Erfahrungsbericht Praktikum am Goethe

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Erfahrungsbericht Praktikum am Goethe
Erfahrungsbericht Praktikum am Goethe-Zentrum Kampala / Uganda
vom 28.06.-10.09.2010
Zu meiner Person:
Mein Name ist Christopher Vielhaber, und ich studiere seit April 2005 Sozialwissenschaften,
Geschichte und Geographie auf Magister an der Universität Vechta. Das Studium und die
mündlichen und schriftlichen Prüfungen habe ich bereits abgeschlossen, so dass ich ab Mitte
September 2010 meine Magisterarbeit beginnen werde. Ich stand also kurz vor meinem
Abschluss und bereute es, während des Studiums außer einem vierwöchigen, fachlich sehr
unergiebigen Kurzpraktikums in Frankreich keine Auslandserfahrung gesammelt zu haben.
Zufällig fiel in diesen Zeitraum über den Uni-Mailverteiler das Angebot des Goethe-Zentrums
Kampala in Uganda, dort ein Praktikum zu absolvieren. Uganda kannte ich wie die meisten
anderen Deutschen, wenn überhaupt, höchstens aus negativen Nachrichtenmeldungen über
Flüchtlingsströme, marodierende Rebellentruppen oder Kindersoldaten. Dennoch empfand
ich es als reizvoll, gerade so eine Region kennenzulernen, um mein Halbwissen über Land,
Leute und Kultur in der Realität zu überprüfen.
Das Institut:
Benannt nach dem bekanntesten aller deutschen Dichter und Denker, fördert das
gemeinnützige Goethe-Institut die weltweite Verbreitung der deutschen Sprache, der
interkulturellen Zusammenarbeit und ein aktuelles Deutschlandbild in der Welt. Es gilt als
wichtigstes Instrument der auswärtigen Kulturpolitik und wird über das Auswärtige Amt
größtenteils aus dem Bundeshaushalt finanziert. Weitere Mittel werden durch die
Durchführung von Sprachkursen und der Abnahme von Prüfungen erwirtschaftet. Mittlerweile
finden sich 141 Goethe-Institute in 91 Ländern. Dabei wird zwischen Goethe-Instituten und
Goethe-Zentren unterschieden, die als „Kooperationspartner“ bezeichnet werden und deren
Zahl weltweit die 700 übersteigt. Die Goethe-Institute werden direkt durch die Zentrale in
München
finanziert,
während
die
Kooperationspartner
ähnlich
eines
Franchise-
Unternehmens finanzielle Förderung sowie Beratungsmaßnahmen unter Aspekten der
Qualitätssicherung erhalten. Beispielsweise erhält ein Goethe-Institut pauschal festgelegte
Mittel für Personal und Veranstaltungen, während die Zentren einzeln Projektmittel
beantragen müssen, dafür den Namen und die Ressourcen des Goethe-Netzwerkes nutzen
können. Zu diesen Zentren gehört das Goethe-Zentrum Kampala. Ursprünglich als „Ugandan
German Cultural Society (UGCS)“ gegründet, wurde diese Kulturgesellschaft 2008 offiziell in
die Goethe-Familie aufgenommen und trägt seitdem den etwas sperrigen Namen „GoetheZentrum Kampala / UGCS“. Im Alltag wird jedoch nur vom „GZK“ geredet. Als ehemals
britische Kolonie ist die deutsche Sprache in Uganda alles andere als weit verbreitet,
weswegen auch das GZK eine überschaubare Größe hat: Direktor, Kulturassistentin,
Sprachkursassistentin sowie die Praktikanten sind die einzigen Deutschen, dazu kommen
etwa 5 ugandische Deutschlehrer. Die Nähe Ugandas zu frankophonen Ländern wie dem
Kongo oder Ruanda bedeutet ebenso eine erhöhe Nachfrage nach Französischkursen.
Dieser Nachfrage wird mit der Alliance Francaise Kampala (AFK) entsprochen, mit welcher
sich das GZK das Gebäude teilt. Aufgrund der Größe der AFK in Sachen Personal und
Schülerzahl werden Räume und Mietkosten im Verhältnis 1/3 (GZK) zu 2/3 (AFK) geteilt.
Auch sonst arbeiten beide Institute eng zusammen, beispielsweise mit gemeinsamen
Kulturveranstaltungen.
Meine Tätigkeiten:
Der Zeitraum meines Aufenthaltes fiel direkt in die
ugandischen Schulferien, weswegen es in dieser Zeit
nur sehr wenige Kulturveranstaltungen gab. Deswegen
wurden meine Aufgaben etwas allgemeiner gefasst:
Betreuung der Bibliothek, Einarbeitung in das ContentManagement-System der Webpräsenz, Vorbereitung
des monatlichen Diskussionsforums und
Betreuung
der Teilnehmer des sog. InWEnt-Kurses. Die Bibliothek
ist recht klein und umfaßt etwa 500 Bände, darunter
Romane, Wörterbücher, Lehrbücher, Kinderbücher,
Kunstkataloge, Bücher mit deutschen Städteportraits, Klassiker und ein paar Audio- und
Videomaterialien.
Die
Ausleihe
selbst
wurde
noch
komplett
handschriftlich
auf
Durchschlagpapier erledigt. Um eine elektronische Ausleihe zu ermöglichen, brauchten wir
erst einmal eine Inventarliste der Bestände mit Namen, Autor und Signatur als Excel-Liste,
um den Datensatz später an einen externen Programmierer weiterzugeben, der eine
entsprechende Verwaltungssoftware programmieren wird. Meine wichtigste Aufgabe war
dagegen die Fertigstellung der Webseite des GZK. Dies geschieht über einen Online-Editor,
der passwortgeschützt Zugang zu den Seiteninhalten bietet und dort alles editiert werden
kann. Der Korpus und der größte Teil des Inhalts waren zwar schon fertiggestellt, da die
Goethe-Institute natürlich eine einheitliche Corporate Identity auch bei den Webauftritten
verlangen. Dennoch mussten viele Inhalte an unsere lokalen Bedürfnisse angepasst und
manche Übersetzung ins Englische vervollständigt werden. Für diese Arbeit war erst einmal
eine Auffrischung der HTML-Kenntnisse aus dem Computer-Kurs in der 9.Klasse vonnöten.
Zudem musste man vorsichtig sein, was man änderte – mal
testweise herumgeschnipselt,
ein falscher Klick auf „Speichern“, und der komplette vorherige Inhalt konnte verloren sein.
Man war gut beraten, die bestehenden Codes aus dem Editor herauszukopieren und
gefahrlos in MS-Word zu bearbeiten. Geplant ist zudem, die Webseite um eine Rubrik
namens „Wer ist eigentlich…?“ zu erweitern. In ihr sollen jeden Monat ugandische Künstler
vorgestellt werden, mit Portraitfoto, Beispielen ihrer Werke und einem Fließtext, der
beschreibt, wie ihr Werdegang war und welche Aussage sie mit ihren Werken erreichen
wollen. Hierzu hab ich vorab zwei mir persönlich bekannte Künstler interviewt und Portraits
angefertigt, die später auf der Webseite veröffentlicht werden sollen. Neben dem Lehrbetrieb
bietet das GZK auch verschiedene Aktionen für die Mitglieder an. Dazu gehören deutsche
Filmabende, ein jährlich stattfindendes Strassenkunstfestival, welches ich leider knapp
verpasst habe, und monatlich stattfindende Diskussionsforen. Hier können Schüler ihre
erlernten Deutschkenntnisse bei Snacks und Getränken in gemütlicher Atmosphäre
anwenden. Pro Diskussionsforum wird ein bestimmtes Themengebiet diskutiert, wobei
Handzettel die dafür nötigen Vokabeln und Satzstellungen liefern. Zu meinen Aufgaben
gehörte es, dieses Diskussionsforum vorzubereiten und zu moderieren. Dabei wurde mir in
der Themenfindung freie Wahl gelassen und ich musste überlegen, welche Vokabeln die
Schüler eventuell noch benötigen würden. Die Diskussionsforen werden unterschiedlich stark
angenommen, mal kommen nur sechs Leute, mal 15. Eine Ausnahme stellte der Monat
August dar. Durch das InWEnt-Programm (Internationale Weiterbildung und Entwicklung) der
Bundesregierung wurden 20 in der Medizinbranche tätige Personen aus ganz Afrika am
Goethe-Zentrum Kampala einem sechswöchigen Deutsch-Intensivkurs unterwiesen. Dies
soll als Vorbereitung auf eine Fortbildung bei einer Deutschlandreise dienen. Sie alle
nahmen mit Freude am Diskussionsforum teil, was mich bei über 30 Leuten an die Grenzen
ordentlicher Moderation stossen liess.
Alltag, Land und Leute:
Man sollte sich zwar bewusst sein, in eins der ärmsten Länder der Welt zu fahren. Dies birgt
mit Sicherheit ein paar Risiken, wie zum Beispiel die Möglichkeit einer Ansteckung mit
Malaria. Auch auf den Verkehr sollte man Acht geben, nicht nur wegen dem Linksverkehr.
Wertsachen sollten nicht allzu offen zur Schau gestellt und sicher verstaut werden. Dennoch
entspricht Kampala im Jahr 2010 nicht unbedingt dem Bild, das viele mit Uganda verbinden.
Kampala hat eine moderne Skyline und gilt im Vergleich zu anderen afrikanischen
Grossstädten wie Nairobi als
sicher. Das Handynetz ist überall im Land tadellos. Nicht
zuletzt gilt die politische Führung unter Präsident Museveni seit seiner Amtsübernahme
(durch Rebellenkrieg) 1986 zwar nicht als lupenrein demokratisches, aber moderates und
relativ stabiles Regime. Auch die Malaria bleibt eine gefährliche Angelegenheit, und sie
kostet tragischerweise viele Menschen, darunter meist Kinder, das Leben. Als Deutscher
kann man sich jedoch problemlos eine Behandlung und Medikamente leisten, die in der
Hauptstadt in jeder Apotheke an der Ecke erhältlich sind. Ich habe einige Leute
kennengelernt, die diese Krankheit, so unangenehm sie mit ihren Fieberschüben auch war,
problemlos
überstanden
haben.
Die
von
deutschen
Ärzten
häufig
verordnete
Chemoprophylaxe gilt hier wegen Nebenwirkungen als umstritten – das muss jeder selbst
wissen. Was jeder Kampala-Besucher ebenso für sich entscheiden muss, ist die Frage, ob er
die Motorrad-Taxis, Boda-Boda genannt, nutzen möchte. Die Dinger sind überall in Massen
auf den Strassen anzutreffen, bewahren Kampala vor einem noch grösseren Verkehrskollaps
als er eh schon vorhanden ist, sind aber auch für drei viertel aller Unfallopfer im örtlichen
Krankenhaus verantwortlich. Die Fahrer tragen selten Helme, der Fahrgast gar keinen. Das
Goethe-Zentrum hat mir für meine täglichen Fahrten zur Arbeit einen Integralhelm gestellt.
Neben den Boda-Bodas gibt es sogenannte Matatus, das sind Kleinbusse die feste Routen
fahren. Dennoch kommt man häufig nicht um ein Boda herum, wenn man schnell sein Ziel
erreichen muss. Die Preise sind noch sehr moderat, vom äussersten Rand der Stadt ins
Zentrum zahlt man allerhöchstens umgerechnet 1,80€, wobei man vorher allerdings gut und
hart verhandeln kann. Bodas gibt es wirklich en Masse, und wenn man dem Fahrer klar
macht, dass man andernfalls einfach ein anderes Boda nehmen wird, lenkt der meist ein.
Man kann in Kampala sehr wenig Geld ausgeben, wenn man einheimische Restaurants
besucht und die meist einfachen Speisen wählt. Dazu gehören Kartoffeln, Matoke
(Kochbanane), Bohnen, Reis, manchmal etwas Rindfleisch. Satt wird man dort locker für
einen Euro. Man kann aber auch sehr viel Geld ausgeben, besonders wenn man sich in
„Muzungu-Bars“ herumtreibt. Muzungu ist das Swahili-Wort für Ausländer und gilt auch für
Inder oder Chinesen, also Expatriates. Man bekommt auf der Strasse häufig von Kindern ein
freundliches „Muzunguuuu!“ entgegengeschmettert. Gewohnt habe ich während meiner Zeit
in Kampala zusammen mit einer Arbeitskollegin, zwei Amerikanern, einer weiteren
Deutschen und einem Ugander in einem schönen und etwas luxuriösen Haus für
150€/Monat. Man findet dabei problemlos auch einfachere Unterkünfte für weitaus weniger
Miete.
Meine Freizeitaktivitäten beschränkten durch meine Arbeit natürlich auf das Wochenende.
Was nicht hiess, das man nicht unter der Woche im Kneipenviertel ein Bier trinken konnte,
was die beschriebene gute Sicherheitslage problemlos möglich macht. Sorge vor dem
Einbruch der Dunkelheit brauchte man nie zu haben. An den Wochenenden habe ich die
Möglichkeit genutzt, um einmal beispielsweise nach Norduganda zu fahren. Diese Region ist
im Vergleich zur Hauptstadt wirtschaftlich noch deutlich schwächer und noch von den
Angriffen der LRA (Lord’s Resistance Army) im Bürgerkrieg bis 2006 geprägt – ehemalige
zwangsrekrutierte Kindersoldaten inklusive. Ein anderes Mal konnte ich beim WildwasserRafting auf dem Nil nahe der Nilquelle am Viktoriasee teilnehmen und die wunderschöne
Landschaft geniessen. Zudem habe ich an einem verlängerten Wochenende eine Reise nach
Kigali, Ruanda und den Genozid-Gedenkstätten unternommen. Ich kann jedem empfehlen,
solche Trips in die Peripherie zu machen. Kampala ist mit 1,4 Millionen Einwohnern die bei
weitem grösste Stadt des Landes und sozusagen ein eigener Kosmos. Wenn in der
afrikanischen Metropole schon exotische Eindrücke im Vergleich zu Europa entstehen, so
kommen diese auf dem Land erst richtig zur Geltung.
Fazit
Ein zweieinhalbmonatiger Aufenthalt gilt bei normalen Praktikumsmassstäben in der Regel
als zu kurz. Gerade in Bereichen, die eine gewisse Einarbeitung erfordern, ist die Zeit meist
schon rum, sobald man die wesentlichen Abläufe einer Tätigkeit verinnerlicht hat. Doch
gerade in Afrika sind es die alltäglichen Erfahrungen, welche meiner Meinung nach
mindestens genauso, wenn nicht gar wichtiger sind als das Erlernen der professionellen
Handgriffe auf der Arbeit. Kampala ist eine chaotisch-faszinierende, aufregende Stadt mit
liebenswerten
und ausgesprochen
freundlichen
Menschen.
Ich durfte afrikanische
Gastfreundschaft erleben, die tatsächlich so herzlich ist wie im Klischee. Auch sonst habe ich
Kontakte knüpfen können, die mit Sicherheit über meinen Aufenthalt hinausgehen werden.
Die zweieinhalb Monate waren voll mit interessanten Erfahrungen und Beobachtungen wie
beispielsweise der Mischung aus faul anmutender Trägheit und plötzlicher Hektik des
afrikanischen Alltags. Dazu gehört natürlich auch, jeden zweiten Tag mit Strom- oder
Wasserausfällen rechnen zu müssen,
sich aus einer unangenehmen Situation
mit der Polizei durch „Liegenlassen“
einiger Geldscheine zu befreien oder die
zahlreichen Beinahe-Unfälle auf dem
Boda.
Andererseits
bekommt
man
lehrstückmässig vorgeführt, dass der
immense
materielle
Reichtum
Deutschlands kein Garant für Glück ist –
selbst ich als Skeptiker musste einsehen,
dass die vielen lachenden Gesichter der
Menschen unserer Vorstellung von Armut widersprechen. Ich habe keinen Tag dort bereut
und kann es in jeder Hinsicht empfehlen, auch mal Länder zu besuchen, die bei den meisten
Studenten nicht wirklich vorne auf der Wunschliste für einen Auslandsaufenthalt stehen.