Die Ruinenstadt in den Wolken (Kurier.at, 22.07.2011)

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Die Ruinenstadt in den Wolken (Kurier.at, 22.07.2011)
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16 LEBEN
KURIER
SAMSTAG, 23. JULI 2011
Die Ruinenstadt in den Wolken
MACHU PICCHU IN ZAHLEN
DIE INKA
Ursprünglich ein Stamm, der nur
rund um Qusqu (Cusco) siedelte.
Größte Ausdehnung des Reiches zum
Zeitpunkt der Ankunft der Spanier
(1532): Es umfasste das heutige
Peru, Ekuador, Bolivien, Südkolum
Südkolum-bien, Nordchile und Nordargentinien
mit bis zu 200 Volksgruppen.
Die Inka waren die adelige Elite.
Errichtet ab
1440 in 50 Jahren Bauzeit
Urbane Fläche
85.000 m
2
Landwirtschaftsfläche
55.000 m
2
Arbeiter
2000–3000
Einwohner
INTIHUATANA
500–600
Am „Platz der Sonne“ wurde
der Verlauf der Jahreszeiten
beobachtet. Der Heilige Fels
(3 m) war rituell bedeutsam.
ACCLAWASI
HAUPTPLATZ
Der Größte von vier
Plätzen erfüllte religiöse
und soziale Zwecke.
Hier wohnten die auserwählten
Jungfrauen. Sie webten Textilien
und produzierten ein vergorenes
Maisgetränk für rituelle Zwecke.
HEILIGER HOF
Haupttempel und Drei-FensterTempel belegen die Baukunst
der Inka: riesige, fein polierte
Felsblöcke, die sich millimetergenau aneinanderfügen.
TERRASSEN
KÖNIGSRESIDENZ
Machu Picchu war ein Sitz
von König Pachacutec.
Die Anlagen wurden
landwirtschaftlich genutzt
und verhinderten Erosion
durch Niederschlag.
KONDORGRUPPE
In Steinen ist ein Vogel eingraviert
Der Kondortempel ist Reiseziel von
2500 Touristen täglich.
Iquitos
PERU
Machu Picchu
(2360 m)
Lima
Cusco
STADT
Titicacasee
Im Norden des U-förmigen
Grundrisses liegen Tempel,
im Süden Wohngebäude
und Werkstätten –insgesamt
216 Steinbauten und 3000 Stufen.
KURIER
Grafik: Carina Tichy
VON HEDWIG DERKA UND ERNST MAURITZ
E
s war ein Peruaner, der vor 100
Jahren Hiram Bingham, Geschichtsprofessor an der YaleUniversity, USA, im Tal des Urubamba-Flusses über Stege und Hänge führte. Bis sie auf zwei Indianer trafen, die
ihnen den Weg zu ihren schmalen
Ackerfeldern auf den von den Inkas
angelegten Terrassen zeigten: So
„entdeckte“ Bingham am 24. Juli 1911
die Inka-Ruinenstadt Machu Picchu –
zu Deutsch: „alter Gipfel“.
„Die lokale Bevölkerung hat Machu
Picchu immer gekannt“, sagt der Peruaner Angel Huanco, 43. Er hat in
seiner Heimat Geschichte, Philosophie und Literatur unterrichtet und in
Wien Romanistik studiert. Er ist Spe-
Doch es gibt nicht nur Grund zur
Freude: Machu Picchu wird heute
täglich von 2500 Touristen besucht.
Sie reisen mit der Bahn von Cusco bis
zum Fuße des Berges, von dort mit
dem Bus acht Kilometer zur Stadt
hinauf. „Viele Touristen nehmen kleine Steine mit“, so Huanco. Vom Tourismusgeschäft würden vorwiegend
internationale Unternehmen profitieren: „Die Bevölkerung verarmt, die
meisten Peruaner können sich den Besuch nicht leisten.“ Die größte Bedrohung des Weltkulturerbes wurde aber
abgewehrt: „Es war eine Seilbahn auf
den Berg geplant. Der Touristenansturm wäre zu viel gewesen.“
INFO: Vortragende der „Höheren Akademie für
die Quechua-Sprache“ halten ab 5.8. in Wien
einen Cusco-Kurs ab: 0699 / 11 69 64 60,
eMail: [email protected]
Interview / Bilder
Weitere Bilder sowie ein Interview zu 100
Jahren Machu Picchu finden Sie unter
KURIER.at/reise
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Nachgefragt
„Wir wissen über die
Inka noch sehr wenig“
P
rof. Karoline Noack, Altamerikanistin an der Uni Bonn,
über ...
... die Entdeckung von Machu Picchu „Der
amerikanische Archäologe Hiram
Bingham war nicht der Erste. Der Ort
wurde schon im 19. Jahrhundert auf
Karten eingezeichnet. Aber Bingham war derjenige, der die Entdeckung bekannt gemacht und sich
damit gut vermarktet hat.“
... die Bedeutung von Machu Picchu „Die
Stadt war eine Art Rückzugsgebiet und
vielleicht auch der Alterssitz des 9. Inka-Herschers Pachacutec. Wie oft er
dort war, kann man aber nicht sagen.“
... die Herausforderung für die Forschung
„Wir wissen über die Inka noch sehr
wenig – sie hatten keine Schrift.
Schriftzeugnisse gibt es erst aus der
Zeit nach der spanischen Eroberung.“
REUTERS
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zialist für Quechua, die wichtigste Ursprache Lateinamerikas, die auch die
Sprache der Inkas war. Ein Grund
mehr, die Jahrhundert-Feier staatstragend zu begehen.
Die Stadt in den Wolken wurde von
Inka-Herrscher Pachacutec zirka ab
1440 errichtet. „Damals war ihr Herrschaftsgebiet noch auf die Region um
die Stadt Cusco – 112 km von Machu
Picchu entfernt – beschränkt. Erst mit
Pachacutec beginnt das richtige InkaReich. Machu Picchu war ein erstes
Symbol dieser Expansion. Die Stadt
war ein Erholungsort für Elite und
Herrscher.“ – „Für die Verwandten
von Pachacutec war es auch ein Ort
mit großer religiöser Bedeutung“,
sagt die Altamerikanistin Prof. Karoline Noack von der Uni Bonn (siehe re.).
„Und es war eine wichtige Stätte für
die astronomischen Forschungen.“
Archäologe Bingham nahm 6000
Fundstücke (siehe Grafik) mit nach Yale.
Im März 2010 wurden die ersten 366
Stück Peru zurückgegeben. Bis Ende
2012 soll der Rest folgen und in Cusco
ausgestellt werden.
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Vor 100 Jahren stieß ein
US-Archäologe auf die
Hauptstadt der Inka. Nicht
nur Grund zur Freude.