Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz

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Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz
Expertise
Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als
sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel
Erarbeitet im Rahmen des Projektes
»Wertschätzung von Dienstleistungs(fach)arbeit für die Qualität
der Dienstleistungen in der Metropolregion Berlin«
BALANCEORIENTIERTE ARBEITSZEITGESTALTUNG ALS SOZIALER
ARBEITSSCHUTZ IM EINZELHANDEL
Erarbeitet im Rahmen des Projektes
„Wertschätzung von Dienstleistungs(fach)arbeit für die Qualität der Dienstleistungen in der Metropolregion Berlin“
Stand: Dezember 2014
Das Projekt wird gefördert durch die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen des Landes Berlin.
In Kooperation:
Erarbeitet von:
Wert.Arbeit GmbH, Berlin
Gesellschaft für Arbeit, Chancengleichheit und Innovation
Albrechtstraße 11a
10117 Berlin
www.dienstleistungsmetropole-berlin.de
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung ..............................................................................................................1
1
Einleitung ....................................................................................................................3
2
Der Berliner Einzelhandel – ein Branchenprofil .......................................................5
2.1
2.2
2.3
2.4
3
Der Einzelhandel – eine Klassifikation.................................................................5
Der Einzelhandel – eine Übersicht über Segmente .............................................7
Der Einzelhandel in Berlin – ökonomische Bedingungen und strukturelle
Merkmale ..........................................................................................................17
Zusammenfassung ............................................................................................22
Die Beschäftigungssituation im Berliner Einzelhandel..........................................24
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
Die Arbeitsverhältnisse im Berliner Einzelhandel...............................................24
3.1.1
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Voll- und Teilzeit ........................... 24
3.1.2
Atypisch Beschäftigte .......................................................................................... 26
Altersstruktur der Beschäftigten im Berliner Einzelhandel .................................28
3.2.1
Alterskohorten im Berliner Einzelhandel ............................................................. 28
3.2.2
Altersstruktur und Betriebsgröße ........................................................................ 31
Ausbildungssituation im Berliner Einzelhandel ..................................................32
3.3.1
Ausbildungsverhältnisse in den Kernberufen des Einzelhandels ....................... 32
3.3.2
Ausbildungsbeteiligung in Berliner Betrieben nach Betriebsgröße ..................... 34
Qualifikation und Weiterbildung im Berliner Einzelhandel ..................................35
3.4.1
Qualifikationsniveaus der Beschäftigten ............................................................. 35
3.4.2
Weiterbildung/ Lebenslanges Lernen im Berliner Einzelhandel ......................... 37
Die Einkommenssituation im Berliner Einzelhandel ...........................................39
3.5.1
3.6
4
4.2
Spannungsfeld zwischen Arbeitszeit und zeitlichen Präferenzen der
Kundinnen und Kunden im Einzelhandel ...........................................................44
Einschätzung und Sichtweise der Beschäftigten zu
Arbeitszeitanforderungen im Einzelhandel ........................................................46
Stellenwert einer balanceorientierten Arbeitszeitgestaltung im Berliner
Einzelhandel .............................................................................................................48
5.1
5.2
5.3
6
Arbeitsbedingungen im Berliner Einzelhandel ...................................................40
Arbeitszeit im Wandel ..............................................................................................44
4.1
5
Tariflicher Bruttodurchschnittsverdienst und Tätigkeit im Einzelhandel ............. 40
Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung – was bedeutet das? ..........................48
Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als „sozialer Arbeitsschutz“ ................50
Handlungsempfehlungen ..................................................................................52
Literatur .....................................................................................................................56
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Zusammenfassung
Der Einzelhandel in Berlin ist mit rund 9.300 Einzelhandelsbetrieben zweitstärkste Branche
in der Bundeshauptstadt. Die über 100.000 Beschäftigten leisten mit ihrer Arbeit einen bedeutenden Beitrag für die Attraktivität Berlins als Dienstleistungsmetropole und „Tourismusmagnet“. Ein Großteil von ihnen arbeitet in prekären Arbeitsverhältnissen wie Teilzeit
und geringfügiger Beschäftigung und unter erheblichen Arbeitsbelastungen. Grund hierfür
ist der Strukturwandel im Einzelhandel, der sich u. a. durch Verdrängungswettbewerb,
Preisdruck und stagnierende Umsätze kennzeichnet und sich letztlich auch in den Lohnund Arbeitsbedingungen manifestiert. Googelt man die Nachrichten zum Einzelhandel in
2014, spiegelt sich dieser Wandel auch in den Schlagzeilen wieder. Jüngst in Diskussion ist
der Kampf für bessere Arbeits- und Lohnbedingungen bei dem Textildiscounter KiK, der
Billigpreise zulasten existenzsichernder Arbeitsverhältnisse ermöglicht. Für vergleichbare
Nachrichten in Berlin sorgte in der zweiten Jahreshälfte 2014 die Modekette Primark, die
high Fashion zulasten der Arbeitsbedingungen in Produktion und Verkauf zu Tiefstpreisen
anbietet.
Die vorliegende Expertise betrachtet den Berliner Einzelhandel näher und beschreibt die
Entwicklungen und Herausforderungen der Beschäftigungssituation. Dem Wandel von Arbeitszeiten und den Folgen insbesondere für die Arbeitszeitgestaltung wird in diesem Kontext besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei zeigt sich, dass vor allem die Kluft zwischen den an den zeitlichen Präferenzen der Kundinnen und Kunden orientierten verlängerten Ladenöffnungszeiten und den Arbeitszeiten der Beschäftigten eine Herausforderung
darstellen. Die Arbeitszeitbedingungen im Einzelhandel weichen zunehmend von der „Normal- oder Standardarbeitszeit“ ab, hin zu atypischen und sozial ungünstigen Arbeitszeiten
(z. B. Wochenend- und Nachtarbeit). Für die Beschäftigten ergeben sich durch die erhöhten
Anforderungen an das Matching von Beruf und Privatleben erhebliche Belastungen.
Die mit Wettbewerb- und Preisdruck begründete Orientierung an den Nachfragezeiten bedingt zudem einen zunehmenden Flexibilisierungsprozess im Einzelhandel, der die Expansion atypischer Beschäftigungsverhältnisse fördert. Vollzeitstellen werden zugunsten prekärer und geringfügiger Beschäftigung abgebaut. Bei dieser reaktiven Anpassungsstrategie
von Unternehmen wird den Anforderungen an Flexibilisierung mit der Erhöhung des quantitativen zulasten des qualitativen Beschäftigungsvolumens begegnet. Die Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnisse hat dabei wesentliche Folgen für die sozialen Sicherungssysteme und ist mit sozialen Risiken sowie hohen finanziellen und psychischen Belastungen für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verbunden. In der Möglichkeit des jederzeitigen „Abrufs“ sowie in dem unregelmäßigen und nicht planbaren Arbeitseinsatz finden sich
weitere Stressfaktoren. Die durch knapp kalkulierte Personalressourcen oft verursachte
Arbeitshetze in der Ausübung häufig monotoner Tätigkeiten und mangelnde Wertschätzung
ergänzen das Bild von der Beschäftigungssituation im Einzelhandel.
Das hohe Belastungsempfinden ist ursächlich für erhebliche negative Folgen sowohl für die
Effizienz der Arbeit und die Dienstleistungsqualität als auch für die Lebensqualität und Gesundheit. Diese Entwicklung im Einzelhandel korrespondiert dabei mit der generellen Entwicklung der Erwerbsarbeit. Gemäß einer Aufstellung des Bundesarbeitsministeriums er-
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Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
höhten sich zwischen 1997 und 2010 die Krankheitstage Beschäftigter, die auf psychische
Störungen zurückgingen, um 80,0 Prozent.
Vor diesem Hintergrund gilt es, veränderte betriebliche Strategien zur Abwendung von Gesundheitsschädigungen durch menschengerechte Gestaltung von Arbeitszeit, Arbeitsorganisation und Arbeitsinhalt im Sinne des sozialen Arbeitsschutzes zu fordern. Einen besonderen Stellenwert nehmen dabei Maßnahmen ein, die ein Gleichgewicht zwischen Leistungsfähigkeit und einer an den Lebensphasen orientierten Arbeitszeitgestaltung herstellen
sowie das positive menschliche Miteinander im Arbeitsalltag berücksichtigen und fördern.
Betriebliche Akteurinnen und Akteure sind dafür zu gewinnen, diese Maßnahmen auf Unternehmensebene zu implementieren. Um für diese Thematik zu sensibilisieren, aber auch
um Hilfestellungen bei der Einleitung sowie praxisnahen und realisierbaren Umsetzung zu
geben, bedarf es insbesondere dem Handeln der überbetrieblichen Akteurinnen und Akteure.
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Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
1
Einleitung
Schenkt man den zahlreichen Fahrgästen der S- und U-Bahn, die einem tagtäglich begegnen, etwas Aufmerksamkeit, fällt einem Folgendes auf: Verhärtete, sorgenvolle Gesichtsausdrücke, ein schneller Gang, das Mobiltelefon am Ohr, Arbeitsunterlagen in der Hand,
gesenkte Blicke. Ein Standbild zeigt die Koexistenz sich gegenseitig anonymer, erschöpfter
und gestresster Subjekte. Ein Blick hinter das Bild verrät Geschichten über Probleme des
heutigen Arbeitsablaufes, der nicht abgearbeiteten To-do-Liste, der Schwierigkeit, am
Abend noch den Freunden oder der Familie gerecht zu werden, dem Bedürfnis einfach mal
Feierabend, bzw. Zeit für sich zu haben und so weiter. Das individuelle Gefühl, allen und
sich selbst unter optimaler Nutzung der vorhandenen Zeitressourcen gerecht werden zu
müssen, ist längst gesellschaftliche Realität geworden und bestimmt das Tempo unseres
Lebens in privater und beruflicher Hinsicht.
Wie sich diese gesellschaftliche Realität auf den Einzelhandel in Berlin auswirkt und welche
Konsequenzen diese im Besonderen auf die Arbeits- und Lebensrealität von Beschäftigten
des Einzelhandels hat, ist Gegenstand dieser Expertise. Für eine alltagspraktische und
lebensnahe Ausarbeitung ist die Beobachtung dessen, was wir im Einzelhandel sehen,
relevant. Verschiedene Perspektiven auf die Dienstleistungsbranche zeigen zum einen
Kundinnen und Kunden mit unterschiedlichsten Ansprüchen an Dienstleistungsqualität und
Alltagsrealitäten. Es gibt solche, die eine gute Beratung wünschen und Zeit mitgebracht
haben, jene, die es einfach nur eilig haben, vom Tag genervt sind und noch schnell ein Geburtstagsgeschenk kaufen müssen, oder andere, die gut gelaunt und kurz vor Ladenschluss um 23 Uhr noch den Einkauf erledigen möchten. Auf der anderen Seite sehen wir
hin und wieder gestresstes und genervtes Verkaufspersonal, das gerade einfach keine Zeit
für eine Auskunft hat. Überwiegend begegnen wir jedoch Dienstleistungsfacharbeiterinnen
und Dienstleistungsfacharbeitern, die sehr kundenorientiert sind und einen hohen eigenen
Anspruch an die Produkt- und Servicequalität haben. Es stellt sich die Frage, wie der Anspruch professioneller Freundlichkeit im Einzelhandel und der eigene Druck, Alltagszeit,
Arbeitszeit und Lebenszeit tagtäglich zu verbinden, zusammen gehen.
Die vorliegende Expertise versucht eine Antwort auf diese Frage zu finden. In einer einführenden Beschreibung in Kapitel 2 werden zunächst anhand der Einordnung nach der Wirtschaftsklassifikation und einer Übersicht über die unterschiedlichen Segmente und Vertriebsformen die branchenspezifischen Merkmale des Einzelhandels dargestellt. Überdies
werden der ökonomische und strukturelle Status quo und die Entwicklungen sowohl in Berlin als auch bundesweit skizziert.
Daran anknüpfend werden die Beschäftigungssituation und ihre gegenwärtigen Herausforderungen in Kapitel 3 erörtert. Dazu wird ein Blick auf verschiedene Faktoren wie Arbeitsverhältnisse, Einkommen, Altersstruktur etc. geworfen und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Berliner Einzelhandel beleuchtet.
Das vierte Kapitel untersucht das Spannungsfeld zwischen den zeitlichen Präferenzen der
Kundinnen und Kunden und den Arbeitszeiten der Beschäftigten sowie deren Sichtweisen
auf aktuelle Arbeitszeitanforderungen. Hier werden die Wechselwirkungen zwischen der
Arbeitszeit, der Lebens-, aber auch der Dienstleistungsqualität sichtbar. Das Kapitel möchte
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Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
insbesondere auf das aus der Beschäftigungssituation und den Arbeitsbedingungen resultierende hohe Belastungsempfinden für die Beschäftigten aufmerksam machen.
In Kapitel 5 wird anschließend die balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als Bündel von
relevanten und zu berücksichtigenden Aspekten bei der Gestaltung von Arbeitszeit, organisation und Arbeitsinhalt vorgestellt. Neben einer Einführung in das Thema wird erläutert, welche mentalen und juristischen Schritte, im Sinne eines sozialen Arbeitsschutzes,
auf betrieblicher Ebene bei einer menschengerechten Arbeitsorganisation unterstützend
wirken. Das Kapitel mündet in Handlungsempfehlungen sowohl für die Sensibilisierung für
das Thema als auch für die Implementierung von praxisnahen Maßnahmen balanceorientierter Arbeitszeitgestaltung auf Unternehmensebene.
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Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
2
Der Berliner Einzelhandel – ein Branchenprofil
Für viele Besucherinnen und Besucher der Metropole Berlin ist die Nutzung des kulturellen
Angebotes, der Clubszene und des vielfältigen Einzelhandels bedeutsam - ganz gleich, ob
als gezielte Suche nach etwas Bestimmten deklariert oder als Eintauchen in die verschiedenen Welten Berlins. Das kennzeichnet die Attraktivität der Metropole. Gäste und auch
Hauptstädter finden eine Konsumwelt vor, die häufig nicht nur geographisch spannende
Merkmale aufweist, sondern zudem insbesondere auch sozial sehr vielfältig ist. Auf der
einen Seite das mondäne frühere West-Berlin mit dem Kurfürstendamm und seinen namhaften Warenhäusern, Modegeschäften mit Nobelmarken und zahlreichen Cafés. In Neukölln hingegen finden sich auf der Karl-Marx-Allee eine Vielzahl Einzelhandelsgeschäfte.
Hier bekommen Verbraucherinnen und Verbraucher alles – vom gebrauchten Handy bis hin
zum Gemüse, pompöse türkische Hochzeitskleider oder auch eine Vielzahl an Waren aus
den sogenannten „1-Euro-Shops“. Friedrichshain-Kreuzberg und auch Mitte sind hingegen
geprägt von hippen Boutiquen und Galerien, während der Einzelhandel im Prenzlauer Berg
ganz auf die Bedürfnisse einer auf ihre Ganzheitlichkeit bedachten Klientel ausgerichtet ist.
Speisen und Kleidung werden hier in hohem Maße unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit
angeboten.
Berlin bietet im Einzelhandel ein buntes und breites Angebot, das so verschieden ist wie die
Ansprüche seiner Kunden und Kundinnen. Berlin ist eine Metropole und zeichnet sich durch
sein multikulturelles Klientel und Warenangebot aus. Dieses wissen nicht nur Hauptstädter
zu schätzen, sondern zieht Touristen aus dem In- und Ausland an. In 2012 waren ca. 10
Millionen Menschen zu Gast. Für die im Berliner Einzelhandel Beschäftigten bedeutet dies
im Umkehrschluss: Sie müssen sich den zeitlichen Anforderungen eines multikulturellen
Publikums stellen und diesem auch unter qualifikatorischen Gesichtspunkten Rechnung
tragen.
Der Berliner Einzelhandel unterscheidet sich in seinen Vertriebsformaten, ökonomischen
Bedingungen und strukturellen Trends zwar wenig vom „bundesweiten“ Einzelhandel, in
seinen Auswirkungen und Bedingungen weist er jedoch berlinspezifische Merkmale auf.
Diesen soll nach einer ersten Standortbestimmung dessen, was Einzelhandel überhaupt ist,
nachgegangen werden.
2.1
Der Einzelhandel – eine Klassifikation
Entsprechend der Wirtschaftsklassifikation (WZ) der amtlichen Statistik gehören zum Handel alle Unternehmen, deren Wertschöpfung überwiegend oder ausschließlich aus dem
Handel mit Waren resultiert. Der Binnenhandel umfasst die Wirtschaftsbereiche Einzelhandel, Großhandel und Handelsvermittlung sowie Kfz-Handel und Kfz-Instandhaltung.
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Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
„Handel im funktionellen Sinne liegt vor, wenn Marktteilnehmer Güter, die sie in der
Regel nicht selbst be- oder verarbeiten (Handelsware), von anderen Marktteilnehmern beschaffen und an Dritte absetzen.“1
Innerhalb des Handels wird der Einzelhandel als Handelsform noch einmal spezifiziert. Der
Einzelhandel umfasst alle Handelsbetriebe, die an den/die nicht-gewerbliche/n Endverbraucher/Endverbraucherin (Konsument/Konsumentin) verkaufen. Die Waren erhalten die Unternehmen vom Hersteller oder durch den Großhandel.2 Der Einzelhandel umfasst in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen den
„Wiederverkauf (Verkauf ohne Weiterverarbeitung) von Neu- und Gebrauchtwaren
vor allem an private Haushalte [...], in Verkaufsräumen, einschließlich Warenhäusern, an Ständen, durch Versandhäuser, auch über das Internet, im Straßenhandel
und durch Haustürverkauf, durch Verbrauchergenossenschaften, Auktionshäuser
usw.“ 3
Daraus ergibt sich eine Unterteilung des Einzelhandels in der amtlichen Statistik in verschiedene Gruppen:4
47.1
Einzelhandel mit Waren verschiedener Art (in Verkaufsräumen)
47.2
Einzelhandel mit Nahrungs- und Genussmitteln, Getränken und Tabakwaren
(in Verkaufsräumen)
47.3
Einzelhandel mit Motorenkraftstoffen (Tankstellen)
47.4
Einzelhandel mit Geräten der Informations- und Kommunikationstechnik (in
Verkaufsräumen)
47.5
Einzelhandel mit sonstigen Haushaltsgeräten, Textilien, Heimwerker- und
Einrichtungsbedarf (in Verkaufsräumen)
47.6
Einzelhandel mit Verlagsprodukten, Sportausrüstung und Spielwaren (in
Verkaufsräumen)
47.7
Einzelhandel mit sonstigen Gütern (in Verkaufsräumen)5
47.8
Einzelhandel an Verkaufsständen und auf Märkten
47.9
Einzelhandel, nicht in Verkaufsräumen, an Verkaufsständen oder auf Märkten6
Der ersten Gruppe (47.1) sind folgende Erscheinungsformen bzw. Betriebstypen des Einzelhandels zuzurechnen, denen sich die Unternehmen der großen Einzelhandelskonzerne
entsprechend zuordnen lassen:
1
2
3
4
5
6
Müller-Hagedorn/Toporowski (2006), S. 5.
Vgl. Lexikon der Wirtschaft (2011), S. 353.
Statistisches Bundesamt (2008), S. 361.
Vgl. ebd., S. 114 bis S. 118.
Diese Gruppe umfasst den Einzelhandel mit Bekleidung, Arzneimitteln, medizinischen und orthopädischen
Artikeln, kosmetischen Erzeugnissen, Blumen/ Pflanzen, zoologischem Bedarf, Uhren und Schmuck etc.
Diese Gruppe umfasst den Versand- und Internethandel, Direktverkauf vom Lager, Einzelhandel durch Handelsvertreter etc.
6
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Erscheinungsformen
Ausgewählte Unternehmen / Vertriebsmarken
Supermärkte und andere Lebensmittelmärkte
(auch: Discounter)
(mit über 400 qm)
(Anteil an Lebensmitteln (47.2) mindestens 70
Prozent)
(WZ 47.11.1)
REWE (Minimal, Penny)
EDEKA (Marktkauf, E-Center, E-Neukauf, Spar,
Netto, Reichelt)
Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland, Kaufmarkt)
Tengelmann (Kaisers, Plus)
Aldi (Nord / Süd)
METRO (EXTRA)
Metro Group (REAL)
Schwarz-Gruppe (Kaufland)
Selbstbedienungs(SB)-Warenhäuser und Verbrauchermärkte
(mit über 1000 qm)
(Anteil an Lebensmitteln min. 35 Prozent - max.
70 Prozent)
(WZ 47.11.2)
Kaufhäuser und übrige Ladengeschäfte mit Waren verschiedener Art
(mit über 1500 qm)
(ohne Lebensmittel)
(WZ 47.19.1)
Woolworth
H&M
Warenhäuser
(mit über 3000 qm)
(Anteil an Lebensmitteln max. 35 Prozent)
(WZ 47.19.2)
Kaufhof
Karstadt
Die kleinen Fachgeschäfte im Lebensmitteleinzelhandel (mit unter 400 qm) sind alle der
Gruppe 47.2 zuzurechnen. Die Drogeriemarkt-Ketten, wie Rossmann und DM, aber auch
Apotheken werden der Gruppe 47.7 zugeordnet.
2.2
Der Einzelhandel – eine Übersicht über Segmente
Der Einzelhandel gliedert sich in eine Vielfalt an Unternehmen und Betriebsformen. So lässt
er sich unterscheiden nach dem Ort des Handelns (mit festem Standort in Verkaufsräumen
oder beweglichen Standorten wie Messehandel und schließlich Versandhandel und OnlineHandel), nach Vertriebsformen (im Discounter, im Warenhaus, Fachmarkt oder Automaten), nach Sortiment (Food und Nonfood, Elektronik, Textilien etc.) oder schließlich nach
Standort im stationären Handel (in der Innenstadt, im Wohngebiet, im Gewerbegebiet etc.).7
Lebensmitteleinzelhandel
Der Einzelhandel mit Lebensmitteln (WZ 47.1 und 47.2) in Berlin gilt mit rund 38.200 Beschäftigten in 20128 als das mit Abstand größte und am stärksten umkämpfte Segment des
Einzelhandels. Hier dominieren einige wenige Große das Geschäft: Edeka, Metro, REWE,
Schwarz und Aldi, die mehr als drei Viertel des Umsatzes erwirtschaften. Im Wesentlichen
gliedert sich der Lebensmitteleinzelhandel in Discounter, Großfläche sowie Supermärkte.
7
8
Vgl. Ver.di Bildung und Beratung gGmbH (2011), S. 4.
Vgl. Bundesagentur für Arbeit: Beschäftigungsstatistik.
7
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Discounter (Aldi Nord, Aldi Süd, Lidl, Netto Marken-Discount etc.) sind gekennzeichnet
durch ein eng begrenztes, flaches Sortiment für den Massenbedarf, einem geringen Aufwand für die Warenpräsentation oder die Ladeneinrichtung. Auf Dienstleistungen wird in
der Regel verzichtet. Die Discounter charakterisiert eine aggressive Niedrigpreispolitik. Insofern können nur umsatzstarke Handelsbetriebe mit einer Filialkette das entsprechende
Einkaufsvolumen erbringen, welches die Voraussetzung für eine langfristig angelegte Niedrigpreispolitik ist.9 Ihr Anteil am stationären Lebensmitteleinzelhandel wuchs in Deutschland
seit den 60er-Jahren stetig an; inzwischen werden insgesamt 42 Prozent des gesamten
Lebensmittelumsatzes durch die Discounter realisiert. Die konsequente „Billig-Orientierung“
erstreckt sich auch auf die Personalaufwendungen, entsprechend schlecht sind hier die
Arbeitsbedingungen: Discounter gelten als jenes Segment im Einzelhandel mit der geringsten Personaldichte – damit einhergehend mit einer starken Arbeitsbelastung der Beschäftigten, den höchsten Anteilen geringfügiger Beschäftigung und einer sehr geringen Vollzeitquote. Hinzu kommen der Öffentlichkeit hinlänglich bekannte negative Praktiken der Personalführung: Synonym ist hier insbesondere der Lidl-Skandal der Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterüberwachung aus dem Frühjahr 2008.
Berlin – Hauptstadt der Bio-Märkte
In Berlin gibt es bundesweit die höchste Dichte an Anbietern im Biolebensmitteleinzelhandel. Daher trägt Berlin den Titel „Hauptstadt der Bio-Supermärkte“. Marktführer unter
den Bio-Supermärkten ist in Berlin die BioCompany mit ca. 60 Filialen. In 2006 waren es
noch 20.10 Neben der BioCompany ist die LPG ein weiterer regionaler Anbieter für Bioprodukte. Mit sechs Verkaufsstellen in Berlin ist die LPG zwar mengenmäßig der BioCompany unterlegen, zeichnet sich jedoch durch ihr Konzept der LPG-Mitgliedschaft
aus. Ein monatlicher Mitgliedsbeitrag reduziert die Kosten bei dem Einkauf. Durch die
Kundinnen- und Kundenbindung ist die LPG „weniger anfällig für konjunkturelle Schwankungen“.11 Neben den regionalen Anbietern finden sich auch überregionale wie Alnatura
oder Denn’s. Letztere haben in jüngster Zeit durch die Expansion ihrer Verkaufsstellen
auf sich aufmerksam gemacht. Insbesondere Denn’s hat in der Vergangenheit mit
schlechten Arbeitsbedingungen medial für Aufsehen gesorgt. Und auch die Arbeitsbedingungen standen im Focus – hingewiesen wurde darauf, dass regelmäßig gegen das
„Arbeitszeitgesetz verstoßen werde“.12 Die Expansion der überregionalen Anbieter hat
einen maßgeblichen Anteil daran, dass Berlin den Titel „Hauptstadt der BioSupermärkte“ trägt.
Neben den regionalen und überregionalen Bio-Supermärkten ist es vor allem der konventionelle Einzelhandel, bei dem Kundinnen und Kunden ihre Bio-Produkte erwerben.
9
10
11
12
Vgl. Handelslexikon, Online unter: www.handelslexikon.net/data/handelslexikon (21.01.2014).
Vgl. Pöppl, M. (2013).
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sp&dig=2013%2F10%2F19%2Fa0202&cHash=11214cbd
92ea73be04ed20ad8818176f (05.03.2014).
Vgl. Gläser (2012). http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/biosupermaerkte-gruene-welle-inberlin/7210958.html (13.1.2013).
Vgl. Die Tageszeitung (2013). http://www.taz.de/Oeko-Discounter-im-Schlecker-Modus/!116816/
(13.1.2013).
8
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
So findet sich mittlerweile in fast allen Discountern und Lebensmittelmärkten ein Vollsortiment in Bio-Qualität.
Eine besondere Rolle spielen zudem Naturkostläden. In Berlin gibt es derzeit ca. 70 solcher Läden, die häufig fester Bestandteil einer Kiez-Struktur sind. Ohne diese spezielle
Art der Bindung zwischen Inhaber und Kundinnen und Kunden wären viele inhabergeführte Naturkostläden einem noch stärkeren Verdrängungswettbewerb durch die Biosupermärkte ausgesetzt als sie es ohnehin bereits sind.13
Die Regionalität ihrer Produkte haben die Berliner Bio-Supermärkte und Naturkostläden
insbesondere den Erzeugern des Nachbarlandes Brandenburg zu verdanken. Berlin
zählt zu den bedeutendsten Abnehmern der brandenburgischen Bio-Produktion der 1043
ökologisch wirtschaftenden Betriebe. Im Jahr 1992 waren es etwa 63 regionale BioBetriebe.14
Der Umsatz an ökologischen Produkten lag im Jahr 2012 in Berlin bei ca. acht Prozent,
was leicht über dem Bundesdurchschnitt liegt. Nach Schätzungen der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg e.V. (FÖD) entspricht der Umsatz für
Bio-Waren etwa 290 Millionen Euro. Die bundesweite Umsatzzahl lag in 2012 bei etwa
sieben Milliarden Euro.15
Schätzungen zufolge ist die Nachfrage nach Bio-Produkten in der Hauptstadt größer als
das vorhandene Angebot. Nicht zuletzt bestimmen die Kundinnen und Kunden wie das
Warensortiment des Einzelhandels aussehen soll. Dies würde für eine Ausweitung und
den Ausbau der Ökolandwirtschaft sprechen, der in seiner Wachstumsrate dem Umsatzwachstum „hinterherhinkt“, so Stefan Zwoll, Geschäftsführer des Bundes ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW).16 Um die Vertretung der Interessen der regionalen
Erzeuger ist die FÖD sowie bundesweit der BÖLW bemüht.
Was die Arbeitsbedingungen im Einzelhandel betrifft: Auch Märkte, die nachhaltigen und
fairen Konsum propagieren, sind nicht frei von schlechten Arbeitsbedingungen. Im Gegenteil – häufig arbeiten Beschäftigte hier länger und in kürzeren Abständen als erlaubt
und erhalten eine nicht existenzsichernde Bezahlung.17
13
14
15
16
17
Vgl. Pöppl, M. (2013).
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sp&dig=2013%2F10%2F19%2Fa0202&cHash=11214cbd
92ea73be04ed20ad8818176f (05.03.2014).
Vgl. Fördergemeinschaft ökologischer Landbau e.V. http://www.bio-berlin-brandenburg.de/wissenswert/bioin-der-region/regionale-marktdaten/ (13.1.2013).
Vgl. Handelsverband Deutschland e.V. (2013), S. 16.
http://www.einzelhandel.de/images/publikationen/Branchenreport_wirtschaftsfaktor.pdf (13.1.2013).
Vgl. Pöppl, M. (2014).
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sp&dig=2014%2F02%2F12%2Fa0125&cHash=fa57f3fad4
07d8a721b9f723ca39cdbb (05.03.2014).
Vgl. Die Tageszeitung (2013). http://www.taz.de/Oeko-Discounter-im-Schlecker-Modus/!116816/
(22.01.2014).
9
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Verbrauchermärkte/SB-Warenhäuser (z. B. Real, Extra, Marktkauf, E-Center, Kaufland,
Kaufmarkt, Toom, Minimal, Globus)
Während Verbrauchermärkte im Kern Lebensmittel anbieten, umfasst das Sortiment der
SB-Warenhäuser auch umfangreiche Non-Food-Artikel. Beide Betriebstypen zeichnen sich
durch große Verkaufsflächen, das Selbstbedienungsprinzip und geringe Serviceleistung
aus. Das Sortiment dieser Märkte ist erheblich größer als in Supermärkten und Discountern. Verglichen mit den Discountern war das Wachstum der SB-Warenhäuser bescheidener, obwohl auch diese Marktanteile zulasten anderer Betriebstypen hinzugewannen. Inzwischen ist von den „Dinosauriern der grünen Wiese“ die Rede.18 Vor allem die großflächigen Häuser müssen Umsatzeinbußen hinnehmen. Zurückgeführt wird dies auf die Tendenz
zu immer kleineren Haushalten, den Wunsch nach Frische und den zunehmenden Anteil
älterer Bevölkerungsgruppen.19 Bereits in der Vergangenheit fand hier ein massiver Personalabbau statt (von 2005 bis 2011 um -20,1 Prozent20); während jenen mit kleineren Verkaufsflächen weiterhin Wachstumschancen eingeräumt werden.
Da auch hier der Preiswettbewerb im Vordergrund steht, sind die Arbeitsbedingungen in
den Verbrauchermärkten und SB-Warenhäusern so gekennzeichnet: Wenig Personal auf
immer größeren Flächen, hohe Anteile von geringfügiger Beschäftigung, Teilzeit mit einem
niedrigen Stundenvolumen und geringen Anteilen von Vollzeitstellen sind wichtige Merkmale.
Supermärkte
Unter Supermärkten werden Einzelhandelsbetriebe verstanden, die auf einer Verkaufsfläche von mindestens 400 m² Nahrungs- und Genussmittel einschließlich Frischwaren und
ergänzend Waren anderer Branchen vorwiegend in Selbstbedienung und in städtischer
Lage anbieten. Supermärkte kamen in Deutschland in den 60er-Jahren auf und wuchsen in
Fläche und Umsatz bis zum Jahre 1995. Seitdem sind die Zahlen rückläufig. Vor allem
durch die Discountkonkurrenz wurden erhebliche Veränderungen bei den Supermärkten
erzeugt: Sie profilierten sich durch Qualität, Sortimentsbreite, Frische und Service. Auch in
den Supermärkten ist die Vollzeitquote gering. Mit Ausweitung der Ladenöffnungszeiten
werden in den Randbereichen der Arbeitszeit zunehmend Leiharbeitskräfte eingesetzt.
Drogeriemärkte
Drogeriemärkte sind Einzelhandelsbetriebe, die nach dem Selbstbedienungsprinzip ein
Sortiment aus den Bereichen Körperpflege, Kosmetik sowie Putz- und Reinigungsmittel
bieten. Der Drogeriemarkt wird inzwischen nahezu ausschließlich durch Discounter bestimmt und ist hoch konzentriert. Marktbeherrschend sind die Unternehmen DM, Rossmann
und Müller. Diese oligopole Struktur ist nach Einschätzung der KPMG21 wenig bedenklich,
da einerseits der Wettbewerb zwischen den Drogeriekonzernen intakt sei und andererseits
viele der Drogerieprodukte auch in anderen Einzelhandelsbetrieben angeboten werden.
18
19
20
21
Vgl. Stich (2011).
Vgl. Glaubitz (2008), S. 20.
Vgl. Warich (2011).
Vgl. KPMG (2010), S. 63.
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Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Dennoch habe die starke Expansion der größten Anbieter zu einer Verringerung der Flächenproduktivität geführt.
Drogeriekonzerne verfolgen eine aggressive Preispolitik und werden durch die Konkurrenz
der Lebensmitteldiscounter, aber auch Versandapotheken, weiter unter Druck gesetzt. In
Drogeriemärkten sind vor allem Frauen beschäftigt, die Teilzeitquote ist hoch. Geringfügige
Beschäftigung ist verbreitet und auch unzureichende Sicherheit der oftmals mit nur einer
Kraft besetzten Filialen zählt zu den negativen Arbeitsbedingungen.
Kaufhäuser (z. B. C & A, H & M, SinnLeffers) und Warenhäuser (Karstadt, Kaufhof)
Unter Kaufhäusern versteht man Betriebe mit großen Verkaufsflächen und einem breit gefächerten Sortiment (Motto: „Alles unter einem Dach“), die häufig Bedienung und Selbstbedienung miteinander kombinieren. Mit Standorten in der Innenstadt oder in Shoppingzentren sind Textil- und Bekleidungskaufhäuser am stärksten verbreitet. Eine inzwischen auslaufende Geschäftsform sind sogenannte Billigkaufhäuser wie Woolworth oder Bilka.
Warenhäuser sind Großbetriebe in zentraler Lage, die ein tiefes und breites Warensortiment bieten. Auch hier werden Selbstbedienung und Bedienung miteinander kombiniert,
allerdings hat die Beratung durch Fachpersonal weiterhin einen hohen Stellenwert. Verstärkt sind in den Warenhäusern weitere Dienstleistungen integriert, wie Reisebüros, Friseursalons oder Restaurants. Waren die Warenhäuser in den 60er-Jahren die „Crème de la
Crème“ des deutschen Einzelhandels, so spielen sie inzwischen eher eine nachgeordnete
Rolle, trotz Modernisierung und Diversifizierung: Dies auch, weil ihre Position zwischen
Fachhandel und Discountsegmenten wenig Profilierungschancen bietet.
Die künftigen Marktchancen der Warenhäuser werden eher skeptisch eingeschätzt. Es wird
aber im Zuge einer Revitalisierung der Innenstädte durchaus eine Renaissance für möglich
gehalten.
Hinsichtlich der Beschäftigungsbedingungen gelten die Warenhäuser, aufgrund der starken
Orientierung auf Service und Beratung, als Arbeitgeber, die weiterhin qualifiziertes Personal
mit vergleichsweise hohen Vollzeitanteilen beschäftigen. Zugleich ist die Funktionsteilung in
den Warenhäusern bereits weit fortgeschritten. Durch die Vergabe etwa der Kassiertätigkeiten an Dienstleister mit eigenem Personal findet eine zunehmende Differenzierung der Beschäftigtengruppen statt und immer mehr Tätigkeiten werden an Dritte ausgelagert.
Shopping-Center
Shopping-Center sind Konzentrationen von Einzelhändlern und Dienstleistern verschiedener Branchen und Größen, somit „Verbund- oder Kooperationssysteme des Einzelhandels“.22 Im Trend finden sich immer mehr Shopping-Center in der Innenstadt, ihre Zahl stieg
in den vergangenen Jahren in Ost- wie Westdeutschland sprunghaft an.23 Allerdings verschärft sich der Wettbewerb unter anderem durch sinkende Kundenzahlen oder Probleme
bei der Vermietung. Daher wird ein Schwerpunkt zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in
22
23
Vgl. Institut für Gewerbezentren (2007), S. 3.
Vgl. Institut für Gewerbezentren (2011). www.shoppingcenters.de/de/marktsituation/deutschland.html.
11
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
der Anpassung vor allem älterer Center an ein geändertes Konsumentenverhalten und an
neue Einzelhandelstrends gesehen. Marktführer im Bereich Shopping-Center-Management
ist in Deutschland die ECE Projektmanagement GmbH, Hamburg, eine Tochter der OttoGruppe. Hinsichtlich der Arbeitsbedingungen in den Shopping-Centern kann keine einheitliche Aussage getroffen werden, sind die dort Beschäftigten doch bei einer Vielzahl von Arbeitgebern angestellt.
Berlin – Hauptstadt der Shopping-Center
Berlin hat deutschlandweit die meisten Shopping-Center; die IHK verzeichnet in 2014
etwa 63.24 Das älteste Einkaufzentrum Berlins ist das 1965 eröffnete „Europa-Center“ am
Breitscheidplatz, welches 70 Läden und 34.000 Quadratmeter Verkaufsfläche hat. Das
aktuellste Beispiel ist die Eröffnung des Centers „Mall of Berlin“ am Leipziger Platz im
Frühjahr 2014. Hier stellen auf 76.000 Quadratmetern Verkaufsfläche 270 Geschäfte
ihre Waren aus.25 Zum Vergleich: Hamburg verfügt über 41 Einkaufszentren, Köln über
acht, Frankfurt am Main über sieben und München über drei.
Eng verbunden mit der Frage, warum die 63 Center in Berlin eine friedliche Koexistenz
führen, ist die Wahl des Standorts und damit des Einzugsgebiets. Wer kauft wo was ein
und warum? Auffällig ist dabei die hohe Dichte an Einkaufszentren im ehemaligen OstTeil Berlins. Mengenmäßig unterscheidet sich die Anzahl an Centern zwar lediglich um
sechs, aber ihre Kumulation in den Bezirken ist ein interessanter Aspekt.26 Wie kann es
sein, dass in den Bezirken Lichtenberg (10) und Marzahn-Hellersdorf (9) 19 Center
koexistieren, während hingegen Neukölln (4) und Friedrichshain-Kreuzberg (1) lediglich
über fünf Center verfügen. Welche sind die Unterschiede in den Bezirken und der Center?
An dieser Stelle kann und soll keine Studie über die Sozial- und Wirtschaftsstruktur der
jeweiligen Bezirke erfolgen, auch wenn sich diese insbesondere für Berlin als „meltingpot“ anbietet. Es soll lediglich darauf hingewiesen werden, dass trotz der augenscheinlichen Ähnlichkeit von Einkaufszentren und des in ihnen verkörperten „all-inclusive“Gedankens große Unterschiede bestehen, die von den Sozial- und Wirtschaftsdaten
nicht getrennt betrachtet werden können.
Shopping-Center leben davon, dass das jeweilige besuchende Klientel seinesgleichen
sucht und sich im Center über das Zugehörigkeitsgefühl geborgen fühlt. Einkaufszentren
werden dadurch zu Schutzräumen, die weitgehend irritationsfrei bleiben und den Kundinnen und Kunden somit ein Gefühl von Sicherheit geben.27
24
25
26
27
Vgl. IHK Berlin. http://www.ihkberlin.de/linkableblob/bihk24/servicemarken/branchen/handel/1109978/.33./data/Shoppingcenter_Berlindata.pdf;jsessionid=5DBAEDE0CA3EEDF46C5093D6CF1BADE8.repl2 (14.1.2014).
Vgl. HGHI LP 125 GmbH. http://www.leipzigerplatzquartier.de/zahlenundfakten.html (14.1.2014).
Vgl. IHK Berlin. http://www.ihkberlin.de/linkableblob/bihk24/servicemarken/branchen/handel/1109978/.33./data/Shoppingcenter_Berlindata.pdf;jsessionid=5DBAEDE0CA3EEDF46C5093D6CF1BADE8.repl2 (14.1.2014).
Vgl. Ehrmann (2013), S. 24 f.
12
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Textileinzelhandel (z. B. Otto-Gruppe, P & C)
Hier werden seit Jahren stetig sinkende Umsätze verzeichnet. In seiner Jahresbilanz 2012
kommt der Handelsverband Berlin-Brandenburg (HBB) für den Einzelhandel mit Bekleidung
und Schuhen zu dem Ergebnis, dass im Kalenderjahr 2012 viele Unternehmen nicht einmal
die schwachen Ergebnisse aus 2011 erreicht haben.28
Innerhalb des Marktes waren in der Vergangenheit vor allem vertikale Anbieter wie H&M
oder Zara erfolgreich, ebenso konnten Discountunternehmen wie KiK oder Zeeman Zuwachsraten erzielen. Zusammengefasst ist der Wandel in der Branche gekennzeichnet von
einer „Polarisierung des Marktes in High-Fashion und Klassik auf der einen sowie sehr
preisgünstiger Mode auf der anderen Seite“.29
Auch im Textileinzelhandel nimmt die Konzentration zu, ist allerdings weit weniger ausgeprägt als im Lebensmitteleinzelhandel. Aktuell erreichen im Textileinzelhandel die 20 umsatzstärksten Unternehmen gemeinsam einen Marktanteil von 51 Prozent (1994: 42 Prozent), mit steigender Tendenz.
Zu den Arbeitsbedingungen stellt Glaubitz fest, dass Beschäftigte mit hoch flexiblen Arbeitszeiten konfrontiert sind.30 Darüber hinaus ist im Textileinzelhandel der Anteil geringfügig Beschäftigter, Praktikanten und kurzfristig Beschäftigter hoch.
Online- und Versandhandel
Der Online- und Versandhandel (z. B. Amazon, Otto, Neckermann) ist der Wachstumsmarkt schlechthin. Gemeint ist Handel auf Bestellung durch Internet, Telefon oder Bestellkarte, die Lieferung erfolgt nach Hause. Vor allem das Online-Geschäft boomt: Für Berlin
verzeichnet der Handelsverband Berlin-Brandenburg (HBB) ein Umsatzplus von 2,8 Prozent in 2012. Damit hat der Internethandel mittlerweile einen Anteil von 10 Prozent an dem
Gesamtumsatz des Einzelhandels in Berlin, der 13,2 Mrd. Euro beträgt.31
Deutschland liegt mit einem Umsatz im Online-Handel in Höhe von 39,2 Mrd. Euro in 2010
hinter Großbritannien auf dem zweiten Platz.32 Europaweit betrug das Umsatzplus 19,4
Prozent in 2010. Im Trend wird auch im Online-Handel eine zunehmende Konzentration
festgestellt. Die zehn größten Online-Shops in Deutschland (Marktführer Amazon) hatten in
2010 einen Anteil von rund 30 Prozent am Gesamtumsatz (6,2 Mrd. Euro).33
Die Arbeitsbedingungen in der Lagerlogistik sind gekennzeichnet von langen und unregelmäßigen Arbeitszeiten, Schichtarbeit ist sehr verbreitet. Die Beschäftigten sind hohen körperlichen Belastungen ausgesetzt, welche sicher ein wesentlicher Grund für überdurchschnittlich hohe Krankenstände sind.34 Weiterhin ist der Anteil ungelernter Kräfte hoch und
28
29
30
31
32
33
34
Vgl. Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V. (2013): S. 1.
Vgl. KPMG (2010), S. 58.
Vgl. Ver.di Bildung und Beratung gGmbH (2011), S. 35.
Vgl. Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V. (2013), S. 1.
Vgl. Center for Retail Research (GB) (2010). www.retailresearch.org/onlineretailing.php.
Vgl. EHI Retail Institute/Statista (2011).
Vgl. Bundesamt für Güterverkehr (2011), S. 20.
13
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
die Leiharbeit ist in der Lagerlogistik sehr verbreitet, insbesondere in saisonalen Spitzen.35
Eine Auswertung des Bundesamtes für Güterverkehr bezogen auf Warenaufmacher und
Versandfertigmacher zeigt für 2010 eine Quote von 11,4 Prozent der Beschäftigten in Arbeitnehmerüberlassung.36
Die Arbeitsbedingungen in den Logistikzentren sind vor allem beim Marktführer Amazon
jüngst stark in die Kritik geraten. Vorgeworfen wird Amazon, über vom Jobcenter finanzierte
Praktika für Langzeitarbeitslose sich das Weihnachtsgeschäft subventioniert zu haben.37
Möbel (z. B. IKEA, Lutz-Gruppe, Krieger, Hübner)
Laut Angaben des Branchenverbandes BVDM verzeichnete der deutsche Möbel- und Küchenfachhandel nach einem Umsatzeinbruch im Jahr 2009 einen Umsatzzuwachs in 2012,
der in 2013 nicht weiter ausgebaut werden konnte, sondern um ca. 1,2 Prozent auf 16,1
Mrd. Euro sank.38 Wesentliches Kennzeichen des Möbeleinzelhandels in Deutschland ist
ein anhaltender Konzentrationsprozess, der auch durch zahlreiche Fusionen und Übernahmen Dynamik entfaltet. Das Wachstum der größten Unternehmen der Branche erfolgt
also in erster Linie durch Übernahmen bestehender Unternehmen oder Standorte und weniger durch Neueröffnungen.
Inzwischen erwirtschaften die fünf größten Möbelhäuser rund 25 Prozent des Gesamtumsatzes der Branche.39 Auch in Deutschland ist der Weltmarktführer IKEA das umsatzstärkste Unternehmen. Weiterhin ist ein erhebliches Flächenwachstum im Möbeleinzelhandel zu
beobachten. Diese Flächenausweitung geht einher mit einer Ausweitung des Sortiments.
Möbelhäuser werden zunehmend zu Einrichtungshäusern, die auch Geschirr und Wohnaccessoires anbieten.
Die Arbeitsbedingungen in der Branche sind je nach Betriebstyp sehr unterschiedlich: In
klassischen Möbelhäusern spielt die persönliche Beratung weiterhin eine wichtige Rolle,
entsprechend hoch ist hier der Anteil qualifizierter Kräfte. Im Möbeleinzelhandel sind weiterhin lange Öffnungszeiten sowie Sonntagsarbeit verbreitet. Einzelne Unternehmen wie
die Lutz-Gruppe machen Negativschlagzeilen etwa wegen Lohndumpings.40
Consumer-Electronics (z. B. Media-Markt/Saturn, Red Zac, Amazon)
Das Segment der Unterhaltungselektronik einschließlich Bild- und Tonträger gliedert sich in
Fachmärkte, dem in Verbundgruppen und Kooperationen organisierten Fachhandel sowie
zunehmend Online-Anbietern. Der deutsche CE-Markt wies in den vergangen Jahren posi-
35
36
37
38
39
40
Vgl. ebd., S. 23.
Vgl. ebd., S. 12.
Vgl. IDG Business Media GmbH, ChannelPartner (2012).
www.channelpartner.de/handel/ecommerce/2574505 (11.02.2014).
Vgl. Bundesverband des Deutschen Möbel-, Küchen und Einrichtungsfachhandels (2014). http://www.bwbonline.de/bwb/presse_news_bwb/index.html?NID=411 (22.01.2014).
Vgl. Der Handel – Das Wirtschaftsmagazin für den Einzelhandel (2014).
http://derhandel.de/news/unternehmen/pages/Moebelbranche-Moebelindustrie-beklagt-sinkende-Umsaetze10282.html (22.01.2014).
Vgl. KPMG (2010), S. 72.
Vgl. Ver.di Bildung und Beratung gGmbH (2011), S. 43.
14
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
tive Wachstumsraten aus und erzielte in 2012 mehr als 28 Mrd. Euro Umsatz.41 Hierzu trugen Innovationen wie Tablet PC, Smartphones und das digitale Fernsehen bei, aber auch
die zunehmende Nachfrage nach Geräten mit direktem oder indirektem Internetzugang.42
Die Branche ist gekennzeichnet von einem hohen Preisdruck und aggressiven Vermarktungskonzepten („Geiz ist geil“). Dennoch – vor allem wegen des wachsenden Trends zu
mobilen Geräten in der Elektronik – wird für die Zukunft eine weiterhin positive Marktentwicklung erwartet.43
Baumärkte (Bauhaus, Hellweg, Hornbach)
Deutschland hat die höchste Pro-Kopf-Fläche bei Bau- und Heimwerkermärkten. Als Bauund Heimwerkermarkt gelten nach Definition des Branchenverbandes BHB Einzelhandelsstandorte mit einer Verkaufsfläche von mindestens 1.000 qm und einem breiten Sortiment,
das die Warengruppen Baustoffe, Holz, Eisenwaren, Werkzeuge und Malerbedarf enthalten
muss.
Der Umsatz stieg von 16,92 Mrd. Euro in 2000 auf 18,6 Mrd. Euro in 2012, und wuchs nach
Angaben des BHB in dieser Branche relativ stärker als im Einzelhandel insgesamt.44 Die
Zahl der bestehenden Bau- und Heimwerkermärkte ist leicht rückläufig, dennoch wachsen
die Flächen.45 Auch hier kann also von einer sinkenden Flächenproduktivität gesprochen
werden. Einher geht dies mit einer steigenden Konzentration – sieben Unternehmen der
Spitzengruppe erwirtschaften 85 Prozent des Umsatzes.46
Die Discountierung und der Wettbewerb in der Branche wurde ausgelöst von Praktiker
(mittlerweile insolvent) und Max Bahr „mit umsatztreibenden 20 Prozent-Rabattaktionen
und Discoutstrategien […] zulasten der Marge.“47 Der Preiskampf in der Branche ist ungebrochen und dies zulasten des Services und der Personaldichte. Obwohl also auch in Bauund Heimwerkermärkten die Beschäftigtenanteile in geringfügiger Beschäftigung steigen,
sind hier die Vollzeitanteile an den Stellen vergleichsweise hoch ebenso wie der Anteil
männlicher Beschäftigter.
Buchhandel (Thalia Holding, DBH Buch Handels GmbH, Amazon, Dussmann)
Der stationäre Sortimentsbuchhandel ist der bedeutendste Vertriebsweg für Bücher: Hier
wurden 48,3 Prozent des gesamten Buchumsatzes in 2012 (9,5 Mrd. Euro) erwirtschaftet.
Allerdings haben sich die Marktstrukturen des vertreibenden Buchhandels massiv verändert. Vor allem durch das Aufkommen des Online-Handels gerät der stationäre Buchhandel
erheblich unter Druck. Während die Umsätze hier rückläufig sind (in 2012 ein Minus von 0,8
41
42
43
44
45
46
47
Vgl. gfu/GfK (2012), S.5.
http://www.gfu.de/srv/easyedit/_ts_1361800304000/page:home/marktzahlen/markt/sl_1361547008778/args.l
ink01/de_CEMIX%20Q1-Q4%202012.pdf (17.12.2013).
Vgl. ebd., S. 5 sowie BITKOM/Deloitte (2011), S. 5.
Vgl. ebd., gfu/GfK (2010), S. 35.
Vgl. BHB (2013). http://www.bhb.org/de/markt-statistik/diy-branchenzahlen.html (22.01.2014).
Vgl. Gesellschaft für Markt- und Betriebsanalyse mbH (2011), S. 1, S. 29.
Vgl. Büscher/Eggert (2009), S. 10.
Vgl. ebd.
15
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Prozent gegenüber dem Vorjahr) steigen sie im Online-Buchhandel stetig an (in 2012 auf
16,5 Prozent).48 Laut Prognose wird der stationäre Handel mit Büchern weiter rückläufig
sein. So werden bis 2017 „30 – 40 Prozent des heutigen stationären Buchumsatzes in
Richtung Online-Handel beziehungsweise Digitalformate geschoben. Stationär wird deshalb der Buchanteil auf bis zu 60 Prozent heruntergedreht.“49
Die starke Konkurrenz des Online-Buchhandels ist die eine Seite des Wettbewerbs. Doch
auch der Direktvertrieb der Verlage konnte Marktanteile ausbauen, und Marktverluste für
die klassische Buchhandlung ergeben sich durch das E-Book, welches inzwischen eine
breite Bevölkerungsschicht erreicht hat.
Der stationäre Sortimentsbuchhandel ist nach wie vor von kleinen und mittelständischen
Unternehmen geprägt. Konzentration kennzeichnet jedoch auch diesen Markt. So erwirtschafteten die 50 größten Buchhandlungen bereits in 2006 knapp die Hälfte des Umsatzes
im deutschsprachigen Sortimentsbuchhandel.50 Doch inzwischen haben diese Filialisten
zunehmend Schwierigkeiten, ihre Flächen profitabel zu bewirtschaften und reagieren daher
mit einem Rückbau dieser. Auch geht es inzwischen um die Ausweitung des Sortiments.
Zunehmend werden Spiele, Geschenkartikel und weitere Non-Book-Artikel in die Sortimente aufgenommen. Für diese Entwicklung steht vor allem Thalia, die für dieses Format den
Begriff des „Inspirationshauses“ prägte. Ein wichtiger Faktor für die Behauptung der stationären Sortimentsbuchhändler wird im Ausbau des Multichanneling gesehen, also im Vertrieb über mehrere Kanäle.51
Durch Rückbau und Schließung bestehender Filialen der Ketten, Verdrängung kleiner
Buchgeschäfte und nicht zuletzt durch die Zunahme des Online-Buchhandels ist die Beschäftigungssituation im stationären Buchhandel angespannt. Doch weil im stationären
Sortimentsbuchhandel Fachwissen und Beratungskompetenz der Beschäftigten noch immer einen sehr hohen Stellenwert haben, ist der Anteil der Beschäftigten mit einschlägigen
Berufsabschlüssen und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen noch
sehr hoch. Wenn der Konkurrenzkampf jedoch über die Ladenöffnungszeiten ausgetragen
wird, wie etwa im Kulturkaufhaus Dussmann, finden sich in den Randbereichen der Arbeitszeit vielfach Leihbeschäftigte, die die Kassen besetzen. Auf Beratung wird in diesen
Zeiten oftmals vollständig verzichtet.
48
49
50
51
Vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.
www.boersenverein.de/de/158446/Wirtschaftszahlen/158286 (22.01.2014).
Vgl. Buchreport.de (2012). www.buchreport.de/analysen/jahresrueckblick_2011.htm.
Vgl. Lohse (2009), S. 25.
Vgl. Buchreport.de. http://www.buchreport.de/analysen/filialisten.htm (Stand: 22.01.2014).
16
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
2.3
Der Einzelhandel in Berlin – ökonomische Bedingungen und
strukturelle Merkmale
Mit knapp 100.000 Beschäftigten zählt der Einzelhandel in Berlin zu einem der größten beschäftigungspolitischen Wirtschaftssegmente. Gut 9.300 Einzelhandelsbetriebe wurden in
2012 gezählt. Diese erwirtschafteten einen Umsatz von etwa 13,2 Mrd. Euro.52 Der Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V. (HBB) hat in seiner Jahresbilanz 2012 dem Berliner
Einzelhandel das dritte Jahr in Folge leichte Umsatzsteigerungen bescheinigt. Bereits das
zweite Jahr in Folge übertrifft Berlin bei den Umsatzzahlen den bundesweiten Durchschnitt.53 Ursächlich werden hierfür insbesondere die Rekordzahlen im Tourismus sowie die
positive Konsumstimmung gemacht. Laut HBB-Schätzungen beträgt der Umsatzanteil von
in- und ausländischen Touristen am Jahresumsatz 2012 etwa 25 Prozent.54 Den größten
Anteil vom Gesamtumsatz hat neben dem Internethandel der Einzelhandel mit Nahrungsmitteln, Getränken und Tabakwaren erwirtschaftet. Insbesondere der hohe Anteil des Internethandels am Gesamtumsatz verdeutlicht, dass auch der Berliner Einzelhandel von den
Strukturveränderungen hin zu E-Commerce und Multi-Channeling sowie den damit verbundenen Anforderungen an die Kundenkommunikation betroffen ist. Bundesweit bindet der
Einzelhandel rund drei Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und hatte in 2012
einen Gesamtumsatz von 428 Mrd. Euro. Damit stellt er einen der wichtigsten deutschen
Wirtschaftsbereiche.
Den deutschen Einzelhandel kennzeichnet seit Jahren ein erheblicher Strukturwandel: Flächenexpansion bei gleichzeitig stagnierendem Umsatz, Preis- und Verdrängungswettbewerb sowie Konzentrationsprozesse sind hier die Stichworte. Weitere Schübe des strukturellen Wandels ergaben und ergeben sich durch die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten, technologische Veränderungen und nicht zuletzt durch den demografischen Wandel,
dessen Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur unmittelbare Auswirkungen auf die
Kaufkraft und das Kaufverhalten haben.
Anzahl der Betriebe und Betriebsgröße
Bei der Betrachtung der Betriebslandschaft in Berlin sei zuerst auf die hohe Bedeutung
Berlins als Dienstleistungsmetropole und Bundeshauptstadt verwiesen. Berlin hatte im Jahr
2012 ca. 88.000 Betriebe. Gemessen an der Zahl aller Berliner Betriebe ist der Handel (17
Prozent) die zweitstärkste Branche.55 Der Einzelhandel kommt mit 9.378 Betrieben allein
auf einen Wert von knapp elf Prozent.56 Den größten Anteil im Berliner Einzelhandel mit 41
Prozent (3.841 Betriebe) hat der Einzelhandel mit sonstigen Gütern (Bekleidung, Apothe52
53
54
55
56
Vgl. Handelsverband Berlin-Brandenburg (2013), S. 1.
Vgl. Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V. (2013): S. 1.
Vgl. ebd. S. 3.
Vgl. Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (2013), S. 8.
Aufgrund mangelnder Daten wird im Verlauf des Berichtes mehrfach auf das Betriebspanel 2012 zurückgegriffen werden, das zwar keine expliziten Daten für den Einzelhandel bereitstellt, dennoch Angaben zur Situation im Handel macht. Es ist bei der Interpretation der Daten und Informationen zu berücksichtigen, dass
der Handel sowohl den Einzelhandel als auch den Großhandel sowie den Bereich Reparatur umfasst. Die
Informationen können somit nicht direkt auf den Einzelhandel übertragen werden, sondern dienen als Tendenz und Orientierung.
Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2013).
17
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
ken, Pflanzen etc.), der Einzelhandel mit Lebensmitteln zu 25 Prozent (2.367 Betriebe) sowie der Einzelhandel mit Haushaltsgeräten, Textilien, Heimwerker- und Einrichtungsbedarf
zu 11 Prozent (1.005 Betriebe).
Berliner Betriebe mit einer Beschäftigtenzahl unter zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
machen etwa 74 Prozent der Berliner Betriebslandschaft aus. Betriebe mittlerer Größe mit
einer Anzahl bis 50 Beschäftigte haben einen Anteil von 21 Prozent. Betriebe mit 50 Beschäftigten und mehr kommen insgesamt auf einen Wert von fünf Prozent. In Berlin gibt es
demnach eine Dominanz von Klein- und Kleinstbetrieben. Betrachtet man dieses Bild jedoch hinsichtlich der Anzahl der Beschäftigten, so zeigt sich, dass Klein- und Kleinstbetriebe trotz ihrer hohen Anzahl nur ca. 20 Prozent aller Arbeitsplätze stellen. Knapp ein Viertel
aller Beschäftigten des Einzelhandels sind in Unternehmen, die zwischen 10 und 50 Beschäftigte haben. Der weitaus höchste Anteil der Beschäftigten, 56 Prozent, ist in Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten tätig. Dabei handelt es sich oftmals um Handelskonzerne, die ihrerseits aus verschiedenen Unternehmen bestehen. Sie agieren auf diversen
Teilmärkten und treten bisweilen mit unterschiedlichen Vertriebsmarken auf. Beispiele sind
die Otto Gruppe im Versandhandel mit unterschiedlichen Vertriebsmarken Otto, Schwab,
Baur, Bonprix und Alba Moda oder die Tengelmann-Gruppe mit Kaiser`s, Tengelmann,
OBI, KiK und Tedi.57
Flächenexpansion und Umsatz
Seit Jahren werden die Verkaufsflächen im Einzelhandel ausgeweitet, ohne dass eine nennenswerte Umsatzsteigerung zu verzeichnen wäre. In Berlin wuchs die Verkaufsfläche in
2012 um 130.000 auf 5,14 Millionen Quadratmeter. Diese Ausweitung ist auf die Eröffnung
des Centers „Boulevard Berlin“, des Einkaufszentrums am Köpenicker Elcknerplatz sowie
durch neue Fach-, Verbraucher- und Lebensmittelmärkte zurückzuführen. Etwa ein Viertel
der Verkaufsfläche Berlins befindet sich in Einkaufszentren.58
Die eingangs bereits erwähnten positiven Umsatzzahlen des Berliner Einzelhandels erfahren jedoch eine Relativierung: Laut des Berliner Einzelhandelsverbandes verfügt Berlin,
aufgrund der geringen Kaufkraft, über eine halbe Million Quadratmeter zu viel Verkaufsfläche.59 Nur leichte Umsatzsteigerungen bei gleichzeitiger Ausweitung der Verkaufsfläche
verringert also die Flächenproduktivität. Durch einen Beschäftigungsabbau im Verkauf beziehungsweise einer Reduzierung des Arbeitsvolumens zielen die Einzelhandelsunternehmen auf eine Steigerung der Flächenproduktivität und Rentabilität. Im Ergebnis sind immer
weniger Beschäftigte für immer größere Verkaufsflächen zuständig. Diese Lage wird zusätzlich verschärft durch den wachsenden Anteil von Online-Handel, der zu weiteren Einbußen im stationären Handel führt. Generell werden Umsatzrückgänge prognostiziert durch
die Schrumpfung der Bevölkerung.
Preis- und Verdrängungswettbewerb
57
58
59
Vgl. Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (2013), S. 9.
Vgl. Dobberke, C (2013): Man muss unterschiedliche Akzente setzen. In: Der Tagesspiegel (7.12.2013), S.
25.
Vgl. Dobberke, C. (2013): Center-Hauptstadt Berlin – Ein Überblick. In: Der Tagesspiegel (7.12.2013), S. 41
f.
18
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Langfristig betrachtet geht im deutschen Einzelhandel die Zahl der kleinen, inhabergeführten Betriebe stetig zurück. In der Vergangenheit gewannen vor allem Discounter große
Marktanteile hinzu. Bei unwesentlich steigenden Umsätzen können Marktanteile nur auf
Kosten der Mitbewerber gewonnen werden. Dies versuchen einzelne Unternehmen durch
eine Vergrößerung der Verkaufsflächen und einen intensiven Preiswettbewerb. Vor allem
Discounter verfolgen diese Strategie, die ihren Umsatzanteil von bundesweit 23,7 Prozent
in 1990 auf 40,6 Prozent in 2005 ausbauen konnten.60 Niedrige Verkaufspreise sind ein
entscheidendes Instrument im Verdrängungswettbewerb. Was die Handelsunternehmen
bei den Niedrigpreisen einbüßen wird bei Herstellern und auch bei den Personalkosten
wieder reingeholt. Es gibt – bezogen auf die Fläche – insgesamt weniger Personal, das
mehr leisten muss, weniger Serviceleistungen, mehr Masse statt Klasse. Die Niedrigpreisorientierung hat zu einer „Discountierung“ des gesamten Sektors geführt und den deutschen Einzelhandelsmarkt nachhaltig verändert. „Die preisaggressiven Formate scheinen
die einzigen Gewinner zu sein.“61
Konzentrationsprozesse
Der Konzentrationsprozess im deutschen Einzelhandel gilt als weit fortgeschritten. So halten die vier größten Lebensmitteleinzelhändler inzwischen einen gemeinsamen Marktanteil
von rund 85 Prozent.62 Demgegenüber erwirtschaften 80 Prozent der (Klein-)Unternehmen
gemeinsam lediglich acht Prozent des gesamten Umsatzes.63 Entsprechend ungleich sind
die Marktchancen der einzelnen Unternehmen: So verfügen die großen Konzerne über erhebliche Wettbewerbsvorteile durch niedrige Einkaufspreise, mithilfe derer sie niedrige Verkaufspreise realisieren können. Je stärker also der Konzentrationsprozess, desto schwieriger wird die Wettbewerbssituation für die kleinen und mittleren Handelsunternehmen. Entsprechend rückläufig ist die Zahl kleiner inhabergeführter (Fach)Geschäfte mit Flächen unter 400 qm.
Um einer weiteren Konzentration entgegenzuwirken, gibt es in Berlin seit längerem die
Überlegung, die vorhandenen Geschäftsstraßen zu sichern und weiterzuentwickeln, um
Einzelhandels- und Dienstleistungsstrukturen zu stärken, die nicht von Ketten dominiert
sind. „Business Improvement District“ (BID) heißt die neue Form kleiner und mittelständischer Standortgemeinschaften aus Immobilieneigentümerinnen und -eigentümern, Händlerinnen und Händlern sowie Anwohnerinnen und Anwohnern. Das Ziel eines BID ist die
Stärkung der Selbstorganisation der Akteurinnen und Akteure hin zu einer verbindlichen
Kooperation, damit diese ihre Wettbewerbsfähigkeit halten und ausbauen können. Im Jahr
2005 wurde ein Gesetzesentwurf in Berlin hierzu allerdings abgelehnt, 2013 gab es einen
erneuten Anlauf, über den noch diskutiert wird.
60
61
62
63
Vgl. Bormann, S. 5.
Vgl. KPMG (2010), S. 51.
Vgl. Schlippenbach/Pavel (2011), S. 2.
Vgl. Ver.di Bildung und Beratung gGmbH (2011), S. 11.
19
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Ohne Zweifel: Konzentrationsprozesse und Stadtentwicklung können nicht getrennt voneinander betrachtet werden, wenn ein inhabergeführter Einzelhandel weiterhin Bestand haben soll.64
Technologischer Wandel
Die flächendeckende Einführung der Scannerkassen war die wohl bedeutsamste Entwicklung der letzten Jahre, die möglicherweise bald durch Selbstzahlerkassen überholt wird. In
Berlin finden sich bereits Selbstzahlerkassen in einigen Möbelhäusern und Baumärkten.
Die RFID-Technologie (Radio-Frequency-Identification) ermöglicht die berührungslose Datenübertragung auf der Basis elektromagnetischer Wechselfelder; zu befürchten ist, dass
mit RFID künftig „ein Einzelhandelsgeschäft nahezu personalfrei betrieben wird“.65 Computergestützte Warenerfassungssysteme könnten schon bald zahlreiche Arbeitsplätze in der
Logistik ersetzen. Hinzu kommen die Umstellung auf moderne Verkaufsmethoden wie
Selbstbedienung sowie neue Organisationsformen von Geschäfts- und Betreibungskonzepten und Vertriebswegen (Integrierte Warenwirtschaftssysteme, Just-in-time-Belieferung,
Factory-Outlets, Filialgeschäfte und Franchise).
Insbesondere der Online-Handel (E-Commerce, Internetauktionen) und neue Formen des
Versandhandels, wie z. B. Apothekenversender, verzeichneten in der Vergangenheit hohe
Wachstumsraten. So sind bereits heute zwei Drittel der Händler mit eigenen Shops im Netz
präsent.66 Perspektivisch sind weitere Zuwächse prognostiziert. So sehen die Befragten im
Ernst & Young Handelsbarometer 201167 in der Vertriebsform Internethandel die mit Abstand besten Perspektiven. Sofern die Unternehmen bereits über Online-Shops verfügen,
planen 82 Prozent der Befragten, hier ihre Aktivitäten auszuweiten.
Verlängerte Ladenöffnungszeiten
Seit 2006 sind die Ladenöffnungszeiten nahezu vollständig liberalisiert. Berlin zählt neben
sechs weiteren Bundesländern zu jenen, in denen gewerbliche Anbieter von montags bis
samstags von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr, laut Ladenöffnungsgesetz, geöffnet haben dürfen.
Für die Sonn- und Feiertage gelten für bestimmte Verkaufsstellen Ausnahmen, die eine
Ladenöffnung auch an diesen Tagen erlauben.
64
65
66
67
Informationen zum BID finden sich unter:
Vgl. Dobberke, C. (2013): Gesetzesentwurf der Berliner Grünen. Pflichtbeiträge für schöne Geschäftsstraßen. In: Der Tagesspiegel (13.06.2013). http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/gesetzentwurf-der-berlinergruenen-pflichtbeitraege-fuer-schoene-geschaeftsstrassen/8340982.html (23.01.2014).
Vgl. Der Tagesspiegel (24.02.2013): BID-Projekte. Wie ein Business Improvement District funktioniert.
http://www.tagesspiegel.de/berlin/bid-projekte-wie-ein-business-improvement-districtfunktioniert/7829464.html (08.12.2014).
Vgl. Bündnis 90 Die Grünen (2013). http://www.gruene-fraktion-berlin.de/termin/vorstellung-desgesetzentwurfs-zur (23.01.2014).
Vgl. IHK Berlin (2013). http://www.ihkberlin.de/standortpolitik/downloads/_verlinkungen/Stadtentwicklung/Laufende_Gesetzgebungsverfahren/81836
2/Die_Position_der_IHK_Berlin_zum_Thema_BID.html;jsessionid=58269C5D426F87F1BDBB4B29031B48
D7.repl2 (23.01.2014).
Ver.di (2011), S. 27.
Vgl. Ernst & Young (2011), S. 13.
Vgl. ebd. Hier wurden 120 Handelsunternehmen und 1.100 Verbraucher befragt.
20
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Möglichkeiten langer Öffnungszeiten werden von den Subbranchen des Einzelhandels
durchaus unterschiedlich wahrgenommen. Der filialisierte Einzelhandel gilt hier als jenes
Segment, wo die Öffnungszeiten massiv ausgedehnt wurden. Insbesondere machen bei
den Öffnungszeiten am Sonntag einige Supermärkte und Discounter an einschlägigen Verkehrsknotenpunkten Gebrauch (EDEKA im S- und U-Bahnhof in der Friedrichstraße oder
Ullrich am S- und U-Bahnhof Zoologischer Garten). Ebenso haben viele Souvenirshops an
den einschlägigen Touristenknotenpunkten an Sonntagen geöffnet (z. B. Checkpoint Charlie, Brandenburger Tor). Auch der Einzelhandel mit Verlagsprodukten an Bahnhöfen zählt
zu jenen, die sonntags öffnen. Hinzu kommen Tankstellen und zum Teil auch Apotheken (z.
B. S- und U-Bahnhof Alexanderplatz sowie Friedrichstraße). Von den Öffnungszeiten nach
24:00 Uhr machen zumeist die „Spätis“ in Berlin Gebrauch. Sie sind aus der Berliner Stadtkultur nicht mehr wegzudenken und haben ihren Reiz gerade darin, dass sie zumindest in
der Innenstadt leicht zu finden sind und bei ihnen rund um die Uhr Alkohol, Schokolade
oder Tabak erworben werden kann.
Inwieweit dies jedoch zu Umsatzsteigerungen führt ist fraglich. Die KPMG kommt zu dem
Schluss, dass „unbegrenzte Ladenöffnungszeiten nur vereinzelt zu einem spürbaren
Mehrumsatz“ führen werden, dies vor allem in entsprechend frequentierten Gebieten. Insgesamt sei vielmehr eine Verlagerung der Umsätze zwischen den einzelnen Unternehmen
festzustellen.68 Auch führen verlängerte Ladenöffnungszeiten nicht zu einem nennenswerten Beschäftigungsplus, wie bereits in 1998 die repräsentative Studie von Hilf und Jacobsen ergab.69 Im Gegenteil kann als Folge eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen
für die im Einzelhandel Beschäftigten festgehalten werden, etwa durch eine Zunahme von
geringfügiger Beschäftigung, Leiharbeit und Werkverträgen sowie dem Abbau von Vollzeitstellen.
Demografischer Wandel und soziodemografische Besonderheiten für Berlin
Laut der Bevölkerungsprognose für Berlin aus dem Jahr 2011 werden hier im Jahr 2030 3,7
Millionen Menschen leben. Im Jahr 2011 waren es noch 3,5 Millionen Menschen.70 Der
leichte Bevölkerungszuwachs ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Berlin ein attraktiver Lebens- und Arbeitsraum für Menschen aus dem In- und Ausland ist (Internationalisierung).71 Der Ausländeranteil beträgt in Berlin im Jahr 2012 an der Gesamtbevölkerung Berlins etwa 12,7 Prozent.72 Hinsichtlich des Rückgangs von Geburten und der steigenden
Lebenserwartung unterscheidet sich Berlin jedoch wenig vom bundesweiten Trend. Im Jahr
2030 wird das Durchschnittsalter der Bevölkerung hier bei 44,2 Jahren liegen. Es kommt zu
einer überproportionalen Zunahme der Bevölkerung in den höheren Altersgruppen: Bei den
über 80-jährigen wird eine Verdoppelung der Anzahl auf 268.000 erwartet, die Anzahl der
68
69
70
71
72
Vgl. KPMG (2010), S. 6.
Vgl. Hilf/Jacobsen (1998).
Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Hrsg.) (2012), S. 2.
http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/bevoelkerungsprognose/download/bevprog_2011_2030_kurzfa
ssung.pdf (12.12.2014).
Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Hrsg.) (2014): Internationalisierung der Gesellschaft, Berlin. http://www.berlin.de/demografiekonzept/grundlagen/internationalisierung/index.html
(22.01.2014).
Vgl. Amt für Statistik Berlin und Brandenburg. https://www.statistik-berlin-brandenburg.de/statistiken/inhaltstatistiken.asp (22.01.2014).
21
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
„jungen Alten“ (65 bis unter 80 Jahre) wird sich auf 590 Tausend und damit um 14,4 Prozent erhöhen.73 Mit der Alterung der Gesellschaft in Berlin erwachsen veränderte Anforderungen an den Einzelhandel. Dies trifft insbesondere auf die Nahversorgung und die Sortimentsausstattung zu.74
Nicht zu unterschätzen sind in diesem Zusammenhang auch die verminderten Konsumausgaben für Bekleidung und Lebensmittel. Neben den Kundinnen und Kunden sind die
Beschäftigten des Einzelhandels zu berücksichtigen. Für Unternehmen wird es immer wichtiger, sich einer alternsgerechten Unternehmenskultur zu stellen und die Augen vor den
Chancen, die diese birgt, nicht zu verschließen.
2.4
Zusammenfassung
Bisher wurde aufgezeigt, wie vielfältig die personalpolitischen Herausforderungen in den
einzelnen Segmenten des Einzelhandels sind und wie eng diese mit den strukturellen Veränderungsprozessen, wie dem Preis- und Verdrängungswettbewerb sowie der Flächenexpansion, verbunden sind. Das Abschmelzen der Kernbelegschaft zugunsten prekärer und
geringfügiger Beschäftigung, d. h. nicht existenzsichernder Vollzeit- und Teilzeitstellen,
stellt ein zentrales Moment dar. Darüber hinaus wurden die ökonomischen Bedingungen
des Einzelhandels in Berlin sowie die Besonderheiten der Stadt dargelegt. Insbesondere
aus den verlängerten Ladenöffnungszeiten und den damit verbunden Präferenzen der
Kundinnen und Kunden erwachsen hohe Anforderungen an die Beschäftigten im Hinblick
auf die Flexibilisierung der Arbeitszeit und der Beschäftigungsverhältnisse.
Zukünftig werden die Veränderungsprozesse im Berliner Einzelhandel durch folgende Entwicklungen gekennzeichnet sein: die fortschreitenden Konzentrationsprozesse im Einzelhandel, die demografische Entwicklung sowie die Ausweitung des Online-Handels.
Letzterem wird vor allem im Non-Food-Bereich des Einzelhandels ein überproportionales
Wachstum vorausgesagt. Dabei stellt sich für Unternehmen nicht mehr die Frage, ob online
oder stationär: „Wer auch zukünftig dabei sein will, muss auf vielen Kanälen verkaufen“.75
Das Wachstum des Internethandels geht zulasten des stationären Handels, denn die Umsatzentwicklung insgesamt steigt nur mäßig. Mit Blick auf die Beschäftigung ergeben sich
hieraus enorme Umwälzungen: Verkaufstätigkeiten im stationären Einzelhandel entfallen,
während Arbeitsplätze im Versand und in der Logistik entstehen.
Der demografische Wandel bringt eine Alterung der Bevölkerung in Berlin mit sich. Verschiedene Prognosen zeigen die Gewinner und Verlierer des Einzelhandels dieser Entwick-
73
74
75
Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Hrsg.) (2012), S. 2.
http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/bevoelkerungsprognose/download/bevprog_2011_2030_kurzfa
ssung.pdf (12.12.2014).
Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Hrsg.) (2014): Älterwerden der Gesellschaft, Berlin. http://www.berlin.de/demografiekonzept/grundlagen/aelterwerden-der-gesellschaft/index.html
(22.01.2014).
Vgl. Galubitz (2011), S. 47.
22
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
lung auf76: Grob zusammengefasst werden die Konsumausgaben für Gesundheit und Pflege, Freizeit und Unterhaltung steigen, für Nahrungsmittel und Bekleidung sinken.
Offen bleibt, wie sich die Formate des Einzelhandels verändern werden, denn nachgewiesen ist, dass Ältere höhere und andere Ansprüche an Sortiment, Service, Beratung, Ladeneinrichtung und Standort stellen als Jüngere.77 Dies alles spricht eher für einen Wettbewerbsvorteil – etwa im Lebensmitteleinzelhandel – der Supermärkte gegenüber den Discountern und SB-Warenhäusern.
Die sich verändernden Strukturen im Einzelhandel können dabei nicht unabhängig von den
Arbeitsbedingungen für Dienstleistungsfacharbeiterinnen und Dienstleistungsfacharbeiter
betrachtet werden: Sich wandelnde Ansprüche an Dienstleistungsqualität bedeuten auch
sich wandelnde Anforderungen der Arbeitsqualität und damit sich wandelnde Bedürfnisse
an eine Unternehmens- und Organisationskultur.
76
77
Vgl. Eitner (2008), S. 164.
Vgl. ebd., S. 265.
23
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
3
Die Beschäftigungssituation im Berliner Einzelhandel
In diesem Kapitel wird die Beschäftigungssituation im Berliner Einzelhandel beschrieben,
wobei die Arbeitsverhältnisse, die Arbeitszeitregime, die Altersstruktur sowie die Ausbildungs- und Weiterbildungssituation im Fokus stehen. Zudem werden die Einkommenssituation und abschließend die Arbeitsbedingungen und ihre besonderen Merkmale dargestellt.
3.1
Die Arbeitsverhältnisse im Berliner Einzelhandel
Die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten hat in Berlin neben der Flexibilisierung der
Arbeitszeiten auch erhebliche Auswirkungen auf die Beschäftigungsformen im Einzelhandel. Befristung der Arbeitsverträge, Leiharbeit und Werkverträge sind nur einige Schlaglichter, die die Arbeitsverhältnisse im Einzelhandel kennzeichnen.
3.1.1 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Voll- und Teilzeit
Im Berliner Einzelhandel sind im Jahr 2012, laut der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit, 99.697 Personen beschäftigt. Die Beschäftigten im Berliner Einzelhandel
machen ca. 8,2 Prozent aller in Berlin sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus.
Betrachtet man nun die einzelnen Segmente des Berliner Einzelhandels, so zeigt sich folgendes Bild. Jeweils ca. ein Drittel ist im Einzelhandel mit sonstigen Gütern und im Einzelhandel mit Waren verschiedener Art.
Abbildung 1: Segmente des Berliner Einzelhandels nach seiner Beschäftigungsstärke,
Stichtag 31.12.2012
47.9 Einzelhandel (nicht i.Verkaufsräum.u.Ä.)
6,789
47.8 Einzelhandel an Verkaufsständen und auf
Märkten
,314
47.7 Einzelhandel mit sonstigen Gütern
31,813
47.6 Einzelhandel mit Verlagsprodukten,
Sportausrüstungen und Spielwaren
5,624
47.5 Eh.m.sonst.Haush.gerät.usw
10,533
47.4 Einzelhandel mit Geräten der Informationsund Kommunikationstechnik
4,859
47.3 Einzelhandel mit Motorenkraftstoffen
(Tankstellen)
1,738
47.2 Eh. m. Nahrungsm.usw.
8,611
47.1 Einzelhandel mit Waren verschiedener Art
29,719
,00
5,00 10,00 15,00 20,00 25,00 30,00 35,00
Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen.
24
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
51.033 Personen arbeiten davon in Vollzeit und 48.646 in Teilzeit. Knapp die Hälfte (48,8
Prozent) aller im Berliner Einzelhandel Beschäftigten übt eine Teilzeitbeschäftigung aus,
davon sind 22,7 Prozent in einer geringfügige Beschäftigung – in einem Minijob - !
Abbildung 2: Beschäftigungsformen im Berliner Einzelhandel, Stichtag 31.12.2012
Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen.
Im Berliner Einzelhandel sind etwa zwei Drittel der Beschäftigten weiblich. Betrachtet man
den geschlechterspezifischen Anteil an Voll- und Teilzeitbeschäftigten an der Gesamtzahl
der Beschäftigten im Berliner Einzelhandel, so fällt auf, dass das Verhältnis vollzeitbeschäftigter Frauen und Männer nahezu gleich ist.
Abbildung 3: Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nach Geschlecht,
Stichtag 31.12.2012
Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen.
25
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Vor dem Hintergrund, dass Männer jedoch nur ein Drittel der Beschäftigten im Berliner Einzelhandel stellen, ist deren Vollzeitanteil mit knapp 70 Prozent sehr hoch. Die Quote der in
Vollzeit beschäftigten Frauen beträgt von allen weiblichen Beschäftigten im Einzelhandel
rund 42 Prozent, und 58 Prozent üben eine Teilzeitbeschäftigung aus. Damit zeigt sich: Der
Einzelhandel in Berlin ist eine Frauendomäne und die weiblichen Beschäftigten üben überwiegend eine Teilzeitbeschäftigung aus.
Abbildung 4: Geschlechterspezifischer Anteil an der Voll- und Teilzeitbeschäftigung,
Stichtag 31.12.2012
Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen.
3.1.2 Atypisch Beschäftigte
„Atypische Beschäftigungsverhältnisse“ zeichnen sich durch eine „negative Abgrenzung
zum Normalarbeitsverhältnis“78 aus und bilden damit eine „Sammelkategorie heterogener
Beschäftigungsformen“.79 Als Normalarbeitsverhältnis wird das unbefristete Vollzeitarbeitsverhältnis verstanden, das vollständig in die sozialen Sicherungssysteme integriert ist, eine
Identität von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis aufweist (keine Leiharbeit) und bei dem
eine Weisungsgebundenheit des Arbeitsnehmers vom Arbeitgeber besteht (keine Werkverträge).80 Abweichungen hiervon stellen die nicht existenzsichernde Teilzeitbeschäftigung,
die geringfügige Beschäftigung, Midi-Jobs, Leiharbeit, Werkverträge, befristete Arbeitsverhältnisse sowie Selbstständige ohne Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dar.81
Atypische Beschäftigungsverhältnisse zeigen im Berliner Einzelhandel folgendes Bild: Von
den insgesamt 48.646 in Teilzeit Beschäftigten arbeitet knapp die Hälfte (22.652 Beschäftigte) auf geringfügiger Basis. Davon sind knapp 66 Prozent Frauen und 34 Prozent Männer.
78
79
80
81
Vgl. Henneberger/Keller. http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/576005891/atypische-beschaeftigungv2.html (31.01.2014).
Vgl. Keller/Seifert (2009). http://www.bpb.de/apuz/31902/atypische-beschaeftigungsverhaeltnisse-formenverbreitung-soziale-folgen?p=all (31.01.2014).
Vgl. Henneberger/Keller. Atypische Beschäftigung.
Vgl. ebd.
26
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Abbildung 5: Anteil geringfügig Beschäftigter an Teilzeitbeschäftigten nach Geschlecht,
Stichtag 31.12.2012
Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen.
Leider gibt es kein verfügbares Datenmaterial, welches Auskunft geben könnte über die
Ausmaße von befristeten Verträgen, von Leiharbeit oder die Anzahl der (Solo)Selbstständigen im Berliner Einzelhandel. An dieser Stelle kann somit nur ein allgemeiner
Trend nachgezeichnet werden. Insbesondere die mediale Öffentlichkeit sowie Gewerkschaften berichten immer wieder von folgender Praxis: Leiharbeit wird durch den Abschluss
von Werkverträgen ersetzt. Unternehmen übertragen hierbei zentrale Aufgaben, die sich
nicht von den Tätigkeiten der Stammbelegschaft unterscheiden, an Subunternehmen, die je
Werk bezahlt werden. Werkverträge sind nicht meldepflichtig und können nach Belieben
häufig neu abgeschlossen werden.82 Darüber hinaus wird in aktuellen Medienberichten
über die Beschäftigung von sogenannten Stundenlöhnern und Stundenlöhnerinnen berichtet. Diese Beschäftigten wissen weder zu Monatsbeginn, wie viele Stunden sie tatsächlich
arbeiten müssen und wann sie diese zu absolvieren haben, noch mit welchem Lohn sie
rechnen können. Vertraglich ist lediglich eine Mindestarbeitszeit von 10-15 Stunden vereinbart. Neben diesem Modell ist auch jenes der „befristeten Aushilfen“ beliebt. Hierbei erfolgt
eine kurzfristige Kündigung, sofern die Beschäftigten für ein paar Tage nicht gebraucht
werden, um sie dann anschließend direkt wieder befristet unter Vertrag zu nehmen.83
82
83
Vgl. Bognanni (2011). http://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-08/lohndumping-leiharbeit (16.1.2014).
Vgl. Völpel (2013), S. 4 f.
27
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
3.2
Altersstruktur der Beschäftigten im Berliner Einzelhandel
Die demografische Entwicklung ist im Berliner Einzelhandel in zweifacher Hinsicht zu betrachten: Es geht zum einen um die veränderte Nachfrage der älter werdenden Bevölkerung und zum anderen um die Altersstruktur der Beschäftigten.
3.2.1 Alterskohorten im Berliner Einzelhandel
Abbildung 6: Altersstruktur der Beschäftigten im Berliner Einzelhandel,
Stichtag 31.12.2012
Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen.
Die meisten der im Berliner Einzelhandel Beschäftigten sind zwischen 25 und 55 Jahre alt.
Sie machen mit 75,6 Prozent den größten Anteil an den Beschäftigten aus. Den zweitgrößten Anteil mit 14,8 Prozent stellen die 15- bis 25-jährigen. Die 55- bis 65-jährigen machen
ca. 9 Prozent aus. Ab einem Alter von 65 plus finden sich kaum Beschäftigte im Berliner
Einzelhandel: Sie sind nur mit 0,4 Prozent vertreten. 62 Prozent (50.262 Personen) der 25bis 55-jährigen sind Frauen. Sie stellen den größten Anteil an dieser Altersgruppe. Männliche Kollegen kommen auf 37 Prozent.
28
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Abbildung 7: Altersstruktur nach Geschlecht im Berliner Einzelhandel, Stichtag 31.12.2012
Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen.
Auffällig ist zudem, dass sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen ab dem 55. Lebensjahr der Anteil an der Gesamtzahl der Beschäftigten erheblich geringer wird. Nur sieben Prozent aller weiblichen Beschäftigten sind älter als 55 Jahre und bei den Männern
beträgt der Anteil nur 2,5 Prozent.
Die Altersstruktur in den jeweiligen Segmenten des Einzelhandels zeigt: Die mit Abstand
größte Beschäftigtengruppe in allen Segmenten ist zwischen 25 und 55 Jahre alt. Die Beschäftigtengruppe zwischen 55 und 65 Jahren ist prozentual zu einem viel geringen Anteil
vertreten und weist je nach Einzelhandelssegment nochmal große Unterschiede auf. Am
häufigsten sind Personen dieser Altersgruppe in folgenden Segmenten beschäftigt: „Einzelhandel mit sonstigen Haushaltsgeräten, Textilien, Heimwerker- und Einrichtungsbedarf“,
„Einzelhandel mit Waren verschiedener Art“ sowie im „Einzelhandel mit sonstigen Gütern in
Verkaufsräumen“. In allen Einzelhandelssegmenten überwiegt jedoch der Anteil der Beschäftigten zwischen 15 und 25 Jahren gegenüber der Beschäftigtengruppe, die zwischen
55 und 65 Jahren alt ist. Der Einzelhandel in Berlin tendiert damit eher zu einer jugend-,
denn zu einer alterszentrierten Ausrichtung der Beschäftigten.
29
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Abbildung 8: Altersstruktur in den Segmenten des Einzelhandels in Berlin,
Stichtag 31.12.2012.
Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen.
Illustrierend soll hierzu auf die Arbeitsberichterstattung aus Sicht der Beschäftigten hingewiesen werden: Etwa 42 Prozent der im Handel Beschäftigten werden ihre jetzige Tätigkeit
unter den derzeitigen Anforderungen bis zum gesetzlichen Rentenalter ohne Einschränkungen „wahrscheinlich nicht“ ausüben können. 17 Prozent können ihre Arbeitsfähigkeit bis
zum Renteneintrittsalter schlecht einschätzen.84 Diese Meinungen und Einschätzungen der
Beschäftigten spiegeln die hohen Belastungen wider.
84
Vgl. DGB-Index Gute Arbeit, 2012, S. 8.
30
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
3.2.2 Altersstruktur und Betriebsgröße
Hinsichtlich der Altersstruktur und den Betriebsgrößen kann nur Material für den Berliner
Handel – nicht spezifiziert für den Einzelhandel – dargelegt werden.
Tabelle 1: Beschäftigte im Handel in Berlin nach Betriebsgröße und Betriebsgrößenklasse,
Stichtag 30.06.2011
Betriebsgrößenklasse/Land
Betriebstyp
Jugendzentriert
Ausgeglichen
Alterszentriert
Prozent
1 bis
4 Beschäftigte
10
52
38
5 bis
9 Beschäftigte
21
58
21
10 bis
49 Beschäftigte
20
63
17
50 bis
249 Beschäftigte
17
58
25
ab
250 Beschäftigte
9
57
34
15
58
27
Berlin
Quelle: IAB-Betriebspanel, Welle 2011, S. 26.
Das Schaubild zeigt, dass eine dem Alter nach ausgeglichene Belegschaft in allen Betriebsgrößenklassen über 50 Prozent liegt. Interessant ist es somit, sich die Alters- und Jugendzentrierung genauer anzusehen. Hierbei fällt auf: Je kleiner (1 bis 4 Beschäftigte),
bzw. je größer (ab 250 Beschäftigte) die Unternehmen sind, desto eher gibt es eine Neigung zur Alters- denn zur Jugendzentrierung. In Berlin gibt es den Panelergebnissen des
IAB 2011 zufolge in 55 Prozent der Betriebe eine dem Alter nach ausgewogene Belegschaft. Das ist in etwa jeder zweite Betrieb. 45 Prozent haben demgegenüber unausgewogene Altersstrukturen, wobei es in Berlin etwa doppelt so viele alterszentrierte (29 Prozent)
als jugendzentrierte (16 Prozent) Betriebe gibt.85
Diese Ergebnisse spiegeln sich auch hinsichtlich der Verteilung der Beschäftigten wider.
Demnach sind 58 Prozent aller Beschäftigten im Berlin Handel in einem Betrieb mit einer
dem Alter nach ausgewogenen Belegschaft beschäftigt. 15 Prozent der Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer arbeiten in Betrieben mit jugendzentrierter Ausrichtung und etwa doppelt
so viele (26 Prozent) sind einem alterszentrierten Unternehmen zugehörig.
Im Berliner Handel liegt der Anteil der Betriebe mit Älteren, gemessen an allen Berliner Betrieben, bei 59 Prozent und der Anteil der Jüngeren an den Beschäftigten bei 31 Prozent.
Im Vergleich zu den übrigen Berliner Dienstleistungsbranchen liegt der Anteil der Betriebe
hiermit unter dem Durchschnitt (71 Prozent), der Anteil der Beschäftigten im Handel jedoch
darüber (29 Prozent).86
Die Panelergebnisse besagen jedoch, dass die Zunahme des Anteils von Betrieben mit
älteren Beschäftigten nicht auf bewusstes personalpolitisches Handeln zurückzuführen sei,
85
86
Vgl. Betriebspanel Berlin (2011), S. 24 f.
Vgl. ebd., S. 23.
31
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
sondern primär auf natürliche Alterungsprozesse der Belegschaften.87 In 2011 lag der Anteil
der Betriebe, in denen ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt waren und
die Maßnahmen für Ältere durchführten, in Berlin bei lediglich 15 Prozent. Vor dem Hintergrund des wachsenden Anteils der Betriebe mit älteren Beschäftigten und im Sinne der
Fachkräftebindung auch über das 55. Lebensjahr hinaus sind zukünftig betriebliche Maßnahmen des altersgerechten und alternsgerechten Arbeitens zu initiieren. Derzeit profitieren fast ausschließlich Beschäftigte in Berliner Großbetrieben von derartiger Unterstützung.88
3.3
Ausbildungssituation im Berliner Einzelhandel
Eine qualifizierte Ausbildung ist ein bedeutender Grundstein für das Berufsleben vieler junger Menschen. Insofern ist es spannend, sich die Daten zur Ausbildungssituation im Einzelhandel anzuschauen und zu prüfen, ob der Einzelhandel in Berlin – im Vergleich zum
bundesweiten Trend – eine attraktive Option für Schulabgänger und Schulabgängerinnen
ist. Zu berücksichtigen sind unter dem Aspekt „Abschluss im Einzelhandel“ auch außerbetriebliche Ausbildungsverhältnisse. Es wird untersucht, welche die beliebtesten Ausbildungsberufe im Einzelhandel sind und ob es geschlechtsspezifische Unterschiede bei der
Auswahl gibt. Darüber hinaus soll aufgezeigt werden, wie hoch die Anzahl auszubildender
Betriebe im Berliner Einzelhandel ist und ob es Probleme bei der Besetzung der Ausbildungsplätze gibt. Des Weiteren werden Angaben zum Übergang von der Ausbildung in die
Beschäftigung gemacht.
3.3.1 Ausbildungsverhältnisse in den Kernberufen des Einzelhandels
Der Handelsverband Deutschland (HDE) und sein regionales Pendant in BerlinBrandenburg (Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V.) zählen den Einzelhandelskaufmann/ die Einzelhandelskauffrau sowie den Verkäufer/ die Verkäuferin zu den Kernberufen
des Einzelhandels. Somit erfolgt die Darlegung der Ausbildungssituation auch anhand dieser.
In Berlin gab es im Jahr 2012 insgesamt 4.232 Ausbildungsplätze89, wovon 2.022 Neueintragungen aus dem Jahr 2012 waren. 74 Prozent waren betriebliche und 26 Prozent außerbetriebliche Ausbildungsplätze. Die Anzahl jener, die sich für eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann/ zur Einzelhandelskauffrau entschieden haben, überwiegt dabei deutlich mit 68 Prozent im Gegensatz zu jenen 32 Prozent, die eine Ausbildung zum Verkäufer/
zur Verkäuferin machen. Diese Zahlen unterstreichen auch den Trend: Die Neueintragungen für den Ausbildungsberuf zum Einzelhandelskaufmann/ zur Einzelhandelskauffrau sind
seit Jahren zum ersten Mal wieder gestiegen, wohingegen die Neueintragungen zum Verkäufer/ zur Verkäuferin gesunken sind.
87
88
89
Vgl. ebd., S. 22.
Vgl. ebd., S. 26 f.
Die Zahl der Ausbildungsplätze ist von der der Bundesagentur für Arbeit leicht abweichend, da in jener keine
Fokussierung auf den Kernberufen liegt. Die Zahl der Ausbildungsplätze beträgt hier 4.742.
32
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Tabelle 2: Ausbildungsverhältnisse im Berliner Einzelhandel
Bestand
Neueintragungen
Beruf
2009
2010
2011
2012
2009
2010
2011
2012
Einzelhandelskauf-
3.679
3.361
2.991
2.843
1.425
1.331
1.189
1.299
davon betriebliche Ausbildungsplätze:
1.027
1.020
761
761
mann/-frau
Verkäufer/
1.371
1.376
1.421
1.389
737
1092
723
Verkäuferin
davon betriebliche Ausbildungsplätze:
Insgesamt
381
477
2.162
2.092
1.950
davon betriebliche Ausbildungsplätze:
1.408
1.467
5.050
4.737
4.412
4.232
414
2.022
1506
Quelle: Handelsverband Berlin Brandenburg e.V. (2013): Jahresbilanz 2012, S. 1.
Eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann/ zur Einzelhandelskauffrau ist einer der am
meisten nachgefragten Ausbildungsberufe in Berlin.90 Auch wenn in Berlin im Gegensatz
zum Bundestrend (-6,5 Prozent) die Neueintragungen um 3,4 Prozent erhöht werden konnten, sei auf Folgendes hingewiesen: Seit vier Jahren ist die Zahl der Ausbildungsbewerber
und Ausbildungsbewerberinnen insgesamt rückläufig.91
In der Bildungszielplanung der Bundesagentur für Arbeit Berlin für das Jahr 2014 sind zudem die berufsanschlussfähigen Teilqualifikationen im Bereich des Handels als förderfähig
vermerkt. Berufsanschlussfähige Teilqualifikationen können über das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt „JobstarterConnect“ auch für die
Berufe Verkäufer/Verkäuferin sowie Einzelhandelskaufmann/Einzelhandelskauffrau erworben werden. Das Projekt richtet sich an Altbewerberinnen und Altbewerber sowie an- und
ungelernte junge Erwachsene, die über bundeseinheitliche und kompetenzbasierte Ausbildungsbausteine auf dem dualen Wege einen Ausbildungsberuf im Handel erlernen können.92
Geschlechterspezifische Aussagen für die Ausbildungsberufe können anhand der Datenlage leider nicht formuliert werden. Die Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit
zeigt ein fast ausgewogenes Bild weiblicher und männlicher Auszubildender, ordnet diese
geschlechterspezifisch jedoch keinen Ausbildungsberufen zu.
90
91
92
Vgl. Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V. (2013), S. 1.
Vgl. ebd., S. 3.
Vgl. Bundesagentur für Arbeit. http://www.arbeitsagentur.de/Dienststellen/RD-BB/Berlin-Mitte/AA/ZahlenDaten-Fakten/Qualifizierungsplanung/generische-Publikationen/Qualifizierungsplanung-2014-pdf.pdf
(27.01.2014).
Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung. http://www.jobstarter.de/de/1208.php (27.01.2014).
33
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
3.3.2 Ausbildungsbeteiligung in Berliner Betrieben nach Betriebsgröße
Für Betriebe stellt die eigene Ausbildung eine Möglichkeit der Sicherung von Fachkräften
dar. Um als Ausbildungsbetrieb in Frage zu kommen, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein, die im Berufsbildungsgesetz (BBiG) und in der Handwerksordnung (HwO)
geregelt sind. Hierzu zählen das Vorhandensein eines persönlich und fachlich geeigneten
Ausbilders/ einer Ausbilderin im Betrieb und die grundsätzliche Eignung des Betriebes als
Ausbildungsstätte. Die Branche „Handel und Reparatur“ stellt in Berlin mit 19 Prozent den
zweithöchsten Anteil an allen Auszubildenden.93
Eine Aussage über die Ausbildungsbeteiligung von Einzelhandelsbetrieben in Berlin nach
Betriebsgrößenklasse kann an dieser Stelle auch nur in Anlehnung an einen allgemeinen
Trend getroffen werden: Die Ausbildungsbeteiligung in Betrieben mit 50 und mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist um ein Vielfaches höher (82 Prozent) als in Klein- und
Kleinstbetrieben (16 Prozent). Ab einer Anzahl von 10 Beschäftigten steigt die Beteiligung
aber bereits exponentiell an (61 Prozent). Klein- und Kleinstbetriebe verfügen zumeist nicht
über die formalen Voraussetzungen. Im Gegensatz zu den Betrieben mit 50 bis 250 Beschäftigten haben jene jedoch deutlich weniger Probleme bei der Besetzung der vakanten
Ausbildungsstellen. In 2012 betrug die Nichtbesetzungsquote für den Handel in Berlin 15
Prozent und ist damit im Vergleich relativ gering.94
Abschließend soll die Übernahmesituation der Ausbildungsabsolventen im Handel dargestellt werden. Es zeigt sich, dass die Chance zur Übernahme von der Ausbildung in ein
Beschäftigungsverhältnis im Berliner Dienstleistungssektor im Vergleich zu anderen Branchen deutlich geringer ist. Während Ausbildungsbetriebe hier lediglich 40 Prozent der Auszubildenden nach ihrem Abschluss übernehmen, sind es im produzierenden Gewerbe mehr
als doppelt so viel. Die Chance im Dienstleistungssektor übernommen zu werden ist dabei
für Frauen größer als für Männer.95
In der jüngst von ver.di vorgelegten Sonderauswertung des DGB-Ausbildungsreports für die
Handelsbranche werden die Sichtweisen der Auszubildenden des Handels wiedergegeben.
Es wurden insgesamt 3.700 Auszubildende befragt. Den Ergebnissen zufolge hat ein Drittel
der jungen Menschen im Handel keine Grundlage für den betrieblichen Teil der Ausbildung,
also keinen Ausbildungsplan. Mehr als 17 Prozent führen häufig ausbildungsfremde Tätigkeiten aus. Ein Fünftel kann sich nur manchmal oder selten von einem/einer Ausbilder/Ausbilderin Unterstützung holen. Besonders häufig klagen angehende Fachverkäuferinnen und Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk über die mangelnde Qualität ihrer
Ausbildung. In den Handelsberufen müssen fast 20 Prozent der Auszubildenden regelmäßig Überstunden machen, bei den Fachverkäuferinnen und Fachverkäufern im Lebensmittelhandwerk ist die wöchentliche Arbeitszeit bei einem Drittel der Auszubildenden regelmäßig mehr als 40 Stunden.96
93
94
95
96
Vgl. Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (2013), S. 46, S. 50.
Vgl. ebd., S. 48 ff.
Vgl. ebd., S. 52 ff.
Vgl. Ver.di (2014): DGB-Ausbildungsreport 2013 – Sonderauswertung Handel. S. 5 ff. http://www.verdinews.de/download/DGB-Ausbildungsreport-Sonderauswertung-Handel_2013.pdf (05.12.2014).
34
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
3.4
Qualifikation und Weiterbildung im Berliner Einzelhandel
In Folge der demografischen Entwicklung wird der künftige Arbeitsmarkt durch einen erheblichen Fachkräftemangel gekennzeichnet sein. Entsprechend wächst die Bedeutung der
Aus- und Weiterbildung. Auch der Einzelhandel wird immer stärker auf gut ausgebildete
und qualifizierte Beschäftigte angewiesen sein. Wie sich die gegenwärtige Situation im Berliner Einzelhandel darstellt, wird in den folgenden Abschnitten beschrieben.
3.4.1 Qualifikationsniveaus der Beschäftigten
Von den 99.697 Beschäftigten des Berliner Einzelhandels verfügen knapp 54 Prozent über
einen anerkannten Berufsabschluss und ca. 6 Prozent über einen akademischen Abschluss. 13 Prozent haben keinen Abschluss und bei 27 Prozent der Beschäftigten kann
keine Angabe über den Abschluss gemacht werden.97 Zu letztgenannter Gruppe zählen
auch Schülerinnen und Schüler sowie Studierende, die im Einzelhandel einer Nebenerwerbstätigkeit nachgehen.
Abbildung 9: Qualifikationsniveaus im Berliner Einzelhandel, Stichtag 31.12.2012
Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen.
Auffällig ist, dass, gemessen am je geschlechterspezifischen Anteil der Beschäftigten
(Frauen 66.330 Beschäftigte, Männer 33.367 Beschäftigte), Männer deutlich häufiger im
Einzelhandel arbeiten ohne einen Abschluss zu haben. Auch die Anzahl jener, bei denen
die Ausbildung unbekannt ist, überwiegt bei den Männern. Über einen akademischen Abschluss verfügen sowohl Männer als auch Frauen in gleicher Höhe. Bei beiden Geschlechtern überwiegt die Anzahl derer, die einen anerkannten Berufsabschluss haben (Frauen: 56
Prozent; Männer: 47 Prozent).98
97
98
Vgl. Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit.
Vgl. ebd.
35
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Abbildung 10: Geschlechterspezifische Qualifikationsniveaus im Berliner Einzelhandel,
Stichtag 31.12.2012
Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen.
Betrachtet man nun das Qualifikationsniveau in den beschäftigungsstärksten Segmenten
des Berliner Einzelhandels, in den über 60 Prozent aller Beschäftigten sind, so ergibt sich
folgendes Bild:
Abbildung 11: Qualifikationsniveau im Berliner Einzelhandel und in den
beschäftigungsstärksten Segmenten im Vergleich, Stichtag 31.12.2012
Quelle: Beschäftigungsstatistik Bundesagentur für Arbeit (2012); eigene Berechnungen.
36
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Bereits auf den ersten Blick wird deutlich: Der Anteil Beschäftigter mit einem anerkannten
Berufsabschluss liegt im „Einzelhandel mit Waren verschiedener Art“ (WZ 47.1) deutlich
über dem Berliner Durchschnitt, im „Einzelhandel mit sonstigen Gütern“ (47.7) jedoch darunter. Der Anteil Beschäftigter mit akademischem Abschluss ist in letzterem Segment,
sowohl im Vergleich zum Berliner Durchschnitt als auch zum „Einzelhandel mit Waren verschiedener Art“ um ein vielfaches höher.
Des Weiteren fällt auf, dass in beiden Segmenten der Anteil Beschäftigter ohne anerkannten Berufsabschluss über dem Durchschnittswert für den Berliner Einzelhandel liegt. Dies
zeigt, dass die beschäftigungsstärksten Segmente ein breites Spektrum sogenannter „einfacher Dienstleistungstätigkeiten“ umfasst.
3.4.2 Weiterbildung/ Lebenslanges Lernen im Berliner Einzelhandel
Sowohl die Produkte, die zum Verkauf angeboten werden, als auch die Anforderungen der
Kundinnen und Kunden sind stets im Wandel. Somit verändern sich oftmals auch die qualifikatorischen Anforderungen an die Beschäftigten und es bedarf einer Betrachtung der Weiterbildungssituation im Berliner Einzelhandel. Lebenslanges Lernen erhält in der gesellschaftlichen Wahrnehmung einen immer höheren Stellenwert und bietet sowohl für die Beschäftigten als auch für die Unternehmen einen deutlichen Mehrwert. Ob als betriebliche
Weiterbildungsmaßnahme oder persönliches Engagement in die private und berufliche Zukunft deklariert – Weiterbildung ist aus dem Sprachgebrauch und dem Denken vieler Beschäftigter nicht mehr wegzudenken. Aber wird das lebenslange Lernen auch im Berliner
Einzelhandel den Beschäftigten – auch den älteren Beschäftigten – ermöglicht?
Betriebliche Weiterbildungsaktivitäten und Weiterbildungsbeteiligung von Beschäftigten
Für den Einzelhandel liegen diesbezüglich leider keine spezifischen Daten vor, weshalb an
dieser Stelle nur spezifische Auskünfte in Bezug auf den Handel in Berlin sowie allgemeingültige Aussagen für die Berliner Wirtschaft ausgeführt werden können.
Im Handel in Berlin beträgt die Weiterbildungsquote 39 Prozent und liegt damit fünf Prozent
über der allgemeinen Berliner Weiterbildungsquote von 34 Prozent. Im Handel beschäftigte
Frauen (38 Prozent) nehmen im Vergleich zum Berliner Durchschnitt für Frauen (39 Prozent) leicht unterdurchschnittlich an Weiterbildungsmaßnahmen teil, Männer hingegen (40
Prozent) nehmen verglichen zum Durchschnitt (29 Prozent) häufig teil.99 Der hohe Anteil
männlicher Beschäftigter an Weiterbildungsmaßnahmen im Handel ist insbesondere auf die
gesetzlich vorgeschriebenen Weiterbildungsmaßnahmen zurückzuführen, wie zum Beispiel
der Gabelstaplerführerschein, der in der Lagerlogistik zahlreichen Einsatz findet.
99
Vgl. ebd., S. 59 f.
37
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Tabelle 3: Weiterbildungsquote insgesamt, von Frauen, Männern, nach Branchen und in
Betriebsgrößenklassen in Berlin, Stichtag 30.6.2012
Branche/Betriebsgrößenklasse
Verarbeitendes Gewerbe
Baugewerbe*
Handel und Reparatur
Verkehr, Information, Kommunikation*
Finanz- und Versicherungsdienstleistungen*
Unternehmensnahe Dienstleistungen
Erziehung und Unterricht*
Gesundheits- und Sozialwesen
Übrige Dienstleistungen
Organisationen ohne Erwerbszweck*
Öffentliche Verwaltung*
1 bis
5 bis
10 bis
50 bis
ab
4 Beschäftigte
9 Beschäftigte
49 Beschäftigte
249 Beschäftigte
250 Beschäftigte
Insgesamt
Frauen
Männer
27
24
39
33
40
27
39
51
21
41
34
23
35
38
30
41
31
47
56
28
40
34
29
22
40
34
38
23
22
38
15
42
34
24
28
35
39
33
31
31
44
47
36
18
25
28
33
30
Berlin
34
39
29
Ostdeutschland
35
39
31
Westdeutschland
31
32
30
* Wegen geringer Besetzungszahlen in den gekennzeichneten Branchen sind die Werte mit einer großen statistischen
Fehlertoleranz behaftet. Sie sind daher nur eingeschränkt interpretierbar.
Quelle: IAB-Betriebspanel, Welle 2012, S. 59.
Weiterbildung ist zudem für die weiblichen Beschäftigten, die überwiegend in Teilzeit arbeiten, auch aus diesem Grunde nur schwer möglich. Zwar bringen Frauen oftmals eine hohe
Bereitschaft für die Weiterbildung mit, doch ihr geringes Arbeitszeitvolumen und auch ihre
oftmals alleinige Zuständigkeit für Betreuungsaufgaben für Kinder oder zu pflegende Angehörige stellen Hemmnisse dar.
An dieser Stelle muss jedoch noch einmal auf die mangelnde Datenlage hingewiesen werden. Es bedarf angesichts der strukturellen Entwicklungen im Einzelhandel und den damit
einher gehenden wachsenden Qualifikationsanforderungen näherer Untersuchungen. Darin
gilt es insbesondere die Zeitdimensionen zu beleuchten. Denn angesichts der hohen Flexibilität in der Arbeitszeit entsteht die Frage, wann lebenslanges Lernen zeitlich möglich ist
und ob Weiterbildungsangebote entsprechend der zeitlichen Vorgaben und Restriktionen
angeboten werden. Im Zuge des demografischen Wandels und der erhöhten Beteiligung
älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt, spielt eine alternsgerechte
betriebliche Weiterbildung eine immer größere Rolle. Insbesondere im Einzelhandel wäre
eine stärkere Berücksichtigung notwendig, wo die Anzahl Beschäftigter ab 50 Jahren drastisch zurückgeht.100 Auch die Umfrageergebnisse des DGB haben gezeigt, dass eine Vielzahl Beschäftigter im Einzelhandel einer eigenen Einschätzung zufolge nicht bis zur Rente
arbeitsfähig sein wird.101
100
101
Vgl. Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit.
Vgl. DGB-Index Gute Arbeit (2013).
38
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Die begünstigenden Faktoren für spezifische Maßnahmen für ältere Beschäftigte unterscheiden sich im Wesentlichen nicht von denen, die bei allgemeinen betrieblichen Maßnahmen greifen. Entscheidend ist auch hier die Betriebsgröße. Mit der Größe des Betriebes
steigt das Engagement. 80 Prozent aller Großbetriebe, in denen Ältere beschäftigt waren,
haben in 2011 Maßnahmen für diese durchgeführt. Betriebe mittlerer Betriebsgrößenklasse
realisierten zu 47 Prozent derartige Maßnahmen. Bei den Klein- und Kleinstbetrieben zeigten 19 Prozent ein Engagement.102 Trotz der Zunahme des Beschäftigtenanteils Älterer in
den letzten Jahren bietet nur ein kleiner Teil der Betriebe mit älteren Beschäftigten gesonderte Maßnahmen für jene an. Für den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit dieser Beschäftigtengruppe ist ein stärkeres betriebliches Engagement jedoch notwendig, wie die Zahlen
im Einzelhandel belegen.103
3.5
Die Einkommenssituation im Berliner Einzelhandel
Laut den Ergebnissen der durch die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen
beauftragten Studie „Betriebspanel Berlin 2013“ lag der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst im Handel für abhängig Beschäftigte bei 1.790 Euro, unter Einbezug der Vollzeitäquivalente bei 2.190 Euro in 2013. Der Bruttomonatsverdienst lag bis dato deutlich unter
dem Durchschnitt für die gesamte Berliner Wirtschaft. Pro abhängig Beschäftigtem betrug
dieser für Berlin 2.200 Euro und unter Einbezug der Vollzeitäquivalente 2.620 Euro.
Tabelle 4: Bruttodurchschnittslöhne/-gehälter nach ausgewählten Branchen in Berlin 2013
(Stand: 30. Juni, ohne Arbeitgeberanteile und ohne Urlaubsgeld)
Branche
Bruttodurchschnittsverdienst
je abhängig Beschäftigten
Bruttodurchschnittsverdienst
je Vollzeitäquivalent
Euro
Verarbeitendes Gewerbe
Baugewerbe*
Handel und Reparatur
Verkehr, Information, Kommunikation*
Finanz- und Versicherungsdienstleistungen*
Unternehmensnahe Dienstleistungen
Gesundheits- und Sozialwesen
Übrige Dienstleistungen
Öffentliche Verwaltung*
Insgesamt
2.550
.
1.790
2.500
2.600
2.120
1.930
1.780
2.600
2.200
2.780
.
2.190
2.770
2.970
2.520
2.630
2.320
2.950
2.620
* Wegen geringer Besetzungszahlen in den gekennzeichneten Branchen sind die Werte mit einer großen statistischen
Fehlertoleranz behaftet. Sie sind daher nur eingeschränkt interpretierbar.
Quelle: IAB-Betriebspanel, Welle 2013.
102
103
Vgl. Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (2012), S. 26 ff.
Vgl. ebd., S. 27.
39
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
3.5.1 Tariflicher Bruttodurchschnittsverdienst und Tätigkeit im Einzelhandel
Mit den Ergebnissen der Tarifverhandlungen im Einzelhandel im Januar 2014 hat ver.di
Berlin-Brandenburg eine Entgelterhöhung von insgesamt 5,1 Prozent ab dem 1. Juli 2014
umgesetzt.104 Für kaufmännische Angestellte gelten seither folgende tarifvertraglich geregelte Entgelte: Angestellte im Berliner Einzelhandel, die einfache Tätigkeiten erfüllen, für
die keine Berufsausbildung notwendig ist - zum Beispiel Verkaufshilfen oder Hilfskräfte im
Lager - verdienen je nach Tätigkeitsjahren zwischen 1.598 und 1.998 Euro. Beschäftigte,
die eine 2- oder 3-jährige Ausbildung abgeschlossen haben, verdienen zwischen 1.863 und
2.328 Euro. Zu jenen zählen zum Beispiel Einzelhandelskaufmänner und Einzelhandelskauffrauen sowie Verkäufer und Verkäuferinnen. Verkäuferinnen und Verkäufer, die qualifizierte Arbeiten selbstständig erledigen und über besondere Fachkenntnisse verfügen oder
eine kleine Filiale leiten, kommen je nach Berufsjahren auf ein monatliches Bruttoentgelt
zwischen 2.133 und 2.799 Euro. Leiterinnen und Leiter größerer Filialen oder Hauptkassierer und Hauptkassiererinnen, sprich: Beschäftigte, die eine hohe Verantwortung tragen,
verdienen je nach Tätigkeitsjahren und Anzahl der Unterstellten im Durchschnitt zwischen
2.323 und 3.513 Euro pro Monat. Angestellte in leitender Stellung mit voller Verantwortung
erhalten ein Bruttoverdienst zwischen 2.810 und 4.342 Euro.105
3.6
Arbeitsbedingungen im Berliner Einzelhandel
Im Folgenden werden die Auswirkungen der strukturellen Merkmale und der ökonomischen
Bedingungen des Einzelhandels für die Beschäftigungssituation und die Konsequenzen
dieser für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Berliner Einzelhandels dargestellt
und pointiert. Die wirtschaftlichen Entwicklungen und Marktstrategien sowie die sich daraus
ergebenden Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten sind gekennzeichnet durch einen
zunehmenden Kostendruck aufgrund stagnierender Umsätze und durch erhöhte Flexibilisierungsanforderungen.
Ausdehnung und Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten
Als zentrales Merkmal muss an dieser Stelle erneut auf die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten verwiesen werden: Im verschärften Wettbewerb um Kundinnen und Kunden
haben die Ladenöffnungszeiten im Einzelhandel eine wichtige Bedeutung gewonnen. Die
Perspektive der Nachfragenden steht oftmals im Mittelpunkt bei der Beurteilung von Dienstleistungsqualität, was gravierende Auswirkungen auf die Gestaltung der Betriebs- und Arbeitszeiten der Beschäftigten hat. Flexibilität der Arbeitszeitgestaltung, als Reaktion auf die
Veränderung der zeitlichen Interessen der Kundinnen und Kunden, ist damit zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor von Einzelhandelsunternehmen geworden. Gängige Stra-
104
105
Vgl. Ver.di (2014): Pressemitteilung Tarifergebnis Einzelhandel Berlin und Brandenburg. https://handelbb.verdi.de/einzelhandel/tarifrunde (04.12.2014).
Vgl. Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen; Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie (2014). http://www.berlin.de/imperia/md/content/senarbeit/tarifregister/kurzuebersichten_berlin.pdf?start&ts=1389107928&file=kurzuebersichten_berlin.pdf
(04.12.2014).
40
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
tegien im Umgang mit den gestiegenen Flexibilitätsanforderungen im Einzelhandel sind die
Mobilisierung von Aushilfen, Überstunden und der Verzicht auf freie Tage und Urlaubsansprüche sowie Arbeit auf Abruf. Gerade in Kleinbetrieben gibt es oft informelle Regelungen
in Bezug auf die flexible Gestaltung von Arbeitszeiten, die häufig mit Intransparenz und
Ungleichbehandlung der verschiedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einhergehen.106
Idealtypisch können zwei Strategien benannt werden, wie Einzelhandelsunternehmen mit
den erhöhten Flexibilitätsanforderungen umgehen können, die in der Realität natürlich in
unterschiedlichen Kombinationen zu finden sind107:
• Durch aktive Personalflexibilität: Die Flexibilitätsanforderungen des Unternehmens wer-
den durch das vorhandene, breit qualifizierte Personal in eigenverantwortlicher Form
gemeistert. Entsprechend existieren flexible Arbeitszeitmodelle, die den Beschäftigten
ein hohes Maß an Selbst- bzw. Mitbestimmung ermöglichen.
• Durch passive Personalflexibilität: Hier werden die Unternehmen den Flexibilitätsanfor-
derungen durch numerische Flexibilität gerecht, d. h. durch möglichst viele Beschäftigte
mit geringem Arbeitszeitvolumen, die für ausgewählte Arbeitsaufgaben (z. B. Kassieren,
Warenverräumung) bei Bedarf eingesetzt werden können. Im Zentrum steht hier die (jederzeitige) Verfügbarkeit der Beschäftigten; eine Orientierung an den Arbeitszeitinteressen der Beschäftigten besteht eher nicht.
Die Arbeitszeiten im Einzelhandel werden noch stärker als bisher von der „Normal- oder
Standardarbeitszeit“ abweichen und der Anteil flexibler Arbeitszeitregelungen wird zunehmen. Veränderungen sind zu erwarten in Bezug auf:
• die Dauer der Arbeitszeiten (Ausdehnung der täglichen Arbeitszeiten, Ausweitung der
Schichtzeiten, Ausweitung geteilter Dienste),
• die Lage der Arbeitszeiten (Verschiebung in Abend- und Nachtzeiten und in das Wo-
chenende und damit verbunden eine Zunahme von Schichtarbeit),
• die Verteilung der Arbeitszeiten (entweder eine Verteilung der Arbeitszeit auf längere
Zeiträume, sog. „ausgedehnte Arbeitswoche“, oder Komprimierung der Arbeitszeit in
kurzen Arbeitswochen mit überlangen Schichten),
• den Rhythmus von Arbeit und Freizeit (weitere Desynchronisation von biologischen und
sozialen Rhythmen) und
• den Einfluss der Beschäftigten auf die Gestaltbarkeit der Arbeitszeiten (reduzierte
Überschaubarkeit und Zuverlässigkeit von Arbeits- und Ruhezeiten, Verfügbarkeit entsprechend der Kundennachfrage).
Es wird auch davon ausgegangen, dass im Zuge dieser weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeiten der Anteil von Teilzeit- und geringfügiger Beschäftigung weiter zunehmen
wird.108
106
107
108
Vgl. Möll/Hilf (2004).
Vgl. Voss-Dahm/Lehndorf (2003).
Vgl. Nachreiner (2006).
41
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Flexibilisierung und Ausdifferenzierung der Beschäftigungsverhältnisse
Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten ist somit nicht unabhängig von der Flexibilisierung der
Arbeitsverhältnisse. Der Bedeutungsverlust des Normalarbeitsverhältnisses ist deshalb so
problematisch weil Teilzeitbeschäftigung, Leiharbeit, Werkverträge und SoloSelbstständigkeit häufig nicht existenzsichernd sind und für die Beschäftigten hohe finanzielle, emotionale und psychische Belastungen zur Folge haben. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass, auch wenn alle Bereiche des Berliner Einzelhandels von den Flexibilisierungstendenzen geprägt sind, nicht alle in gleichem Maße davon Gebrauch machen. Sie sind
insbesondere in den Vertriebsformen des Einzelhandels eine attraktive Beschäftigungsform
für die Unternehmen, in denen die Beratungs- und Bedienungsintensität aufgrund des
Selbstbedienungsprinzips vergleichsweise gering ist und sich die Arbeitsprozesse in kleine
und kleinste Beschäftigungseinheiten z. T. mit geringen Qualifikationsanforderungen unterteilen lassen (wie z. B. in Supermärkten und SB-Warenhäusern). In anderen Bereichen des
Einzelhandels, wie beispielsweise in Warenhäusern oder Fachmärkten, in denen es stärker
auf die Beratung durch qualifiziertes Fachpersonal ankommt, haben atypische Beschäftigungsverhältnisse hingegen eine deutlich geringere Bedeutung.109
Gestiegene Qualifikationsanforderungen an die Beschäftigten
Verstärkt wird der allgemeine Trend der Ausweitung atypischer Beschäftigungsverhältnisse
noch durch die Flächenexpansion im Einzelhandel. Problematisch ist jedoch, dass eine
Ausweitung der Verkaufsfläche nicht zwangsläufig mit einer Personalexpansion einhergeht.
Die Flächenexpansion im Einzelhandel ist nicht mit einer nennenswerten Umsatzsteigerung
verbunden, was zu einer Verringerung der Flächenproduktivität führt. Eine Kompensation
von Umsatzverlusten erfolgt durch Personaleinsparungen. Die Personalsituation im Einzelhandel und die damit verbundenen Mehrbelastungen für die Beschäftigten werden sich
weiter verschärfen. Wie bereits in Kapitel zwei skizziert, äußert sich diese Mehrbelastung
für Beschäftigte vor allem in Form von Arbeitsverdichtung und Arbeitshetze. Aufgrund von
Personaleinsparungen und der zunehmenden Beschäftigung von atypisch Beschäftigten
steigt die Bedeutung der erfahrenden und qualifizierten Kräfte in ihrer Funktion als „Anker“
für die Koordination des betrieblichen Ablaufes. Doch auch für diese Aufgabe bedarf es
ausreichender Ressourcen, sowohl zeitlicher als auch qualifikatorischer. Die Ausdifferenzierung der Qualifikationsanforderungen und die zunehmende geringfügige Beschäftigung
im Einzelhandel wird eine geschlechtsspezifische Polarisierung der Qualifikations- und Beschäftigungsprofile in diesem Sektor verstärken:
„Die Restrukturierung des Einzelhandelssektors erfolgt daher nicht geschlechtsneutral, sondern eröffnet dem männlich dominierten Management und technischem
Fachpersonal neue Qualifizierungs- und Aufstiegschancen, während die vorwiegend
im Verkauf arbeitenden weiblichen Beschäftigten eine Einschränkung ihres Tätigkeitsspektrums, verschlechterte Arbeitsbedingungen und zunehmend prekäre Arbeitsverhältnisse hinnehmen müssen.“110
109
110
Vgl. Voss-Dahm/Lehndorf (2003).
Bahn (2004), S. 2. www.labournet.de/branchen/dienstleistung/eh/chbahn.html (05.02.2007).
42
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Weiterbildung und lebenslanges Lernen nehmen somit eine immer bedeutendere Rolle für
die Betriebe und die Beschäftigten ein. Qualifikatorische Ansprüche an die Beschäftigten
ergeben sich auf drei Ebenen: Zunächst bedingt die Produkt- und Servicequalität im Einzelhandel einen umfassenden Kenntnisstand und kundenorientiertes Auftreten seitens der
Beschäftigten. Für Berlin als Dienstleistungsmetropole ergibt sich die Besonderheit für die
Beschäftigten, dass sie den Anforderungen des multikulturellen Hintergrundes der Bürgerinnen und Bürger sowie der zahlreichen Touristen gerecht werden müssen. Darüber hinaus wird seitens des Unternehmens ein gesteigerter Qualifikationsanspruch an die Beschäftigten hinsichtlich der Arbeitsorganisation gestellt. Oftmals regeln die Arbeitnehmer
und Arbeitnehmerinnen die Einteilung der Arbeitszeiten selbst, was bei einer Zunahme flexibler Arbeitskräfte zu einem erhöhten Organisationsaufwand führt. Schließlich sei noch auf
die Bedeutung alternsgerechter Arbeitsplätze hingewiesen. Der Anteil Älterer an den Beschäftigten im Berliner Einzelhandel sinkt mit zunehmendem Alter. Da aufgrund des demografischen Wandels in Berlin mit einer erhöhten Anzahl älterer Beschäftigter gerechnet
wird, ist auch für den Berliner Einzelhandel die Attraktivität als Arbeitgeber ein wichtiger
Faktor.
Neben den bisher aufgeführten Arbeitsbedingungen der Beschäftigten des Berliner Einzelhandels darf nicht in Vergessenheit geraten, dass dieser nach wie vor eine Frauenbranche
ist. Weibliche Beschäftigte besetzen besonders stark die prekären Arbeitsverhältnisse, wie
Teilzeit und geringfügige Beschäftigung. Frauen übernehmen zudem sehr viel eher familiäre Betreuungsaufgaben und sind daher jenseits ihrer Erwerbstätigkeit abhängig von Öffnungs- und Taktzeiten. Dass hier ein wachsendes Spannungsverhältnis entsteht, ist daher
offensichtlich.
43
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
4
Arbeitszeit im Wandel
Die zunehmende zeitliche und räumliche Entgrenzung von Arbeit und Freizeit bedingt durch
die technologischen Möglichkeiten im digitalen Zeitalter führt zu einer Entstandardisierung
und Vervielfältigung von Lebensentwürfen und Lebensstilen. Mit ihnen vermehren sich
auch die zeitlichen Interessen in der Nachfrage von Dienstleistungen und Produkten. Auf
Anbieterseite steigt mit der Intensivierung des Wettbewerbs der Druck, der Vielfalt in der
Nachfrage, die sich in saisonalen, monatlichen, wöchentlichen und täglichen Schwankungen spiegeln kann, durch Flexibilisierung Rechnung zu tragen. Dieser Prozess wird zunehmend durch eine Deregulierung von Arbeitsverhältnissen eingeleitet, die sich sowohl
auf die Gestaltung des Beschäftigungsverhältnisses als auch auf die Gestaltung von Dauer,
Lage und Einteilung der Arbeitszeit bezieht.
Ein Beispiel aus dem Textileinzelhandel beschreibt diesen Flexibilisierungsprozess in der
Praxis: 58 Prozent der Beschäftigten eines bekannten Modelabels in Deutschland arbeiten
in Teilzeit, wobei die Hälfte dieser hoch flexible Arbeitskräfte sind, in deren Arbeitsverträgen
weder eine festgeschriebene Wochenstundenzahl noch ein vereinbarter Lohn festgelegt
sind. Sie werden stundenweise entlohnt und auf Abruf geholt.111
Nachfolgend wird ein Blick in die Nachfrage- und Angebotsseite geworfen. Es werden die
Entwicklungen beleuchtet, die sich aus der Vermehrung der zeitlichen Interessen in der
Nachfrage sowie dem Flexibilisierungsprozess für Arbeitsbedingungen und Beschäftigungssituation im Einzelhandel ergeben. Zudem werden die darin begründeten Arbeitszeitanforderungen und Belastungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dargestellt.
4.1
Spannungsfeld zwischen Arbeitszeit und zeitlichen Präferenzen der Kundinnen und Kunden im Einzelhandel
Kundinnen und Kunden haben vor allem das Interesse, bezahlbare Dienstleistungen in guter Qualität zu bekommen – und zwar genau dann, wenn Bedarf besteht. Somit spielt der
Aspekt der zeitlichen Verfügbarkeit im Dienstleistungssektor eine besondere Rolle. Durch
die Tatsache, dass viele Dienstleistungen, vom Einzelhandel bis zum Friseur, von der Kinderbetreuung bis zur Pflege, von der Unternehmensberatung, dem Handwerk oder ITFachleuten bis zur bürgernahen Verwaltung, nur im direkten Kontakt zwischen der Dienstleisterin oder dem Dienstleister und den Kundinnen und Kunden ausgeführt werden können, kommt der (Arbeits-)Zeit eine zentrale Bedeutung sowohl für das wirtschaftliche Geschehen in den Dienstleistungssektoren als auch für die Beschäftigten in dieser Branche
zu.
Sichtbar ist bereits heute eine zunehmende Flexibilisierung und Erweiterung der Verfügungs- und Öffnungszeiten, die häufig als Verbesserung der Lebensqualität wahrgenommen oder zumindest so beschrieben werden. Schon fast Normalität geworden ist der Wochenendeinkauf am Freitagabend gegen 22 Uhr, das Shopping am Samstag sowie an Advents- und verkaufsoffenen Sonntagen sowie die ausgeweiteten Öffnungszeiten von Biblio-
111
Vgl. Köhnen (2006), S. 11 f.
44
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
theken, welche die Ausleihe der Abendlektüre auch noch nach Feierabend ermöglichen.
Auch Ärzte und Apotheken haben ihre Öffnungszeiten den Arbeitszeiten vieler Beschäftigter angepasst, sodass eine Behandlung z. B. an festen Wochentagen auch bis 20 Uhr möglich ist.
Die Nachfrage der Kundinnen und Kunden wirkt sich somit unmittelbar auf die Öffnungszeiten und damit auch auf die Arbeitszeiten der Beschäftigten aus. Wochenend-, Feiertags-,
Früh- und Spätdienste sowie Nachtarbeit sind die Folge.
Von den Beschäftigten wird ein Höchstmaß an zeitlicher Flexibilität erwartet. Das bedeutet
nicht nur, dass Abendschichten im Supermarkt bis 22 Uhr oder länger übernommen werden
müssen. Vielfach werden die Regale in Drogerien, Kaufhäusern oder Supermärkten nachts
von Beschäftigten mit Werkverträgen eingeräumt. Wo auf der einen Seite die zeitliche Flexibilität ihre kurzfristig gedachten und gefühlten Vorteile zeigt, wie zum Beispiel bei der Kinderbetreuung, führt sie auf der anderen Seite immer häufiger zur Arbeitszeit auf Abruf. Eine
Entgrenzung von Arbeitszeit und Freizeit ist die Folge des Höchstmaßes an Flexibilität.
Eine ausgewogene Balance zwischen den zeitlichen Anforderungen des Unternehmens
und den Interessen der Beschäftigten ist oftmals nicht gegeben.
Zu den zeitlichen Belastungen für die Beschäftigten im Einzelhandel kommen hohe fachliche Anforderungen sowie empathische Qualifikationsanforderungen, die unmittelbar und
jederzeit erbracht werden müssen. Die Beschäftigten sollen stets freundlich und hilfsbereit
sein und auf die Kunden und Kundinnen eingehen – egal, ob diese freundlich oder auch
verärgert, in Hektik oder auch gelassen sind. Das variiert von Kunde zu Kundin, von Tag zu
Tag und nicht selten erfolgen zeitgleich oder unmittelbar hintereinander unterschiedliche,
mitunter auch widersprüchliche Erwartungen und Ansprüche.
Anbieter und Anbieterinnen orientieren sich unter wachsenden Wettbewerbsdruck und mit
dem Argument der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens an den Nachfragezeiten, dies wird in Beschreibungen wie „Peak Time“ deutlich. Spitzenzeiten ergeben
sich vor allem in der Weihnachtszeit. Viele Einzelhandelsunternehmen reagieren mit einem
Anstieg kurzfristiger Beschäftigungsverhältnisse auf die Weihnachtskonjunktur. So stellte
beispielsweise der Online-Händler Amazon, der am Standort Deutschland in 2013 rund
9.000 feste Arbeitsplätze verzeichnete, für das Weihnachtsgeschäft im selben Jahr 14.000
Saisonkräfte vorübergehend ein.112
Die (zeitlichen) Interessen und Bedarfe der Beschäftigten bleiben dabei allzu oft unberücksichtigt. Doch gerade bei der Erbringung von Dienstleistungen kommt es nicht nur auf das
„Was“ der Dienstleistung (Produkt), sondern vor allem auf das „Wie“ der Leistungserbringung an. Für Kundinnen und Kunden sind neben dem zeitlichen Aspekt der Öffnungszeit
insbesondere die professionelle Freundlichkeit und die fachliche Expertise der Beschäftigten entscheidend. Diese geforderte Qualität im Dienstleistungsbereich ist kein absoluter,
sondern ein relativer Begriff, der sich entlang der gesamten Prozesskette aus verschiedenen Betrachtungsperspektiven immer anders äußert.
112
Vgl. Die Welt (2013): Amazon stellt 1300 Saisonkräfte dauerhaft an.
http://www.welt.de/wirtschaft/article123354584/Amazon-stellt-1300-Saisonkraefte-dauerhaft-an.html
(03.12.2014).
45
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
4.2
Einschätzung und Sichtweise der Beschäftigten zu Arbeitszeitanforderungen im Einzelhandel
Was des einen Freud ist, kann des anderen Leid sein. Die Arbeitszeitbedingungen im Einzelhandel gehen oftmals mit Belastungen einher und so manche gesellschaftliche Entwicklung ist unter dem Stichwort „Flexibilität“ zur Normalität geworden.
Was dies jedoch für die Beschäftigten im Einzelhandel bedeutet, wie sie diese Belastungen
einschätzen, wird nun nachfolgend skizziert. Damit werden zugleich Gestaltungskorridore
und –notwendigkeiten aufgezeigt.
Stressfaktor Wochenendarbeit
Wie oben bereits dargestellt, ist die Arbeitszeit ein wichtiger Parameter zur Bestimmung
von Arbeitsqualität und damit von Arbeitsbedingungen im Einzelhandel. Der „Stressreport
Deutschland 2012“113, 114 weist darauf hin, dass sich ein Belastungsempfinden besonders
dann bemerkbar macht, wenn Anforderungen aus dem Arbeitsinhalt und der Arbeitsorganisation zu psychischen Belastungen werden. In seiner Untersuchung für den Wirtschaftszweig „Handel“ zeigt der Report folgende Ergebnisse: Beschäftigte sind überdurchschnittlich häufig von Monotonie, Arbeitsunterbrechungen und dem Druck, sehr schnell arbeiten
zu müssen, betroffen.
Einen Spitzenplatz unter den Stressfaktoren nimmt die Samstagsarbeit ein. Hinsichtlich der
Arbeitszeit am Wochenende unterstreichen die Umfrageergebnisse des DGB aus dem Jahr
2011 zum Thema „Stressfaktor Wochenend-Arbeit“ die Resultate des Stressreportes. Von
Wochenend-Arbeit sind primär Personen in Verkaufsberufen betroffen (73 Prozent), dabei
nimmt der Wirtschaftszweig „Handel“ den zweiten Platz (54 Prozent) nach dem Gastgewerbe (80 Prozent) ein. Darüber hinaus arbeiten überwiegend in Teilzeit beschäftigte Frauen
(41 Prozent) am Wochenende, unabhängig davon, ob sie Familienpflichten nachkommen
müssen. Haushalte mit Kindern sind ebenso wie Haushalte ohne Kinder zu 36 Prozent von
Wochenend-Arbeit betroffen. Zudem ist die Einkommensgruppe mit einem Verdienst von
801 bis 1.500 Euro am häufigsten vertreten.115
Zeitdruck, Arbeitshetze und geringe Gestaltungsspielräume
Eine Betrachtung der Ressourcen der Beschäftigten ist ebenfalls aufschlussreich. Hier
kommt der Stressreport zu folgendem Ergebnis: Beschäftigte im Handel können unterdurchschnittlich häufig ihre „eigene Arbeit selbst planen und einteilen“, weder haben sie
„Einfluss auf die Arbeitsmenge“ noch können sie „selbst entscheiden, wann Pause gemacht
wird“.116 In aktuellen Untersuchungen zeigt sich Folgendes: Die Anzahl jener Arbeitnehme-
113
114
115
116
Lohmann-Haislah (2012), S. 164 ff.
Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
(BAuA) führen regelmäßig Erwerbstätigenbefragungen durch, um die sich kontinuierlich verändernde Arbeitswelt in ihren Auswirkungen beschreiben zu können. Im Fokus stehen damit Fragen zu Beanspruchung
und gesundheitlichen Beschwerden. Veröffentlicht werden die Ergebnisse im „Stressreport Deutschland“.
Vgl. DGB-Index Gute Arbeit GmbH (DGB) (2012): Stressfaktor Wochenend-Arbeit. So beurteilen die Beschäftigten die Lage. Ergebnisse der Repräsentativumfrage 2011, Berlin, S. 4 ff.
Vgl. Lohmann-Haislah (2012), S. 170.
46
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
rinnen und Arbeitnehmer, die sich von Arbeitshetze und Arbeitsintensivierung betroffen
fühlen, wächst.117
Das Gefühl, unter Zeitdruck zu stehen, wird allerdings nicht nur während der realen Arbeitszeit im Unternehmen erzeugt, sondern resultiert vor allem durch den Anspruch an die
Beschäftigten, auch während ihrer Freizeit und insbesondere an Wochenenden für betriebliche Belange zur Verfügung zu stehen. Auch die generelle Bereitschaft, kurzfristig auf der
Arbeit erscheinen zu können, erzeugt Druck und führt zu Problemen mit dem Abschalten in
der Freizeit. Somit bringt die Arbeit am Wochenende nicht nur das oft diskutierte Problem
der Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit sich. Vielmehr wird eine Problematik der Entgrenzung von Arbeit und Freizeit dadurch offensichtlich.
Fazit
Das Fazit von Beschäftigten zu den Arbeitszeitanforderungen lautet: Nicht nur die Dauer,
auch die Lage der Arbeitszeit sowie die Auswirkungen unsteter Arbeitszeitgestaltung und –
planung bedingen ein hohes Belastungsempfinden und mangelnde Arbeitszufriedenheit.
In den hohen zeitlichen Anforderungen begründen sich jedoch nicht nur negative Folgen für
das Belastungsempfinden und folglich für die Lebensqualität und Gesundheit. Denn auch
die Effizienz und Qualität der Dienstleistung korrelieren mit der Qualität der Beschäftigungssituation. Die Arbeitszeit ist dabei von zentraler Bedeutung, da „sie sowohl eine Beziehung zur Bezahlung wie auch zur Arbeitsbelastung sowie zur Möglichkeit des Ausgleichs
beruflicher und privater Belange hat.“118
Folglich führt eine Regulierung der zeitlichen Anforderungen durch eine balanceorientierte
Arbeitszeitgestaltung sowohl zur Erhaltung bzw. Erhöhung von Gesundheit und Lebensqualität als auch von guter Arbeit und professioneller Dienstleistung.
117
Vgl. DGB-Index Gute Arbeit GmbH (Hrsg.) (2012): Arbeitshetze – Arbeitsintensivierung – Ent-
grenzung. So beurteilen die Beschäftigten die Lage. Ergebnisse der Repräsentativumfrage 2011,
Berlin, S. 8.
118
Statistisches Bundesamt (2012), S. 24.
https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Arbeitsmarkt/Erwerbstaetige/BroschuereQualitaetArbe
it0010015129001.pdf?__blob=publicationFile (03.12.2014).
47
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
5
Stellenwert einer balanceorientierten
Arbeitszeitgestaltung im Berliner Einzelhandel
In den vorangegangenen Kapiteln wurden sowohl die Branche und die Beschäftigungssituation im Berliner Einzelhandel als auch die veränderten zeitlichen Herausforderungen und
Arbeitsbedingungen sowie deren Folgen für Gesundheit, Lebens- und Arbeitsqualität ausführlich dargestellt. Anknüpfend an diesen Ausführungen werden folgend Maßnahmen erörtert, die ein Gleichgewicht zwischen den steigenden zeitlichen Arbeitsanforderungen bei
gleichzeitigem Erhalt einer professionellen Dienstleistung und einem die Gesundheit und
Lebensqualität erhaltenden Privatleben herstellen. Diese unter dem Begriff der balanceorientierten Arbeitszeitgestaltung zusammengeführten Maßnahmen sind im Sinne des sozialen Arbeitsschutzes sowohl auf die Gestaltung von Arbeitszeit, als auch von Arbeitsorganisation und Arbeitsinhalt ausgerichtet und berücksichtigen auch das positive menschliche
Miteinander im Arbeitsalltag.
Nach einer Einführung in das Thema der „balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung“ und der
Benennung balancehemmender und balancefördernder Aspekte wird näher auf den Zusammenhang zum sozialen Arbeitsschutz eingegangen. Das Kapitel endet mit Handlungsempfehlungen für betriebliche und überbetriebliche Akteurinnen und Akteure, die einerseits
zur Sensibilisierung der Thematik beitragen und andererseits als Hilfestellung für eine erfolgreiche Implementierung einer sozialverträglichen Arbeitszeitgestaltung dienen.
5.1
Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung – was bedeutet das?
Sind Beschäftigte durch ihre Erwerbsarbeit stark belastet (gestresst, körperlich angestrengt,
ermattet durch Monotonie o. ä.), hat dies deutlich negative Auswirkungen auf ihre privaten
Aktivitäten und damit auf ihre Zufriedenheit. Kommt dann noch eine überproportionale zeitliche Belastung (Mehrarbeit, Nacht- und Wochenendarbeit usw.) hinzu, sinkt die Arbeitszufriedenheit individuell ausgeprägt weiter ab. Im Extremfall kann eine solche Gemengelage
zum Arbeitsplatzwechsel oder auch zu Erkrankungen führen: Gemäß einer Aufstellung des
Bundesarbeitsministeriums erhöhten sich zwischen 1997 und 2010 die Krankheitstage Beschäftigter, die auf psychische Störungen zurückgingen, um 80,0 Prozent. Laut DGB haben
sich die Fälle von Arbeitsunfähigkeit wegen „Burnout“ in den letzten sieben Jahren verneunfacht, inzwischen sind fast 40,0 Prozent aller Neuzugänge bei der Erwerbsminderungsrente psychisch begründet – ohne Suchtkrankheiten und Psychosen.119 Kurz zusammengefasst heißt das: „Wenn das Verhältnis von Anforderungen und Ressourcen in der
Arbeit nicht stimmt, dann stimmt auch das Verhältnis von Arbeit und Leben nicht.“120
Maßnahmen der balanceorientierten Arbeitszeitgestaltung sollen dazu beitragen das Verhältnis von Arbeit und Leben unter Berücksichtigung der an den Lebensphasen orientierten
Zeiterfordernissen der Beschäftigten ins Gleichgewicht zu bringen. Hierbei sind für die Ba-
119
120
Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung (2012), S. 12.
Kratzer et al. (2011), S. 5.
48
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
lanceorientierung mehrere Faktoren von Bedeutung, die nicht nur die häufig diskutierte
„Vereinbarkeitsfrage“ von Beruf und Familie betreffen: Nicht nur die Möglichkeiten zur Kindererziehung oder Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger sind zu verbessern, sondern
allgemein die gelungene Balance zwischen beruflicher Erwerbsarbeit und privaten Interessen bzw. Verpflichtungen.
„Work-Life-Balance heißt: den Menschen ganzheitlich zu betrachten (als Rollen- und
Funktionsträger) im beruflichen und privaten Bereich (der Lebens und Arbeitswelt)
und ihm dadurch die Möglichkeit zu geben, lebensphasenspezifisch und individuell
für beide Bereiche die anfallenden Verpflichtungen und Interessen erfüllen zu können, um so dauerhaft gesund, leistungsfähig, motiviert und ausgeglichen zu sein.
[...]“121
Es erfordert daher einer ganzheitlichen Betrachtung der Gestaltung von Arbeitszeit und
Arbeit im Einzelhandel. Diese umfasst sowohl den Faktor Arbeitszeit (z. B. Lage, Dauer),
als auch die Arbeitszeit betreffende Arbeitsorganisation (z. B. Arbeitsabläufe, Pausenzeiten) und den Inhalt (Abwechslungsreichtum, Gestaltungsspielräume). Hierbei können folgende fördernde und hemmende Aspekte für eine ausgewogene Arbeitszeitgestaltung benannt werden.
Balancehemmende Aspekte der
Arbeitszeitgestaltung
Geringe Planbarkeit der Arbeit
Schwankungen beim Arbeitsaufkommen
Häufige Unterbrechungen der Tätigkeit
121
Balancefördernde Aspekte der
Arbeitszeitgestaltung
Angemessener Planungshorizont zur
Ausübung der Tätigkeit
Beteiligung an der Aufgabenverteilung und
Arbeitsgestaltung
Handlungsspielräume bei der Ausübung
Ganzheitliche Aufgabenstellung
Erreichbare Zielsetzungen
Kommunikationserfordernisse und
Teamförderlichkeit
Funktionierende Informations- und
Rückmeldesysteme
Zeitliche Ressourcen beim Umgang mit
Störungen
Projekt „BALANCE“. http://balanceonline.org/enzyklopaedie/Work-Life-Balance (20.12.2013).
49
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
5.2
Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als „sozialer Arbeitsschutz“
Die eingangs erwähnten Zahlen zum Krankheitsstand und dem rapide angestiegenem Anteil der wegen „Burnout“ verzeichneten Fälle von Arbeitsunfähigkeit sind ein Beleg für die
steigende Belastung der Beschäftigten.
Spätestens an dieser Stelle wird die Forderung nach veränderten betrieblichen Erfordernissen laut, für deren Sensibilisierung auch überbetriebliche Akteurinnen und Akteure in die
Verantwortung genommen werden müssen. Abhängig Beschäftigte müssen vor Belastungen und Gesundheitsschädigungen durch eine nicht menschengerechte Organisation geschützt werden. Das geht weit über den technischen Arbeitsschutz hinaus, der die Sicherheit am Arbeitsplatz in den Vordergrund stellt. Diese Notwendigkeit ist nicht das Resultat
einer massenhaft gut funktionierenden und beteiligungsorientierten Arbeitspolitik in Unternehmen und damit einer Betriebskultur, die sich eine obligatorische Wertschätzung von
Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern gegenüber ihren Beschäftigten zum Ziel gesetzt hat.
Diese Notwendigkeit ist primär das Resultat des Strukturwandels von Erwerbsarbeit und
seiner ambivalenten Folgen für die Beschäftigten. Die Forderung des Zusammenspiels im
Sinne einer positiven Arbeitszeitgestaltung und einer nachhaltigen Unternehmenskultur ist
nicht neu – aber noch längst keine betriebliche Praxis.
Doch wo werden betriebliche und überbetriebliche Akteurinnen und Akteure fündig, wenn
sie eine erste Orientierung bei der Definition dessen benötigen, was „sozialer Arbeitsschutz“ meint?
Aus den Hinweisen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) lässt sich eine moderne Beschreibung des „sozialen Arbeitsschutzes" herleiten, wie sie bereits – ganz oder in Teilen –
vielfach in den zuständigen Ämtern, Organisationen und Unternehmen als Grundlage, z. B.
bei Organisation und Struktur von Zuständigkeiten und Maßnahmen, verwendet wird. Als
klassische Bereiche gelten hier die Regelungen der Arbeitszeit sowie der Schutz besonderer Personen- und Berufsgruppen wie Kinder, Jugendliche, Schwangere oder Menschen
mit Handicap. Auch die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA), eine Aktion
von Bund, Ländern und Unfallversicherungen, hat sich des „sozialen Arbeitsschutzes“ angenommen, wenn in ihrem Arbeitsprogramm (2013-2018) von der Verbesserung der Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes, der Verringerung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefährdungen und Erkrankungen im Muskel-Skelett-Bereich sowie dem Schutz und
der Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbedingten psychischen Belastungen die Rede ist.122
Letztgenanntes spielt vor allem für den „sozialen Arbeitsschutz“ im Einzelhandel eine herausragende Rolle. Nicht nur die Umfrageergebnisse des Stressreportes 2012 und des DGB
weisen auf ein „multifaktorielles Ursachengeschehen“ bei der Beurteilung der Arbeitsqualität hin – auch die der GDA zugrundeliegende Untersuchung123 zeigt: Arbeitsbedingte psychische Belastungen sind die Folge des Zusammenspiels mehrerer Faktoren des Wandels
122
123
Vgl. Gemeinsame Deutsche Arbeitsstrategie (GDA). http://www.gda-portal.de/de/Startseite.html
(20.12.2013).
Vgl. Hall (2006).
50
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
der Arbeitswelt, wie beispielsweise der fortlaufenden Beschleunigung von Fertigungs-,
Dienstleistungs- und Kommunikationsprozessen, erhöhter Eigenverantwortung der Beschäftigten und diskontinuierlicher Beschäftigungsverhältnisse. Arbeitsbedingter Stress als
Gesundheitsproblem hat damit mehrere Ursachen, deren Maßnahmen zur Verminderung
oder Vermeidung sich jedes Unternehmen stellen muss.
Das Adjektiv „sozial“ weist in diesem Kontext auf die grundlegende Bedeutung menschlichen Miteinanders hin, welches die sozialen Beziehungen im Arbeitsalltag als Basis aller
Betrachtungen und Maßnahmen im „sozialen Arbeitsschutz" definiert. Oder anders: Es ist
nicht nur relevant, wann gearbeitet wird, sondern wie sich die beruflichen Beziehungen innerhalb der Arbeitszeit gestalten.
Ein Blick in das Arbeitsschutzgesetz
Der Begriff „sozialer Arbeitsschutz“ wird im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) nicht explizit
genannt. Und dennoch ist die zentrale Rechtsvorschrift sichtbar von der Idee und dem Gedanken des menschlichen Miteinanders geprägt. Aus den Folgerungen diverser Vorgaben
lassen sich gleichfalls verbindliche Anforderungen an die sozialen Beziehungen im Arbeitsalltag stellen – und damit die Spur des Begriffs „sozialer Arbeitsschutz“ aufnehmen:
• § 2 Abs. 1 (ArbSchG): Hier ist festgeschrieben, dass auch die menschengerechte Gestaltung der Arbeit ein zentrales Ziel von Arbeitsschutzmaßnahmen ist. Damit ist aber
nicht nur die Ergonomie gemeint, sondern auch
die Pflege der sozialen Beziehungen im Arbeitsumfeld,
die Integration schutzbedürftiger Menschen,
die Verantwortung für eine gesunde Psyche,
die Organisation der Arbeit, die nach den Menschen, ihren Fähigkeiten und ihren
Bedürfnissen ausgerichtet werden muss.
• § 3 Abs. 1 (ArbSchG): Die hier formulierte Verpflichtung des Arbeitgebers, Arbeitsschutzmaßnahmen auch im Hinblick auf die Gesundheit der Beschäftigten zu treffen,
bedingt auch die Förderung der Persönlichkeit und des Wohlbefindens am Arbeitsplatz.
o
o
o
o
• § 3 Abs. 2 (ArbSchG): Hier werden Organisation, betriebliche Führungsstrukturen und
Mitwirkungspflichten thematisiert – und damit auch Hierarchien und soziale Beziehungen
in einem Unternehmen.
• § 4 (ArbSchG) befasst sich in den „Allgemeinen Grundsätzen“ direkt mit einigen Prinzipien des „sozialen Arbeitsschutzes“, u. a.:
werden im vierten Grundsatz die sozialen Beziehungen in das Gesamtkonzept
Arbeitsschutz eingebunden,
o führt der sechste Grundsatz die speziellen Gefahren für besonders schutzbedürftige
Beschäftigungsgruppen an,
o untermauert der achte Grundsatz die Gleichberechtigung von Mann und Frau.
• § 5 Abs. 3 (ArbSchG) schließlich legt das Hauptaugenmerk auf die Beurteilung der Arbeitsbedingungen. Von der Qualifikation der Beschäftigten bis hin zur Gestaltung von
Arbeitsstätte und Arbeitsabläufen – immer wieder stellt sich die Frage, wie das Miteinander und damit der „soziale Arbeitsschutz“ zu regeln sind.
o
51
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Ohne Zweifel: Ein Unternehmen, das den „sozialen Arbeitsschutz“
ernst nimmt, verfügt mittel- und langfristig über
• Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich als Team verstehen und danach handeln;
• ein hohes Niveau hinsichtlich Wohlbefinden, Zufriedenheit, Leistungsfähigkeit und Motivation der Belegschaft;
• höhere Produktivität und damit über einen wichtigen Vorsprung im Wettbewerb.
Deutlich unzufriedene und unmotivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter inklusive hoher
Fluktuation, häufige Streitereien in der Belegschaft, Fälle von Mobbing, zu viele krankheitsbedingte Fehltage, sichtbar verbesserungswürdige Produktivität und Qualität der Arbeit –
dies und mehr sind unmissverständliche Hinweise darauf, dass in einem Unternehmen das
Thema „sozialer Arbeitsschutz“ stärker in den Fokus gerückt werden sollte.124
5.3
Handlungsempfehlungen
Die Betrachtung der ökonomischen Bedingungen und strukturellen Merkmale in Kapitel 2
zeigte, dass sich auch im Berliner Einzelhandel die allgemeinen Branchentrends widerspiegeln:
• Ausdehnung und Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten.
• Aggressive Preispolitik.
• Expansion der Verkaufsflächen.
Die daraus resultierenden Flexibilisierungsstrategien der Unternehmen setzen auf vermehrte Teilzeit- bzw. geringfügige Beschäftigung und einen breiten Niedriglohnsektor. Die Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse ist dabei mit wesentlichen Folgen für die sozialen Sicherungssysteme und die individuelle Existenzsicherung verbunden.
Aus den neuen Ladenöffnungszeiten resultieren zudem erhöhte Arbeitszeitanforderungen,
oft verbunden mit einer Arbeitsverdichtung für den Einzelnen. Das Belastungsempfinden
der Beschäftigten steigt und das Matching zwischen Arbeits- und Privatleben ist erschwert.
Nachfolgend sind erste Handlungsempfehlungen genannt, welche den Anspruch haben,
praxisnah und realisierbar zu sein. Forderungen nach einer höheren Tarifbindung, höheren
Entgelten, fairen Arbeitsverträgen, gut qualifizierten Führungskräften u. v. m. sind selbstverständlich auch von erheblicher Bedeutung – dafür will die Studie hier jedoch nur einen
Impuls geben. Weiter diskutiert und verändert werden muss dies auf der landespolitischen
und gewerkschaftspolitischen Ebene.
124
Wichtige Gesetze im „sozialen Arbeitsschutz“: Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), Arbeitszeitgesetz
(ArbZG), Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG), Mutterschutzgesetz (MuSchG), Heimarbeitsgesetz (HAG), Fahrpersonalgesetz (FPersG), Sozialgesetzbuch IX (SGB IX).
52
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Allgemeine Handlungsempfehlungen auf betrieblicher Ebene
Handlungsempfehlung: Betriebliche Bedarfserhebungen verstärken
Die Berücksichtigung der zeitlichen Interessen und Restriktionen der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter ist zentral für eine anforderungs- sowie menschengerechte Arbeitszeitgestaltung. Jedoch gibt es bislang kaum betriebliche Ansätze der Erhebung dieser.
Die Unterstützung bei der regelmäßigen Bedarfserfassung (z. B. durch Qualifizierung von
Zeitbeauftragten oder durch Beratung) und die Förderung des innerbetrieblichen Austauschs sowohl zu den Bedarfen der Beschäftigten als auch zu den zeitlichen Ansprüchen
der Kunden und Kundinnen und dem Unternehmensinteresse ist somit von erheblicher Bedeutung für eine balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung und kann zudem positiv zur innerbetrieblichen Verstetigung der Thematik beitragen.
Als Impulsgeber könnten vor allem Gewerkschaften gemeinsam mit anderen Akteurinnen
und Akteuren Unterstützung für die Betriebe (z. B. über EU-Mittel) organisieren.
Handlungsempfehlung: Hindernisse für die Umsetzung vorhandener Regelungen
beseitigen
Die vorhandenen betrieblichen Regelungen zur Arbeitszeit (z. B. Ausnahmen für Eltern
oder Beschäftigte mit pflegebedürftigen Angehörigen bezüglich der Arbeitszeit am Wochenende und unter der Woche nach 18:30 Uhr) werden bislang in der Praxis vielfach nicht
genutzt und sollten daher verstärkt eingefordert oder neu überdacht werden. Hindernisse
sind hier bisher einzelne Führungskräfte, Personalmangel oder die ungenügende Information der Beschäftigten. Die hemmenden Faktoren sollten beteiligungsorientiert ermittelt sowie betriebsöffentlich benannt und aufgehoben werden.
Tarifpolitisch wäre zu überlegen, ob eine finanzielle Beteiligung der Betriebe an die durch
flexible Einsatzerfordernisse bedingten zusätzlichen Betreuungsleistungen für Beschäftige
mit Kindern oder pflegebedürftige Angehörige möglich ist.
Handlungsempfehlung: Leistungen der Betriebsräte sichtbarmachen und Betriebsratsarbeit unterstützen
Betriebsräte haben einen signifikant positiven Einfluss auf die Beschäftigungssituation und
das Betriebsklima. Unter dem Motto „Mitbestimmt funktioniert besser“ vertreten sie die Interessen der Arbeitnehmerschaft gegenüber den Arbeitgeberinteressen und tragen erheblich
zum Erhalt und zur Förderung guter Arbeitsbedingungen bei. Der Bereich „Arbeitszeit“ ist
ein zentrales Tätigkeitsfeld eines Betriebsrats. Er kann durch Mitbestimmung die Bedarfe
der Beschäftigten zur Geltung bringen.
In der Sichtbarmachung der Leistungen der Betriebsräte in den Einzelhandelsbetrieben
sowie in der Unterstützung der Betriebsratsarbeit durch Vermittlung der in diesem Bereich
benötigten fachlichen Kompetenzen (z. B. Wissen zu Arbeitszeitmodellen und Gestaltungsspielräumen) liegt somit großes Potential, das einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung
der Balance zwischen Arbeit und Leben leisten kann.
53
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Arbeitszeitorientierte Handlungsempfehlungen auf betrieblicher
Ebene
Handlungsempfehlung: Einsatzplanung gemeinsam regeln
Wie in Kapitel 2 dargestellt gliedert sich der Einzelhandel in eine Vielfalt an Segmenten
(z. B. Lebensmitteleinzelhandel, Textileinzelhandel) und Betriebsformen (z. B. OnlineHandel, stationärer Handel, Discounter), die unterschiedliche Anforderungen an die Arbeitszeitgestaltung bedingen. Auch der jeweilige Standort beeinflusst die Kundinnen- und
Kundenströme und somit den benötigten Personaleinsatz. Betriebe stehen daher vor der
Herausforderung, betriebsindividuelle Arbeitszeitmodelle zu entwickeln.
Um hierbei stabile Arbeitszeiten für Beschäftigte bei gleichzeitiger Bereitstellung einer optimalen Personaldecke zu Kundenfrequenzzeiten zu schaffen, müssen sowohl die Vorgaben
seitens des Unternehmens (Jahresarbeitszeiten, Kundenfrequenzen etc.) als auch die Bedarfe der Beschäftigten berücksichtigt werden. Zeitbeauftragte im Unternehmen oder Betriebsräte können hier die Interessen erheben und vermitteln.
Handlungsempfehlung: Den „sozialen Arbeitsschutz“ stärken
Das Handlungsfeld des „sozialen Arbeitsschutzes“ hat sich in der Expertise als Antwort auf
die Vereinbarkeitsfrage von Beruf und Privatleben erwiesen. Dem Verständnis von Arbeitsqualität liegt ein „multifaktorielles Ursachengeschehen“ zugrunde, welches sich auf betrieblicher Ebene im Zusammenspiel jeweils anders äußert. Bestimmte Ursachen sollten jedoch
bedacht werden, wenn es um die Sensibilisierung und Umsetzung einer menschengerechten Arbeits(-zeit)organisation geht. Eine körperliche und psychische Gesundheit und Unversehrtheit ist zwar auch vom technischen Arbeitsschutz und der Frage, wann gearbeitet
wird, abhängig, spielt sich aber auch in den beruflichen Beziehungen innerhalb der Arbeitszeit ab. Hier sind nicht nur die Betriebe, sondern auch die Gewerkschaften aufgefordert,
verbindliche Anforderungen an die sozialen Beziehungen im Arbeitsalltag zu formulieren,
damit Beschäftigte eine Unterstützungsmöglichkeit erfahren können.
Handlungsempfehlung: Qualifizierung fördern
Um den erhöhten Anforderungen an Flexibilität Rechnung zu tragen, bedarf es mehr als
einen flexiblen Personaleinsatz. Die Verteilung von Arbeitszeiten auf die vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist immer auch an deren Kompetenzen gebunden. Die Verknüpfung zwischen den Prozessen der Arbeitszeitgestaltung und einem Personalentwicklungsprozess, z. B. durch Qualifizierung, kann demnach zu mehr Handlungsmöglichkeiten
in der Personaleinsatzplanung führen und zu einer Entlastung bei Beschäftigten und Unternehmen beitragen. Überdies kann ein durch Kompetenzstärkung erweitertes Einsatzgebiet
motivationsfördernd bei den oft durch Monotonie geprägten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wirken.
Hierbei gilt es auch Beschäftigte in Elternzeit für die Teilhabe an Qualifizierung zu berücksichtigen. Hier müssen vorhandene Betriebsvereinbarungen stärker eingefordert oder neue
Betriebsvereinbarungen zur Elternzeit verhandelt werden.
54
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
Übergreifende Handlungsempfehlungen zu dem Aspekt
„Arbeitszeit“
Handlungsempfehlung: Verbundlösungen suchen
Einzelhandelsunternehmen könnten mit umliegenden Betrieben (auch wenn diese nicht im
Einzelhandel tätig sind) Verbundlösungen suchen, wenn es Bedarfe bei den Beschäftigten
gibt. Ein Beispiel wäre ein bezirklich orientiertes Servicebüro für Beschäftigte, bei welchem
sie Unterstützung für ihre Anliegen (u. a. zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben) erhalten. Dies sollte in Kooperation der regionalen Wirtschaftsförderung mit den Gewerkschaften und dem Einzelhandelsverband entwickelt werden.
Handlungsempfehlung: „Beispiele guter Praxis“ verbreiten und positive Zugeffekte
erzeugen
Über die Identifizierung guter Unternehmenspraktiken und Modelle der Arbeitszeitgestaltung sowie deren Verbreitung und zugänglichen Bereitstellung können bewährte Lösungsstrategien nachvollziehbar dargestellt und positive Zugeffekte bei den Betrieben im Sinne
der „Nachahmung“ erzeugt werden.
Für die Erschließung der „Beispiele guter Praxis“ und deren Bekanntmachung ist insbesondere die Unterstützung der überbetrieblichen Akteurinnen und Akteure gefordert.
55
Expertise »Balanceorientierte Arbeitszeitgestaltung als sozialer Arbeitsschutz im Einzelhandel«
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