger, also bis 2020, dauern. Ab dem Jahr 2019 werden in
den von der TV-Verbreitung freigeräumten Kanälen, gegebenenfalls zeitlich und regional
gestaffelt, alternative Funknutzungen ermöglicht. Diese werden unter Berücksichtigung
Frequenzbedarf für die terrestrische TV-Versorgung
12
möglicher Störeinflüsse auf Fernseh-Kabelnetze implementiert. Zu überlegen ist in dieser
Hinsicht, die zulässigen Uplink- und Downlink-Sendeleistungen der alternativen
Funknutzungen in Ballungsräumen, dort wo also die Kabelnetze besonders stark ausgebaut
sind, stärker einzuschränken, als außerhalb der Ballungsräume, wo eventuelle Funkzellen
größer sein werden, als in den Ballungsräumen sind.
Bei einer Beendigung der klassischen terrestrischen TV-Verbreitung, z. B. zum Jahresende
2018, wird, um eine effiziente Verbreitung von Live-Video zu mobilen und portablen
Endgeräten zu ermöglichen, empfohlen, den in Kapitel 6 beschriebenen innovativen Ansatz
eines Tower Overlay über den zellularen Mobilfunknetzen oder ein vergleichbares Verfahren
zu implementieren. Mittels dieser Ansätze wird unter anderem erreicht, dass die
Mobilfunknetz-Betreiber, die dann ab 2019 möglicherweise Teile des UHF-Spektrums nutzen
können, Live-Video nicht mehrfach, im Extremfall in jedem der Mobilfunknetze parallel, bereit
stellen müssen. Es wird darüber hinaus empfohlen, durch entsprechende Auflagen sicher zu
stellen, dass die Übertragung von Live-Video außerhalb der von den Mobilfunk-Betreibern in
ihren Kunden-Verträgen vorgegebenen Daten-Volumen-Grenzen ermöglicht wird. Bei
Annahme heute typischer Daten-Volumen-Grenzen (z. B. 15 GByte pro Monat) wäre dieses
Volumen nämlich bei Empfang von Hochqualitäts-Live-Video innerhalb weniger Stunden
aufgebraucht. Es sollte schließlich erwogen werden, den Mobilfunknetzbetreibern für
bestimmte Live-Video-Angebote („Fernsehprogramme“) eine Must-Carry-Verpflichtung
aufzuerlegen.
Für den Fall der Beendigung der klassischen terrestrischen TV-Verbreitung ist den
Betreibern der PMSE-Dienste auf geeignetem Weg gesichertes Spektrum für ihre Dienste
zur Verfügung zu stellen.
3 Frequenzbedarf für PMSE-Systeme (PMSE: Program
Making and Special Events) im UHF-Band
In diesem Abschnitt wird anfänglich die derzeitige Frequenzsituation für PMSE-Systeme
erläutert und es werden Randbedingungen für die Vergabe von Spektrum an PMSESysteme definiert. Abschließend werden unterschiedliche Szenarien für eine mögliche
Nutzung des UHF-Bandes unter Berücksichtigung von PMSE-Systemen vorgestellt.
3.1
Einsatz von PMSE-Geräten
Zu den PMSE-Systemen gehören drahtlose Mikrofone, Regie- und Kommandofunk, In-EarMonitoring, Konferenzsysteme sowie Anlagen für Schwerhörige und drahtlose
Führungssysteme. PMSE-Systeme kommen hauptsächlich in der professionellen
Veranstaltungstechnik und Veranstaltungsproduktion im Bühnen- und Rundfunkbereich zum
Einsatz und sind somit auch wichtige Hilfsmittel in der Kultur- und Kreativwirtschaft, die im
Jahr 2010 in Deutschland schätzungsweise einen Beitrag in Höhe von 63,7 Milliarden Euro
zur Bruttowertschöpfung leistete [13]. PMSE-Systeme lassen sich in mobile und ortsfeste
Anlagen unterteilen, wobei der größte Anteil auf ortsfeste Anlagen fällt. Mobile Anlagen sind
nur temporär an einem Ort und nur für die Dauer der Veranstaltung/des Events im Einsatz.
Zu diesen Events gehören Fernsehproduktionen, Sportveranstaltungen, Wahlen, Konzerte
im Rahmen von Tourneen und der Entertainmentbereich. Festinstallierte PMSE-Systeme in
Studios, in Veranstaltungsräumen wie zum Beispiel auch Universitäts-Hörsälen, in MusicalHallen, in Theatern, in Kirchen oder in Tagungsräumen sind unter Umständen permanent im
Einsatz oder werden täglich in Betrieb genommen. Die folgende Übersicht zeigt, wie viele
PMSE-Kanäle typischerweise bei unterschiedlichen Veranstaltungen genutzt werden.



Bei Standard-Einsätzen, wie bei Theatervorführungen, in Musicals, in Konzerten, bei
Konferenzen sowie in Universitäten, Kirchen, Hotels, Schulen usw. werden bis zu 50
PMSE-Kanäle benötigt, z. B.:
o
Oper Hannover:
32 UHF-PMSE-Kanäle
o
TU Braunschweig:
32 UHF-PMSE-Kanäle (Stand 2010)
Bei großen Events, wie z.B. bei Fernseh-, Film- und Showproduktionen sowie bei
besonders großen Musical- und Theatervorführungen kommen ca. 50 – 150 PMSEKanäle zum Einsatz.
o
Schauspielhaus Hannover :
62 PMSE-Kanäle
o
Musical „Mama Mia“ bzw. „König der Löwen“ :
60 bzw. 82 PMSE-Kanäle
Bei sehr großen Events werden über 150 PMSE-Kanäle verwendet, z.B.
o
Landtagswahl in Hannover 2008:
380 Kanäle [14]
o
Bürgerschaftwahl 2008 in Hamburg:
309 Kanäle [14]
Frequenzbedarf für PMSE-Systeme (PMSE: Program Making and Special
Events) im UHF-Band
14
o
Eurovision Song Contest 2011: 212 Kanäle waren koordiniert
Laut Spektrum-Aufzeichnung des DKE waren im Maximum 126 Kanäle
gleichzeitig in Betrieb. Nahezu das komplette UHF-Band von 470 – 790 MHz
wurde – mit Ausnahme der von DVB-T-Sendern belegten Kanäle – mit PMSESystemen belegt [15].
o
Olympische Spiele in Sydney: über 800 Kanäle
o
Olympische Spiele 2012 in London: 248,3 MHz an Spektrum wurden im UHFBand für PMSE-Systeme genutzt. Die Gesamtzahl der Zuteilungen im
Rahmen der Spiele belief sich auf 6052 drahtlose Mikrofone und 1468 In-EarMonitoring Systeme [16].
Auch in vielen öffentlich-rechtlichen, dem Gemeinwohl dienenden Einrichtungen in
Wissenschaft, Bildung, Kunst und Kultur, die aus öffentlicher Hand finanziert werden, sind
PMSE-Geräte im Einsatz [17].
Eine Studie der Leibnitz Universität Hannover zeigte am Beispiel eines Innenstadtszenarios
in Berlin, dass an bestimmten Stellen ein Tagesbedarf von 96 MHz für PMSE-Geräte
benötigt wird [18].
Insgesamt ist eine steigende Tendenz der PMSE-Nutzung zu beobachten. Die Bandbreite
eines PMSE-Audio-Kanals beträgt unabhängig von der eingesetzten Technik bis auf wenige
Ausnahmen 200 kHz. Für jede PMSE-Übertragungsstrecke wird ein eigener 200-kHz-Kanal
benötigt.
3.2
Derzeitige Frequenzsituation der PMSE-Systeme
PMSE-Geräte werden derzeit hauptsächlich im UHF-Spektrum als sekundäre Nutzer neben
dem terrestrischen Rundfunk betrieben. Die Frequenzverteilung erfolgt auf nationaler Ebene.
Im Ergebnis der Digitalen Dividende stehen im UHF-Band von 470 – 790 MHz zwei
Frequenzbereiche für den Einsatz von PMSE-Geräten zur Verfügung. Laut
Frequenznutzungsplan der Bundesnetzagentur (Stand: August 2011) sind die folgenden
Frequenzen für PMSE-Geräte im UHF-Band zugewiesen[19]:

Funkmikrofone: 470 – 606 MHz
Einseitige Übertragung von Sprach-, Musik- und Tonsignalen zur Nutzung durch
Funkmikrofone
Maximal zulässige äquivalente Strahlungsleistung:
50 mW ERP
Kanalbandbreite:
200 kHz
Kanalraster:
25 kHz
Mitbenutzung der Fernsehkanäle 21 – 37

Funkmikrofone: 614 – 790 MHz
Einseitige Übertragung von Sprach-, Musik- und Tonsignalen zur Nutzung durch
Funkmikrofone
Maximal zulässige äquivalente Strahlungsleistung:
50 mW ERP
Kanalbandbreite:
200 kHz
Frequenzbedarf für PMSE-Systeme (PMSE: Program Making and Special
Events) im UHF-Band
Kanalraster:
Mitbenutzung der Fernsehkanäle 39 – 60
15
25 kHz
Der Fernsehkanal 38 (606 – 614 MHz) steht für PMSE-Geräte nicht zur Verfügung, da die
zugehörigen Frequenzen in der Radioastronomie genutzt werden.
Frequenzzuteilung des terrestrischen Rundfunks im UHF-Band:

DVB-T: 470 MHz – 790 MHz
Übertragung von digitalen Bild-, Ton- und Datendiensten auf der Basis des DVB-TStandards
Kanalbandbreite:
8 MHz
Kanalraster:
8 MHz
Die Übertragung von Rundfunk hat Vorrang vor der Übertragung sonstiger Inhalte
(Mediendienste, Teledienste).
Weitere Zuweisungen für PMSE-Geräte außerhalb des betrachteten UHF-Bandes:

Funkmikrofone: 790 – 862 MHz
Einseitige Übertragung von Sprach-, Musik- und Tonsignalen zur Nutzung durch
Funkmikrofone
Maximal zulässige äquivalente Strahlungsleistung:
50 mW ERP
Kanalbandbreite:
200 kHz
Kanalraster:
25 kHz
Allgemeinzuteilungen: Vfg. 91/2005 [20]und Vfg. 09/2011[21]
Die Nutzung durch Funkmikrofone ist gegenüber Rundfunknutzungen, Nutzungen
des Festen Funkdienstes und Nutzungen des Drahtlosen Netzzugangs zum Angebot
von Telekommunikationsdiensten nachrangig.

Funkmikrofone: 863 - 865 MHz (SRD-Band)
Maximal zulässige äquivalente Strahlungsleistung:
10 mW ERP
Kanalbandbreite:
200 kHz (max. 300 kHz)
Kanalraster:
kein
Allgemeinzuteilung Vfg. 68/2003 befristet bis 31.12.2013 [22]

Funkmikrofone: 1452 -1477,5 MHz (L-Band)
Maximal zulässige äquivalente Strahlungsleistung:
50 mW ERP
Kanalbandbreite:
50 kHz
Kanalraster:
k. A.
Die Nutzung durch Funkmikrofone ist gegenüber Rundfunknutzungen nachrangig.
Im Rahmen der europäischen Harmonisierung werden für den Frequenzbereich 1452
– 1492 MHz neue Nutzungsmöglichkeiten diskutiert.

Funkmikrofone: 1785 - 1805 MHz (LTE-1800 Duplexlücke)
Maximal zulässige äquivalente Strahlungsleistung:
50 mW ERP
Kanalbandbreite:
k. A.
Kanalraster:
k. A.
Allgemeinzuteilung Vfg. 10/2011 befristet bis 31.12.2021 [23]
Frequenzbedarf für PMSE-Systeme (PMSE: Program Making and Special
Events) im UHF-Band
16
Im Frequenzbereich von 790 - 862 MHz existieren derzeit zwei Blöcke mit Einzelzuteilung
und folgende Allgemeinzuteilungen der Bundesnetzagentur: Vfg. 91/2005 (Frequenzbereich
von 790 – 814 MHz und von 838 – 862 MHz) befristet bis zum 31.12.2015 und die Vfg.
09/2011 (Frequenzbereich von 823 – 832 MHz (LTE-800 Duplexlücke)) befristet bis zum
31.12.2021[20], [21]. Aufgrund des zunehmenden LTE-800-Ausbaus und der Befristung der
Allgemeinzuteilung Vfg. 91/2005 bis zum 31.12.2015 verliert der Frequenzbereich von 790 –
814 MHz und von 838 – 862 MHz für PMSE-Systeme zunehmend an Bedeutung, da eine
störungsfreie Nutzung in Gegenwart leistungsstarker Mobilfunksignale nicht mehr
gewährleistet ist [24]. Der laut Allgemeinzuteilung Vfg. 09/2011 zugeteilte Frequenzbereich
von 823 – 832 MHz steht zwar längerfristig zur Verfügung, aber Verträglichkeitsmessungen
zwischen LTE-800 und PMSE-Geräten, die im Juni 2012 bei der Firma Sennheiser
durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass es in diesem Bereich zu erheblichen Störungen
durch den LTE-800-Uplink kommen kann [25]. Für die professionelle Nutzung von PMSEGeräten steht also im Frequenzbereich von 790 - 862 MHz nur noch der 9-MHz-Block von
823 – 832 MHz zur Verfügung, der aber aufgrund möglicher LTE-Störungen in der Praxis
dennoch nicht genutzt werden kann [24].
Der Frequenzbereich von 863 - 865 MHz kann zwar durch PMSE-Geräte per
Allgemeinzuteilung genutzt werden, aber im gleichen Band kommen auch Short Range
Devices für beliebige Funkübertragungen zum Einsatz, so dass ein störungsfreier Betrieb
nicht gewährleistet ist [24].
Im UHF-Frequenzbereich unterhalb 790 MHz gibt es keine Allgemeinzuteilung, daher ist
immer eine Einzelzuteilung erforderlich. In diesem Frequenzbereich können PMSE-Geräte
als sekundäre Nutzer zum Rundfunk betrieben werden. Da die Rundfunksender sich auf
festen Frequenzen befinden, liegen in diesem Frequenzbereich konstante, statische
Bedingungen für PMSE-Geräte vor. Durch die Struktur der Rundfunknetze ergeben sich im
Frequenzband sogenannte TV White Spaces (ungenutzte Kanäle), die derzeit von PMSEGeräten genutzt werden. Der Frequenzbereich von 470 – 710 MHz wird für
Rundfunkproduktionen und rundfunknahe Produktionen verwendet. Der Frequenzbereich
zwischen 710 MHz und 790 MHz steht für alle Produktionen zur Verfügung, die nicht unter
den Begriff Rundfunk fallen. Dieses 80-MHz breite Band stellt die Basis für die PMSENutzungen bei den meisten Veranstaltungen dar [24]. Bei mobilen Veranstaltungen muss
jeweils vor Ort noch eine Anpassung an die DVB-T-Kanalbelegung erfolgen, da eine
Gleichkanalbelegung mit DVB-T nicht möglich ist. PMSE-Systeme benötigen zu DVB-TKanälen einen Schutzabstand von 600 KHz.
3.3
Randbedingungen bei der Nutzung von Frequenzen/Kanälen durch PMSE
Beim Betrieb von mehreren drahtlosen Mikrofonen muss der Frequenzabstand zweier
benachbarter Mikrofone mindestens 400 kHz betragen. Wenn zahlreiche Geräte am selben
Ort zum Einsatz kommen, vergrößert sich der erforderliche Frequenzabstand, da
Intermodulationsprodukte (IM3, IM5) berücksichtigt werden müssen. Die folgende Tabelle
(Quelle: Fa. Sennheiser) zeigt, wie viele Geräte in unterschiedlichen Kanalbandbreiten
Intermodulations-frei betrieben werden können:
Frequenzbedarf für PMSE-Systeme (PMSE: Program Making and Special
Events) im UHF-Band
17
Anhand der Tabelle ist zu erkennen, dass ein gestückeltes Spektrum, bestehend aus
mehreren verteilten Blöcken, effektiver genutzt werden kann, als ein durchgehender
Frequenzblock, da mehrere Kanäle Intermodulations-frei zur Verfügung stehen, sobald die
Frequenzblöcke weit über das Frequenzband verteilt liegen.
Da sich bei einer gleichzeitigen Nutzung von drahtlosen Mikrofonen und In-Ear-Monitoren
Sender und Empfänger in direkter räumlicher Nachbarschaft befinden, wird in diesem Fall
zwischen den Frequenzbereichen für drahtlose Mikrofone und drahtlose Kopfhörer eine
Duplexlücke von mindestens 7 MHz benötigt.
Bandbreite
in MHz
Drahtlose
Mikrofone
(Normale
Anforderungen)
Drahtlose
In-Ear-Monitore
Mikrofone
Mono (Normale
(Anspruchsvolle Anforderungen)
Anforderungen)
In-Ear-Monitore
Stereo
(Anspruchsvolle
Anforderungen)
8
10
10
10
7
16
16
15
12
10
24
20
18
14
12
32
28
24
18
13
40
32
26
22
14
48
34
27
24
15
56
36
29
26
17
64
38
30
28
18
Tabelle 3-1: Anzahl Intermodulations-frei betriebener Geräte in Abhängigkeit der
Kanalbandbreite
3.4
Zusammenstellung von Anforderungen an Spektrum für PMSE-Systeme
basierend auf Gesprächen mit Systemherstellern, Anwendern sowie auf
Recherchen

Frequenzbereichs-Zuweisungen für PMSE-Geräte müssen eine längerfristige
Gültigkeit haben, damit für die Hersteller und Nutzer Planungssicherheit besteht [27].
Systemkomponenten wie Sender, Antennen, Booster, Splitter, aktive Combiner und
Empfänger müssen bei einem Bandwechsel neu entwickelt werden und eine
Zulassung der Systeme ist oft kostenaufwendig. Für Anwender von PMSE-Geräten
sind Band- und Frequenzwechsel mit erheblichen Kosten verbunden, sofern die
Schaltbandbreite der Systeme überschritten wird.

Der 700-MHz-Frequenzbereich wurde nach der Digitalen Dividende in erster Linie für
PMSE-Geräte zugeteilt, so dass die Nutzer der Geräte bei einer Umwidmung des
Bandes erneut durch eine Umstellung und mit den damit verbundenen Kosten
belastet werden.
Frequenzbedarf für PMSE-Systeme (PMSE: Program Making and Special
Events) im UHF-Band
18

PMSE-Geräte benötigen ein interferenzfreies Spektrum ohne Störsignale und ohne
Man-Made-Noise. Da PMSE-Systeme hauptsächlich in Live-Veranstaltungen
eingesetzt werden, kann eine gestörte Übertragungsstrecke zum kompletten Ausfall
einer Veranstaltung führen. Die ISM-Bänder (Industrial, Scientific and Medical), SRDBänder (Short Range Devices) oder auch die Duplexlücken zwischen Down- und
Uplink im Mobilfunkbereich sind aufgrund möglicher Störsignale in den meisten
Fällen ungeeignet. Alle Frequenzen unterhalb des UHF-Bandes, inklusive des VHFBandes, sind aufgrund von Man-Made-Noise für PMSE-Geräte mittlerweile kaum
noch nutzbar.

Das L-Band (1452 - 1477,5 MHz oder 1452 - 1492 MHz) stellt eine Alternative zu
dem durch die Digitale Dividende verloren gegangenen Spektrum im UHF-Band dar,
da für dieses Band derzeit neue, europaweit harmonisierte Nutzungsmöglichkeiten
diskutiert werden.

Für nicht ortsfest genutzte PMSE-Systeme sollten bundesweit (europaweit) nutzbare
Frequenzbereiche (mit Allgemeinzuteilung) zur Verfügung stehen, wie es bereits im
1800-MHz-Band der Fall ist, damit nicht an jedem Veranstaltungsort eine neue
Frequenzzuteilung erforderlich wird.

Für die Hersteller und Nutzer von PMSE-Systemen wäre es von Vorteil, wenn
europaweit harmonisierte Frequenzen zur Verfügung stünden.

Falls die Frequenzzuweisungen für den täglichen Bedarf von PMSE-Geräten künftig
in Frequenzbereiche oberhalb von 1 GHz fallen sollten, werden im UHF-Band
weiterhin mindestens 64 MHz benötigt, die für Großveranstaltungen oder für
Veranstaltungen wie Sportevents kurzzeitig genutzt werden können. Bei manchen
Veranstaltungen kann auf die guten Ausbreitungsbedingungen im UHF-Band nicht
komplett verzichtet werden.

Mobilen Anlagen für Tourneen oder Events und ortsfesten Anlagen sollten
unterschiedliche
Frequenzbereiche
zugewiesen
werden,
da
eine
Frequenzkoordinierung vor Ort nur schwer möglich ist und durch unterschiedliche
Frequenzbereiche Störungen von vornherein vermieden werden.

Aus technischen Gründen lassen sich bei den derzeit verfügbaren PMSE-Systemen
nicht alle Frequenzen im UHF-Band abdecken. Mögliche Schaltbandbreiten analoger
Anlagen liegen je nach Ausstattung und Qualität der Systeme bei 24 MHz, 40 MHz,
90 MHz und 180 MHz.

Zwischen drahtlosen Mikrofonen und In-Ear-Monitoring-Systemen
Duplexlücke von mindestens 7 MHz benötigt.

An Standorten mit ausreichend räumlicher Trennung ist eine Verkämmung der Kanäle
möglich, so dass die Frequenzen effektiver genutzt werden können.

In städtischer Umgebung (keine Sichtverbindung) ist bei einer Gleichkanalbelegung
zweier PMSE-Geräte ein Schutzabstand von mindestens 400 m erforderlich.
wird
eine
Frequenzbedarf für PMSE-Systeme (PMSE: Program Making and Special
Events) im UHF-Band
19

Heutzutage werden für digitale und analoge Systeme mit nur einem Audiokanal 200
kHz HF-Bandbreite benötigt. Da aber auch auf dem Audiosektor Entwicklungen in
Richtung höherer Dynamik und höherer Qualität stattfinden, könnten künftig auch
größere Kanalbandbreiten erforderlich sein.

Bei einigen Großveranstaltungen wird derzeit das komplette UHF-Spektrum mit
Ausnahme der durch DVB-T belegten Kanäle (z.B. 320 MHz – 48 MHz (6 x DVB-T) =
272 MHz) für PMSE-Geräte eingesetzt [26]. In Großstädten ist es durchaus möglich,
dass an einzelnen Stellen für das Tagesgeschäft mehr als 96 MHz an Spektrum für
PMSE-Systeme benötigt werden[18]. Meistens wird das Spektrum aber nur für die
Dauer einer Veranstaltung genutzt und liegt dann wieder bis zur nächsten Nutzung
brach.

Im Frequenzbereich verteilte Frequenzblöcke in einer Größe von etwa 24 MHz lassen
sich aufgrund von Intermodulation und erforderlicher Duplexlücke effektiver nutzen.
Die 24 MHz entsprechen auch der kleinsten Schaltbandbreite der Systeme. Für einen
störungsfreien PMSE-Betrieb ist es erforderlich, zu DVB-T-Kanälen einen
Schutzabstand von 600 kHz einzuhalten.

Digitale PMSE-Verfahren bieten derzeit keine Vorteile gegenüber analoger Technik,
sofern es um die Spektrums-Effizienz geht. Verzögerungen und Laufzeitunterschiede,
bedingt durch digitale Signalverarbeitung, sind in der Veranstaltungstechnik nicht
vertretbar. Daher können nur geringe Signalkompressionen und wenig effektive
Fehlerschutzverfahren eingesetzt werden. Das benötigte Spektrum lässt sich derzeit
durch Digitalisierung nicht reduzieren [26][24].

Eine sekundäre Zuteilung von Spektrum für PMSE-Geräte ist nur dann sinnvoll, wenn
die primäre Nutzung vorhersehbar ist und auch ausreichend Spektrum für den
sekundären Nutzer frei bleibt. Für PMSE-Systeme muss im Vorfeld feststehen, dass
das Spektrum störungsfrei genutzt werden kann. Frequenzbereiche, die vom
Mobilfunk tatsächlich belegt sind, können nicht mehr von PMSE-Systemen verwendet
werden. Nur wo Mobilfunkfrequenzen großflächig nicht genutzt werden, könnten
PMSE-Systeme mit sekundärer Zuteilung betreiben werden. Eine Symbiose zwischen
PMSE und dem Rundfunk ist aber möglich, da der Rundfunk statische
Frequenzbelegungen nutzt und bei Rundfunknetzen an jedem Ort ausreichend freie
Frequenzen für die sekundäre Nutzung verbleiben. Trotzdem kann es sinnvoll sein,
Mobilfunkfrequenzen auf sekundärer Basis auch an PMSE-Systeme zuzuweisen, da
die Vergangenheit gezeigt hat, dass nicht alle Mobilfunkbetreiber alle Frequenzen
flächendeckend in Nutzung haben.

Der DVB-T-Kanal 38 (606 – 614 MHz) steht für PMSE-Systeme nicht zur Verfügung,
da diese Frequenzen in der Radioastronomie genutzt werden.
Die dargestellten Randbedingungen zeigen, dass eine konkrete Aussage über das benötigte
Spektrum für PMSE-Systeme nicht abschließend getroffen werden kann. Die
entscheidenden Aspekte lassen sich wie folgt zusammenfassen. Für PMSE-Systeme stellt
das UHF-Band derzeit den besten Kompromiss dar. Die Frequenzbänder unterhalb des
Frequenzbedarf für PMSE-Systeme (PMSE: Program Making and Special
Events) im UHF-Band
20
UHF-Bandes sind weitgehend durch Man-Made-Noise für anspruchsvolle Produktionen
unbrauchbar geworden und die Frequenzen oberhalb von 1 GHz bieten aufgrund von
schlechteren Ausbreitungsbedingungen oft nicht die erforderliche Durchdringung. Auch in
Frequenzbändern, die für jedermann offen stehen oder die sich künftig in direkter
Nachbarschaft zum LTE-Uplink befinden, kann ein störungsfreier Betrieb von PMSESystemen nicht mehr gewährleistet werden. Der terrestrische Rundfunk bietet, bedingt durch
die Netzstruktur, sogenannte TV White Spaces, die eine sekundäre Nutzung von PMSEGeräten ermöglichen. Eine flächendeckende Belegung des UHF-Bandes durch LTE ließe
keine Lücken für sekundäre Nutzer, da in benachbarten Mobilfunkzellen die gleichen
Frequenzen zum Einsatz kommen. Der Bedarf an Spektrum von PMSE-Systemen ist bei
ortsfesten Anlagen planbar und stabil, bei großen Events und großen mobilen
Veranstaltungen kann jedoch kurzzeitig der gesamte UHF-Bereich (ca. 270MHz) erforderlich
sein. Eine Digitalisierung von PMSE-Geräten bietet keine Vorteile, sofern es um die
Spektrums-Effizienz geht. Nach der Digitalen Dividende mussten viele Anwender neue
PMSE-Systeme erwerben oder bestehende Systeme umrüsten lassen, was größtenteils mit
erheblichen Kosten verbunden war. Damit Hersteller und Nutzer von drahtloser PMSETechnik längerfristige Planungssicherheit haben, bedarf es auch längerfristig geltender
Frequenzzuweisungen.
3.5
Mögliche Szenarien
Die folgenden Szenarien beziehen sich auf die in Kapitel 2 diskutierten Szenarien für die
zukünftige Nutzung des UHF-Bandes für Broadcast.
Beibehaltung des Status Quo im Frequenzbereich von 470-790 MHz bis mindestens
2020/2025
Im UHF-Band in Symbiose mit dem Rundfunk liegen derzeit für PMSE-Geräte gute
Bedingungen vor. Dieses Szenario bietet längerfristig für die Nutzer und Hersteller von
PMSE-Geräten eine gute Perspektive. Alle Systeme, die nach der Digitalen Dividende
umgerüstet wurden, oder die nicht von ihr betroffen waren, können weiterhin genutzt werden.
Nutzung des UHF-Spektrums bis 2018 für die terrestrische TV-Verteilung bei
Umstellung auf DVB-T2 im Zeitraum von 2016 bis 2018, Zuweisung des Bandes 694 –
790 MHz ab 2018 an Mobilfunkdienste und BOS
Für die Nutzer von PMSE-Systemen im betrachteten UHF-Band würde sich bei dieser Option
bis zum Jahr 2016 nichts ändern. Im Zeitraum von 2016 bis 2018 wären im Rahmen der
Umstellung auf DVB-T2 während der Simulcast-Phase DVB-T/DVB-T2 voraussichtlich zwei
zusätzliche DVB-Tx-Kanäle erforderlich, die dann für die Dauer der Umstellungsphase nicht
mehr für PMSE-Geräte zur Verfügung stünden. Eine Zuweisung des Frequenzbereiches von
694 – 790 MHz ab dem Jahr 2018 an den Mobilfunkdienst würde bewirken, dass sich die
Frequenzkapazitäten für PMSE-Systeme im UHF-Band um knapp 38% reduzieren. Im
Frequenzbereich von 470 MHz – 790 MHz stehen für PMSE-Geräte derzeit 40 Kanäle mit 8
MHz Bandbreite, abzüglich der mit DVB-T belegten Kanäle und des Kanals 38, zur
Verfügung. Beispielsweise sind im Raum Hannover / Braunschweig 7 DVB-T-Kanäle im
Frequenzbedarf für PMSE-Systeme (PMSE: Program Making and Special
Events) im UHF-Band
21
Betrieb, so dass 32 Kanäle mit 8 MHz Kanalbandbreite, die in Summe 256 MHz ergeben,
von PMSE-Geräten genutzt werden können. Wenn der Frequenzbereich auf 470 – 694 MHz
reduziert wird, verbleiben für PMSE-Geräte nur noch 20 Kanäle mit 8 MHz Bandbreite. Diese
verbleibenden 160 MHz können ggf. auf Grund von Störungen durch in NachbarFrequenzbereichen betriebener LTE-Uplinks nicht komplett genutzt werden. Die
Reduzierung von 256 MHz auf 160 MHz hätte zur Folge, dass etwa 96 MHz an Spektrum für
PMSE-Systeme außerhalb des betrachteten UHF-Bandes als Ersatz gefunden werden
müssten. Spätestens ab dem Jahr 2015 müsste dieses Ersatzspektrum zugeteilt sein, damit
die Hersteller ausreichend Vorlauf für neue Entwicklungen hätten. Einen Teil des im UHFBand verlorengegangenen Spektrums könnte das L-Band ersetzen, da es aufgrund der
Ausbreitungseigenschaften dem UHF-Band noch am Ähnlichsten ist. Für dieses Band
werden derzeit neue, europaweit harmonisierte, Nutzungsmöglichkeiten diskutiert. Für
PMSE-Systeme existiert zurzeit eine Zuteilung als Sekundärnutzer im L-Band im Bereich von
1452 - 1477,5 MHz. Eine Erweiterung der Zuteilung auf den Bereich 1452 – 1492 MHz (oder
gar 1452 - 1518 MHz) wäre erforderlich, um den größten Teil des Verlustes im UHF-Band
kompensieren zu können. Im L-Band stünden dann 25,5 MHz oder nach einer Erweiterung
sogar 40 MHz (66 MHz) zur Verfügung, die z.B. für ortsfeste Anlagen mit Einzelzulassung
genutzt werden könnten. Die Zuweisung des L-Bandes an PMSE-Systeme hätte aber zur
Folge, dass dieses Band, aufgrund des benötigten Störabstandes, gleichzeitig für andere
Funkdienste nur sehr eingeschränkt nutzbar wäre. Daher wäre es sinnvoll, eine primäre
Zuteilung für PMSE-Systeme einzuführen, die möglichst auch europaweit harmonisiert ist.
Der Frequenzbereich von 1785 -1805 MHz und auch die LTE-Duplexlücke im 800-MHz-Band
sollten zur Unterstützung für Systeme mit Allgemeinzulassung erhalten bleiben. Allerdings
sind all diese Bänder nur dann eine Alternative, sofern auch die oben genannten
Randbedingungen in Bezug auf Störsignale eingehalten werden.
Die vorgestellte Option bietet sowohl für die Nutzer als auch für die Hersteller von PMSESystemen eine gewisse Planungssicherheit. Die Hersteller dieser Systeme hätten genug
Vorlauf, um Systeme für neue Frequenzbereiche zu entwickeln, sofern für das verloren
gegangene Spektrum möglichst schnell Ersatz gefunden wird. Allerdings müssten, durch die
Abgabe des Bereiches von 694 – 790 MHz, viele Nutzer ihre PMSE-Systeme umbauen
lassen bzw. neu beschaffen, was mit erheblichen Kosten verbunden wäre. Es gäbe Nutzer,
die schon durch die Digitale Dividende zur Umrüstung gezwungen wurden und nun erneut
betroffen wären.
Kollaborative Nutzung der Frequenzen sowohl durch den terrestrischen Rundfunk
(Dynamic Broadcasting) als auch durch alternative Nutzer (LTE, PMSE…)
Besonders bei kollaborativer Nutzung des Spektrums muss gewährleistet sein, dass für
PMSE-Systeme weiterhin störungsarme und möglichst wenig durch Man-Made-Noise
beeinträchtigte Kanäle zur Verfügung stehen. Unerwünschte Aussendungen von Low-CostGeräten können den Betrieb von PMSE-Systemen auch in benachbarten Frequenzbereichen
erheblich beeinträchtigen. Eine kollaborative Nutzung über ein zentral verwaltetes Dynamic
Broadcast Konzept (siehe Abschnitt 6.2) hätte den Vorteil, dass je nach Größe einer
Veranstaltung zusätzliches Spektrum für PMSE-Systeme beantragt werden könnte, das
Frequenzbedarf für PMSE-Systeme (PMSE: Program Making and Special
Events) im UHF-Band
22
anderen Systemen mit geringerer Priorität entzogen wird. Dieses könnte ein Konzept für
mobile PMSE-Anwendungen bei größeren Events sein, die nur für die Dauer dieser
Veranstaltung in Betrieb sind. Für ortsfeste Anlagen, die vielfach täglich verwendet werden,
stellt Dynamic Broadcast gegenüber der bis heute üblichen statischen Belegung der TVKanäle eine Verschlechterung der Situation dar. Auch im Fall der Einführung von Dynamic
Broadcast sollten Frequenzbereiche mit Allgemeinzuteilung erhalten bleiben, da sonst für
jede kleine Veranstaltung die Frequenznutzung über zentrale Datenbanken verwaltet werden
müsste. Auch die Schaltbandbreiten der Systeme müssen ggf. bei dynamischer Zuweisung
berücksichtigt werden.
Eine Lösung für die Zukunft könnte der Einsatz kognitiver Funktechnik für PMSE-Systeme
sein. Anfang April 2011 ist deshalb das Forschungsprojekt C-PMSE - „Cognitive Program
Making and Special Event“ Systeme - gestartet worden, das Lösungen zur Verbesserung der
Frequenznutzung und Koexistenz für PMSE Systeme durch kognitive Verfahren erarbeiten
soll. Es besteht aus 9 Partnern aus der Industrie, von Forschungsinstituten bzw.
Universitäten. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
(BMWi) gefördert. Der Projektträger ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
in Köln. Das Ziel des Projekts ist Entwurf, Entwicklung, Test und Untersuchung eines
kognitiven PMSE-Systems zur kooperativen Koexistenz mit anderen C-PMSE Systemen,
White Space Devices, dem Rundfunk und dem Mobilfunk [28].
Rundfunk verzichtet ab ca. 2020 auf die terrestrische TV-Verbreitung
In diesem Fall würde voraussichtlich der größte Teil des Spektrums an Mobilfunkbetreiber
zugeteilt werden. Eine sekundäre Nutzung des UHF-Spektrums durch PMSE-Systeme
parallel zum Mobilfunk oder zu mobilfunkähnlichen Diensten (BOS) wäre nur möglich, wenn
kein flächendeckender Netzausbau auf Mobilfunkseite erfolgt. Daher wird es erforderlich, für
PMSE-Systeme Frequenzblöcke im UHF-Band primär zuzuweisen. In dieser Studie werden
zwei Szenarien vorgestellt, bei denen jeweils zwei Frequenzblöcke, 26 MHz + 16 MHz oder 2
x 26 MHz, für PMSE primär zugeteilt werden. Die Blockgröße ergibt sich aufgrund von
Intermodulationsbetrachtungen. In den Frequenzdiagrammen im Kapitel 7 dieser Studie ist
die genaue Positionierung im UHF-Band dargestellt. Diese Blöcke wurden so verteilt, dass
die vorangegangenen Betrachtungen soweit wie möglich Berücksichtigung finden. Die
Positionierung der PMSE-Frequenzen um den TV-Kanal 38, der in der Radioastronomie zum
Einsatz kommt, hat sich hierbei als günstig erwiesen.
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Mobilfunkbetreiber ihre Frequenzen nicht überall
flächendeckend im Einsatz haben, daher sollte eine sekundäre Zuweisung für PMSE sowohl
in allen LTE-Duplexlücken als auch in den Mobilfunkbändern erfolgen. Sofern in einem LTEDownlink kein Signal detektiert wird, kann im Normalfall davon ausgegangen werden, dass
auch der dazugehörige LTE-Uplink-Bereich ungenutzt ist.
Da die primär zugewiesenen Frequenzblöcke in diesem Szenario den Bedarf für PMSESysteme nicht abdecken, müssen auch in diesem Fall weitere Frequenzbereiche außerhalb
des UHF-Bandes zugeteilt werden.
Frequenzbedarf für PMSE-Systeme (PMSE: Program Making and Special
Events) im UHF-Band
23
Die vorgeschlagenen Frequenzzuweisungen sollten den Nutzern und Herstellern von PMSESystemen ausreichend Zeit geben, sich auf die neue Situation einzustellen. Allerdings
müssten auch in diesem Fall die meisten Nutzer die vorhandenen PMSE-Systeme umbauen
lassen bzw. neue Systeme beschaffen, was mit erheblichen Kosten verbunden ist.
4 Untersuchungen zur Nutzung des UHF-Spektrums durch
Breitbandanwendungen des kommerziellen Mobilfunkdienstes
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Analyse des Spektrumsbedarfs des kommerziellen
Mobilfunkdienstes in Deutschland. Nach einer kurzen Darstellung zur Ausgangsituation der
Spektrumsnutzung durch den Mobilfunk in Deutschland in Abschnitt 4.1 erfolgt in Abschnitt
4.2 eine Analyse des gesamten Spektrumsbedarfs für den kommerziellen Mobilfunkdienst in
Deutschland. Der folgende Abschnitt zeigt die grundsätzlichen Möglichkeiten auf, den
steigenden Kapazitätsbedarf von Mobilfunknetzen zu befriedigen. Die Leistungsfähigkeit der
sich am Markt bzw. in der Standardisierung befindenden Systeme wird in Abschnitt 4.4
analysiert. In Abschnitt 4.5 erfolgt eine Analyse des Potentials zur Versorgung ländlicher
Gebiete in Abhängigkeit der Verfügbarkeit unterschiedlicher Bandbreiten im UHF-Bereich.
Das Kapitel schließt mit einem Fazit ab.
4.1
Ausgangssituation der Spektrums-Nutzung durch den Mobilfunk in
Deutschland
Seit 1990 wurden Frequenznutzungsrechte für den digitalen Mobilfunk in Deutschland in
insgesamt sieben Vergaberunden im Umfang von 613 MHz in den Frequenzbereichen bei
800 MHz, 900 MHz, 1800 MHz, 2100 MHz und 2600 MHz vergeben. Die letzte
Vergaberunde in Form einer Auktion fand vom 12. April bis zum 20. Mai 2010 statt. Bei
dieser wurden Frequenznutzungsrechte im Umfang von insgesamt 358,8 MHz ersteigert.
Dabei wurden auch 60 MHz Spektrum im 800 MHz-Band vergeben, die im Rahmen der
„Digitalen Dividende“ durch Umwidmung von Spektrum des terrestrischen Fernsehens für
den Mobilfunk nutzbar wurden. Das Spektrum wird in Deutschland von vier
Mobilfunkbetreibern genutzt, die Netze nach den 3GPP-Standards GSM, UMTS und LTE
betreiben. GSM ist in allen vier Netzen flächendeckend in ganz Deutschland vorhanden.
Ende des 3. Quartals 2012 wurden über diese Netze in Deutschland 114,2 Millionen
Mobilfunkanschlüsse bedient [31].
Nach der während der WRC 2012 getroffenen Entscheidung über die Tagesordnung der
WRC 2015 wurden zwei Tagesordnungspunkte (TOP 1.1 und 1.2) über die Zuteilung
weiterer Frequenzen für Mobilfunkdienste identifiziert. Tagesordnungspunkt 1.1 beschreibt
zusätzliche Frequenzzuweisungen für die Mobilfunkdienste auf primärer Basis und die
Identifizierung weiterer Frequenzbänder für International Mobile Telecommunications (IMT)
zur Erleichterung der Entwicklung der terrestrischen mobilen breitbandigen Anwendungen.
Tagesordnungspunkt 1.2 untersucht die Verwendung des Frequenzbandes von 694 bis 790
MHz für die Mobilfunkdienste in Region 1 (Europa-Afrika). Die Initiative für die Zuweisung
dieses Frequenzbandes war eine Reaktion auf die Forderung afrikanischer und arabischer
Staaten, in denen das 800-MHz-Band nicht für den Mobilfunkdienst zur Verfügung steht [29].
Diese Behörden beabsichtigten, ihren Engpass bei 800 MHz aufzulösen, indem sie die IMTAnwendungen im 700-MHz-Band einführen möchten, welches noch nicht für digitale
Rundfunk-Anwendungen in den jeweiligen Ländern verwendet wird. In Europa wurde das
Untersuchungen
zur
Nutzung
des
UHF-Spektrums
Breitbandanwendungen des kommerziellen Mobilfunkdienstes
durch
25
800-MHz-Band kurz nach der WRC 2007 für Mobilfunkdienste freigegeben, begleitet von
entsprechenden regulatorischen Maßnahmen, die einen störungsfreien Betrieb anderer
Dienste gewährleisten sollen. Hierzu gehören z. B. die Behandlung von Störungen der
Rundfunkdienste bei Frequenzen unterhalb von 790 MHz, Maßnahmen zum Schutz des
Kabelfernsehens bei 800 MHz und die Umverteilung von Spektrum für PMSE-Anwendungen
aus dem 800-MHz-Band auf andere Bänder.
Frequenzen im UHF-Bereich sind von großem Interesse für die Mobilfunknetzbetreiber. Es
wird angenommen, dass durch die Zuweisung von zusätzlichen Frequenzen unterhalb von 1
GHz Netzbetreiber deutlich weniger Zellen für eine flächendeckende Versorgung benötigen,
als bei höheren Frequenzen [30]. Beispielsweise wird geschätzt, dass bei einem
Mobilfunkstandard der 3. Generation bei 700 MHz etwa 30 % der Zellen benötigt werden, die
bei 2100 MHz für dieselbe Versorgung benötigt werden. Spektrum im 700 MHz-Bereich
erlaubt auch eine effiziente Wiederverwendung von Standorten, die für GSM 900 verwendet
werden, was einen kostengünstigeren Netzaufbau ermöglicht.
4.2
Stand der Diskussion bezüglich Verkehrsprognosen und Spektrumsbedarf
Positionen
Dieser Abschnitt befasst sich mit dem Frequenzbedarf für Mobilfunkdienste in den nächsten
5 bis 10 Jahren. Hierzu werden Prognosen für den mobilen Datenverkehr aus verschiedenen
öffentlich zugänglichen Quellen analysiert. Nach den Statistiken des Cisco Visual Networking
Index [32] stieg der globale Datenverkehr von Mobilfunkdiensten zwischen 2008 und 2010
um rund 522 % und ein Gesamt-Datenverkehr von etwa 237 Petabyte pro Monat wurde im
Jahr 2010 erreicht. Die enormen Wachstumsraten sind die Folge der technologischen
Weiterentwicklung sowie der Einführung neuer Dienste. So wurde die durchschnittliche
Verbindungsgeschwindigkeit in Mobilfunknetzen von 101 kbit/s im Jahr 2009 auf 215 kbit/s
im Jahr 2010 und schließlich auf 315 kbit/s im Jahr 2011 erhöht. Aufgrund der Auswirkungen
der Einführung von Systemen der vierten Generation bis 2016 wird die durchschnittliche
Mobilfunknetz-Geschwindigkeit im Jahr 2016 oberhalb von 2,9 Mbit/s liegen [33]. Dies wird
insgesamt die Nutzungsmöglichkeiten der Mobilfunknetze weiter deutlich verbessern. Auch
hat die Verbreitung neuer Dienste, wie z.B. die Verwendung von Mobilfunk-Apps für Spiele,
Nachrichten, soziale Netzwerke, Karten sowie die Einführung von neuen
Gerätegenerationen, z.B. Smartphones, Tablets und Dongles zur Zunahme der mobilen
Internetnutzung beigetragen. Videobasierte Dienste wie Youtube und Flash haben
wesentlich zum Wachstum des weltweiten mobilen Datenverkehrs beigetragen. Im
Folgenden werden die Prognosen erörtert.
Untersuchungen
zur
Nutzung
des
UHF-Spektrums
Breitbandanwendungen des kommerziellen Mobilfunkdienstes
durch
26
Cisco-Studie
Nach der Datenverkehrsprognose von Cisco [33] ist der globale mobile Datenverkehr allein
im Jahr 2011 um 133 Prozent gewachsen. Die Tendenz zeigt, dass der weltweite mobile
Datenverkehr circa 6,9 ExaByte (EB) pro Monat im Jahr 2015 und 10,8 EB pro Monat bis
2016 erreichen wird. Der Markteintritt von diversifizierten Mobilfunkgeräten wird als einer der
wichtigsten Gründe für das Wachstum des mobilen Datenverkehrs identifiziert. Fast die
Hälfte des gesamten mobilen Datenverkehrs im Jahr 2016 wird von Smartphones (48,3 %)
erzeugt werden und den gesamten mobilen Datenverkehr von Laptops und Netbooks (24,2
%) übersteigen. Außerdem wird sich von 2011 bis 2016 der durchschnittliche Datenverkehr
pro Gerät voraussichtlich um das 3,3-fache erhöhen. Für Smartphones und Tablets wird
geschätzt, dass sich der durchschnittliche Datenverkehr jeweils um das 17,2-fache bzw. 8,2fache erhöhen wird.
Aufgrund der weit verbreiteten mobilen Videoanwendungen und der Tatsache, dass mobile
Videoinhalte viel höhere Bitraten haben, als andere mobile Inhalte-Typen, wird
angenommen, dass im Jahr 2016 70% des gesamten mobilen Datenverkehrs von 10,8 EB
pro Monat dem mobilen Videoverkehr zugeschrieben werden kann. Abbildung 4-1 beschreibt
die Prognose für den globalen mobilen Datenverkehr der Jahre 2011 bis 2016.
6
Mobile Data Traffic [TB/month]
12
10
8
x 10
North America
Western Europe
Asia Pacific
Latin America
Central and Eastern Europe
Middle East and Africa
6
4
2
0
2011
2012
2013
2014
2015
2016
Abbildung 4-1: Die globale mobile Datenverkehrsprognose von Cisco [33].
UMTS Forum Report: Mobile Traffic Forecast [34]
Die mobilen Datenverkehrsprognosen für 2010-2020 [34] aus dem UMTS-Forum
identifizieren die wichtigsten Trends und Treiber, die zum Wachstum des mobilen
Datenverkehrs beitragen. Nachdem der mobile Sprachverkehr im Jahr 2009 vom mobilen
Datenverkehr überholt wurde, wird erwartet, dass im Jahr 2020 der mobile Datenverkehr
sogar weit dominiert. Es wird geschätzt, dass der gesamte weltweite mobile Datenverkehr im
Jahr 2020 mehr als 127 EB (Abbildung 4-2) erreichen wird. Das ist ca. 33-mal mehr als im
Jahr 2010. Im Vergleich zu dem geschätzten Verkehr aus der Prognose von Cisco [32] liegt
der geschätzte weltweite mobile Datenverkehr mit weniger als 4 EB pro Monat im Jahr 2015
etwas niedriger. Als Treiber für das Wachstum wird die erwartete Markteinführung neuer
mobiler Geräte wie Tablets, Dongles und Smartphones gesehen. Darüber hinaus wird der für
Untersuchungen
zur
Nutzung
des
UHF-Spektrums
Breitbandanwendungen des kommerziellen Mobilfunkdienstes
durch
27
2015 geplante Einsatz von LTE und LTE-Advanced, der Einsatz von kleinen Zellen und
Femto-Zellen zur Erhöhung der Netzkapazität beitragen und damit den gesamten mobilen
Datenverkehr ebenfalls deutlich erhöhen.
Abbildung 4-3 beschreibt den geschätzten monatlichen Datenverkehr pro Gerät in den
westeuropäischen Ländern, in denen der größte Teil des mobilen Datenverkehrs von
Dongles herrührt, die mit Laptops oder Netbooks verbunden sind. Diese Prognose ist jedoch
im Widerspruch zu den oben erwähnten Prognosen, die eher von einer Dominanz durch die
Smartphonenutzung ausgehen.
140
Yearly Traffic in EB
120
100
Europe
America
Asia
Rest of the world
World
80
60
40
20
0
2010
2015
2020
Abbildung 4-2: Der gesamte mobile Datenverkehr (EB pro Jahr) [34].
16000
14000
MB per month
12000
10000
Low-end phones
Mid-range smartphones
High-end smartphones
Dongles
Connected Devices
M2M
8000
6000
4000
2000
0
2010
2015
2020
Abbildung 4-3: Der monatliche mobile Datenverkehr pro Gerät (Westeuropäische Länder) [34].
Analysys Mason
Die Prognose des mobilen Datenverkehrs von Analysys Mason gilt als die konservativste
Prognose aller veröffentlichten Studien. Obwohl die Einführung von diversifizierten mobilen
Geräten auf dem Markt die allgemeine Nachfrage des mobilen Datenverkehrs erhöhen
könnte, wird angenommen, dass der Großteil des von Smartphones und Tablets
verursachten datenintensiven Verkehrs im Fall der Nutzung innerhalb von Gebäuden über
Untersuchungen
zur
Nutzung
des
UHF-Spektrums
Breitbandanwendungen des kommerziellen Mobilfunkdienstes
durch
28
WLAN oder das Festnetz und nicht über zellulare Funknetze abgeführt wird, wie von vielen
anderen Studien vorhergesagt [35]. Es wird prognostiziert, dass sich der mobile
Datenverkehr in Westeuropa von 2012 bis 2017 um das 3,6-fache erhöhen wird, dies
entspricht der niedrigsten Wachstumsrate aller Regionen. Der weltweite mobile
Datenverkehr wird sich von 2012 bis 2017 auf das 5,5-fache erhöhen. Abbildung 4-4 zeigt
den Wachstumsfaktor von Analysys Mason für den mobilen Datenverkehr von 2012 bis
2017.
10
9
8
6
Worldwide
Sub-Saharan Africa
The Middle East
and North Africa
0
Caribbean and
Latin America
1
Central and
Eastern Europe
2
DevelopedAsia Pacific
3
North America
4
Emerging Asia Pacific
5
Western Europe
Growth Multiple
7
Abbildung 4-4: Der Wachstumsfaktor für den mobilen Datenverkehr von 2012 bis 2017 in
verschiedenen Regionen gemäß Analysys Mason [35].
Lüders/Sörries [36]
Eine weitere Studie, die den Spektrumsbedarf für zukünftige LTE-Netze zum Gegenstand
hat, wurde von den Autoren Lüders und Sörries im Jahr 2012 veröffentlicht [36]. Im Jahr
2010 wurde der mobile Datenverkehr in Deutschland mit 65 MB/Monat pro Einwohner
angegeben. Die Studie geht von einem Datenverkehr von etwa 2 GB/Monat pro Einwohnerim Jahr 2015 und eine weiteren Erhöhung auf 6 GB/Monat pro Einwohner im Jahr 2020 aus.
In einem weiteren Schritt wurden die Auswirkungen von verschiedenen Frequenzbändern
auf den Gesamtspektrumsbedarf von den Autoren untersucht. Die Autoren vergleichen die
Leistungsfähigkeit der Mobilfunksysteme durch verschiedene Simulationen bei 800, 2600
und 3500 MHz für städtische, vorstädtische und für ländliche Szenarien. In Gebieten mit
städtischer Bebauung (bei Basisstations-Abständen von bis zu 1 km) und in solchen mit
vorstädtischer Bebauung (bei Basisstations-Abständen von bis zu 4 km) werden hinsichtlich
der spektralen Kapazität keine signifikanten Unterschiede zwischen den Frequenzen bei
800, 2600 und 3500 MHz festgestellt. Diese wird mit 5 Mbit/s/MHz/Standort bestimmt.
Aufgrund der geringeren Ausbreitungsverluste bei niedrigeren Frequenzen wird das
Spektrum unterhalb von 1 GHz zu einer wichtigen Ressource für die Versorgung von
ländlichen Gebieten mit Mobilfunkdiensten. Die Studie weist jedoch darauf hin, dass eine
Wellenlänge von 12 cm bei 2600 MHz viel effizienter für die Realisierung von MIMO-Technik
(Multiple-Input-Multiple-Output) ist, als die Wellenlänge von circa 40 cm bei 700 oder 800
MHz. Die Autoren stellen daher die Frage in den Raum, ob die Zuweisung des zusätzlichen
Spektrums bei 694 bis 790 MHz für Mobilfunkdienste während der nächsten WRC-2015
Untersuchungen
zur
Nutzung
des
UHF-Spektrums
Breitbandanwendungen des kommerziellen Mobilfunkdienstes
durch
29
tatsächlich dazu beitragen wird, dem schnellen Wachstum der Mobilfunk-Industrie gerecht zu
werden.
Die Studie schätzt den Downlink-Spektrumsbedarf für verschiedene Szenarien ab und
kommt zu dem Schluss, dass für einen Zeitraum von vier bis fünf Jahren das derzeit für die
Mobilfunkbetreiber zugewiesene Spektrum ausreicht. Danach wird weiteres Spektrum im
Umfang von 50 MHz benötigt, um das Wachstum des Downlink-Verkehrs aufzufangen,
wobei dieser zusätzliche Bedarf durch die Verbesserung der spektralen Effizienz in den LTEAdvanced-Systemen weiter reduziert werden kann.
ITU-R M.2243 [37]
Der ITU-R Report M.2243 beschreibt u. a. die in den Jahren 2003 bis 2005 durchgeführte
Marktanalyse, die dem Bericht ITU-R M.2072 [38] zugrunde liegt. Der Bericht basiert auf
internen und externen Studien aus verschiedenen Quellen und vermittelt so einen Einblick in
die marktbezogenen Parameter in verschiedenen Regionen. Darüber hinaus wird auch der
gesamte mobile Datenverkehr der Jahre 2008 bis 2010 aus verschiedenen Quellen in
diesem Bericht vorgestellt. Abbildung 4-5 beschreibt den gesamten mobilen
Breitbanddatenverkehr pro Monat für die CEPT-Mitgliedsländer (European Conference of
Postal and Telecommunications Administrations) im Jahr 2010. Abbildung 4-6 beschreibt
den entsprechenden gesamten täglichen Datenverkehr pro Abonnement. Obwohl der mobile
Datenverkehr pro Monat in Deutschland der höchste unter den CEPT-Ländern ist, beträgt
der durchschnittliche tägliche Verkehr nur 4,8 MByte pro Abonnement. Im Vergleich zum
täglichen mobilen Datenverkehr in Schweden und Finnland wird der gesamte tägliche mobile
Datenverkehr pro Abonnement in Deutschland unter den europäischen Nationen als gering
angesehen. Große Schwankungen beim mobilen Datenverkehr zwischen den CEPTLändern, die weitgehend auch durch die Datenverkehrs-Tarife und die Marktdurchdringung
des Netzes beeinflusst werden, zeigen Abbildung 4-5 und 4-6.
Mobile Broadband Total Traffic [TB/month]
3000
2500
2000
1500
1000
500
0
l
.
d
k
n
s
a
a
a
d
y
d
an d e nd tria lan ar lan uga ep and nia ati ss i a n alt
r m Swe h erla Aus Fin e nm Ire Port a k Ritzer l Esto Cr o Ru Icel M
e
v
D
t
G
o
w
l
e
S
S
N
Abbildung 4-5: Der breitbandige mobile Datenverkehr pro Monat in CEPT-Ländern im Jahr 2010
[34].
Untersuchungen
zur
Nutzung
des
UHF-Spektrums
Breitbandanwendungen des kommerziellen Mobilfunkdienstes
durch
30
Mobile Broadband Daily Traffic [MB/subscription]
70
60
50
40
30
20
10
0
ry
rk
ia
p . ny nd
ia
en nd
n d nd
t ia
ed nla nga ma ustr Irela cela ston r oa k Re r ma erla
A
I
C va Ge e th
E
Sw Fi Hu De n
N
Slo
Abbildung 4-6: Der tägliche breitbandige mobile Datenverkehr pro Abonnent im Jahr 2010 [34].
Speculator [39]
Die Informationen im ITU-R Report M.2072 dienen als Eingangsdaten für das
Spektrumsbedarfsberechnungstool (Abkürzung: Speculator), das im Rahmen des WINNERProjekts entwickelt wurde (IST-4-027.756 WINNER II) [39]. Speculator baut auf der
Spektrumsprognosemethode von ITU-R M.1768 [40] auf und ist darüber hinaus auch
ausführlich im Buch von Takagi und Walke [41] beschrieben. Der damit abgeleitete
Spektrumsbedarf wurde im Report ITU-R M.2078 dokumentiert [42]. Für die Berechnung des
Spektrumsbedarfs wurden 20 Dienste-Kategorien, die aus 4 verschiedenen VerkehrsKlassen (Sprache, Streaming, Interaktiv, Hintergrund) und 5 Dienstetypen (Multimedia-Daten
mit superhoher, hoher, mittlerer und niedriger Rate bzw. Daten mit sehr niedriger Datenrate,
z. B. Sprache und SMS) bestehen, jeweils im dichten innerstädtischen, vorstädtischen und
ländlichen Szenario berücksichtigt. Außerdem wurden 4 Mobilitätsklassen mit
unterschiedlichen Nutzungsraten für Unicast- und Multicast-Verkehr betrachtet.
Basierend auf den Markt-Statistiken im Report ITU-R M. 2072 wurde der Spektrumsbedarf
für unterschiedliche Funkzugangstechnologien (engl. Radio Access Technologies RAT) für
die Jahre 2010, 2015 und 2020 vorgestellt. Hierzu wurden die Funkzugangstechnologien in
zwei Klassen eingeteilt (RATG 11 und RATG 22). Da die Aufteilung des Verkehrs auf den
europäischen Markt abhängig von der Marktdurchdringung erheblich variieren kann wurde
die Prognose mit zwei verschiedenen Marktannahmen durchgeführt. Der höhere (niedrige)
Marktanteil entspricht dabei 25 % (5%) der in ITU-R M. 2072 dokumentierten maximalen
Teilnehmerzahl pro km2.
1
2
Pre-IMT-Systeme, IMT-2000 und Erweiterungen: GSM, UMTS und die anderen 3G-Systeme
IMT-Advanced: LTE, LTE-Advanced, WiMAX II sowie die anderen 4G-Systeme.
Untersuchungen
zur
Nutzung
des
UHF-Spektrums
Breitbandanwendungen des kommerziellen Mobilfunkdienstes
durch
31
Parameter
Makrozelle Mikrozelle Picozelle
20
40
40
Anwendungsdatenrate (Mbit/s)
250
50
4
Höchstgeschwindigkeit (km/h)
0
0
0
Guardbänder zwischen den
Netzbetreibern (MHz)
40
40
40
Mindestaufbau pro Netzbetreiber pro
Funkumwelt (MHz)
Ja
Ja
Ja
Multicast-Übertragungsmodus
1
1
1
Anzahl des überlappenden
Netzaufbaus
Tabelle 4-1: Parameter des Funksysteme nach RATG 1.
Hotspot
-
Parameter
Makrozelle Mikrozelle Picozelle
50
100
1000
Anwendungsdatenrate (Mbit/s)
250
50
4
Höchstgeschwindigkeit (km/h)
0
0
0
Guardbänder zwischen den
Netzbetreibern (MHz)
20
20
120
Mindestaufbau pro Netzbetreiber pro
Funkumwelt (MHz)
Ja
Ja
Ja
Multicast-Übertragungsmodus
1
1
1
Anzahl des überlappenden
Netzaufbaus
Tabelle 4-2: Parameter des Funksysteme nach RATG 2.
Hotspot
1000
4
0
-
120
Ja
1
Jahre
Makrozelle
Modus
2010
2015
2020
Unicast
1
1,5
2
Multicast
0,5
0,75
1
Unicast
2
3
4
Mikrozelle
Multicast
1
1,5
2
Unicast
2
3
4
Picozelle
Multicast
1
1,5
2
Unicast
Hotspot
Multicast
Tabelle 4-3: Spektrale Effizienz für RATG 1 in Bit/s/Hz/Zelle.
Jahre
Makrozelle
Modus
2010
2015
2020
Unicast
2
4,25
4,5
Multicast
1
2,125
2,25
Unicast
2,5
5,5
6
Mikrozelle
Multicast
1,25
2,75
3
Unicast
3
7
7,5
Picozelle
Multicast
1,5
3,5
3,75
Unicast
5
8,25
9
Hotspot
Multicast
2,5
4,125
4,5
Tabelle 4-4: Spektrale Effizienz für RATG 2 in Bit/s/Hz/Zelle.
Die Berechnung des Spektrumsbedarfs für RATG 1 und RATG 2 basiert auf den Parametern
der Funksysteme, die in Tabelle 4-1 und 4-2 zusammengefasst sind. Vier Funkumgebungen
– Makrozellen, Mikrozellen, Picozellen und Hotspots – werden berücksichtigt. Es wird
angenommen, dass jede der Funkumgebungen durch spezifische Datenraten und
Untersuchungen
zur
Nutzung
des
UHF-Spektrums
Breitbandanwendungen des kommerziellen Mobilfunkdienstes
durch
32
spezifisches Nutzerverhalten beschrieben wird. Es wird davon ausgegangen, dass Hotspots
nicht in RATG 1 existieren.
Higher market setting
Spectrum Requirements [MHz]
Spectrum Requirements [MHz]
Die spektralen Effizienzen für RATG 1 bzw. RATG 2 in den Jahren 2010, 2015 und 2020 mit
Unicast- und Multicast-Übertragungsmodus sind in Tabelle 4-3 und 4-4 dargestellt. Die
spektrale Effizienz für Multicasting beträgt 50 % der spektralen Effizienz für Unicast. Dies
liegt daran, dass bei Multicastbetrieb die Funkressourcen gemäß den Benutzern mit den
schwächsten Empfangsbedingungen verwendet werden [41]. Es wird davon ausgegangen,
dass sich die spektrale Effizienz von RATG 1 und RATG 2 im Laufe der Zeit verbessert, vor
allem wenn die vorhandenen Funksysteme, z.B. GSM, schrittweise vom Markt genommen
werden und durch effizientere Verfahren ersetzt werden. Ebenso wird erwartet, dass die
Weiterentwicklung von MIMO in LTE-Advanced die gesamte spektrale Effizienz von RATG 2
weiter verbessern wird.
Lower market setting
800
600
400
200
0
2010
2015
RATG1
2020
Higher market setting
Lower market setting
800
600
400
200
0
2010
2015
RATG2
2020
400
Multicast
Unicast
300
200
100
0
Macro Cell
Micro Cell
RATG1
Pico Cell
Spectrum Requirements [MHz]
Spectrum Requirements [MHz]
Abbildung 4-7: Prognostizierter Spektrumsbedarf für RATG 1 und RATG 2 [42].
400
Multicast
Unicast
300
200
100
0
Macro Cell
Micro Cell
Pico Cell
RATG2
Hot Spot
1000
Macro Cell
Micro Cell
Pico Cell
Total
800
600
400
200
0
Dense Urban
Suburban
RATG1
Rural
Spectrum Requirements [MHz]
Spectrum Requirements [MHz]
Abbildung 4-8: Prognostizierter Spektrumsbedarf für RATG 1 und RATG 2 in 2020 für dichte
innerstädtische Gebiete nach Zelltypen [42].
1000
Macro Cell
Micro Cell
Pico Cell
Hot Spot
Total
800
600
400
200
0
Dense Urban
Suburban
RATG2
Rural
Abbildung 4-9: Prognostizierter Spektrumsbedarf für RATG 1 und RATG 2 nach Umgebungen
und Zelltypen in 2020 [42].
Abbildung 4-7 beschreibt den vorhergesagten Spektrumsbedarf für RATG 1 und RATG 2 für
jeweils einen niedrigeren und einen höheren Marktanteil. Für den Fall des niedrigeren
Marktanteils beträgt der geschätzte Gesamtspektrumsbedarf für RATG 1 in den Jahren
2010, 2015 und 2020 entsprechend 760 MHz, 800 MHz und 800 MHz. Für IMT-AdvancedSysteme und solche Systeme, die in der Gruppe RATG 2 eingestuft sind, beträgt der
Gesamtspektrumsbedarf in den Jahren 2015 und 2020 500 MHz bzw. 480 MHz. Dies führt
zu einem Gesamtspektrumsbedarf für den Fall des niedrigeren Marktanteils von 760 MHz für
Untersuchungen
zur
Nutzung
des
UHF-Spektrums
Breitbandanwendungen des kommerziellen Mobilfunkdienstes
durch
33
das Jahr 2010, 1300 MHz für das Jahr 2015 und 1280 MHz für das Jahr 2020 für die
gesamten RATG 1- und RATG 2-Systeme [41]. Für die Prognose mit höherem Marktanteil
beträgt der Gesamtspektrumsbedarf für die Jahre 2010, 2015 und 2020 entsprechend 840
MHz, 1300 MHz bzw. 1720 MHz. Zusammengefasst kann gesagt werden, dass der
abgeleitete Gesamtspektrumsbedarf sowohl für RATG 1 als auch für RATG 2 im Jahr 2020
zwischen 1280 und 1720 MHz liegt. Dies umfasst auch die Frequenzbereiche, die bereits für
RATG 1 im Einsatz sind, wie z.B. GSM und UMTS. [42].
Abbildung 4-8 beschreibt den Spektrumsbedarf für RATG 1 und RATG 2 für dichte
innerstädtische Gebiete im Jahr 2020. Abbildung 4-9 beschreibt den Spektrumsbedarf nach
Umgebungen und Zelltypen für RATG 1 und RATG 2 im Jahr 2020. Für RATG 1 ist zu
beachten, dass Mikrozellen nicht im ländlichen Gebiet eingesetzt werden. Der
Spektrumsbedarf für RATG 1 wird vom Bedarf vorstädtischer Gebiete dominiert, während für
RATG 2 der Spektrumsbedarf vom Bedarf in Innenstädten dominiert wird. Für RATG 1
haben Makrozellen den größten Spektrumsbedarf, wobei der höchste Spektrumsbedarf für
RATG 2 aus dem Mikrozellen-Szenario stammt. Im Fall von RATG 2 werden die
zugewiesenen Frequenzen wiederverwendet, da Pikozellen und Hot Spots sich nicht
räumlich überlappen. Daher wird der gesamte Spektrumsbedarf für RATG 2 aus der
Summation von Makro- und Mikro-Zellen und den Maxima der Picozellen und Hotspots
abgeleitet.
Vergleich der Prognosen
Dieser Abschnitt beschreibt den Vergleich verschiedener Datenverkehrsprognosen für die
nächsten 5 bis 10 Jahren. Abbildung 4-10 zeigt die Prognosen aus dem Bericht ITU-T
M.2072, die als Eingangsdaten für die Berechnungen mit Speculator dienten. Das Ergebnis
besteht aus einer Reihe von Datenverkehrsprognosen (blau, siehe Abbildung 4-10), die aus
unterschiedlichen Szenarien und Funkumgebungen abgeleitet wurden. Im Vergleich mit dem
tatsächlichen mobilen Datenverkehr, wie er von Cisco [32] für den Zeitraum 2007 bis 2010
angegeben wird (gelbe Linie in Abbildung 4-10), ist die Datenverkehrs-Prognose aus dem
Bericht ITU-R M. 2072 pessimistischer und weit niedriger als die tatsächlichen
Verkehrsdaten. Nach einer erweiterten Vorhersage von Cisco wird geschätzt, dass der
Verkehr im Jahr 2015 mehr als 5-mal größer als die Prognose in dem Bericht ITU-R M. 2072
sein wird. Dies bedeutet, dass der berechnete Spektrumsbedarf von 1280 MHz mit
Speculator nur einen Mindestbedarf darstellen kann.
Untersuchungen
zur
Nutzung
des
UHF-Spektrums
Breitbandanwendungen des kommerziellen Mobilfunkdienstes
durch
34
Abbildung 4-10: Der Vergleich zwischen der Prognose von ITU-R M.2072 (blaue Kurven) und
dem aktuellen Datenverkehr (gelbe Kurve) bzw. erweiterten Prognose von Cisco [37] (rote
Kurve).
Zum weiteren Vergleich der Prognosen zeigt Abbildung 4-11 die Prognose des globalen
mobilen Datenverkehrs von 2011 bis 2015 aus verschiedenen Quellen. Die Prognosen von
Cisco und Alcatel-Lucent zeigen, dass das Wachstum des gesamten Datenverkehrs in den
nächsten 4 bis 5 Jahren rasch zunehmen wird, mit einem mobilen Datenverkehr von
insgesamt über 6,5 EB pro Monat. Andererseits beschreibt die Prognose des UMTS-Forums
[34], dass das Wachstum des mobilen Datenverkehrs in einem langsameren Tempo
voranschreiten wird. Die Prognose von Ericsson ist ähnlich und vergleichbar mit der
Prognose des UMTS-Forums. Die konservativste mobile Datenverkehrsprognose wurde von
Analysys Mason erstellt, wonach der mobile Datenverkehr um das 5,5-fache zwischen 2010
und 2015 steigen wird. Bei Mittelung der Prognosen aller verfügbaren globalen mobilen
Datenverkehrs-Quellen liegt die Prognose von Ericsson dem entsprechenden Mittelwert am
nächsten.
Untersuchungen
zur
Nutzung
des
UHF-Spektrums
Breitbandanwendungen des kommerziellen Mobilfunkdienstes
durch
35
Abbildung 4-11: Die Prognose des globalen mobilen Datenverkehrs zwischen 2011 und 2015
[37].
4.3
Möglichkeiten zur Deckung des steigenden Kapazitätsbedarfs
Aus der Analyse der Verkehrsprognosen und des daraus abgeleiteten Spektrumsbedarfs
lässt sich folgendes feststellen:

Es gibt zwar Schwankungen zwischen den verschiedenen Verkehrsprognosen, allen
Prognosen ist jedoch gemein, dass der mobile Datenverkehr bis zum Jahr 2020 sehr
stark ansteigen wird.

Die Verkehrsprognose für die Jahre 2005 bis 2020, auf deren Basis im Jahr 2005 ein
Gesamtspektrumsbedarf für das Jahr 2020 von 1280-1720 MHz ermittelt wurde,
wurde im Jahr 2011 durch das tatsächliche Datenverkehrsaufkommen um den Faktor
5 übertroffen.
Zur Deckung des durch das starke Verkehrswachstum
Kapazitätsbedarfs gibt es prinzipiell folgende Möglichkeiten:
verursachten
erhöhten
1. Verdichtung des Netzes: Diese Möglichkeit ist mit zusätzlichen Investitionen in die
Netzinfrastruktur verbunden.
2. Off-Load über WLAN-Zugangspunkte bzw. den Einsatz von Femtozellen: In diesen
Fällen wird der durch die Nutzung von mobilen Endgeräten verursachte Datenverkehr
über WLAN bzw. Femtozellen abgeführt, die über das Festnetz angebunden sind.
Diese beiden Möglichkeiten können jedoch nur dort zum Einsatz kommen, wo eine
ausreichende Festnetzanbindung vorhanden ist und dürfte vor allem zur Deckung
des Kapazitätsbedarfs in Ballungsgebieten zum Tragen kommen. Andererseits wird
z.B. in Großbritannien (vgl. die Planungen der OFCOM[68] zur Nutzung von TV White
Spaces) auch der Ausbau von regionalen WLAN-Netzen in Betracht gezogen.
Hinsichtlich des Einsatzes von Femtozellen prognostiziert das Smallcell Forum, dass
Untersuchungen
zur
Nutzung
des
UHF-Spektrums
Breitbandanwendungen des kommerziellen Mobilfunkdienstes
durch
36
im Jahr 2016 90% aller Basisstationen Femtozellen sind [56]. Bezüglich der
zukünftigen Möglichkeiten des Off-Load über WLAN sollte in Betracht gezogen
werden, dass mit dem im Jahr 2012 fertiggestellten 802.11ad-Standard [57], der bei
60-GHz arbeitet, ein weltweit harmonisiertes Spektrum von 7 GHz zur Verfügung
steht. Allerdings sind die Anwendungsbereiche aufgrund der hohen
Ausbreitungsdämpfungen bei 60 GHz nicht für alle Funkumgebungen geeignet.
3. Erhöhung der spektralen Effizienz: Mit der Weiterentwicklung der Mobilfunktechnik
wurden Übertragungsverfahren entwickelt, die über eine höhere spektrale Effizienz
verfügen. Eine Übersicht über die spektrale Effizienz verschiedener Varianten und
Generationen von Mobilfunksystemen ist in Tabelle 4-5 dargestellt. Somit kann eine
Erhöhung der Kapazität auch durch eine schrittweise Ersetzung von
Mobilfunksystemen der zweiten und dritten Generation, z. B. GSM und UMTS, durch
die Systeme der vierten Generation, wie LTE-Advanced, erreicht werden. Es wird
erwartet, dass zumindest die Nutzung von GSM im Zeitraum von 2020 bis 2025
deutlich zurückgeht [58].
4. Bereitstellung von zusätzlichem Spektrum: Für diese Option muss zusätzliches
Spektrum identifiziert werden, das bisher von anderen Funkdiensten genutzt wird und
umgewidmet werden kann. Legt man den oben vorgesagten Gesamtspektrumsbedarf
von 1280 bis 1720 MHz sowie ein derzeit für den kommerziellen Mobilfunk bereits
identifiziertes Spektrum von 1013 MHz [43], [44] zugrunde, ergibt sich ein
zusätzlicher Spektrumsbedarf von ca. 270-700 MHz.
5. Tarifierung: Tarifierung des Datenverkehrs in einer Art und Weise, die das
prognostizierte Wachstum mindert.
6. Innovative Technologie für Broadcast-Anwendungen: Einführung der in Kapitel 6
beschriebenen innovativen Ansätze, insbesondere Einführung von Point-toMultipoint-Lösungen auch in Mobilfunknetzen wie eMBMS, Tower Overlay über
zellularen Netzen oder Dynamic Broadcast.
7. Einführung einer Digitalen Dividende auch im Mobilfunk: Die Digitale Dividende in der
terrestrischen TV-Übertragung basierte darauf, dass das ineffiziente analoge
Fernsehen durch das weit effizientere DVB-T ersetzt wurde. Eine vergleichbare
digitale Dividende wäre bei Ablösung des GSM-Systems durch IMT-AdvancedSysteme zu erwarten.
8. Festnetzinfrastrukturen: Ausbau von Festnetz-Infrastrukturen auch in ländlichen
Regionen, wodurch Datenverkehr gerade in diesen Gebieten aus den
Mobilfunknetzen in die Festnetze ausgelagert werden könnte.
Untersuchungen
zur
Nutzung
des
UHF-Spektrums
Breitbandanwendungen des kommerziellen Mobilfunkdienstes
4.4
durch
37
Leistungsfähigkeit von Mobilfunksystemen
In diesem Abschnitt wird die Leistungsfähigkeit der modernen mobilen Funksysteme
beschrieben, um den Spektrumsbedarf für den Aufbau von solchen Systemen besser
verstehen zu können. Tabelle 4-5 beschreibt die theoretische maximale spektrale Effizienz
verschiedener Mobilfunksysteme im Vergleich zu den Werten, wie sie im Rahmen von
Simulationen bei 3GPP bzw. durch Feldversuche ermittelt oder von der amerikanischen
Regulierungsbehörde FCC angenommen werden. Generell liegt die theoretisch erreichbare
spektrale Effizienz für Systeme der zweiten Generation wie z.B. GSM und EDGE, unter 0,2
Bit/s/Hz. In Systemen der dritten Generation wird die spektrale Effizienz deutlich auf 0,4
Bit/s/Hz für UMTS, 1,44 Bit/s/Hz für HSPA Rel. 5, 2,88 Bit/s/Hz für HSPA Rel. 6 und auf bis
zu 4,2 Bit/s/Hz für HSPA+ Rel. 7 erhöht. Ein modernes mobiles Funksystem wie LTE bietet
eine maximale theoretische spektrale Effizienz von etwa 5 Bit/s/Hz. Der Vergleich der mit der
3GPP Simulation ermittelten spektralen Effizienz mit der theoretischen maximalen spektralen
Effizienz ergibt einen Wert, der um den Faktor 2-bis 8 geringer ist, als theoretisch erwartet.
Die Werte aus der 3GPP-Simulation stimmen andererseits gut mit Werten aus
Feldversuchen für das LTE mit MIMO [48, 55] überein. Gemäß der 3GPP-Simulation liegt die
gemittelte spektrale Effizienz für Mobilfunksysteme, die in RATG 1 enthalten ist, zwischen 0
bis 1 Bit/s/Hz/Zelle. Für RATG 2 liegt die gemittelte spektrale Effizienz der 3GPP-Simulation
zwischen 1 und 5,5 Bit/s/Hz/Zelle. Diese Werte passen recht gut zu den in [39] getroffenen
Annahmen, die in den Tabellen 4-3 und 4-4 für das Jahr 2010 vorgestellt werden.
Tabelle 4-5 soll als Orientierung für die Beurteilung der Ergebnisse der in Abschnitt 4.5
beschriebenen Untersuchung zum Potential der Zuweisung zusätzlichen Spektrums für den
kommerziellen Mobilfunk dienen.
Technologien
GSM
GPRS
EDGE
UMTS
HSPA (Rel. 5)
HSPA (Rel. 6)
HSPA+ (Rel. 7)
LTE (Rel. 8)
LTE (Rel. 8) 1x2 MIMO
LTE (Rel. 8) 2x2 MIMO
3
Maximal
Spektrale
Effizienz
(bit/s/Hz)
3GPP
Specification
0,04 [49] 3
0,05 [49,50] 4
0,2 [49, 50]5
0,4 [53]
1,44 [51-53]
2,88 [51-53]
4,2 [51-53]
5
8,64 [53]
Spektrale
Effizienz
(bit/s/Hz/Cell)
3GPP
Simulation
Spektrale
Effizienz
(bit/s/Hz/Cell)
FCC
Assumptions
Spektrale
Effizienz
(bit/s/Hz/cell)
Field Trials
0,19 [46]
0,45-0,50 [46]
0,68-0,76 [46]
0,68-1,13 [46]
1,12 [46]
1,32 [46]
0,03 [45]
0,09 [45]
0,16-0,24 [45]
0,48 [45]
0,72 [45]
1,08-1,29 [45]
1,36-1,5 [45]
-
0,40 [54]
1,57-2,10
[48]
Annahme eines Frequenzwiederholungsfaktors von 12
Annahme eines Frequenzwiederholungsfaktors von 12
5
Annahme eines Frequenzwiederholungsfaktors von 12
4
Untersuchungen
zur
Nutzung
des
UHF-Spektrums
Breitbandanwendungen des kommerziellen Mobilfunkdienstes
Technologien
Maximal
Spektrale
Effizienz
(bit/s/Hz)
3GPP
Specification
16,3 [47]
durch
Spektrale
Effizienz
(bit/s/Hz/Cell)
3GPP
Simulation
Spektrale
Effizienz
(bit/s/Hz/Cell)
FCC
Assumptions
2,08 [46]
-
38
Spektrale
Effizienz
(bit/s/Hz/cell)
Field Trials
Verdoppelt
von 2x2
MIMO [55]
2,09 [46]
LTE (Rel. 10) 2x2 MIMO
2,60 [46]
LTE (Rel. 10) 4x2 MIMO
5,44 [46]
LTE (Rel. 10) 8x4 MIMO
30,6 [47]
LTE (Rel. 10) 8x8 MIMO
Tabelle 4-5: Spektrale Effizienz von verschiedenen Mobilfunksystemen.
LTE (Rel. 8) 4x2 MIMO
LTE (Rel. 8) 4x4 MIMO
4.5
Potential zur Nutzung des UHF-Spektrums durch den kommerziellen
Mobilfunk
Potentiell verfügbares Spektrum im UHF-Bereich ist aus zwei Gesichtspunkten für den
kommerziellen Mobilfunk von Interesse. Zum einen kann das UHF-Spektrum einen Beitrag
zur Deckung des Gesamtspektrumsbedarfs leisten, zum anderen bietet Spektrum im UHFBereich aufgrund der günstigen Ausbreitungsbedingungen Vorteile bei der
Flächenversorgung insbesondere von ländlichen Gebieten. Eine konkrete Studie zum Bedarf
von Spektrum unterhalb 1 GHz lag zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens nicht vor.
Andererseits verweist das Diskussionspapier Mobile Media 2020 des BMWi [64] auf das Ziel
der Bundesregierung, im Jahr 2018 jeder Einwohnerin bzw. jedem Einwohner einen
Breitbandanschluss von 50 Mbit/s zu ermöglichen, wofür explizit auch zellulare
Mobilfunktechnologien zur Erreichung dieses Ziels herangezogen werden. In ihren
Stellungnahmen zum Diskussionspapier greifen Bitkom [65] und Deutsche Telekom [66]
diesen Punkt auf und weisen darauf hin, dass Spektrum im UHF-Bereich zur Erreichung
dieser Ziele beitragen kann. E-Plus setzt sich in seiner Stellungnahme [67] kritisch mit
diesem Punkt auseinander sieht die Erreichung des Ziels von 50 Mbit/s als unrealistisch an.
Um einen Eindruck zu gewinnen, welche Datenraten mit wie viel Spektrum im UHF-Bereich
erreichbar sind, haben die Gutachter im Rahmen der Erstellung dieses Gutachtens eigene
Simulationen für ein System nach LTE Rel. 8 (ohne Annahme von MIMO) durchgeführt. Die
Simulationsannahmen orientieren sich im Wesentlichen an entsprechenden Dokumenten
von 3GPP [59], [60] und sind wie folgt:

19 Basisstationen mit 3-fach Sektorisierung in einem hexagonalen Grid

Variation der Basisstationsabstände von 500 m bis 10 km

Berechnung des Pfadverlusts nach Okumura-Hata mit
Penetrationsverlust von 20 dB (TR 36.814 - Table A.2.1.1-1)

Standardabweichung für Lognormalschwund: 8dB

Berücksichtigung der Antennendiagramme nach 3GPP TR 36.814 V9.0.0 [60]
einem
zusätzlichen
Untersuchungen
zur
Nutzung
des
UHF-Spektrums
Breitbandanwendungen des kommerziellen Mobilfunkdienstes
durch
39

Sendeleistung der Basisstation: 46 dBm

Kabelverluste: 3dB

Für die Berechnung der Interferenz wird von einer Worst-Case-Abschätzung
ausgegangen, d. h. alle Ressourcenblöcke der Nachbarzellen sind belegt

Annahme von Round Robin Scheduling

Annahme von 20 gleichzeitigen Nutzern/km2 (zum Vergleich: Gebiete mit 150
Personen/km2 und weniger gelten in Deutschland als ländliche Gebiet [61],
durchschnittlich leben gemäß Bundesamt für Statistik in einem Haushalt zwei
Personen

Für jedes Szenario wurden 1000 Snapshots erzeugt, bei denen die Teilnehmer
zufällig mit einer gleichverteilten Wahrscheinlichkeitsdichte in der Zellfläche verteilt
wurden
Empirical CDF
1
0.9
0.8
0.7
F(x)
0.6
0.5
0.4
0.3
0.2
0.1
0
-10
0
10
20
30
SINR [dB]
40
50
60
Abbildung 4-12: Kumulative Wahrscheinlichkeitsverteilung des aus der Simulation ermittelten
SINR (Zwei Beispiele zur Erläuterung: mit einer Wahrscheinlichkeit von 82% liegt der SINRWert unter 10 dB, in 65% der Fälle liegt der SINR-Wert unter 5 dB)
Die Verteilung des aus der Simulation ermittelten SINR (Signal-to-Noise-and-InterferenceRatios) ist in Abbildung 4-12 dargestellt. Die Darstellung in Abbildung 4-12 ist in sehr guter
Übereinstimmung mit den entsprechenden Darstellungen in [36]. Der Zusammenhang
zwischen SINR und spektraler Effizienz in der in Abbildung 4-13 dargestellten Kurve wurde
aus einer Linklevel-Simulation mit dem Simulator aus [63] ermittelt. Dabei sind neben dem
Rauschen auch Fadingeffekte in die Betrachtung eingegangen. Sie unterscheidet sich daher
von der in [36] verwendeten Kurve. Für die in Abbildung 4-12 und 4-13 dargestellten Kurven
wurden mittleres SINR von 4,4 dB und eine mittlere spektrale Effizienz von 0,78 Bit/s/Hz
ermittelt. Dieser Wert ist etwas geringer als der in Tabelle 4-5 angegebene Wert bei
Verwendung von LTE Rel. 8 mit 1x2 MIMO.
Untersuchungen
zur
Nutzung
des
UHF-Spektrums
Breitbandanwendungen des kommerziellen Mobilfunkdienstes
durch
40
4.5
4
Spektrale Effizienz [bit/s/Hz]
3.5
3
2.5
2
1.5
1
0.5
0
-10
-5
0
5
10
15
20
SINR [dB]
25
30
35
40
Abbildung 4-13: Zusammenhang zwischen spektraler Effizienz und SINR, ermittelt aus eigener
Link-Level Simulation für LTE Rel. 8.
In Abbildung 4-14 sind die erreichbaren Datenraten je Nutzer für verschiedene Bandbreiten
im Downlink und verschiedene Basisstationsabstände dargestellt. Die gewählten
Bandbreiten orientieren sich dabei an den verfügbaren Bandbreiten, entsprechend der in
Kapitel 7 vorgestellten Bandpläne. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die ab LTE Release
10 verfügbare Carrier Aggregation eine Zusammenfassung von Kanälen nur bis zu einer
Gesamtbandbreite von 100 MHz vorsieht. Es wird deutlich, dass Datenraten von 50 Mbit/s
nur bei Basisstations-Abständen von 500 m und einer zur Verfügung stehenden Bandbreite
von 140 MHz möglich sind. Bei einer Bandbreite von 60 MHz und einem BasisstationsAbstand von 2,5 km stehen 50% der Nutzerinnen und Nutzer nur eine Datenrate von 1 Mbit/s
zur Verfügung. Allerdings ist zu bemerken, dass die Ergebnisse sowohl mit der
Teilnehmerzahl als auch mit der spektralen Effizienz skalieren. Bei Annahme der 2,5-fachen
spektralen Effizienz, wie sie z. B. durch die Verwendung von 2*2 MIMO erreicht werden kann
(machbare Antennengrößen für die MIMO-Antenne im Endgerät vorausgesetzt, s. o.) und
der Annahme von nur einem zu einem bestimmten Zeitpunkt aktiven Nutzer pro km2 wären
auch mit 65 MHz 50 Mbit/s für diesen Nutzer mit einer Wahrscheinlichkeit von 50%
realisierbar. In der Simulation wurde für die Mobilstation omnidirektionaler Empfang
angenommen. Durch Erhöhung des SINR um 10 dB, was beispielsweise durch Verwendung
gerichteter Antennen für den stationären Empfang realisiert werden kann, erhöht sich die
mittlere spektrale Effizienz auf einen Wert von 3,36 Bit/s/Hz. Die Ergebnisse sind für einen
Basisstationsabstand von 2,5 km in Abbildung 4-15 dargestellt.
Untersuchungen
zur
Nutzung
des
UHF-Spektrums
Breitbandanwendungen des kommerziellen Mobilfunkdienstes
ISD 500 m
durch
41
ISD 1000 m
50
10
30
Mbit/s
Mbit/s
40
20
5
10
0
P50
P40
P30
P20
P10
P5
P3
P2
55
P1
130
65
60
135
0
P50
140
P40
P30
P20
P10
P5
P3
Perzentil
55
60
65
135
140
Bandbreite [MHz]
ISD 5000 m
2
400
1.5
300
kbit/s
Mbit/s
P1
Perzentil
ISD 2500 m
1
200
100
0.5
0
P50
P2
Bandbreite [MHz]
130
0
P50
P40
P30
P20
P10
P5
P3
P2
55
P1
60
65
130
135
P40
140
P30
P20
P5
P3
P2
Perzentil
Bandbreite [MHz]
Perzentil
P10
P1
55
60
65
130
135
140
Bandbreite [MHz]
ISD 10000 m
40
kbit/s
30
20
10
0
P50
P40
P30
P20
P10
P5
P3
Perzentil
P2
P1
55
60
65
130
135
140
Bandbreite [MHz]
Abbildung 4-14: Perzentile der erreichbaren Datenraten je Nutzer für verschiedene Bandbreiten
im Downlink und Basisstations-Abstände (ISD: Inter Site Distance)
Untersuchungen
zur
Nutzung
des
UHF-Spektrums
Breitbandanwendungen des kommerziellen Mobilfunkdienstes
durch
42
ISD 2500 m, SINR + 10 dB
Mbit/s
6
4
2
0
P50
P40
P30
P20
P10
P5
P3
Perzentil
P2
P1
55
60
65
130
135
140
Bandbreite [MHz]
Abbildung 4-15: Perzentile der erreichbaren Datenraten je Nutzer für verschiedene Bandbreiten
im Downlink bei einem Basisstationsabstand von 2,5 km und einem um 10 dB verbesserten
Wert des SINR
Die in diesem Abschnitt erzielten Ergebnisse zeigen deutlich, dass für die Erreichung der von
der Bundesregierung geforderten Breitbandzugänge mit Datenraten von 50 MBit/s auf der
Basis von LTE-A in ländlichen Gebieten für den Downlink Spektrum in der Größenordnung
von 50 bis 100 MHz im UHF-Bereich zur Verfügung gestellt werden muss und aufgrund der
benötigten Basisstationsabstände deutlich unter 10 km zusätzlich enorme Investitionen in die
Infrastruktur erforderlich sind um dieses Ziel auch nur annähernd zu erreichen.
4.6
Fazit
Die Zuweisung von zusätzlichem Spektrum im UHF-Bereich für den kommerziellen
Mobilfunkdienst macht sowohl im Hinblick auf die Befriedigung des zukünftigen
Gesamtspektrums-Bedarfs von mindestens 1280 MHz als auch im Hinblick auf das Potential
zur Versorgung ländlicher Gebiete Sinn. Da das im UHF-Bereich benötigte Spektrum sehr
stark von den Annahmen zum Verkehr, der Basisstationsdichte und der spektralen Effizienz
der verwendeten Technologie abhängt, kann ein genauer Wert für den Mindestbedarf an
Spektrum im UHF-Bereich nur schwer bestimmt werden. Allerdings zeigen die durch
Simulation gewonnenen Ergebnisse deutlich, dass die Erreichung des Ziels in den ländlichen
Gebieten eine Breitbandversorgung mit einer Datenrate von 50 Mbit/s zumindest punktuell
zu realisieren nur durch die Bereitstellung von Spektrum von 50 bis 100 MHz allein im
Downlink und der Realisierung einer für ländliche Regionen relativ hohen Basisstationsdichte
möglich ist. Die mit der spektralen Effizienz bzw. der Basisstationsdichte einhergehenden
Skalierungseffekte ermöglichen andererseits auch die Zuweisung eines Teils des Spektrums
für andere Funkdienste wie BOS oder PMSE ohne die Entwicklungsmöglichkeiten des
kommerziellen Mobilfunks nachhaltig zu begrenzen. Bei der Versorgung dünn besiedelter
ländlicher Gebiete erscheint eine mehrfache Abdeckung durch verschiedene
Mobilfunkbetreiber nicht unbedingt erforderlich. Um die großen benötigten Bandbreiten zu
erreichen, wäre ggf. auch eine Bündelung des Spektrums mehrerer Mobilfunkbetreiber eine
Lösung. Hierfür müssten jedoch die geeigneten regulatorischen Rahmenbedingungen
geschaffen werden.
5 Untersuchungen
des
Frequenzbedarfs
für
Breitbandanwendungen
der
Behörden
und
Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), Militär
und Betreiber kritischer Infrastrukturen
Vergleichbar den Untersuchungen zum kommerziellen Mobilfunkdienst erfolgt auch hier eine
Recherche der bisher verfügbaren Positionen und Angaben zum Spektrumsbedarf und den
derzeit diskutierten Frequenzbereichen. Wesentliche Quellen für diese Untersuchungen sind
die öffentlich verfügbaren Dokumente der CEPT ECC FM49 sowie eigene – bereits
veröffentlichte – Ergebnisse aus einem vom BMWi geförderten Kooperationsprojekt6.
Während für BOS7 zahlreiche öffentlich zugängliche Studien verfügbar sind, gibt es zum
Spektrumsbedarf für die militärische Nutzung keine Veröffentlichungen. Leider liegt den
Autoren zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens keine Stellungnahme des
Bundesministeriums der Verteidigung zum Diskussionspapier „Mobile Media 2020“ [64] vor.
Im Verlauf der Anhörung im BMWi am 12. November 2012 signalisierte ein Vertreter des
Bundes die Bereitschaft, mit den BOS über eine gemeinsame Frequenznutzung zu
sprechen.
5.1
Hintergrund zu Spektrumsnutzung von BOS in Deutschland
Status quo von BOS in Deutschland
Für analogen BOS-Funk steht in Deutschland ein Spektrum von insgesamt 12,7 MHz in den
Frequenzbereichen 34,35-39,85 MHz, 74,205 bis 87,265 MHz und 165,2 bis 173,99 MHz zur
Verfügung [82]. Derzeit wird daneben ein BOS-Digitalfunknetz nach dem TETRA-Standard
aufgebaut. In seinem für Ende 2014 geplanten Endausbauzustand wird das Netz aus ca.
4500 Basisstationen bestehen, von denen Mitte November 2012 3456 aufgebaut und 2580
im Netz integriert sind [69]. In Abbildung 5-1 ist der derzeitige Ausbaustand dargestellt. Das
Digitalfunknetz ist für Sprachkommunikation und eine schmalbandige Datenübertragung mit
Datenraten von bis zu 28 kbit/s ausgelegt [70]. Das Digitalfunknetz wird im 400 MHz-Band in
den Duplexbändern 380-385 MHz und 390-395 MHz betrieben. Nutzer sind die Polizei der
Länder und des Bundes, die Feuerwehren, die Rettungsdienste, Katastrophen- und
Zivilschutzbehörden, die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) und die
Bundeszollverwaltung. Das Netz ist für 500.000 Nutzer dimensioniert. Im September 2012
waren bereits 240.000 Teilnehmer registriert.
Anwendungen für breitbandige Systeme
Im Bereich BOS existiert ein Bedarf für einsatzkritische Hochgeschwindigkeitsdatenkommunikation, der sich unter anderem aus Anwendungen wie Helmkameras,
Videoübertragungen zu Einsatzzentralen, der Anbindung mobiler Einsatzkräfte an zentrale
Datenbanken und der Übermittlung von Lageinformationen aus Helikoptern ergibt. Daneben
6
Förderprojekt Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand ZIM Fördernummer KF2340906
Im englischen Sprachgebrauch wird der Begriff Public Protection and Disaster Relief (PPDR)
verwendet.
7
Untersuchungen des Frequenzbedarfs für Breitbandanwendungen der
Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), Militär und
Betreiber kritischer Infrastrukturen
44
kommen auch verstärkt unbemannte Luft- und Landfahrzeuge zum Einsatz. Im Rahmen
einer vom Bundesinnenministerium beauftragten und von der IABG im Jahr 2011
durchgeführten Studie [70] wurden die Anforderungen an breitbandige Systeme ermittelt.
Hierzu fanden Interviews mit insgesamt 20 Behörden statt, in denen 18 vordefinierte
Kommunikationsszenarien hinsichtlich deren Relevanz für die jeweilige Behörde und ihren
technischen Anforderungen hinterfragt wurden.
Abbildung 5-1: Ausbaustand des digitalen BOS-Funks in Deutschland (Stand November 2012)
[69]
Die 18 Kommunikationsszenarien teilen sich in je 6 Szenarien der Kategorien A
(Normalbetrieb der Behörden), B (Massenveranstaltungen aus Sport und Kultur sowie
Demonstrationen) und C (Katastrophenszenarien einschließlich Naturkatastrophen) auf.
Insgesamt gab es 78 Nennungen von relevanten Kommunikationsszenarien. Ein Ergebnis
der Studie ist, dass 75% der von den Behörden als relevant eingestuften Szenarien als
„Mission critical“ eingestuft wurden, bei denen ein Versagen der Kommunikationsverbindung
direkt Menschenleben gefährden würde. Eine hohe Verfügbarkeit wurde für 90% der
relevanten Szenarien gefordert. Darüber hinaus wurden die Kommunikationsszenarien auch
hinsichtlich ihrer Anforderungen an die Datenübertragungsrate und die Reichweiten
charakterisiert. Ein wesentliches Ergebnis ist dabei die Erkenntnis, dass für alle drei
Untersuchungen des Frequenzbedarfs für Breitbandanwendungen der
Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), Militär und
Betreiber kritischer Infrastrukturen
45
Kategorien und damit insbesondere auch für den Normalbetrieb Datenraten von einigen
Mbit/s und Reichweiten von teilweise mehr als 10 km gefordert werden.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Kombination der Anforderungen an
eine hohe Verfügbarkeit, hohe Datenübertragungsraten und große Reichweiten nahelegen,
dass zumindest ein Teil des Spektrumsbedarfs für breitbandige BOS-Systeme im
Frequenzbereich unterhalb 1 GHz gedeckt werden sollte. Die Forderung nach hoher
Verfügbarkeit von BOS-Systemen legt auch die Zuweisung von dediziertem Spektrum für
BOS nahe. Eine Mitnutzung kommerzieller Netze birgt große Risiken. Auf die Notwendigkeit
dedizierten Spektrums für die einsatzkritische Kommunikation weist auch der Verband
Professioneller Mobilfunk e. V. in seiner Stellungnahme [81] zum Diskussionspapier „Mobile
Media 2020“ hin.
Systeme, die für eine breitbandige Nutzung in Frage kommen
In der oben erwähnten IABG-Studie [70] wird auch untersucht über welche Systeme bzw.
Frequenzbereiche die Kommunikationsszenarien realisiert werden können. Die in der IABGStudie erwähnten Systeme sind WLAN (802.11 a/g/n/p), Richtfunk, Satellitenkommunikation,
ein nicht näher spezifiziertes Funksystem im VHF-Bereich für die Versorgung innerhalb von
Gebäuden sowie LTE. Während WLAN – insbesondere im 5GHz-Bereich – vor allem als
Kandidat für die Ad-Hoc Kommunikation betrachtet wird, kommt LTE als System für eine
flächendeckende Breitbandabdeckung in Betracht. Die US-Regulierungsbehörde FCC hat
frühzeitig entschieden [71] LTE 700 als breitbandiges BOS-System zu nutzen. Nach
Umwidmung von weiterem Spektrum im Februar 2012 stehen in den USA jetzt 2x10 MHz in
den Frequenzbereichen 758 bis 768 MHz und 788 bis 798 MHz für breitbandige BOSDienste zur Verfügung [85]. Die Entscheidung in den USA hat auch in Deutschland und
Europa eine entsprechende Diskussion in Gang gesetzt in deren Folge auch
Machbarkeitsstudien durchgeführt wurden, z. B. [72]. Die Entscheidung in den USA für LTE
700 als breitbandiges BOS-System ist aus zwei Gründen richtungsweisend auch für andere
Länder. Zum einen stellen die USA selbst einen großen Markt dar, so dass durch die
dadurch zu erwartenden Stückzahlen sowohl bei der Infrastruktur als auch bei den
Endgeräten Kostenvorteile entstehen können, zumal auch Komponenten aus der
kommerziellen Mobilfunktechnik wiederverwendet werden können. Zum anderen sind auch
in der Standardisierung bei 3GPP Aktivitäten gestartet worden, die die Spezifikation von
BOS-spezifischen Leistungsmerkmalen wie z. B. Gruppenkommunikation in zukünftigen
Releases von LTE zum Ziel haben [74].
5.2
Stand der Diskussion zum Spektrumsbedarf für BOS
Erste Studien zum Spektrumsbedarf für BOS-Anwendungen wurden in Deutschland in den
Jahren 2010 und 2011 [70], [73] durchgeführt. Am Institut für Nachrichtentechnik der
Technischen Universität Braunschweig wurde im Rahmen eines durch das BMWi im
Programm ZIM geförderten Kooperationsprojekts mit der Rohde&Schwarz PMR GmbH8 im
8
Heute Hytera Mobilfunk GmbH
Untersuchungen des Frequenzbedarfs für Breitbandanwendungen der
Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), Militär und
Betreiber kritischer Infrastrukturen
46
Jahr 2011 eine Machbarkeitsstudie zum Einsatz von LTE für BOS-Anwendungen
durchgeführt. Auf europäischer Ebene findet derzeit in der CEPT ECC FM49 eine Diskussion
über den Spektrumsbedarf und mögliche Kandidatenbänder für breitbandige BOS-Systeme
statt. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Studien sowie der derzeitige Stand der
Diskussionen im der CEPT ECC FM 49 zusammengefasst.
IABG-Studie [70]
Auf der Basis der in den oben erwähnten Interviews mit den Behörden gesammelten
Erkenntnisse wird in der Studie folgender Spektrumsbedarf abgeleitet:

60 MHz Spektrum (20 MHz für den Downlink, 40 MHz für den Uplink) für LTE

60 MHz Spektrum für die Ad-Hoc Kommunikation bei 5 GHz

14 MHz im VHF-Bereich unterhalb von 80 MHz für die temporäre Versorgung
innerhalb von Gebäuden.
Leider weist die Herleitung des Spektrumsbedarfs Inkonsistenzen bei der Bewertung des
Spektrumsbedarfs von LTE Rel. 8 und LTE Rel. 10 auf. Die im Folgenden beschriebene
WIK-Studie [73] greift die Verkehrsannahmen der IABG-Studie auf und leitet daraus einen
wesentlich geringeren Spektrumsbedarf ab.
WIK-Studie [73]
In der vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragten WIK-Studie wird der Spektrumsbedarf
für breitbandiges BOS in nachvollziehbarer Weise hergeleitet und wie folgt ermittelt:

25 MHz (15 MHz Uplink; 10 MHz im Downlink) unterhalb 1 GHz für Systeme, die mit
einem IMT-Advanced-Standard, z. B. LTE Advanced oder IEEE 802.11m (WiMAX)
betrieben werden.

Weiternutzung des Spektrums im Bereich 5150-5250 MHz für Ad-Hoc-Anwendungen
ergänzt durch zusätzliches Spektrum im Bereich 1452 bis 1479 MHz.

mindestens 15 MHz ungepaartes Spektrum im Frequenzbereich zwischen 1 und 5
GHz für die Luft-Boden-Kommunikation
Bei der Herleitung des Spektrumsbedarfs unterhalb 1 GHz wird zunächst der Verkehrsbedarf
für verschiedene Kommunikationsszenarien abgeleitet. Der Gesamtverkehr eines einzelnen
Ereignisses im Normalbetrieb (Kategorie A, siehe oben) wird mit 1200 kbit/s im Downlink
bzw. 1900 kbit/s im Uplink bestimmt. Es wird weiterhin angenommen, dass ein derartiges
Ereignis am Zellrand auftritt und ein gleichzeitig eintretendes weiteres Ereignis zu betrachten
ist, dass sich in einiger Entfernung vom Zellrand befindet. Da bei BOS die Verfügbarkeit eine
hohe Priorität besitzt, wird weiterhin angenommen, dass am Zellrand das
Übertragungsverfahren mit der höchsten Störfestigkeit (QPSK, Coderate 78/1024)
angewendet werden muss. Dieses Verfahren hat eine spektrale Effizienz von 0,15 Bit/s/Hz.
Für die Position des zweiten Ereignisses wird angenommen, dass es so weit vom Zellrand
entfernt ist, dass damit ein Übertragungsverfahren mit einer spektralen Effizienz von 1,5
Bit/s/Hz verwendet werden kann. Es wird damit ein Spektrumsbedarf von 14 MHz im Uplink
47
Untersuchungen des Frequenzbedarfs für Breitbandanwendungen der
Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), Militär und
Betreiber kritischer Infrastrukturen
und 8,8 MHz im Downlink hergeleitet. Auf der Basis von 5 MHz breiten Kanälen bei LTE
ergibt sich damit ein Spektrumsbedarf von 15 MHz im Uplink und 10 MHz im Downlink.
Die WIK-Studie und der daraus abgeleitete Spektrumsbedarf war
Eingangsdokuments der deutschen Verwaltung in die CEPT ECC FM 49 [75].
Basis
eines
Machbarkeitsstudie der Technischen Universität Braunschweig [72]
Zielsetzung dieser Studie war jedoch nicht die Ermittlung des Spektrumsbedarfs sondern das
Aufzeigen der grundsätzlichen Realisierbarkeit von breitbandigen BOS-Diensten mit LTE im
UHF-Bereich, was Einfluss auf die gewählten Szenarien und die getroffenen Annahmen
hatte. Die Studie wurde auf der Basis von Ray-Tracing-Simulationen in einem
Innenstadtszenario durchgeführt. Die Annahme des hypothetischen Netzes orientiert sich
hinsichtlich der Dichte und der Höhe der Basisstationsantennen eher an der typischen
Auslegung von Mobilfunknetzen, wobei drei Netze unterschiedlicher Basisstationsdichte
Gegenstand der Untersuchungen waren. Untersucht wurden Kommunikationsszenarien bei
Alltagsanwendungen der Polizei bzw. bei einem Großbrand. Eine Verfügbarkeit > 95 % bei
Alltagsanwendungen der Polizei lässt sich in dem gewählten Szenario mit 2x5 MHz
realisieren. Beim Kommunikationsszenario Großbrand erhöht sich die Verfügbarkeit durch
den Einsatz von 2 x 10 MHz deutlich gegenüber dem Einsatz von 2 x 5 MHz ohne jedoch
einen Wert von 95% zu erreichen. Zur Erhöhung der Verfügbarkeit sind weitergehende
Maßnahmen, wie z. B. der Einsatz mobiler Repeater erforderlich. Die Ergebnisse zeigen
jedoch, dass sich mit einem Spektrum, das sich in der Größenordnung des von der WIKStudie ermittelten Bedarfs befindet, grundsätzlich breitbandige BOS-Dienste mit LTE
realisieren lassen.
CEPT ECC FM49
Innerhalb der CEPT ECC FM49 wurde eine Arbeitsgruppe (Correspondence Group
Spectrum Requirements) eingerichtet, die den Spektrumsbedarf für breitbandige BOSAnwendungen ermitteln soll [76]. Erste Ergebnisse zum Spektrumsbedarf liegen noch nicht
vor, jedoch wurde die in der WIK-Studie angewendete Methode als Referenzmethode
ebenso übernommen wie die der WIK-Studie zugrunde liegenden Annahmen zum
Linkbudget.
5.3
5.3.1
Diskussion der Kandidatenbänder
Diskussionsstand in der CEPT ECC FM49
In der CEPT ECC FM49 werden derzeit verschiedene Kandidatenbänder für die Realisierung
von breitbandigen BOS-Diensten untersucht. Der aus [77] entnommene Stand der
Diskussion wird im Folgenden kurz zusammengefasst.
84.5 bis 108 MHz
Dieses Frequenzband wurde als langfristige Option (Zeitraum 20 Jahre) durch die
Administration der Schweiz eingebracht und mit einer möglichen Digital-Radio-Dividende
Untersuchungen des Frequenzbedarfs für Breitbandanwendungen der
Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), Militär und
Betreiber kritischer Infrastrukturen
48
begründet [78]. Aufgrund der Langfristigkeit der Lösung scheidet dieses Band für kurz- und
mittelfristige Lösungen aus.
380 bis 400 MHz
Das Band ist zum Teil durch TETRA, das als Sprachkommunikationssystem für BOS
komplementär zu einer Breitband-BOS-Lösung weiterhin existieren soll und durch die NATO
belegt. Lösungen in einzelnen Ländern erscheinen zwar möglich, eine europaweite
Harmonisierung scheint hingegen nur sehr schwer realisierbar.
400 bis 470 MHz
Hier sind Bänder in den Frequenzbereichen 410-430 MHz und 450-470 MHz in einzelnen
Ländern verfügbar, jedoch ist eine europaweite Harmonisierung nur schwer realisierbar.
470 bis 698 MHz
Dieses Band ist derzeit durch terrestrisches Fernsehen belegt und es gibt keine Zuweisung
für den Mobilfunkdienst. Eine Nutzung ist daher nur durch kognitive Lösungen bzw. in
einzelnen Ländern möglich, in denen das Band zumindest teilweise nicht mehr für
terrestrisches Fernsehen benötigt wird.
694 bis 790 MHz
Dieses Band ist für den Mobilfunkdienst in den ITU-Regionen II und III zugewiesen. Der
Tagessordnungspunkt 1.2 für die Weltfunkkonferenz (WRC) 2015 beschäftigt sich mit einer
möglichen Zuweisung für den Mobilfunkdienst auch in Region I. Nach dem derzeitigen
Diskussionsstand haben in diesem Band angesiedelte Lösungen die größte Chance auf eine
europaweite Harmonisierung. Auch Vorschläge für konkrete Bandpläne [79], [80] in diesem
Frequenzband existieren bereits. Die Bänder für breitbandige BOS-Dienste werden dabei
jeweils an der unteren Bandgrenze angesiedelt. Zusätzlich wird eine Lösung angestrebt, die
eine möglichst flexible Aufteilung der Bänder zwischen BOS und kommerziellem Mobilfunk in
verschiedenen Staaten erlaubt.
790 bis 862 MHz
Hierbei handelt es sich um das Band der „Digitalen Dividende“, das in Deutschland sowie
einigen anderen europäischen Staaten bereits für den kommerziellen Mobilfunk vergeben ist.
In diesem Band sind nur Insellösungen in einzelnen Staaten, jedoch keine europäisch
harmonisierte Lösung möglich.
Bänder oberhalb von 870 MHz
In der Liste der diskutierten Bänder erschienen auch die GSM-Bänder sowie die in vielen
Staaten nicht genutzten T-DAB-Bänder bei 1452 bis 1479 MHz bzw. UMTS-TDD–Bänder bei
1900-1920 MHz und 2010-2025 MHz. Aufgrund der intensiven Nutzung der GSM-Bänder
durch den kommerziellen Mobilfunk werden diese nicht ernsthaft weiterverfolgt. Die T-DAB
bzw. UMTS-TDD-Bänder sind aufgrund der Frequenzlage und der damit verbundenen
Ausbreitungsbedingungen eher als Kandidaten für Kommunikationsszenarien mit Ad-HocKommunikation geeignet.
Untersuchungen des Frequenzbedarfs für Breitbandanwendungen der
Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), Militär und
Betreiber kritischer Infrastrukturen
5.3.2
49
Perspektiven der BOS-Dienste in den Frequenzbändern 400 MHz bzw. 700 MHz
Nach dem derzeitigen Stand der Diskussion in der CEPT ECC FM49 verbleiben als einzige
realistische Kandidaten für weitere BOS-Dienste das 400 MHz-Band (380 bis 470 MHz) und
das 700 MHz-Band (694 bis 790 MHz). Im 400 MHz-Band ist eine europaweite
Harmonisierung – vor allem in vielen Mitgliedsstaaten der NATO - zwar schwierig, dennoch
gibt es Befürworter innerhalb der CEPT für diese Lösung. Vor allem die französische
Regierung unterstützt diesen Vorschlag [81] und nennt eine Reihe von Vorteilen:

Die derzeitigen schmalbandigen Lösungen (TETRA) werden genau in diesem
Frequenzbereich betrieben. Damit könnten die existierenden Standorte
wiederverwendet werden, was sich günstig auf die anstehenden Investitionen
auswirken würde.

Da sowohl das Militär als auch die Betreiber privater professioneller Mobilfunknetze
über Frequenzen in diesem Band verfügen, wird eine „Economy of Scale“ für die
Endgeräte erwartet.

Aufgrund der zahlreichen möglichen LTE-Bandbreiten wird bei dieser Lösung auch
die Möglichkeit zu einem flexiblen Refarmingprozess gesehen, an dessen Ende
TETRA vollständig durch LTE ersetzt werden könnte.
Allerdings stellt sich die Frage, inwieweit TETRA überhaupt vollständig durch LTE abgelöst
werden soll, da einige Hersteller auch an Lösungen arbeiten bei denen sich die TETRANetze mit LTE-Netzen verbinden lassen. Derartige Konzepte wurden bereits auf dem TETRA
World Congress 2011 vorgestellt [82].
Auf der anderen Seite bietet das 700 MHz Band eine Reihe von Vorteilen:

Die Entscheidung in den USA, das 700 MHz-Band für BOS-Anwendungen zu nutzen,
hat ebenfalls eine „Economy of Scale“ zur Folge, die aufgrund der Marktgröße in den
USA möglicherweise bedeutender ausfällt, als in dem oben beschriebenen Fall bei
400 MHz. Dies kann sich auch auf die Verfügbarkeit und den Preis der Infrastrukturseitigen Geräte auswirken, was möglicherweise auch die Nachteile bei den
Standortkosten zumindest teilweise wieder ausgleicht.

Breitbandige Lösungen zielen vor allem auf hohe Datenraten ab, für deren
Realisierung Mehrantennensysteme auch auf der Seite der Endgeräte vorgesehen
sind. Gerade bei den Endgeräten wird aufgrund der größeren Wellenlänge bei 400
MHz die Realisierung von Mehrantennensystemen bei niedrigeren Frequenzen
zunehmend schwieriger.
Zwar hat die CEPT ECC FM49 derzeit noch keine Entscheidung über die Auswahl der
Kandidatenbänder getroffen, jedoch wird durch die Gutachter das 700 MHz-Band –
insbesondere aufgrund der deutlich größeren Chancen für eine europaweite Harmonisierung
– präferiert. Auch werden innerhalb der CEPT ECC FM49 für dieses Szenario bereits
konkrete Bandpläne diskutiert [79,80]. In den Handlungsempfehlungen in Kapitel 7 dieses
Gutachtens werden daher entsprechende Bandpläne nur für dieses Szenario entwickelt. Im
Untersuchungen des Frequenzbedarfs für Breitbandanwendungen der
Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), Militär und
Betreiber kritischer Infrastrukturen
50
Falle einer Entscheidung der CEPT ECC FM 49 zugunsten des 400 MHz-Bandes lassen sich
die Bandpläne entsprechend modifizieren.
5.4
Stand der Diskussion
Anwendungen
zum
Spektrumsbedarf
bei
militärischen
In [64] wird auch ein Spektrumsbedarf von 2x15 MHz für die Bundeswehr erwähnt.
Begründet wird dieser Bedarf damit, dass die derzeit bei der Bundeswehr eingeführten
Funksysteme künftigen Kommunikationsanforderungen nicht in vollem Umfang erfüllen.
Weiterhin wird ausgeführt, dass dieser Kommunikationsbedarf zukünftig durch hochmobile
zellulare LTE-Netze im Frequenzbereich unterhalb 1 GHz gedeckt werden soll. Studien oder
Publikationen, die diesen Frequenzbedarf untermauern könnten, sind leider nicht verfügbar.
Aus Sicht der Gutachter macht eine deutschlandweite Zuweisung von Spektrum für eine
flächendecke Versorgung eines LTE-basierten Bundeswehrnetzes nur Sinn, wenn
beabsichtigt wird, ein flächendeckendes LTE-Netz durch die Bundeswehr aufzubauen. Die
Finanzierung eines derartigen zellularen Netzes bleibt selbstverständlich den Beschlüssen
des Gesetzgebers vorbehalten. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit eines
flächendeckenden Netzes für die Bundeswehr ist folgenden Aspekten Rechnung zu tragen:

Die operativen Einsatzbereiche der Bundeswehr befinden sich primär im Ausland. Für
die Erfüllung dieser Aufgaben leistet ein eigenes flächendeckendes zellulares Netz
wenig bis gar keine Beiträge. In diesem Zusammenhang darf angemerkt werden,
dass die Bundeswehr derzeit auch über kein flächendeckendes schmalbandiges
zellulares Netz verfügt und darüber hinaus in der jüngsten Vergangenheit Spektrum
unterhalb 1 GHz abgegeben hat, beispielsweise in dem Frequenzband, dass jetzt für
E-GSM verwendet wird.

In sehr begründeten, besonderen Ausnahmesituationen kann die Bundeswehr auch
im Inland eingesetzt werden (vgl. Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts
vom 12. August 2012 [85]). Die in diesen Ausnahmefällen zu erledigenden Aufgaben,
wie beispielsweise im bisher größten Einsatz der Bundeswehr beim OderHochwasser im Jahr 1997, bei dem 30.000 Soldaten im Einsatz waren [86], sind
dann vergleichbar den Aufgaben von BOS. Es ist daher in diesen Fällen eine
Mitnutzung des BOS-Netzes vorstellbar.

Für Ausbildungs- und Übungszwecke, z. B. in Kasernen und auf
Truppenübungsplätzen, erscheint die Nutzung eines zellularen LTE-Netzes zwar
sinnvoll, jedoch bietet sich auch hier eine Mitnutzung des BOS-Netzes oder
zumindest des BOS-Spektrums an.
Untersuchungen des Frequenzbedarfs für Breitbandanwendungen der
Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), Militär und
Betreiber kritischer Infrastrukturen
5.5
51
Spektrumsbedarf für Betreiber kritischer Infrastrukturen im Energie-,
Transport- und Industriebereich
In seiner Stellungnahme zum Diskussionspapier „Mobile Media 2020“ [83] hat der Verband
Professioneller Mobilfunk e. V. dediziertes Spektrum für breitbandige Datenapplikationen der
Betreiber kritischer Infrastrukturen im Energie-, Transport- und Industriebereich gefordert.
Betreiber solcher Systeme nutzen für die Sprachkommunikation und schmalbandige
Datenapplikationen derzeit sowohl analoge Funksysteme sowie Digitalfunksysteme nach
dem TETRA-Standard und können hierfür dediziertes Spektrum im Frequenzbereich 410 bis
430 MHz nutzen. Studien und Informationen zu den möglichen Kommunikationsszenarien
und dem hierfür benötigten Bedarf an Spektrum liegen den Gutachtern nicht vor. Daher kann
im Rahmen dieses Gutachtens keine abschließende Stellungnahme zum Spektrumsbedarf
für Betreiber kritischer Infrastrukturen im Energie-, Transport- und Industriebereich
abgegeben werden. Zur Deckung des ggf. bestehenden Spektrumsbedarfs wird empfohlen
folgende Optionen eingehend zu prüfen:

Option 1: Zuweisung von dediziertem Spektrum im UHF-Bereich. In Bezug auf die in
Kapitel 7 vorgeschlagenen Bandpläne würde diese Option zu Lasten der Zuweisung
von Spektrum für den kommerziellen Mobilfunk, BOS oder PMSE gehen.

Option 2: Zuweisung von Spektrum oberhalb 1 GHz. Dieses Spektrum eignet sich
insbesondere für Betreiber von Netzen kleiner Reichweite, z. B. auf einem
Werksgelände.

Option 3: Mitnutzung kommerzieller Mobilfunknetze für nicht kritische Anwendungen,
z. B. die Übertragung breitbandiger Fahrgastinformationen in Fahrzeuge des
öffentlichen Nahverkehrs.

Option 4: Mitnutzung zumindest eines Teils des für BOS zugewiesenen Spektrums für
kritische Anwendungen. Denkbar wäre es zum Beispiel, einen Teil des Spektrums
BOS dediziert zuzuweisen und einen Teil für eine gemeinsame Nutzung mit den
Betreibern kritischer Infrastrukturen bereit zu stellen.
Ggf. sind auch Kombinationen aus den vorgestellten Optionen denkbar.
5.6
Fazit
Für den Aufbau eines breitbandigen BOS-Netzes wird nach dem derzeitigen Stand der
Untersuchungen dediziertes Spektrum in der Größenordnung von 20 bis 30 MHz benötigt.
Der genaue Spektrumsbedarf wird derzeit von der CEPT ECC FM 49 ermittelt. Die bisher
detailliertesten Untersuchungen gehen von einem Spektrumsbedarf von 25 MHz in
Deutschland aus. Für die Spektrumsnutzung durch das Militär bzw. die Betreiber kritischer
Infrastrukturen im Energie-, Transport- und Industriebereich gibt es derzeit keinen
quantifizierbaren Spektrumsbedarf. Hinsichtlich der Kandidatenbänder hat von allen in
Abschnitt 5.3 erwähnten Frequenzbändern das Band 694-790 MHz die größten Chancen auf
eine europäische Harmonisierung der Bänder für ein breitbandiges BOS-System.
Untersuchungen des Frequenzbedarfs für Breitbandanwendungen der
Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), Militär und
Betreiber kritischer Infrastrukturen
52
Vor dem Hintergrund der noch nicht abgeschlossenen Ermittlung des Spektrumbedarfs für
BOS und dem nicht quantifizierten Bedarf durch das Militär bzw. die Betreiber kritischer
Infrastrukturen im Energie-, Transport- und Industriebereich werden im Rahmen dieses
Gutachten drei Optionen, jeweils im Frequenzbereich 694-790 MHz, betrachtet und in Kapitel
7 im Gesamtkontext mit dem Spektrumsbedarf für andere Funkdienste diskutiert:

Option 1: Dedizierte Zuweisung von 2 x 5 MHz im Band 694-790 MHz

Option 2: Dedizierte Zuweisung von 2 x 10 MHz im Band 694-790 MHz

Option 3: Dedizierte Zuweisung von 2 x 15 MHz im Band 694-790 MHz
Für die Nutzung von LTE durch die Bundeswehr wird eine Mitnutzung der BOS-Frequenzen
durch die Bundeswehr empfohlen. Vor dem Hintergrund dieser Mitnutzung und der
möglichen weiteren Mitnutzung durch Betreiber kritischer Infrastrukturen im Energie-,
Transport- und Industriebereich sowie des durch die WIK-Studie ermittelten
Spektrumsbedarfs von 25 MHz werden daher die Optionen 2 und 3 durch die Gutachter
präferiert.
6 Neuartige Ansätze zur gemeinsamen Spektrumsnutzung
durch terrestrische TV- und Mobilfunknetze
Während eine gemeinsame Nutzung des Frequenzspektrums durch PMSE-Systeme und
Systeme für die terrestrische TV-Übertragung seit Jahrzehnten erfolgt, ist eine gemeinsame
Spektrums-Nutzung durch terrestrische Rundfunk- und Mobilfunknetze bisher unbekannt.
Vor dem Hintergrund von Empfehlungen der WRC 2012 zur Untersuchung von ko-primärer
Spektrums-Nutzung scheint es an der Zeit zu sein, mittels neuer Konzepte das Miteinander
unterschiedlicher Systeme im selben Frequenzspektrum zum Gegenstand von Forschung
und Entwicklung zu machen. Daher verfolgt das Institut für Nachrichtentechnik der
Technischen
Universität
Braunschweig
seit
Jahren
zwei
unterschiedliche
Forschungsrichtungen. Zum einen geht es dabei um Dynamic Broadcast, bei dem die
terrestrische TV-Übertragung in der klassischen Form, z. B. mittels DVB-T oder DVB-T2
weiterhin erhalten bleibt, jedoch nicht mehr zu jeder Zeit alle die bisher dem Fernsehen
zugewiesenen Kanäle nutzt. Zum anderen geht es um die Nutzung von bisher für die
terrestrische TV-Übertragung verwendeten Sendernetzen als Erweiterung von zellularen
(LTE-Advanced-) Services. Dieses Verfahren wird als „Tower Overlay“ bezeichnet, womit die
aus der Welt des Mobilfunks bekannte Begrifflichkeit „High Power / High Tower“
übernommen wird.
6.1
Tower-Overlay für LTE-Netze
Motiviert durch die Zunahme des Datenvolumens innerhalb der Mobilfunknetze und der
Entscheidung auf der diesjährigen Weltfunkkonferenz (WRC 2012) zur Forderung nach koprimärer Nutzung des 700 MHz-Bandes (694-790 MHz) durch den Mobilfunk und den
terrestrischen TV-Rundfunk im Anschluss an die nächste Weltfunkkonferenz in Jahre 2015
entstand das Konzept des Tower-Overlay für LTE-Netze. Dessen Zielsetzungen lauten wie
folgt:
1. Effizienteste
Nutzung
der
dem
Mobilfunk
zur Verfügung
stehenden
Frequenzressourcen für den Fall der Übertragung speziell von Video, um den
Frequenzbedarf der Mobilfunknetzbetreiber reduzieren zu können.
2. Reduzierung der Bereitstellungskosten der über Mobilfunknetzwerke zur Verfügung
gestellten (Medien-) Inhalte.
3. Vermeidung der Mehrfachübertragung von Live-Video in zellularen Mobilfunknetzen
4. Nutzung von bisher durch Broadcast genutzten Infrastrukturen zur Adressierung von
LTE-Advanced Endgeräten.
6.1.1
Effiziente Spektrumsnutzung durch den Einsatz von Punkt-zu-Multipunkt
Übertragung (Point-to-Multipoint - P2MP)
In heutigen Mobilfunknetzen werden bisher sämtliche Übertragungen von Nutzdaten mit Hilfe
separater, nutzerspezifischer Punkt-zu-Punkt-Verbindungen (P2P) zu den einzelnen
Neuartige Ansätze zur gemeinsamen Spektrumsnutzung durch terrestrische
TV- und Mobilfunknetze
54
Endgeräten realisiert. Dabei belegt jede einzelne Verbindung einen Teil der zur Verfügung
stehenden spektralen Ressourcen innerhalb eines Mobilfunkkanals. Dies hat zur Folge, dass
im Falle identischer Daten, die von verschiedenen Nutzern gleichzeitig oder innerhalb eines
bestimmten (kurzen) Zeitraumes angefordert werden, diese mehrmals übertragen werden
müssen und somit mehrfach Ressourcen auf dem Funkkanal belegen. In Anbetracht des z.
B. in der Cisco VNI Mobile Studie 2012 [33] prognostizierten dramatischen Anstiegs der
Videonutzung auf mobilen Endgeräten ist davon auszugehen, dass dieser in zunehmendem
Maße durch den Konsum von Live-Video erfolgen und so die Mobilfunknetze belasten wird.
Die durch die Mehrfachübertragung identischer Daten verursachte Redundanz kann durch
den gezielten Einsatz von Punkt-zu-Multipunkt-Übertragungen (P2MP) verhindert werden.
Dabei werden mit Hilfe eines einzelnen Datenstromes mehrere Nutzer innerhalb eines
Versorgungsgebietes mit den angeforderten Daten versorgt. Während die benötigten
Frequenzressourcen für einzelne Punkt-zu-Punkt-Übertragungen mit der Anzahl der Nutzer
skalieren, sind diese bei P2MP-Übertragungen davon vollkommen unabhängig.
Die P2MP-Übertragung ist für Live-Übertragungen, wie z.B. Live-TV, Radio, Live-Streams
aus dem Internet, etc. besonders vorteilhaft. Diese werden von allen Nutzern (nahezu)
gleichzeitig konsumiert. Hierzu gehören Programme mit hohen Zuschauermarktanteilen
(Radio und TV) und Events mit hohem allgemeinem Interesse, wie z.B. große
Sportveranstaltungen und Nachrichtensendungen. Zum Beispiel konnten die Olympia Live
Angebote über die Internetplattformen der ARD und des ZDF zu den Olympischen Spielen in
London 2012 eine sehr hohe Zuschaueranzahl verbuchen [88]. Sollte entsprechend dem in
Abschnitt 2.3.3 dargestellten Szenario die Ausstrahlung von Live-TV über die BroadcastSendernetze eingestellt werden, wird voraussichtlich die Übertragung von Live-Video
innerhalb der Mobilfunknetze eine noch wichtigere Rolle spielen, da dann nur noch darüber
die Zuschauerinnen und Zuschauer erreicht werden können, die derzeit noch per USB-TVEmpfänger, über DVB-T-Empfänger im Fahrzeug etc. erreicht werden können. Es ist also zu
befürchten, dass ohne eine innovative Erweiterung der Mobilfunknetze die Live-Video-Inhalte
im P2P-Verfahren mehrfach übertragen werden müssen. Hier hilft auch eine Einführung der
für LTE spezifizierten Erweiterung eMBMS nur wenig weiter. Auch eMBMS setzt auf (kleine)
Mobilfunkzellen und erlaubt keine Provider-übergreifende Übertragung. Konkret heißt das,
dass im Extremfall selbst nach einer Einführung von eMBMS jeder der vier Netzbetreiber in
Deutschland in jeder Netzzelle denselben Live-Video-Inhalt parallel bereitstellen muss. Der
Umstieg auf eine effektive P2MP-Lösung - vor allem für Fernsehprogramme mit hohen
Marktanteilen – ist also unerlässlich.
6.1.2
Effiziente P2MP Übertragung innerhalb von Mobilfunknetzen durch den Einsatz
eines Tower-Overlays
Ein weiterer Nachteil von eMBMS ist die in der Spezifikation vorgegebene Koexistenz dieses
Dienstes mit P2P-Daten innerhalb eines gemeinsamen Trägers. Grund hierfür ist das Ziel,
jederzeit eine simultane Nutzung von P2MP und P2P zu gewährleisten, so dass z.B. auch
während des Konsums von Live-TV über eMBMS der gleichzeitige Empfang eines
eingehenden Telefonats ermöglicht wird. Im Zuge dessen können nur bestimmte Bereiche
Neuartige Ansätze zur gemeinsamen Spektrumsnutzung durch terrestrische
TV- und Mobilfunknetze
55
(subframes) eines LTE-Trägers für eMBMS verwendet werden, was die Effizienz von
eMBMS durch folgende Punkte stark einschränkt:

LTE-Träger können nicht effektiv für eine dedizierte eMBMS Übertragung verwendet
werden, da maximal 60 % der verfügbaren Ressourcen für solche Dienste zur
Verfügung stehen. Die restlichen Ressourcen müssen in solchen Szenarien für P2PVerbindungen reserviert werden.

Die Übertragung von eMBMS ist an die mehr oder weniger kleinzellige Infrastruktur
der Mobilfunknetze gebunden, deren Betrieb im Vergleich zu einer klassischen
Broadcast-Infrastruktur, bestehend aus wenigen leistungsfähigen Sendern mit einem
z. B. für Deutschland typischen Abstand von etwa 60 km, kostenintensiver ist ([89],
[90], [91]).
Mit dem Ziel, eine möglichst effiziente P2MP-Verteilung, insbesondere von LiveMedieninhalten, zu LTE-Endgeräten zu erreichen, entstand das Konzept des Tower Overlay
(Abbildung 6-1). Dabei werden dedizierte P2MP-Träger, welche ausschließlich P2MP-Daten
beinhalten, mit Hilfe von leistungsstarken Sendern, wie sie bisher ausschließlich für die
terrestrische TV-Verbreitung Verwendung finden, ausgestrahlt.
Gewöhnliche LTE Zellen
P2MP Tower Overlay
Abbildung 6-1: Konzept eines Tower-Overlays für LTE
Der hier vorgestellte Ansatz ermöglicht im Vergleich zu kleinzellularen Netzen eine
kostengünstigere Übertragung von populären Inhalten innerhalb von Mobilfunknetzen. Für
den dafür notwendigen dedizierten Träger existieren Ansätze im LTE Standard der 3GPP
(3rd Generation Partnership Project) [92], sowie Studien über mögliche spezifische
Trägerstrukturen [93].
Um weiterhin den gleichzeitigen Empfang von P2P- und P2MP-Daten zu sichern, wird u. a.
eine Technik verwendet, welche zusammen mit LTE-Advanced, der Erweiterung von LTE,
ohnehin Einzug halten dürfte. Dabei handelt es sich um die sogenannte Carrier Aggregation,
die Bündelung von bis zu 5 LTE-Trägern aus möglicherweise ganz unterschiedlichen
Frequenzbereichen zu einem Gesamtträger, der die gesamte zur Verfügung stehende
Datenrate innerhalb einer Zelle erhöht. Somit werden normale LTE Träger mit den
dedizierten P2MP-Trägern gebündelt, um die gleichzeitige Verfügbarkeit von P2P- und
P2MP-Diensten zu gewährleisten. Mittels geeigneter Signalisierung auf den LTE-Trägern
Neuartige Ansätze zur gemeinsamen Spektrumsnutzung durch terrestrische
TV- und Mobilfunknetze
56
besitzen Endgeräte die Kenntnis über die Existenz und die genaue Lokalisation dieser
P2MP-Träger. Die vom Institut für Nachrichtentechnik der Technischen Universität
Braunschweig verfolgte innovative Idee ist es, Carrier Aggregation nicht etwa auf die
Nutzung unterschiedlicher Träger innerhalb eines klassischen zellularen Netzwerks zu
beschränken, sondern auch Träger einzubinden, die der großflächigen Versorgung dienen.
Abbildung 6-2 beschreibt dabei ein mögliches Szenario mit einem lokalen LTE Träger mit
Signalisierungsinformationen und nutzerspezifischen Daten, welche per Unicast übertragen
werden, sowie der Aggregation eines für P2MP-Dienste dedizierten Trägers [94].
f
LTE - Lokaler Träger (primär)
z.B. 2600 MHz
…
…
P2MP Träger (sekundär)
…
z.B. 700 MHz
t
Trägerübergreifende Signalisierung
Engmaschiges Netz für
Unicast Dienste (P2P):
• VoIP
• Web
• M2M
• Gaming
• …
Große Versorgungsflächen
für P2MP-Dienste:
• Mobile Video
• Radio
• Populäre Datendienste
• …
Abbildung 6-2: Mögliches Szenario für die Aggregation verschiedener LTE-Träger
Um die Gesamtzahl der Mobilfunknutzer innerhalb der gesamten Versorgungsfläche eines
Tower-Senders Provider-unabhängig mit populärem Inhalt versorgen zu können, sollten sich
die Mobilfunknetzbetreiber auf eine Möglichkeit der providerübergreifenden Nutzung eines
solchen P2MP-Trägers einigen. Es erscheint beispielsweise nicht sinnvoll, dass die vier
nationalen Netzbetreiber jeweils ihre eigenen Live-TV-Angebote ausstrahlen, wenn doch mit
Hilfe eines gemeinsam genutzten Tower Overlay der Gesamtbedarf an Spektrum weiter
reduziert werden könnte. Eine entsprechende Zusammenarbeit und Koordination zwischen
den Mobilfunknetzbetreibern ist somit von erheblicher Bedeutung, um vorhandene
Ressourcen möglichst effizient zu nutzen und den Bedarf an weiterem Frequenzspektrum zu
reduzieren. Betrachtet man zusätzlich die Reduktion der Betriebskosten, die unter
Verwendung eines Tower-Overlay möglich wären, in Verbindung mit dem prognostizierten
Anstieg des zukünftigen Datenverkehrs (In Mobilfunknetzen skalieren die Kosten mit dem
Datenaufkommen), werden Mobilfunknetzbetreiber nicht umhin kommen, Konzepte zu
verfolgen, mit denen die eigenen Betriebskosten minimiert werden können.
6.1.3
Nutzung bestehender Broadcast-Technik für den Tower Overlay
Die Realisierung eines Tower Overlay kann z.B. mit Hilfe von DVB-T2 realisiert werden.
Dieser aktuelle digitale Rundfunkstandard bietet mit den so genannten Future Extension
Frames (FEF) die Möglichkeit, Systemerweiterungen innerhalb eines DVB-T2 Datenträgers
im Zeitmultiplex einzubetten [95]. Diese Frames können also entweder dafür verwendet
werden, den DVB-T2 Standard um neue Broadcast-spezifische Dienste zu erweitern, oder
Neuartige Ansätze zur gemeinsamen Spektrumsnutzung durch terrestrische
TV- und Mobilfunknetze
57
aber auch dazu, andere Funkstandards, wie z.B. einen dedizierten P2MP Träger für LTE,
einzubetten. Entsprechende Rundfunk- als auch Mobilfunk-Endgeräte sind durch geeignete
Signalisierung in der Lage, das DVB-T2-Signal nur innerhalb der Zeitabschnitte zu
decodieren, in denen eine ihrem Standard entsprechende Ausstrahlung stattfindet. Ein LTEfähiges Smartphone muss somit nicht mit einem zusätzlichen DVB-T2 Empfänger
ausgestattet werden sondern kann P2MP-Inhalte als LTE-Signale empfangen. Abbildung 6-3
zeigt das aus Abbildung 6-2 bekannte und erweiterte System. Mit Hilfe eines an einem
Sender installierten hybriden Modulators werden die Daten der beiden Standards - DVB-T2
und LTE - im Zeitmultiplex auf einen gemeinsamen Träger moduliert.
f
LTE - Lokaler Träger
…
z.B. 2600 MHz
…
…
z.B. 700 MHz
DVB‐T2‐
Modulator
T2‐
Data
LTE P2MP‐
Modulator
LTE‐
P2MP
DVB‐T2 + P2MP
DVB-T2/P2MP Träger
…
t
T2‐
T2‐
T2‐
P2MP
P2MP
P2MP
Data
Data
Data
Hybrider Modulator
Trägerübergreifende Signalisierung
Abbildung 6-3: Beispiel einer Carrier Aggregation eines LTE-Downlink-Signals in einen DVBT2-Träger
Der Anteil der im DVB-T2-Signal für LTE verfügbaren Ressourcen kann variiert werden.
Somit kann man den verschiedenen Ansprüchen an die jeweils benötigten Datenraten beider
Standards gerecht werden und im Extremfall das DVB-T2-Signal (nahezu) komplett für einen
LTE-Tower Overlay nutzen.
Mit den DVB-T2 Future Extension Frames bietet sich also eine Möglichkeit der ko-primären
Frequenznutzung durch den terrestrischen TV-Rundfunk bis hin zu einer reinen DownlinkLösung eines Tower-Overlays für LTE. Die verfügbaren Ressourcen eines Trägers können
dabei variabel unter den beiden Funkstandards aufgeteilt werden. Zusätzlich können beide
Seiten durch die gemeinsame Nutzung einer einzigen Tower-Infrastruktur von der dadurch
erzielten Teilung der Betriebskosten profitieren. Das Ziel der ko-primären Spektrumsnutzung
ist erreichbar.
6.1.4
Zusammenfassung
Die Effizienz von Mobilfunksystemen kann durch den Einsatz von P2MP in der Bereitstellung
von Medieninhalten optimiert werden. Gegenüber nutzerspezifischen P2P-Verbindungen
kann die Übertragung mehrfach angeforderter Daten auf dedizierten P2MP-Trägern die dafür
insgesamt benötigten Funkressourcen reduzieren. Die Bereitstellung dieser Träger kann mit
Hilfe einer Tower-Infrastruktur deutlich günstiger realisiert werden, als dies mit Hilfe von
eMBMS innerhalb eines engmaschigen zellularen Netzes möglich ist. Um genauere
Aussagen in Bezug auf eine Verbesserung der Spektrumseffizienz durch P2MP und die
Neuartige Ansätze zur gemeinsamen Spektrumsnutzung durch terrestrische
TV- und Mobilfunknetze
58
Kostenreduktion durch ein Tower-Overlay treffen zu können, ist eine Weiterentwicklung des
vom Institut für Nachrichtentechnik der Technischen Universität Braunschweig
vorgeschlagenen Konzeptes erforderlich. Ideal wäre eine Weiterentwicklung in
Zusammenarbeit mit Mobilfunknetzbetreibern. Durch eine entsprechende Kooperation der
vier deutschen Netzbetreiber, mit einem gemeinsamen Zugriff auf einen einzigen P2MPTräger, könnte in Deutschland die Leistungsfähigkeit eines P2MP Tower-Overlays weiter
gesteigert werden.
6.2
Dynamic Broadcast
Geht man davon aus, dass auch zukünftig die terrestrische TV-Verteilung entsprechend dem
in Abschnitt 2.3.2 beschriebenen Szenario erhalten bleibt, so ergeben sich mittels des vom
Institut für Nachrichtentechnik der Technischen Universität Braunschweig entwickelten
Systems „Dynamic Broadcast" dennoch Möglichkeiten zur ko-primären Nutzung von
Frequenzspektrum. Die Übertragung von TV-Inhalten erfolgt hierbei nicht mehr
ausschließlich über ein terrestrisches TV-Sendernetz, sondern alternativ auch über ein
separates Breitbandnetz. Ziel ist es, durch neuartige Verfahren für die Übertragung von
Medieninhalten eine möglichst effiziente Nutzung des terrestrischen Fernsehspektrums zu
erreichen.
Dynamic Broadcast steht also für eine mögliche Zukunft des Fernseh-Rundfunks.
Fernsehempfänger besitzen einen Tuner für den terrestrischen TV-Empfang per DVB-T
und/oder DVB-T2, sind gleichzeitig mit dem Breitband-Internet verbunden und besitzen eine
eingebaute Computerfestplatte. Nun müssen nicht mehr alle Rundfunkinhalte Live über das
terrestrische Sendernetz ausgestrahlt werden. Ziel ist es, den TV-Programmanbietern
weiterhin die Möglichkeit zu erhalten, TV-Programme wie bisher anzubieten und gleichzeitig
den Zuschauerinnen und Zuschauern das gewohnte Fernseherlebnis zu bewahren, dafür
jedoch weniger Frequenzspektrum und weniger elektrische Energie einzusetzen.
Dynamic Broadcast ermöglicht die Verteilung von TV-Programmen über die Kombination von
terrestrischen Sender- und von Breitbandnetzen. Hier werden manche Inhalte in Echtzeit,
andere vor dem eigentlichen Sendezeitpunkt übertragen – in Echtzeit oder zeitlich
komprimiert. Diese Inhalte werden auf der Festplatte des Empfängers aufgezeichnet und
stehen zur Ausspielung nach entsprechender Signalisierung durch den Programmanbieter
bereit. Sie können auch vielfach genutzt werden, wenn – wie heute nicht unüblich – Inhalte z.
B. am Folgetag wiederholt werden. Dynamisch verändert werden auch die
Programmmultiplexe auf den unterschiedlichen Übertragungskanälen, die Belegung von
Senderfrequenzen und die Leistungsmerkmale der TV-Sender. Das Playout- und NetworkManagement bietet Lösungen für die Signalisierung der vielfältigen, dynamisch veränderten
Parameter zum Endgerät.
Das Endgerät für Dynamic Broadcast besitzt neben Empfangstunern für das Digitale
Fernsehen einen Internetzugang und eine eingebaute Computerfestplatte. Mittels einer
komplexen
Steuersoftware
ermöglicht
das
Endgerät
die
Darstellung
von
Fernsehprogrammen in der heute üblichen Art, obwohl die dargestellten Inhalte teils über die
Neuartige Ansätze zur gemeinsamen Spektrumsnutzung durch terrestrische
TV- und Mobilfunknetze
59
Empfangstuner, teils über den Internetzugang und teils von der Festplatte bereitgestellt
werden. Die Umschaltung zwischen diesen Empfangswegen erfolgt mittels
Signalisierungsinformationen, die über die Übertragungswege geliefert werden.
Im Dynamic Broadcast wird das Frequenzspektrum dann nicht mehr permanent für die
Fernsehausstrahlung benötigt. Zeitweilig kann es für die (Sekundär-) Nutzung durch
unabhängige drahtlose Breitbandnetze freigegeben werden. Um dem Sekundärnutzer freies
Spektrum zu signalisieren, werden u.a. dynamische Spektrums-Datenbanken eingesetzt.
Abbildung 6-4 zeigt den Aufbau eines Dynamic-Broadcast-Systems.
Abbildung 6-4: Dynamic-Broadcast-Systemübersicht
Die temporäre Vergabe eines bestimmten Anteils des Spektrums kann dabei zum Ziel der
Systemoptimierung durch die Netzlogik gemacht werden, wodurch Sekundärnutzern
Planungssicherheit bei der Implementierung eigener Funknetz-Dienste geboten wird. Dazu
werden ihnen unter anderem Informationen über die freien Spektrums-Ressourcen
einschließlich deren Verfügbarkeitsdauer zur Verfügung gestellt. Diese Signalisierung freier
Frequenzen kann dabei sowohl über das terrestrische Sendernetz als auch über ein
Netzwerk, zum Beispiel mittels eines Datenbanksystems, erfolgen. Störungen durch
Interferenzen können dadurch vermieden werden, dass die nun entstehenden „weißen
Flecken“ im Spektrum, die international als „White Spaces" bezeichnet werden, kontrolliert
erzeugt und zugewiesen werden. Dadurch kann die Betriebssicherheit der beiden
koexistierenden Netze ("Fernsehrundfunk" und "Drahtloses Internet") sichergestellt werden.
Das gesamte System wurde erstmalig im Rahmen der IFA 2012 im Betrieb vorgestellt. Es
existieren umfangreiche Veröffentlichungen, die alle Aspekte der Lösung beschreiben, z. B.:
[96], [97], [98], [99], [100].
7 Empfehlungen und Handlungsoptionen
Das vorliegende Gutachten befasst sich mit der Untersuchung der zukünftigen
Frequenzbedarfe des terrestrischen Fernsehens und des Mobilfunkdienstes sowie weiterer
Funknutzungen im Frequenzband 470-790 MHz sowie mit der Bewertung von Optionen zur
Verteilung der Frequenznutzungen unter sozio-ökonomischen und frequenztechnischen
Gesichtspunkten, insbesondere im Teilfrequenzband 694-790 MHz.
Ausgangspunkt war das Diskussionspapier „Mobile Media 2020“ des BMWi, in dem vier
verschiedene Optionen für die zukünftige Nutzung der Frequenzbereiche 470-790 MHz
genannt werden:

Option 1: Beibehaltung des Status Quo im Frequenzbereich 470-790 MHz bis 2025

Option 2: Vergabe des Frequenzteilbereichs 694-790 MHz an den kommerziellen
Mobilfunkdienst ab 2016

Option 3: Kollaborative Nutzung der Frequenzen sowohl durch den terrestrischen
Rundfunk (Dynamic Broadcasting) als auch durch alternative Nutzer (LTE, LTE-Mil.
LTE-BOS, PMSE,…) mit dem Ziel einer Commonly Used Network Structure (CUNST)

Option 4: Rundfunk verzichtet infolge veränderter Rahmenbedingungen auf Terrestrik.
Im Gutachten wurden zunächst die Anforderungen und Rahmenbedingungen
unterschiedlicher Nutzer untersucht und daraus deren Frequenzbedarf im UHF-Bereich
abgeleitet. Die wesentlichen Schlussfolgerungen sind:

Terrestrisches Fernsehen: Es werden drei mögliche Szenarien entwickelt, von denen
nur das Szenario „Umstieg von DVB-T auf DVB-T2“ und das Szenario „Ausstieg aus
der terrestrischen TV-Verbreitung“ als realistisch angesehen werden. Diese beiden
Szenarien, die den Optionen 2 (jedoch nur teilweise), 3 (auch hier nur teilweise) und
4 des Diskussionspapiers entsprechen, werden im Folgenden betrachtet.

PMSE: Für den Fall, dass das Szenario „Ausstieg aus der terrestrischen TVVerbreitung“ zum Tragen kommt, benötigt PMSE die Zuweisung dedizierten
Spektrums.

Kommerzieller Mobilfunk: Die Zuweisung von Spektrum im UHF-Bereich würde
sowohl einen Beitrag zur Deckung des prognostizierten Gesamt-Spektrumsbedarfs
liefern als auch die Versorgung ländlicher Gebiet mit Breitbandanschlüssen
unterstützen.

BOS: Es wird dediziertes Spektrum in der Größenordnung von 2x5 MHz bis 2x15
MHz benötigt, das aufgrund der größeren Chancen für eine europäische
Harmonisierung idealerweise im 700MHz-Band liegen sollte.

Militär und Betreiber kritischer Infrastrukturen: Hierfür gibt es derzeit keinen
quantifizierten Spektrumsbedarf. Dieser Bedarf muss ggf. aus dem für den
kommerziellen Mobilfunk bzw. BOS vorgesehenen Spektrumsbereich gedeckt
werden.
Empfehlungen und Handlungsoptionen
61
Basierend auf diesen Erkenntnissen wurden verschiedene Szenarien identifiziert und für
diese Szenarien jeweils konkrete Bandpläne entwickelt, die auch den für die einzelnen
Nutzer teilweise ermittelten Unsicherheiten Rechnung tragen. Zwei Szenarien mit jeweils drei
bzw. vier Bandplan-Varianten werden im Folgenden diskutiert.
Szenario 1: Umstieg von DVB-T auf DVB-T2.
Sollte ein Umstieg von DVB-T auf DVB-T2 erfolgen, so kann ab ca. 2018 in den
Ballungsräumen und ab ca. 2020 bundesweit ein Teil des 700-MHz-Bandes für andere
Dienste genutzt werden, sofern eine Koordinierung mit dem Ausland erfolgreich verläuft. Im
Zuge einer Umnutzung müssen hunderte TV-Sendeanlagen verändert werden. Die Belange
der Kabelnetzbetreiber, in deren Netzen in dem betrachteten Frequenzbereich sowohl TVals auch Internetdienste betrieben werden, sind zu berücksichtigen. Betreiber von PMSESystemen benötigen Frequenzzuweisungen außerhalb des UHF-Bandes. Das Gutachten
schlägt für dieses Szenario Bandpläne unter Berücksichtigung von Mobilfunkdiensten und
Diensten der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) vor, in denen
insbesondere auch Koexistenz-Bedingungen zwischen unterschiedlichen Funknutzungen
berücksichtigt werden.
Abhängig vom noch zu ermittelnden Spektrumsbedarf für BOS (2x5 MHz, 2x10 MHz oder
2x15 MHz) werden in Abbildung 7-1 drei Varianten für Bandpläne mit unterschiedlicher
Nutzung durch BOS bzw. den kommerziellen Mobilfunk vorgeschlagen, wobei von einer
Duplexlücke zwischen UL und DL von 9 MHz ausgegangen wird. Unter Beachtung der
möglichen Schutzabstände am oberen bzw. unteren Ende des Frequenzbandes kann damit
eine möglichst effiziente Nutzung des Spektrums erreicht werden. Abhängig vom
Frequenzbedarf für die Betreiber kritischer Infrastrukturen können sich die für BOS bzw. den
kommerziellen Mobilfunk vorgesehenen Bandbreiten noch verändern. Bei diesem Szenario
wird eine kooperative Nutzung des Frequenzbandes 470-694 MHz vorgeschlagen. Das
Gutachten stellt in Kapitel 6 Forschungsansätze vor, mittels derer das immer drängender
werdende Problem der ko-operativen bzw. ko-primären Nutzung von terrestrischen
Frequenzen für Rundfunk- und Mobilfunkdienste gelöst werden kann und plädiert für
Forschungs- und Entwicklungsförderung auf diesem wichtigen Feld.
Empfehlungen und Handlungsoptionen
62
Digitale Dividende II
Legende
Rundfunk
Mobilfunk
BOS
DuplexLücke
MHz
680
Mobilfunk
35 MHz
UL
700
720
791
751
756
Mobilfunk
35 MHz
DL
5 MHz
742
702
707
49
9 MHz
48
5 MHz
47
694
686
Vorschlag 1:
740
760
Mobil
DL
780
800
MHz
48
680
700
720
791
761
751
742
702
712
Mobilfunk
30 MHz
UL
BOS
10
MHz
49
Mobilfunk
30 MHz
DL
BOS
10
MHz
9 MHz
47
694
686
Vorschlag 2:
740
760
Mobil
DL
780
800
MHz
680
48
700
BOS
15 MHz
Mobilfunk
25 MHz
UL
720
740
BOS
15 MHz
760
791
766
751
742
717
702
49
9 MHz
47
694
686
Vorschlag 3:
Mobilfunk
25 MHz
DL
780
Mobil
DL
800
Abbildung 7-1: Bandpläne für unterschiedliche Varianten der Nutzung durch die BOS bzw. den
kommerziellen Mobilfunkdienst
Empfehlungen und Handlungsoptionen
63
Szenario 2: Ausstieg aus der terrestrischen TV-Verteilung
Für den Fall eines Ausstieges aus der terrestrischen TV-Verteilung, der unter bestimmten
Umständen bereits 2019 abgeschlossen sein könnte, werden Bandpläne für vier Varianten
vorgestellt. Die Betreiber von PMSE-Systemen benötigen in diesem Fall für sie reservierte
Frequenzbereiche. Für die Übertragung von Live-Video zu portablen und mobilen, auch in
Fahrzeuge fest verbauten, Empfangsgeräten müssen innovative Lösungen jenseits heutiger
Mobilfunkstandards gefunden werden. Dabei sollte die Übertragung von Live-Video
außerhalb der von Mobilfunknetzbetreibern in ihren Kunden-Verträgen vorgegebenen DatenVolumen-Grenzen ermöglicht werden und evtl. mit einer Must-Carry-Verpflichtung verbunden
sein u. v. a. m. Das in Kapitel 6.1 dieses Gutachtens vorgestellte Tower-Overlay-Konzept
stellt eine Möglichkeit zur Umsetzung dieser Verpflichtung dar. Die vier betrachteten
Varianten berücksichtigen unterschiedlich große Zuweisungen für PMSE jeweils mit bzw.
ohne dediziertes Spektrum für die Realisierung eines Tower-Overlay-Konzeptes.
Die vier Varianten sind in den Abbildungen 7-2 bis 7-5 dargestellt. In Szenario 2 erweist sich
eine Duplexlücke von 10 MHz als vorteilhafter. Um Störungen durch Nebenaussendungen
durch LTE-Endgeräte soweit wie möglich zu reduzieren, wird PMSE ein
zusammenhängender Spektrumsblock zugewiesen, der lediglich durch die Zuweisung der
Bänder für die Radioastronomie unterbrochen wird. In den Duplexlücken könnten evtl.
weitere PMSE-Nutzungen vorgesehen werden. Darüber hinaus wäre zu untersuchen, welche
White Spaces in den von kommerziellen Mobilfunkdiensten genutzten Frequenzbereichen
vorhanden sind und wofür diese genutzt werden können. Um derartige Nutzungen zu
ermöglichen, wären Spektrumsmasken vor allem in den LTE-Endgeräten, die die
Nebenausendungen besser unterdrücken, von Vorteil. In Szenario 2 ist für BOS ein Block
von 2x15 MHz im 700MHz-Band vorgesehen. Dieser Spektrumsbedarf stellt die Obergrenze
der in Kapitel 5 diskutierten Spektrumsbedarfe dar.
Empfehlungen und Handlungsoptionen
64
Abbildung 7-2: Szenario
Fernsehübertragung
1
der
Bandbelegung
bei
Einstellung
der
terrestrischen
Abbildung 7-3: Szenario
Fernsehübertragung
2
der
Bandbelegung
bei
Einstellung
der
terrestrischen
MHz
8 MHz
PMSE
16
MHz
Mobilfunk
50 MHz
UL
640
620
660
PMSE
20 MHz
700
Mobilfunk
50 MHz
DL
720
740
790
775
725
620
715
600
BOS
15 MHz
UL
680
614
8 MHz
606
590
580
650
TowerOverlay
16 MHz
PMSE
20 MHz
600
560
PMSE
16 MHz
700
540
634
520
614
500
606
480
Mobilfunk
55 MHz
DL
10 MHz
Mobilfunk
55 MHz
UL
MHz
65
535
525
10 MHz
470
Empfehlungen und Handlungsoptionen
BOS
Mobil
15 MHz
DL
DL
760
780
800
Legende & Zusammenfassung
36 MHz
PMSE
2 * 105 MHz
Mobilfunk
2 * 15 MHz
BOS
2 * 10 MHz
DuplexLücke
16 MHz
TowerOverlay
MHz
600
620
614
terrestrischen
Mobilfunk
50 MHz
DL
720
740
790
775
725
620
BOS
15 MHz
UL
700
der
PMSE
20 MHz
715
650
680
Einstellung
600
700
580
Mobilfunk
50 MHz
UL
660
8 MHz
PMSE
26 MHz
560
TowerOverlay
16 MHz
640
606
580
540
634
PMSE
20 MHz
bei
10 MHz
8 MHz
PMSE
26
MHz
Bandbelegung
Mobilfunk
50 MHz
DL
520
614
500
606
480
der
530
520
Mobilfunk
50 MHz
UL
MHz
3
10 MHz
470
Abbildung 7-4: Szenario
Fernsehübertragung
BOS
Mobil
15 MHz
DL
DL
760
780
800
Legende & Zusammenfassung
42 MHz
46
PMSE
2 * 100
105 MHz
Mobilfunk
2 * 15 MHz
BOS
2 * 10 MHz
DuplexLücke
16 MHz
TowerOverlay
Abbildung 7-5: Szenario
Fernsehübertragung
4
der
Bandbelegung
bei
Einstellung
der
terrestrischen
Literatur
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Literatur
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