Nur noch einmal, dann hör ich auf…
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Nur noch einmal, dann hör ich auf…
Presseinformation Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe . Hindenburgstraße 19 a . 89160 Laichingen PRESSEINFORMATION Ansprechpartnerin: Beate Gast Tel. 07333-3778 [email protected] www.freundeskreise-sucht-wuerttemberg.de Laichingen, 21. Dezember 2010 Nur noch einmal, dann hör ich auf… Abführmittel, Schlaftabletten und Selbstverletzung mit dem heißen Bügeleisen prägten 20 Jahre das Leben von Carolin S. Nach einigen Therapieversuchen weiß sie: „Ich sterbe, wenn ich so weiter mache.“ Laichingen – Carolin S. ist 18 Jahre, 1,74 Meter groß und wiegt 44 Kilo als sie mit ihrem ersten Freund aus der Magersucht findet. Sie heiratet 10 Jahre später und bekommt einen Sohn. „Es war eine Bilderbuchschwangerschaft, während der ich uns beide gut ernährt habe“, erinnert sie sich. Doch der Wunsch nach einem zweiten Kind bleibt dem Paar versagt. Jetzt greift Carolin S. täglich zu Abführmitteln, will nicht dick sein und findet keinen Grund, um sich selbst gesund zu ernähren. „Drei Tabletten waren es am Anfang, ziemlich schnell waren es 20. Jeweils morgens und abends“, sagt sie. Ihren hohen Bedarf an Abführmitteln deckt sie in Apotheken aus einem Umkreis von 20 Kilometern ihres Wohnortes um nicht aufzufallen. Nach zwei Jahren wird sie wegen hohem Gewichtsverlust in eine Klinik wegen Essstörungen eingeliefert. Dort kann sie sich während eines dreimonatigen Aufenthalts aber weiter mit Abführmitteln versorgen: „Ich habe sie abends genommen, bin nachts auf die Toilette im Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe Landesverband Württemberg e.V. Hindenburgstr. 19 a . 89150 Laichingen Tel. 07333-3778 . Fax 07333-21626 [email protected] www.freundeskreise-sucht-wuerttemberg.de Spendenbegünstigt nach § 5 Abs. I Ziff. 9 KStG Sparkasse Laichingen BLZ 630 500 00 Konto 8 663 315 Spendenkonto 103 000 Seite 2 von 5 Erdgeschoss, dass es die Schwester nicht merkt. Aber ich habe die Dosis aus finanziellen Gründen auf 20 am Abend reduziert“, erzählt sie. Die Therapie bleibt erfolglos. Carolin S. schluckt weiter Abführmittel. Hinzu kommt ihr Drang nach Selbstverletzung: Mit der Kante des Bügeleisens fügt sie sich Verbrennungen an ihren Armen zu. Täglich bis zu zehn Mal. Im Sommer wählt sie dafür einen Löffel, erhitzt ihn über einer Kerze und verletzt sich am Bauch: „Es ist, als würde ein Druck nachlassen, der sich in mir aufgebaut hat. Dabei verschwindet die Wut auf mich selbst und andere. Dieser Schmerz ist zugleich Strafe, weil ich zuviel gegessen habe.“ Der Hausarzt überweist Carolin S. auf eigenen Wunsch an eine Psychotherapeutin, die sie im Jahr 2000 in eine psychosomatische Klinik schickt. Hier zeigt sie erstmals ihre Verbrennungsnarben an Armen und Bauch, auch ihr Mann erfährt jetzt davon: „Wir hatten seit zwei Jahren keinen körperlichen Kontakt mehr und er hat mich nie ohne Kleidung gesehen“, sagt sie. Carolin S. nimmt weiter ab, nach drei Monaten wird ihr der Kontakt zur Außenwelt verboten. Das Klinikgelände darf sie nur verlassen, wenn sie 500 Gramm pro Woche zunimmt. Doch die Therapie scheitert erneut. Abführmittel und Selbstverletzung bestimmen weiterhin ihr Leben. Ein neuer Entzugsversuch scheitert im Jahr 2002 bereits nach vier Tagen. Ein Jahr später spürt sie überraschend die wohltuende Wirkung von Schmerzmitteln nach einer zahnärztlichen Behandlung. Da das Präparat verschreibungspflichtig ist, sucht sie nach ähnlichen Substanzen in einer Schlaftablette und findet Abführmitteln und der ein frei verkäufliches Selbstverletzung Produkt. kommen nun Zu ihren noch acht Schlaftabletten am Abend und fünf am Morgen hinzu: „Ich war benebelt, Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe Landesverband Württemberg e.V. [email protected] Hindenburgstr. 19 a . 89150 Laichingen www.freundeskreise-sucht-wuerttemberg.de Tel. 07333-3778 . Fax 07333-21626 Spendenbegünstigt nach § 5 Abs. I Ziff. 9 KStG Sparkasse Laichingen BLZ 630 500 00 Konto 8 663 315 Spendenkonto 103 000 Seite 3 von 5 musste aufpassen, dass ich nicht umkippe, aber bin nicht eingeschlafen“, erzählt sie. Trotzdem geht sie regelmäßig zur Arbeit. Weder Chef noch Kollegen sprechen sie in all den Jahren auf ihren Zustand an. Irgendwann nimmt sie eine komplette Packung mit 20 Schlaftabletten: „Nur noch die und dann nie mehr“, lautet ihr Vorsatz. Doch die Wirkung ist härter als vorhergesehen. Carolin S. meldet sich bei ihrer Therapeutin, die schickt einen Rettungswagen. Sie weigert sich, den Magen auspumpen zu lassen, bleibt eine Nacht in der Klinik und eine Woche in der Psychiatrie. „Seitdem habe ich nie mehr Abführmittel genommen“, sagt sie. Ihre Ehe ist gescheitert, ihr Sohn lebt wochenweise abwechselnd bei ihr und ihrem Exmann. „Wenn er weg war, war es am schlimmsten“, erinnert sie sich. Nach wie vor nimmt sie Schlaftabletten und verletzt sich selbst. Sie erinnert sich: „Die langsame Wirkung der Tabletten war das Schönste. Ich habe mich nach diesem Gefühl gesehnt.“ Wenn es brenzlig wird, kriecht sie nur noch am Boden, legt die Beine hoch und trinkt viel Wasser: „Dass ich nicht bewusstlos werde.“ Schließlich droht die Therapeutin mit dem Ende der Therapie, falls Carolin S. keine Selbsthilfegruppe besucht. „Ich fand einen Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe, den ich bis heute besuche. Im März 2006 ging ich zum ersten Mal hin, wollte weg von den Tabletten, habe die Menge nicht mehr vertragen und bemerkt: Wenn ich so weiter mache, sterbe ich.“ 2007 wird sie noch einmal rückfällig, spricht darüber sofort im Freundeskreis, geht zehn Tage zum Entzug und ist jetzt seit drei Jahren und 104 Tagen clean: Carolin S. führt eine Strichliste. Keine Tablette, kein Abführmittel und auch die Selbstverletzung hat sie so gut wie im Griff. „Die Freundeskreise haben mich dort rausgeholt. Ich hätte es ohne diese Gruppe nicht geschafft“, weiß sie heute. Carolin S. lebt in einer neuen Beziehung und hat etwas zugenommen. „Die letzte Hürde schaffe ich auch noch.“ Ihr Sohn lebt seit 2008 bei seinem Vater, die Beziehung zu ihm ist gut. Was ihr heute noch starke Gewissensbisse macht: „Er hat es länger mitbekommen, als ich dachte.“ Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe Landesverband Württemberg e.V. [email protected] Hindenburgstr. 19 a . 89150 Laichingen www.freundeskreise-sucht-wuerttemberg.de Tel. 07333-3778 . Fax 07333-21626 Spendenbegünstigt nach § 5 Abs. I Ziff. 9 KStG Sparkasse Laichingen BLZ 630 500 00 Konto 8 663 315 Spendenkonto 103 000 Seite 4 von 5 Anmerkungen für die Redaktion: Name, Wohnort und Plätze der Klinikaufenthalte sind zum Schutz der Betroffenen, die sich in der Stabilisierungsphase befindet, nicht angegeben. Information zur Medikamentenabhängigkeit: 1/ Der Konsum von Alltagsdoping-Mitteln nimmt in Deutschland durch Substanzen zur Leistungssteigerung, zum Kaschieren von Problemen und Steuerung der eigenen Befindlichkeit deutlich zu. Nach einer Studie der Universität Lübeck ist von 300 000 Anabolika-Konsumenten in Deutschland auszugehen. Zwischen 1,4 und 1,9 Millionen Menschen sind Arzneimittelabhängig. 2/ Für den Umgang mit Schmerzmitteln gilt: Keine Selbstmedikation. Außerdem ist zu beachten: Es gibt keine Wirkung ohne Nebenwirkung. Einnahme nur in Absprache mit dem Arzt. 3/ Niedergelassene Ärzte tragen eine besondere Verantwortung bei der Verschreibung von Medikamenten mit Suchtpotential. Bei Befindlichkeitsstörungen wie auch vielen somatischen Beschwerden sind mögliche psychische Belastungen abzuklären. Die Verordnung psychotroper Arzneimittel bedarf klarer Indikationen, klarer Therapieziele, begrenzter Zeitspannen und regelmäßiger Überprüfungen. 4/ Wie Arzneimittelmissbrauch erkannt werden kann: Bei welchen Beschwerden neige ich dazu, diese mit Medikamenten zu behandeln? Nehme ich hin und wieder zur Verbesserung meines allgemeinen Befindens Medikamente ein? Werden die Beschwerden schlimmer, wenn ich das Medikament weglasse? Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe Landesverband Württemberg e.V. [email protected] Hindenburgstr. 19 a . 89150 Laichingen www.freundeskreise-sucht-wuerttemberg.de Tel. 07333-3778 . Fax 07333-21626 Spendenbegünstigt nach § 5 Abs. I Ziff. 9 KStG Sparkasse Laichingen BLZ 630 500 00 Konto 8 663 315 Spendenkonto 103 000 Seite 5 von 5 80 Prozent der suchtkranken Menschen, die regelmäßig eine Sucht-Selbsthilfegruppe besuchen, erreichen eine langfristig abstinente Lebensweise.Die Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe, Landesverband Württemberg e.V., bestehen aus 120 Freundeskreisen. 700 Mitarbeiter engagieren sich in 270 Gesprächsgruppen für rund 3.000 Gruppenteilnehmer. Ziel ist eine zufriedene und suchtmittelfreie Lebensgestaltung. Grundlage der Arbeit ist die christliche Nächstenliebe. Im Verbund der Suchtkrankenhilfe übernehmen die Freundeskreise Aufgaben in der Suchtprävention, suchtkranke Motivation, Menschen und Begleitung, ihre Vermittlung Angehörigen. und Weitere Nachsorge Informationen für unter www.freundeskreise-sucht-wuerttemberg.de oder über die Geschäftsstelle: Tel.: 07333-3778. Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe Landesverband Württemberg e.V. [email protected] Hindenburgstr. 19 a . 89150 Laichingen www.freundeskreise-sucht-wuerttemberg.de Tel. 07333-3778 . Fax 07333-21626 Spendenbegünstigt nach § 5 Abs. I Ziff. 9 KStG Sparkasse Laichingen BLZ 630 500 00 Konto 8 663 315 Spendenkonto 103 000