Untersuchung und Optimierung von

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Untersuchung und Optimierung von
E. Füglein et al.
Pulvermetallurgie in Wissenschaft und Praxis 2006, 22, 411
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Untersuchung und Optimierung von Sinterprozessen mit
Methoden der Thermischen Analyse am Beispiel eines
Kupfer-Zinn-Pulvers
E. Füglein, J.B. Henderson, L. Hagemann, J. Blumm,
NETZSCH-Gerätebau GmbH, Wittelsbacherstraße 42, 95100 Selb
Die ständig steigenden Anforderungen an pulvertechnologisch hergestellte
Bauteile in Bezug auf Eigenschaften, Formgebung, Einsatzbereich und
Zuverlässigkeit führt häufig zu einer zunehmenden Komplexität der Materialzusammensetzung. Aus den klassischen Werkstoffgruppen Metall, Hartmetall,
Keramik und Polymere entstehen Komposite mit maßgeschneiderten Eigenschaften. Diese Eigenschaften sind folglich immer seltener einschlägigen
Tabellenwerken für die entsprechenden Mischungsverhältnisse zu entnehmen.
Damit steigen gleichzeitig die Anforderungen an die begleitende Analytik,
sowohl was die Quantität als auch die Qualität betrifft. Ohne diese Informationen
ist eine zielgerichtete Optimierung von Materialeigenschaften kaum denkbar.
Die Methoden der Thermischen Analyse wie Thermogravimetrie (TG),
Dilatometrie (DIL) und Differential Scanning Calorimetry (DSC) sind für solche
Optimierungsanforderungen von zentraler Bedeutung. Die Freisetzungstemperatur von Restlösemitteln oder anhaftender Feuchtigkeit sowie deren
Quantifizierung sind mit Hilfe der Thermogravimetrie an keramischen oder
pulvermetallurgischen Grünkörpern leicht zu ermitteln. Ist die Thermowaage
zudem mit einem spektroskopischen Verfahren wie Infrarotspektroskopie oder
Massenspektrometrie gekoppelt (TG-FTIR bzw. TG-MS), so ist auch die
Identifizierung der freigesetzten Gase möglich. Die Bestimmung einer
geeigneten Temperaturführung während des Entbinderns ist ebenfalls eine
Aufgabenstellung, die mit der Thermogravimetrie effizient bearbeitet werden
kann.
Strukturelle
Umwandlungen,
Phasenübergänge,
spezifische
Wärmekapazität oder die Bestimmung der Solidus-Liquidus-Temperaturen für
die Erstellung von Phasendiagrammen von Legierungen sind Messaufgaben, die
mit kalorischen Methoden wie der DSC bearbeitet werden. Die Dilatometrie
gehört zu den weit verbreiteten Analyseverfahren und ist wohl die wichtigste
Methode zur Optimierung von Sinterprozessen. Schließlich werden die
Methoden der Thermischen Analyse sehr gut ergänzt durch Geräte zur
Bestimmung von thermophysikalischen Eigenschaften wie etwa der
Temperaturleitfähigkeit (LFA). Alle so gewonnenen Messdaten lassen sich
zudem mit ergänzender Software kinetisch auswerten. Über das mechanistische
Verständnis der Sintervorgänge hinaus ist im Besonderen die Möglichkeit
hilfreich, Temperaturbehandlungsschritte zu simulieren. Zeitraubende empirische
Temperaturoptimierungen können somit reduziert werden.
Im Folgenden wird am Beispiel einer Cu-Sn-Legierung (90:10) gezeigt, wie sich
die Einzelergebnisse der beschriebenen Methoden im Sinne einer Interpretation
der thermischen Vorgänge ergänzen.
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Die Pulver wurden mit einem Druck von 30 KN/cm2 zu Zylindern mit einer
Länge von 20 mm und einem Durchmesser von 11.4 mm kaltgepresst. Die
Partikelgröße lag bei ≤ 40 µm. Zur Bestimmung der spezifischen Wärmekapazität wurde eine NETZSCH DSC 404 verwendet. Die Untersuchungen
wurden im Temperaturbereich zwischen 25°C und 775°C mit Heiz- und
Kühlraten von 20 K/min durchgeführt. Als Probenspülgas kam Formiergas,
bestehend aus 95% Argon und 5% Wasserstoff, zum Einsatz. Die Bestimmung
von Dimensionsänderungen wurde in der gleichen Atmosphäre mit dem
Schubstangendilatometer NETZSCH DIL 402 C durchgeführt. Zur Kalibrierung
diente ein Standard aus einkristallinem Aluminiumoxid (Saphir). Die Proben
wurden mit einer linearen Heizrate von 10 K/min von Raumtemperatur auf
780°C erwärmt. Die Temperaturleitfähigkeit wurde nicht nur während des
Aufheizens und während des Abkühlens bestimmt, sondern auch für jeweils 15stündige Isothermphasen bei unterschiedlichen Temperaturen (500°C, 525°C,
550°C, 600°C und 700°C). Die Proben hatten eine Ausgangsdicke von 3 mm bei
einem Durchmesser von 11.4 mm. Die Messungen wurden in der LaserflashApparatur NETZSCH LFA 427 unter Formiergasatmosphäre durchgeführt.
Die Ergebnisse für die spezifische Wärmekapazität der vorlegierten Pulverproben sind in Bild 1 dargestellt. Die Datenpunkte sind gemittelte Werte aus
zwei unabhängigen Messungen. Der temperaturabhängige Verlauf der
spezifischen Wärmekapzität ist von Beiträgen latenter Wärme überlagert.
Zwischen 175°C und 375°C wird ein breiter exothermer Effekt und zwischen
500°C und 650°C ein endothermer Effekt detektiert.
Letzterer deutet auf eine Phasenumwandlung hin, die aber im
Phasendiagramm für die untersuchte Zusammensetzung nicht
existiert, wohl aber für zinnreichere Phasen (16-20%), was
auf Inhomogenitäten hinweisen
kann. Letztlich sind jedoch diese
Daten isoliert betrachtet nicht
befriedigend interpretierbar.
Bild 1: Ergebnisse der spezifischen Wärmekapazität
Unter Zuhilfenahme der dilatometrischen Ergebnisse und der Resultate der
Temperaturleitfähigkeitsmessungen ergibt sich jedoch ein vollständigeres Bild
der ablaufenden Prozesse. Bild 2 zeigt die temperaturabhängige Volumenausdehnung in Verbindung mit der analog abnehmenden Dichte. Hier
repräsentieren die einzelnen Punkte Mittelwerte aus drei unabhängigen
Messungen. Oberhalb einer Temperatur von 500°C setzt der eigentliche Sinterprozess ein, was durch die vergleichsweise rapide Zunahme der Dichte erkennbar
ist. Durch Haltezeiten von drei Stunden bei 780°C kann für dieses Material eine
Enddichte von 7.35 g/cm3 erreicht werden. Es ist aber aus den Ergebnissen der
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Dilatometermessungen auch ersichtlich, dass sich die Ausdehnungsrate oberhalb
der bereits diskutierten 375°C deutlich vermindert im Vergleich zu dem Verlauf
bis 375°C. Solche Änderungen im Ausdehnungsverhalten sind von Mechanismen
während früher Sinterstadien bekannt.
Bild 2: Ergebnisse der thermischen Ausdehnung und der Dichteänderung
Bild 3: Ergebnisse der Temperaturleitfähigkeitsmessungen
Die Ausdehnungsmessungen werden zudem von den Ergebnissen der Laserflashmessungen zur Bestimmung der Temperaturleitfähigkeit bestätigt. Die in Bild 3
als rote Kreise dargestellten Werte sind Mittelungen aus fünf Einzelmessungen.
Sie belegen, dass sich die Temperaturleitfähigkeit ab etwa 200°C signifikant
ändert. Dieser Befund bestätigt die bisherige Interpretation eines beginnenden
Sinterprozesses. Beispielsweise bedingt die Ausbildung von Sinterhälsen eine
Reduzierung der Kontaktwiderstände zwischen den Partikeln und sorgt dadurch
für ansteigende Werte der Temperaturleitfähigkeit. Die isothermen Haltezeiten
sind in Bild 3 durch vertikale durchgezogene Linien bei den entsprechenden
Temperaturen gekennzeichnet. Die blauen Symbole geben den Verlauf während
der Abkühlphasen wieder. Die Temperaturleitfähigkeit für die thermisch
behandelten Proben nimmt wie erwartet höhere Werte an als während der
Aufheizphasen, da die Temperaturleitfähigkeit in dem Maße zunimmt, in dem
die Porosität abnimmt und Kornwachstum einsetzt [1].
Literatur:
[1]
J. B. Henderson, L. Hagemann, J. Blumm, “Measurement of the
Thermophysical Properties of Cold-Pressed Copper-Tin during Sintering”,
Proceedings of the Twenty-Fourth International Thermal Conductivity
Conference, 1997, Pittsburgh, Pennsylvania, USA.
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