Das grüne Hochwasserschutzkonzept
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Das grüne Hochwasserschutzkonzept
1. Ordentlicher Länderrat 2012 06. Juli 2013, Universal Hall, Berlin Beschluss Das grüne Hochwasserschutzkonzept: Modernen ökologischen Hochwasserschutz durchsetzen „Weil der Fluss um so schneller wird und den Damm und den Grund um so mehr zernagt und zerstört, je gerader er ist, ist es nötig, solche Flüsse entweder stark zu verbreitern oder sie durch viele Windungen zu schicken oder sie in viele Zweige zu unterteilen.“ Leonardo da Vinci (1452-1519) In den letzten zwei Jahrzehnten musste Deutschland bereits viele „Jahrhunderthochwasser“ erleben: zwei in den 1990-er Jahren am Rhein, im Sommer 1997 an der Oder, im Sommer 2002 an der Elbe und ihren Zuflüssen, im August 2005 im Alpenraum, im Sommer 2010 in Ostsachsen und im Erzgebirge, im Winter 2011 wieder an der Elbe und nun, 2013, in den Regionen von Elbe, deren Zuflüssen und im Alpenraum gleichzeitig. LandwirtInnen, mittelständische Betriebe, HausbesitzerInnen und MieterInnen in den Hochwassergebieten kämpfen um ihre wirtschaftliche Existenz. Sie fürchten Konkurs und Armut. Insgesamt starben in den letzten 10 Jahren in Europa bei Überflutungen über 700 Menschen. Die Verwüstungen sind enorm, das ganze Ausmaß wird erst jetzt deutlich. 2002 stellte die rot-grüne Bundesregierung als Soforthilfe kurzfristig 385 Millionen Euro bereit, um die vom Hochwasser betroffenen Menschen beim Wiederaufbau zu unterstützen. Unmittelbar nach der Flut wurden ein Aufbauhilfefondsgesetz erlassen und 7,1 Milliarden Euro zum Wiederaufbau bereitgestellt. Eine riesige Wiederaufbauleistung steht auch jetzt bevor. Die Schäden durch die Hochwasserkatastrophe werden auf einen zweistelligen Milliardenbetrag geschätzt. Bund und Länder haben sich nach dem Vorbild von 2002 auf eine gemeinsame Finanzierung geeinigt, diesmal werden acht Milliarden Euro benötigt. Das Hochwasser hat viel Leid verursacht und viele Missstände aufgedeckt, aber auch viel Solidarität geweckt. Die beeindruckende Hilfsbereitschaft der Menschen aus allen Teilen Deutschlands ist für die Betroffenen nicht nur materiell eine große Unterstützung. Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet fahren an die Flüsse um vor Ort zu helfen. Neue Verbindungen entstehen. Dieses Bewusstsein für die gemeinsame Verantwortung brauchen wir, um auch diesmal die Folgen der Flut zu bewältigen. Endlich durchgreifende Konsequenzen ziehen Warum, so fragen sich nun alle, hat Deutschland nach den letzten Jahrhunderthochwassern nicht besser vorgesorgt? Was können wir jetzt besser machen? Dafür gilt es, mehrere Teufelskreise zu durchbrechen. Der erste Teufelskreis heißt: Schnell weg mit dem Wasser – zum Nachbarn. Eingriffe wie Flussbegradigungen, Staustufen, Entwässerungen, Vertiefungen, Ufermauern und auch höhere Deiche führen das Wasser immer schneller ab. Außerdem trägt der Verlust von Feucht- bzw. Überschwemmungsgebiete zum Hochwasser bei. Für die Menschen flussabwärts bedeutet das: mehr Wasser, schnellere und größere Flutwellen und dadurch die Gefahr extremer Hochwasser mit zerstörerischer Wirkung. Es ist paradox, dass gerade der technische Hochwasserschutz die Schadensentwicklung vielerorts verstärkt hat. Der zweite Teufelskreis heißt: Aus den Augen aus dem Sinn. Je länger das Hochwasser vorbei ist, desto stärker melden sich die Partikularinteressen und ihre Lobbys zu Wort. Jürgen Trittin hat in der Folge des Elbehochwassers 2002 ein konsequentes Hochwasserschutzgesetz vorgelegt. Bis zu seiner Verabschiedung 2005 wurde es durch immer mehr Ausnahmen im Rahmen der Verhandlungen mit den Ländern immer weiter aufgeweicht. Und die Föderalismusreform II tat ihr Übriges. Die Kommunen wollten weiter neue Gewerbe- und Wohngebiete in hochwassergefährdeten Bereichen ausweisen. Die Landwirte wollten weiter auf den Überflutungsgebieten ackern. Den Ländern war der ökologische Hochwasserschutz zu teuer. Und so weiter und so fort. Vom Klimaschutz, von dem große Koalition und Schwarz-Gelb sich zunehmend verabschiedet haben, ganz zu schweigen. Der dritte Teufelskreis heißt: Bauen und Ackern in der Aue sind die größten Hindernisse dafür, den Flüssen und ihren Auen endlich wieder so viel Raum zu geben, dass die Retentionsräume Hochwasserspitzen abfangen können. Zugleich entstehen beim Hochwasser die größten Schäden in Gewerbegebieten und Siedlungen, die unter Vorsorgegesichtspunkten gar nicht in der Aue hätten entstehen dürfen. Auch auf Äckern, die auf Auengrünlandstandorten umgebrochen wurden entstehen Schäden und damit verbundene Kosten. So werden gleichzeitig dringend notwendige Deichrücklegungen verhindert und Milliarden öffentlicher Gelder verschwendet. Gleichzeitig entstehen genau dort die größten Entschädigungsbedarfe nach Hochwässern. Ökologischer Hochwasserschutz jetzt! BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben nach den katastrophalen Fluten an Elbe und Donau noch im Jahr 2002 die Konsequenzen gezogen. In Regierungsverantwortung haben wir mit einem 5-Punkte-Programm zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes eine Politik eingeleitet, deren Ziel es ist, Schäden intelligent entgegen zu wirken, den eingezwängten Flüssen mehr Raum zu geben, den Kompetenzdschungel beim Hochwasserschutz zu lichten sowie den Herausforderungen des Klimawandels Rechnung zu tragen. Leider wurden in der Folge viele wichtige Reformen nicht umgesetzt, die Rückgewinnung von Überschwemmungsgebieten z.B. blieb in Anfängen stecken. So wurden an der Elbe 35.000 ha als Flächen zur Auenrenaturierung, Deichrückverlegung oder als mögliche Polder identifiziert, aber nur 5% davon wurden überhaupt angegangen. So sind in Sachsen erst 111 Hektar (1,5 Prozent) der ursprünglich geplanten 7.500 Hektar Überflutungsflächen geschaffen worden. Von den 530 Millionen Euro für den sächsischen Hochwasserschutz wurden nur 5 Millionen Euro in die Schaffung von Überflutungsflächen investiert worden. Das sind unter ein Prozent, der für Hochwasserschutz verwendeten Mittel. In Bayern wurde von 7 neuen großen Rückhaltebecken bisher nur eines verwirklicht. Neben der Dominanz des technischen Hochwasserschutzes ist auch fehlendes (Fach)Personal eine der Hauptursachen für die Verschleppung des naturnahen Hochwasserschutzes. Sachsen-Anhalt zum Beispiel hat im Zeitraum von 2007 bis 2011 schon 43 Stellen im Bereich des Hochwasserschutzes abgebaut (ca. zehn Prozent). Insgesamt sollen laut Personalentwicklungskonzept dort 164 Stellen in diesem Bereich eingespart werden. Dies alles zeigt, dass das 2002 begonnene Umdenken gestoppt wurde, es ist viel zu wenig passiert. Dass es auch anders geht, zeigt das grün-rot regierte BadenWürttemberg. Das integrierte Rhein Programm ist nach 25 Jahren erst zu 60% abgearbeitet, in Baden-Württemberg sind erst 3 von 13 Hochwasserrückhalteräumen fertiggestellt und einsatzbereit. Es gibt keine Deichrückverlegungen und Regelungen zur ökologischen Flutung von Poldern. Jetzt wurden nach dem Regierungswechsel die Mittel für den Hochwasserschutz nahezu verdoppelt, auch für ökologische Hochwasserschutzmaßnahmen. Erste Wirkungen werden aber erst in 5-10 Jahren einsetzen. Außerdem ist Hochwasservorsorge auch sinnvolle Haushaltspolitik. Der Nutzen von naturverträglichen Hochwasserschutzmaßnahmen wie z.B. Deichrückverlegung und Überschwemmungsflächen ist ein Vielfaches höher als deren Kosten. Dies alles zeigt auch: Die Kosten der Flutkatastrophe von heute sind die Folge fehlender und falscher Maßnahmen von gestern. Bei der Wiederaufbauhilfe nach dem Hochwasser muss es nun vorrangig darum gehen, die Fehler der Vergangenheit rückgängig zu machen und vor allen Dingen nicht zu wiederholen. Grüne Maßnahmen – den Flüssen wieder Raum geben Rund 80 Prozent der Flüsse und Auen in Deutschland sind durch unangepasste Landwirtschaft, Gewässerausbau und eine rein auf Wachstum ausgerichtete Verkehrs-, Gewerbe- und Siedlungsentwicklung weitestgehend verbaut, reguliert oder anderweitig verändert. Dabei sind Auen für die Sicherheit der Menschen unabdingbar, weil sie Wasser zurückhalten und Flutwellen bremsen. Unseren Flüssen stehen nur noch rund ein Drittel der ehemaligen Überschwemmungsflächen zur Verfügung, an den Strömen Rhein, Elbe, Donau und Oder sogar nur ca. 10 bis 20 Prozent. Die falsche Nutzung der Auen geht auch zu Lasten der Biodiversität. Flussauen sind ein besonders artenreicher und vielfältiger Lebensraum und eine wichtige Säule in der Nationalen Biodiversitätsstrategie. Mit dem Verlust dieses natürlichen Reichtums ergeben sich für den Menschen viele weitere Nachteile: z.B. wird das Trinkwasser wird nicht mehr durch gesunde Auenböden gereinigt, die Flusslandschaften verlieren an Attraktivität und viele Schadstoffe und Nährstoffe werden nicht mehr zurückgehalten. Intakte Auen stellen der Gesellschaft diese Ökosystemleistungen kostenlos zur Verfügung. Wir müssen den Schutz der Gewässer und Auen deutlich verbessern, Auen renaturieren und frei fließenden Flüssen Vorrang gewähren. Das erfordert tiefgreifende Veränderungen wie Nutzungsänderungen, Deichrückbauten und Rücknahmen von Flussbegradigungen, die sich nicht nur auf wasserbauliche Maßnahmen beschränken, sondern auch auf die Wiederherstellung der auentypischen Vielfalt gerichtet sein müssen. Im Rahmen eines bundesweiten Fluss – und Auenschutzprogramms, als wichtige Maßnahme des Hochwasserschutzprogramms, sollen u.a. alle in öffentlichem Besitz befindlichen Gewässerrandstreifen und BVVG-Liegenschaften in tatsächlich ungenutzte Renaturierungsflächen umgewandelt werden. Bewirtschaftungsauflagen bei Gewässern und ihren Auen – insbesondere, wenn sie die Teil des europaweiten Schutzgebietssystems Natura 2000 sind - müssen strikt durchgesetzt werden. Grüne Maßnahmen – Flächenversiegelung stoppen Noch immer ist die Neuinanspruchnahme von Flächen in Deutschland viel zu hoch. Ziel der nationalen Nachhaltigkeitstrategie ist es, den Siedlungs- und Verkehrsflächenverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 30 Hektar pro Tag zu senken. In den Jahren 2008-2011 lag die Inanspruchnahme bei 81 Hektar. Damit wächst die Siedlungsfläche in Deutschland jährlich immer noch um 30.000 ha. Und das, obwohl die Bevölkerungszahl zurückgeht. Der größte Zuwachs entfällt dabei auf Siedlungs- und Verkehrsflächen, insbesondere im verdichteten Umland der Gemeinden. Die bisher erreichte Reduzierung ist unzureichend. Im Boden kann Wasser versickern – in Beton nicht. Grün- und Freiflächen verlangsamen und verringern den Abfluss von Niederschlagswasser in Menge und Geschwindigkeit. Durch die Zunahme von Siedlungs- und Verkehrsfläche gehen städtische und ländliche Grün- und Freiflächen verloren. Das hat negative Folgen für die Abflussregime, der Abfluss von Niederschlagswasser erfolgt ungebremster und in stärkerem Ausmaß. Ein wirksames Hochwasserschutzkonzept muss daher unbedingt die Verringerung des Flächenverbrauchs und die Stärkung von städtischem Grün beinhalten. Wir wollen mittelfristig den Flächenverbrauch ganz stoppen, jede neue Versiegelung muss durch eine Entsiegelung kompensiert werden. Abgaben und Steuern sollen mit ökologisch wirksamen Komponenten versehen werden damit die Nutzung von Brachflächen, Entsiegelung und Rückbau attraktiver wird als Neuversiegelung. Im Baugesetzbuch wollen wir städtische Grünflächen stärken, Kommunen müssen verpflichtend Brachflächenkataster führen und bei der Ausweisung von Neubaugebieten nachweisen, dass keine hinreichenden Potenziale im Innenbereich vorliegen. Außerdem müssen bei Baumaßnahmen die Infrastruktur-Folgekosten berechnet werden. Über eine Stärkung der nachhaltigen Mobilität soll das Wachstum der Verkehrsflächen und unnötiger Verkehre minimiert werden. Grüne Maßnahmen – in den Auen nicht mehr bauen Die Neubebauung von hochwassergefährdeten Flächenmuss gestoppt werden. Städte und Gemeinden müssen ihre Siedlungsstrategie den Hochwassergefahren anpassen. Bestehenden Ausweisungen in Flächennutzungsplänen müssen überprüft und ggf. zurückgenommen werden. Fördermittel des Bundes dürfen in hochwassergefährdete Bereiche nur noch fließen, wenn Konzepte zur hochwasserrisikoangepassten Siedlungsentwicklung vorliegen. Wenn Kommunen in Zukunft in hochwassergefährdeten Gebieten Baugenehmigungen erteilen, sollten sie im Schadensfall schadensersatzpflichtig gemacht werden. Wir benötigen bundeseinheitliche Regelungen für den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen sowie ein durchgängiges Verbot von Ölheizungen in Überschwemmungsgebieten. Der Schutz der Infrastruktur und von Gebäuden darf nicht auf die ausgewiesenen Überschwemmungsgebiete reduziert werden. Mit vermehrten und stärkeren Hochwassern müssen auch die überschwemmungsgefährdeten Siedlungsflächen stärker berücksichtigt werden. Im Falle des Versagens von Hochwasserschutzeinrichtungen, wie z.B. aufgeweichte und gebrochene Deiche, aber auch gezielte Öffnungen von Deichen, sind Schäden in eigentlich geschützten Gebieten die Folge. Hier ist die Regionalplanung in der Pflicht, durch Vorrang- und Vorbehaltsgebiete weitere Bebauung und unangepasste Nutzungen zu unterbinden oder unter Auflagen zu stellen. Maßstab für den Hochwasserschutz, für die Ausweisung von Baugebieten etc. ist der jeweilige Wert für das „Jahrhunderthochwasser“ „HQ 100“, ein statistischer Wert, der angibt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit von bestimmten Hochwasserhöhen ist. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass die Hochwässer höher und häufiger werden, sodass das, was man bisher als „HQ 100“ gewertet hat, jetzt als „HQ 50“ oder gar „HQ 10“ anzusehen ist. Außerdem haben die Häufigkeiten von extremen Wetterlagen zugenommen. Daher sind überall die Werte für die Hochwassergefahren neu zu berechnen und die Vorsorge- und Schutzmaßnahmen daran anzupassen. In vielen Bereichen werden die Betroffenen aber auch wieder lernen müssen, mit dem Wasser zu leben. Dafür sind aber meist weder die Häuser noch die Infrastruktur in den vergangenen Jahrzehnten gebaut worden. Wir wollen daher, dass die Hauseigentümer mit Beratung und finanziellen Mitteln dabei unterstützt werden, ihre Häuser „wasserfest“ zu machen, damit das Wasser ohne Gefahr für die Gebäude und die Umwelt (z.B. durch Heizöl) durchfließen kann. Auch mit der Herausforderung Häuser energetisch zu modernisieren und gleichzeitig hochwassersicher zu machen, darf man die Hauseigentümer nicht allein lassen. Auch die Kommunen dürfen mit dem Problem der „Wasserfestmachung“ von Straßen, Kanälen etc. nicht allein gelassen werden. Grüne Maßnahmen – Ökologisierung der Landnutzung Die abfließende Wassermenge ist neben Faktoren wie Morphologie, Geologie und Niederschlagsverlauf auch von der Landnutzung sowie der damit zusammenhängenden Bodenbedeckung abhängig. So verschlämmen bei nicht durch Vegetation völlig abgedeckten Böden - z.B. auf Äckern - die feinsten Bodenpartikel die Porenstruktur des Bodens und verhindern somit die Versickerung. Der Einsatz von schweren Maschinen verdichtet den Boden zusätzlich. Wald und Wiese halten wesentlich mehr Wasser zurück als Äcker. Untersuchungen haben gezeigt, dass Böden im ökologischen Landbau doppelt so viel Wasser aufnehmen können wie konventionell bewirtschaftete Äcker. Auch im Wald hängt die Wasserhaltefähigkeit stark von der Bewirtschaftung ab. Verstärkt wird dieses Schadenspotenzial durch die Drainierung von großen Teilen der landwirtschaftlich genutzten Flächen in den Einzugsgebieten der Flüsse. Eine Untersuchung im Auftrag des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie in Mecklenburg-Vorpommern ergab, dass rd. 65 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche künstlich entwässert werden, in anderen Ländern sieht es ähnlich aus. Wir benötigen mehr Wasserrückhalt in der Fläche, also in den Einzugsgebieten und in den Gewässerauen. Wir benötigen eine Wiedervernässung von Mooren und Feuchtgebieten um die höhere Wasseraufnahmekapazitäten wieder herzustellen. Natürliche Wasserspeicher können so wieder reaktiviert werden, das ist aktiver Hochwasserschutz schon in den Hochwasserentstehungsgebieten. Im Auenbereich müssen striktere Nutzungseinschränkungen wie z.B. in der Landwirtschaft eine obligatorische Grünlandnutzung sowie Restriktionen für Pestizide und Dünger eingeführt werden. Wir wollen den Bodenschutz in der Landwirtschaft stärken und Maßnahmen gegen Verdichtung und Erosion sowie zur Verbesserung der Humusreproduktion in der guten fachlichen Praxis für die Landwirtschaft verankern. Boden- und Hochwasserschutz dienliche Bewirtschaftungssysteme wie der ökologische Landbau, die extensive Grünlandnutzung oder der Zwischenfruchtanbau sollen über die zweite Säule der Europäischen Agrarpolitik gefördert werden. Grüne Maßnahmen – ein umfassendes Hochwasserschutzprogramm Flüsse sind lebendige Systeme, die keinen Halt an Grenzen machen. Es ist daher dringend notwendig, dass der Hochwasserschutz solidarisch, grenz- und fachübergreifend verstärkt von Bund und Ländern gemeinsam vorangetrieben wird. Schwerpunkt aller künftigen Maßnahmen muss der ökologische Hochwasserschutz sein. Alle weiteren Maßnahmen des technischen Hochwasserschutzes wie Deichbau- oder -erhöhung müssen mit dem ökologischen Gesamtgefüge abgestimmt werden. Die Maßnahmen des ökologischen Hochwasserschutzes – wie Vergrößerung des Retentionsraums, Auen- und Flussrenaturierungen –sollen künftig prioritär finanziert werden. Deichrückverlegungen und Polder, die bisher nicht realisiert wurden, müssen nun schnellstmöglich umgesetzt werden. Im Flussgebiet der Elbe betrifft dies u.a. die Polder Aussig, Dautzschen und Dommitzsch in Sachsen und den Polder Axien-Mauken in Sachsen-Anhalt. Eine umfassende Beteiligung der Zivilgesellschaft ist dabei Voraussetzung für das Gelingen und die Akzeptanz aller Hochwasserschutzmaßnahmen und muss durch personelle und finanzielle der zuständigen Behörden ermöglicht werden. Notwendig sind eine verbesserte Abstimmung der Maßnahmen zwischen den Bundesländern, grenzübergreifende Planung von Wassermanagement und Hochwasserschutz sowie die solidarische Finanzierung notwendiger Maßnahmen. Länderegoistische Hochwasserplanung, die dann die Nachbarn vor unlösbare und unfinanzierbare Aufgaben stellt, muss durch die systematische Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen für einen ganzheitlichen Hochwasserschutz im Rahmen eines nationalen Hochwasserschutzprogramms abgelöst werden. Das fordert auch die Umsetzung der EU-Hochwassermanagement-Richtlinie, die europaweit eine einheitliche frühzeitige Erkennung und nachhaltige Verringerung von Hochwasserrisiken auf der Basis von Hochwasserrisikomanagementplänen über die Landesgrenzen hinaus verlangt. Der Bund muss eine führende und koordinierende Rolle beim Hochwasserschutz einnehmen. Das soll auch als eine Aufgabe der Bundesraumordnung begriffen werden, z.B. in Form eines Bundesraumordnungsplans „Ökologischer Hochwasserschutz“. Der Raumordnungsbericht 2011 identifiziert den Schutz der „Kritischen Infrastruktur“ als Belang von zentraler Bundesrelevanz. Gerade bei Flusssystemen bedarf es einer integrierten Gesamtplanung. Der Beirat für Raumordnung des BMVBS hat 2009 darauf hingewiesen, dass zum Hochwasserschutz länderübergreifende Strategien erarbeitet werden müssen. Hochwasserschutz und Renaturierung von Auen müssen als Schwerpunkte in ein neues Bundeswasserstraßenkonzept integriert werden. Dazu sollen u.a. die Aufgaben der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung so angepasst werden, dass der Schutz des Ökosystems Fluss mindestens den gleichen Stellenwert wie die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs hat. So könnte die Wasser – und Schifffahrtsverwaltung des Bundes z.B. direkte Maßnahmen zum Hochwasserschutz entlang der Bundeswasserstraßen durchführen und Koordinationsaufgaben zu übernehmen. Zur Finanzierung kurzfristig geplanter Maßnahmen sollte ein Sonderrahmenplan zum Hochwasserschutz in der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) eingerichtet und mit den notwendigen Mitteln ausgestattet werden. Mittelfristig müssen Bund und Länder geeignete Finanzierungsinstrumente einrichten, um die Folgen des Klimawandels und entsprechende Anpassungsstrategien zu finanzieren. Außerdem muss geprüft werden, wie sich sozial verträglich ein angemessener Versicherungsschutz der BürgerInnen vor Elementarschäden herstellen lässt. Grüne Maßnahmen – Klimaschutz ist Hochwasserschutz Auch wenn nicht jedes Wetterereignis mit dem Klimawandel zusammenhängt, gibt es doch einen messbaren Zusammenhang zwischen Erwärmung und immer neuen Rekorden bei Temperatur und häufigeren Niederschlagsereignissen. So hat das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) nachgewiesen, dass extreme Regenfälle und extreme Hitzewellen mit dem Klimawandel und den vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen zusammenhängen. Das bedeutet, dass mit zunehmender Erderwärmung auch Hochwasserereignisse häufiger auftreten werden. Eine ambitionierte Klimaschutzpolitik trägt zum Hochwasserschutz bei, der hilft Schäden und Folgekosten durch Hochwasserkatastrophen zu vermeiden. Spätestens seit der Vorlage des Berichtes von Nicholas Stern wissen wir, dass vorsorgender Klimaschutz billiger ist, als die Beseitigung der Schäden. Nach einer Studie der Münchner Rück aus dem Jahr 2012 belaufen sich die Kosten für Unwetterschäden seit 1980 auf mehr als eine Billion Dollar (772 Milliarden Euro). Damit haben sich diese Schäden in den letzten 30 Jahren verfünffacht. Doch gerade beim Thema Klimaschutz hat die Bundesregierung in den letzten Jahren versagt. Im letzten Jahr sind die Treibhausgasemissionen in Deutschland statt wie geplant weiter zu sinken um 1,6 Prozent gestiegen und bedingt durch den Verfall des CO2 Preises im europäischen Emissionshandel verdrängen klimaschädliche Kohlekraftwerke zunehmend hocheffiziente Gaskraftwerke. Die Bundesregierung schaut tatenlos zu, es gibt keine Initiative zur Unterstützung der europäischen Vorschläge zur Reform des Emissionshandels oder zur Anhebung des europäischen Klimaziels. Neben den dringen notwendigen Anstrengungen zur weiteren Verminderung der Treibhausgasemissionen kommt der Klimaanpassung eine zunehmende Bedeutung zu. In dem Maße, wie die Treibhausgasemissionen weiter zunehmen und die Erderwärmung steigt, müssen die Anstrengungen intensiviert werden, den unvermeidbaren Auswirkungen des Klimawandels zu begegnen und das Unvermeidliche zu bewältigen. Wir Grüne stehen für eine möglichst umweltverträgliche und naturnahe Anpassung an den Klimawandel. Es wäre fatal, wenn zur Bekämpfung der Folgen dieser globalen Umweltkatastrophe Strategien oder Technologien zur Anwendung kämen, die neue, unbeherrschbare Umweltgefahren mit sich bringen und schlimmstenfalls die Anfälligkeit verstärken, anstatt sie zu mildern. Beispiele für solche „Fehlanpassungen“ können auch Infrastrukturen zum technischen Hochwasserschutz sein, wie sie die natürliche Dynamik von Küsten- und Flusssystemen stören. Deutschland muss wieder ein Vorreiter beim Klimaschutz werden. Dafür muss die Bundesregierung den Klimaschutz zu einem zentralen Politikfeld machen und an die anspruchsvolle Klimaschutzpolitik, wie sei seinerzeit von Rot-Grün begründet wurde, anknüpfen. Dazu braucht es ein Klimaschutzgesetz, dass das nationale Klimaziel von derzeit minus 40 Prozent bis 2020 verbindlich festschreibt und mit den notwendigen Zwischenzielen für die verschiedenen Emissionssektoren versieht, um bis 2050 eine Emissionsreduktion von mindestens 95 % zu erreichen. Und es braucht ein Programm zum Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen, damit Emissionen von klimaschädlichen Treibhausgasen nicht weiter zu Lasten öffentlicher Haushalte gefördert wird. Deutschland muss auch wieder eine aktive Rolle in Brüssel einnehmen und Einsatz für eine wirksame Reform des Emissionshandels und eine Initiative für die dringend erforderliche Anhebung des europäischen Klimaziel von derzeit minus 20 Prozent auf mindestens minus 30 Prozent bis 2020 zeigen.