Das geheime Lager der toten Eisbären

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Das geheime Lager der toten Eisbären
DAS TAGESTHEMA
MITTWOCH, 30. JANUAR 2013
Akte Tier
Michael
Aufhauser
Vor der Artenschutzkonferenz in Bangkok geht es hoch her
Eisbären sollen besser geschützt werden
I
n diesem Jahr treffen sich die
über 2000 Vertreter aus 175
Ländern Anfang März in
Bangkok zur Artenschutzkonferenz (Cites). Doch schon jetzt
laufen im Hintergrund die Verhandlungen, und das Geschacher
um Stimmen hat
begonnen. Die
Europäische
Union wirbt für
ihren Vorschlag,
Streit um Jagd auf
den Arktis-König
Haie besser zu schützen. Die
USA und Russland wollen ein
Handelsverbot für Eisbärenprodukte durchsetzen, das einem
Jagdstopp gleichkäme. Denn
Eisbären werden nur erschossen,
damit ihr Fell als Trophäe ver-
kauft werden kann. Die EU, die
immer alle ihre Stimmen bündelt, wird bei dieser Abstimmung
den Ausschlag geben. Dänemark
ist aus traditionellen Gründen
dagegen (siehe Interview), andere EU-Länder wollen die USA
abstrafen für ihre Passivität beim
Klimaschutz. Sie argumentieren,
dass Eisbären durch die Eisschmelze wesentlich stärker gefährdet seien als durch die Jagd.
Höchstens 25 000 Tiere gibt es
weltweit noch, ausgewachsene
Männchenwerden
bis zu drei Meter
groß und zwischen
300 und 600 Kilogramm schwer. Sie
Das geheime Lager
der toten Eisbären
Der Fotograf Paul Shoul will nicht verraten, in welcher Stadt er dieses Bild machte. Nur so viel: Es
war in Norwegen, als er an der Hauptstraße eines
Ortes mit einem Fellhändler in Gespräch kommt:
„Erst wollte er mir nicht erlauben, seine Felljacken
zu fotografieren. Er wirkte trotzdem wie ein netter
Mann, und später sagte er: Komm, ich zeige dir et-
was, das ich sonst nur Chinesen zeige – die einzigen Käufer mit genügend Geld.“ Der Fotograf folgt
dem Händler durch eine Tür, hinter der sich eine
weitere Tür verbirgt, die mit vielen Schlössern und
einer Alarmanlage gesichert ist. Dann steht er in
einem Raum, der gefüllt ist mit Fellen von Eisbären, jedes mindestens 23 000 Euro teuer: „Ich bli-
Leben lieben.
Aiderbichl
Artenschutz
auf Kanadisch
sind die größten Raubtiere an
Land und können 40 km/h
schnell rennen. Erwachsene Eisbären sind die wahren Herrscher
der Arktis, außer dem Menschen
haben sie keine Feinde mehr.
Aufgrund der globalen Erwärmung schmilzt das Eis, das die
Tiere brauchen, um von dort aus
im eisigen Winter Robben zu jagen. Bleibt das Eis aus, verhungern sie.
SUS
MONTAG
sind männliche, erwachsene Eisbären, die außer dem Menschen
keine Feinde mehr haben. Da es
um das Fell und die Trophäe geht,
sind Jungtiere, die noch eine viel
höhere Sterblichkeit haben, natürlich uninteressant.EisbärensindEinzelgänger mit großen Revieren. Wird das Männchen
getötet, fehlt es den Weibchen zur Fortpflanzung.
Von den 13 Eisbär-Populationen in Kanada, nimmt über
die Hälfte in ihrem Bestand ab
und nur eine wächst.
Wer darf jagen?
Freyer: Zum einen die Inuit –
DIENSTAG
Multimedia Medizin
allerdings hat das nichts mit ihrer
traditionellen Lebensweise zu
tun, wie es gern behauptet wird.
Sondern es geht rein um den Profit. Sie verkaufen die Felle an
-Interview mit
Daniela Freyer
Biologin von Pro Wildlife
Händler. Außerdem verkaufen
sie einen Teil ihrer Genehmigungen an ausländische Jagdtouristen.DasFleischderEisbärenwird
an die Schlittenhunde verfüttert.
MITTWOCH
Akte Tier
Natürlich haben die Inuit auch
früher Eisbären gejagt, allerdings
nur wenige pro Jahr. Der Boom
kam erst in den 60er- und 70erJahren mit den Schnellfeuerwaffen und weil die Felle damals als Statussymbole
sehrbeliebtwurden.Auch
heute noch ist die Europäische Union ein wichtiger Importeur. Die meisten Käufer kommen mittlerweile aus China und
Russland. Gerade jetzt sind die
NachfrageundauchdiePreisefür
Felle stark gestiegen. Viele Interessentenwollenvermutlicheinem
Handelsverbot zuvorkommen.
DONNERSTAG
FREITAG
Forscher berichteten kürzlich, wie
sie per Funküberwachung eine Eisbärin beobachtet haben, die sich mit ihrem Kind in Sicherheit bringen wollte,
weil ihr das Eis unter den Tatzen wegschmolz. Sie schwamm fast 700 Kilometer, legte auf dem Land weitere
1 800 Kilometer zurück, und verlor ihr
einjähriges Kind. Ihr Ziel war es, zu
überleben. Doch es erwartete sie eine
unfassbar grausame Welt.
Als würde das Schlachten der Robbenbabys dem Land nicht genügen: In
den kanadischen Provinzen Quebec
und Nunavut werden jetzt noch mehr
Eisbären zum Abschuss freigegeben
alsbisher.DazukommteineAbschussquote für die Ureinwohner, die Inuits.
Diese dürfen ihre Erlaubnis, einen Eisbären zu schießen, für 40 000 Euro an
Touristen verkaufen.
Doch der blanke Hohn spielt sich in
den kanadischen Salons und Lagern
der Fellhändler ab. Die Händler bieten
ihre Produkte der Grausamkeit in verschiedenstenVariantenan.VomBabyRobben-Fellstiefel bis hin zu Mänteln,
die aus Fellen von Polarfüchsen gemacht werden. Auch den Rolls Royce
unter den Pelzen findet man hier: Eisbärenfelle mit aufgerissenen, präparierten Mündern. Der grausame Handel lohnt sich für einige wenige etablierte Geschäftemacher. Insgesamt
spielen die Einnahmen durch den Verkauf von Eisbärenfellen in Kanada
weniger als eine geringe Rolle. Im Sinne der Artenerhaltung könnte man
darauf leicht verzichten. Doch neuerdings gibt es direkte Anfragen neureicher Russen und Chinesen. Im Taumel
ihrer Wirtschaftswunder-Euphorie
reagieren sie genauso egoistisch und
unnachvollziehbar wie wir in den 60erund 70er-Jahren. Damals gab es noch
einen gewissen Artenreichtum. Heute
gibt es vielleicht noch 20 000 Eisbären
Greenpeace im Restaurant auf Gut
Aiderbichl in Iffeldorf
cke die toten Bären an, und sie starren mit aufgerissenen Mäulern zurück und wirken seltsam
glücklich.“ Auf einem Tisch steht ein Kühler mit einer Flasche teuren Weins. Als Paul Shoul das Bild
macht, denkt er traurig: „Eisbären sterben aus, alles was bleiben wird, sind diese Felle, die an den
Meistbietenden verkauft werden.“
Foto: Paul Shoul
„Es geht um den Profit und nicht um Tradition“
Kanada sagt, Eisbären seien
nicht gefährdet, und die Jagd sei
zudem nachhaltig. Was sagen Sie
dazu?
Daniela Freyer: Wissenschaftliche Studien schätzen, dass allein
durch den Klimawandel der Bestand der Eisbären bis Mitte dieses Jahrhunderts um 70 Prozent
schrumpft. Die Jagd kommt noch
dazu: Wir schätzen, dass weltweit
circa 1000 Eisbären im Jahr geschossen werden, die Wilderei ist
natürlich schwer abzuschätzen.
Allein in Kanada werden laut der
offiziellen Jagdstatistik jährlich
600 Tiere legal getötet. Rund 80
Prozent der geschossenen Tiere
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Vor drei Jahren hat die EU das
Handelsverbot für Eisbären gekippt. Stimmt sie diesmal dafür?
Freyer: Deutschland, Polen und
auch England haben signalisiert,
dass sie den Antrag der USA unterstützen wollen. Dänemark ist
wie immer dagegen, da in GrönlandauchEisbärengejagtwerden,
allerdings dürfen dort die Felle
nicht exportiert werden. Die kanadische Regierung leistet massiv
Lobbyarbeitundversucht,dieEU
auf ihre Seite zu ziehen. Wir halten natürlich mit Argumenten
dagegen. Aber noch, muss man
sagen, ist alles offen.
■ Infos: www.prowildlife.de
weltweit und in absehbarer Zeit gar
keine mehr. Wenn es so weitergeht und
keininternationales Handelsverbot für
Eisbärenfelle erlassen wird, dann bleiben uns nur die Knuts und Flockes in
den Zoos, die auf weiß angemalten
Felsen sitzen.
Aber was, werden Sie sagen, sollen
wir jetzt noch tun können? Da heißt es:
Nur nicht aufgeben und an die kanadischenVertretungenschreiben.Selbst
Russland hat die Jagd auf Eisbären
offiziell verboten und Norwegen schon
lange. Das geschieht in der Regel auf
öffentlichen Druck hin. Ich war positiv
überrascht, als ich im Internet bei kanadischen Fellhändlern nachsah. Die
USA verbieten die Einfuhr von Robbenfellen und Accessoires, die daraus
hergestellt werden. Das steht auf der
kanadischenInternetseiteeinesgroßen
Fellhandels, auf der ich auch Eisbärenfelle gefunden habe.
Vor einigen Tagen besuchten Vertreter von Greenpeace Gut Aiderbichl
Iffeldorf. Auch diese Organisation
kämpft für die Eisbären. Und wenn Sie
helfen wollen, schreiben Sie an den
kanadischen Botschafter.
SAMSTAG
Draußen Bürgeranwalt Bilder der Woche