Leseprobe - Verlag Franz Vahlen GmbH

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Leseprobe - Verlag Franz Vahlen GmbH
Vahlen • Jura / Lehrbuch
Arbeitsrecht
von
Prof. Dr. Raimund Waltermann, Prof. Dr. Alfred Söllner
17. Auflage
Verlag Franz Vahlen München 2014
Verlag Franz Vahlen im Internet:
www.vahlen.de
ISBN 978 3 8006 4890 0
Zu Inhalts- und Sachverzeichnis
schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG
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§ 17. Der Kündigungsschutz
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Art. 12 Abs. 1 GG sind, wahrgenommen werden kann. 3 Unionsrechtlich gebietet Art. 30
GRC, Arbeitnehmern Schutz vor ungerechtfertigter Entlassung zu gewährleisten.
Das Kündigungsschutzrecht wird aus der Perspektive der Arbeitgeber- und der 355
Arbeitnehmerseite naturgemäß gegensätzlich bewertet.4 Das ist verständlich, gerade
dieser Interessengegensatz und ihm entsprechende Positionierungen prägen seit Jahren die Debatte um den „richtigen“ Kündigungsschutz. Sollen Reformen sinnvoll
sein, müssen sie indessen allein auf gründlicher und nüchterner Analyse der Auswirkungen des geltenden Kündigungsschutzes und eventueller Fehlentwicklungen des
Rechts und der Rechtsauslegung beruhen,5 wenn die grundsätzliche Berechtigung
eines Bestandsschutzes von Arbeitsverhältnissen außer Frage steht. Die politische
Bewertung des Gewichts größerer Kündigungsfreiheit auf der einen und einer Kultur der Bindung von Beschäftigten an Unternehmen mit der Aussicht auf Bestandsschutz bei guter Leistung auf der anderen Seite bleibt im Rahmen der durch die
Rechtsordnung gezogenen Grenzen Aufgabe des Gesetzgebers.
II. Der individualrechtliche Kündigungsschutz im Einzelnen
1. Der Geltungsbereich des KSchG
a) Gegenständlicher und persönlicher Geltungsbereich. Die Vorschriften des 356
KSchG beziehen sich auf die ordentliche Kündigung (siehe aber auch die Vorschriften in § 13 Abs. 1 S. 2 KSchG und §§ 17, 21 TzBfG). Grundsätzlich kommt der
Kündigungsschutz allen auf Grund eines Arbeitsverhältnisses Beschäftigten zugute,
ausgenommen sind jedoch Repräsentanten des Arbeitgebers (z. B. Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften, Geschäftsführer einer GmbH, auch wenn sie Arbeitnehmer sind, § 14 Abs. 1 KSchG).
Für leitende Angestellte, die zu selbstständiger Einstellung und Entlassung berechtigt sind,
gilt der allgemeine Kündigungsschutz mit der Einschränkung, dass sie im Ergebnis keine
Weiterbeschäftigung, sondern nur eine Abfindung erreichen können (vgl. § 14 Abs. 2 KSchG).
Wird ein leitender Angestellter zum Geschäftsführer einer (neu gegründeten) Tochtergesellschaft bestellt, die wesentliche Teilaufgaben des Betriebs seines bisherigen Arbeitgebers übernimmt, wird nach neuerer Rechtsprechung im Zweifel mit dem Abschluss des Geschäftsführerdienstvertrags das bisherige Arbeitsverhältnis aufgehoben.6 Wegen des Schriftformgebots
(§ 623 BGB) muss das Arbeitsverhältnis aber in eindeutiger Weise beendet werden.
b) Zeitlicher Geltungsbereich. Kündigungsschutz nach dem KSchG kommt nur 357
Arbeitnehmern zugute, die bereits länger als sechs Monate ununterbrochen demselben Betrieb oder Unternehmen angehören (§ 1 Abs. 1 KSchG) – gesetzliche Probezeit.
______________________________________________________________________________________
3
Vgl. BVerfG 1.3.1979 – 1 BvR 532/77 u. a. – BVerfGE 50, 290 (365). Das BVerfG geht davon
aus, dass insoweit die Unternehmerfreiheit in „einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion“ steht.
4
Zur Effektivität des Kündigungsschutzes und zu beschäftigungspolitischen Wirkungen vgl. die
Untersuchung der Sozialwissenschaftlichen Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg, 2 Bde. (1981); gekürzt: RdA 1981, 300 ff.;
Höland, WSI-Mitteilungen 2005, 561; zu Wirkungen des Kündigungsschutzes Pfarr u. a., BB 2003,
2061 ff., 2286 ff., 2622 ff. sowie BB 2004, 106 ff., 325 ff., 602 ff.; siehe auch die Referate von Moll,
Pfarr und Sadowski zum 65. DJT 2004, N 9 ff., N 47 ff., N 93 ff.
5
Zutreffend Bayreuther, NZA 2006, 417 ff.
6
Siehe BAG 24.11.2005 – 2 AZR 614/04 – NZA 2006, 366 ff.
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Das Arbeitsverhältnisrecht
c) Betrieblicher Geltungsbereich. Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts (§§ 1–16 KSchG) gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und
des öffentlichen Rechts. Von der Geltung des Ersten Abschnitts (§§ 1–14 KSchG mit
Ausnahme der §§ 4–7 und 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 KSchG) sind aber bestimmte
kleinere Betriebe und Verwaltungen ausgenommen. Der Kündigungsschutz gilt
nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt werden (§ 23 Abs. 1 S. 2
KSchG). Diese Grundregel wird seit dem 1.1.2004 um folgende Regel ergänzt: In
Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer
ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des
Ersten Abschnitts für diejenigen Arbeitnehmer nicht, deren Arbeitsverhältnis nach
dem 31. Dezember 2003 begonnen hat (§ 23 Abs. 1 S. 3 1. Hs. KSchG). Der Kündigungsschutz hängt also seit einer 2004 in Kraft getretenen Gesetzesreform vom
Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme (nicht vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses) ab.
Was den Kündigungsschutz der „Alt-Arbeitnehmer“ angeht, ist zu beachten, dass
bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer gemäß § 23 Abs. 1 S. 2
KSchG Arbeitnehmer mit Arbeitsaufnahme nach dem 31.12.2003 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht berücksichtigt werden (§ 23 Abs. 1
S. 3 2. Hs. KSchG); der am 31.12.2003 vorhandene „virtuelle Altbetrieb“ darf nicht
auf fünf oder weniger Altarbeitnehmer absinken.7 Teilzeitbeschäftigte sind nach näherer Bestimmung in § 23 Abs. 1 S. 4 KSchG mit einer ihrer Arbeitszeit entsprechenden Quote zu berücksichtigen. Der Begriff „Betrieb“ wird im KSchG im Vergleich zu jenem im Rahmen des BetrVG verfassungskonform einschränkend
ausgelegt – der Anwendungsbereich der Norm wird auf Fälle beschränkt, für welche
die Benachteiligung der betroffenen Arbeitnehmer sachlich begründet ist.8
Die Kleinbetriebsklausel soll diejenigen Arbeitgeber vor organisatorischer und finanzieller
Überforderung schützen, deren Betrieb ein geringes Geschäftsvolumen hat.9 Die Kündigung
im Kleinbetrieb unterliegt jedoch den Grenzen der §§ 138, 242 BGB (Rn. 326).
2. Die soziale Rechtfertigung der Kündigung
359
a) Ausgangspunkt. aa) Durch § 1 KSchG wird die vom Arbeitgeber ausgesprochene ordentliche Kündigung praktisch an bestimmte Kündigungsgründe gebunden.
Die Gründe müssen die Kündigung „bedingen“, d. h. das berechtigte Bedürfnis nach
Auflösung des Arbeitsverhältnisses begründen. Kündigungsgründe, die eine ordentliche Kündigung bedingen können, müssen in der Person oder in dem Verhalten des
Arbeitnehmers liegen, oder es müssen dringende betriebliche Erfordernisse der Weiterbeschäftigung im Betrieb entgegenstehen (§ 1 Abs. 2 S. 1 KSchG).
Bei den zur Konkretisierung des Rechtsbegriffs der sozialen Rechtfertigung in § 1 Abs. 2
S. 1 KSchG enthaltenen Begriffen (Gründe in der Person, im Verhalten, dringende betriebliche
Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung in dem Betrieb entgegenstehen) handelt es sich
um unbestimmte Rechtsbegriffe, die der Ausfüllung durch methodengerechte Rechtsauslegung
bedürfen. Die rechtlichen Maßstäbe, die insoweit die Praxis bestimmen, sind an einer Vielzahl
von Fällen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung fortentwickelt worden. Es versteht
sich deshalb von selbst, dass die rechtswissenschaftliche Beschäftigung mit dem Kündigungsschutzrecht und zumal die juristische Fallbearbeitung in Auseinandersetzung mit den Maßstäben der höchstrichterlichen Rechtsprechung erfolgt.
______________________________________________________________________________________
7
Vgl. BAG 21.9.2006 – 2 AZR 840/05 – NZA 2007, 438 ff.
BVerfG 27.1.1998 – 1 BvL 15/87 – NZA 1998, 470 (474).
9
Zu den tragenden Gesichtspunkten Junker, Gutachten B zum 65. DJT 2004, S. 40–43.
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§ 17. Der Kündigungsschutz
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bb) Bei der Konkretisierung der Rechtsbegriffe geht das BAG von drei prinzipiel- 360
len Annahmen im Hintergrund aus, die zum Teil auch in den Negativgründen des
§ 1 Abs. 2 S. 2–4, Abs. 3, 4 KSchG zum Ausdruck kommen: Das Ultima-RatioPrinzip besagt, dass die Kündigung erst in Betracht kommt, wenn keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit beim bisherigen Arbeitgeber (auch nicht zu geänderten Arbeitsbedingungen) besteht; nur dann ist die Kündigung im Sinn von § 1
Abs. 2 KSchG durch Kündigungsgründe „bedingt“. Das Prognoseprinzip besagt,
dass die Kündigungsgründe darauf ausgerichtet sein müssen, dass das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt werden kann, also zukunftsbezogen sein müssen. Schließlich ist im Einzelfall eine Interessenabwägung vorzunehmen, das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes ist mit dem Interesse des
Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugleichen.10 Diese Prinzipien kommen in den Prüfungsschritten der Rechtsprechung an unterschiedlichen
Stellen zum Ausdruck (dazu sogleich).
Nach dem im Ultima-Ratio-Gedanken zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hat der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung zu versuchen, diese durch
andere geeignete Maßnahmen zu vermeiden. Aus diesem Grund gebührt der Änderungskündigung (Rn. 390 ff.) ein Vorrang vor der Beendigungskündigung.
b) Zweistufige Prüfung des BAG. Zur Konkretisierung der unbestimmten Rechts- 361
begriffe des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG (Kündigungsgründe) hat das BAG vor diesem
Hintergrund ein im Grundsatz zweistufiges Prüfungsvorgehen entwickelt:
aa) Zunächst ist in einem ersten Schritt zu fragen, ob in dem betreffenden Fall die
Kündigung „an sich“ (generell) durch einen Kündigungsgrund gemäß § 1 Abs. 2
S. 1 KSchG bedingt ist. Der gegebene Sachverhalt muss für sich genommen überhaupt geeignet sein, die Kündigung zu rechtfertigen.
bb) Ist in dem betreffenden Fall „an sich“ ein Kündigungsgrund gemäß § 1 Abs. 2
S. 1 KSchG gegeben, muss (unbeschadet der Vorschriften in § 1 Abs. 2 S. 2, 3
KSchG) in einem zweiten Schritt im Weg einer umfassenden Interessenabwägung
festgestellt werden, ob die Kündigung im konkreten Fall aus der Sicht eines verständigen Arbeitgebers angemessen und billigenswert ist. Dieses grundsätzlich zweistufige Vorgehen erfährt im Hinblick auf die drei Kündigungsgründe unterschiedliche
Konkretisierungen (dazu sogleich).
In Fall a ist das wiederholte unentschuldigte Fehlen des A nach Abmahnung durch Arbeitgeber G an sich geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Es handelt sich
um einen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Leistungspflicht, durch den das Arbeitsverhältnis konkret gestört wird. Bei der Interessenabwägung ist zu Lasten des A erheblich, dass
das kurzfristige Fehlen des A an dem „Doppelarbeitsplatz“ zu erheblichen Störungen im Betriebsablauf führt.11 Allgemein ist im Rahmen der Interessenabwägung etwa bei einer Kündigung wegen Krankheit eine höhere Anstrengung und Belastung des Arbeitgebers durch die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar als bei einer Kündigung wegen einer längeren
Freiheitsstrafe.12
c) Personenbedingte Kündigung. Gründe in der Person des Arbeitnehmers, die 362
„an sich“ die Kündigung rechtfertigen können, sind solche, die sich auf die persönlichen Eigenschaften und Verhältnisse des Arbeitnehmers beziehen. Hierunter fallen
beispielsweise die mangelnde Eignung des Arbeitnehmers (fehlende Berufsvoraus______________________________________________________________________________________
10
Siehe zu diesen Prinzipien näher Stahlhacke/Preis, Rn. 886 ff.
Vgl. BAG 17.1.1991 – 2 AZR 375/90 – NZA 1991, 557 ff.
12
BAG 25.11.2010 – 2 AZR 984/08 – NZA 2011, 686 ff.
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Das Arbeitsverhältnisrecht
setzung; fehlende Arbeitserlaubnis; fehlende Fahrerlaubnis des Kraftfahrers), Arbeitsverhinderung (etwa durch eine mehrjährige Haftstrafe13) oder eine im Einzelfall
vorliegende Minderung der Leistungsfähigkeit, nicht dagegen der Umstand, dass ein
Studierender wegen langer Studiendauer nicht mehr (etwa gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3
SGB V) sozialversicherungsfrei ist. Kennzeichnend ist, dass der Arbeitnehmer die
seine Eignung oder Fähigkeit bestimmenden Umstände nicht zu steuern vermag; auf
ein Verschulden des Arbeitnehmers kommt es nicht an.
363
aa) Unter den personenbedingten Kündigungen sind die wegen Krankheit des Arbeitnehmers ausgesprochenen Kündigungen besonders wichtig. Hierbei werden drei
Fallgruppen unterschieden: Kündigung wegen langandauernder Krankheit,14 Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen in der Vergangenheit15 und Kündigung
wegen krankheitsbedingter Minderung der Leistungsfähigkeit.16 Im Rahmen einer
Prognose über den zu erwartenden künftigen Gesundheitszustand des Arbeitnehmers ist letztlich entscheidend, ob die zu erwartenden krankheitsbedingten Beeinträchtigungen die betrieblichen Belange des Arbeitgebers unzumutbar belasten und
kein milderes Mittel zur Verfügung steht.17 Die Kündigung wegen Krankheit muss
strengen Anforderungen genügen, insbesondere wenn die Krankheit im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung entstanden ist.
Dreistufige Prüfung bei Kündigung wegen Krankheit
Das BAG prüft in drei Stufen:18
(1) Die Prognose muss aufgrund objektiver Tatsachen im Zeitpunkt der Kündigung die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigen (wobei häufige Kurzerkrankungen indiziell für eine solche Entwicklung sprechen können) bzw. die Wiedererlangung
der Arbeitsfähigkeit auf absehbare Zeit nicht erwarten lassen.
(2) Die bisherigen und die zu erwartenden Auswirkungen der Krankheit müssen mit einer
erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen verbunden sein. Dabei kommen zwei Arten von Beeinträchtigungen in Betracht: schwerwiegende Störungen im Arbeitsprozess sowie eine erhebliche wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers (Kosten der Aushilfskräfte; hohe Aufwendungen für Entgeltfortzahlung). Bei lang andauernder krankheitsbedingter Leistungsunfähigkeit liegen die erheblichen Beeinträchtigungen auf der Hand.19
(3) Die Interessenabwägung muss ergeben, dass im Einzelfall die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung zumutbarer Überbrückungsmaßnahmen
eine unzumutbare Belastung des Arbeitgebers ergeben. Dabei sind das Schutzinteresse des
Arbeitnehmers und das betriebliche und wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers unter Berücksichtigung aller Umstände gegeneinander abzuwägen.
______________________________________________________________________________________
13
BAG 24.3.2011 – 2 AZR 790/09 – NZA 2011, 1084 ff.; zur Kündigung bei Untersuchungshaft
BAG 23.5.2013 – 2 AZR 120/12 – NZA 2013, 1211 ff.
14
Vgl. BAG 29.4.1999 – 2 AZR 431/98 – NZA 1999, 978 ff.; BAG 12.4.2002 – 2 AZR 148/01 –
NZA 2002, 1081 ff.
15
BAG 16.2.1989 – 2 AZR 299/88 – NZA 1989, 923 ff.; BAG 17.6.1999 – 2 AZR 639/98 –
NZA 1999, 1328 ff.
16
Siehe zum Maßstab der Rechtsprechung bei personenbedingter Kündigung wegen Minderleistungen BAG 11.12.2003 – 2 AZR 667/02 – NZA 2004, 784 ff.
17
BAG 20.12.2012 – 2 AZR 32/11 – NZA-RR 2013, 627 (630) zur Beeinträchtigung betrieblicher Interessen durch Alkoholauffälligkeiten eines Suchttherapeuten.
18
Siehe stellv. BAG 8.11.2007 – 2 AZR 292/06 – NZA 2008, 593.
19
Vgl. BAG 18.1.2007 – 2 AZR 759/05 – AP Nr. 44 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit.
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§ 17. Der Kündigungsschutz
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In Fall b hat das BAG auf der Grundlage dieser dreistufigen Prüfung die Kündigung als
sozialwidrig angesehen, weil im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nach den Gesamtumständen noch nicht von einer negativen Prognose fortdauernder Arbeitsunfähigkeit habe
ausgegangen werden können. Das BAG hat angenommen, die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der A sei zum Zeitpunkt der Kündigung nur bis zu der angekündigten nächsten ärztlichen Beurteilung ungewiss gewesen.20 Naturgemäß ergeben sich bei der dreistufigen Prüfung
im Hinblick auf die Fallgruppen der krankheitsbedingten Kündigung Unterschiede, die Struktur der Prüfung legt die Rechtsprechung aber allen Fällen gleichermaßen zugrunde.
bb) Was den Zeitpunkt der Beurteilung angeht, ist auf die objektiven Verhältnisse 364
bei Zugang der Kündigungserklärung abzustellen. Erweist sich zu diesem Zeitpunkt
die Prognose als falsch, später, vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses (mit dem
Ablauf der Kündigungsfrist) dann aber als richtig, muss der Arbeitgeber erneut
kündigen. Im umgekehrten Fall kommt ein Anspruch auf Wiederbegründung der
vertraglichen Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses (Wiedereinstellungsanspruch)
des Arbeitnehmers in Betracht.21
In Fall c muss G wegen der Fortdauer der gesundheitlichen Beeinträchtigung eine erneute
Kündigung aussprechen.
d) Verhaltensbedingte Kündigung. aa) Als Gründe im Verhalten des Arbeit- 365
nehmers, die „an sich“ die Kündigung rechtfertigen, kommen die Verletzung von
Hauptleistungspflichten (pflichtwidrige Schlechtleistung,22 Arbeitsverweigerung, unentschuldigtes Fehlen, Unpünktlichkeit) und die Verletzung von Nebenpflichten
(Verstoß gegen Alkoholverbot, Straftaten im Zusammenhang mit der betrieblichen
Tätigkeit, diskriminierendes Verhalten im Sinn von §§ 1, 3 AGG, eigenmächtiger
Urlaubsantritt, unzulässige Nutzung des Internets,23 Mobbing, pflichtwidriges Whistleblowing, Rn. 193) in Betracht. Aufgrund des pflichtwidrigen Verhaltens muss mit
weiteren Verstößen zu rechnen sein (negative Prognose) oder die eingetretene Störung muss so schwerwiegend sein, dass eine vertrauensvolle Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unmöglich erscheint; Zweck der Kündigung ist nicht die Sanktionierung des Verhaltens, sondern dessen belastende Auswirkung in der Zukunft.
Außerdienstliches Verhalten kann die Kündigung nur rechtfertigen, wenn dadurch
das Arbeitsverhältnis beeinträchtigt wird. Nicht schuldhaftes Verhalten rechtfertigt
eine verhaltensbedingte Kündigung in der Regel nicht.24
Die verhaltensbedingte Kündigung kommt auch in Betracht, wenn Arbeitnehmer eine Weisung des Arbeitgebers nicht befolgen. Voraussetzung ist, dass die Weisung wirksam ist.25 Die
Unwirksamkeit kann sich namentlich aus § 7 Abs. 1 AGG ergeben; § 2 Abs. 4 AGG ändert
daran nichts, denn es handelt sich um eine separate Vorfrage (Rn. 80).
bb) Vor dem Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung muss, wie bei der 366
verhaltensbedingten außerordentlichen Kündigung, vor dem Hintergrund des Prognoseprinzips und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in aller Regel eine Ab______________________________________________________________________________________
20
BAG 29.4.1999 – 2 AZR 431/98 – NZA 1999, 978 ff.
BAG 17.6.1999 – 2 AZR 639/98 – NZA 1999, 1328 (1330).
22
Vgl. BAG 11.12.2003 – 2 AZR 667/02 – NZA 2004, 784 ff.; BAG 17.1.2008 – 2 AZR 536/06
– NZA 2008, 693 ff.: Das BAG geht nicht von einem objektiven Maßstab, sondern von der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers aus, wobei der schwache Ergebnisse erzielende Arbeitnehmer („low performer“) Reserven ausschöpfen muss, die mit zumutbaren Anstrengungen auszuschöpfen wären, Rn. 227.
23
BAG 7.7.2005 – 2 AZR 581/04 – NZA 2006, 98 ff.
24
Vgl. BAG 3.11.2011 – 2 AZR 748/10 – NZA 2012, 607 ff.
25
BAG 24.2.2011 – 2 AZR 636/09 – NZA 2011, 1087 ff.
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Das Arbeitsverhältnisrecht
mahnung26 ausgesprochen werden (vgl. § 314 Abs. 2 S. 1 BGB, Rn. 346). Die Abmahnung hat den Sinn, dem Arbeitnehmer die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens
aufzuzeigen (Rüge- oder Beanstandungsfunktion) und ihm anzukündigen, dass er
im Wiederholungsfall mit einer Kündigung zu rechnen hat (Warnfunktion). Eine
kündigungsrechtlich erhebliche Abmahnung liegt daher nur vor, wenn der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise
den Vertragsverstoß beanstandet und damit den Hinweis verbindet, dass im Wiederholungsfall der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.
Aus dem Blickwinkel einer ausgesprochenen Kündigung betrachtet können diese
Funktionen nur erfüllt sein, wenn der die Kündigung bedingende und der abgemahnte Verstoß gleichartig sind.
Beispiel: Abmahnung wegen Unpünktlichkeit und Kündigung nach unentschuldigtem Fehlen;
beides bezieht sich auf die Frage der ordnungsgemäßen Einhaltung der Arbeitszeit.
367
Ob mehrere Abmahnungen der Kündigung vorausgehen müssen, ist Frage des
Einzelfalls.27 Als abmahnungsberechtigte Personen kommen nicht nur kündigungsberechtigte leitende Angestellte, sondern alle Personen in Betracht, die befugt sind,
dem Arbeitnehmer verbindliche Weisungen bezüglich des Ortes, der Zeit sowie der
Art und Weise der Arbeitsleistung zu erteilen. Entbehrlich ist eine Abmahnung,
wenn sie keinen Erfolg verspricht, namentlich weil angesichts des schweren Grads
einer Pflichtverletzung deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und deren Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen erscheint.
Beispiel: Jedem Arbeitnehmer muss klar sein, dass er mit einer ausschweifenden Nutzung
des Internets während der Arbeitszeit die arbeitsvertraglichen Haupt- und Nebenpflichten erheblich verletzt; die Abmahnung ist entbehrlich.28 Entbehrlich ist die Abmahnung auch, wenn der
Arbeitnehmer systematisch Arbeitszeitbetrug begeht, so dass das Vertrauensverhältnis auch
nach Ausspruch einer Abmahnung gestört bliebe.29
368
In seiner neueren Rechtsprechung unterscheidet das BAG nicht mehr zwischen Störungen
im Leistungsbereich (Abmahnung grundsätzlich erforderlich) und Störungen im Vertrauensbereich (Abmahnung wurde früher für entbehrlich gehalten). Auch bei Störungen im Vertrauensbereich ist die Abmahnung erforderlich, wenn sich die Störung auf ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers bezieht und zur Wiederherstellung der Vertrauensgrundlage geeignet
erscheint.30 Wird die Abmahnung in die Personalakte aufgenommen, steht dem Arbeitnehmer
gemäß § 83 Abs. 2 BetrVG das Recht zur Aufnahme einer Gegendarstellung zu. Ist die Abmahnung unberechtigt oder durch Zeitablauf unwirksam geworden, kann der Arbeitnehmer
ihre Entfernung aus der Personalakte verlangen.31
369
cc) Auf der Stufe der Interessenabwägung sind die Anforderungen an das berechtigte Interesse des Arbeitgebers weniger streng, weil es der Arbeitnehmer in der
Hand hatte, sich vertragsgemäß zu verhalten.
______________________________________________________________________________________
26
Vgl. BAG 9.8.1984 – 2 AZR 400/83 – NZA 1985, 124 ff.; BAG 10.11.1988 – 2 AZR 215/88 –
NZA 1989, 633 ff.; Walker, NZA 1995, 601 ff.
27
Zur Frage der Abschwächung der Warnfunktion einer Abmahnung, wenn der Arbeitgeber immer nur mit der Kündigung droht, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen folgen zu lassen, siehe
BAG 16.9.2004 – 2 AZR 406/03 – NZA 2005, 459 ff.
28
Vgl. BAG 7.7.2005 – 2 AZR 581/04 – NZA 2006, 98 ff.
29
BAG 9.6.2011 – 2 AZR 381/10 – NZA 2011, 1027 ff.
30
BAG 4.6.1997 – 2 AZR 526/96 – NZA 1997, 1281 ff.
31
Vgl. BAG 5.8.1992 – 5 AZR 531/91 – NZA 1993, 838 f.
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Zu berücksichtigen sind zu Gunsten des Arbeitnehmers namentlich die Dauer der Betriebszugehörigkeit, eine Schwerbehinderteneigenschaft und das Lebensalter. Auf der anderen Seite
fällt etwa ins Gewicht, wie die Pflichtverletzung zu bewerten ist oder welche Nachteile für
den Arbeitgeber mit ihr verbunden sind.32
dd) Eine ordentliche (verhaltensbedingte) Kündigung kommt auch als Verdachtskündigung 370
(Rn. 347) in Betracht, wenn gerade durch den Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren
bzw. vertragswidrigen Verhaltens das Vertrauen zwischen den Vertragsparteien erschüttert ist.
Es muss der durch Tatsachen belegte dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung bestehen, der zum Wegfall des für die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses
notwendigen Vertrauens führt. Der Arbeitgeber muss alles zur Aufklärung des Verdachts Erforderliche getan haben, insbesondere muss der Arbeitnehmer angehört werden, damit er
Gelegenheit hat, sich zu dem Verdacht zu äußern. Stellt sich später heraus, dass der Verdacht
unbegründet war, steht dem Arbeitnehmer ein Wiedereinstellungsanspruch zu.
e) Betriebsbedingte Kündigung. Die soziale Rechtfertigung der betriebsbedingten 371
Kündigung setzt voraus, dass dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen und die Kündigung bedingen (§ 1 Abs. 2 S. 1 KSchG).
Anders als bei Kündigungen, die an Gründe in der Person oder im Verhalten anknüpfen, ist
der Rechtfertigungsgrund des dringenden betrieblichen Erfordernisses dem Einfluss des Arbeitnehmers entzogen. In Zeiten des Personalabbaus hat der Rechtfertigungsgrund beträchtliche Bedeutung. Was die Interessenlage angeht, stehen sich das Interesse des Arbeitgebers an
uneingeschränkter Handlungsfreiheit und das Interesse der Arbeitnehmer am Bestand des Arbeitsverhältnisses gegenüber.
aa) Die die Praxis bestimmende Rechtsprechung prüft folgendermaßen (siehe 372
auch nachfolgende Skizze): Dringende betriebliche Erfordernisse entstehen durch
eine unternehmerische Entscheidung, mit der auf bestimmte externe Umstände
(z. B. Rohstoff- oder Energiemangel, Auftragsmangel, Umsatzrückgang, Ausbleiben
von Kredit, auch Nachteilsandrohungen Dritter, die die Entlassung eines Arbeitnehmers bedingen33) oder auf bestimmte interne Umstände (etwa endgültig getroffene34 Entscheidung der Stilllegung unrentabler Betriebe oder Betriebsteile, Streichung von Personalstellen im öffentlichen Dienst, eventuelle sonstige Maßnahmen
der Rationalisierung, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) reagiert
wird. Unternehmerische Entscheidung in diesem Sinn ist nicht die Kündigung als
solche, sondern das ihr zugrunde liegende unternehmerische Konzept (z. B. Anpassung des Personalbedarfs im Zusammenhang mit Rationalisierungsmaßnahmen).
Die unternehmerische Entscheidung, mit der auf externe oder interne Umstände reagiert wird, führt zu einem dauerhaften Überhang an Arbeitskräften, dieser führt
zur Kündigung. Dabei fallen die unternehmerische Entscheidung und die internen
Umstände regelmäßig zusammen (Entschluss, einen Betriebsteil stillzulegen, eine
Hierarchieebene abzubauen35), während externe Umstände von einer durch sie ausgelösten Entscheidung gedanklich getrennt werden können.
______________________________________________________________________________________
32
Vgl. BAG 12.1.2006 – 2 AZR 179/05 – NZA 2006, 980 (985).
Zur „Druckkündigung“ BAG 18.7.2013 – 6 AZR 420/12 – NZA 2014, 109 (111 f.).
BAG 13.2.2008 – 2 AZR 543/06 – NZA 2008, 821 ff.
35
BAG 16.12.2010 – 2 AZR 770/09 – NZA 2011, 505 ff.
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Das Arbeitsverhältnisrecht
Kündigung „an sich“ betriebsbedingt?
Externe Umstände
(Tatsachen)
z. B. Rohstoff-, Energie- oder
Auftragsmangel, Umsatzrückgang
Interne Umstände
(Tatsachen)
z. B. Betriebs(teil)stilllegung,
Produktionsumstellung/-einstellung
Unternehmerische Entscheidung
(Willkürkontrolle)
Überhang an Arbeitskräften
(Tatsache)
Betriebsbedingte Kündigung
Im Spannungsfeld von unternehmerischer Entscheidungsfreiheit auf der einen und Arbeitsplatzschutz auf der anderen Seite geht das BAG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass
die Tatsachen, die der unternehmerischen Entscheidung zugrunde liegen (Vorliegen der außerbetrieblichen Ursachen; unternehmerische Entscheidung im Zusammenhang mit innerbetrieblichen Ursachen; dauerhafter Überhang an Arbeitskräften36), nachprüfbar sind. Die arbeitsgerichtliche Überprüfung der unternehmerischen Entscheidung als solcher bezieht sich
jedoch nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit, sondern beschränkt sich auf eine
bloße Willkürkontrolle.37 Die Willkürkontrolle setzt voraus, dass die Tatsachen offengelegt
und festgestellt sind.
In Fall d ist die Entscheidung, die Klinikbereiche Reinigung und Küche nicht mehr mit eigenen Arbeitskräften zu bewältigen, sondern damit ein Drittunternehmen zu beauftragen, als
willkürfreie unternehmerische Entscheidung hinsichtlich eines innerbetrieblichen Umstands
(Rationalisierung) anzusehen. Als rechtsmissbräuchlich hat es das BAG aber gewertet, wenn
ein Krankenhaus den Reinigungsdienst auf eine eigens gegründete finanziell, wirtschaftlich
und organisatorisch in das Unternehmen eingegliederte Organgesellschaft überträgt, um
die Arbeit ohne Veränderung der betrieblichen Abläufe von anderen, schlechter bezahlten
Arbeitskräften ausführen zu lassen. 38 In Fall e ist die Entscheidung, aus wirtschaftlichen
Gründen auf Dauer das Personal zu reduzieren, ebenso eine planende unternehmerische Entscheidung in diesem Sinn. Sie liegt allerdings besonders nahe an dem eigentlichen Kündigungsentschluss selbst. Je näher die unternehmerische Organisationsentscheidung an den
Kündigungsentschluss rückt, umso mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den gekündigten Arbeitnehmer entfallen
ist.39
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bb) Das betriebliche Erfordernis muss dringend sein. Damit bringt das Gesetz den
Ultima-Ratio-Gedanken zum Ausdruck. Die Frage ist, ob das unternehmerische Ziel
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36
BAG 23.2.2012 – 2 AZR 548/10 – NZA 2012, 852 ff.
Siehe stellv. BAG 26.9.2002 – 2 AZR 636/01 – NZA 2003, 549 ff.; ErfKomm/Oetker, § 1
KSchG Rn. 240 a. Kritische Auseinandersetzung mit der Rspr. bei Franzen, NZA 2001, 805 ff.
38
BAG 26.9.2002 – 2 AZR 636/01 – NZA 2003, 549 ff. [„Rheumaklinik“].
39
Daran hatte es in dem entschiedenen Fall gefehlt, siehe näher BAG 17.6.1999 – 2 AZR 141/99
– NZA 1999, 1098 ff. und BAG 26.9.2002 – 2 AZR 636/01 – NZA 2003, 549 ff. [„Rheumaklinik“].
37