Folge 1

Transcription

Folge 1
Das Urheberrecht liegt bei
Juliet Revenge
www.Zeitstuermer.de
Folge 1
Entführung
Dies ist meine Geschichte. Eine Geschichte, über die Reise durch die Weiten des
Universums. Eine Geschichte über die Reise durch die Zeit. Eine Geschichte über
ewigen Krieg und unendlichen Hass. Eine Geschichte über tiefe Liebe und treue
Freundschaft. Aber lasst mich vom Anfang erzählen. Vom Anfang, an dem ich
gerade 16 Jahre alt werde. Ich beginne mit meiner Entführung zu den Sternen.
Ich bin Janine, ein ganz normales Mädchen, das gerade in die neunte Klasse geht.
Mein Haar ist schulterlang und hat eine sehr intensive schwarze Farbe, die seidig, mit
einem leichten blauen Schimmer glänzt. Die Farbe meiner Augen dagegen ist ein sehr
helles Grau. Viele Mädchen beneiden mich um meine Figur, für die ich eigentlich
nicht sonderlich viel mache. Meine Größe ist 1,75 Meter. Also habe ich das perfekte
Potential eines Supermodels und das Ziel strebe ich auch an.
Es gibt einige Dinge, die ich sehr gerne mache. Eigentlich normale Hobbys und
Träume, die wohl einige in meinem Alter haben. Ausgehen mit meinen Freunden,
shoppen, singen - wenn jemand Karaoke vorschlägt, bin ich sofort dabei! -, tanzen,
schauspielern - wobei ich da eher bisher nur für Projekte meiner Mitschüler vor der
Kamera stand - und eben modeln. Da ist mir ein Glück zuteil geworden, von dem
andere wohl nur träumen. Ich habe schon bei ein paar kleineren Modeschauen
mitgemacht. Auf einer davon bin ich meiner jetzigen - oder eher zukünftigen Agentin begegnet. Auch ohne Vertrag hat sie mir einige Fotoshootings vermittelt,
wenn dies nicht gerade uneigennützig gewesen ist.
Sie findet ich habe Talent. Meine Eltern dagegen sind besorgt und hätten am
liebsten, wenn ich irgendetwas anderes anstreben würde. Dazu kommt noch das
Misstrauen meiner Agentin gegenüber. Aber dennoch habe ich sie dazu überredet,
einem Vertrag mit meiner Agentin zuzustimmen. Diesen Vertrag unterzeichne ich,
nach meinem 16. Geburtstag. Und wann wird das wohl sein?
Vor mir auf dem Tisch steht eine riesige Torte, auf der 16 Kerzen brennen. Alles
Gute zum 16., steht mit Zuckerguss darauf geschrieben. An dem Tisch stehen die
Mädchen meiner Clique und meine Eltern. Meine Mutter hat genauso wie ich,
schwarzes Haar, dass sie sehr lang trägt und ihr ganzer Stolz ist. Ihre Augen haben
ein etwas dunkleres Grau als meine. Von ihr habe ich eindeutig das Aussehen geerbt.
Auch wenn sie schon 50 ist, sieht sie immer noch toll aus. Von meinem Vater dagegen
habe ich scheinbar nichts. Er hat braunes Haar und braune Augen, ist sehr korpulent
und irgendwie stell ich einfach keine Ähnlichkeit mit mir fest, egal wie oft ich suche.
Alle sind gespannt, ob es mir gelingen wird die Kerzen auszublasen. Aber ich muss
noch zwei Minuten warten. Mein Vater schaltet von CD auf Radio. Gespannt warte
ich, was da kommen wird. Was hat er vor? ist meine Frage. Und die Antwort kommt
sofort.
„Jetzt kommt ein lieber Geburtstagsgruß von Herbert für seine Tochter Janine
zum 16. Geburtstag“, ruft der Moderator. „Und selbstverständlich wünscht dir auch
unser ganzes Team mit dem folgenden Lied alles Gute zum Geburtstag.“
Mit Ende der Ansage, wird mein Lieblingslied gespielt. Ich sehe freudig zu meinem
Vater. Das ist nun wirklich ein netter Geburtstagsgruß. Der Beste, den ich je in
–1–
meinem Leben bekommen habe.
Ich senke meinen Kopf zu den Kerzen, hole tief Luft und blase sie alle auf einmal
aus, dann schließe ich meine Augen. Sehnlich wünsche ich mir, dass der Start in die
Modelkarriere ein voller Erfolg wird. Das ich viele Aufträge auch außerhalb des Ortes
bekomme und endlich mehr erlebe, als in dieser öden Kleinstadt.
Plötzlich wird das Radio ganz leise.
„Ähm.“ Ein Räuspern ist zu hören, dann das Klopfen gegen das Mikrophon.
„Können die das auch wirklich hören?“ Es ist die Stimme einer Frau, die sehr lieblich
klingt.
„Du kannst loslegen, dass klappt schon“, ertönt die Stimme eines Mannes, aus der
etwas Ungeduld herauszuhören ist.
„Also das soll eine Vorwarnung sein und ich hab keine Lust auf keinerlei
Gegenwehr, wie bei Kjarto damals.“
„Kaia!“, kommt es von einem weiteren Mann, der leicht erzürnt klingt. „Entweder
sprichst du jetzt deine Zeilen, oder du hast für deine Spielchen ein Verbot.“
„Na gut, ich will aber nicht schon wieder eine Pleite“, schmollt sie. Erst nach
einem kurzen Räuspern spricht die Frau weiter. „Sehr geehrte Bewohner dieses
Planeten. Ich bin Kaia und verkünde euch, dass unsere Armee in den nächsten drei
Tagen einige eurer Kinder entführen wird. Und jetzt weiter im Programm.“
Pause.
„Hast du nicht was vergessen?“, fragt der zweite Mann.
„Müssen die denn unbedingt wissen, dass das Ende ihrer Existenz begonnen
hat?“, will sie mies gelaunt wissen.
„So, nun kann das Programm weitergehen“, sagt die der erste Mann knapp.
Danach beginnt die Musik wieder zu spielen.
Alle sehen sich verwundert an, niemand hat den Hauch einer Ahnung, worum es in
dieser Ansage eigentlich ging. Ich sehe zu meiner Mutter und in ihren Augen spiegeln
sich Furcht und Verzweiflung. Da hab ich wirklich einen wundervollen Geburtstag.
Meine Mutter stürzt zum Telefon, weinend ruft sie meinen Onkel an. Ich
verabschiede mich von meinen Gästen, die Party ist nun ja jetzt gelaufen.
Die nächsten Tage werden nicht besser. Diese Ansage ist im ganzen Land
ausgestrahlt worden und nicht nur im Radio, sondern auch im Fernsehen. Aber nur
eine der Personen ist zu erkennen. Diese junge Frau.
Sie sieht komisch aus. Die Iris ihrer Augen funkelt feuerrot und gefährlich. Auch
ihre kurzen Haare haben dieses intensive Rot. Ihre Figur scheint im Fernseher sehr
zierlich, vom Alter her schätze ich sie kaum älter als 20 ein.
Die Behörden haben diese Ansage dementiert. Spinner, sagen sie. Junge Leute, die
nichts anders zu tun haben, außer sich einen Spaß daraus zu machen anderen Angst
einzujagen. Aber stimmt das wirklich?
Ihre erste Voraussage hat sich erfüllt. Immer wieder hört man in den Nachrichten
etwas vom mysteriösen verschwinden verschiedener Kindern und Jugendlichen, im
Alter von sechs bis zwanzig Jahren. Aus diesem Grund haben mir meine Eltern
verboten nach draußen zu gehen. Sie meinen, es sei zu gefährlich.
Es ist komisch. Sie haben so große Angst um mich. Sie haben so große Angst, vor
einer Bedrohung, die angeblich nur von Spinnern herrühren soll. Immerhin wurde es
von allen Seiten dementiert, nur die Medien sollen es groß aufbauschen und
ausschlachten. Selbst meine Eltern sagen, dass es sich sicher nur um einen Spaß von
irgendwelchen jungen Leuten handelt, die zu viel Geld und Zeit haben. Doch ihr
Verhalten, ihre sichtliche Angst, spricht dagegen, genauso das Verschwinden der
Kinder und Jugendlichen.
Aber es gibt doch keine Außerirdischen. Oder doch?
Nun sitze ich in unserer Küche. Meine Mutter sitzt mir gegenüber und starrt
–2–
immer das Telefon an. Sie erwartet sicher einen Anruf von meinem Onkel. Er arbeitet
bei einer Firma, die sehr eng mit dem Militär zusammenarbeitet. Ich habe den
Eindruck, dass da irgendetwas faul ist. Was soll die ganze Aufregung, die Verbote?
Selbst mein Vater, der nun echt nichts von übernatürlichem und Leben auf fremden
Planeten hält hat Angst. Was geht hier vor?
Das Telefon klingelt. Meine Mutter strahlt über das ganze Gesicht, als sie ran geht.
„Anton?“, fragt sie den Anrufer. Eine Pause. „Was ist los? Wieso hast du uns nicht
gesagt, was passieren wird? Ist das alles wegen diesem verdammten Tag?“ Sie wendet
sich an mich. „Janine meine Liebe, bitte geh in das Wohnzimmer.“
Ach verdammt, ich will endlich wissen, was hier los ist! Was hat das alles mit
dieser Radioansage zu tun? Wieso erzählt mir niemand etwas, wenn sich alle so
komisch benehmen? Ich will wissen, wieso sich meine Eltern sich solche Sorgen
machen. Was soll dieses Schweigen?
Widerwillig befolge ich die Anweisungen meiner Mutter und verziehe mich ins
Wohnzimmer. Ich schmeiß mich aufs Sofa, nehme die Fernbedienung in meine
Hand, dann werfe ich einen kurzen Blick auf meine Mutter. Sie ist verzweifelt und
weint. Ich weiß nicht, wie ich sie aufmuntern soll, weiß nicht, wieso sie so traurig ist.
Was ist los? Sagt mir endlich etwas!
Ich stelle den Fernseher an und zappe durch das Programm. Überall laufen
Berichte über dieses Geschehen. Das ganze Land ist in Aufruhr. Einige glauben nicht
daran, andere an eine Verschwörung, wiederum andere ersehnen die Erlösung, durch
die höchst intelligenten Wesen und ganz andere wissen gar nicht, was sie davon
halten sollen?
Und ich?
Ich gehöre zu einer Partei, die wissen will, ob sie Angst haben muss oder ob das
wirklich alles nur ein Spaß von irgendwelchen Spinnern ist. Meine Eltern und mein
Onkel wissen es, aber sie wollen mir einfach nichts sagen.
Das Gespräch meiner Mutter mit meinem Onkel scheint sehr hitzig. Sie schreit ihn
an, er soll irgendetwas tun. Als meine Mutter sieht, dass ich sie beobachte verstummt
sie kurz. Danach wird ihre Stimme leiser, so leise das ich nichts mehr verstehe.
Von was für einen Tag sie wohl reden? Wahrscheinlich von meinem Geburtstag.
Sind diese Leute wirklich so gefährlich? Es sind doch nur drei.
Ich kann nur abwarten und weiter den Berichten lauschen, in der Hoffnung, dass
endlich jemand mit der Sprache herausrückt.
Es ist der zweite Tag, ein Sonntag. Heute steht das Treffen mit meiner zukünftigen
Agentin an, weswegen ich schon morgens total aufgeregt gewesen bin. Als der Wecker
geklingelt hat, hätte mich niemand mehr halten können, nicht aufzustehen und mich
für das Treffen fertig zu machen. Meine Sachen habe ich schon am letzten Tag heraus
gelegt. Es ist ein geblümtes Sommerkleid, das ich extra für dieses Treffen gekauft
habe. Dann sind Haare und Make-up dran. Ich hab mir vorgenommen, meine Haare
hoch zustecken und kaum Make-up zu tragen. Dann als ich freudig zur Tür renne und
sie aufstoße, blicke ich in das überraschte Gesicht meiner Mutter.
„Mein Liebling, warum bis du schon wach?“, lautet ihre Frage. Sie trägt noch ihr
Nachthemd, wahrscheinlich ist sie gerade erst aufgewacht. Eigentlich hab ich
erwartet, dass meine Mutter schon fertig ist, immerhin will sie mich heute zu diesem
Termin fahren.
„Na die Unterzeichnung meines Vertrages“, helfe ich ihr auf die Sprünge und
schreie sie dabei regelrecht an.
Ich freu mich doch schon so lange darauf, wie kann meine Mutter das nur
vergessen?
„Gott Janine, es ist besser du bleibst zu Hause“, sagt sie ruhig. Meine Mutter
–3–
schaut mich aus traurigen Augen heraus an. Mir ist klar, dass sie durch die Ereignisse
nicht mehr daran gedacht hat. Glücklich macht mich diese Tatsache nicht, doch
meine Wut lässt sie etwas abklingen.
„Was soll das?“, verlange ich von ihr zu erfahren. „Was geht hier vor sich? Wieso
bekommt ihr plötzlich Panikattacken? Ich dachte, dass was die Nachrichten erzählen,
sei nur Quatsch.“ Ich flehe um Antworten, will endlich wissen, was los ist.
Über die Frage danach und die Hoffnung sie endlich beantwortet zu bekommen,
vergesse ich erstmal meinen Ärger. Eine Standpauke, wie wichtig mir dieser Vertrag
ist, kann ich ihnen noch halten, wenn sie wieder normal sind. Und das dies passiert,
ist mir im Moment auch am Wichtigsten.
Meine Mutter beginnt zu weinen. Sie lässt sich an der Wand nieder sinken und
bleibt auf dem Fußboden sitzen.
„Ich wünschte mir so, dass wir auf diesem Planet vor diesen Bastarden sicher
wären.“ Ein Bach aus Tränen rinnt ihr über die Wangen. „Aber jetzt …“ Sie stoppt. Ihr
Blick fällt auf meinen Vater, der zu uns gekommen ist. „Wir sollten ihr alles
erzählen“, sagt sie zu ihm.
Mein Vater lehnt sich an die Wand. „Verdammt“, brüllt er. „Sara, gibt es denn
keine Möglichkeit, dass das alles nur ein Einschüchterungsversuch ist?“
Meine Mutter schüttelt den Kopf. „Sein Vater hat es früher genauso gemacht“,
erklärt sie zitternd.
Ich knie mich zu meiner Mutter. Auch wenn ich das alles nicht verstehe und beide
nur verwirrt betrachte, muss ich sie irgendwie trösten.
„Makkos hat immer auf einem Planeten alle Städte ausgelöscht“, spricht meine
Mutter mit trauriger Stimme weiter. „Wer überlebt, der hat Glück gehabt.“ Ihre
Stimme stoppt wieder, ihr Blick füllt sich mit Verzweiflung. „Er ist sein Sohn, wieso
sollte er es nicht genauso tun?“
Was redet meine Mutter hier? Dieser Planet? Und wer ist dieser Makkos? Ich sehe
sie verwundert an.
„Das Einzige was wir tun können ist alles zusammen zupacken“, spricht sie
weinend weiter. „Dann können wir nur noch versuchen so weit es geht aus der Stadt
zu fliehen. Und zu beten.“
„Wieso fliehen?“, versuche ich zu erfahren.
Der Blick meiner Mutter wandert auf den Boden.
„Nur leider gibt es keine Garantie dafür, dass wir dem Ganzen entfliehen können.“
Wem oder was entfliehen? Ich verstehe das alles nicht.
„Bitte sagt mir doch endlich, was hier los ist“, flehe ich meine Eltern an.
„Oh Janine, ich hab so gehofft dich vor all dem schützen zu können.“ Meine Mutter
lächelt mich aus ihren verweinten Augen heraus an.
Dann beginnt sie zu erzählen.
Alles spielte sich in einer weit entfernten Galaxie ab, beginnt ihre Erzählung.
Ihre Familie war sehr arm, so dass sie sich dazu bereit erklärten ihre Söhne an die
Armee ihres Herrscher Makkos zu verkaufen. Als meine Mutter zur Welt kam, drohte
ihr ein ähnliches Schicksal.
Damit ihre Eltern überlebten, wurde sie in die Sklaverei verkauft. Meine Mutter
war vier Jahre alt, als sie nach Tormahs kam, Makkos’ Sklavenplanet.
Dort wurde sie zur Sklavin erzogen.
Als meine Mutter jung war musste sie nur den Kriegern dienen, die sich dort mit
den Sklavinnen amüsieren wollten. Ein Schicksal das eigentlich auch ihr vorher
bestimmt war.
Eine Liebessklavin, willenlos denen zu diensten, die nach ihr verlangten.
Ein Schicksal, vor dem meine Mutter verschont blieb, als sie die Aufmerksamkeit
–4–
von Makkos’ Lieblinkssklavin Schalia erregte. Schalia verhalf der jungen Sklavin zu
Arbeit im Palast des damaligen Herrschers. Wo sie und ein paar andere Sklavinnen
Schalia und den beiden Söhnen des Herrschers zu Diensten waren.
Meine Mutter diente Makkos’ Geliebte und dessen Söhnen einige Jahre, bis sich
ein Krieger in sie verliebte. Und sie in ihn.
Er trieb so viel Geld auf, wie er konnte um seine Geliebte aus der Sklaverei frei zu
kaufen.
Beide lebten ein paar Jahre zusammen, bis in dem Herrschaftsgebiet des
Imperators eine Rebellion losbrach, bei der Makkos getötet wurde. In dem Chaos des
Krieges flohen meine Mutter und ihr Liebster. Sowie ein Wissenschaftlerpärchen.
Meine Mutter war zur Zeit der Flucht mit mir schwanger.
Doch mein leiblicher Vater erlebte nicht mal das erste Jahr auf diesem Planeten,
wo sie strandeten.
Meine Mutter lernte dann meinen jetzigen Vater kennen. Sie heirateten und lebten
bis zu meinem 16. Geburtstag glücklich zusammen, ohne Angst vor der Zukunft.
Jetzt sitze ich da, lausche der Erzählung meiner Mutter, ohne zu wissen, was ich
davon halten soll.
Die zwei anderen Flüchtlinge, dieses Wissenschaftlerpärchen, sollen mein Onkel
und meine Tante sein, die sich seit kurzem um ihren Sohn kümmern.
Genauso wie ich und meine Mutter besitzen auch sie graue Augen und
rabenschwarzes Haar, dem im Vergleich mit uns nur der zarte blaue Schimmer fehlt.
Aber auch, wenn ich keinerlei Ähnlichkeit mit meinem Vater sehe… Ich kann mir
einfach nicht vorstellen, dass wir von einer außerirdischen Rasse abstammen.
So etwas kann ich einfach nicht glauben.
Doch in dieser Nacht lerne ich daran zu glauben.
Auf dem Rasen genau unter meinem Fenster, vor allen Blicken vom Nachbarhaus
und der Straße von einer dichten Hecke verborgen, stehen wie fast in jeder Nacht
meine Nachbarin Nora und deren Freund Andy. Wie immer Arm in Arm, dicht
umschlungen und in leidenschaftlichen Küssen vertieft.
Noras Vater ist sehr streng, so dass Andy seiner Freundin immer nur in diesem
Versteck unter meinem Fenster einen Abschiedskuss geben kann.
Ich lache in mich hinein.
Beide kennen die Prozedur aber dennoch riskieren sie es immer wieder.
„Janine!“, ruft meine Mutter. Sie ist der Meinung, ich soll meine Sachen
einpacken, dennoch kann ich es einfach nicht glauben, dass es Außerirdische auf uns
abgesehen haben.
Meine Mutter mustert mich, wie ich mit einem Eimer in der Hand ins Bad gehe.
Während des Befüllens des Eimers spreche ich mit ihr. „Du tust fast so, als passiert
alles deinetwegen.“ Sie zittert am ganzen Körper. Morgen werde ich das erste Mal die
Schule schwänzen, wo sie doch sonst immer so streng darauf achteten, dass ich
immer pünktlich bin und gute Noten mit nach Hause bringe.
Ich sehe freudig auf das Wasser, das immer weiter in die Höhe steigt.
„Was ist, wenn diese ganze Flucht nur Zeitverschwendung ist?“
„Es ist besser, wenn wir gehen, als das wir einfach abgeschlachtet werden“, ist ihre
Meinung.
Ich nicke seufzend.
Der Eimer ist endlich gefüllt. Ich bin diesmal sogar etwas gnädiger zu den
Verliebten. Nur Andy auf seinem Motorrad wird es etwas kalt werden.
Während ich das warme Wasser abstelle lächelt mich meine Mutter an. „Kannst du
Nora nicht einmal verschonen?“
Ich schüttele den Kopf. „Schon so oft, habe ich es ihr gesagt, aber sie will ja nicht
–5–
hören.“
Meine Mutter folgt mir, während ich den Eimer mit Wasser nach oben schleppe.
„Die arme Nora. Was sagt ihr Vater, dass sie immer so nass nach Hause kommt?“
Sogar sie kann sich in diesem Moment ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen.
Darüber bin ich auch froh. Scheinbar habe ich es doch endlich erreicht, sie von der
Angst wenigstens etwas abzulenken.
„Er gibt mir Geld fürs Wasser“, antworte ich meiner Mutter lachend.
„Und wieso sehen deine Eltern nichts davon?“, fragte sie mich.
„Ich muss hart arbeiten, um das Wasser nach oben zu tragen und bin sehr teuer.“
Meine Mutter stellt sich in den Türrahmen. Sie betrachtet neugierig, wie ich aus
dem Fenster schaue.
Nora und Andy stehen immer noch an der gleichen Stelle wie vorhin.
„Ist diese Zicke zu Hause?“, fragt Andy.
„Die hab ich in den letzten Tagen nicht gesehen“, antwortet Nora ihm. In unserm
Haus ist kein Licht an, auch sonst wirkt es vollkommen verlassen.
Mein Ass im Ärmel.
Ich stelle den Eimer aufs Fensterbrett, dann leere ich den Inhalt über den Köpfen
der beiden glücklich Verliebten.
„Du Miststück!“, schreit das Mädchen zu mir hinauf.
„Weißt du was Nora“, ruft Andy. „Mir reicht es.“ Er wirkt diesmal ziemlich wütend.
Hinter mir höre ich meine Mutter lachen. „Wenn du das mit deinem Vater nicht
endlich regelst, dann vergessen wir es besser.“ Er schüttelt sich, um wenigstens einen
Teil des Wassers von seinem Körper zu bekommen. Aber viel hilft es nicht gerade.
„Ich mag es nicht im Freien zu duschen.“
„Bist du jetzt zufrieden?“, schreit mich Nora an. Ich kann kaum noch vor Lachen.
„Was bezahlt dir Noras Vater für das Ganze?“, verlangt Andy plötzlich zu erfahren.
„Ich mach das, weil es mir Spaß macht“, antworte ich, was ja auch die Wahrheit ist.
Das Geld ist nur ein netter Bonus.
„Jetzt hör aber auf, Janine“, kommt es mit deutlich genervtem Ton von ihm. „Ich
hab doch letztens selbst gesehen, wie Noras Vater dir mit den Worten Wassergeld
einen Schein zugesteckt hat.“
„Das nächste Mal bestehe ich auf Überweisung“, dringt es in einem Seufzen über
meine Lippen. Mein Blick wandert auf meine Mutter. Mir wird das Ganze sichtlich
unangenehm. „50 Mäuse“, rufe ich kleinlaut. Nicht nur meine Mutter sieht mich
darauf erstaunt an.
„Okay“, ruft Andy. „Nora, entweder du verzichtest auf diese Verabschiedung oder
suchst dir einen, der die Schlange auch bezahlen kann.“
Er will sich auf den Weg zu seinem Motorrad machen, als plötzlich ein von Kopf
bis Fuß in Schwarz gekleideter Mann vor ihn tritt.
Der hautenge schwarze Anzug offenbarte die Muskeln des Mannes, auf seinem
Kopf trägt er etwas, das wie einen Helm aussieht. Mit einem silbern, glänzenden
Visier.
Er packte Andy unsanft am Arm. „Du kommst mit Junge“, ruft der Mann. Ich
verstecke mich in meinem Zimmer. So, dass ich noch einen Blick aus den Fenster
werfen kann, um zu beobachten, was hier passiert, aber mich von draußen niemand
sieht.
„Was ist los?“, fragt meine Mutter. „Droht dir Nora?“
Sie verstummt sofort, als ihr mein bleiches Gesicht auffällt.
„Hey, lass mich los du Arsch“, flucht Andy. Er versucht sich aus dem Griff des
Mannes zu befreien.
Ein kurzer Schlag und der Junge geht bewusstlos zu Boden.
„Andy!“, schreit Nora. „Verschwindet oder ich rufe die Bullen.“ Ihre Stimme zittert
–6–
regelrecht.
Ich sehe Hilfe suchend zu meiner Mutter. Sie steht nur in der Tür und hat wieder
begonnen zu zittern.
Der Mann zeigt sich wenig begeistert von der Drohung des Mädchens.
Plötzlich steht ein weiterer schwarz gekleideter Mann hinter Nora. Er schlägt sie
bewusstlos.
„Kannst du mir mal sagen, wieso wir diesmal auch Frauen gefangen nehmen
sollen“, verlangt der zweite schwarz Gekleidete zu erfahren. „Und alle aus den
umliegenden Orten.“
„Ich erklär dir mal was“, ruft der erste Mann. „Wir sind nur Krieger. Wir
bekommen Aufgaben, befolgen diese und fragen nicht nach dem Grund.“ Er seufzt
auf. „Ich hab das Gespräch unseres Kommandanten letztens belauscht, das er mit
unserer liebreizenden Furie geführt hat. Die meinte unser Herrscher sucht nach einer
alten Bekannten.“
Es verschlägt mir fast die Sprache. Unfassend sehe ich meine Mutter an.
Ich hoffe, dass sie das Gespräch der Beiden nicht gehört hat, aber sie haben nicht
laut genug gesprochen. Jetzt muss ich einsehen, dass meine Mutter Recht hat. Es ist
besser aufzubrechen, als hilflos auf den Tod zu warten.
„Haben die irgend etwas gesagt?“, fragt meine Mutter besorgt, als ich panisch das
Fenster verschließe. Ich greife nach meinem Koffer, um darin ein paar meiner Sachen
einpacke.
„Nein“, lüge ich sie an. Doch bei dieser Lüge kann ich meiner Mutter nicht ins
Gesicht schauen. Ich will ihr auch nicht die Wahrheit sagen, dass würde sie nur noch
mehr ängstigen. „Mir reicht die Tatsache, dass da eben zwei Herren in Schwarz Nora
und Andy verschleppt haben. Seitdem ist die Überlegung schon da, dass du mit dem
Ganzen Recht hast.“
Sie gibt sich mit meiner Antwort zufrieden. Ich packe weiter meine Sachen, doch
meinen Eltern fällt schon auf, dass sie mich mit ihrer Angst angesteckt haben.
Wie meine Mutter zittere jetzt sogar ich am ganzen Körper.
Was wollen diese Leute von uns, wenn doch meine Mutter nur eine Sklavin war?
Aber dennoch traue ich mich nicht ihr von dem Gespräch der beiden zu erzählen.
Bei der Überlegung drüber, gehen mir nur die irrsinnigsten Gedanken durch den
Kopf.
Den folgenden Tag sitzen wir stumm in der Küche, unfähig irgendeine Konversation
zu führen.
Ich aus der Angst heraus irgendetwas Falsches zu sagen. Irgendetwas durch das
meine Eltern nur noch mehr verängstigt werden. Sie vor dem, was passieren wird.
Am vergangen Abend hat uns Noras Vater besucht. Er wollte von mir wissen, ob
sie sich die Nacht wieder unter meinem Fenster mit Andy getroffen hat.
Meine Eltern haben mir verboten darüber etwas zu sagen.
Jetzt denkt er, sie sei durchgebrannt oder Andy hätte ihr irgendetwas angetan.
„Ihr meint doch, es passiert alles wegen euch“, spreche ich das Thema an, dass
mich seit der letzten Nacht so beschäftigt.
Meine Eltern sehen mich fragend an.
„Janine“, ruft meine Mutter. Sie sieht traurig auf die Tischplatte.
„Wir werden dann ja sehen, ob alles so eintrifft wie deine Mutter denkt“, kommt es
von meinem Vater.
„Es wird so passieren!“ Tränen steigen ihr in die Augen.
„Sollten diese Typen hinter unserer Familie her sein, dann wäre doch die Frage
gestattet wieso“, halte ich an dem Thema fest. „Mutter hat doch gesagt, dass sie nur
eine Sklavin war und mein Vater ein Krieger oder sind sie eher hinter meinem Onkel
–7–
und meiner Tante her?“ Ich mache eine kurze Pause. Meine Eltern sehen mich beide
verwirrt an, dann füge ich kleinlaut hinzu: „Ich versuch ja nur zu verstehen, wieso das
alles passiert?“
„Janine, ist irgendetwas geschehen, dass du uns sagen solltest?“, verlangt meine
Mutter von mir zu erfahren. Sie sieht mich zornig an und ich schaue unweigerlich
schuldbewusst auf den Tisch.
Weiter um die Wahrheit drum herum reden kann ich nicht mehr.
„Okay“, quäle ich mich zur Antwort. Ich will sie wirklich nicht noch mehr in Panik
versetzen. „Die beiden Typen von gestern – diese schwarz gekleideten –, die haben da
so etwas gesagt.“
Meine Eltern sehen mich fordernd an. „Was haben sie gesagt?“, verlangt mein
Vater zu erfahren.
Ich schlucke.
„Der Eine hat gefragt, wieso sie auch Frauen gefangen nehmen sollen“, beginne ich
zu erklären. „Darauf hat der Andere geantwortet, dass ihr Herrscher nach einer alten
Bekannten sucht.“
Nicht mal einen Blick brauche ich auf meine Mutter zu werfen, um zu wissen, das
sie jetzt leichenblass ist.
„Ich hab darüber nachgedacht und mir eine Frage gestellt“, spreche ich weiter. „Es
heißt doch, dass nur junge Männer und junge Frauen entführt worden sind. Wenn
nach dir gesucht wird, wieso das Ganze?“ Meine Eltern scheint die These wenig zu
interessieren, aber dennoch spreche ich weiter. „Vielleicht machen sie das nur, um
euch Angst einzujagen. Vielleicht ist das Alles, weil sie nicht wissen, wo ihr wohnt.
Und das Alles passiert nur, in den umliegenden Städten.“ Hastig füge ich hinzu.
„Dass mit dem junge Frauen entführen meine ich.“
Meine Mutter sieht unschlüssig auf den Tisch. „Sollte es nur sein, um mir Angst
einzujagen, dann hat er es geschafft.“ Sie lässt den Kopf auf den Tisch sinken und
beginnt erneut zu weinen.
„Worauf ich hinaus will, ist der Gedanke“, spreche ich weiter. Mein Vater sieht
mich mit Interesse an. „Du hast erzählt, dass der Vater von dem Typen das dauernd
gemacht hat. Städte vernichten, und so.“ Ich mache eine kurze Pause. „Dass der nach
dem Motto vorging, wer überlebt, der hat Glück gehabt.“ Meine Mutter sieht mich
aus verweinten Augen heraus an. Jetzt scheint auch sie interessiert. „Vielleicht ist das
alles nur, damit ihr flieht, und sie euch auflauern können.“
„Eine nette These, aber darauf können wir uns nicht verlassen.“ Meine Mutter
bringt ein Lächeln zustande, das ziemlich gequält aussieht. „Dieser Kerl würde
garantiert kaum zögern einen Planeten zu zerstören.“
Ich beschließe es für jetzt sein zu lassen und sie später noch einmal danach zu
fragen. Aber ich bin dennoch der Ansicht, wir müssen hier bleiben. Irgendwie hab ich
das Gefühl, dass meine Eltern genau den Fehler machen, auf den dieser mir
unbekannte Kerl wartet.
Aber meine Eltern wollen das scheinbar nicht sehen.
Als der Abend hereinbricht, rufen sie zum Aufbruch.
Sie wollen das Auto stehen lassen. Meine Eltern sind der Ansicht, dass ein Auto
mehr auffällt, als drei flüchtende Menschen, die sich durch den Wald schlagen.
„Mum, wieso sind die hinter dir her?“, frage ich, als wir den Wald erreichen. Ich
schleppe einen Koffer hinter mir her, dabei stolpere ich hin und wieder über den ein
oder anderen Ast, Hügel oder Stein. Es ist wenig angenehm ohne einen Funken Licht
durch den Wald zu laufen.
An einem umgefallenen Baum, lass ich mich nieder. „Solch eine Aktion wird nicht
wegen ein paar unbedeutenden Leuten veranstaltet.“ Meine Mutter setzt sich neben
mich. „Also wieso wirst du gesucht?“
–8–
Sie sieht zum runden Mond hinauf. Eine Träne rollt ihr dabei über die Wange.
„Ich glaub, dass er meinen verstorbenen Mann hofft hier anzutreffen“, antwortet
meine Mutter. „Und deinen verstorbenen Bruder.“
„Bruder?“ Ich sehe sie fragend an.
„Du hattest vor sehr langer Zeit mal einen älteren Bruder“, beginnt sie zu erklären.
Irgendwie kommt es mir vor, als schwingt in ihrer Stimme Stolz mit. „Mein Sohn,
hätte einst der Retter des Universums werden sollen, doch er opferte sich damals für
unsere kleine Gruppe.“
Im Moment ist es zwar alles auf einmal ziemlich viel für mich und auch sehr
verwirrend. Ihre Geschichte von früher, kann ich ja noch nicht mal jetzt glauben,
dann das mit meinem Vater und jetzt kommt noch ein Bruder hinzu. Aber dennoch
lausche ich gespannt ihrer Erzählung.
„Mein Mann war ein großer Krieger, er hat nur den Fehler gemacht, dass er
versuchte Makkos’ jüngsten Sohn umzubringen. Aber leider ist der Junge nur auf
einem kleinen Planeten gelandet, auf dem er sich ausgerechnet mit zwei Kreaturen
einer Spezies angefreundet hat. Schreckliche Wesen, die eine andere Person nur
durch ihre Gedanken töten können.“
Ein Teil von dem, was sie berichtet, klingt in meinen Ohren eher phantastisch, als
dass es wahr sein kann. Aber ich vertraue meiner Mutter, dass sie mir die Wahrheit
erzählt. Auch wenn es unglaublich klingt.
„Es hat nur keiner erfahren, wer den Anschlag verübt hat. Wer wäre damals auch
nicht von der Idee fasziniert gewesen den Jungen zu töten?“
Ein Lächeln huscht ihr beim Gedanken daran über die Lippen. Ich kann mir nicht
vorstellen, dass es sie amüsiert, vielleicht einzig aus dem Gedanken an die Zeit
damals.
„Danach hat er es nicht noch einmal versucht, dafür aber ich.“ Meine Mutter
macht eine kurze Pause, bevor sie weiter spricht. „Schalia war zwar auch nur eine
Sklavin aber da sie Makkos’ Geliebte war, hatte sie Dutzende von Dienern. Ich war
eine von ihnen aber auch ihre Vertraute. Sie hat mir blind vertraut und ich hab das
Vertrauen ausgenutzt.“ Wieder macht sie eine Pause, in der ihr Blick zum Boden
wandert.
Während sie spricht, kann ich in ihrem Gesicht ein Mienenspiel aus
unterschiedlichen Emotionen ausmachen. Tiefe Schatten legen sich darauf, vor
Trauer und Verzweiflung, die im nächsten Moment von einem amüsierten Lachen
verworfen werden.
„Ich erinnere mich noch daran, dass es der 13. Geburtstag dieser Furie Kaia war.
Dieses kleine Monster ist dauernd um mich herum gesprungen. Das Mädchen hat
keinen Moment ausgelassen, um ihre neu entdeckten Fähigkeiten an mir
auszuprobieren und sie hat in meinen Gedanken erfahren, dass ich das Essen der
gesamten Herrscherfamilie vergiftet habe. Makkos und seine Söhne konnten noch
mit Gegenmittel behandelt werden, nur Schalia starb.“ Meine Mutter lacht auf. „Kaia
konnte ich damals gut einschüchtern, Makkos hatte dem Mädchen mit dem Tod
gedroht, falls sie versuchte die Gedanken von jemanden zu lesen oder gar mit ihrer
Kraft zu spielen. Deshalb blieb sie damals stumm. Das wäre zwar auch eine
Möglichkeit gewesen sie los zu werden, aber ich hing auch an meinem Leben.
Vielleicht hat sie es ihrem Freund auch irgendwann erzählt und er versucht deshalb
mich zu finden. Keine Ahnung.“
Plötzlich hören wir hinter uns eine Explosion. Mein Vater rennt los, um zu
schauen, was das gewesen ist. Aber für meine Mutter ist es klar, dass es das Ende
unserer Heimat war.
„Ich hab es doch gesagt.“ Ein verstörtes Lächeln liegt nun auf Ihren Lippen,
während sie das sagt. „Das Einzige was wir machen können ist fliehen.“
–9–
Mein Vater kommt zurück. „Das ganze Dorf brennt.“ Erzählt er uns panisch.
Hinter seinem Rücken ist das ganze Firmament in das Rot vieler lodernder Feuer
getaucht.
Mir gefällt das alles hier nicht.
„Ich bin trotzdem der Meinung, dass es ein Fehler war das Dorf zu verlassen“,
erwähne ich. Angst steigt in mir auf. „Mir sieht es alles so aus, als wäre das einzige
Ziel uns lebendig zu fangen. Also wieso sollte das ganze Dorf dann zerstört werden?“
Panisch geht mein Blick durch die Schwärze der Nacht, als ob ich darin nach den
Anzeichen einer Falle suchen würde. „Ich begreif das Ganze nicht.“
Meine Mutter streicht mir durch mein schwarzes Haar, zärtlich legt sie dabei
meinen Nacken frei. Dann spüre ich einen leichten Stich.
Sofort stürzt mein Vater zu mir, um mich aufzufangen. Dabei sieht er meine
Mutter fragend an.
„Ein Schlafmittel“, erklärt sie. „Es ist besser, wenn sie erst einmal schläft. Anton
hat gesagt, er will jemanden schicken, der uns in Sicherheit bringt. Wir müssen nur
an den Waldrand und das Auto suchen.“
Meine Augen fallen zu, mein ganzer Körper erschlafft aber schlafen tu ich nicht.
Scheinbar wirkt das Mittel doch nicht so, wie es soll.
Ich bin nur gelähmt und bekomme weiter alles mit, was um mich herum passiert.
„Wir müssen hier schleunigst weg“, ruft meine Mutter in Panik. „Die Koffer sind
unwichtig, aber wir müssen zum Auto.“
Mein Vater läuft los, seine Schritte sind hektisch.
„Wenn wir erstmal hier weg sind, dann kann er euch doch nichts mehr?“, fragt
mein Vater. Plötzlich stoppt er, sein Griff um mich wird dabei stärker.
Meine Mutter antwortet auf seine Frage nicht, dafür aber jemand anderes.
„Wenn ihr hier wegkommt, dann hätte ich mir nicht die Mühe gemacht euch noch
einmal zu suchen“, kommt es von einer männlichen Stimme. Ich erkenne darin die
Stimme eines der Männer aus der Radioübertragung.
„Oh Janera“, kommt es mit einem Seufzen von ihm. „Schau doch mal hinter dich.“
Ich spüre, wie mein Vater sich umdreht und plötzlich verkrampft. Er lässt sich auf
den Boden fallen.
„Mistkerl“, faucht meine Mutter den Mann an.
Ich höre das knacken von Ästen unter Schritten, die sich uns nähern. „Dein
Töchterchen ist ein wirklich kluges Mädchen“, ruft der Mann. Erst kurz vor uns,
bleibt er stehen „Hättet ihr nur auf sie gehört und wärt schön in eurem Haus
geblieben. Die ganze Zeit wärt ihr dort in Sicherheit gewesen. Nichts wäre passiert.“
Er macht eine kurze Pause, danach fragt er höhnisch: „Wie hat euch diese kleine
Projektion gefallen?“
„Verdammter Bastard!“, schreit meine Mutter ihm entgegen. Mein Vater rauft sich
auf. Er geht ein paar Schritte, dann lehnt er meinen schlaffen Körper an einen Baum.
„Ich wollte euch zwar nicht persönlich empfangen“, erklärt der Unbekannte. Seine
Stimme klingt sehr arrogant. „Aber als ich mir die Gegend genauer ansah, sind mir
drei Personen aufgefallen. Na ja, kannst dir sicher denken, dass ich etwas mehr
erwartet habe, liebste Janera.“
Janera. Ist das der richtige Name meiner Mutter?
„Deine Geschichte war irgendwie ganz nett“, meint der Mann. „Wart mal kurz.“ Er
macht eine Pause, bevor ein Räuspern von ihm kommt. „Süßeste aller Frauen“,
säuselt er plötzlich. „Hier wurde vorhin erzählt, dass eine dir und mir mehr als
bekannte Person an Schalias Tod schuld sein soll, und du, meine allerliebste
Freundin, sollst davon gewusst haben.“ Er machte wieder eine Pause. „Aha, und
wieso hast du mir das dann nicht wenigstens hinterher mal was davon gesagt?“
Wieder eine Pause.
– 10 –
Ist er allein oder ist noch jemand hier? Aber ich vermute, dass er alleine ist.
Scheinbar kommuniziert er über ein Gerät mit dieser Freundin.
„Was heißt hier: Dacht’ wäre nicht so wichtig für dich!“ Jetzt klingt er etwas
erschüttert. „Du bewegst jetzt deinen süßen Arsch hier her, damit ich dir eine
Standpauke halte, was für mich wichtig ist und was nicht. Sonst hast du, meine
Liebste, zu viel Zeit um dir was auszudenken, über das ich alles vergesse.“
Ein Seufzen kommt von dem Mann. „Okay, was ist mir neu?“ Er beginnt mit seiner
Aufzählung. „Dein liebster Sohn ist tot, also kann ich den erhofften kleinen Kampf
mit ihm vergessen. Ich hab doch gewusst, dass die Prophezeiung sich nie erfüllen
wird. Abergläubische Leute! Da will man denen persönlich zeigen, dass alles nur
Schwachsinn ist, doch dann ist der Hoffnungsträger schon tot.“ Er klingt etwas
enttäuscht, dennoch schwingt auch sehr viel Hohn in seiner Stimme mit. „Davon,
dass ich meine liebsten Freunde Malgard zu verdanken habe, wusste ich bisher auch
noch nichts aber leider kann ich ihm dafür scheinbar nicht mehr danken. Dieses
kleine Mädchen scheint nur die Schönheit von dir geerbt zu haben aber sonst nichts
weiter.“
Unter normalen Umständen schmeichelt mir so etwas, nur ist dieser Moment
nicht normal.
„Die Glückliche. Aber von ihrem Vater muss sie die Intelligenz geerbt haben. Ich
hatte jedenfalls gedacht, dass Kaias Plan nicht funktioniert. Hätte er auch nicht,
wenn Malgard noch leben würde.“
Dieser Malgard muss mein Vater gewesen sein.
„Na ja, hab gehofft, das meine Krieger dein kleines Töchterchen finden.“ Er lacht
laut auf. „Ich halte irgendwie nicht all zu viel davon abzuwarten, aber wenigstens
warst du so schlau sie zu beschützen.“
„Bitte Torsos, tu meiner Tochter nichts“, fleht meine Mutter. „Sie hat doch mit der
ganzen Sache nichts zu tun, genauso wie mein Mann.“
„Mann?“, er wirkt ernsthaft überrascht. „Du hast dich also in diesen kleinen
Erdling verliebt, liebste Janera.“ Er macht wieder eine kurze Pause. „Mit dem Mann
kann ich auch nicht wirklich viel anfangen“, gesteht Torsos. „Was mich aber schon
interessiert. Woran Malgard und euer Sohn gestorben sind. Ich hoffe nicht, dass dies
eine Falle ist.“
„Nein“, antwortet meine Mutter, Schmerz schwingt in ihrer Stimme mit. „Mein
Mann starb nicht mal ein Jahr nachdem wir auf diesem Planeten ankamen, an
irgendeiner Krankheit. Unser Sohn starb, weil seine Kapsel defekt war. Jeder von uns
hätte seinen Platz mit ihm getauscht aber er hat sich lieber umgebracht als darüber
zu entscheiden, wen von uns er töten sollte.“
„Kommt ja nach keinem von seinen Eltern“, stellt Torsos mit Verachtung fest.
Meine Mutter schlägt mit der Hand auf die Erde. „Lass uns gehen“, fleht sie ihn an.
„Mein Sohn starb vor langer Zeit und wir sind doch nicht wichtig für dich.“ Ich höre
meine Mutter schluchzen. Wie gerne würde ich sie trösten und ihn anschreien. Doch
in meiner jetzigen Situation ist das einfach nicht möglich.
„Der Mann ist wirklich uninteressant für mich“, gibt Torsos ihr zum Teil Recht.
„Ich bin mal gütig, und lasse ihn gehen aber was dich betrifft, meine Liebe, du
kommst nicht so schnell hier weg.“
„Aber Janine, bitte lasst sie“, fleht jetzt mein Vater. „Sie ist doch noch so jung.“
Torsos lacht amüsiert auf. „Ich muss zugeben, dass ich einiges vom Regime meines
Vaters behalten habe. Darunter auch einen kleinen Planeten mit dem Namen
Tormahs. Du kennst ihn ja sicher noch.“
Meine Mutter hat mir ja erzählt, dass Tormahs ein Sklavenplanet ist, auf dem sie
einst lebte.
Mir wird bei der Sache plötzlich unwohl. Eine Zukunft als Sklavin ist nicht gerade
– 11 –
das, was ich mir wünsche.
Dann spricht Torsos weiter. Er klingt dabei sehr amüsiert. „Die Funktion hat er
weitestgehend behalten, meinen Untergebenen zu liebe. Ich finde es allerdings auch
ganz entspannend dort.“ Er macht eine kurze Pause, scheinbar um die Reaktion
meiner Mutter abzuwarten.
Sie wiederholt nur immer und immer wieder das Wort nein.
„Du, als kleine Sklavin, solltest es ja noch gewöhnt sein, die Bedürfnisse der
Männer ohne Widersprüche zu erfüllen.“
Sie bricht erneut in Tränen aus.
„Aber ich bin so nett und erspare deinem hübschen Töchterchen so ein Schicksal.“
Torsos klingt für mich danach, als will er meine Mutter quälen. Ich kann ihn auch
verstehen, immerhin hat sie am Tod von jemand Schuld, der ihm anscheinend sehr
viel bedeutet hat.
„Du hast sicher schon gemerkt, dass es für unsere Rasse sehr schwierig ist, sich mit
einer anderen Spezies fortzupflanzen“, erklärt er kurz.
Ich spüre, wie ich bei dem Gedanken, was jetzt folgt, erröte.
„Entweder ist unsere Rasse fast vollkommen ausgerottet, oder es haben sich nur
alle weit, weit weg geflüchtet“, sagt er seufzend. „Jedenfalls ist niemand unserer
Spezies zu finden. Weder in meinem Herrschaftsgebiet, noch in dem meines
Bruders.“ Plötzlich fährt eine Hand sanft über meine Wange. „Da kommt mir das
Mädchen gerade recht. Wenn sie brav ist, und mir einen Sohn gebärt, dann würde ich
ihr ein schönes Leben schenken.“
Sag mal, will der Kerl mich als Brutkasten missbrauchen? hätte ich laut
geschrieen, wenn es mir möglich wäre.
Egal ob Herrscher oder nicht, der kann doch nicht glauben, dass ihm mein Körper
gehört.
„Fass sie ja nicht an“, schreit mein Vater.
„Diesen Kerl schick ich erstmal schlafen“, sagt Torsos. Ich höre nur noch das
aufstöhnen meines Vaters und wie etwas Großes auf den Boden fällt.
„Janera, glaub mir, nach dem, was ich aus deinem Mund gehört habe würde es mir
viel Spaß machen beide vor deinen Augen langsam und qualvoll zu töten“, gesteht
Torsos meiner Mutter. Aus seiner Stimme höre ich nur unendlichen Hass heraus.
„Aber ich glaube, es wird dich mehr quälen, wenn ich mir dein kleines Töchterchen
nehme und dich zur weniger glücklichen Großmutter mache. Vielleicht macht es ja
genauso Spaß mit ihr im Bett, wie damals mit dir. Dann werde ich sie noch etwas
länger behalten.“
Ich kann es zwar nicht sehen, aber mir dafür bildlich vorstellen, wie er meine
Mutter angrinst.
Plötzlich höre ich meine Mutter aufstöhnen.
Und was kommt jetzt? frage ich mich. Alles um mich herum ist still.
Das nächste, was ich merke ist, wie sich jemand neben mich setzt. Mir so
verdammt nah, lehnt er sich an den Baum
„Mal schauen, was die dir gegeben hat“, ruft Torsos neugierig. „Wieder ein Beweis
dafür, was für eine Idiotin Janera ist.“ Er seufzt auf. „Armes Mädchen, ich dachte du
bekommst von der Sache nichts mit. Deine Mutter kann einen ganz schön Nerven
kosten.“
Jetzt klingt seine Stimme anders. Viel netter.
„Ich hoffe für dich das alte Zeug hat keine Nebenwirkungen. Wäre Schade.“
„Was ist denn hier los, mein großer, starker, gut aussehender und kluger
Herrscher“, ruft eine liebliche Frauenstimme.
Ich kenne ihre Stimme. Sie war auch bei der Radioübertragung dabei. Kaia, wie sie
sich nannte, ließ der Erde, die Warnung zukommen.
– 12 –
Das Nächste, was sie sagt, klingt eher nachdenklich. „Diese Dame kommt mir
irgendwie bekannt vor.“
„Ich hab doch gesagt, ich such nach einer alten Bekannten“, erklärt er.
„Oh, jetzt wird mir alles klar“, ruft die junge Frau. Sie klingt als wäre es ihr unwohl
in ihrer Haut. „Und ich dachte, dass wäre nur eine Person, die von damals Bescheid
gewusst hat. Hab irgendwie gehofft, sie wäre schon längst verstorben.“
„Kälteschlaf“, antwortet Torsos ihr. „Ganz nützlich, wenn man weit, weit weg
fliehen will.“ Er seufzt auf. „Ich bin dir nicht sauer, immerhin musst du es ja aus
Angst verschwiegen haben. Nur etwas enttäuscht bin ich von dir.“
„Bist du nicht früher mal auf die Dame verrückt gewesen?“, überlegt Kaia
angestrengt. „Ich erinnere mich noch daran, dass du immer in ihrer Nähe warst und
richtig brav auf alles gehört hast, was sie sagte.“
„Ja früher. Als mein Vater noch am Leben war und immer darüber gemeckert hat,
wie ich, sein Sohn mich in eine kleine Sklavin verlieben konnte. Aber auch an einen
süßer Rotschopf kann ich mich erinnern, der immer irgendetwas angestellt hat um
meine Aufmerksamkeit zu bekommen und deren Eifersuchtsanfälle mich schon
damals sehr genervt haben.“
„Oh war das eine schöne Zeit“, schwärmt Kaia.
„Glaub mir“, kommt es mit einem Seufzen begleitet von Torsos. „Mein Vater ist
froh gewesen, als Malgard sie ihm abkaufen wollte. Das Einzige was Janera kann, ist
Intrigen schmieden. Die hat doch glatt versucht sich von mir oder meinen Bruder
schwängern zu lassen. Sie hat sich wahrscheinlich ein besseres Leben dadurch
erarbeiten wollen. Es hat mich damals wie ein Schlag getroffen, als ich es erfuhr.“
„Oh“, kommt es von Kaia. „Armes Mädchen.“ Eine kleine Frauenhand tätschelt
meine Stirn.
„Sag doch, Janera ist nicht ganz helle“, ruft Torsos. „Weiß doch jeder, dass das
Zeug kein Schlafmittel ist.“ Er seufzt laut auf. „Vielleicht kommt sie mit dem Wissen,
dass ihre liebste Mutter eine miese Schlange ist, etwas darüber hinweg, dass ich beide
trenne.
„Und was machst du mit ihnen?“
„Du brauchst mir nicht auszureden, dass ich Janera nach Tormahs schicke“,
erklärt Torsos. „Irgendwie ist mir das am Liebsten so. Darum kannst du dich auch als
erstes kümmern. Da weiß ich wenigstens, dass sie nicht irgendeinen meiner Krieger
bequatscht, damit er sie frei lässt. Du magst sie genauso wenig wie ich, meinen
Kriegern dagegen trau ich zu, dass sie Mitleid mit ihr haben.“
„Und das Mädchen?“, fragt Kaia.
„Arme Kleine.“ In seiner Stimme schwingt ehrliches Mitleid mit mir mit. Ich aber
kann erstmal nicht viel denken. Die ganzen Sachen, die ich erfahren habe, muss ich
erst verarbeiten.
„Nicht nur, dass sie ihre Heimat verliert, sie hat auch erfahren, dass ihr richtiger
Vater tot ist, genauso wie ihr Bruder und ihre Mutter ein eiskaltes Biest sein kann.
Dann hab ich unwissender weise ein paar unschöne Sachen gesagt.“ Seine Hand fährt
sanft über mein schwarzes Haar. „Ist nichts gegen dich, aber ich hasse deine Mutter
abgrundtief“, sagt er an mich gewandt. „Es ist schon verführerisch eine junge Frau
vor mir liegen zu haben, die von meiner Rasse ist. Da kommen schon Sehnsüchte
hoch. Vielleicht kann ich sie ja zu einem Kompromiss überreden. Was hat sie schon
für eine große Auswahl? Mich, mein Bruder und vielleicht Logola, sollte er noch auf
diesem Planeten leben. Jedenfalls kann ich sie nicht hier lassen. Sie gehört nicht auf
diesen Planeten.“
Scheinbar ist Logola mein Onkel Anton.
Torsos steht auf, dann klopft er sich die Erde von der Kleidung. „Ich werde die
Kleine erstmal aus dieser Starre befreien, die ihre Mutter angerichtet hat und dann
– 13 –
bring ich sie zur Station.“
Plötzlich heben meinen regungslosen Körper zwei starke Männerarme in die Höhe.
Mein Kopf fällt auf Torsos’ muskulöse Brust.
Unter normalen Umständen ein Augenblick, der so manchem Traum gleicht.
„Bring Janera nach Tormahs, aber beherrsch dich Kaia“, ermahnt Torsos sie.
„Spielverderber!“, ruft sie laut.
Ich spüre, wie er sich in Bewegung setzt. Vorsichtig trägt er mich durch den Wald.
Es scheint so, als hätte er kein Problem trotz der Dunkelheit seinen Weg zu finden.
Aber wahrscheinlich erleuchtet er die Umgebung, ohne dabei etwas in der Hand
halten zu müssen, wie ein Taschenlampe.
Am Ende des Weges geht es plötzlich ein paar Stufen in die Höhe. Oben
angekommen lässt er mich auf einen kalten, metallenen Untergrund sinken. Ich
spüre einen Stich in meinem rechten Arm und wie danach mein ganzer Körper zu
kribbeln beginnt.
Torsos erfasst meine Hand. „Wenn du dich wieder bewegen kannst, dann drück
mich kurz“, ordnet er mir an. Ich gehorche und es funktioniert. „Bei dem alten Zeug
weiß man nie. Aber hat scheinbar eine Haltungsdauer von über 200 Jahren.“
So ganz verstehe ich die Zahl zwar nicht, aber ich registriere sie.
Ich öffne meine Augen. Verschwommen nehme ich die Umrisse eines Mannes war.
In feuerroter Kleidung.
In seiner Hand hält Torsos etwas langes, dass er an meinen rechten Arm presst.
Mit seinem Gesicht kommt er sehr nah an meines heran. Jetzt erkenne ich zwar
etwas, aber nur zwei dunkelgraue, fast schwarze Augen, die mich freundlich und
herausfordernd anschauen.
„Ich bin neugierig, wie sich Malgards Tochter in einer Umgebung wie der
Todeszone schlägt.“
Einen leichten Stich spüre ich an der Stelle, gegen die er diese Spritze presst.
„Aber keine Angst, ich pass’ auf dich auf. Jetzt schlafe, meine Liebe.“
Wie aufs Stichwort werde ich von einer Müdigkeit übermannt, die mich in einen
traumlosen Schlaf fallen lässt.
Das ist der Beginn meiner Geschichte und das Ende meines stinknormalen Lebens.
Nur leider nicht als Model.
Irgendwas hat mich an den Beiden in dieser Nacht interessiert. Vielleicht ist es
Kaias so aufgekratzte Art gewesen oder der Augenblick, an dem mich der starke
Unbekannte durch die Nacht getragen hat.
Nur daran glauben kann ich nicht, dass meine Mutter wirklich so ein Biest ist.
Selbst als sie mir erzählt hat, das sie Torsos’ gesamte Familie auslöschen wollte.
Aber eins steht in dieser Nacht fest.
Ich will nicht, dass meine Mutter noch einmal ein Leben als Sklavin führen muss.
Diesen Gedanken könnte ich niemals ertragen.
– 14 –