erna schilling ernst ludwig kirchner
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erna schilling ernst ludwig kirchner
erna schilling geboren am 25. dezember 1884 in berlin, gestorben am 4. oktober 1945 in da vos ernst ludwig kirchner geboren am 6. mai 1880 in aschaffenburg, gestorben am 15. juni 1938 in da vos ernst ludwig kirchner kommt als künstler des 20. jahrhunderts eine grosse bedeutung zu. erna schilling, genannt frau kirchner, begleitete ihn während 26 jahren durch alle lebenslagen. es gibt spärlich hinweise auf ihre persönlichkeit, ihre herkunft, ihre sicht der beziehung mit ernst ludwig kirchner, ihr verhältnis zu seinen schülern, zum freundeskreis und ihre meinung zu seinem werk. ein blick auf diese frau soll zu fragen nach rolle, beziehung und lebensentwurf anregen und ihr aus heutiger sicht eine stimme geben. die zusammenstellung von biografischen notizen, hinweisen und aussagen beziehen sich auf die spezielle erwähnung von erna schilling kirchner und auf die jeweilige wohn- und lebensform. sie sind alle den am schluss aufgeführten quellen entnommen und chronologisch zusammengestellt. malans, 30. januar 2000 barbara redmann erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1911/12 lernt ernst ludwig kirchner die schwestern erna und gerda schilling bei einem auftritt als tänzerinnen in einem tanzlokal in berlin kennen. den sommer verbringen kirchner, erna und gerda schilling auf der insel fehmarn. kirchner schildert die begegnung später: "wir wollten nach fehmarn zusammen und suchten nach einem mädchen, das wir ausser der sidi mitnehmen wollten. ich fand eine kleine tänzerin, die im selben lokal wie sidi auftrat. heckel erfuhr durch sidi, dass sie schwer krank gewesen wäre und sich jetzt erholen wollte und gerne mitginge, er sagte aber nie, was ihr gefehlt hatte, trotzdem ich danach fragte, sondern tat so, als ob es bleichsucht und unterernährung wäre, und redete von der not in ihrem haus etc. ich fand das mädchen nett und bestellte sie zu mir, um zu sehen ob sie sich eignete, resp. ihr körper. sie war nett, gut gebaut, nur sehr elend und traurig. wir hatten sympathie füreinander, und sie ging mit mir und lebte bis zur abreise ganz gut mit mir...." tagebuch 30. 9. 1925 "die gestaltung des menschen wurde durch meine dritte frau, eine berlinerin, die von nun an mein leben teilte, und deren schwester stark beeinflusst. die schönen architektonisch aufgebauten körper dieser beiden mädchen lösten die weichen sächsischen körper ab. in tausenden von zeichnungen, graphiken und bildern erziehen diese körper mein schönheitsempfinden zur gestaltung der körperlich schönen frauen unserer zeit. ich bekam den ersehnten kameraden auch geistig, den ich bei den sächsischen frauen v ergeblich gesucht hatte, die wohl ein raffiniertes liebesleben aber keine ebenbürtige kameradschaft geben konnten. ... das in berlin so viel stärkere und mutigere erleben, diese freie kameradschaft mit der frau, die sich selbst vollkommen gab innerlich und äusserlich...., gab so viel anregung zum schaffen, dass ich völlig allein aus diesem leben heraus die form schaffen konnte...." kirchner, manuskript "die arbeit e. l. kirchners", in e.w. kornfeld kirchner begegnet wiederholt dem expressionistischen dichter alfred döblin, der kirchner 1912/13 in seinem atelier an der durlachstrasse 14 besucht hatte. erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1913 den sommer verbringt kirchner mit erna und den jungen malern gewecke und gothein in fehmarn. stickereien und textilapplikationen werden v on erna und gerda schilling für das berliner atelier gefertigt: diwandecke mit applikationen, mövenjagd auf fehmarn die pracht der farben, s.7 die atelierwohnung an der durlachstrasse wird von erna und kirchner zu einer wohnlichen klause mit exotischem hauch ausgestaltet. die ästhetisch und ökonomisch nicht befriedigende massenproduktion wird durch eigene arbeiten ersetzt: geschnitzte schalen, aschenbecher, figuren und textilien. erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1914 beziehen erna und kirchner im april ein neues atelier in der körnerstrasse 45 in berlin-friedenau. kirchner lernt den philosophen und nobelpreisträger rudolph eucken kennen und dessen frau irene, die in jena eine stickstube unterhält. kirchner und erna verbringen einen letzten glücklichen sommer bis zum ausbruch des krieges auf fehmarn. erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1915 die dachwohnung an der körnerstrasse wird künstlerisch ausgestaltet. auf fotos fallen besonders die stickereien der bordüren, der tischdecke, der bettüberzüge und kissen auf, erna stickt nach entwürfen aus den fehmarnwochen mehrere wandbehänge und decken. die pracht der farben, s.9 im märz meldet sich kirchner als fahrer zur artillerie. im september wird er wegen lungenaffektion und schwäche beurlaubt. zur erholung sucht kirchner ein sanatorium auf. erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1916 brief vom 27. juni an hagemann, indem kirchner bittet, an erna in berlin geld zu übersenden. "mein mann befindet sich zurzeit im sanatorium von dr. edel in charlottenburg. er ist momentan schwer krank, so dass niemand zu ihm darf. ... ich bin in grosser sorge, doch haben mir die ärzte die bestimmte hoffnung gemacht ihn bei energischer behandlung heilen zu können...." brief von erna vom 8. 12. 1916 an hagemann der kontakt zu ernas schwester gerda verliert sich. erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1917 kirchner reist nach da vos zur behandlung seiner krankheit. vom 19.1. - 5.2. 1917 hält er sich in der pension wijers auf. "er spricht vernünftig über die frauen, er muss glück gehabt haben mit der wahl seiner freundin." brief vom 27.1.17 von helene spengleran e.griesebach "...kirchner reist zurück, er dachte sich, da vos liege im süden unter palmen! wirklich. er will gar nicht aufstehen, ausser wenn er zu mir ins esszimmer kommt ..... er kam in eine seit 20 jahren nicht erlebte kälte und ist ausser sich darüber, er könne schon den berliner winter nicht ertragen, er wolle zum ofen in sein atelier. so wird er wohl die nächsten tage fahren und es ist sicher das richtige...." brief vom 1.2.17 von helene spengler an e.griesebach eberhard griesebach besucht kirchner in seinem berliner atelier und lässt sich bilder zeigen. die anwesenheit ernas erwähnt er in einem brief an seine schwiegermutter in davos: "...in einem gelb gestrichenen schrägen dachraum sass er auf einem ganz niedrigen sessel neben einem kleinen, heissen ofen. .... die kleine, ängstlich dreinschauende frau stellte das geschaute beiseite und brachte eine flasche wein." brief von e. griesebach vom 23.3.17 an h. spengler am 6. mai reist kirchner wieder von berlin ab, in begleitung einer schwester hedwig“, die kirchner für die reise mitgenommen hat und die vorläufig bei ihm bleibt. am 8. mai 1917 übersiedelt kirchner nach da vos und begibt sich in die behandlung von dr. spengler. um der täglichen ärztlichen kontrolle aus dem wege zu gehen, sucht kirchner für sich und schwester hedwig für den sommer 1917 eine hütte auf einer da voser alp. es findet sich die rüesch-hütte auf der stafelalp. im juli lässt sich kirchner, halb gelähmt, auf die stafelalp über da vos-frauenkirch fahren, wo er in einer alphütte des bauern rüesch, in der obhut der protestantisch-preussischen“ krankenschwester hedwig mit äusserster energie zu arbeiten beginnt. es entstehen sogenannte "packpapier-aquarelle", mit blassen farben auf braunes papier gemalt. erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann in berlin-friedenau harrt erna kirchner aus, betreut wohnung und atelier und sorgt für die aufrechterhaltung der geschäftlichen und persönlichen kontakte in deutschland. sie kümmert sich darum, dass kirchner in der sommerausstellung 1917 der berliner secession mit bildern vertreten ist. auf den rat von henry van de velde sucht kirchner am 17. sept. 1917 das nervensanatorium von dr. ludwig binswanger in kreuzlingen auf. nachdem sich erna während dreier monate bemüht, eine reisegenehmigung in die schweiz zu erhalten, trifft sie am 5. okt. in kreuzlingen ein. sie wohnt im sanatorium und kann bis anfang no vember mithelfen, den patienten zu betreuen. "meine frau hat ihren pass bekommen und ist für einige wochen hier. sie sieht sehr elend aus und ich freue mich, dass sie sich etwas kräftigen kann, um in berlin wieder mit voller kraft tätig zu sein.“ brief von elk vom 9.10.1917 an henry van de velde erna wird in diesen tagen von dr. ludwig binswanger über kirchners früheres leben ausgefragt; dieser bemüht sich immer noch um eine diagnose von kirchners leiden. "...durch diese lähmungserscheinungen, namentlich an den händen, erzwungene untätigkeit, neigt er an manchen tagen zu starken depressionen. wir versuchen diese so viel wie möglich dadurch zu bekämpfen, dass wir uns mit einer ordnung der arbeiten von berlin, soweit sie uns im gedächtnis sind, beschäftigen.... dank der erholung, die ich hier finde, wird es mir möglich sein, kirchners angelegenheiten in deutschland mit neuer kraft weiterzuführen." brief vom 21.10.1917 von erna an helene spengler kirchner trifft testamentarische verfügungen. am 24. okt. beglaubigt ein notar eine vollmacht, die "erna schilling, genannt frau kirchner" zu bild verkäufen und sonstigen geschäftlichen dingen bezüglich kirchners kunstwerke ermächtigt. am 1. nov. setzt kirchner ein testament auf: "ich will eine testamentarische verfügung treffen für alle fälle. als vollstrecker .... möchte ich sie bitten, zusammen mit meiner frau..." erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann brief vom 1.11.1917 von elk an hagemann am 4. november kommt helene spengler zu einem besuch bei kirchner und trifft auch noch erna, mit der sie sich ausführlich unterhalten kann und von deren persönlichkeit, vor allem deren fähigkeit im ertragen von leiden um kirchner herum, sie stark beeindruckt ist. kornfeld, s.105/106 erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1918 "es geht jetzt etwas schwer für mich. meine frau kam so schwach hier an, dass ich ihr keine solche arbeit aufbürden konnte, besonders, da sie in den bergen alle kräfte für meine pflege brauchen wird. sie ist viel mit packen beschäftigt." brief vom 7.7.1918 von elk an schiefler am 9. juli wird kirchner in begleitung von erna halb geheilt aus dem sanatorium entlassen. unter obhut des pflegers brühlmann geht die reise über zürich, landquart nach davos auf die stafelalp. er diktiert erna briefe, da er immer noch eingeschränkt ist in der bewegungsfreiheit der hände. anfang september reist erna nach kreuzlingen, packt die dort liegenden bilder und utensilien zusammen und bringt sie auf die längmatte bei da vos, einem geräumigen bauernhaus der geschwister müller. nach dem 20. sept. erfolgt der umzug von der stafel. erna hilft beim einrichten und reist dann anfang oktober nach berlin zurück - wohl mit dem gedanken, möglichst bald nach frauenkirch zurückzukehren. am 13. oktober erhält kirchner die niederlassungsbewilligung in da vos. kirchner beginnt mit der skulpturalen ausstattung des hauses. seit jeher hatte kirchner einen umfassenden anspruch an die kunst, eine kunst, die jeden bereich des lebens durchdringen sollte. neben der malerei, plastik und allen arbeiten auf papier gestaltete er gebrauchsgegenstände aus holz, schmuckstücke aus metall und bemalte vorhänge. der haushalt wird in ernas abwesenheit von barbara müller betreut, der jüngeren tochter der müllers. sie schreibt während den monaten oktober und november kirchners briefe, hilft beim spritzen von morphium und führt den haushalt zur zufriedenheit von kirchner, was sich auf seinen gesundheitszustand verbessernd auswirkte. nach kirchners entwurf stickt barbara müller ein kopftuch. kornfeld s.136 erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1919 anfang januar schickt erna die schwere druckerpresse aus dem berliner-atelier und drei seiner kostbaren teppiche nach da vos. "mit der ankunft meiner frau und den teppichen soll das alles anders werden. ich will dann den oberen raum gemütlich zum wohnen einrichten und vor allem für bequeme sitze sorgen." brief von elk an helene spengler vom 15.1.1919 erna, die auf kirchners wunsch ende januar wieder nach frauenkirch kommen soll, von der schweiz aber bis anfang april kein einreisevisum erhält, da nach der demobilisierung genügend pflegerinnen“ verfügbar seien, (als ehefrau hätte sie leicht einreisen können) schreibt über die frankfurter ausstellung und ihre schwierige situation: "es war eine harte arbeit, alles für die ausstellung zusammen zu bekommen. dazu fortwährend die wechselnden dispositionen kirchners, als gäbe es keine unruhen, frachtsperren, usw. man kann das nur mit seiner unkenntnis der verhältnisse entschuldigen. dazu hier der sturm aufs atelier. hüten sie bitte unsere bilder recht gut, manchmal wird mir angst, dass ich mit einmal alles los bin. glauben sie an das plötzlich erwachte verständnis? .... hier in berlin ist es recht ungemütlich. hungern und frieren ist die losung." brief vom 6.2. 1919 von erna an hagemann von helene spengler wird kirchner auf eine offizielle eheschliessung mit erna angesprochen, wozu er sich aber nicht entschliessen kann: "sie haben gewiss recht mit ihrer bemerkung über die heirat von ihrem standpunkt, und vieles äussere wäre leichter. aber, und darum bin ich ihnen so unendlich dankbar, dass sie darüber hinwegschauen, innerlich würde ich es nicht ertragen können. ich habe das gefühl unendlichen dankes gegenüber dieser frau, die pflicht, ihr nach allen meinen kräften zu vergelten, was sie selbstlos und treu an mir tut, aber liebe, dieses rest- und kritiklose gefühl zweier menschen gegeneinander, das habe ich nicht, das kann ich nicht haben. dieses gefühl ist in meiner tätigkeit aufgegangen. ich bin oft sehr unglücklich darüber, denn das fehlen dieser seelischen regung macht wirklich einsam. es ist schwer, sich in diesem punkt klar auszudrücken sie müssen einmal mit ihr darüber sprechen, wenn sie da ist. sie kann es ihnen besser erklären als ich." brief von elk an helene spengler vom 16.2.1919 erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann am anfang des jahres beginnt kirchner den adam und evastuhl, die ateliertüre mit den beiden reliefs "alpaufzug“ und "tanz zwischen den frauen“ und andere möbel für sein haus "in den lärchen" zu schnitzen. möglicherweise stickt erna in dieser zeit die kreuzstichstickerei „figurenreiche szenen aus dem leben“; in den figuren lassen sich porträts von erna und ernst erkennen, motive, die den textilen arbeiten von erna vorbehalten blieben. in der gleichen zeit entsteht eine kreuzstichstickerei von erna „sitzfläche für liegestuhl“ die pracht der farben s.22, textilarbeiten kornfeld s.84 erna weilt als kurgast vom 12. april bis am 23. oktober in da vos. "erna war gut und feiner heute trotz des gehirnkrampfes. muss das bissel coitus wirklich sein? bin ich es, der sie oft so ordinär macht? mehr zurückhaltung und leitung wäre gut. aber wo finde ich den menschen, dem ich verstehend restlos mich geben kann?" tagebuch 4.6.1919 "erna heutabend merkwürdig grob zu den leuten. zu schade, dass ich keinen feineren (...) mit ihr haben kann." tagebuch 7.7.1919 "abends bad mit ärger über erna. zu schade, dass kein geistiger kontakt mit diesem bra ven kinde zu erhalten ist." tagebuch 8.7.1919 "fräulein boner ist zürcherin (...) weiche studentin. wein, zigaretten. studierte weiber sind immer unglücklich. sucht liebe und setzt sie in die landschaft." tagebuch 17. 7. 1919 boner, alice (-kls 1, 113, leza dosch) 22.7.1889 legnano (i), 13.4.1981 zürich, von chur und malans. tochter des georg, ingenieurs und verwaltungsratsdelegierten der bbc, und der alice kathrine geb. brown. schwester der georgette, enkelin von charles brown. ledig. 1907-11 stud. der malerei und skulptur in brüssel, münchen und basel. danach freischaffende bildhauerin in zürich, 1928-35 in paris. 1929-30 reiste b. mit dem tänzer uday shankar durch indien und unterstützte seine truppe. 1935 übersiedlung nach indien, wo sie als malerin (u.a. figürl. kompositionen, landschaften und religiöse motive) und publizistin tätig war. donatorin des museums rietberg in zürich. 1970 dr. h.c. der univ. zürich "mir fehlt eine gebildete frau zur aussprache sehr. abende geschwiegen von nichts. erna gut und zu verlässig, aber geistig zu schwach." tagebuch 19.7.1919 erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann "ich war früher besser, freier als heute. das weib quält mich, wann wird es zu ende sein. auch für sie wird es gut sein, aber wohin mit der lust, der erkenntnis, die (sich hier lieben)?" tagebuch 25.7.1919 „wir mussten schon zum frühstück ein exquisites mahl einnehmen, das seine frau zubereitete. diese frau ist ein eigentümliches wesen. mehr squaw, sklavin und ateliertier als eheweib. eine eingedrückte nase, trübe augen, heisere stimme und kurzgeschnittene zottelhaare sind äusserlichkeiten, die mich für eine frau nicht gerade gefangen nehmen.“ hans mardersteig an georg und olga reinhart, 30.7.1919 "nachmittag spaziergang mit erna. es hätte schön sein können, wenn ich nicht so genau sehe, was ihr alles fehlt, was ich versäumte zu erziehen. etwas delikatesse hätte ich wohl hineinpropfen können, wenn ich die scheu v on meiner person nicht gänzlich weggeräumt hätte. nun, ich bin ja kein erzieher, und wenn ich es gewesen wäre, hätte ich sie überhaupt > für meine arbeit < nicht brauchen können. die hohe kunst der frau ist das zusammenstellen der dinge im hause, das einordnen der beweglichen dinge um ihre person und mit dieser. das ist bei ihr eine produktenhandlung. wenn sie eine suppe kocht, kehrt sie die ganze küche um. jedenfalls ist ihre ordnungskomposition das gegenteil von mir, das lässt sich nicht ändern." tagebuch 8. 9.1919 "grosser kampf mit erna am abend um die alten immer gleichen dinge. ich bin zu müde dazu. es wird nichts aus ihr. nun, sie geht montag. ich hoffe dann wieder meinen frieden zu haben." tagebuch 14. 10. 191 "nun ist sie fort. diesmal fällt mir der abschied schwer. es sind so viel zerstörte hoffnungen, die ich damit zu grabe trage. der letzte tag war gut, und trotzdem weiss ich, dass sie immer sich für ein paar tage zusammen nehmen kann, um dann um so mehr ins gegenteil umzuschlagen, tut es mir doch schrecklich weh, sie so gehen zu lassen. ... ich habe sicher viel schuld. doch ich versuchte es doch oft und immer wieder mit ihr. es ist doch so, dass das verschiedene gefühl für die stillebensetzung des täglichen lebens ausschlaggebend ist für das verhältnis. dabei ist sie innerlich gut. es ist zu schade. und doch muss ich dem werke leben und alles ausschalten was es hemmt. ich habe ja sonst nichts." tagebuch 20. 10. 1919 erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann zwei wochen nach ernas abreise beginnt kirchner die schnitzarbeiten am für erna bestimmten bett. die entstehung des bettes muss im zusammenhang mit der beziehung von kirchner zu seiner lebensgefährtin gesehen werden: tagebuch und briefe geben hinweise darauf, dass kirchner zwischen seiner wunsch vorstellung und sehnsucht von einer ausgeglichenen mann-frau-beziehung und den realitäten seines zusammenlebens mit erna zeitweilig litt. erna kümmert sich um das atelier in berlin. abgesehen von regelmässigen befristeten aufenthalten in der schweiz bei kirchner, beschickt sie ausstellungen und führt die geschäfte, signiert druckgraphiken, macht druckabzüge, empfängt sammler, nimmt zahlungen entgegen hütet das atelier. seit kirchner sein haus „in den lärchen“ bezog, sendet sie immer wieder grössere bestände von bildern, zeichnungen und grafischen blättern an kirchner, um das atelier in berlin allmählich zu räumen. erna will über die weihnachtszeit nicht allein in berlin bleiben. sie schreibt kirchner schon ende november, dass sie wiederum eine einreisebewilligung beantragt habe und für etwa 14 tage nach frauenkirch kommen will. am 20. dezember trifft sie in da vos ein. das bett für erna ist fertig geworden. erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1920 am 12. januar reist erna wieder zurück. kirchner spricht sich dankbar über den besuch ernas aus. "in den letzten tagen haben wir durch das grammophon viel besuch gehabt. es wurde getanzt. diese naturkinder sind berauscht von dieser musik. ich werde interessante sachen zeichnen können." brief vom 12.1.1920 von elk an helene spengler im april kommt erna wiederum nach frauenkirch. den sommer verbringen sie auf der stafelalp. ende no vember reist erna wiederum zurück nach berlin. erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1921 "ich gehe schon in den nächsten wochen wieder nach frauenkirch zurück, kirchner braucht meine pflege. ich habe auch völlig genug von berlin, da ich hier so allein sitze. .... ich bin froh, dass ich bald wieder fort kann von hier. es ist doch gar zu einsam für mich.... ich wünschte, ich könnte auch hier alles auflösen, doch dazu muss man zuerst einen platz haben, da vos denke ich mir auch nicht ideal, d.h. es könnte sein, wenn man noch einen kleinen kreis gleichgesinnter menschen dort hätte." brief vom 10.1.21 von erna an nele van de velde "meine frau wird sich sehr freuen, wenn sie zu ihr gehen. sie ist gänzlich allein. sobald es geht, soll sie wieder hierher. der weg der künstlerfrau ist ein schwerer, wenn sie einfach und reinen herzens ist." brief vom 22.1.21 von elk an schiefler erna schliesst alle vorarbeiten für eine ausstellung von ölbildern im april in frankfurt ab. gegen mitte februar kommt erna von berlin wiederum auf die längmatte, gerade rechtzeitig, um kirchner beizustehen, der von der nachricht v om tod seines v aters überraschend stark getroffen wird. am 14.2. ist der vater an herzschlag gestorben. "überall herrscht mustergültige ordnung. ... die frau rief zum essen. ein kalbsbraten stand auf dem tisch. kirchner schnitt das fleisch, jeder erhielt ein stück von 4 zentimeter dicke. dazu tranken wir champagner, der draussen im schnee gekühlt war." brief vom 13. 3.1921 von eberhard griesebach an seine frau lotte vom 11. bis 14. mai fährt kirchner nach zürich, besucht ein nachtlokal und ist begeistert von der tänzerin nina hard. er lädt sie ein, zu ihm nach da vos zu kommen. "kirchner war drei tage in zürich, er kam heute zurück, strahlend, weil er eine tänzerin gefunden hat, die ihm tausend ideen für bilder gab. frau kirchner war gerade hier, als er kam und war minder begeistert über den fund. er will nächste woche nochmals hinunter, weil ihr engagement bald abläuft! er hätte sie gerne als gast, aber noch ist seine suleika v öllig abgeneigt." brief vom 14.5.1921 von helene spengler an griesebach den widerstand muss erna aufgeben, gegen ende mai zieht die tänzerin nina hard im haus in frauenkirch ein. im juni schickt erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann kirchner seine frau für einige wochen im interesse des ateliers nach berlin. nach ernas rückkehr aus berlin kommt es in der nicht ganz unproblematischen situation zu einem gelinden einvernehmen. dafür sprechen fotos, die nina hard und erna zeigen, wie sie zusammen nackt im tobel des sutzibachs baden und dabei für den unermüdlichen fotografen posieren. anfang oktober kehrt die tänzerin nach deutschland zurück und verschwindet aus kirchners leben. erna stickt die kreuzstichstickerei „figurenreiche szenen aus dem leben“, ein tischtuch. in den figuren lassen sich porträts von erna und ernst erkennen, motive, die den textilen arbeiten ernas vorbehalten blieben. dargestellt sind im weiteren tänzerinnen und tänzer aus berlin. ebenfalls in diese zeit fällt eine kreuzstichstickerei von erna „sitzfläche für liegestuhl“ (die pracht der farben, s.22, werkverzeichnis textilarbeiten, kornfeld s.84) anfang des jahres 1921 entsteht das erste kissen, das helene spengler nach kirchners entwurf und anweisung stickt. „kirchner zeichnete ein kissen für mich, ich mache nun eifrig millionen stichelchen. ebbo möchte, dass du in den sommeferien hier ein gleiches stickst, ich stifte das mateial, und wir beide sticheln dann um die wette.“ brief vom 3.4.21 von helene spengler an tochter lotte griesebach dies ist die erste erwähnung solcher stickarbeiten in da vos. kirchner zeichnete die umrisse auf stramin und suchte farben aus dem stickkorb von helene spengler aus. als entwurf für das erste kissen machte kirchner ein aquarell. spätere entwürfe entstanden vermutlich ohne einen farbig ausgeführten entwurf, sondern wurden von kirchner direkt auf stramin gezeichnet. es entsteht eine vorlage für eine kissenplatte, „erna kirchner und nina hard“ die vermutlich erstmals von erna gestickt wird. werkverzeichnis textilarbeiten, kornfeld s.96 erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1922 kirchners wohnung in berlin wird endgültig aufgelöst. der bilder- und graphikbestand und das restliche mobiliar werden nach frauenkirch spediert, darunter auch ein flügel, der vorläufig aufstellung in der küche findet. erna stickt nach entwürfen kirchners kissen. kirchner lernt lise guyer kennen; mit ihrer hilfe kommt er zu den gewirkten bildteppichen. erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1923 "erna ist wieder kratzbürstig, am abend bessert sich die laune" tagebuch 7. 1.1923 von mai bis august weilt die 12-jährige mary bei kirchners. sie soll erna im haushalt helfen und gleichzeitig modell für kirchners künstlerischen arbeit sein. es entstehen eine reihe von grafiken und auch eine skulptur zum thema "frau und mädchen". ende juli besuch von kirchners bruder walter. anfangs september kommt ernas vater, der korrektor schilling für 14 tage zu besuch. "seit tagen ist ernas vater hier. er ist sehr elend und bleich. geistig ganz so wie früher. langsam und ohne interesse. ein guter corrrector, gewiss, nicht mehr! bescheiden und selbstzufrieden. das leiden geht an ihm vorbei. er fühlt weder freude noch schmerz. erna ist ganz verzweifelt, dass er so ist, aber sie kennt halt diese art menschen nicht mehr. durch seine grosse bescheidenheit stört er wirklich nicht, wenn er so ruhig dasitzt und es sich schmecken lässt" tagebuch 7.9.1923 gerda schilling stirbt an den spätfolgen von syphilis in der preussischen landesirrenanstalt neuruppin im alter von noch nicht vierzig jahren. in den ersten oktobertagen ziehen kirchners ins wildbodenhaus am eingang zum sertigtal. erna freut sich sehr auf den umzug, kirchner auch, sie lassen das haus herrichten, im als atelier vorgesehenen raum wird das fenster vergrössert, vom nahen brunnen wird das wasser in die küche geleitet und der alte steinerne ofen wird neu verputzt. erna schläft im grossen, geschnitzten „erna-bett“ im an das ofenzimmer anschliessenden kleinen raum. "unser neues häuschen ist eine wahre freude für uns. wir werden da gut hausen und in grosser neuer ordnung. dies soll wirklich ein wendepunkt meines lebens werden. alles muss in übersichtliche ordnung gebracht werden, und das häuschen so einfach und schlicht wie nur möglich ausgestattet, aber schön und intim." tagebuch 7.9.1923 1924 arbeiten am haus, viel besuch, das elektrisch wird gelegt, so dass bald kein petrol mehr nötig ist erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1925 "über ein jahr ist herum und das alte chaos ist geblieben. ja, ordnung, ordnung, wie schön wäre sie. ich kann nicht ordnung halten. wie oft ordnet man alles mit liebe und freude, und in 14 tagen liegt doch wieder alles durcheinander. es gehört ein wenig kleinlicher geist dazu, immer ordnung zu halten. .." tagebuch märz 1925 die monate juni und juli sind wochen intensiv en arbeitens der beiden freunde kirchner und albert müller. auch anna müller und erna vertragen sich gut, und der kreis wird abgerundet durch den einbezug der beiden kinder müller, den zwillingen judith und kaspar. zeitweise arbeitet auch der berner maler fritz pauli mit, der sich mit sich mit seiner frau ebenfalls in da vos aufhält. kirchner dankt sehr für einen kurzen ferienaufenthalt, den erna ende juli, anfang august bei müllers in obino im tessin verbringen durfte. kornfeld s.256 "ich habe möbel für uns machen lassen. für erna einen arbeitstisch mit 5 kästen und hängetischplatte daran, für mich einen schreibtisch und einen grafikschrank. die sachen sind gut ausgefallen und sehr schön. man kann nur möbel wirklich gebrauchen, die man selbst zeichnet. ... erna ist jetzt 2 jahre sehr tüchtig und gut. wir leben in frieden und ruhe beisammen und schaffen soviel es geht. der garten trägt dank ihrer sorgfalt gut früchte. mancher mensch kommt spät zu verstand. so ging es wohl mir und ihr. ich bin nur besorgt, dass sie nach meinem tod nicht zu sehr von den brüdern gedrückt und geschädigt wird. hoffentlich sind sie anständig zu ihr. sie hat so viel erduldet und ausgehalten, dass sie wirklich ein ruhiges alter dafür beanspruchen kann." tagebuch 7.9.1925 erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann "ich schwanke oft, ob ich ihr nicht die sicherheit der bürgerlichen ehe geben soll. aber es kann natürlich auch übel ausschlagen, und die freie bindung ist doch viel höher und schöner als die legale. trennen kann uns auch so nur der tod, denn das gemeinsam erlebte bindet ja stärker als alles andere, trotzdem wir nie eine tat zusammen getan, die das licht scheuen müsste." tagebuch 30.9.25 anna müller und erna fahren ende oktober für einige tage nach basel. hagemann weilt zu besuch und schickt als dank einen staubsauger für den kirchnerischen haushalt. die technische neuerung gefällt sehr und wird mit freuden entgegengenommen. kirchner plant seine erste deutschlandreise, eine längere abwesenheit von drei monaten. um erna das leben auf dem isolierten wildboden erträglicher zu machen, lässt er ernas bruder kurt schilling kommen, der leicht an tuberkulose erkrankt ist und eine kur in da vos absolvieren soll. "erna kam mit zur bahn, sie sah traurig aus. ihr bruder kurt wird nun in meiner abwesenheit bei ihr sein. hoffentlich geht alles gut. ich glaube, er hat den guten willen dazu, aber er ist so schwer. seine schwester ist ja nun in ganz andere bahnen gekommen und steht menschlich so hoch über ihm, dass es ihn etwas drücken muss, dabei ist er schon ein guter kerl, der seine guten seiten hat." tagebuch dez. 25 anfang dezember reist kirchner ab. während der ganzen reise schickt er kürzere und längere briefe an erna. er kauft weihnachtsgeschenke für erna "2 paar nette strümpfe, das neueste auf diesem gebiet..." erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1926 in da vos trifft sich erna oft mit den beiden paulis, die erna das skifahren beibringen, worüber sich kirchner sehr positiv äussert: "wenn du weiter skiläufst, wirst du ja ganz herrliche formen bekommen, wo du so gut dich erhalten tust." im juni reist kirchner mit albert müller nach dresden. kornfeld s.259 albert müller stirbt am 14. dezember an der grassierenden typhusepidemie. erna fährt sofort in den tessin und bleibt bis über die beerdigung, über der ein weiterer schatten liegt, da auch die kleine judith bereits erkrankt ist. am 23. dezember ist auch anna müller an typhus erkrankt. mutter und die beiden kinder kommen ins krankenhaus. erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1927 anna müller stirbt am 7. januar. sie hinterlässt ihre zwei kinder, deren adoption kirchner kurzzeitig in erwägung zieht. farben sind die freuden des lebens, s.178 im februar lernen kirchners elfriede dümmler kennen. diese schreibt: "dann stellte er mich seiner frau vor und diese schüttete gleich ihr herz bei mir aus, wie sehr vereinsamt sie hier seien, ... er fühle sich wohl in dieser einsamkeit und wäre den ganzen tag bei der arbeit. ihr fiele die hausarbeit recht schwer, es sei alles so beschwerlich beizuschaffen. viel lieber stickte sie und da zeigte sie mir einen ganz grossen wandteppich, an dem sie seit 3 jahren arbeitet, welcher auf niedliche weise die geschichte ihrer reise nach da vos darstellt, in kindlich frohen farben.... sie sprach viel von ihrem heimweh nach deutschland ... nächsten winter wollten sie aber auf ein paar monate ein atelier nebst einer wohnung in berlin mieten. auch sei das aktzeichnen so déplaziert in den bergen, sie friere oft, und dann müsse man immer auf der lauer sein, dass nicht plötzlich besuch käme. an der see wäre es was natürliches. ... dann bereitete sie etwas warmen tee und gebäck." brief vom 16.2.1927 von elfriede dümmler an ihren verlobten hansgeorg knoblauch "leider kam ich nur durch eine mappe durch und dann bereitete frau kirchner wieder einen guten tee und butterbrot dazu. dabei zeigte sie mir ihr reizendes keramikgeschirr, und als ich es so wunderhübsch fand, bat er, mir noch ein ganz niedliches teekännchen seiner junggesellenzeit zu zeigen mit diesen holländischen tassen ohne henkel. ... worauf ich von unserem feldener essgeschirr und unseren selbst entworfenen möbeln erzählte." brief vom 23.2.1927 von elfriede dümmler an ihren verlobten hansgeorg knoblauch erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1928 erna reist für die monate mai und juni nach deutschland. sie hat nun seit jahren in da vos gelebt und sehnt sich nach einer unterbrechung. "meiner frau vollends tut das leben hier nicht gut. wir haben eine schwere krise von nervöser art überstanden und sie soll jetzt mal fort. sie ist nur schwer zum fortreisen zu bewegen. sie denkt, ich werde dann vernachlässigt. aber ich werde schon durchkommen auch ohne sie." brief vom 3.4.1928 von elk an hagemann am 10. mai reist erna über zürich weiter nach frankfurt , dann nach chemnitz zu kirchners mutter, dann über dresden nach berlin. erna soll die döblins und die noldes besuchen und abklären, ob man nicht noldes atelier für einen längeren aufenthalt vom oktober 28 an mieten könne, was aber nicht gelingt. kirchner benutzt die gelegenheit, das haus in ordnung zu bringen: "ich mache jetzt im vorsaal den fussboden. der alte ist zu skandalös. die wände, türen und den schrank habe ich schon gestrichen. es sieht recht gut aus. man fühlt so mehr raum. dann verbrenne ich jetzt allen mist.... wir wollen alles hier tipptopp machen. alles einfach aber fein und kultiviert. du weisst, dass das immer meine sehnsucht ist. und heute können wir es machen. alles alte schlechte wegwerfen und nur das behalten, was wir brauchen. auch in der küche, dann sieht es dort auch besser aus." brief vom 24.5.1928 von elk an erna "benutze doch die gelegenheit, dir etwas feines zu kaufen. du brauchst doch sonst so furchtbar wenig, dass wir das ruhig ausgeben können, wund wie lange haben wir noch freude an so etwas, bald sind wir alt und dann brauchen wir nichts mehr. also, kaufe doch, natürlich mit langen ärmeln und gut im stoff. ... und wenn du etwas extras in wäsche siehst, solltest du es auch kaufen. dass du wieder einmal eine ganze berlinerausrüstung hast. heute haben wir das geld, warum sollten wir es nicht mal anwenden, um uns eine freude zu machen. ich gebe gerne 1000 mk aus für solche dinge, damit du mal tip-top angezogen bist. tue es ja, nichtwahr, erstens hast du es wirklich reichlich und gut verdient, und es ist ja auch für unser geschäft gut. ich freute mich so, wenn du so gut und fein angezogen erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann wiederkommst. es ist wie ein geschenk für mich. ich lege einstweilen 300 mk ein und schicke mehr, schreibe nur, wie viel du noch brauchst. (...) ich wollte, dass du bei dem sanitätsrat, wo du mit gerda warst, die blutuntersuchung machen liessest. gut ist es jedenfalls, auch wenn ich sicher glaube, dass nichts vorliegt. ... ich bin sehr einsam, man ist so aneinander gewöhnt, dass einem der andere fehlt, wenn er nicht da ist. wir leben ja auch miteinander und kennen diese perversen abneigungsgefühle der staatlichen ehe nicht." brief vom 9.6.1928 von elk an erna erna kommt mitte juni auf den wildboden zurück. "erna zeigt wieder zeichen von neurasthenie. eben hat wolfer den magen kuriert und sie gerönght. wahrscheinlich hat er sie dabei sterilisiert, weil er keine schürzen gegen den unteren bauch brauchte. so macht er es bei allen, es ist unglaublich." tagebuch 26.11.1928 kirchners mutter stirbt am 23. dezember 1928. erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1929 "meine frau ist sehr elend und mit den nerven so schlimm daran, dass sie oft ohne grund weint und keinen mut hat zum leben. so muss ich lebenskraft für 2 aufbringen, trotzdem der winter auch mir hart zusetzt. hoffentlich ist es der letzte hier. so geht es oft, sind die finanziellen nöte vorüber, kommen andere. und ich möchte doch so gern, dass mein treuer lebenskamerad, der mit mir durch dick und dünn ging, auch ein wenig sonne bekäme. dazu starb meine mutter vor weihnachten. es ist natürlich gewiss, aber nie habe ich stärker gespürt, wie nahe man dem ende ist, wo der mensch starb, aus dem ich selbst entstand." brief vom 7.1.1929 von elk an elfriede knoblauch "manches möchte ich ihnen beiden sagen. doch die feder sträubt sich zu schreiben. hoffen wir auf ein baldiges wiedersehen." brief vom 9.2.1929 von erna an frau und herr knoblauch "meine mutter sagte einmal zu erna, ich wäre überhaupt zur liebe unfähig worauf sie sagte dass ich den menschen nur durch die kunst lieben könne durch das medium der kunst. ein verdammt tiefer gedanke. sie ist oft für die menschen mein dolmetsch geworden, wie sie oft klarer ausdrückt, was ich meine. ... erna liegt jetzt meist zu bett. sie ist ein wenig besser, aber nicht viel. die kälte ist augenblicklich zu furchtbar, so lasse ich sie liegen. die kleine, die wir jetzt haben, macht die wirtschaft, so gut es geht. ich rede erna sehr zu, dass sie bald zu ihnen fährt. ich glaube wohl, dass ihr das etwas hilft. aber sie sollen dadurch keinerlei unkosten haben und ihren teil an lebensunterhalt von ihr nehmen, anders geht es nicht. wir haben ja keine finanzielle not. ich verkaufte einiges wieder, so dass ich für erna einiges ausgeben kann und ich tue es nur zu gern, denn sie braucht so wenig für sich." brief vom 14.2.1929 von elk an frau und herr knoblauch die ersten 6 wochen des jahres 29 sind überschattet durch eine hartnäckige erkältungskrankheit ernas, die sich sehr gedanken macht über ihren gesundheitszustand und gerne ihren berliner arzt konsultieren möchte. so fährt erna erneut nach deutschland, besucht in altglashütten das ehepaar knoblauch. "... ich glaube wohl, dass sie zuerst auf die menschen keinen besonderen eindruck macht und dass viele sie überhaupt erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann nicht mögen. mir ist das gleich. ich leben nun schon seit 17 jahren mit ihr und ich glaube, dass keine andere frau bei mir in diesen jahren ausgehalten hätte. sie tat es selbst verständlich, ohne garantien oder vorbehalte. ich vergesse nie die rührende hingebung, ... als ich das erste mal ihren körper sehen wollte, um zu zeichnen. es klingt vielleicht lächerlich, aber ich bin ungeheuer abhängig von der körperform bei einem menschen, mit dem ich täglich zusammen bin. er wirkt auf die formen meiner arbeit ein und beherrscht sie. nicht dass ich griechische formen brauchte, im gegenteil, aber sie dürfen mir nicht unsympathisch sein. die gesichtsform ist mir viel gleichgültiger. ich weiss, dass sie durch den geist belebt wird und es gibt für mich nur die schönheit, die geistige tätigkeit und die empfindungen auf ihm erzeugen. diese sind es, die ich zu gestalten versuche. sie verändern für mich die innere form völlig. je älter ich werde, um so mehr geht mir auch für den körper diese schönheit auf...." brief vom 10.3.1929 von elk an elfriede knoblauch "jetzt wird sie deshalb nicht ganz ruhe haben, weil sie unseren alten arzt in berlin konsultieren will, um festzustellen ob und was ihr eigentlich fehlt. ich bin ihnen übrigens sehr dankbar, wenn sie beide mir ganz offen und ohne rückhalt schreiben, wenn ihnen etwas krankhaftes an erna auffällt. ihre frau hat so einen klaren blick und ich, der ich täglich mit erna zusammen bin, sehe natürlich viel schwerer etwas verändertes..." brief vom 15.3.1929 von elk an elfriede knoblauch am 15. märz reist erna bei knoblauchs ab und weilt bis ende monat bei ihrem bruder kurt in berlin. erna sorgt sich um den gesundheitszustand von elfriede knoblauch. "ich habe heute an ihre adresse ein kleines päckchen lebensmittel gehen lassen. es enthält zwei grapefruits, 1 kilo rote und gelbe äpfel, drei citronen, ein camembert, teewurst, fleischwurst, gänseleberwurst in büchse, gänsebrust, paprikaspeck, und ein päckchen tee, sechs messina-orangen." kirchner baut in dieser zeit in ernas kleinem zimmer über dem bett büchergestelle und richtet auch sonst allerhand neues ein. "erna hat manchmal ein wenig die tragische art, ich habe die andere, so ergänzt sich das, denn nicht gleich und gleich, sonder verschiedenes muss sich vereinen, wenn reichtum herauskommen soll. wer hat die bilder also geschaffen, die heute in den museen bewundert werden? sie wohl ebensosehr als ich, vielleicht oft erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann noch mehr, denn viele, viele bilder sind aus ihren mitteilungen entstanden, aus ihrem weiblichen spür- und scharfsinn heraus, ich habe es nur verarbeitet, in form gebracht. die menschen sagen dazu: welch schöne aufgabe, glücklich die frau, die dazu kommt. aber es ist anders. keiner ahnt, wie schwer das ist, es ist entselbung, unterdrückung der eigentlichen weiblichen eigenschaften, es ist titanenarbeit für den menschen, der die menschliche natur kennt, der weiss, wie unsicher der halt ist, der die menschen bindet im allgemeinen.... sie steht deshalb für mich überhaupt an der spitze aller frauen, die ich im leben achten gelernt habe... ich arbeite an einem bilde des weiblichen gekreuzigten, nie hat einer diese aufgabe gefühlt, immer ist christus ein mann, sonderbar und komisch zugleich. der wirkliche christus ist mann und weib zugleich, aber das muss sich noch viel umformen, damit die figur menschlich und nicht christlich wird." brief vom 27.3.1929 von elk an elfriede knoblauch nach ernas rückkehr trägt sich kirchner mit reisegedanken nach deutschland, und wohl im zusammenhang mit diesen plänen überarbeitet er am 10. juni sein vom september 1923 stammendes testament neu. vor allem soll erna, die in selbstloser weise die langen schweren jahre mein leben ermöglichte und ihr einiges geopfert hat von meinen brüdern in freundlicher weise behandelt werden und ihr unbedingt in allen stücken gefolgt werden und ihre anweisungen erfüllt werden. walter und ulrich sollen nie vergessen, dass erna selbstlos und treu mit mir ging, als sonst niemand den mut dazu hatte und ich noch unbekannt war als maler. kirchner reist am 15. juni von da vos nach zürich und nach ein paar tagen nach berlin. am 11. oktober fährt erna für einige tage zur erholung nach zürich, sie kleidet sich neu, besucht alte freunde wie die staubs und bleibt bis zum 20. oktober. 1930 um sich nach dem langen winter wieder einmal auf städtischen boden bewegen zu können, reist erna nach dem 10. april für einige tage an den zürichsee und besucht die nun in küsnacht lebende frau professor elsa bosshart. "ob du nun gut bei deiner so lieben freundin frau professor angekommen bist? ach, ich hoffe es und hoffe, dass die ängste nun von dir abfielen und du gemütlich und froh mit ihr am tische sitzest in dem doppelzimmer, wo der schwarze frühling hängt und mit ihr plauderst." brief vom 15.4.1930 von elk an erna erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann erna, die immer wieder kränkelt, wobei auch die psyche eine grosse rolle spielt, (bei ihrem letzten besuch in berlin dachte sie an eine analyse, was aber von kirchner vehement abgelehnt wurde) entscheidet sich für eine längere kur. kirchner mietet ein auto mit chauffeur und am 15. juni fahren die beiden in das kurhaus sennrüti nach degersheim. beim einschreiben in die kuranstalt scheint es schwierigkeiten wegen des namens gegeben zu haben und wieder einmal nimmt kirchner zum problem der ehe stellung: "du brauchst jedenfalls keine weitere anmeldung als die, die du geschrieben hast, sonst sage nur, du hast die papiere hier oben.... wir werden doch noch bei gelegenheit die amtliche seite machen müssen, das wird das richtigste sein, es ist ja nur eine form für uns und so können wir es ja tun. ich möchte wirklich nicht, dass du dadurch immer beunruhigt wirst. ich bin jetzt wirklich so frei, dass ich es tun kann, ohne zwang und unruhe." brief vom 15.6.1930 von elk an erna "es ist ein guter gedanke, deine kusine herzusenden. natürlich zahle ich ihr gern die reise. und wegen des taschengeldes musst du mir die höhe genau schreiben, darin sind die ansichten sehr verschieden. .. sie könnte gleich kommen. correspondenz besorge ich immer selbst, dazu brauche ich niemand. nur zum kochen und was sonst noch im haus gemacht wird und wenn sie frei genug ist zum malen brauchte ich sie. unser haushalt ist kein muster, gewiss nicht. er ist künstlerisch frei. die einsamkeit wäre das einzige..." brief vom 16.6.1930 von elk an elfriede knoblauch "heute will ich dir nur kurz schreiben wegen des jungen mädchens. da das junge mädchen eine stelle hat, erscheint es mir als ein wagnis diese aufzugeben. für ernst handelt es sich ja in erster linie darum einen menschen während meiner abwesenheit zu haben.2 brief vom 25.6.1930 von erna an elfriede knoblauch erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann "meine herumrennerei in der nacht , überhaupt mein unruhiges wesen können einen menschen schon anstrengen, das glaube ich wohl gern. und eben, diese plötzlichen kollereien, die ja auch kommen, wenn du da bist, und die dir, wenn sie persönlich werden, so weh tun, die schaffen schon müdigkeit...." brief vom 5.7.1930 von elk an erna "der arzt bezeichnet meine krankheit als totale übermüdung. dem ist schwer abzuhelfen bei schlaflosigkeit. aber die depressionen sind weg und darüber bin ich froh. vielleicht komme ich bald vom wildboden weg, dass der haushalt nicht mehr gar so schwer für mich ist." brief vom 10.7.30. von erna an elfriede knoblauch am 18. juli ist die zeit der trennung vorbei, kirchner mietet wiederum einen wagen und holt erna in degersheim ab. das mädchen hilde bleibt bis im oktober und ist eine hilfe für ordnung und instandsetzung des haushaltes. "vielleicht ist es dann auch leichter beim zweiten mal, uns menschlich näher zu kommen, denn wir wehren uns, erna noch mehr als ich, einen bei uns lebenden menschen nur als angestellten zu betrachten und ihn nicht aufzunehmen in die gemeinschaft unseres lebens. wer hier mit uns lebt muss eben mit helfen, an dem werk, das ich schaffe, indem er einfach und wirklich so ist, wie er ist ohne maske und unterdrückung seiner eigenart. erna ist dabei für alle neue menschen die mittlerin..." brief vom 7.10.1930. von elk an elfriede knoblauch erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1931 erna ist um den 15. april herum wiederum für ein paar tage bei ihrer freundin frau professor bosshart und kirchner wünscht sich eine bereicherung seiner schallplatten: wenn es geht, frage doch noch nach pathe-platten, die mit dem achatstift gespielt werden. wir brauchten ein paar richtige schmettersachen. die marseillaise und den alten dessauermarsch, irgend so etwas mit viel bum-bum-bum.“ kornfeld s.284 mitte juni reist kirchner nach frankfurt und dann nach berlin. er trifft seinen bruder walter und dessen frau lisbeth und besucht ernas bruder kurt schilling und seine familie. erna ist während des ganzen sommers gesundheitlich etwas lädiert; um den 5. september fährt sie zu einer weiteren kur nach degersheim. die gesundheitlichen schäden sind gravierender und lassen sich durch eine rohkostdiät nicht beheben. die untersuchung in da vos ende des jahres zeigt die möglichkeit des vorhandenseins eines myoms. sie reist am 11. no vember nach berlin. die operation wird im franziskanerkrankenhaus am 31. nov. durchgeführt, wobei man die gelegenheit benutzt und auch gleich noch den entzündeten blinddarm entfernt. (arzt alfred döblin?) "bitte tue mir den gefallen diese brücke-leute und die frauen derselben abzuweisen. durch annahme dieser besuche schädigst du mich und meinen namen." briefe von elk täglich nach berlin erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1932 am 1. januar reist kirchner über zürich direkt nach berlin, um seine frau am 8. januar auf den wildboden zurückzuführen. "unsere lieben, durch eure güte sitzen wir hier bei kranzler und denken an euch und wünschen euch alles gute. erna hat ein ganz neues gesicht bekommen. vielen dank dass ihr hilde entbehrt, und herzliche grüsse euch beiden lieben" karte vom 2.1.1932, berlin von erna und ernst an ehepaar knoblauch erna bleibt in küsnacht noch ein paar tage bei frau professor bosshart, um sich wieder zu akklimatisieren. kirchner überarbeitet ein foto von alfred döblin, das er ihm als dank für die herzliche betreuung ernas während ihres krankenhaus-aufenthaltes im winter 1931-32 in berlin übersendet: "nehmen sie meinen herzlichsten dank dafür und das graphische blatt, das gleichzeitig folgt. ich hätte ihnen gern das bild „porträt döblin“, das jetzt bei möller ausgestellt ist aus der sammlung fischer frankfurt, gegeben, aber mein etwas geschrumpfter geldbeutel erlaubte mir den ankauf nicht mehr. es kostet heute über das dreifache des preises, zu dem ich damals an fischers verkaufte. so müssen sie schon entschuldigen und mit dem blatt vorliebnehmen...." brief vom 11.1.1932 von elk an alfred döblin "meine frau ist immer noch etwas schwach und unser arzt meint, dass sie ein wenig in andere luft sollte. sie ginge gerne nach fehmarn..... sie ist ja nicht krank, aber sie hat heimweh nach deutschland und deutschen menschen. komisch, dass die frauen alle so sind. meine mutter hielt es v or jahrzehnten ja auch nicht aus hier, und ich verlor so das paradies meiner kindheit (perlen bei luzern) und kam so ins öde chemnitz und die schuhriegelei der schulen." brief vom 10.7.1932 von elk an ehepaar schiefler erna, physisch und psychisch nicht ganz so erholt, wie man es sich erhofft hat, reist am 6. august wieder nach deutschland. sie besucht das ehepaar schiefler in mellingstedt bei hamburg. "meine frau ist nun oben bei ihnen und hat nun ihren wunsch erfüllt, wieder unter menschen zu leben. .... hoffentlich fügt sie sich trotzdem gut ein in ihr haus und macht ihnen keine mühe. wenn sie ein wenig im haus helfen darf, wird das gut für sie sein. bitte sagen sie mir auch, wie lange sie , ohne zu stören, bei ihnen sein darf." brief vom 17.8.1932 von elk an luise schiefler erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann "der aufenthalt bei schieflers hat ihren zustand nicht verändert, hat nur erneut den wunsch in ihr erregt, dauernd drüben zu sein... wenn ich wüsste, dass sie wirklich durch das leben in deutschland wieder auf die beine käme, würde ich ihr in berlin ein zimmer mieten und sie dort leben lassen. schliesslich hat sie es sich durch diese 20 jahre verdient, mit etwas freude am leben den rest des ihren zu verbringen und nicht jeden morgen mit dem wunsche aufzustehen, zu sterben. es ist sehr traurig jetzt auf dem wildboden, denn an mir zehrt dieser zustand ja auch, sie ist ein guter mensch und sie sollte nicht immer leiden müssen...." brief von kirchner vom 24.9.1932 an carl hagemann er beschwört erna, nun endlich ihre permanente unzufriedenheit zu zügeln, mit einer anderen einstellung und in einer besseren stimmung auf den wildboden zurückzukommen. "vielen dank für deinen brief und paket mit den mehlen etc. ich glaube zwar nicht, dass erna sich soweit aufrafft, die kost so umzustellen. sie kennt sie von degersheim her und manches ist schon seit jahren bei uns eingeführt. z. b. kochen und braten wir nur mit olivenöl.... ein wenig besser geht es jetzt mit erna schon. sie steht jetzt doch jeden tag auf, macht das essen und heizt, sie ist nur noch schrecklich unzufrieden und melancholisch." brief vom 5.11.1932 von elk an elfriede knoblauch "ich fühle mich auf dem wildboden wohl und wir leben durch die billige wohnung verhältnismässig ohne sorgen. erna ist immer ein unruhiger geist gewesen und nie zufrieden, wenn sie längere zeit an einem ort war. sie hat in berlin oft genau so geklagt wie hier. es ist lächerlich, dem wildboden die schuld zu geben. da sie nie interesse und liebe für das hauswesen zeigte, habe ich es so klein wie möglich gehalten. ... was wir brauchen ist ein mensch, der die küche, haushalt etc. besorgt und mit erna gut steht, damit sie sich unterhalten kann, dann geht es schon. erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann vielen dank für deine freundlichen vorschläge den knoblauch bekommt man schon hier, es ist ja jetzt mode. die bircher-küche ist ja auch hier zu hause, für uns ist sie nicht geeignet. wir brauchen kräftige nahrung, wir sind ja nicht dick, eher zu dünn." brief vom 20.11.32 von elk an elfriede knoblauch "da meine frau meist liegt und sterben will, muss ich das ganze haus betreuen und mir die stunden der arbeit nachts abstehlen. ... meiner frau geht es leider immer gleich. sie ist meist in einem halbschlafähnlichen zustand und hat immer dieselben a versionen gegen hier und gegen das leben hier..." brief vom 21.12.1932 von elk an hagemann erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1933 im sommer entdeckt kirchner einen neuen sport: "wir treiben oder trieben bis zum schnee einen schönen sport. das bogenschiessen. sonntags sind oft eine menge leute hier auf dem wildboden, um nach der scheibe zu schiessen. meine frau schiesst auch ganz gut. es ist ein erzieherischer sport, der schöne stellungen hervorbringt...." brief vom 29.10.1933 von elk an hagemann erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1934 ende april bis zum 20. mai muss erna des neuen nach degersheim ins kurhaus sennrüti, um ihre tangierte gesundheit in ordnung zu bringen. kornfeld s. 296 ende oktober bis ende november fährt erna nochmals für einige wochen nach frankfurt und auch berlin und kommt mit sehr unsicheren gefühlen zurück, wie man sich zum neuen regime zu verhalten habe. 1935 in basel hängt kirchner eine schöne gruppierung von aquarellen und zeichnungen. auch erna fährt zur ausstellung nach basel und trifft sich dort mit hagemann. 1936 im märz kauft kirchner für seine frau das 1935 bei girsberger in zürich erschienene werk über die arbeiten le corbusiers und pierre jeannerets von 1929 bis 1934 mit der widmung: "erna für ihr grosses interesse an moderner architektur und wohnen". kirchner weilt im dezember ein paar tage in basel und schreibt: "es war auch sonst gut, dass ich nach hause kam, denn der meterhohe neuschnee und die furchtbare kälte haben meiner frau sehr zugesetzt, die wege sind sehr schwierig, einige wände unseres hauses muss ich noch abdichten..." brief vom 7.12.1936 von elk an bosshart im dezember ist erna bei bossharts in basel eingeladen. "meine frau kam sehr erkältet von basel zurück und liegt jetzt auch wieder, aber es wird schon wieder werden. es hat ihr wieder sehr gut gefallen in basel, sie ist so gerne durch die strassen und läden mit ihrer frau gegangen...." brief vom 30.12.36 von elk an bosshart erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1937 erna reist im oktober nach basel zur grossen kirchnerausstellung. in den letzten wochen wieder manifest gewordenes heimweh“, das kirchner seit jahren sorge bereitet, beginnt sich unter dem druck der nachrichten aus deutschland zu beruhigen. erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1938 kirchner versucht im januar, in form eines märchens seine lebenssituation zu schildern. "in einer grossen stadt, östlich des rheins lebte einst ein kleiner maler hoch oben im dach eines grossen hauses...." kornfeld s.320 "erna leidet noch an den folgen des unfalles mit dem arm, so konnte auch sie kaum schreiben. wir haben in dieser zeit erfahren, wie einsam und isoliert wir stehen und das ist gerade nicht sehr ermutigend für die zukunft. seit basel kommt schlag auf schlag ein unglück auf das andere. dazu das kalte wetter, das einen an sich schon krank macht. ich bin seit wochen nicht draussen gewesen, kann mich nicht erholen, ich weiss nicht, was das ist...." brief vom 30.4.1938 von elk an hagemann kirchner zerschlägt seinen adam und e va-stuhl und zerstört seine sämtlichen druckstöcke und verbrennt alles. vermutlich gehen in dieser zeit auch viele zeichnungen und persönliche dokumente verloren. eine langwierige kopfgrippe, die schmerzen einer sich zusehends verschlimmernden darmkrankheit, ernas unfall und die verzweiflung über die politische lage in deutschland, treiben kirchner in eine immer grösser werdende einsamkeit. am 23. april unterzeichnet er eine vollmachtserklärung, nach der "erna schilling, genannt frau kirchner, von meinen verwandten anerkannt als meine frau und pflegerin.... alle meine geschäfte erledigt und die gesamten rechte im falle der abwesenheit oder krankheit vertritt." am 6. mai trifft zu seinem 58. geburtstag nicht eine einzige gratulation von freunden ein. erna hilft ihm über diese enttäuschung hinweg. kirchner entschliesst sich, erna die ehe nun doch zuzugestehen. am 10. mai begeben sich kirchners zum zi vilstandsamt im rathaus von da vos er legt ein papier vor mit dem titel "hergang meiner verbindung von 1912 an: ... erna gilt sowohl bei meinen verwandten wie freunden und bekannten als meine frau und ist meine treue pflegerin und mitarbeiterin seit 20 jahren." er erklärt seinen willen, die ehe einzugehen. die beschaffung der nötigen papiere nimmt längere zeit in anspruch; das erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann gewünscht trifft am 1. juni ein, am 9. juni unterzeichnen ernst ludwig und erna das "verkündgesuch". am 12., 13. juni verlangt kirchner die einstellung der bemühungen. die eheschliessung wird nicht mehr vollzogen. "lieber baumann, achten sie auf sich. ich hatte sie sehr gern. vielleicht sie auch mich ein wenig? dann kam bei mir der fall. der armbruch meiner frau, meiner geliebten frau, und stufenweises abgleiten ins rohe und gemeine, es war fast schon zu lange die frist, die mir gegeben. ... sie hatten ja recht, mir fehlt die würde, der takt, so muss ich gehen aus dieser schönen welt, von diesem reinen, edlen weibe, das nie etwas wollte für sich, nur für mich besorgt war. das könnte ich nicht ertragen, deshalb muss ich selbst gehen. sie liebte die kunst, sie liebte mich. wie habe ich es ihr gedankt? erna schilling heisst sie, ist ein edler, gesunder mensch wie ich oder sie. tun sie etwas für sie, sie werden diese art von menschenhandel kennen. sie ist sehr kurzsichtig, die arme, und feinfühlig. ich konnte sie nicht schützen, ich war ein narr, ein übler geselle...." brief an baumann vom 14. 6.1938, von erna beim „aufräumen“ gefunden in der nacht vom 14. auf den 15. juni treibt kirchners krise einem höhepunkt zu. nach einer schlaflosen nacht versucht er erna zu einem doppelselbstmord zu überreden, aber erna will ihm über die schwere depression hinweghelfen und sucht einen arzt zu erreichen. noch während des telefonanrufes nimmt sich kirchner vor dem haus des bauern rüesch das leben. er wird am 18. juni, nach einer trauerfeier im krematorium da vos auf dem waldfriedhof zur letzten ruhe getragen. aus berlin kommt ernas bruder und bleibt noch einige tage. die hausangestellte von helene spengler bietet erna ihre hilfe an. erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann "hier hat sich in aller stille seit monaten eine tragödie vollzogen. die diffamierung in deutschland, die erfolglose ausstellung in basel..... hat ihn am 15. juni an einem strahlend schönen tag dazu gebracht, seinem leben selbst ein ziel zu setzen. erlassen sie mir einzelheiten. er hat grausam gelitten, bis er sich zu diesem entschluss durchgerungen hat." brief vom 24.6.1938 von erna an karl hagemann liebe gnädige frau seit monaten spielte sich hier auf dem wildboden in aller stille eine tragödie ab. kirchner litt seelisch unsagbar unter der diffamierung in deutschland. dazu kam, dass er auch hier in der schweiz sich im luftleeren raum fühlte. ich kann ihnen jetzt keine einzelheiten schildern. leider stehen seine brüder der kunst völlig fremd und teilnahmslos gegenüber. man macht am 16. d.m. eine gedächtnisausstellung. alles ruht auf mir. er hat ein grauenhaftes chaos hinterlassen. ich bin am zusammenbrechen. ich muss für die nächsten wochen noch hier bleiben. fremde menschen gehen in seinen bildern herum. mir tut alles weh. seine verfügung die er hinterlassen, ist so allgemein gehalten, dass ich noch abwarten muss. gott sei dank, ist mein bruder hier, dass ich nicht allein im haus bin. wir sind in den letzten jahren in eine furchtbare vereinsamung geraten, die natürlich durch sein körperliches befinden bedingt war. vor mir liegt ein grosses dunkel. vielleicht darf ich im lauf des winters einmal zu ihnen nach mellingstadt kommen. ich grüsse sie und die ihren herzlich. in grossem leid ihre erna kirchner brief vom 9.7.1938 von erna an luise schiefler an der eröffnung der gedächtnisausstellung e. l. kirchner in da vos ist es erna unmöglich teilzunehmen. sie schliesst das haus und fährt für einige tage in das kurhaus sennrüti nach degersheim. kornfeld s.327 erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1940 räumt erna kirchners atelierzimmer aus und richtet darin ein zimmer für gäste ein, aber es kommt kaum jemand für längere zeit. ernas bruder kurt stirbt in berlin an einer tuberkulösen erkrankung, damit hat sie ihren letzten bluts v erwandten verloren. kornfeld s.328 1941 "nun sitze ich bereits drei jahre allein auf dem wildboden, und keine aussicht, das je ändern zu können...." brief vom 29.6.1941 von erna an hentzens 1942 "ein glück für mich, dass es immer wieder einige leute gibt, die sich für meine bilder interessieren. so hat mein leben doch noch einen sinn. merkwürdigerweise sind es immer junge leute, denen gerade die bilder zwischen dreissig und fünfunddreissig, die sogenannte abstrakte periode von kirchner, den grössten eindruck machen." brief vom 1.4.1942 von erna an hentzens erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann 1943 lise guyer übernimmt einen grossen teil des mobiliars aus dem wildbodenhaus. erna benützt die gelegenheit, um sich neu einzurichten. erna trennt sich von mehreren skizzenbüchern, vom tagebuch, von kleinen zeichnungen und von einer reihe persönlicher dokumente und briefe. die grenzen zu deutschland sind geschlossen. erna lebt allein auf dem wildboden. viele helfen ihr mit gelegentlichen käufen über die schlimmsten kriegsjahre hinweg. sie harrt auf dem wildboden aus, betreut von mehreren freunden und bekannten, vor allem von lise guyer und walter kern. 1945 erna erlebt das kriegsende, im sommer erkrankt sie ernstlich. als sich ihr zustand verschlechtert, wird sie am 15. september in das da voser krankenhaus eingeliefert, wo ihr leben am 4. oktober zu ende geht. der totenschein ist auf "frau erna kirchner" ausgestellt, als zivilstand steht "verwitwet". erna wird neben ernst ludwig kirchner auf dem waldfriedhof zur letzten ruhe gebettet. erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann quellen lise guyer, wirkereien nach ent würfen von e.l. kirchner, verlag kornfeld und co. 1974 ernst ludwig kirchner, nachzeichnung seines lebens, eberhard w. kornfeld, bern 1979 ernst ludwig kirchner, nationalgalerie berlin, katalog 1979 ernst ludwig kirchner und seine schüler, bündner kunstmuseum chur 1980 ernst ludwig kirchner, leben und werk, henze anton, belser stuttgart 1980 ernst ludwig kirchner, brief wechsel mit einem jungen ehepaar, elfriede dümmler und hansgeorg knoblauch, gertrud knoblauch, bern 1989 ernst ludwig kirchner, die lebensdaten, kirchner museum davos 1992 ernst ludwig kirchner, der tanz, kirchner museum davos 1992 ernst ludwig kirchner, kirchner museum davos, katalog der sammlung 1992 ernst ludwig kirchner, selbstbildnisse, kirchner museum davos 1997 lothar griesebach, ernst ludwig kirchners davoser tagebuch, verlag gerd hatje 1997 ernst ludwig kirchner, seine frauen, seine modelle, seine bilder, gerd presler, prestel 1998 die pracht der farben, kurzführer, kirchner museum davos 1999 eberhard w. kornfeld, textilarbeiten nach entwürfen von e.l. kirchner der davoser jahre, verlag galerie kornfeld 1999 das unge wohnte neue, brief wechsel ernst ludwig kirchner und georg reinhart, scheidegger & spiess, zürich 2002 erna, die frau an seiner seite zusammengestellt für kuverum2, 22.2.02, überarbeitet dez. 03, barbara redmann