Ein Blick in`s Buch - Michael Imhof Verlag
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Ein Blick in`s Buch - Michael Imhof Verlag
INHALT © 2015, 2. Auflage Michael Imhof Verlag GmbH und Co. KG Stettiner Straße 25 , D-36100 Petersberg Tel. 0661/9628286; Fax 0661/63686 Gestaltung/Reproduktion: Margarita Licht (Michael Imhof Verlag) Druck: Druckerei Rindt GmbH & Co. KG, Fulda Printed in EU ISBN 978-3-86568-181-2 VORWORT 7 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 8 DIE LETZTEN MONATE DES KRIEGES – EIN EINLEITENDER ÜBERBLICK 9 DIE 3. US-ARMEE ÜBERSCHREITET DEN RHEIN – DER DURCHBRUCH BIS NACH MITTELDEUTSCHLAND 25 DIE DEUTSCHEN VERTEIDIGER – DIE 7. DEUTSCHE ARMEE 29 Abwehrbemühungen 29 Gliederung und Kommandostruktur der 7. deutschen Armee 30 Chaotische Verhältnisse – Der Zustand der 7. deutschen Armee 31 Kommunikation und Nachschub 33 Auf dem Rückzug 34 Rückmärsche von Kriegsgefangenen und Häftlingen 37 DIE OPERATIONEN UND KÄMPFE IM EINZELNEN 55 Der Vormarsch der 4. US-Panzerdivision vom 29. bis 31. März 1945 durch den Vogelsberg nach Bad Hersfeld 55 Der Vormarsch der 11. US-Panzerdivision vom 29. März bis 1. April 1945 durch den Vogelsberg über Hünfeld und Tann nach Thüringen 80 Das Vordringen der 26. US-Infanteriedivision vom 31. März bis 4. April 1945 über Fulda nach Thüringen 110 Die 71. und 90. US-Infanteriedivision sowie die 2. US-Kavalleriegruppe in Osthessen 149 Die 7. US-Armee Anfang April 1945 in Unterfranken und Osthessen 152 Der Vormarsch der 45. US-Infanteriedivision vom 4. bis 8. April 1945 über Bad Brückenau, Wildflecken und Gersfeld 152 Das Vordringen der 106. US-Kavalleriegruppe vom 4. bis 6. April 1945 in Osthessen 166 Psychische Verfassung der deutschen Soldaten 37 Letzte Einberufungen 38 NACH DER BESETZUNG 173 Volkssturm 38 Brückensprengungen 39 Deutsche Soldaten auf der Flucht vor der Gefangenschaft 173 Hitlers Befehl zu Zerstörungsmaßnahmen im Reichsgebiet (Nerobefehl) Panzersperren 39 40 Gegenmaßnahmen der Amerikaner 174 Erscheinungsbild und Ausrüstung der Sieger 175 Behandlung der deutschen Gefangenen 178 Verhalten der US-Soldaten gegenüber der Zivilbevölkerung 179 PARTEI UND ZIVILBEVÖLKERUNG 42 Rolle der NSDAP 42 Weiße Fahnen – Verhalten der Zivilbevölkerung Erste Maßnahmen und Anordnungen der Besatzungsmacht 182 43 Rückkehr der Stadtbewohner 187 Plünderungen 46 QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS 189 DIE AMERIKANISCHEN ANGREIFER 52 ANMERKUNGEN 192 5 D I E L E T Z T E N M O N AT E D E S K R I E G E S EIN EINLEITENDER ÜBERBLICK 40: FZ 21.02.1945 doch die ideologische Gleichschaltung der Bevölkerung begrenzen helfen. Wesentlich stärker als Verfolgung und Widerstand nahm der Bombenkrieg die Aufmerksamkeit weiter Teile der Bevölkerung in Anspruch. Er prägte ihren Alltag und Tagesablauf in zunehmendem Maße, in den letzten Kriegsmonaten auch in den mehr ländlichen Gebieten. Der Luftschutz sollte dabei die Menschen vor den Folgen der Luftangriffe schützen. Nach dem Niedergang der deutschen Luftwaffe wuchs die Bedeutung von Bunkern, öffentlichen Schutzräumen, Splittergräben sowie hauseigenen Luftschutzräumen (Luftschutzkellern). Der Luftschutzwarndienst gab Alarm durch Sirenen, wenn Feindflieger auftauchten. Damit diesen nachts keine Zielhilfen ge22 boten wurden, mussten alle Häuser verdunkelt werden. Über die Richtzeiten für die Verdunklung informierte die Presse regelmäßig. Die Schulung der Bevölkerung übernahm der Reichsluftschutzbund mit seinen Luftschutzwarten. Er unterwies auch im Gebrauch der Selbstschutzgeräte und der Volksgasmaske, die man u. a. wegen des möglichen Auftretens von starker Rauchentwicklung für unentbehrlich hielt. In den letzten Monaten des Krieges fanden die Menschen kaum noch aus den Kellern, wo die Enge immer drangvoller wurde. „Rückgeführte“, so die offizielle Bezeichnung der Flüchtlinge aus dem Osten und Westen damals, beanspruchten ihren Platz. Pausenlose Alarmierungen, ständige Überflüge und Bombenabwürfe sowie eine steigende Gefährdung durch Tiefflieger, die auf alles schossen, was sich im Freien zeigte, zermürbte die Menschen. Sie konnten sich nirgends mehr sicher fühlen. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Der Alltag ließ sich kaum noch bewältigen. Alle sehnten das Ende des Schreckens herbei. 41: In Petersberg nach dem Angriff vom 20. Juli 1944 zusammengetragene Blindgänger, die durch den Aufschlag aus rund 6000 m Höhe mehr oder weniger verformt wurden. 23 DIE DEUTSCHEN VERTEIDIGER – DIE 7. DEUTSCHE ARMEE Abwehrbemühungen Die deutsche Führung erkannte bald die Gefährlichkeit der amerikanischen Panzerattacke für die 7. Armee, die General von Obstfelder befehligte. Sie stand den Amerikanern in den meisten Teilen Hessens und in Nordbayern Ende März/Anfang April gegenüber. Der über47: Soldaten der 14. Panzerdivision (7. US-Armee) beim zweiten Vorstoß auf Hammelburg (8. April 1945). Der zerstörte US-Panzer ist Zeuge des gescheiterten ersten Unternehmens („Patton s Trip“). raschende Rheinübergang der 3. US-Armee bei Oppenheim sowie der anschließende Durchbruch hatte eine breite Bresche in die Abwehrfront der 7. dt. Armee geschlagen. Ihre Flügel standen noch am Rhein, als die Angreifer sich schon anschickten, den Main zu überqueren.2 Um dem bedrohten Nordflügel der Armee näher zu sein, vollzog der Armeestab am 28. März einen Stellungswechsel von Heigenbrücken (15 km nordwestlich Lohr) nach Breitenborn (sieben Kilometer nördlich von Gelnhausen). Wie brüchig die deutsche Front sich darstellte, hatten die Führungsoffi- PA N Z E R S P E R R E N dass bei den sich überstürzenden Ereignissen die Zeit zum Handeln oft zu knapp wurde. So blieben „E-, Gas- oder Wasserwerke... fast überall verschont“.53 Panzersperren Eine andere Maßnahme, welche die Feinde aufhalten sollte, war der Bau von Panzersperren. Hier fanden Volkssturm und Hitlerjugend ein Betätigungsfeld. Überall wuchsen bei Annäherung der Amerikaner diese Bauwerke aus dem Boden, an den Einfallstraßen der Städte, aber auch in den Dörfern. „Am Dienstag in der Karwoche wurde in unserem PA N Z E R S P E R R E N Dorf der Volkssturm aufgeboten. Um 12 Uhr hatte er mit Axt, Hacke und Spaten am Spritzenhaus anzutreten. Die Bauern mit Pferden hatten sich mit bespannten Leiterwagen einzufinden. Da kam auch schon der Bürgermeister. Auf Befehl des Verteidigungskommissars vom Gau Kurhessen sollten an den Ortseingängen Panzersperren angelegt werden. Die Bauern sollten das Holz aus dem Wald anfahren. Eine genaue Zeichnung über die Panzersperre ging von Hand zu Hand. Die Anordnung löste allseitigen Widerspruch und Ablehnung aus. Panzersperren bedeuteten eine große Gefahr für ein Dorf. Man wagte aber noch keine offene Auflehnung. Man kannte die schweren Strafen und wusste, wie schnell die SS mit dem Aufhängen war. So rückte man in Gruppen zu den Ortseingängen. Die Gespanne fuhren in den Wald, um dicke Stämme anzufahren. Aber an den Sperren wurde nur zum Schein gearbeitet. Vorüberziehende Soldaten lachten und verspotteten unsere Sperren. Ich war zur Panzersperre Richtung Harmerz eingeteilt. Sie sollte am Ausgang des Waldes angelegt werden.“54 Für die Stadt Fulda ist eine Anweisung des Kampfkommandanten für den Bau der Straßensperren enthalten, in der darauf hingewiesen wird, dass „Eisenträger, Balken usw. ... den zerstörten Gebäuden entnommen wer- den“ können.55 Daran mangelte es nun wirklich nicht. Wie die US-Armee mit den Barrikaden umging, lässt sich aus dem folgenden Bericht entnehmen: „Panzersperren trafen wir ständig an. Fast jede Stadt, groß oder klein, wies diese Sperren an den Einfallstraßen auf. Hölzer, ca. 8 bis 10 Inches stark, waren an jeder Seite der Straße senkrecht in den Boden versenkt. Sie ließen eine Lücke für die Querhölzer, welche die 12 Fuß große Öffnung verschlossen. Sie wurden durch Sprengungen, direktes Feuer der Panzerkanonen oder durch das Herausziehen einzelner Hölzer mit den Winden der Halbkettenfahrzeuge entfernt.“56 53: Amerikanischer Panzer durchbricht eine Panzersperre 54: Schema einer Panzersperre 40 41 DIE AMERIKANISCHEN ANGREIFER Vormarschs. Ihre Binnengliederung in gepanzerte Kampfgruppen (Combat Commands – CC) wurde schon angesprochen. Wie überwältigend Ausrüstung und Materialfülle sowie Mannschaftsstärke der amerikanischen Panzerdivisionen waren, lässt sich auch an der 11. Panzerdivision ermessen. Sie zählte zum damaligen Zeitpunkt 10 826 Soldaten (davon 629 Offiziere)104 und verfügte ebenfalls über mehrere hundert Panzer. (Wir erinnern uns: Das gesamte deutsche XII. Armeekorps umfasste nur ca. 7000 Mann mit 25 bedingt einsatzfähigen Panzern und sollte damit 80 km Frontlinie verteidigen.) Auch die 11. Panzerdivision war in drei gepanzerte Kampfgruppen gegliedert, die Kampfgruppe A (CCA), die Kampfgruppe B (CCB) sowie die CCR (Reserve) und konnte sich ebenso wie die 4. Panzerdivision mit ihrer überlegenen Feuerkraft rücksichtslos den Weg bahnen. Zu diesen drei Haupteinheiten der 11. Pz. Div. traten noch das Cavalry Command (gepanzerte Kavallerie) sowie die Feldartilleriegruppe 183. Zusätzlich zu dieser gewaltigen Bodenstreitmacht stand in der Luft die 9. (taktische) Airforce zur Verfügung. Sie wurde gefechtsfeldnah zur Unterstützung der Bodentruppen eingesetzt und verfügte über zweimotorige Bomber (9. Bomberdivision) sowie zahlreiche Jagdbomber (Jabos). Die Bomber zertrümmerten am 25. März (Palmsonntag) die Fuldaer Bahnanlagen und am darauffolgenden Tag den Verschiebebahnhof Flieden, an dem die beiden Hauptstrecken Frankfurt-Fulda und Würzburg-Fulda zusammenliefen. Truppenverschiebungen oder Nachschubtransporte waren danach auf diesen Linien nicht mehr möglich.105 Auch die Straßenverbindungen wurden von den Jabo-Kommandos der 9. taktischen Luft- 54 flotte ständig überwacht. Auf ihren bewaffneten Aufklärungsflügen schossen sie auf alles, was sich bewegte. Mit dem Näherrücken der Front steigerte sich ihre Tätigkeit in einem Maße, dass jegliche deutsche Mobilität bei Tage, die entsprechenden Wetterbedingungen vorausgesetzt, zum Erliegen kam. Die Einsatzberichte der einzelnen Einheiten, die sich auf den osthessischen Raum beziehen, wichen in den letzten Märztagen kaum voneinander ab. Sie wurden beherrscht von Angaben über die abgeflogenen Eisenbahnstrecken/Straßen mit Erfolgsmeldungen über beschädigtes oder zerstörtes rollendes Material, Eisenbahneinrichtungen, Flakstellungen und Straßenfahrzeuge. Am Mittwoch, dem 28. März standen Einsätze auf deutsche Militärfahrzeuge im Hersfelder Gebiet im Vordergrund und am Tag darauf taucht der Name Hünfeld mehrmals in den Einsatzberichten auf. Die Vormarschstraßen nach Mitteldeutschland wurden verstärkt unter Beschuss genommen. Allein am 1. April flog die 367. Gruppe des XIX TAC fünfzehn Einsätze zur Unterstützung der Bodentruppen. Fahrzeugkolonnen, Eisenbahnverbindungen sowie Artilleriestellungen wurden angegriffen. Das klare und kühle Wetter, welches an diesem Tag herrschte, begünstigte dabei die Operationen.106 DIE OPERATIONEN UND KÄMPFE IM EINZELNEN Der Vormarsch der 4. US-Panzerdivision Gründonnerstag, 29. März 1945 Einsatzberichte Die 4. amerikanische Panzerdivision tauchte als Spitze des amerikanischen Vormarschs nach Mitteldeutschland als erste im osthessischen Raum auf. Die Kampfgruppe B der Division bekam den Befehl, von nun an nach Osten hin anzugreifen, nachdem man vorher in nördlicher Richtung vorgedrungen war. Das Ziel hieß Lauterbach. Die gepanzerte Kolonne verließ um 7 Uhr ihr Nachtlager in der Gegend von Beltershain (nördlich Grünberg) und drang schnell über Lumda, Atzenhain, Merlau, Ruppertenrod, Ermenrod, Felda, Windhausen, Köddingen, Helpershain, Meiches und Dirlammen gegen sehr schwachen Widerstand vor. Nach einem Marsch von ca. 29 Meilen wurde gegen 14 Uhr Lauterbach erreicht. Große Mengen von Wehrmachtsausrüstungsgegenständen wurden zerstört und zahlreiche Gefangene gemacht, weil der Vorstoß blitzartig und unerwartet geschah. Viele deutsche Soldaten saßen gerade in Lauterbacher Privathäusern beim Mittagessen, als die Amerikaner auftauchten. Auch Bad Salzschlirf mit 1500 Verwundeten „kapitulierte in aller Form gegenüber der Division“. Die Kampfgruppe A griff ab 6.30 Uhr von Grünberg aus an und hatte den Auftrag, den „Straßenknotenpunkt“ Großenlüder einzunehmen. Während des Vorstoßes änderte man den Befehl dahingehend ab, Herbstein anzugreifen. 16 Uhr wurde aber die alte Order wieder in Kraft gesetzt. Die Kampfgruppe eilte deshalb weiter nach Großenlüder, das sie um 23 Uhr erreichte und hier auch den Gefechtsstand einrichtete. Folgende Gemeinden, wobei sich aus der Reihenfolge der Aufzäh- 66: Fahrzeuge der 4. US-Panzerdivision auf einer Pontonbrücke beim Überqueren des Mains bei Hanau am 28. März 1945