Schwerpunktheft: Aortenisthmusstenose

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Schwerpunktheft: Aortenisthmusstenose
Band 04 ⁄ Februar 2016
jahf
Journal für angeborene Herzfehler
Schwerpunktheft: Aortenisthmusstenose
Deutsches Herzzentrum München
des Freistaates Bayern
Klinik an der Technischen Universität München
Inhalt
Vorwort
3
Peter Ewert · Harald Kaemmerer
Aortenisthmusstenose: Anatomie, Epidemiologie,
genetische Aspekte, unbehandelter Verlauf
4
Alfred Hager · Heide Seidel
Pathophysiologie und Klinik der Aortenisthmusstenose (CoA)
8
Jochen Weil · Harald Kaemmerer
2D- und Doppler-Echokardiographie bei Patienten mit
Aortenisthmusstenose (CoA)
14
Michael Hauser · Andreas Kühn · Renate Oberhoffer
Chirurgische Therapie der Aortenisthmusstenose
20
Elisabeth Beran · Jelena Kasnar-Samprec · Julie Cleuziou · Christian Schreiber · Rüdiger Lange
Invasive Diagnostik und Behandlung der
Aortenisthmusstenose (CoA)
26
Andreas Eicken · Peter Ewert
Die Aortenisthmusstenose im Erwachsenenalter
31
Harald Kaemmerer · András Szatmari · Claudia Pujol · Ekatherina Kusmenkov · Alexey Trepakov
Nicole Nagdyman
Die ambulante Blutdruck-Langzeitmessung:
Diagnostik und Therapiesteuerung
40
Martin Middeke
I-SWOT: Ein Instrument zur Individualisierung medizinischer
Entscheidungen
46
Yskert von Kodolitsch · Arnim Sachweh · Alexander M. Bernhardt · Tilo Kölbel
Hermann Reichenspurner · Christian Detter · Sebastian Debus
Impressum
52
Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
Prof. Dr. med. Peter Ewert
Prof. Dr. Dr. Harald Kaemmerer
in der vorliegenden Ausgabe des Journals für angeborene
Herzfehler haben wir die „Aortenisthmusstenose“ (CoA)
zum Hauptthema gemacht. Sämtliche Artikel hierzu wurden
von Mitarbeitern unseres Hauses erstellt, denen wir für
geleistete „Zusatzarbeit“ herzlich danken.
Ziel des Heftes ist es, dem interessierten Leser zu verdeutlichen, dass es sich bei der CoA nicht um einen simplen
Herzfehler handelt, sondern um eine komplexe Erkrankung,
die das gesamte arterielle Gefäßsystem sowie das Myocard
betreffen kann. Wir hoffen, dass es uns dabei gelungen ist,
auch für Nicht-Spezialisten verständliche Informationen
zu geben, die für die klinische Versorgung der betroffenen
Patienten von praktischem Nutzen sind.
Als Kontrastprogramm haben wir den Artikel von Prof. Yskert
von Kodolitsch, Universitäres Herzzentrum Hamburg,
„I-SWOT: Ein Instrument zur Individualisierung medizinischer Entscheidungen“ über strategisches Denken in
der Medizin aufgenommen. Hier werden Denkanstöße
gegeben, die vielleicht auch für eine optimierte Versorgung
von Patienten mit angeborenen Herzfehlern oder mit
pulmonaler Hypertonie hilfreich sein können.
Gerne richten wir auch künftig unsere „JAHF“ auch nach
Ihren Wünschen und Vorstellungen aus und sind Ihnen
für Anregungen, Themen- oder Verbesserungsvorschläge
sowie einen kollegialen Dialog dankbar.
Wir verbleiben mit kollegialen Grüßen
Wir danken der Firma Actelion, die uns die Herausgabe
dieses Heftes wieder ermöglicht hat, ganz besonders auch
deshalb, weil das aktuell behandelte Thema mit der pulmonalen Hypertonie nur in den seltenen Fällen zu tun hat,
bei denen es durch die Linksherzbelastung zu einer pulmonalen Hypertonie (Klasse 2.4, “Congenital /acquired left
heart inflow/outflow tract obstruction” der Nizza-Klassifikation) gekommen ist.
Prof. Dr. med. Peter Ewert
Prof. Dr. Dr. Harald Kaemmerer
3
Aortenisthmusstenose: Anatomie, Epidemiologie,
genetische Aspekte, unbehandelter Verlauf
Alfred Hager
Klinik für Kinderkardiologie und
angeborene Herzfehler
Deutsches Herzzentrum München
Heide Seidel
Humangenetische Sprechstunde in der Ambulanz
der Klinik für Kinderkardiologie
und angeborene Herzfehler Deutsches Herzzentrum
München und Institut für Humangenetik,
Technische Universität München
Was ist wichtig?
Anatomie
Die Aortenisthmusstenose ist als eine Verengung
am Ende des Aortenbogens nach Abgang der Arteria
subclavia gegenüber dem Ansatz des Ligamentum
arteriosum (ehemaliger Duktus arteriosus) definiert.
Sie geht jedoch mit weiteren histologischen und funktionellen Veränderungen in allen elastischen Arterien
einher und ist zusätzlich oft mit anderen Fehlbildungen
insbesondere am linken Herzen oder im systemarteriellen Stromgebiet verbunden. Gelegentlich ist sie mit
Syndromen verknüpft (z.B. Ullrich-Turner-Syndrom,
Williams-Beuren-Syndrom).
Die Aortenisthmusstenose (CoA, engl. coarctation of the
aorta) ist eine Verengung am Ende des Aortenbogens
nach Abgang der Arteria subclavia gegenüber dem Ansatz
des Ligamentum arteriosum, bzw. gegenüber dem Duktus
arteriosus. Embryologisch entsteht sie, wenn in der
6. Schwangerschaftswoche die linke 6. Kiemenbogenarterie
Anschluss an die linke dorsale Aorta erhält. Diese linke
dorsale Aorta obliteriert über der Mündung der 4. Kiemenbogenarterie (Aortenbogen), wird zwischen der 4. und
6. Kiemenbogenarterie zum Aortenisthmus und unterhalb
der 6. Kiemenbogenarterie (Duktus arteriosus) zur Aorta
descendens (Abb. 1). Die Arteria subclavia wiederum
entsteht aus der 7. Intersegmentalarterie. Sie schiebt sich
schon vor Entstehung des 6. Kiemenbogens lateral hoch
und entspringt der Aorta zwischen der 4. und 6. Kiemenbogenarterie (Abb. 1). (1)
Unbehandelt haben die Patienten eine deutlich verringerte Lebenserwartung, häufigste Todesursachen sind
die Herzinsuffizienz, eine koronare Herzerkrankung,
Aortenrupturen, Schlaganfälle oder Endokarditiden.
4
Über die Entstehung einer Aortenisthmusstenose gibt
es mehrere Theorien:
1. Versprengtes Duktusgewebe: Diese Theorie besagt,
dass Gewebe aus der 6. Kiemenbogenarterie beim
Andocken an die dorsale Aorta in diese versprengt wird.
Nach der Geburt kontrahiert sich mit dem Duktus arteriosus auch das Duktusgewebe im Aortenisthmus und eine
Stenose entsteht. Gestützt wird diese Theorie von histologischen Untersuchungen, die das versprengte Duktusgewebe gegenüber der Insertionsstelle des Duktus in
der Aorta nachweisen. Ferner hat sich klinisch gezeigt,
3. Genetik: Eine weitere Theorie geht von einer genetischen
Ursache aus. Sie wird durch die Tatsache gestützt, dass
histologische Wandveränderungen auch weit entfernt
vom Aortenisthmus gefunden werden, die die Elastizität
der Aorta einschränken und Aneurysmen z. B. in der
Aorta ascendens oder im Circulus arteriosus cerebri
(Willisii) fördern. Ferner sind Familien beschrieben, in
denen überhäufig Aortenisthmusstenosen, bikuspide
Aortenklappen, Aortenaneurysmata oder hypoplastische
Linksherzsyndrome vorliegen. Hierfür scheinen Mutationen am NOTCH1-Gen mitverantwortlich zu sein (siehe
Genetik). (2)
Abb. 1: Entwicklung des Aortenbogens
(nach Sadler, TW. Langman's Medical Embryology 8th edition.
Philadelphia: Lippincott Williams & Wilkins, 2000: 239–243)
dass Prostaglandin E, das primär zur Erweiterung des
Duktus arteriosus bei duktusabhängigen Herzfehlern
eingesetzt wird, im Neugeborenenalter auch die Stenose
erweitert.
2. Verminderter Blutfluss: Eine zweite Theorie führt die
Entstehung einer CoA auf einen verminderten oder zumindest veränderten embryonalen und fötalen Blutfluss
über den Aortenbogen zurück. Dieser auffällige Blutfluss
vermindert nach Abgang der Kopf- und Armarterien den
Fluss über den Aortenisthmus, so dass sich dieser nicht
ausreichend entwickelt und am Ende hypoplastisch ist.
Die Aorta descendens wird übrigens auch beim gesunden
Föten im Wesentlichen über den Duktus gespeist, um
das sauerstoffarme Blut zu den Iliakalgefäßen und
schließlich in die Nabelarterien zu leiten. Gestützt wird
diese Theorie von der Tatsache, dass die CoA sehr häufig
mit Fehlbildungen des linken Herzens (Aortenklappenstenose, bikuspide Aortenklappe, Subaortenstenose,
hypoplastisches Linksherzsyndrom) vergesellschaftet
ist, die den Fluss in der Aorta ascendens verändern.
Ferner zeigt sich typischerweise bei der CoA eine Verlängerung des distalen transversen Aortenbogens zwischen
der Abgängen der linken Arteria carotis communis und
der linken Arteria subclavia. Der Aortenbogen ist dann
häufig selbst in diesem Abschnitt hypoplastisch und eng.
Es gibt mehrere Einteilungen in der Nomenklatur von
Aortenisthmusstenosen. Anhand von Begleitherzfehlern
kann die CoA in drei Gruppen eingeteilt werden:
1. Die isolierte Aortenisthmusstenose umfasst Stenosen,
bei denen, außer einem Duktus arteriosus, keine weiteren relevanten Herzfehler vorliegen. Bei detaillierten
Betrachtung fällt aber auch in dieser Gruppe ein hohen
Anteil von bikuspiden Aortenklappen, Subaortenstenosen, Parachute-Mitralklappen, verlängerten distalen
Aortenbögen und Aneurysmata der Aorta ascendens
und der Cerebralarterien auf.
2. Bei der Aortenisthmusstenose mit Ventrikelseptumdefekt
liegt ein nach posterior verlagertes Outlet-Septum mit
Malalignment-Ventrikelseptumdefekt, überreitender
Pulmonalarterie, Subaortenstenose und offenem Duktus
arteriosus vor.
3. Eine komplexe Aortenisthmusstenose kann in Verbindung mit vielen Herzfehlern auftreten. Hierzu gehören vor
allem Linksherzobstruktionen (hochgradige Aortenstenose, Subaortenstenose, Mitralstenose, Shone-Komplex,
hypoplastisches Linksherzsyndrom), aber auch der doppelte Auslass des rechten Ventrikels mit Transposition
der großen Arterien und Aortenstenose (Taussig-Bing-
5
Komplex) oder der doppelte Einlass des linken Ventrikel
mit Transposition der großen Arterien aus einer hypoplastischen rechtsventrikulären Auslasskammer.
Anatomisch wurde früher die Aortenisthmusstenose in
drei Formen eingeteilt:
1. Die präduktale oder infantile Aortenisthmusstenose
mit Stenose vor Mündung des offen bleibenden Duktus
arteriosus. Sie wird schon im Säuglingsalter symptomatisch. Man findet klinisch eine Differentialzyanose mit
guten arteriellen Sauerstoff-Sättigungswerten in der
oberen Extremität (insbesondere rechter Arm und Kopf)
und einer deutliche Zyanose an den unteren Extremitäten.
lieren. Alle Faktoren zusammengenommen, dürfte die Prävalenz der CoA ca. das Doppelte der oben angegebenen
deutschen Studie sein, was sich mit Zahlen aus Tschechien
deckt. (4) Die Geschlechterverteilung liegt bei 1,5–2:1 zugunsten des männlichen Geschlechtes.
Genetische Aspekte
Bei den meisten Patienten mit CoA ist keine familiäre
Häufung zu erkennen. In großen epidemiologischen Studien zeigten sich jedoch vereinzelte Familien, in denen
gehäuft eine kongenitale Aortenklappenstenose, eine
bikuspide Aortenklappe, eine CoA und/oder ein hypoplastisches Linksherzsyndrom auftraten.
2. Die juxtaduktale Aortenistmusstenose als Intermediärform.
3. Die postduktale oder juvenile Aortenisthmusstenose mit
Enge am Beginn der deszendierenden Aorta. Sie wird häufig
erst im höherem Alter, durch die damit verbundene arterielle Hypertonie bei einer Blutdruckmessung erkannt.
Heute bezeichnet man alle Aortenisthmusstenosen als
juxtaduktal, da das stenosierende Gewebe immer gegenüber vom Duktus / Ligamentum arteriosum liegt. Offen
ist jedoch, ob die manchmal erst im Jugendalter erkannte
Aortenisthmusstenose im Kindesalter langsam entstanden
ist, oder ob sie wegen der schwierigen und daher meist
nicht durchgeführten Blutdruckmessung erst so spät
diagnostiziert wurde.
Der englische Begriff „coarctation of the aorta“ umfasst
gelegentlich als atypische Coarctation auch Stenosen außerhalb des Isthmus. Üblicherweise werden aber aortale
Stenosen außerhalb der Isthmusregion als supravalvuläre
Aortenstenose (Aorta ascendens), Aortenbogenstenosen
(proximaler oder distaler transverser Aortenbogen) oder
„midaortic syndrome“ (Aorta descendens) bezeichnet.
Genetisch konnte bei einigen dieser Patienten Mutationen
im NOTCH1-Gen (2), im GATA5-Gen und an mehreren anderen Genloci nachgewiesen werden. (5) Bei der Vererbung
wird daher selbst bei familiären Fällen von einer polygenen
Vererbung oder monogenen Vererbung mit geringer Penetranz ausgegangen.
Gelegentlich tritt die CoA auch in genetischen Syndromen auf:
– Monosomie X (Ullrich-Turner-Syndrom): ca. 7–15% aller
Kinder mit Monosomie X haben eine CoA, (6) ca. 5 %
aller Mädchen mit CoA haben eine Monosomie X. (7)
– Williams-Beuren-Syndrom: ca. 2–10% aller Patienten
mit Williams-Beuren-Syndrom haben eine CoA , (8) nur
sehr wenige Patienten mit CoA haben ein William-BeurenSyndrom.
– Noonan-Syndrom: nur ca. 3 % aller Noonan-Patienten
haben eine CoA (9)
– Sonstige (z. B. Kabuki-Syndrom, Alagille-Syndrom, …)
Im Gegensatz zum unterbrochenen Aortenbogen Typ B ist
die CoA nur selten mit einem 22q11-Mikrodeletionssyndrom
assoziiert.
Epidemiologie
Unbehandelter Verlauf
Die Aortenisthmusstenose wird in Deutschland bei ca. 3,6 %
aller Säuglinge mit angeborenen Herzfehlern bzw. bei 3,9
Säuglingen / 10.000 Lebendgeborene diagnostiziert. (3)
In dieser Statistik wurden jedoch die komplexen Isthmusstenosen unter dem Hauptherzfehler eingruppiert und nur
Diagnosen aus dem ersten Lebensjahr berücksichtigt. Die
Eingruppierung in isolierte CoA, CoA mit Ventrikelseptumdefekt und komplexe CoA wird in chirurgischen Zusammenstellungen in etwa mit 1:1:1 angegeben. Über die Höhe der
im Säuglingsalter unentdeckten CoA lässt sich nur speku-
Eine unerkannte, kritische CoA führt nach der Geburt, wenn
sich der Duktus verschließt, zum Kreislaufversagen bei
unzureichender Perfusion der kaudalen Körperhälfte und
damit häufig rasch zum Tode. Daher wird bei allen Säuglingen (nicht nur zur Entdeckung dieses kritischen Herzfehlers) ein Pulsoxymetriescreening an allen 4 Extremitäten
empfohlen. Eine niedrigere Sättigung an den Beinen sollte
eine rasche kinderkardiologische Untersuchung nach sich
ziehen.
6
retrograd zurück zur deszendierenden thorakalen Aorta
(siehe Abb. 2). Ein weiterer häufiger Umgehungskreislauf
geht von der A. thoracica interna oder A. thoracica lateralis
über epigastrische Arterien zur Arteria femoralis. Diese
Kollateralen verhindern in Ruhe einen Gradienten über
40 mmHg. Unter Belastung kann der Gradient aber viel
höher ansteigen und eine massive Belastungshypertonie
auslösen.
Wird diese arterielle Hypertonie nicht erkannt und ursächlich behandelt, können Folgeerkrankungen der Hypertonie
entstehen, z.B. eine koronare Herzerkrankung und Schlaganfälle, aber auch Aneurysmata, insbesondere in der Aorta
ascendens. In einer großen, 1970 publizierten Studie über
den natürlichen Verlauf einer CoA, wurde eine reduzierte
mittlere Lebenserwartung von 34 Jahren (bei damals
71 Jahren in der Allgemeinbevölkerung) angegeben. (12)
Als Todesursache wurden in der 2. und 3. Lebensdekade
die Aortenruptur und intrakranielle Blutungen genannt.
In der 3.–5. Dekade überwiegt die Herzinsuffizienz, während eine Endokarditis zu jeder Zeit auftreten kann.
Literatur
Abb. 2: Aortenisthmusstenose mit Kollateralkreislauf (nach Brickner et al. [11])
Liegt eine (nicht-kritische) CoA vor, bildet sich über der
Enge ein Druckunterschied (Gradient). Dieser Druckunterschied kann nicht-invasiv als Differenz zwischen rechtem
Oberarm und Knöchel gemessen werden (wenn keine periphere Verschlusskrankheit diesen Druckunterschied in die
Höhe treibt).
Die Durchblutung der kaudalen Körperhälfte ist im Regelfall
nicht gefährdet, da der bedeutende Regulationsmechanismus des Blutdruckes das Renin-Angiotension-System ist.
Es reagiert sehr sensibel auf eine unzureichende Nierendurchblutung und reguliert über Renin und Angiotensin den
Blutdruck hoch. Über diesen Mechanismus wird ein ausreichender Blutdruck in der kaudalen Körperhälfte sichergestellt. Vor der Stenose (Koronarien, rechter Arm, Carotisgefäße) entsteht allerdings eine arterielle Hypertonie. (10)
Diese arterielle Hypertonie reagiert häufig unzureichend
auf eine medikamentöse Therapie. Die Therapie einer CoA
ist daher die Beseitigung der Stenose mit Erhalt der Compliance der Aorta.
Besteht ein Druckgradient über eine CoA über Jahre unerkannt, entwickelt sich ein Kollateralkreislauf. Am häufigsten findet das Blut von den oberen Arteriae subclaviae über
die Arteriae thoracica interna und Intercostalarterien dann
1. www.embryologie.ch, aufgerufen am 14.9.2015
2. McBride KL, Riley MF, Zender GA, et al. NOTCH1 mutations in individuals
with left ventricular outflow tract malformations reduce ligand-induced
signaling. Hum Mol Genet 2008; 17: 2886–93.
3. Lindinger A, Schwedler G, Hense HW. Prevalence of congenital heart defects in newborns in Germany: Results of the first registration year of
the PAN Study (July 2006 to June 2007). Klin Padiatr 2010; 222: 321–6.
4. Samanek M, Voriskova M. Congenital heart disease among 815, 569
children born between 1980 and 1990 and their 15-year survival: a prospective Bohemia survival study. Pediatr Cardiol 1999; 20: 411–7.
5. Bonachea EM, Zender G, White P, et al. Use of a targeted, combinatorial
next-generation sequencing approach for the study of bicuspid aortic
valve. BMC Med Genomics 2014; 7: 56.
6. Bondy C, Bakalov VK, Cheng C, Olivieri L, Rosing DR, Arai AE. Bicuspid
aortic valve and aortic coarctation are linked to deletion of the X chromosome short arm in Turner syndrome. J Med Genet 2013; 50: 662–5.
7. Wong SC, Burgess T, Cheung M, Zacharin M. The prevalence of turner
syndrome in girls presenting with coarctation of the aorta. J Pediatr
2014; 164: 259–63.
8. Del Pasqua A, Rinelli G, Toscano A, et al. New findings concerning cardiovascular manifestations emerging from long-term follow-up of 150
patients with the Williams-Beuren-Beuren syndrome. Cardiol Young
2009; 19: 563–7.
9. Hickey EJ, Mehta R, Elmi M, et al. Survival implications: hypertrophic
cardiomyopathy in Noonan syndrome. Congenit Heart Dis 2011; 6: 41–7.
10. Hager A. Hypertension in aortic coarctation. Minerva Cardioangiol
2009; 57: 733–42.
11. Brickner ME, Hillis LD, Lange RA. Congenital heart disease in adults.
First of two parts. N Engl J Med 2000; 342: 256–63.
11. Campbell M. Natural history of coarctation of the aorta. Br Heart J 1970;
32: 633–40.
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Pathophysiologie und Klinik der Aortenisthmusstenose (CoA)
Jochen Weil
Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler
UKE Uniklinikum Hamburg-Eppendorf
Harald Kaemmerer
Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler
Deutsches Herzzentrum München
Was ist wichtig?
Pathophysiologie
Durch die Enge im distalen Aortenbogen kommt es zu einer Druckbelastung
des linken Ventrikels und zu einem arteriellen Hypertonus in den prästenotischen arteriellen Gefäßen (Arm-, Kopf-/Hals-, Koronargefäße) mit möglicherweise frühzeitigen arteriosklerotischen Gefäßwandveränderungen.
• Typische Symptome sind Kopfschmerzen, Nasenbluten, Krämpfe/Schmerzen
im Bauch und in den Beinen, selten ein zerebraler Insult.
• Abgeschwächte oder nicht tastbare Pulse an den unteren Extremitäten
stellen den wegweisenden Befund dar.
• Auskultatorisch kann ein Gefäßgeräusch am Rücken zwischen den
Schulterblättern zu hören sein.
• Unabdingbar für die Diagnose ist eine Blutdruckmessung an ALLEN Extremitäten. Eine Blutdruckdifferenz zwischen oberen und unteren Extremitäten > 20mmHg spricht für eine Aortenisthmusstenose (CoA)
• Eine Sonderform stellt die kritische CoA des Neugeborenen dar, welche eine
ductus- abhängige Systemperfusion aufweist. Bei Verschluss des offenen
Ductus arteriosus kommt es zu einem lebensbedrohlichen Schockzustand.
Eine sofortige palliative medikamentöse Behandlung mit Prostaglandin zur
Wiedereröffnung des Ductus ist lebensrettend.
Die Verengung im distalen Aortenbogen führt zu einer Erhöhung der
Nachlast des linken Ventrikels (LV).
Entsprechend des Schweregrades der
Stenose findet man eine leichte bis
schwerwiegende Belastung des linken
Herzens. Die klinische Ausprägung ist
abhängig vom Schweregrad der CoA
und vom Lebensalter des Patienten (1)
8
Aortenisthmusstenose
in der Fetalzeit
Beim Feten ist die Hämodynamik durch
die CoA kaum beeinträchtigt, da in der
fetalen Zirkulation nur 10% des Herzzeitvolumens (HZV) antegrad über den
Aortenbogen fließt.
Abb. 1: Schematische Darstellung einer kritischen Aortenistmusstenose beim Neugeborenen. Durch die hochgradige Stenose am
distalen Aortenbogen ist die Perfusion der unteren Körperhälfte
nur über den Fluss von desoxygeniertem Blut über den offenen
Ductus arteriosus (rechts-links Shunt) aufrecht erhalten.
Quelle: http://www.kinderherzzentrum-kiel.de/
herzfibel1/html/isthmusstenose.html
Nach der Geburt kommt es zu einem Verschluss des Foramen ovale und des offenen Ductus arteriosus (PDA), sodass
das gesamte HZV über den Aortenbogen fließen muss. In
Abhängigkeit vom Schweregrad der Stenose kann es postnatal zu einer lebensbedrohlichen Verringerung der systemischen Perfusion kommen (kritische Aortenisthmusstenose des Neugeborenen).
Kritische Aortenisthmusstenose des Neugeborenen
Die kritische CoA im Neugeborenenalter stellt einen lebensbedrohlichen Zustand dar (2).
Bei dieser Form der CoA ist die arterielle Perfusion der unteren Körperhälfte nur durch den Fluss über den offenen
Ductus arteriosus gesichert. Es handelt sich um eine sogenannte Ductus-abhängige Zirkulation. Der rechte Ventrikel
pumpt über den PDA desoxygeniertes Blut in die deszendierende Aorta (rechts-links Shunt auf Ductusebene), was
zu einer messbaren Verringerung der Sauerstoffsättigung in
den unteren Extremitäten führt (Abb.1)
Nach Verschluss des PDA wird die untere Körperhälfte vermindert oder nicht mehr perfundiert. Durch die plötzliche
Erhöhung der Nachlast des LV kommt es zur Herzinsuffi-
zienz durch die linksventrikuläre Dysfunktion und zum
Schock mit sekundärem Organversagen mit Nieren- und
Leberinsuffizienz sowie nekrotisierender Enterokolitis (2).
Nicht kritische Aortenisthmusstenose
Bei dieser Form der CoA wird die untere Körperhälfte nach
Verschluss des PDA antegrad perfundiert. Durch die Stenose kommt es zu einem arteriellen Hypertonus in den
prästenotischen Gefäßen der oberen Körperhälfte und zu
erniedrigten Blutdruckwerten in den unteren Extremitäten.
Der arterielle Hypertonus führt zu einer Hypertrophie des
linksventrikulären Myokards und im Erwachsenalter in den
praestenotischen Gefäßen zu einem vorzeitigen arteriosklerotischen Umbau.
Leitbefunde und Klinik
Der wegweisende Befund für die Diagnose einer CoA sind
abgeschwächte oder nicht tastbare Pulse an der unteren
Extremität (A. femoralis, A. tibialis posterior oder A. dorsalis pedis). Unverzichtbar für die Diagnosestellung ist eine
Blutdruckmessung an ALLEN Extremitäten. Bei der Blutdruck-
9
messung findet man höhere systolische Werte in den Armen
als in den Beinen (Blutdruck-Gradient). Bei Jugendlichen
und Erwachsenen kann trotz hochgradiger Stenosierung der
Blutdruckgradient zwischen oberer und unterer Extremität
gering oder nicht nachweisbar sein, wenn ein ausgeprägter
Umgehungskreislauf durch arterielle Kollateralen besteht.
Liegt ein Fehlabgang der rechten Arteria subclavia aus der
deszendierenden Aorta (A. lusoria) vor, so kann der Blutdruck am rechten Arm sowie an den Beinen erniedrigt sein
(Abb. 2). Ist der Abgang der linken A. subclavia in die Stenose
einbezogen, so ist der Blutdruck am linken Arm niedriger
als am rechten Arm.
alzyanose mit normalen Sauerstoffsättigung in den präductalen Gefässen (Arm) und eine verminderte Sättigung
in den postductalen Gefäßen (Bein). Verschließt sich der
Ductus arteriosus, so kommen diese Neugeborenen in
einen lebensbedrohlichen Zustand. Die Pulse an der unteren Extremität sind dann kaum oder nicht mehr zu tasten.
Abb. 2: Schematische Darstellung des Aortenbogen mit Halsgefäßen.
Die rechte A.subclavia (RSA) entspringt anormal, distal der linken A.
sublavia, und überkreuzt die Wirbelsäule posterior des Ösophagus
(Arteria lusoria). Bei einer Aortenisthmusstenose kann der Abgang dieser
aberrierenden A. subclavia mit in die Stenose des distalen Aortenbogens
einbezogen werden, so dass niedrigere Blutdruckwerte am rechten,
als am linken Arm gemessen werden
Quelle: http://fce-study.netdna-ssl.com/2/images/
upload-flashcards/76/43/70/3764370_m.gif
Abb.3: Schematische Darstellung von Umgehungskreisläufen durch
Kollateralen bei Patienten mit einer hochgradigen Aortenisthmusstenose
(nach (4): Edwards JE, Brooks S. Edwards: Jesse E. Edwards' Synopsis
of Congenital Heart Disease. Futura Pub Co Inc, 2000, ISBN-10:
0879934530, ISBN-13: 978-0879934538
Klinik bei Neugeborenen mit kritischer CoA
Ist der Ductus arteriosus noch weit offen, so sind die Pulse
an der unteren Extremität gut tastbar. Wegweisender Befund zur Diagnose einer ductusabhängigen Perfusion der
unteren Körperhälfte stellt eine perkutan gemessene Sauerstoffsättigung < 95 % an den Beinen dar. Durch den rechtslinks Shunt auf Ductusebene kommt es zu einer Differenzi-
10
Es entwickelt sich eine Herzinsuffizienz durch den versagenden linken Ventrikel mit den typischen Befunden
Tachypnoe, Lebervergrößerung und kühlen Extremitäten.
Ein Herzgeräusch ist meistens nicht zu auskultieren. Wird
nicht umgehend eine Behandlung eingeleitet, z. B. eine
palliative medikamentöse Eröffnung des Ductus arteriosus
durch Prostaglandin, so geraten die Neugeborenen in
einen Schock und in ein sekundäres Organversagen.
Klinik bei jungen Patienten jenseits
der Neugeboren/Säuglingsperiode
Bei Klein- und Schulkindern sowie Adoleszenten sind typische Symptome der CoA Kopfschmerzen und Nasenbluten,
die durch den arteriellen Hypertonus in der oberen Körperhälfte hervorgerufen werden. Durch die Minderdurchblutung der unteren Extremität kann es zu Bauchschmerzen,
Wadenschmerzen und zur Claudicatio intermittens bei
Belastung kommen. Ein zerebraler Insult kann im Jugendlichen- oder Erwachsenenalter manchmal die erste Symptomatik darstellen. Liegt ein genügend großer Umgehungskreislauf durch viele arteriellen Kollateralen vor, so ist es
möglich, dass eine CoA über viele Jahre keine Symptome
verursacht (Abb. 3). Palpatorisch kann man bei älteren
Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen einen hebenden
linken Ventrikel und eventuell ein Schwirren im Jugulum
finden. Sehr selten ist bei ausgeprägter Kollateralisierung
auch ein Schwirren interkostal zu tasten. Bei der Auskultation ist ein spätsystolisches Geräusch mit punctum maximum
infraclaviclär sowie zwischen den Schulterblättern am Rücken
typisch. Die Auskultation am Rücken ist zwingend notwendig. Ist ein systolisch-diastolisches Geräusch am Rücken zu
auskultieren, so stellt dies ein Hinweis für einen Umgehungskreislauf durch eine ausgeprägte arterielle Kollateralisierung dar. Bei einer Stenosierung in der abdominalen
Aorta ist ein Systolikum über dem Bauchraum zu hören.
Aortenistmustenose im Erwachsenalter
Die Befunde im Erwachsenenalter ähneln denen der Kinder,
können sich aber durchaus von diesen unterscheiden (3).
Leitsymptome sind Kopfschmerzen, Nasenbluten, Schwindel, Tinnitus, Atemnot, Bauchschmerzen bei Belastung,
Krämpfe in den Beinen bei körperlicher Anstrengung, kalte
Füße, und sogar intrakranielle Blutungen.
Klinische Merkmale sind ein arterieller Hypertonus an
den oberen Extremitäten, eine Hypotonie an den unteren
Extremitäten, eine verzögerte Pulswellen-Laufgeschwindigkeit zwischen oberen und unteren Extremitäten sowie
ein am Brustkorb tastbarer Kollateralkreislauf (5, 6, 7).
Die klinische Diagnose basiert auf der Pulsbeurteilung
und gleichzeitigen Palpation des brachialen und femoralen
Pulses sowie der Blutdruckmessung an ALLEN Extremitäten.
Normalerweise ist der Blutdruck an den Beinen etwa
5–10 mmHg höher als an den Armen (4). Eine Blutdruckdifferenz von mehr als 20 mmHg zu Gunsten der Arme
kann Hinweis auf eine CoA sein.
Bei einer typischen CoA besteht an den Armen ein pulsus
magnus et durus. Die Femoralispulse sind kaum tastbar.
Bei gleichzeitiger höhergradigen Aorteninsuffizienz kann
auch der typische pulsus celer et altus dominieren.
Ein abgeschwächter Puls am linken Arm deutet auf einen
abnormen Abgang der linken A. subclavia unterhalb der
CoA hin oder eine Stenose dieses Gefäßes. Ein abgeschwächter Puls am rechten Arm ist Hinweis auf eine
Abgangsanomalie oder Stenose der rechten A. subclavia.
Weitere physikalische Befunde sind ein systolisches
Schwirren im Jugulum oder starke Pulsationen der Halsgefäße sowie ein verbreiterter und hebender Herzspitzenstoß.
Gelegentlich findet sich auch eine Temperaturdifferenz
zwischen den wärmeren oberen und kühlen unteren Extremitäten. Bei der Auskultation fallen systolische Geräusche
auf, die von der Stenose selbst, von Kollateralen oder den
supraaortalen Gefäßen hervorgerufen werden. Nicht selten
besteht ein Gefäßgeräusch zwischen den Schulterblättern,
das vom ersten Herzton abgesetzt ist und über den zweiten
Herzton hinaus anhalten kann. Dieses Geräusch ist auch
nicht selten im Bereich der vorderen Brustwand zu hören.
Bestehen Kollateralen, so können diese tastbar sein und
zusätzlich ein kontinuierliches Geräusch verursachen.
Weitere Tonphaenomene in Systole und/oder Diastole werden durch begleitende Anomalien oder eine atypische CoA
bestimmt. Hierzu gehört ein lauter Aortenklappenschluss
bei arterieller Hypertonie. Patienten mit einer bicuspiden
Aortenklappe oder einem Aortenaneurysma präsentieren
sich mit einem frühsystolischen Auswurfton. Bei stenosierter oder insuffizienter bicuspider Aortenklappe findet sich
zusätzlich über der Herzbasis das hierfür typische spindelförmige, systolische Austreibungsgeräusch mit Fortleitung
zu den Carotiden bzw. ein decrescendoförmiges, diastolisches Sofortgeräusch. Diastolische Geräusche finden sich
11
Abb. 4: „3-Zeichen“ oder „spiegelbildlich Epsilon-Zeichen“ der Aortenkonfiguration: Einkerbung der Aorta in Höhe der Stenose sowie prästenotische
Dilatation der A. ascendens und der linken Aortenbogengefäße
Quelle: http://www.imgneed.com/
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auch bei begleitender Parachute-Mitralklappe. Zu Änderungen der Lautstärke der Herztöne oder zum Auftreten
von systolischen oder diastolischen Extratönen kann es in
Abhängigkeit vom Blutdruck, vom kardialen Kompensationszustand oder vom Vorhandensein von Begleitanomalien
kommen.
Elektrokardiographie
Befunde im Jugend- und Erwachsenenalter
Die Elektrokardiographie liefert nicht selten Normalbefunde oder relativ Zeichen einer linksatrialen oder linksventrikulären Druckbelastung und Zeichen der linksventrikulären Ischämie oder Belastung. Viele Patienten haben eine
Rechtsverspätung (5, 6, 7). Gerade bei Erwachsenen fallen
immer wieder Erregungsrückbildungsstörungen in den Ableitungen II, III und aVF auf, die bei Belastung zunehmen
und an Perfusionsstörungen im Hinterwandbereich denken
lassen. Die Ursache hierfür ist nicht geklärt, könnte aber
12
Abb. 5: Durch Kollateralgefäße hervorgerufene Usuren
am Rippen-Unterrand
Quelle: http://www.imgneed.com/
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mit Größe und Abgang der Koronararterien zusammenhängen. Eigene Erfahrungen zeigen, dass diese Veränderungen
nur selten auf interventionsbedürftige Koronarstenosen
zurückzuführen sind. Betont werden sollte allerdings in
diesem Zusammenhang dennoch der Stellenwert der
Koronardiagnostik, da ältere Studien immer wieder auf die
Gefahr einer frühzeitigen koronaren Herzkrankheit hinweisen, insbes. bei Patienten mit koronaren Risikofaktoren
oder einem Alter über 40 Jahre. Ob diese Sorge gerechtfertigt ist, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Zumindest findet sich im eigenen Patientengut, das mehrere
hundert Erwachsene mit CoA umfasst, keine auffallende
Häufung einer stenosierenden koronaren Herzerkrankung.
Röntgenuntersuchung des Thorax
Befunde im Jugend- und Erwachsenenalter
Die Röntgenuntersuchung des Thorax zeigt in typischen
Fällen ein linksbetontes, aortenkonfiguriertes Herz, eine
Literatur
ektatische Aorta ascendens, ein Aorten-Kinking, eine Doppelkonturierung in der Region der absteigenden Aorta und
eine Verbreiterung des Weichteilschatten des linken Arteria
subclavia sinistra („3-Zeichen“ oder „spiegelbildlich Epsilon-Zeichen“ der Aortenkonfiguration [Abb. 4]) (5, 6, 7).
Pathognomonisch sind, gerade bei älteren Patienten, durch
Kollateralgefäße hervorgerufene Usuren am Unterrand der
3. und 4. (bis 10.) Rippe (Abb. 5).
Ergänzt wird die klinische Untersuchung durch moderne
bildgebende Verfahren, insbes. die Echokardiographie, die
Magnetresonanztomographie, die Computertomographie
und die Angiographie, inclusive Koronarangiographie. Aussagekraft und Stellenwert dieser Verfahren wird an anderer
Stelle dieses Bandes im Detail dargestellt.
1. Haas NA, Ewert P, Hager A, Schlensack C. Aortenisthmusstenose im
Kindes-und Jugendalter
Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinderkardiologie (DGPK)
http://www.awmf.org/leitlinien/angemeldete-leitlinien.html
http://www.kinderkardiologie.org/dgpkLeitlinien.shtml
2. Moss und Adams, Heart Diseases in Infants, Children and Adolescents.
8th ed., Lippincott Williams&Wilkins, 2013: 1044–1060.
3. Kaemmerer H. Aortenisthmusstenose. In: Schmaltz A.A.. Erwachsene
mit angeborenen Herzfehlern (EMAH), S2-Leitlinien der DGK, DGPK und
DGTHG zur Diagnostik und Therapie in Klinik und Praxis, Steinkopff
Verlag 2008: 104–110.
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Congenital Heart Disease. Futura Pub Co Inc, 2000
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Disease. 6th ed. Philadelphia: W. B. Saunders; 2012.
6. Kaemmerer H. Aortic Coarctation and Interrupted Aortic Arch. In: Gatzoulis M, EWebb G, Daubeney P, eds. Diagnosis and Management of
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7. Perloff JK, Child JS, Aboulhosn J, eds. Congenital heart disease in
adults. 3rd ed. Philadelphia: W. B. Saunders Company; 2008
13
2D- und Doppler-Echokardiographie bei Patienten mit
Aortenisthmusstenose (CoA)
Michael Hauser
Praxis für Kinderkardiologie,
München
Andreas Kühn
Klinik für Kinderkardiologie und
angeborene Herzfehler
Deutsches Herzzentrum München,
Technische Universität München
Renate Oberhoffer
Klinik für Kinderkardiologie und
angeborene Herzfehler
Deutsches Herzzentrum München,
Technische Universität München
Was ist wichtig?
Die Echokardiographie (mit 2-D-Bild, Farbdoppler und CW-Doppler) bei
Aortenisthmusstenose (CoA) beschreibt:
• Lokalisation, Durchmesser und hämodynamische Wirksamkeit der CoA
• Verlauf und Diameter der darstellbaren Anteile der Aorta ascendens, des
Aortenbogens, der supraaortalen Gefäße und der Aorta ascendens
• Lokalisation des Ductus Botalli (falls vorhanden), mit Richtung und Ausmaß
eines noch vorhandenen Flusses
• Begleitanomalien.
Die pränatale Ultraschalldiagnostik kann folgende Hinweise auf eine CoA geben:
• Im frühen Ultraschall verdickte Nackenfalte als Hinweis auf cardiale oder
chromosomale Anomalien (z.B. Assoziation CoA mit Turner Syndrom)
• Deutliche Rechtsherzdominanz mit Vergrößerung von rechtem Vorhof,
Ventrikel und Pulmonalarterie, oft auch schon im 2. Trimenon, als indirektes
Zeichen
• Kalibersprung im Bereich des Aortenisthmus – häufig schwierige Darstellbarkeit wegen Überlagerung bei großem Ductus arteriosus
• Begleithypoplasie des Aortenbogens bis hin zur retrograden Perfusion
• Begleitanomalien
14
Die Aortenisthmusstenose (CoA) stellt
in ihrer typischen Form eine aortale
Lumeneinengung unmittelbar distal
des Abgangs der linken A. subclavia
dar. In den meisten Fälle wird die
Obstruktion durch eine Einfaltung
der posterioren aortalen Media hervorgerufen. Diese Einengung liegt in der
Regel direkt gegenüber der ehemaligen
Einmündung des Ductus arteriosus
Botalli.
Auch wenn man heutzutage alle
Isthmusstenosen als juxtaductal
gelegen beschreibt, ist zum klinischen
Verständnis die alte Einteilung in
präductale (infantile) Form (häufig
ductusabhängig, oft assoziiert mit
weiteren kardialen Fehlbildungen)
und postductale Formen hilfreich.
Abb. 1)
Bicuspide Aortenklapppe
Ventrikelseptumdefekt
Offener Ductus arteriosus Botalli
Hypoplasie des Aortenbogens
Obstruktion der linksventrikuläre Einflussbahn
(z. B. fusionierte Chordae)
Obstruktion der linksvenrikulären Ausflussbahen
(z. B. Aortenstenose)
D-Transposition der großen Gefäße
A. lusoria
Atrio-ventrikulärer Septumdefekt
Doubel outlet right ventricle
Vorhofseptumdefekt
Pathologische Anordnung der
Papillarmuskel („parachute Mitralklappe“)
Nekrose der Papillarmuskel mit Mitralinsuffizienz
Turner Syndrom
Shone Komplex
Mikrodeletion 22q11.2
Aneurysmen des Circulus arteriosus cerebri
Tabelle 1: Assoziierte Fehlbildungen
Die CoA ist häufig mit kardio-vaskulären Fehlbildungen assoziiert oder Teil eines komplexeren Herzfehlers. Sie bestimmen den Verlauf der Erkrankung wesentlich mit und müssen
im Rahmen der echokardiographischen Untersuchung
mitdiagnostiziert werden (Tabelle 1).
Zu den häufigsten Begleitanomalien gehören bicuspide
Aortenklappen, subvalvuläre, valvuläre oder supravalvuläre
Aortenstenosen sowie Mitralklappenstenosen. Die CoA
kann auch Teil anderer komplexer angeborener Herzfehler
sein, z. B. Transposition der großen Arterien, Taussig-BingAnomalie, double-inlet left ventricle, Tricuspidalatresie mit
Transposition der großen Arterien oder hypoplastisches
Linksherzsyndrom.
Mit Hilfe der Echokardiographie kann die anatomische
Einengung der Aorta im 2D-Bild und eine erhöhte Flussgeschwindigkeit durch die Doppler-Untersuchung dargestellt
werden.
Die CoA lässt sich am besten im 2D-Bild in der rechts-parasternalen oder suprasternal-parasagittalen Schnittebene
bei Reklination des Kopfes darstellen (Abb. 2). Eine Darstellung gelingt auch von einer hohen links-parasternalen
Einstellung mit lateraler Angulation zur linken Schulter
(„Ductus-Schnitt“).
Von suprasternal werden die entsprechenden DopplerUntersuchungen zur Flussmessung durchgeführt.
Um den Spitzen-Druckgradienten abzuschätzen, kann die
Bernoulli-Gleichung eingesetzt werden.
Wenn die proximale Strömungsgeschwindigkeit in der
Aorta weniger als 1,5 m/s beträgt, kann die vereinfachte
Gleichung verwendet werden: (VP = 4 x Vmax2).
Ist die Strömungsgeschwindigkeit aber größer als 1,5 m/s,
muss die erweiterte Bernoulli-Gleichung Anwendung finden:
VP = 4 (V22 – V12).
(VP, Druckgradient der Stenose in mm Hg;
V1, Flussgeschwindigkeit (m/s) VOR der Stenose;
V2, Flussgeschwindigkeit (m/s) IN der Stenose).
Dabei gilt zu beachten:
• Falsch-negative Ergebnisse
– gut entwickelte Kollateralen können zur
Unterschätzung des Druckgradienten führen.
• Falsch-positive Ergebnisse
– eine leicht vermehrte Strömungsgeschwindigkeit
(1,5–2 m/s) kann in der absteigenden Aorta auch
OHNE Gefäßverengung vorliegen,
– Nach interventioneller oder operativer Behandlung
finden sich bei verminderter Aorten-Compliance
erhöhte systolische Strömungsgeschwindigkeiten.
15
Abb. 1: Prä-, juxta und postductale CoA
Abb. 2: Darstellung des Aortenbogens in der
suprasternal-parasagittalen Schnittebene
Vor einem interventionellen- oder operativen Eingriff
müssen nicht nur Lokalisation und Schweregrad der Einengung, sondern auch die Länge des engen Segments und
vor allem die Region gegenüber der Einmündung der linken
A. subclavia dargestellt werden (Abb. 3).
Die Stenose selbst kann umschrieben oder langstreckig
(tubulär) sein.
Gerade bei Neugeborenen und Säuglingen kommt häufig
eine Hypoplasie des transversen oder distalen Aortenbogens vor. Dabei ist die Distanz zwischen der linken
A. carotis communis und der linken A. subclavia verlängert.
Im Farb-Doppler tritt an der Stenose und distal davon ein
Aliasing auf (Abb. 4); die systolische Flussgeschwindigkeit
ist dabei erhöht. Im Falle eines engen Aortenbogens sind
auch erhöhte Flussgeschwindigkeiten proximal der Stenose
nachweisbar. Der systolische Druckgradient sollte aus
diesem Grund nur mit Hilfe der erweiterten Bernoulli Gleichung berechnet werden P1–P2 = 4(v22-v12).
Im Falle einer schweren Stenose ist über die Einengung
sowohl ein systolischer als auch ein diastolischer Gradient
messbar. Bei hoher systolischer Flussgeschwindigkeit ist
wegen des persistierenden Druckgradienten ein kontinuierlicher diastolischer Fluss nachweisbar. Dies zeigt sich in
dem typischen „Sägezahn-Muster“ der Doppler-Flusskurve
(diastolischer „run-off“) (Abb. 5).
16
Abb. 3: 2-D Darstellung des Aortenbogens mit KopfHalsgefäßen und Einengung im Isthmusbereich
Die Darstellung des kranialen Anteils der descendierenden
Aorta kann sehr schwierig sein. In solchen Fällen sind dann
indirekte Zeichen zur Einschätzung des Schweregrades
einer CoA hilfreich.
Die M-mode Untersuchung zeigt als indirekte Hinweise
auf eine Aortenisthmusstenose eine konzentrische Hypertrophie und Funktionseinschränkung des linken Ventrikels
durch die bestehende Druckbelastung.
Mit zunehmendem Patientenalter finden sich zudem
Hinweise auf eine diastolische Funktionsstörung.
In der abdominellen Aorta (subcostaler longitudinaler
Schnitt) zeigt die Dopplerflusskurve im Falle einer CoA
einen verzögerten Anstieg des systolischen Flusssignals mit
wenig Pulsatilität und kontinuierlichem diastolischem Vorwärtsfluss (Abb. 7 a)
(Normalbefund:
• pulsatiler Fluss mit steilem Anstieg des systolischen
Flusssignals [„short time to peak velocity“],
• negativer Fluss [„reversal flow“] in der frühen Diastole
und
• ein wenig ausgeprägter Vorwärtsfluss in der Diastole
[Abb. 7 b]).
Im Falle eines großen, noch offenen Ductus arteriosus
Botalli wird durch diesen die Fluss- und Druckbelastung
Abb. 4: Farb-Aliasing im Bereich des eingeengten Aortenisthmus
Abb. 5: „Sägezahn-Muster“ der Doppler-Flusskurve
(diastolischer „run-off“)
Abb. 6: Angiographische Darstellung des „Shone-Komplexes
der descendierenden Aorta gewährleistet. Die Diagnose
einer relevanten Stenose ist dann mittels Doppleruntersuchung nicht möglich. In diesem Falle muss die anatomischen Darstellung der Enge im 2D-Bild erfolgen.
Von besonderer Bedeutung ist, wie schon erwähnt, das
Vorhandensein von Begleitanomalien. Diese müssen dem
Untersucher bekannt sein und er muss nach ihnen bei
jeder Untersuchung und Verlaufskontrolle fahnden und
sie ggf. quantifizieren.
Eine Sonderform ist die kritische CoA bei Neugeborenen
und kleinen Säuglingen, die durch eine „Ductusabhängigkeit“ und eine Beeinträchtigung der Funktion des linken
Ventrikels („high-afterload ventricle) charakterisiert ist.
Der Doppler Gradient wird vor allem dann unterschätzt,
wenn eine Aorten- oder Mitralstenose oder eine eingeschränkte Funktion des linken Ventrikels vorhanden ist.
Im Falle einer längerstreckigen Stenose kann die Bernoulli
Gleichung nicht angewendet werden.
Gelegentlich ist die CoA auch Teil des sogenannten ShoneKomplexes, der durch eine ringförmige Stenose oberhalb
der Mitralklappe, durch eine parachute Mitralklappe (Obstruktion durch fusionierte Papillarmuskel), sowie durch
eine muskuläre- bzw. fibromuskuläre Subaortenstenose
charakterisiert ist (Abb. 6).
Eine sekundäre Endokard-Fibroelastose kann bei Patienten
mit CoA vorhanden sein und stellt sich im 2D-Bild als
echogene Auskleidung des linken Ventrikels dar; häufig
ist dabei die systolische und diastolische Funktion des
linken Ventrikels gestört.
Pränatale Diagnostik
Erste indirekte Hinweise auf das Vorliegen einer CoA können in der frühen Schwangerschaft anlässlich der Messung
der Nuchal translucency (NT-Nackenfalte) bestehen: eine
verdickte NT kann generell auf eine chromosomale Anomalie oder auf das Vorliegen eines Vitiums deuten. Dabei ist
insbesondere bei Vorliegen eines Turnersyndroms gezielt
nach einer CoA zu fahnden- eine Assoziation wird in bis
45,3% der Fälle beschrieben und ist mit besonders dicken
NT und auch Hydrops fetalis assoziiert.
Eine CoA ist mittels früher Echokardiographie in der 12. bis
14. SSW kaum direkt darstellbar und allenfalls bei deutlicher Rechtsherzdominanz zu vermuten.
Umgekehrt ist bei Verdachtsdiagnose einer CoA eine genetische Untersuchung zu empfehlen.
Anlässlich der nach Mutterschaftsrichtlinien erfolgenden
Ultraschalluntersuchungen in der 20. bzw. 30. SSE ist darauf zu achten, dass Vorhöfe, Ventrikel und Gefäße rechts-
17
Abb. 7 a: Dopplerflusskurve bei CoA in der abdominellen Aorta
Abb. 7 b: Normale Dopplerflusskurve in der abdominellen Aorta
bzw. linksseitig symmetrisch groß sind (Abb. 8). Jede ungewöhnliche Rechtsherzdominanz sollte ursächlich auch
an eine CoA denken lassen. Diese Rechtsherzbelastung
entsteht mutmasslich durch eine Volumenbelastung des
rechten Herzens, das über den Ductus arteriosus zur Systemperfusion bei engem Aortenisthmus beiträgt. Zeitweise
ist die Rechtsherzbelastung derart ausgeprägt, dass das
linke Herz komprimiert erscheint.
Auch eine tatsächliche Hypoplasie der linken Herzstrukturen kann vorliegen und ist nur durch farbdopplersonographisches Füllungsverhalten des linken Ventrikels und
exakte Messung der Cavitäten unter Anwendung Gestationsalter entsprechender Referenzwerte differenzierbar.
Erst nach komplettem postnatalen Verschluss des Ductus
arteriosus wird die hämodynamische Bedeutung der pränatal vermuteten CoA klar. Aus diesem Grund sind pränatal
falsch negative sowie falsch positive Diagnosen der CoA
häufig.
Viele serielle Messparameter zur besseren pränatalen
Prädiktion der CoA lassen sich erheben wie Ventrikel- und
Gefäßdimensionen, Isthmusdurchmesser, Ductusdurchmesser und ihre z-Werte oder die Isthmus-Ductus-Ratioerhoben im 3-Gefäß-Blick, der Nachweis einer sogenannten
„shelf“ oder Turbulenzen in der Isthmusregion. Dennoch
bleibt die pränatale Diagnose der CoA eine Herausforderung.
Mit und ohne hypoplastischen linken Ventrikel ist eine Begleithypoplasie des Aortenbogens in vielen Fällen vorhanden.
Auch eine retrograde Perfusion des Bogens ist farbdopplersonographisch bei hochgradiger CoA nachweisbar.
Aufgrund des offenen Ductus arteriosus, der in der Isthmusregion inseriert, ist das postnatal typische dopplersonographische Sägezahnmuster mit entsprechender systolischer
Gradientenbestimmung pränatal nicht möglich.
Auch die gedämpfte Pulsatilität der Aorta descendens ist
pränatal bei CoA nicht möglich.
18
Abb. 8 a: Fetaler 4-Kammerblick in der 27+1 SSW (Schwangerschaftswoche). Deutlich vergrößerter rechter Ventrikel (RV), * weiter Tricuspidalklappenring mit - insuffizienz (TI), komprimierter linker Ventrikel (LV)
Abb. 8 b: Fetaler Aortenbogen in der 33 + 0 SSW. Zwischen Aorta ascendens
mit relativ schmalem Durchmesser und Aorta descendens mit normalem
Kaliber findet sich der retrograd perfuniderte Bereich (Pfeil), der der
Isthmusstenose entspricht.
Literatur
Becker AE, Becker MJ, Edwards JE. Anomalies associated with coarctation
of aorta. Particular reference to infancy. Circulation 1979; 41:
1067–1075.
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19
Chirurgische Therapie der Aortenisthmusstenose
Elisabeth Beran
Jelena Kasnar-Samprec
Julie Cleuziou
Christian Schreiber
Rüdiger Lange
Klinik für Herz-und Gefäßchirurgie,
Deutsches Herzzentrum München,
Technische Universität München
Was ist wichtig?
• Die hochgradige neonatale Aortenisthmusstenose
hat eine dringliche Operationsindikation.
• In einem spezialisierten Zentrum ist die Letalität
niedrig und die neurologische Komplikationsrate
gering
• Die isolierte Aortenisthmusstenose kann in den
meisten Fällen mit Resektion und direkter End-zu-End
Anastomose korrigiert werden.
• Die Aortenisthmusstenose mit Aortenbogenhypoplasie
wird mit „extended end-to-end“ Anastomose oder
Waldhausen-Plastik therapiert
• Bei erwachsenen Patienten ist das Protheseninterponat die Therapie der Wahl, eine Patchplastik soll
vermieden werden.
• Patienten müssen langfristig nachuntersucht werden.
Hypertonus, Restenosen und Aneurysmabildung
sind die Hauptkomplikationen im Langzeitverlauf
20
Die therapeutischen Maßnahmen beim Vorliegen einer
Aortenisthmusstenose lassen sich in drei große Gruppen
einteilen:
MEDIKAMENTÖS
THERAPIE
INTERVENTIONELL
CHIRURGISCH
Abb. 1: Therapeutischen Maßnahmen bei Aortenisthmusstenosen
Die medikamentöse Therapie spielt vor allem bei der kritischen neonatalen Aortenisthmusstenose eine entscheidende Rolle. Durch die Gabe von Prostaglandin E1 kann
der Ductusverschluss verhindert werden oder ein bereits
im Zugehen begriffener Ductus wiedereröffnet werden und
das Kind stabilisiert werden.
Die Interventionelle Therapie mit Ballondilatationen und
Stentimplantationen hat sowohl bei primärer Aortenisthmusstenose als auch bei Restenosen nach Operation einen
großen Stellenwert, wird aber in diesem Artikel nicht weiter
beleuchtet.
a) Schematische Darstellung vor und nach Resektion
(aus Stark JF, de Leval MR. , Tsang VT.
Surgery for Congenital Heart Defects,
John Wiley & Sons Inc; 2006)
b)Intraoperative Fotos (DHM):
Resektion der Aortenisthmusstenose
Chirurgische Therapie
Die Indikation zur Operation besteht ab einem Ruhegradienten über die Aortenisthmusstenose von 20 mmHg. (1)
Da während der Operation die Aorta für eine gewisse Zeit
abgeklemmt werden muss, empfiehlt es sich zur Protektion
des Rückenmarks, den Patienten während des Eingriffs
nicht aktiv zu wärmen. Eine Körperkerntemperatur von 34°C
ist wünschenswert, um das Paraplegierisiko zu minimieren.
Seit der ersten erfolgreichen Operation der Aortenisthmusstenose 1944 durch Crafoord und Nylin (2) mit Resektion
und anschließender End-zu-End Anastomose haben sich
verschiedenste chirurgische Techniken entwickelt.
Operativer Zugang ist bei linksdeszendierender Aorta eine
posterolaterale Linksthorakotomie im 3. oder 4. Intercostalraum, bei rechtem Aortenbogen eine Rechtsthorakotomie.
Die Hautinzision erfolgt ca. 1 Querfingerbreit caudal der
Skapulaspitze und verläuft entlang der Rippen nach dorsal.
Bei der „muscle sparing thoracotomy“ werden Musculus
latissimus dorsi und Musculus trapezius mobilisiert, aber
nicht inzidiert und bilden die Begrenzung des operativen
Situs. Am Oberrand der 3. oder 4. Rippe wird die Pleura
eröffnet, ein Sperrer eingesetzt und die linke Lunge mit
Haken vorsichtig nach medial und caudal weggehalten.
c) Markierung von Aorta descendens (links im Bild),
Aortenbogen (rechts im Bild) sowie von zwei
Intercostalarterien (oben und unten)
d)Resezierte Aortenisthmusstenose
Abb 2: Direkte End-zu-End Anastomose
21
a) Schematische Darstellung vor und nach Resektion
und nach Anastomose
(aus Stark JF, de Leval MR., Tsang VT. Surgery for
Congenital Heart Defects, John Wiley & Sons Inc; 2006)
b)Intraoperative Fotos (DHM):
Abgeklemmt ist der Aortenbogen mit den
supraaortalen Ästen (cranial) sowie die
Aorta descendens (caudal)
c) Extended end-to-end Anastomose
d)Resezierte Aortenisthmusstenose mit
hypoplastischem Aortenbogenanteil
Abb. 3: Extendend end-to-end Anastomose (aus: Surgery for Congenital
Heart Defects; J Stark, M.de Leval, VZ Tsang 2006)
a) Schematische Darstellung
Abb. 4: Waldhausenplastik oder „subclavian flap aortoplasty“ (aus Stark JF,
de Leval MR., Tsang VT. Surgery for Congenital Heart Defects, John Wiley &
Sons Inc; 2006)
22
Die Pleura parietalis wird über der Aorta descendens inzidiert. Die Aorta descendens, der Aortenbogen, die supraaortalen Äste und der Duktus arteriosus werden dargestellt
und eindeutig identifiziert. Zur besseren Mobilisation kann
der Duktus sofort zwischen zwei Durchstechungsligaturen
durchtrennt werden. Handelt es sich jedoch um eine duktusabhängige Perfusion der unteren Körperhälfte, sollte
dies erst unmittelbar vor Klemmen der Aorta geschehen.
Es ist wesentlich für eine spannungsfreie Anastomose,
dass die Aorta descendens mit ihren ersten Interkostalarterien gut mobilisiert ist und nach cranial verschoben werden
kann.
Die heute nach wie vor am häufigsten angewandte
Methode ist die Resektion der Aortenisthmusstenose
mit direkter End-zu-End Anastomose (Abb. 2).
Hierbei wird die Aorta descendens distal der Aortenisthmusstenose und der distale Aortenbogen proximal des
stenotischen Bereichs geklemmt und das betroffene Gebiet
exzidiert. Es ist wesentlich, dass das gesamte veränderte
Gewebe der Aorta reseziert wird, da sonst die Restenoserate deutlich erhöht ist. Durch Zueinanderführen der
Klemmen wird es möglich, die Aorta mit einer direkten
Naht wieder End-zu-End zu verbinden.
a) Schematische Darstellung
(aus Stark JF, de Leval MR., Tsang VT. Surgery for
Congenital Heart Defects, John Wiley & Sons Inc; 2006)
b)Intraoperative Fotos vor Resektion und nach
Implantation einer Dacronprothese (Fotos: DHM)
präoperativ
postoperativ
Abb. 5: Resektion der Stenose und eine Interposition einer Dacronprothese (aus: Surgery for Congenital Heart Defects; J Stark, M.de Leval, VZ
Tsang 2006)
Das Entfernen der Aortenklemmen muss langsam erfolgen,
um einen abrupten Blutdruckabfall und das potentielle
Auftreten von Kammerflimmern zu verhindern.
Liegt zusätzlich zur Aortenisthmusstenose noch eine Aortenbogenhypoplasie vor, kann das stenotische Segment
reseziert werden und eine End-zu-Seit oder „extended endto-end“ Anastomose durchgeführt werden (Abb. 3). Diese
Methode wurde 1986 von S. Lansman et al beschrieben. (3)
In diesem Fall muss die proximale Aortenklemme am proximalen Aortenbogen angebracht werden und kann auch
gleichzeitig zum Ausklemmen der Arteria subclavia sinistra
und eventuell der Arteria carotis sinistra verwendet werden.
Der Truncus brachiocephalicus darf nicht beeinträchtigt
werden.
Die Inzision erfolgt im caudalen Bogenbereich nach proximal
fast bis zur Klemme und im Bereich der Aorta descendens
auf der lateralen Seite. Durch Verschieben und Approximieren
der Klemmen wird die Rekonstruktion möglich.
Eine weitere chirurgische Option bei hypoplastischem Aortenbogen ist die Waldhausenplastik oder „subclavian flap
aortoplasty“ (4). Hierbei wird die Arteria subclavia sinistra,
gegebenenfalls auch die Arteria subclavia dextra, durchtrennt und die Gefäßwand als Patchmaterial zur Augmentation des Aortenbogens herangezogen (Abb. 4).
Die Augmentation der Aortenbogenenge durch eine Dacronpatchplastik wurde 1961 von Vossschulte beschrieben. (5)
Aufgrund der hohen Inzidenz von Spätaneurysmen (6)
im Operationsgebiet wird von dieser Technik und auch von
der Erweiterung mit einem Goretexpatch (7) abgeraten.
Zur Korrektur der adulten Aortenisthmusstenose wird vorzugsweise eine Resektion der Stenose und eine Interposition mit einer Dacronprothese empfohlen (Abb. 5).
23
Perioperativ und früh postoperativ
Spät postoperativ
• Blutung
• Restenose
• Neurologische Komplikationen
• Paraplegie
• Aneurysma
• Chylothorax
• Arterieller Hypertonus
• Sepsis
• Herzinsuffizienz
Tab: 1: Potentielle Komplikationen bei und nach operativer Therapie
Intraoperatives Monitoring
Zur nicht invasiven Überwachung der cerebralen Durchblutung während der Operation ist die „NIRS“ (near infrared
spectroscopy) sehr gut geeignet.
Außerdem ist es wünschenswert, bei Operationen im Aortenisthmusbereich zwei arterielle Leitungen zu haben, eine
in der rechten Radialarterie und eine in der Femoralarterie,
um postoperative Gradienten sofort invasiv messen zu
können.
Langzeitverlauf
Die Ergebnisse der operativen Therapie sind durchaus zufriedenstellend mit sehr niedriger Mortalität. Studien aus
dem Deutschen Herzzentrum München beschreiben eine
Langzeitmortalität von 2,6 %, eine Paraplegierate von 0,4%
und eine Restenoserate – abhängig von Lebensalter, Körpergröße, sowie von der Morphe des Aortenbogens bei
der Operation von 5–23%. (8, 9) Es ist wesentlich, dass
Patienten nach einer Operation der Aortenisthmusstenose
regelmäßig in einer spezifisch erfahrenen kardiologischen
24
Ambulanz kontrolliert werden. Mit der Operation wird die
Stenose korrigiert, das Krankheitsbild der Aortenisthmusstenose im Langzeitverlauf ist jedoch viel komplexer. Die
Inzidenz von arteriellem Hypertonus, Klappendegeneration
bei begleitender bikuspider Aortenklappe und Aortenaneurysmaformation ist höher als in der Vergleichspopulation.
(10, 11, 12)
Literatur
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John Wiley & Sons Inc; 2006
ISBN-10: 0470093161
ISBN-13: 978-0470093160
25
Invasive Diagnostik und Behandlung
der Aortenisthmusstenose (CoA)
Andreas Eicken
Peter Ewert
Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler
Deutsches Herzzentrum München
Nach klinischer Diagnose einer relevanten Aortenisthmusstenose besteht die Indikation zur Herzkatheteruntersuchung
mit der Option zur Intervention.
Was ist wichtig?
• Die Stentimplantation bei CoA ist eine effektive
und sichere Methode zur Beseitigung einer Stenose im Aortenisthmusbereich (CoA).
• Die Stentversorgung ist Methode der Wahl zur Behandlung einer nativen oder Re-/Reststenose bei
Jugendlichen und Erwachsenen mit CoA.
• Im Säuglings und Kleinkindalter werden Kinder
mit nativer CoA weiterhin primär herzchirurgisch
behandelt. In diesem Lebensalter werden Kinder
mit Re-CoA hinsichtlich der besten Behandlungsmöglichkeiten im kardiologisch/herzchirurgischen
Team diskutiert und entsprechend behandelt.
26
Zu den Leitsymptomen gehören:
• abgeschwächte Leistenpulse
• arterieller Hypertonus an den oberen Extremitäten bei mehreren
Messungen und/oder in der 24-Stunden-Blutdruckmessung
(cave: A. lusoria), Belastungshypertonus
• Blutdruckgradient > 20 mmHg zwischen oberen und unteren
Extremitäten
• linksventrikuläre Hypertrophie im EKG oder im Echokardiogramm
• Flussbescheunigung im Isthmusbereich in der Dopplersonographie mit charakteristischem diastolischen Flussmuster
• ggf. 3D-Darstellung des Aortenbogens mittel MRT/CT)
Bei der Herzkatheteruntersuchung wird zunächst die Anatomie
angiographisch dargestellt und dann der invasive Druckgradient
genau lokalisiert. Bei geeigneter Anatomie wird die Enge durch
Ballonangioplastie oder Stentimplantation geweitet. Die Indikation zur Behandlung der CoA ist in den Leitlinien der Fachgesellschaften festgelegt (1, 2). Die Ballonangioplastie einer
CoA wurde 1979 erstmals beschrieben (3) und ist vor allem bei
jungen Patienten mit Re-Coarctation indiziert (4).
Abb. 1: Der Cheatham Platinum™ Stent besteht aus einem 0.013" Platinum/Iridium Draht im „zig pattern“, Laser geschweißt an den Verbindungsstellen mit 24 Karat Gold. Der Stent hat ein „closed cell design“;
das heißt die Zellen können nicht seitlich eröffnet werden. Die Stents können von 12–28 mm gedehnt werden und sind in Längen von 16–45 mm
erhältlich. Bei großen Diametern verkürzt sich der Stent signifikant.
Der „Covered CP Stent™“ ist umhüllt mit ePTFE.
Abb. 2: Der IntraStent® Max™ LD Biliary Stent
ist ein Ballon expandierbarer „laser cut stainless
steel – bare metal“ Stent. Der Stent ist in 26 und
36 mm Länge verfügbar und kann auf 26 mm
dilatiert werden. Es findet sich hier ein „open cell
design“, d.h. die Stents können seitlich eröffnet
werden.
Durch erfolgreiche Angioplastie kann in vielen Fällen
eine risikoreiche Operation vermieden werden. Bei älteren
Patienten mit Re-CoA ist die alleinige Ballonangioplastie
wegen der elastischen Eigenschaften der Aortenwand
nur in etwa 2/3 der Fälle dauerhaft erfolgreich (5) und es
besteht daher die Indikation zur Stent-Implantation (6).
Durch Stenting kann eine sofortige und dauerhafte
Aufweitung der Aorta erreicht werden (7, 8). Patienten > 20 kg
können mit Stents versorgt werden, die auf einen Diameter
von > 20 mm aufgedehnt werden können.
Patienten mit hochgradiger nativer CoA werden mit
gecoverten Stents behandelt, um das Risiko einer
Aortenwandverletzung zu minimieren (9, 10).
Abb. 3: Der Andra Stent XL/XXL ist ein semiflexibler „hybrid cell,
bare-metal“ Cobalt Chrom Stent, erhältlich in Längen von 13–57 mm
und speziell entwickelt um Gefäße mit großen Durchmessern zu dilatieren. Die Verkürzung ist geringer, als bei den anderen beiden Stents.
Abb. 4: Der Cook Formula™ Renal Balloon-Expandable Stent ist ein
„hybrid open-cell design, bare metal stainless steel premounted“
Stent verfügbar in verschiedenen Größen. Er kann bis maximal 12 mm
(Formula 414) bzw 16 mm gedehnt werden (Formula 535).
Die an unserer Klinik heute bei CoA verwendeten Stents sind:
• Cheatham Platinum-Stents (Abb. 1; bare metal and covered; NuMed Inc. Hopkinton, NY, USA; 8z Länge 16–45 mm),
• Max™ LD Stents (Abb. 2; EV3 Endovascular, Inc. Plymouth,
MN, USA; Länge 26 + 36 mm),
• AndraStent XL/XXL (Abb.3; Andramed GmbH; 13–57 mm).
27
Abb. 5: Die AoD hat poststenotisch
einen Diamter von 18 mm sowie
zahlreichen große Kollateraleinmündungen. Eine Aortenatresie ist mit
dieser Injektion noch nicht ausgeschlossen.
Abb. 6: Gleichzeitige Injektion von
KM über einen 5F-Pigtail Katheter
im distalen Aortenbogen (prästenotisch, von A.brachialis links aus
eingeführt) sowie über einen 6FMultipurpose-Katheter ( von der
Leiste aus) stellt die zirkumskripte
hochgradige Stenose dar.
In Abhängigkeit von der Größe des Dilatationsballons muss
zur Stentimplantation eine Schleuse gewählt werden, die
ein bis zu 2F größeres Innenlumen hat, als zum Einführen
des Ballons notwendig wäre. Die Größe des Implantationsballons richtet sich nach dem Durchmesser des distalen
Aortenbogens, bzw. des transversen Aortenbogens. Dies
beschränkt den Einsatz von großen Stents bei Säuglingen
und jungen Kindern mit CoA.
In ausgewählten Fällen kann über eine 4–6F Einführschleuse ein vormontierter Stent implantiert werden:
• Osypka Babystent (Osypka AG, Rheinfelden-Herten,
Deutschland. Vormontierter, 15 mm langer Stent auf
6 mm Ballon, dehnbar bis 12 mm, über 4F-Schleuse
implantierbar): dieser Stent ist noch nicht CE-zertifiziert
und wird in einer Zulassungsstudie evaluiert.
• Cook Formula Stent (Abb. 4; Cook Medical; Bloomington,
IN, USA. Vormontierter. 12 mm Stents auf 6 und 8 mm
Ballon; durch 5- und 6F-Schleuse implantierbar;
bis 14 mm dilatierbar). Diese Stents müssen ab einem
Durchmesser von ca. 12–16 mm mit einem Hochdruckballon in Ihrer Circumferenz gesprengt und mit einem
zweiten, größeren Stent geweitet werden, damit die Aorta
Erwachsenengröße erreichen kann.
28
Abb. 7: Es war anschließend mögAbb. 8: Ein steifer Führungsdraht
lich, von kranial, einen Terumo-Draht ermöglichte die Platzierung einer
über die Engstelle in die descendie- langen, gebogenen 12F-Schleuse.
rende Aorta zu manipulieren.
Fallbericht
17-jähriger, sportlicher Patient in gutem AZ und EZ (189 cm,
87 kg) mit arteriellem Hypertonus am rechten Arm. Im auswärtigen MRT bestand der Verdacht auf das Vorliegen einer
Aortenbogenatresie.
In tiefer Sedierung wurde eine Femoralarterie punktiert
(6F Schleuse) und der Druck registriert (A. femoralis dextra:
109/87/94 mmHg). Dann wurde versucht, den Aortenisthmus mit einem weichen Draht zu passieren, was aber nicht
gelang. Die Angiographie der Aorta descendens zeigte eine
18 mm große thorakale Aorta mit zahlreichen Kollateraleinmündungen, keinen sicheren Kontrastmittel-Übertritt in
den distalen Aortenbogen und einem fraglichen dünnen
Auswaschjet des Kontrastmittels (Abb. 5).
Daraufhin wurde die linke A. brachialis punktiert (Druck
proximal der Stenose 149/91/110 mmHg). Die CoA wurde
nun über einen 5F-Pigtail Katheter vom Arm sowie einen
6F-Multipurpose-Katheter von der Leiste aus dargestellt
(Abb. 6). Es war anschließend möglich, von kranial, einen
Terumo-Draht über die Engstelle in die descendierende
Aorta zu manipulieren (Abb. 7). Dieser Draht wurde mit
einer Schlinge gefangen, stabilisiert und der Katheter
passierte die Stenose von kranial. Nun wurde ein langer
Abb. 9: Ein 39 mm gecoverter 8zCheatham-Platinum-Stent wurde
auf einem 16 mm Spezial Ballon-InBallon-Katheter (BIB®), der ein
gleichmäßiges Öffnen und exaktes
Positionieren von Stents ermöglicht,
befestigt und in die Stenose vorgeführt.
Abb. 10: Der Stent wurde zunächst
mit dem 16 mm BiB-Ballon implantiert und dann gemeinsam mit
einem vom Arm eingeführten 12
mm-Tyshak-Ballon erneut dilatiert.
weicher Draht (noodle wire) eingeführt, mit einer Schlinge
in der Aorta descendens gefangen und über die Scheuse
in der Leiste nach außen geführt. Über diesen Draht konnte
zunächst ein Multipurpose-Katheter über die CoA geschoben werden. Dann gelang nach Entfernung des „noodle
wires“ die Sondierung der Aorta ascendens. Ein steifer Führungsdraht ermöglichte die Platzierung einer langen, gebogenen 12F-Schleuse (Abb. 8). Ein 39 mm gecoverter 8z-Cheatham-Platinum-Stent wurde auf einem 16 mm Spezial
Ballon-In-Ballon-Katheter (BIB®), der ein gleichmäßiges
Öffnen und exaktes Positionieren von Stents ermöglicht,
befestigt und in die Stenose vorgeführt (Abb. 9).
Durch Angiographien über den vom Arm aus liegenden Pigtail-Katheter konnte die Stentposition genau verfolgt werden. Der Stent wurde zunächst mit dem 16 mm BiB-Ballon
implantiert und dann gemeinsam mit einem vom Arm eingeführten 12 mm-Tyshak-Ballon erneut dilatiert (Abb. 10).
Postinterventionell verblieb eine sanduhrförmige Restenge
an der Stelle der nativen CoA. Der invasive Druckgradient
war von 40 auf 20 mmHg gesunken.
Sechs Monate später wurde ein zweiter Stent (MaxLD 26
auf 16 mm BiB) in den oberen Stentanteil implantiert und
mit Hochdruck (16 mm Atlas-Ballon) auf 16 mm aufgedehnt
(Abb. 11).
Abb. 11: Sechs Monate später wurde
ein zweiter Stent (MaxLD 26 auf
16 mm BiB) in den oberen Stentanteil implantiert und mit Hochdruck
(16 mm Atlas-Ballon) auf 16 mm
aufgedehnt.
Danach war kein Druckgradient mehr nachweisbar.
Der Patient war unter ACE-Hemmer normoton und wurde
2 Tage nach dem Eingriff entlassen.
Die eigene Erfahrung am DHM umfasst 213 Patienten
(männlich 142), im medianen Alter von 16,6 Jahren
(0,2–62,8 Jahre) und einem medianen Gewicht von 62 kg
(4,6–116 kg), die wegen einer Re-CoA (n = 120) oder einer
nativen CoA (n = 93) mit Stents behandelt wurden.
Bei 70 Patienten wurde primär ein ummantelter Stent
(„covered stent“) verwendet. Alle zeigten postinterventionell einen signifikanten Abfall des invasiv gemessenen
Druckgradienten und eine signifikante Weitung des engen
Aortenabschnittes. Vor der Intervention hatten alle Patienten eine arterielle Hypertonie, die wegen der CoA nicht
ausreichend medikamentös behandelt werden konnte.
Nach der Intervention waren 84 % der Erwachsenen normoton, wobei allerdings 51 % der Patienten eine antihypertensive Medikation benötigten. Diese Daten entsprechen den
Langzeitergebnissen nach chirurgischer CoA-Resektion. In
einem großen Kollektiv unserer Klinik waren nur 43 % der
Erwachsen postoperativ normoton (11). Vor der Intervention
hatten alle Patienten eine arterielle Hypertonie, die bei der
CoA nicht effektiv medikamentös behandelt werden konnte.
29
Literatur
Die Ursachen des persistierenden arteriellen Hypertonus
nach anatomisch erfolgreicher Weitung der Aorta ist multifaktoriell. Zum einen werden die Windkesselfunktion und
damit die elastischen Eigenschaften der Aorta durch den
Stent negativ beeinflusst. Zum anderen berichteten Ou et
al. über den Zusammenhang von einem postoperativ persistierenden arteriellen Hypertonus und der Morphe des
Aortenbogens (12). Vogt et al. wiesen bei Neugeborenen mit
CoA reduzierte elastische Eigenschaften der prästenotischen Arterien nach (13), die trotz anatomisch „erfolgreicher“ Beseitigung der Stenose im Neugeborenenalter persistierten (14). Bei persistierendem oder neu auftretendem
Hypertonus muss jedoch immer eine Re-CoA ausgeschlossen werden.
Mögliche Komplikationen nach CoA-Stenting sind: Gefäßruptur, Aortenaneurysmen, Schlaganfall, „subclavian steel“
bei Überstenten der A. subclavia mit einem „covered“
stent, Stent-Migration oder Embolisation des Stents sowie
Intimaproliferation und Stentfrakturen.
Um zerebrale Komplikationen zu vermeiden sollten die Karotiden, unserer Meinung nach, nicht überstentet werden.
Bei Überstenten der A. subclavia mit einem „covered stent“
kann der antegrade Fluss zum Arm durch Perforation des
PTFE’s vom Arm aus bei vorheriger Kanülierung der A. brachialis erreicht werden.
Die relativ große Einführschleuse kann arterielle Gefäßkomplikationen in der Leiste verursachen. Die Komplikationsrate nach CoA-Stenting betrug in einer großen, multizentrischen Studie 14 % (81/565). Sie lag in diesem Kollektiv bei
Erwachsenen deutlich höher (31 %, mit zwei Todesfällen) als
bei Kindern (15).
Wenn der Stent bei der Implantation nicht voll expandiert
werden kann oder soll und wenn der Patient noch wächst
sind erneute Herzkatheteruntersuchungen mit eventuell
multiplen Nachdilatationen des Stents notwendig und
durchführbar.
30
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Die Aortenisthmusstenose im Erwachsenenalter
Harald Kaemmerer
Claudia Pujol
Ekatherina Kusmenkov
Alexey Trepakov
Nicole Nagdyman
Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler
Deutsches Herzzentrum München
András Szatmári
Hungarian Institute of Cardiology, Pediatric Cardiology, Budapest
Was ist wichtig?
• Die Aortenisthmusstenose (CoA) ist eine komplexe, kardiovaskuläre
System-Erkrankung, die einer interventionellen oder chirurgischen
Behandlung gut zugänglich ist.
• Bei Erwachsenen mit CoA ist die interventionelle Behandlung in
erfahrenen Händen das Verfahren der Wahl. Dies wurde insbesondere
durch die jüngsten Fortschritte in der Stent-Technologie, u. a. mit der
Entwicklung gecoverter Stents, möglich.
• Neben der umschriebenen CoA bestehen häufig gleichzeitig andere
kardiovaskuläre Anomalien und Probleme, wobei einer bicuspiden
Aortenklappe, Gefäßwandveränderungen, einer arteriellen Hypertonie
und vaskulären Aneurysmata besondere Bedeutung zukommt.
• Auch nach einer primär erfolgreicher Behandlung finden sich fast regelhaft
Rest- und Folgezustände mit gravierenden Auswirkungen auf die Prognose
der Patienten, so dass diese besonders im Erwachsenenalter einer sorgfältigen Nachsorge, ggf. auch Behandlung, bedürfen.
• Diagnostik und Therapie dieses komplexen angeborenen Herzfehlers
sollten vorzugsweise in Kooperation mit einem Zentrum für Erwachsene
mit angeborenen Herzfehlern erfolgen.
Die Aortenisthmusstenose wird auch
als Coarctatio aortae (CoA) bezeichnet.
Sie ist als Teil einer generalisierten
Arteriopathie eine komplexe kardiovaskuläre Erkrankung, und nicht nur eine
umschriebene Aortenverengung (1, 2).
Bei Erwachsenen liegt eine CoA fast
immer distal des Abganges der linken
Arteria subclavia, am Übergang des
distalen Aortenbogens zur descendierenden Aorta. In seltenen Fällen kann
eine CoA ektop in der ascendierenden,
descendierenden oder abdominellen
Aorta lokalisiert sein.
Die ersten bekannten Beschreibungen
stammen u. a. von Meckel (1750),
Morgagni (1760), Jordan (1827), und
Reynaud (1828) (3, 4).
31
Im Jahre 1903 unterteilte LM Bonnet die CoA in infantile
und Erwachsenen-Typen. Der infantile Typ nach Bonnet
war durch ein langes, schmales Aortensegment proximal
des Ductus Botalli gekennzeichnet. Viele Patienten mit
diesem Typ verstarben schon in früher Kindheit, häufig im
Rahmen einer Herzinsuffizienz.
Demgegenüber war der Erwachsenen-Typ durch eine
umschriebene, postductal gelegene Aorten-Verengung
gekennzeichnet und manifestierte sich klinisch nicht
selten erst im späteren Lebensalter.
Eine CoA kann als isolierter Defekt oder in Kombination
mit anderen intra- und/oder extracardialen Anomalien
auftreten. Sie ist oft assoziiert mit einer bicuspiden Aortenklappe (bis zu 85 %), einer subvalvulären, valvulären oder
supravalvulären Aortenstenose, einer Mitralklappenstenose, anderen komplexen angeborenen Herzfehlern (z. B.
Transposition der großen Arterien, Taussig-Bing-Anomalie,
double-inlet left ventricle, Tricuspidalatresie mit Transposition der großen Arterien, hypoplastisches Linksherzsyndrom)
oder mit intracerebralen Aneurysmata. Demgegenüber
findet man eine CoA selten bei schweren rechtsseitigen
Ausflusstraktobstruktionen.
Eine CoA kann zudem mit einem Turner-, Noonan- oder
Williams-Beuren-Syndrom, einem kongenitalen Rötelnsyndrom, einer Neurofibromatose, einer Takayasu-Aortitis oder
einem Trauma vergesellschaftet sein.
Klinischer Verlauf
Der klinische Verlauf des Krankheitsbildes hängt maßgeblich von der vorliegenden Anatomie sowie vom Schweregrad
der Stenose und den damit verbundenen Herz-Kreislaufbelastungen zusammen.
A) Prae-ductale Aortenisthmusstenose
• A-I: Taillierung mit verschlossenem Ductus
arteriosus
• A-II: schmaler Ductus arteriosus und
Isthmushypoplasie
• A-III:Isthmushypoplasie
B) Juxta-ductale Aortenisthmusstenose
C) Post-ductale Aortenisthmusstenose
(aus: Sudhayakumar N et al: Coarctation of the
Aorta. JPB 2008) (5)
Abb. 1: Schematische Darstellung der verschiedenen Typen einer
Aortenisthmusstenose
Die Bonnet-Klassifikation wurde in der Folgezeit durch
die „ductus tissue theory” ersetzt. Man sprach nun von
einer prae-ductalen und post-ductalen CoA. Diese Unterteilung berücksichtigt die Pathogenese, gemäß der eine
CoA postnatal, zum Zeitpunkt des Ductusverschlusses,
durch Konstriktion von aberrantem Duktus-Gewebe entsteht.
Somit liegt jede CoA „juxtaductal“.
32
Historische Studien belegen, dass innerhalb des ersten
Lebensjahres 60 % der unbehandelten Patienten mit symptomatischer, hochgradiger CoA sowie 90% der Patienten
mit komplizierter CoA verstarben. Von denen, welche
die ersten zwei Jahre überlebten, starben 25 % vor dem
20. Lebensjahr, 50 % vor dem 32. Lebensjahr, 75 % vor
dem 46. Lebensjahr und 92% vor dem 60. Lebensjahr (6).
Einzelne Berichte beschreiben ein Überleben bis zum
Alter von 78, 85 oder gar 92 Jahren (7).
Generell gilt, dass unbehandelte Patienten, die spontan
bis ins Erwachsenenalter überleben, zumeist eine milde
CoA haben. Diese kann lange Zeit asymptomatisch sein,
und bleibt nicht selten bis zur Adoleszenz oder gar bis zum
höheren Erwachsenenalter unentdeckt.
Hauptprobleme im natürlichen Verlauf, die durchaus letal
enden können, sind Situationen wie Linksherzinsuffizienz
(28 %), intrakranielle Blutungen (12 %), bakterielle Endokarditis (18 %), Aortenruptur/-Dissektion (21 %), vorzeitige
koronare Herzkrankheit, und von assoziierten Herzfehlern
ausgehende Komplikationen (8).
Klinische, elektrokardiographische Befunde sowie
Befunde der bildgebenden Untersuchungsverfahren
bei Erwachsenen mit Aortenisthmusstenose werden an
anderer Stelle im Detail dargestellt.
A Resection/end–end
C Interposition graft
B Patch angioplasty
D Subclavian flap
E Resection/end–end
Extended end–end
Abb. 2: Schematische Darstellung wichtiger
Operationsverfahren bei CoA (aus: Kaemmerer H:
Aortic Coarctation and Interrupted Aortic Arch.
In: Gatzoulis MA et al: Diagnosis and Management of Adult Congenital Heart Disease (14)
Therapie
Die Behandlung einer CoA erfolgt primär chirurgisch
oder interventionell und zwar so früh wie möglich (9).
Auch heute ist der optimale Behandlungszeitpunkt nicht
gut bekannt. Er hängt u.a. von der Früh- und Spätmortalität
der Eingriffe, dem Risiko von Re-Operationen oder Re-Interventionen sowie deren Auswirkung auf das BluthochdruckProfil ab (9).
Eine kurative medikamentöse Therapie gibt es nicht. Sie
dient fast ausschließlich der Behandlung von Komplikationen oder zur Überbrückung des Zeitraumes, bis der Patient
einer angemessenen Therapie zugeführt werden kann.
Im Erwachsenenalter findet man somit CoA’s nach interventioneller oder chirurgischer Behandlung oder solche, die
noch einer definitiven Behandlung zugeführt werden müssen.
Die erste erfolgreiche chirurgische CoA-Behandlung
gelang 1944 in Form einer Resektion mit nachfolgender
End-zu-End-Anastomose (10–12). In der Folgezeit wurde
die Operationsmethode vielfach geändert. Einige Verfahren
fanden allerdings nur kurze Zeit Anwendung und wurden
wieder verlassen (13).
Alle Verfahren hatten und haben das Ziel, die Stenose zu
beseitigen, die Aorta spannungsfrei und das anastomosierte Gefäß frei durchgängig zu erhalten. Die Art des gewählten Eingriffes richtet sich dabei nach Art, Lokalisation
und Ausdehnung der Stenose sowie dem Patientenalter.
Alle Verfahren haben bestimmte Vorteile und Nachteile
sowie Probleme im Langzeitverlauf.
Besonderer Erwähnung bedürfen folgende Operationsverfahren, da auch heute noch viele Erwachsene, die mit
einem dieser Verfahren operiert wurden, zur Verlaufskontrolle anstehen :
• Resektion und End-zu-End Anastomose (nach CRAFOORD
und NYLIN)
• Resektion und Überbrückung durch Protheseninterposition (nach GROSS)
• Direkte oder indirekte Isthmusplastik (nach VOSSSCHULTE)
• Anlage eines Prothesenbypasses (nach BAFFES-MORRIS)
• End-zu-Seit-Anastomose der linken A. subclavia mit der
Aorta descendens (nach BLALOCK)
• Resektion und End-zu-End-Anastomose der linken A.
subclavia (nach CLAGETT)
• Subclavia-Plastik (nach WALDHAUSEN).
33
Abb. 3: Aortenisthmusstenose im Langzeitverlauf: Pathophysiologische Veränderungen und deren
klinische Konsequenzen (from: Bhatt AB, Defaria Yeh D. Long-term outcomes in coarctation of the
aorta: an evolving story of success and new challenges. Heart. 2015 Aug 1; 101(15): 1173–5.) (22)
Hinsichtlich der Morbidität und Mortalität der chirurgischen Behandlungsverfahren ist eine epochale Studie
der Mayo-Clinic von 1989 erwähnenswert. Hierin liegen
die Überlebensraten nach 10 Jahren bei 91 %, nach 20 Jahren bei 84 % und nach 30 Jahren bei 72 % (15).
Trotz aller Verbesserungen der medizinischen und chirurgischen Versorgung fand sich in einer aktuellen Studie
derselben Institution von 2013 eine sehr ähnliche postoperative Überlebensrate von 93 % nach 10 Jahren, 86 % nach
20 Jahren und 74 % nach 30 Jahren (9). Eine australischen
Arbeitsgruppe berichtete kürzlich über eine statistische
Überlebensrate von 98 % nach 40, 98 % nach 50 und
89 % nach 60 Jahren (16).
Die chirurgische Reparatur einer CoA ist derzeit das primäre
Verfahren bei Säuglingen und komplexen Läsionen (17).
Als interventionelles Therapieverfahren steht bei der CoA
seit 1982 die Ballonangioplastie zur Verfügung, die endovasculäre Stentversorgung seit 1991 (18, 19). Bei Erwachsenen mit CoA ist durch die jüngsten Fortschritte in der
Stent-Technologie, u.a. mit der Entwicklung gecoverter
Stents, die interventionelle Behandlung inzwischen in
erfahrenen Händen das Verfahren der Wahl (17). Beide
Methoden sind sowohl bei nativer CoA, als auch bei Reoder Reststenosen nach vorausgegangener chirurgischer
Behandlung eingesetzt worden.
34
Rest- und Folgezustände der unterschiedlichen
Behandlungsverfahren
Im Folgenden werden typische Rest- und Folgezustände
der unterschiedlichen Behandlungsverfahren beschrieben,
die für die Langzeitbetreuung von Erwachsenen mit CoA
von Bedeutung sind.
Die operative Behandlung verbessert, zumindest kurzfristig, die klinische Symptomatik, das Blutdruckverhalten
sowie die Überlebensrate. Allerdings scheint die Mortalität
bei Patienten mit CoA langfristig aufgrund kardiovaskulärer
Komplikationen höher als in der Allgemeinbevölkerung zu
sein (19, 20).
Die körperliche Leistungsfähigkeit ist meist nur leicht
beeinträchtigt, und besser als bei vielen anderen angeborenen Herzfehlern (21).
Zu den bedeutendsten Rest- und Folgezuständen bzw.
Komplikationen der CoA-Behandlung gehören die arterielle
Hypertonie, Re- oder Reststenosen sowie Aneurysmata in
der Aorta ascendens oder in der ehemaligen CoA-Region.
Zusätzliche Probleme können z. B. im Zusammenhang mit
assoziierten Anomalien, einer bicuspiden Aortenklappe,
Mitralklappen-Anomalien, einer koronaren Herzkrankheit,
einer infektiösen Endokarditis oder zerebralen Gefäßanomalien auftreten. Zunehmend Beachtung findet auch
eine Endotheldysfunktion und eine erhöhte Steifigkeit der
Aorta, die zur Entwicklung einer koronaren Herzerkrankung
und einer diastolischen Herzinsuffizienz beitragen können
(22). (Abb. 3)
Arterielle Hypertonie
Eine arterielle Hypertonie, in Ruhe oder unter Belastung,
ist nach erfolgreicher CoA-Behandlung weit verbreitet, auch
ohne Vorhandensein einer Re-/Reststenose (23, 20, 24, 25).
Sie ist wichtiger Risikofaktor für eine erhöhte Morbidität
und Letalität.
Der arterielle Hypertonus bei CoA steht wahrscheinlich im
Zusammenhang mit Re-/Reststenosen, strukturellen Wandveränderungen der peripheren und zentralen Gefäße, Störungen der arteriellen Compliance, einem hypoplastischen
Aortenbogen, einer abnormalen Gefäßwandreagibilität,
einer abnormer Barorezeptorsensitivität, Veränderungen im
Renin-Angiotensin-System, erhöhten Plasma-Adrenalin und
-Noradrenalin-Werten oder einer coincidenten essentiellen
arterieller Hypertonie.
Selbst bei erfolgreich reparierter CoA finden sich Hinweise
auf eine endotheliale Dysfunktion und eine Beeinträchtigung
der arteriellen Dilatation durch postoperativ persistierende
strukturelle und funktionelle Abnormalitäten im arteriellen
Gefäßbett, das der Isthmusregion vorgeschaltet ist (26, 9).
Sogar bei gut korrigierten, normotensiven CoA-Patienten
kann die linksventrikuläre Muskelmasse erhöht sein und
zu subendocardialen Ischämien, Arrhythmien und zu einer
diastolischen Herzinsuffizienz führen (9).
Insbesondere Patienten, die in der Frühzeit der Aortenchirurgie oder erst in höherem Lebensalter operiert wurden,
sind gefährdet, frühzeitig einen arteriellen Hypertonus zu
entwickeln (27). Je älter die Patienten zum Zeitpunkt der
CoA-Reparatur waren, desto höher ist das Risiko einer postoperativen arteriellen Hypertonie (15).
Demgegenüber haben Kinder, die bis zum 9. Lebensjahr
operiert wurden, im späteren Leben häufiger einen normalen
Blutdruck (9).
Mehrere Studien belegen mit zunehmender Follow-upDauer nach CoA-Reparatur eine steigende Prävalenz von
Bluthochdruck: 13 % nach 8 Jahren, 49 % nach 17 Jahren
und 68 % nach 30 Jahren (28). Hypertensive Patienten
sollen vor allem ab dem 3. und 4. Lebensjahrzehnt ein
erhöhtes Risiko für eine frühzeitige koronare Herzkrankheit,
ventrikuläre Funktionsstörungen und für Rupturen der
Aorta oder zerebraler Aneurysmata haben.
Prognostische Bedeutung und Behandlungsindikationen
eines isolierten, belastungsinduzierten Hypertonus,
der bei diesen Patienten nicht selten ist, wird kontrovers
diskutiert (27, 29, 30).
Re- oder Rest-Stenosen
Re- oder Rest-Stenosen im ehemaligen Isthmusbereich sind
nach CoA-Behandlung durch einen systolischen Gradienten
von mehr als 20 mmHg gekennzeichnet (31). Diese Stenosen
können eine arterielle Hypertonie mitbedingen oder aggravieren und zur Zunahme der linksventrikulären Muskelmasse, zur Entwicklung einer koronare Herzkrankheit
und ⁄ oder Herzinsuffizienz beitragen.
Postoperativ finden sich Re- oder Rest-Stenosen in älteren
Studien bei 3–41 % aller Patienten und bei allen bekannten
Operationstechniken (28, 32). Choudhary et al berichteten
2015 über eine Re-Coarctationsrate von 34 %, wobei diese
seltener nach End-zu-End-Repair als bei anderen Verfahren
festgestellt wurden (16).
Man findet sie gehäuft bei kleinen Patienten, bei jungem
Alter zum Zeitpunkt der Operation und bei hypoplastischem
Aortenbogen. Zudem wird das Stenoserisiko von der Ära
der Operation, der OP-Technik und dem Follow-up-Intervall
beeinflusst. Besonders gefährdet sind Kinder, die im frühen
Säuglingsalter operiert wurden. Bei diesen liegt die Inzidenz
von Rest- und Re-Stenosen bei 20–38 %, während sie bei
Patienten, die zum OP-Zeitpunkt älter als 3 Jahre waren, nur
etwa 1,5 % ausmacht.
Die Angioplastie einer CoA kann bei einer längerstreckigen
Verengung oder bei seriellen Obstruktionen insbesondere
aufgrund elastischer Rückstellkräfte nicht ausreichend
effektiv sein. In solchen Situationen erweisen sich Stents
zumindest kurz- bis mittelfristig als wirksam und sicher.
Falls erforderlich können auch Re-Dilatationen im Stentbereich erfolgen. Eine umfassende Auswertung der Verläufe
Abb. 4: Cardio-MRT: Aneurysma der Aorta ascendens (Durchmesser 83 mm)
bei einem 49-jährigen Patienten mit CoA und bicuspider Aortenklappe,
39 Jahre nach End-End-Anastomose der CoA (S. Fratz, Deutsches Herzzentrum München).
35
nach Stentversorgung einer CoA liefert das Congenital
Cardiovascular Interventional Study Consortium (CCISC)
Register (33).
Neue Entwicklungen gehen in Richtung resorbierbarer Stents.
Aneurysmata der Aorta ascendens oder im
Bereich des Aortenisthmus
Aneurysmata der Aorta ascendens oder im Bereich des
Aortenisthmus sind potentiell lebensbedrohlich, da sie
dissezieren und rupturieren können. In postoperativen
Verlaufsstudien wird dementsprechend immer wieder
über Spättodesfälle durch eine Aortendissektion berichtet.
Vorzugsweise ist dabei die Aorta ascendens betroffen.
Warum Aneurysmata gerade hier auftreten, ist nicht vollständig geklärt, aber intrinsische Aortenwandveränderungen, assoziierte bicuspide Aortenklappen und ⁄ oder eine
arterielle Hypertonie dürften mitverantwortlich sein (2).
Alle Eingriffe (Operationen oder Interventionen) im Isthmusbereich sind mit dem Risiko einer Aneurysmabildung
behaftet. Beeinflusst wird dies postoperativ vom Zeitpunkt,
zu dem der Eingriff durchgeführt wurde, dem Patientenalter
zum Operationszeitpunkt, dem postoperativen Intervall
und der verwendeten chirurgischen Technik.
Jüngere Studien zeigen, dass Aortenaneurysmata postoperativ nur bei 5–9 % der Patienten auftreten, während ältere
Untersuchungen, insbes. nach Dacron-Patch-Aortoplastie, bei
bis zu 33 %–51 % über Aneurysmabildungen berichten (34).
Die niedrigste Inzidenz findet sich nach End-End-Anastomosen oder bei extraanatomischen Rohrprothesen.
Aktuelle Daten von 2015 beschreiben Aneurysmata in der
Aorta descendens in 18 %, wobei auch diese seltener nach
End-zu-End-Repair als bei anderen Verfahren gefunden
wurden (16).
Ob und wann Aneurysmata postoperativ auftreten, kann
nicht sicher vorhergesagt werden. Viele Aneurysmata sind
Zufallsbefunde, weil sie nur selten Symptome hervorrufen.
In Einzelfällen wurden postoperative Aneurysmata erst
nach einem Intervall von mehr als 30 Jahren diagnostiziert.
Nach interventionellen Eingriffen können Aneurysmata an
einer nativen oder voroperierten Aorta durch Schädigung
der Gefäßwandschichten schon während oder kurz nach
der Behandlung auftreten (31). Selbst größere Wandeinrisse können sich aber post interventionem ohne Aneurysmabildung wieder zurückbilden. Das seltenere Auftreten
von Aortendissektion oder -rupturen nach einer vorausgegangenen Operation kann sich durch Narbengewebe
erklären lassen, das möglicherweise eine gewisse Stabilität
und Protektion in dieser Region bieten kann (Abb. 4).
36
Infektiöse Endokarditis oder Aortitis
Bislang wurde angenommen, dass Patienten mit nativer CoA
primär wegen einer abnormen Gefäßwandstruktur, dem
abnormem Blutfluss bei assoziierten Aorten- und Mitralklappen-Anomalien oder wegen persistierender Obstruktionen im CoA-Bereich für eine infektiöse Endokarditis oder
Aortitis prädisponiert sind.
Diese Gefahr soll auch nach chirurgischen oder interventionellen Eingriffen bestehen.
Dementsprechend wurde über Jahrzehnte nach chirurgischer
oder interventioneller Behandlung einer Aortenisthmusstenose bei gegebener Indikation eine lebenslange Endokarditisprophylaxe empfohlen. Folgt man aktuellen Leitlinienempfehlungen, so wird eine Endokarditisprophylaxe dennoch
nicht mehr als zwingend erforderlich angesehen (35).
Allerdings sollte man nach Ansicht der Autoren kritisch
hinterfragen, ob diese revidierten Leitlinien, in denen die
Indikation zur Endokarditisprophylaxe gelockert wurde,
auch bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern Anwendung finden sollte, da diese ein vergleichsweise hohes
Endokarditisrisiko haben!
Immerhin ermöglicht das erwähnte Positionspapier zur
Endokarditisprophylaxe dem behandelnden Arzt, die
Durchführung einer Endokarditisprophylaxe individuell
und in Absprache mit dem Patienten zu entscheiden.
Abweichend von den gängigen Empfehlungen halten die
Autoren an den älteren Empfehlungen fest und befürworten
bei entsprechender Indikation eine Endokarditisprophylaxe –
allerdings nach umfassender Information der Patienten.
Bicuspide Aortenklappe
Bis zu 50 % (-85 %) der CoA-Patienten haben eine bicuspide
Aortenklappe (36). An dieser verursachen Fibrosierungen,
Verkalkungen oder myxomatöse Degenerationen eine Aortenklappenstenose und / oder Aortenklappeninsuffizienz.
Zudem prädisponiert diese Anomalie zur Ektasie bzw.
Aneurysmabildung im Bereich der aufsteigenden Aorta, und
letztere wiederum zur Aortendissektion und -ruptur (15).
Die Komplikationsrate bei bicuspiden Aortenklappen steigt
mit zunehmendem Alter.
Aneurysma des Circulus Willisii
Aneurysmata im Bereich des Circulus Willisii werden bei
bis zu 11 % der Patienten mit CoA gefunden (37, 38). Die
Größe dieser Aneurysmata sowie die Rupturgefahr steigt
mit dem Alter und einem unzureichend eingestellten arteriellen Blutdruck. Vor der Ruptur kommt es nur in Einzelfällen zu Warnsymptomen wie Kopfschmerzen, Lichtempfindlichkeit oder Schwäche. Viele Betroffene sind bis zur Ruptur
asymptomatisch (39). Da eine Ruptur mit hoher Letalität
einhergeht, sollte eine spezifische primärprophylaktische
Behandlung umgehend nach Diagnosestellung erwogen
werden.
Ein generelles Screening auf cerebrovaskuläre Aneurysmata
wird gegenwärtig allerdings noch kontrovers diskutiert (37).
Koronare Herzkrankheit
Wie schon erwähnt, finden sich in einigen älteren Studien
Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für eine frühzeitige koronare
Herzkrankheit, insbesondere bei hypertensiven Patienten
ab dem 3. und 4. Lebensjahrzehnt. In der großen Mayo-Clinic-Studie von 1989 war eine koronare Herzkrankheit die
häufigste Ursache der spät-postoperativen Todesfälle (15).
Schon bei Kindern nach CoA-Operation wurde eine erhöhte
Intima-Media-Dicke gefunden und als Hinweis auf ein erhöhtes Coronar-Risiko gewertet (40).
Ob diese Sorge zu Recht besteht, ist unklar. Im eigenen
Krankengut, das mehreren hundert erwachsenen CoA-Patienten umfasst, ist keine Häufung einer stenosierenden
koronaren Herzerkrankung aufgefallen. Diese Beobachtung
deckt sich mit kanadischen Daten, nach denen das alleinige Vorhandensein einer CoA kein Prädiktor für die Entwicklung einer koronaren Herzkrankheit ist (41). In dieser
Studie wird aber dennoch auf die Bedeutung präventiver
Maßnahmen hingewiesen.
Schulterhochstand
Ein linksseitiger Schulterhochstand findet sich bei vielen
Erwachsenen nach links-lateraler Thorakotomie, die
vermutlich zu einer Funktionsstörungen der peripheren
nervalen Versorgung der Skelettmuskulatur des M. latissimus dorsi und M. serratus anterior führt (42). Dies kann
thorakale Schmerzen verursachen, die als Stenocardien
fehlinterpretiert werden.
Schwangerschaft bei CoA
Erfreulicherweise tolerieren viele Frauen nach erfolgreicher
CoA-Behandlung eine Schwangerschaft ohne größere Probleme. Dennoch besteht bei nativer oder vorbehandelter
CoA die Gefahr, dass sich aufgrund der physiologischen
hämodynamischen und hormonellen Veränderungen in der
Schwangerschaft insbesondere im dritten Trimenon oder
peripartal Komplikationen einstellen (43). Dies macht eine
multidisziplinäre Schwangerschaftsbetreuung erforderlich,
in die Geburtshelfer, Gynaekologen, Neonatologen, Genetiker, Intensivmediziner, Anaesthesisten und ggf. auch
Herzchirurgen integriert werden müssen.
Das höchste Schwangerschaftsrisiko tragen Frauen mit
unbehandelter CoA, Re-/Rest-CoA oder unzureichend eingestellter arterieller Hypertonie. Einzelne Berichte über
mütterliche Todesfälle durch Aortendissektion oder Ruptur
cerebraler Aneurysmata liegen vor. Besonders gefährdet
hinsichtlich einer Aortendissektion/-ruptur während der
Schwangerschaft oder unter der Geburt sind Frauen, die im
Rahmen ihrer CoA ein Aortenaneurysma entwickelt haben (44).
Das Wiederholungsrisiko einer CoA bei den Nachkommen
von Eltern mit CoA ist erhöht und steigt mit der Anzahl betroffener Angehöriger. Das Wiederholungsrisiko einer CoA
liegt bei etwa 2 % wenn ein Geschwisterkind betroffen ist
und bei etwa 6 %, wenn zwei Geschwister betroffen sind (45).
Eine fetale Echokardiographie zum Nachweis einer angeborenen Fehlbildung ist früh in der Schwangerschaft obligatorisch.
Empfehlungen für Management von Erwachsenen
mit Aortenisthmusstenose im Langzeitverlauf
Eine CoA ist eine chronische Erkrankung, die wegen der insgesamt gegenüber einem Normalkollektiv erhöhten Morbidität und Letalität eine lebenslange serielle Nachbetreuung
benötigt, um Probleme oder Komplikationen rechtzeitig zu
identifizieren und zu behandeln (46). Alle Betroffenen, bei
denen keine relevanten Residualbefunde vorliegen, sollten
etwa einmal pro Jahr von einem EMAH-Kardiologen gesehen
werden. Ist mit Komplikationen zu rechnen, sind engmaschigere Kontrollen erforderlich.
Im Rahmen von Verlaufskontrollen und Nachsorgeuntersuchungen wird speziell nach Spätkomplikationen, insbesondere einer arteriellen Hypertonie, Re-Obstruktionen,
Aneurysmata oder Komplikationen durch assoziierte Anomalien, gefahndet. Da die alleinige klinische Untersuchung
dabei nicht ausreicht, ist der additive Einsatz moderner
bildgebender Verfahren (MRT/CT) unabdingbar. Patienten
ohne Re-/Restbefunde, ohne signifikanten Restgradient
über die Isthmusregion, die einen normalen Blutdruck in
Ruhe und bei Belastung haben, können in der Regel körperlich aktiv sein und ein Leben ohne wesentliche körperliche
Einschränkungen führen.
Ausgenommen hiervon sind exzessive statische Belastungen
auf Wettkampfniveau (47, 48). Patienten mit arterieller
Hypertonie, Re- oder Reststenosen im Isthmusbereich oder
andere Komplikationen sollten schwere isometrische Belastungen vermeiden.
Bei den folgenden Patienten oder Befundkonstellationen
können chirurgische oder perkutane Behandlungen erforderlich werden (49, 17):
• Symptomatische Patienten mit Blutdruckgradienten
> 20 mmHg im Bereich des Aortenisthmus
37
• Asymptomatische Patienten mit Blutdruckgradienten
> 20 mmHg im Bereich des Aortenisthmus und pathologischem Blutdruckverhalten während der Belastung oder
mit signifikanter linksventrikulärer Hypertrophie.
• Patienten mit Lumeneinengung der Aorta (in MRT, CT oder
Angiographie) auf ≥ 50 % im Vergleich zur Aortenweite
auf Höhe des Zwerchfelldurchtrittes, unabhängig vom
Druckgradienten.
• Höhergradige, begleitende Aortenklappenstenose oder
-insuffizienz
• Verschlechterung einer Herzinsuffizienz mit
systolischer oder diastolischen Dysfunktion und ⁄ oder
refraktärer Hypertonie
• Aneurysma der Aorta ascendens
• Aneurysma im ehemaligen CoA-Bereich
• Symptomatische oder große Aneurysmata im Bereich
des Circulus Willisii.
• Bei ausgeprägten Kollateralen kann die Behandlung auch
trotz Fehlen der genannten klinischen oder hämodynamischen Kriterien indiziert sein.
Falls eine Behandlung erforderlich ist, sollte diese in einem
Zentrum erfolgen, das tatsächlich über ausreichend Erfahrung in der Behandlung von Aortenisthmusstenosen aller
Altersklassen verfügt. Die chirurgische Behandlung einer
Re-CoA ist anspruchsvoll und mit einer erheblichen Morbidität, Mortalität und Rezidivrate belastet. Die wichtigsten
Komplikationen nach Re-Operation oder bei Re-Intervention
sind eine frühe paradoxe Rebound-Hypertonie, Restenosen, Aneurysmabildungen, cerebrale Insulte, Verletzungen
des N. phrenicus oder des N. recurrens sowie Querschnittslähmungen. Die interventionelle Behandlung einer Re-CoA
im Erwachsenenalter ist in erfahrenen Händen sicher und
effektiv. Auch hier sind serielle Nachsorgeuntersuchungen
notwendig.
Empfehlungen zur pharmakologischen
Behandlung
Eine medikamentöse Behandlung zielt darauf ab, den Blutdruck vor und nach der Operation zu kontrollieren. Ein arterieller Hypertonus wird vorzugsweise mit Betablockern,
ACE-Inhibitoren, AT-II-Antagonisten, Calcium-Antagonisten
und/oder Diuretika behandelt. Es ist jedoch zu beachten,
dass ACE-Hemmer oder AT-II-Antagonisten bei Vorliegen
einer Restenge im Aortenbogen oder –isthmusbereich nicht
unbedingt günstig sind.
Bei einigen Betroffenen kann es durchaus schwierig sein,
den Blutdruck in einen tolerablen „nahe-normotensiven“
Bereich zu senken.
Gelegentlich, und nicht nur bei Restenosen, ist eine Kombinationstherapie mit mehreren Blutdrucksenkern erforderlich. Dabei muss beachtet werden, dass eine starke Blut-
38
drucksenkung nicht zu einer unzureichenden Perfusion der
unteren Körperhälfte und der Nieren führt. Bei signifikanten
Restenosen ist eine Pharmakotherapie nicht selten ineffektiv.
Früh-postoperativ und postinterventionell kann es vor
allem in den ersten 2–14 Tagen durch eine verzögerte
Rückstellung des Barorezeptor-Reflexes zu einer paradoxen
Hypertonie kommen. Dieses sog. „post-coarctation Syndrome“ manifestiert sich als schwere arterielle Hypertonie,
die bis zu einer folgenschweren, mesenterialen Arteriitis
fortschreiten kann. In solchen Fällen ist eine frühzeitige,
aggressive antihypertensive Behandlung notwendig,
wobei sich Betablockern als besonders wirksam erwiesen
haben (50, 51).
Da ein langjähriger arterieller Hypertonus das Risiko für
eine koronare Herzkrankheit möglicherweise erhöhen
kann, sollten zusätzliche coronare Risikofaktoren wie Fettleibigkeit, Fettstoffwechselstörungen und/oder Rauchen
kontrolliert, modifiziert und ggf. pharmakologisch behandelt werden (41).
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39
Die ambulante Blutdruck-Langzeitmessung –
Diagnostik und Therapiesteuerung
Martin Middeke
Hypertoniezentrum München
Hypertension Excellence Centre of the
European Society of Hypertension (ESH)
Die ambulante Blutdruck-Langzeitmessung (ABDM) ist der Goldstandard zur Erfassung einer manifesten
Hypertonie oder einer maskierten
Hypertonie, zum Ausschluss einer
Praxishypertonie, so wie zur Charakterisierung der Blutdruckvariabilität
und des Tag-Nacht-Rhythmus,
und somit zur Steuerung der antihypertensiven Chronotherapie.
40
Blutdruckvariabilität
Die permanenten Fluktuationen des Blutdrucks sind für den Patienten immer
wieder überraschend („Herr Doktor, mein Blutdruck schwankt so …“); sie haben
aber auch große klinische Bedeutung. Das Ausmaß der hypertensiven Organschäden wird nicht nur von der absoluten Blutdruckhöhe bestimmt, sondern
auch von der Variabilität des Blutdrucks.
Blutdruckvariabilität ist ein (unabhängiger) Prädiktor für kardiovaskuläre Ereignisse (3, 14, 16). Sie umfasst die Schwankungen mit jeder Herzaktion (beat-tobeat), Tag-Nacht-Schwankungen, Schwankungen von Tag zu Tag und saisonale
Variationen.
Eine erhöhte Blutdruckvariabilität am Tage erhöht das Risiko, während eine
normale nächtliche Blutdrucksenkung das Risiko vermindert.
Die Blutdruckvariabilität ist bei Hypertonikern ausgeprägter und frequenter
als bei Normotonikern und nimmt mit dem Alter zu.
Schnelle und kurzfristige Blutdruckschwankungen sind nicht zufällig, sondern
unterliegen regelmäßigen und spontanen Oszillationen endogenen Ursprungs
über einen Spektrumsbereich von ca. 0,016–0,04 Hertz
(sehr niedrig frequente Vasomotoren-Aktivität zur lokalen
Anpassung des Gefäßwiderstandes) über 0,05–0,2 Hertz
(Mayer-Wellen als Marker der sympathischen Aktivität
ca. 3–9/min) bis ca. 0,5–0,7 Hertz (respiratorische Wellen
ca. 12–16/min). Diese Oszillationen sind im Rahmen der
Hochdruckdiagnostik und -therapie nicht relevant und nur
mittels kontinuierlicher beat-to-beat-Registrierung messbar.
Die wichtigsten Determinanten der Blutdruckvariabilität
sind in Abb. 1 dargestellt.
• Körperliche Aktivität / Ruhe
• Mentale und psychische
Beanspruchung / Entspannung
• Emotionales Befinden
• Psychosoziale Einflüsse
Der saisonale Rhythmus mit höheren Werten im Winter
hat eine gewisse epidemiologische Bedeutung und ist am
ehesten bedingt durch Kälte und Vitamin-D-Mangel.
Einheitliche Normwerte für diese Parameter existieren
nicht. Dies gilt auch für die simple Berechnung der Variabilität über mehrere Messungen in der Praxis oder Klinik
und für die Selbstmessung der Patienten im Alltag. Die
nationalen und internationalen Leitlinien betonen in den
letzten Jahren die Bedeutung der Blutdruckvariabilität,
geben aber keinerlei Empfehlungen für Normalwerte (16).
• Gefäßtonus
• Gefäßelastizität
•   VasomotorenAktivität
Blutdruckvariabilität
BlutdruckRhythmus
• Zirkadian
• saisonal
• Baroreflexaktivität
• Sympathikovagale Balance
• Hormonelle Effekte
• Humorale Faktoren
 
Abb. 1: Determinanten der Blutdruckvariabilität (11)
Die klinisch relevanteste und einfach messbare Blutdruckvariabilität spielt sich in zirkadianen und saisonalen
Rhythmen ab.
Die größte Bedeutung hat der mittels ambulanter Blutdruck-Langzeitmessung (ABDM) ermittelte zirkadiane
Rhythmus (Tag-Nacht-Rhythmus) mit einer Tag-NachtDifferenz von normalerweise ca. 10–20 mmHg.
Das Ausmaß der Nachtabsenkung (in % des Tagesmittelwerts) definiert folgende Patientengruppen:
• „normal dipper“ 10–20%
• „non-dipper“< 10%
• „inverted dipper“< 0%
• „extreme dipper“ > 20%
Sowohl eine erhöhte Tag-Nacht-Differenz bei starker Nachtabsenkung des Blutdrucks („extreme dipper“) als auch
eine verminderte Differenz bei unzureichender Nachtabsenkung („non-dipper“) und damit verminderter Blutdruckvariabilität sind mit einem erhöhten Risiko verbunden (2).
Hierzu liegen prospektive Studiendaten vor, die sowohl
das erhöhte Risiko bei Normabweichungen vom normalen
Rhythmus zeigen, als auch für die individuelle Wahl des
Dosierungszeitpunkts und der Dosierungsintervalle von
Bedeutung sind (4, 5, 8, 10).
Am besten lässt sich mit der ambulanten BlutdruckLangzeitmessung überprüfen, ob tatsächlich eine abnorme
Blutdruckvariabilität und evtl. krisenhafte Anstiege vorliegen, wie ausgeprägt sie sind, wie lange sie andauern
und welche Alltagssituation hierfür verantwortlich ist.
Hilfreich ist hier auch die telemetrische Übertragung der
Blutdruckwerte aus der häuslichen Umgebung, um dieses
in der Praxis gehäuft zu beobachtende Problem bei inzwischen vielen Millionen Selbstmessern zu lösen.
Die Senkung des Blutdruckniveaus durch antihypertensive
Therapie führt in der Regel auch zur Abnahme der Blutdruckvariabilität.
Prospektive Studien, die zeigen, dass eine stärkere Senkung der Blutdruckvariabilität (z. B. SD der ABDM) kardiovaskuläre Ereignisse besser verhindern kann, liegen bisher
nicht vor.
Indirekte nichtinvasive BlutdruckLangzeitmessung
Die Einführung der ambulanten, nichtinvasiven und diskontinuierlichen Blutdruck-Langzeitmessung in die klinische Routine hat die Kenntnisse über die normale TagNacht-Variabilität und deren Normabweichungen erheblich
41
bereichert und die Definition verschiedener Hochdruckformen ergänzt. Die Reproduzierbarkeit ist sehr gut und die
Übereinstimmung mit einer kontinuierlichen Blutdruck-Registrierung ebenfalls (1, 17). Die Deutsche Hochdruckliga
hat als eine der ersten Fachgesellschaften weltweit die Bedeutung der ABDM einschließlich der Blutdruckvariabilität
und deren Anwendung in einer entsprechenden Leitlinie
verfasst und kürzlich aktualisiert (1, 7).
In Abb. 2 und 3 sind die nun auch international akzeptierten Normwerte aufgeführt und der „Dipper-Status“ definiert.
In Abb. 4 werden die Äquivalenzwerte für die Blutdruckkategorie entsprechend der Einteilung bei der konventionellen Messung in der Praxis dargestellt (7).
Die meisten Untersuchungen leiten die Blutdruckvariabilität aus der Standardabweichung über 24 Stunden
und/oder am Tag und in der Nacht ab. Um den Einfluss der
Tag-Nacht-Variabilität zu minimieren, wurden mathematische Modelle wie die residuale oder gewichtete Standardabweichung oder der Smoothness-Index vorgeschlagen.
Diese Parameter haben sich in der Praxis bisher nicht
durchgesetzt. Dies insbesondere weil die herkömmliche
Software der ABDM-Anbieter keine entsprechenden Auswertungen vorhält.
Es gibt auch für diese Parameter bisher keine einheitlichen
Normwerte, die z. B. in Leitlinien empfohlen werden.
Die meisten ABDM-Anbieter geben neben den wichtigen
Mittelwerten für Tag, Nacht und 24 h auch die entsprechen-
Ambulante Blutdruck-Langzeitmessung (ABDM):
Normwerte und Definitionen
Nachtabsenkung im Vergleich zum
Tagesmittelwert (Dipper-Status)
Mittelwerte
Standardabweichung
Dipper
10 – 20 %
Tagesmittelwert <135/85 mmHg
<12/10 mmHg
Non-dipper
< 10 %
Nachtmittelwert <120/75 mmHg
<14/10 mmHg
Inverted dipper
<0%
Extreme dipper
> 20 %
24h-Mittelwert
<130/80 mmHg
Abb. 2: Ambulante Blutdruck-Langzeitmessung
Abb. 3: Nachtabsenkung im Vergleich zum Tagesmittelwert (Dipper-Status)
Die zirkadiane Blutdruckvariabilität wird unter Alltagsbedingungen entscheidend beeinflusst von der Abfolge von
Aktivitäts- und Ruhephasen sowie von psychosozialen Verhaltensweisen und emotionalen Einflüssen.
Abweichungen von der normalen Zeitstruktur des Blutdruckes sind relativ häufig, und haben vielfältige Ursachen,
wie hormonelle und autonome Dysregulationen, und andere Faktoren der kardiovaskulären Regulation. Die Nierenfunktion hat hier eine herausragende Bedeutung (10).
Die Chronopathologie (Abb. 5) beschreibt die verschiedenen Phänomene der Normabweichung im zeitlichen Verlauf, ihre Charakteristika, die Ursachen, die diagnostische
und prognostische Bedeutung, sowie die therapeutischen
Konsequenzen (12).
Die Chronopharmakologie untersucht die Wirkung (Pharmakodynamik) der Antihypertensiva in Abhängigkeit von der
Tageszeit, z. B. die morgendliche gegen abendliche Einnahme
in Cross-over-Studien (5).
Die erste Untersuchung bei Patienten mit primärer Hypertonie erfolgte 1991 (8).
Antihypertensive Chronotherapie bedeutet den Zeitpunkt
der Einnahme und die Dosierungsintervalle der Medikation
individuell zu gestalten unter besonderer Berücksichtigung
der Blutdruckvariabilität des einzelnen Patienten nach den
Kriterien der ABDM.
den Stardardabweichungen an. Aus einer großen weltweiten ABDM-Datenbank können die SD von unbehandelten
Patienten mit Grenzwerthypertonie, also am Übergang zur
manifesten Hypertonie, als Anhalt dienen (Abb. 2).
Das Ergebnis der Blutdruckvariabilität ist u. a. auch abhängig von den Messintervallen. Die Vorgaben der Leitlinien
sind alle 15 Minuten am Tage und alle 30 Minuten in der
Nacht zu messen. Dabei sollte das display ausgeschaltet
werden um eine (negative) Rückmeldung an den Patienten
zu verhindern. Durch die relativ hohe Messdichte von
ca. 70 Messungen über 24 Stunden steigt die Sicherheit bei
der Bewertung des wahren Blutdruckniveaus im Vergleich
zu Einzelmessungen drastisch an.
Mit der ABDM können u. a. erfasst werden: die durchschnittliche Blutdruckhöhe am Tage und in der Nacht,
Blutdruckschwankungen und die Blutdruckvariabilität
(z. B. Standardabweichung), Fehlen oder Verminderung
der normalen Blutdrucksenkung in der Nacht, oder außergewöhnliche Blutdruckanstiege in der Nacht oder in den
Morgenstunden.
Eine verminderte Nachtabsenkung des Blutdruckes bzw.
ein Anstieg während des Schlafes ist häufig bei sekundären
Hochdruckformen oder schweren hypertensiven Organschäden zu finden. Die alleinige Praxismessung führt in
ca. 30 % zu einer falschen Charakterisierung der Patienten
42
bzw. der Blutdrucksituation (Praxishypertonie bzw. Praxisnormotonie oder maskierte Hypertonie).
Die Praxishypertonie ist gekennzeichnet durch normale
oder niedrige Blutdruckwerte in der ABDM und erhöhte
Werte in der Praxis oder Klinik. Dies Phänomen ist hinlänglich bekannt.
Weniger bekannt ist hingegen die maskierte Hypertonie.
Maskierte Hypertonie
Arbeitsalltag unter hoher Stressbelastung bei normalen
Blutdruckwerten in der Praxis in Ruhe und unter standardisierter Belastung.
Insbesondere die Diskrepanz zwischen hohem Blutdruck
während mentaler Beanspruchung im Alltag und normaler
Blutdruckreaktion unter standardisierter, körperlicher
Belastung spricht für die ursächliche Beteiligung von Stress
bei der Hochdruckentstehung. Diese Konstellation ist charakteristisch für diese besondere Hochdruckform. So kann
ein wichtiger kausaler Faktor der primären Hypertonie aufgedeckt werden.
Die maskierte Hypertonie ist definiert als eine Hypertonieform mit normalen Blutdruckwerten in der Praxis/Klinik
Definition der Blutdruckkategorien
Kategorie
Optimal
Normal
Hochnormal
Grad 1
Grad 2
Grad 3
Isolierte systolische Hypertonie
Systolisch (mmHg)
Praxis BD
ABDM-TM
<120
<115
<130
115–124
130–139
125–134
140–159
135–146
160–179
147–156
≥ 180
≥ 157
≥ 140
≥ 135
Diastolisch (mmHg)
Praxis BD
ABDM-TM
< 80
< 75
< 85
75–79
85–89
80–84
90–99
85–89
100–109
90–95
≥ 110
≥ 96
< 90
< 85
ABDM-TM=Tagesmittelwert der ABDM
Abb. 4: Definition der Blutdruckkategorien
und erhöhten Werten im Alltag außerhalb der Praxis/Klinik
in der ambulanten Blutdruck-Langzeitmessung (ABDM)
oder der Selbstmessung (13, 15). Die maskierte Hypertonie
tritt bei unbehandelten Patienten auf, betrifft aber auch
Hypertoniker unter antihypertensiver Therapie (6, 7, 8).
In der deutschen Pharao-Studie war die maskierte Hypertonie mit 35 % doppelt so häufig wie die Praxishypertonie
mit 16 % in einem Kollektiv von 1008 Patienten mit hoch
normalem Blutdruck (6).
Die korrekt durchgeführte Selbstmessung des Blutdruckes
ist als Alternative bzw. ergänzend geeignet um eine Praxishypertonie bzw. eine maskierte Hypertonie zu erkennen.
Die europäischen Leitlinien empfehlen ausdrücklich die
Durchführung der ABDM zum Ausschluss einer Praxishypertonie und zur Erkennung einer maskierten Hypertonie (16).
Die maskierte Hypertonie wird häufiger bei Männern beobachtet in Verbindung mit Lebensstilfaktoren (Raucher, Alkoholkonsum, Übergewicht) und psychosozialen Stressfaktoren (13, 15). Das Risiko entspricht dem der manifesten
Hypertonie (15) und daraus ergibt sich die Behandlungsindikation.
Die maskierte Hypertonie ist die klassische Form einer
stressinduzierten Hypertonie mit erhöhtem Blutdruck im
Antihypertensive Chronotherapie
Antihypertensive Chronotherapie bedeutet den Zeitpunkt
der Einnahme und die Dosierungsintervalle der Medikation
individuell zu gestalten unter besonderer Berücksichtigung
der Blutdruck-Variabilität des einzelnen Patienten nach den
Kriterien der ABDM. Die blutdrucksenkende Wirkung einer
Substanz kann ohne Berücksichtigung der Tageszeit, des
Messzeitpunkts und des Zeitpunkts der Einnahme nicht
umfassend beurteilt werden. Dies ist besonders wichtig
mit Blick auf die 24-Stunden-Wirkung. Ebenso muss eine
optimale antihypertensive Therapie hinsichtlich Dosis und
Dosierungsintervallen den individuellen Blutdruckrhythmus
über die Zeit berücksichtigen (Abb. 6).
Für eine effektive antihypertensive Therapie, die insbesondere bei mittelschwerer bis schwerer Hypertonie mit oder
ohne hypertensive Organschäden die Morbidität und
Mortalität reduzieren soll, ist eine dauerhafte Blutdrucksenkung über 24 Stunden mit erhaltenem oder wieder
hergestelltem Blutdruckrhythmus notwendig. An diesen
Vorgaben müssen sich jede antihypertensive Wirksubstanz
und jede Therapieform messen lassen. Pharmakokinetik
und Pharmakodynamik der Antihypertensiva sind ganz
wesentlich von der Tageszeit abhängig (4, 5, 8, 10).
Mit Blick auf den zirkadianen Blutdruckrhythmus und die
43
vielfältigen Formen des nächtlichen Blutdruckverhaltens ist
eine individuelle Anpassung der Dosierungsintervalle bei
einigen besonderen Patientenkollektiven zwingend notwendig. Insbesondere eine nächtliche Blutdrucksenkung
und die Wiederherstellung eines normalen zirkadianen
Rhythmus sind wichtige Therapieziele bei Risikopatienten
mit nächtlicher Hypertonie (non dipper) oder einer Inversion des Blutdruckrhythmus (inverted dipper) z. B. bei der
renalen Hypertonie. Betroffen sind insbesondere hypertensive Diabetiker, Patienten mit hypertensiven Organschäden
wie Niereninsuffizienz und Hochdruckherz, und Patienten
mit einem obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom.
Die Verhinderung eines überschießenden morgendlichen
Blutdruckanstiegs ist heute als weiteres Therapieziel defi-
Diese zusätzliche abendliche Therapie ist bei Patienten mit
einer Inversion des zirkadianen Blutdruckrhythmus unumgänglich, um eine ausreichende nächtliche Blutdrucksenkung zu erreichen. Die Nachtabsenkung des Blutdrucks
ist bei älteren Patienten (> 70 Jahre) häufig vermindert.
Bei älteren Hypertonikern hat der nächtliche Blutdruck eine
ganz besondere Bedeutung:
in der australischen nationalen Blutdruckstudie (ANBP 2)
hatte nur der nächtliche Blutdruck eine signifikante Relation zu kardiovaskulären Ereignissen oder Tod, nicht jedoch
der Tagesblutdruck und nicht der Praxisblutdruck.
Abb. 5: Chronopathologie der arteriellen Hypertonie (12). Schematische
Darstellung der Varianten des zirkadianen Rhythmus (Tag-Nacht-Rhythmus)
Abb. 6: Antihypertensive Chronotherapie (12) bei verschiedenen
zirkadianen Phänotypen der Hypertonie
niert, um die Häufung kardio- und zerebrovaskulärer Komplikationen in den Morgenstunden besser zu verhindern.
Um diese Therapieziele zu erreichen, ist eine individuelle
Auswahl der antihypertensiven Substanzen ebenso notwendig, wie das richtige Dosierungsintervall.
mit einer manifesten KHK oder Zerebralsklerose die Gefahr
nächtlicher myokardialer oder zerebraler Ischämien erhöhen. Bei spontaner Blutdrucksenkung > 20 % in der Nacht
(extreme dipper) darf daher keine abendliche Einnahme
des Antihypertensivums erfolgen. Fällt der Blutdruck in
der Nacht sehr stark ab, ist es sinnvoll, nach Maßgabe
der Langzeitmessung am Tage evtl. nur eine Substanz mit
mittellanger Wirkung einzusetzen.
Chronotherapeutisches Vorgehen
Bei der Mehrzahl der Patienten mit primärer Hypertonie ist
ein normaler zirkadianer Rhythmus vorhanden. Hier wird
mit einer langwirksamen Substanz in Monotherapie oder
einer Kombinationstherapie und Einnahme mit dem Aufstehen bei den Patienten mit leichter bis mittelschwerer
Hypertonie eine Blutdrucknormalisierung über 24 Stunden
erreicht.
Auch bei Patienten mit abgeschwächter oder aufgehobener
nächtlicher Blutdrucksenkung ist zunächst ein Therapieversuch mit langwirksamen Substanzen und morgendlicher
Einnahme angezeigt. Sollte hiermit keine ausreichende
nächtliche Blutdrucksenkung erreichbar sein, ist evtl. eine
zusätzliche abendliche Gabe eines Kalziumantagonisten,
eines Alphablockers oder Clonidin angezeigt.
44
Aber auch ein zu starker Blutdruckabfall in der Nacht (extreme dipper) kann bei älteren Patienten, insbesondere
Eine abendliche Dosierung eines Antihypertensivums ist
nur sinnvoll und auch nur erlaubt, wenn mittels ABDM eine
nächtliche Hypertonie nachgewiesen ist.
Tab. 1: Antihypertensive Chronotherapie der Hypertonie
(Therapiesteuerung mittels ABDM Ambulante Blutdruck-Langzeitmessung)
• Morgendosis mit dem Aufstehen einnehmen, „auf der
Bettkante“, um möglichst frühzeitig die antihypertensive Wirkung zu initiieren
• Antihypertensiva mit nachgewiesener Langzeitwirkung
nach ABDM-Kriterien bei unkomplizierter Hypertonie
mit normalem Tag-Nacht-Rhythmus (normal dipper)
• Morgendliche und abendliche Dosierung bei erhöhtem
Tagesblutdruck und unzureichender Nachtabsenkung
des Blutdrucks (non dipper/inverted dipper)
• Antihypertensive Kombinationstherapie und alphaBlocker (z. B. Doxazosin) als abendliche Dosis bei
therapierefraktärer nächtlicher Hypertonie (non dipper/
inverted dipper)
• Keine abendliche Dosierung bei starker Nachtabsenkung
des Blutdruckes (extreme dipper)
• Einnahmezeitpunkt bei Schichtarbeit berücksichtigen
(stets zu Beginn der aktiven Phase)
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45
I-SWOT: Ein Instrument zur Individualisierung medizinischer
Entscheidungen
Yskert von Kodolitsch · Arnim Sachweh
Alexander M. Bernhardt · Tilo Kölbel
Hermann Reichenspurner · Christian Detter
Sebastian Debus
Deutsches Aorten Zentrum Hamburg
am Universitären Herzzentrum der Universitätsklinik, Hamburg-Eppendorf,
Zentrum für Kardiologie und Kardiovaskuläre Chirurgie
Jeder Patient stellt den Arzt vor die Herausforderung, Evidenz und Leitlinienempfehlungen an individuelle Eigenschaften des Patienten anzupassen.
Zu diesen individuellen Eigenschaften zählen Besonderheiten der zu behandelnden Erkrankung, Begleiterkrankungen, Lebensgewohnheiten, und persönliche Präferenzen. Bis heute gibt es kein Instrument, das diese Anpassung
formal erklärt und ermöglicht. I-SWOT ist ein Instrument, das diese Lücke
füllt. I-SWOT besteht aus einer Vierfeldertafel, in deren Kopfzeile wir die
Stärken (Strengths) und Schwächen (Weaknesses) verschiedener Therapieoptionen auflisten. In der Vorspalte der Tafel listen wir die Chancen (Opportunities) und Gefahren (Threats) auf, die ihre Ursache in individuellen Charakteristika des Patienten haben. Es resultiert eine Vierfeldermatrix, die vier
klassische Typen der Strategie darstellt: Erstens, „SO“, als Maximierung von
Stärken und Chancen. Zweitens „WT“, als Minimierung von Schwächen und
Gefahren. Drittens, „WO“, als Minimierung von Schwächen und Maximierung
von Chancen. Viertens, „ST“, als Maximierung von Stärken und Minimierung
von Gefahren.
Die vier Typen der Strategie bilden die vier möglichen Grundvarianten einer
individualisierten medizinischen Strategie ab. Anhand von Fallbeispielen aus
den Fallkonferenzen des Deutschen Aortenzentrums Hamburg illustrieren wir
den Einsatz von I-SWOT.
46
Schlüsselwörter
Aorta, Strategie, SWOT,
Medizinische Entscheidungsfindung,
Evidenz-basierte Medizin
Hintergrund
Arzt und Patient erstreben einen maximalen Erfolg beim Einsatz medizinischer Standards. Dabei steht der Arzt
vor der Herausforderung, Evidenz und
Leitlinienempfehlungen an individuelle Eigenschaften des Patienten anzupassen. Zu den individuellen Eigenschaften des Patienten zählen
Besonderheiten der zu behandelnden
Erkrankung, Begleiterkrankungen,
Lebensstil, und persönliche Präferenzen. Bis heute gibt es kein Instrument,
das die Anpassung medizinischer
Standards an individuelle Eigenschaf-
Die vier Schritte von I-SWOT
1.
Definiere das Ziel der Therapie und das Spektrum
der evidenz-basierten Optionen.
2.
Identifiziere die Stärken und Schwächen
jeder einzelnen Therapieoption (SW-Matrix).
Charakterisiere individuelle Patienteneigenschaften
3. als Chancen und Gefahren für die Therapie
(OT-Matrix).
Erstelle eine Vierfeldertafel der Typen
4. individualisierter medizinischer Strategie
(I-SWOT-Matrix).
Intern Stärken (S)
Extern
bezogen auf Therapie
Schwächen (W)
bezogen auf Therapie
Chancen (O)
bezogen auf
Patient
SO (Maxi-Maxi)
Maximiere S & O
WO (Mini-Maxi)
Minimiere W &
Maximiere O
Chancen-orientierte
Strategie
Gafahren (T)
bezogen auf
Patient
ST (Maxi-Mini)
Maximiere S &
Minimiere T
Stärken-orientierte
Strategie
WT (Mini-Mini)
Minimiere W & T
Abbildung 1: I-SWOT-Matrix zur Erfassung der therapiebezogenen
Stärken und Schwächen gegenüber den patientenbezogenen Chancen
und Gefahren für den Behandlungserfolg
Abbildung 2: Vier Schritte zur Etablierung einer individualisierten
medizinischen Strategie
ten des Patienten in Form einer formalen Methode erklärt
oder systematisch anleitet. I-SWOT ist ein Instrument, das
diese Aufgabe erfüllt. Im vorliegenden Aufsatz skizzieren
wir den Einsatz von I-SWOT am Deutschen Aortenzentrum
Hamburg (DAZH). Eine ausführliche Darstellung von I-SWOT
liegt vor (1), die Darstellung der theoretischen Grundlagen
findet sich als open access Publikation unter folgendem
Link:http://cogentoa.tandfonline.com/doi/full/10.1080/233
1205X.2015.1109742" (2).
wie er Stärken und Schwächen verschiedener Therapieoptionen in Abwägung von patienten-assoziierten Chancen
und Gefahren zum optimalen Erfolg der Therapie nutzen
kann. Wir verwenden die Bezeichnung „I-SWOT“ als „individualisierte SWOT Analyse“, um zu verdeutlichen, dass ISWOT eine Methode ist, mit der Ärzte Standards der medizinischen Leitlinien und evidenz-basiertes Wissen so auf
individuelle Patienten anwenden, dass sie einen maximalen Erfolg der Therapie erzielen können.
Was ist die Idee von I-SWOT?
Die vier Grundvarianten individualisierter
medizinischer Strategie
Die SWOT-Analyse ist ein klassisches Instrument zur strategischen Planung. Beispiele der erfolgreichen Anwendung
finden sich in der Kampfkunst, im Management, und in der
Projektplanung (3). SWOT erreicht maximalen Erfolg indem
es eigene Stärken (Strengths) und Schwächen (Weaknesses) mit den Chancen (Opportunities) und Gefahren (Threats) vergleicht, die sich aus der Umwelt ergeben. Aus diesem Vergleich leitet der Entscheider eine „Strategie“ zur
Vorgehensweise ab. So überlegt ein Kämpfer, wie er eigene
Stärken und Schwächen erfolgreich einsetzt, um die vom
Gegner ausgehenden Chancen und Gefahren optimal für
seinen Sieg zu nutzen. In ähnlicher Weise überlegt der Arzt,
Wir führen I-SWOT als Vierfeldertafel aus, in deren Kopfzeile
wir die Stärken und Schwächen verschiedener Therapieoptionen auflisten. In der linken Spalte der Tafel tragen wir die
Chancen und Gefahren auf, die ihre Ursache in individuellen Charakteristika des Patienten haben. Es resultiert eine
Matrix, die vier klassische Typen der Strategie darstellt (Abbildung 1):
Die SO Strategie maximiert beides, therapeutische Stärken
und patienten-bezogene Chancen (Typ Maxi-Maxi). Diese
Strategie bietet sich in Situationen an, in denen Stärken
47
Therapiebezogene
Möglichkeiten
Stärken (S)
Schwächen (W)
Patientenbezogene
Möglichkeiten
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
Chancen (O)
(SO) Maxi-Maxi Strategie
(WO) Mini-Maxi-Strategie
Gefahren (T)
(ST) Maxi-Mini Strategie
(WT) Mini-Mini Strategie
I-SWOT Matrix für:
Aortenwurzel Aneurysma
Patient: Name, Vorname
Tag der Prüfung: 15.07.2015
Keine Operation (S1)
Konservative Therapie (S2)
Keine Antikoagulation (S3)
Erhalt native Klappe (S4)
Endokarditis selten (S5)
Kein kardiopulmonaler Bypass (S6)
Gute Ergebnisse (S7)
Kürzere Klemmzeit (S8)
Lebenslange Haltbarkeit (S9)
Standardprozedur (S10)
Kein sicherer Schutz (W1)
Unverträglichkeit (W2)
Innovative Therapie (W3)
Erfahrung notwendig (W4)
Nicht nicht verfügbar (W5)
Lange Abklemmzeit (W6)
Reoperation (W7)
Prothesen-Patienten-Mismatch (W8)
Orale Antikoagulation (W9)
Endokarditisrisiko (W10)
Abbildung 3: Beispiel eines standardisiertes Formulars für I-SWOT Analyse am Deutschen Aortenzentrum Hamburg
und Chancen günstig sind. Beispielsweise kann bei einem
Aneurysma der Aorten-Wurzel der Einsatz einer vielversprechenden, innovativen Technik trotz fehlender Langzeitergebnisse erwogen werden, wenn sich ein gebildeter, einsichtsfähiger, risikobereiter und stark motivierter Patient
dazu bereit erklärt. Eine Gefahr dieses Strategietypus ist
die Überschätzung von Stärken und Chancen.
Die WT Strategie minimiert beides, therapeutische Schwächen und patienten-bezogene Gefahren (Typ Mini-Mini).
Diese Strategie bietet sich in prekären Situation an, wenn
Therapieoptionen minimal und Gefahren maximal sind. So
minimiert ein Arzt die Therapie eines Patienten mit akuter
Dissektion der Aorta aszendens auf Schmerztherapie und
Blutdrucksenkung, weil in seinem Hause kein Herzchirurg
verfügbar ist. Zudem möchte er der Gefahr eines Transportes in ein Herzzentrum aus dem Wege gehen. Mini-MiniStrategien bringen aber selten therapeutischen Erfolg. Wir
sollten Situationen vermeiden, in denen diese Strategie
nötig wird, oder wir sollten diese Strategie einsetzen, um
Zeit zu gewinnen für die Verbesserung der Ausgangslage.
chen dominieren, während das Umfeld erfolgversprechende Chancen bietet. Der oben genannte Arzt könnte
einen Helikopter ordern, um den Patienten mit Aortendissektion in ein herzchirurgisches Zentrum zu verlegen. Dieser Arzt überbrückt Schwächen der Therapie durch Maximierung der Chancen. Prinzipiell sollten Ärzte oder Kliniken
therapeutische Schwächen reduzieren und Stärken ausbauen.
Die ST Strategie maximiert eigene Stärken und minimiert
Gefahren (Stärken-orientierte Strategie). Klassisch sind nahezu hoffnungslose Situationen, in denen Ärzte die Gefahr
nur durch maximales Ausspielen therapeutischer Stärke
überwinden. Beispielsweise überwinden Chirurgen der
Baylor Clinic das akute Risiko einer Ruptur bei progressiver
Ausdehnung einer Aortendissektion vom Typ Crawford-II
durch den einzeitig vorgenommenen Ersatz der gesamten
Aorta (4). Stärken-orientierte Strategien müssen sich wappnen gegen Leichtsinn und Selbstüberschätzung.
Die vier Schritte von I-SWOT
Die WO Strategie minimiert Schwächen und maximiert
Chancen (Chancen-orientierte Strategie). Ärzte bevorzugen
diese Strategie in Situationen, in denen die eigenen Schwä-
48
SWOT ist eine Technik, die intuitiv angewendet werden
kann: Ein Boxer wägt seine Fähigkeiten gegen die des
Therapieoption
Stärken (S)
Schwächen (W)
(1) Konservative Therapie
· Vermeidung einer Operation (S1)
· BAB und ARB verlangsamen die Progression einer Aorten-Erkrankung (S2)
· Weitere Stärken: S3–S6
· Kein sicherer Schutz vor Ruptur
der Aortenwurzel (W1)
· Arzneimittelunverträglichkeit und Möglichkeit der Nichtwirksamkeit von BAB und
ARB (W2)
(2) Personalisierte externe
Aortenwurzel Stabilisierung
(PEARS) (5)
·
·
·
·
· Innovative Therapie mit sehr dünner
Datenlage sowie Eignung nur für
Patienten bei kleinen Durchmessern
der Aorta (üblicherweise <4.5 cm) (W3)
· Erfolg ist abhängig vom Operateur (W4)
· Technik wird weltweit nur an einem
Zentrum eingesetzt (W5)
(3) Reimplantation der
Aortenklappe nach David (6)
· Keine orale Antikoagulation (S3)
· Vermeidung von Prothesen-PatientenMismatch (S4)
· Geringes Risiko für Endokarditis (S5)
· Gute Ergebnisse am DAZH (S7)
· Erfolg ist abhängig vom Operateur (W4)
· Lange Klemmzeiten (W6)
· Re-Operation wegen Aortenklappeninsuffizienz (W7)
(4) Ersatz der Aortenwurzel
nach Bentall mit biologischer
Klappenprothese (7)
· Keine orale Antikoagulation (S3)
· Kürzere Klemmzeit und leichtere Durchführung, als bei David Operation (S8)
· Re-Operation wegen Aortenklappeninsuffizienz (W7); Prothesen-Patienten-Mismatch
(W8)
(5) Ersatz der Aortenwurzel
nach Bentall mit mechanischer
Klappenprothese (8)
· Lebenslange Haltbarkeit (S9)
· Etablierte Standardprozedur mit guten
Langzeitergebnissen (S10)
·
·
·
·
Keine orale Antikoagulation (S3)
Erhaltung der nativen Aortenklappe (S4)
Geringes Risiko für Endokarditis (S5)
Vermeidung eines kardiopulmonalen
Bypasses (S6)
Prothesen-Patienten-Mismatch (W8)
Orale Antikoagulation (W9)
Hohes Risiko für Endokarditis (W10)
Geräuschbelästigung durch mechanische
Klappenprothese (W11)
ARB, Angiotensin-II-Rezeptor Blocker; BAB, Beta-Blocker; DAZH, Deutsches Aortenzentrum Hamburg
Tabelle 1: Evidenz-basierte Therapieoptionen zum Schutz vor Ruptur bei Aneurysma des Aortenbulbus: Stärken-Schwächen Matrix
Gegners ab, ohne eine Vierfeldertafel anzufertigen. Auch
klinische Entscheidungen fällen wir meistens, ohne expliziten Einsatz von Entscheidungstechniken. In den Fallkonferenzen am Deutschen Aorten-Zentrum Hamburg setzen wir
I-SWOT ebenfalls häufig ohne die im Folgenden dargestellte
formalisierte Vorgehensweise ein.
Die folgende Darstellung dient der Verdeutlichung der
Vorgehensweise, die wir in vier Schritten vollziehen:
1. Definiere das Ziel der Therapie und das Spektrum der
evidenz-basierten Optionen. In diesem Schritt analysieren wir die klinische Problematik eines Patienten mit
Aorten-Erkrankung, um ein Therapieziel zu formulieren.
Beispiele eines solchen Ziels sind (i) „Schutz vor Ruptur
bei Aneurysma des Aortenbulbus“, oder (ii) „Verhinderung eines Progresses der Falschlumenexpansion bei
chronischer Aortendissektion vom Typ Stanford B“, oder
(iii) „Stabilisierung der Aorta bei gedeckt rupturiertem
Bauchaortenaneurysma“. Für jedes dieser Therapieziele
beschreiben wir das Spektrum evidenz-basierter Optionen der Therapie. Wir wählen hier das Beispiel eines
Patienten bei dem für das Therapieziel (i) „Schutz des
Patienten vor Ruptur eines Aneurysma des Aortenbulbus“ nach Leitlinien-Empfehlung fünf verschiedene
Optionen in Betracht kommen: Rein medikamentöse
Therapie mittels Beta-Blockern (BAB) oder Angiotensin-IIRezeptor Blockern (ARB), elektiver Ersatz der Aortenwurzel in alternativen Verfahren in der PEARS-Technik nach
Treasure (5), in der Technik nach David (6), in der Technik nach Bentall mit biologischer Aortenklappe (7), oder
in der Technik nach Bentall mit mechanischem Klappenersatz (8).
2. Identifiziere die Stärken und Schwächen jeder einzelnen Therapieoption (SW-Matrix). Dieser Schritt erfordert die systematische Erfassung der Stärken und
Schwächen jeder therapeutischer Option, wobei wir Informationen aus Studien, Einzelfallberichten, Leitlinien
und aus unserer eigenen Erfahrung in einer Matrix zusammentragen, die das Stärken-Schwächen Profil sämtlicher Therapieoption für jedes definierte Therapieziel
darstellt. Tabelle 1 zeigt das Beispiel einer SW-Matrix für
das Therapieziel „Schutz des Patienten vor Ruptur bei
Aneurysma des Aortenbulbus“.
49
3. Charakterisiere individuelle Patienteneigenschaften
als Chancen und Gefahren für die Therapie (OT-Matrix). Der Kern einer individualisierten Behandlungsstrategie ist die Anpassung medizinischer Standards an
die individuellen Charakteristika des Patienten (9). Im
dritten Schritt der I-SWOT Analyse erfassen wir kritische
individuelle Qualitäten der Patienten, die eine Chance
oder eine Gefahr für die Therapie darstellen.
Prinzipiell erfassen wir diese individuellen Qualitäten in
drei relevante Dimensionen: (i) Physische Besonderheiten, wie Charakteristika der zu behandelnden AortenPathologie, Komorbiditäten, Vormedikation, Allergien,
und physische Resilienz-Faktoren; (ii) soziale Besonderheiten, wie Familie, Wohnverhältnisse, finanzielle Ressourcen und andere sozio-ökonomische Resilienz-Faktoren; (iii) psychische und intellektuelle Faktoren, wie
Einsichtsfähigkeit, Kooperativität, Bildungsstand, psychische Erkrankungen wie Schizophrenie oder Depressionen, Optimismus, Motivation, Risikoaffinität, und
psychische und mentale Resilienz-Faktoren. Schließlich
erfassen wir die individuellen Werte und Präferenzen
unserer Patienten, sofern sie Einfluss auf die Erreichung
des Therapiezieles haben. Abschließend bewerten wir
alle individuellen Faktoren unserer Patienten als Chancen oder als Gefahren bei der Erreichung des Therapiezieles und tragen diese in eine OT-Matrix ein.
4. Erstelle eine Vierfeldertafel der Typen individualisierter medizinischer Strategie (I-SWOT-Matrix). Im letzten
Schritt von I-SWOT entwickeln wir vier Typen alternativer
Strategien für einen individuellen Patienten. Jede Strategievariante ist evidenzbasiert und ist prinzipiell geeignet das angestrebte Therapieziel zu erreichen. Technisch
gehen wir so vor, dass wir für viele Standardtherapieziele mit vorgefertigten I-SWOT-Formularen arbeiten. Das
Beispiel eines solchen Formulars für das Therapieziel (i)
„Schutz vor Ruptur bei Aneurysma des Aortenbulbus“
zeigen wir in Abbildung 3 Die Kopfzeile für dieses Therapieziel ist bereits fertig im Formular ausgefüllt.
Wir listen in der Kopfzeile alle Stärken und Schwächen
unabhängig von den einzelnen Therapieoptionen auf
(siehe Schritt 2 und Tabelle 1). Im Gegensatz zur Kopfspalte ist die erste Spalte im Vordruck der I-SWOT-Matrix
nicht ausgefüllt: Hier tragen wir die individuellen Charakteristika unserer jeweiligen Patienten als Chancen
oder Gefahren für die Erreichung des Therapiezieles ein.
50
Beispiele für die Anwendung von I-SWOT
Als Beispiel denken wir uns einen männlichen, 32-jährigen
Patienten mit Marfan-Syndrom, der einen Progress seiner
Aortenwurzel-Dilatation von 4,3 cm im Vorjahr auf aktuell
4,6 cm entwickelt hat. Alle fünf oben dargestellten Therapieoptionen zur Erreichung des Therapieziels „Schutz vor
Ruptur bei Aneurysma des Aortenbulbus“ kommen nach
Empfehlung aktueller Leitlinien für den Patienten in Betracht. Wir zeigen jetzt beispielhaft auf, wie der oben vorgestellte Patient durch Variation einiger psychischer Charakteristika für jeweils eine individuelle Variante der vier
Grundtypen medizinischer Strategie besonders geeignet
erscheint:
SO-Strategie: Hier stellen wir uns oben genannten Patienten als kerngesunden, beruflich erfolgreichen Ingenieur
vor, der in der Lage ist, seine Erkrankung nüchtern zu analysieren und seine Chancen realistisch abzuschätzen. Ihn
fasziniert die innovative PEARS-Technik, und er beschließt
nach England zu fahren, um sich von einem der international führenden Spezialisten operieren zu lassen. Hier verfolgt der Patient eine Maxi-Maxi-Strategie.
WT-Strategie: Hier handelt es sich um den gleichen Patienten, von dem wir uns jetzt vorstellen, dass er ängstlich und
abergläubisch ist, Joga macht, und bereits seit Jahren erkannt hat, dass westliche Medizin der Gesundheit schadet.
Es gelingt Ihnen mit Mühe, den Patienten auf einen ARB
einzustellen und ihn davon zu überzeugen, zu einer jährlichen transthorakalen Echokardiographie der Aorta zu
erscheinen. Hier liegt eine Mini-Mini-Strategie vor.
ST-Strategie: Alternativ könnte der Patient auch Doktor der
Anthropologie sein, der von unstillbarem Ehrgeiz getrieben
ist und darauf besteht, die nächsten fünf Jahre ohne Kontakt zur Zivilisation das Leben von Eingeborenen eines tropischen Regenwaldes zu beforschen. Sie unterziehen den
Patienten vor seiner Abreise in den Dschungel einer David
Operation, durch die Sie die Notwendigkeit einer im Regenwald nicht sicher durchführbaren oralen Antikoagulation
vermeiden und das Risiko einer Endokarditis minimieren.
Sie setzen darauf, dass Sie durch sichere Beherrschung
der komplexen Operationstechnik eine dauerhaft haltbare
Rekonstruktion der Aortenklappe erzielen. Das Vorgehen
entspricht einer Stärken-orientierten Strategie, durch die
Sie die Gefahren minimieren, die sich aus der mangelnden
Einsichtsbereitschaft des Patienten ergeben.
WO-Strategie: Schließlich malen wir uns den Patienten als
einen sicherheitsbewussten Postbeamten aus, der als
Junggeselle in seiner Freizeit mit Leidenschaft Kreuzworträtsel löst und Puzzlespiele zusammensetzt. Sie versorgen
den Patienten mit einem mechanischen Aortenklappenersatz nach Bentall und unterweisen ihn im Gebrauch eines
Gerätes zum Gerinnungs-Selbstmanagement: Als Standardtechnik mit guten operativen Ergebnissen und maximaler
Haltbarkeit der Klappenprothese erfüllt dieser Operationstyp das Sicherheitsbedürfnis des Patienten. Die orale Antikoagulation als Schwäche der Prozedur minimieren Sie
durch die zu erwartende Akribie des Patienten bei der INRSelbstmessung. Es handelt sich um eine Chancen-orientierte Strategie, die die Schwächen der Therapie minimiert,
und die Chancen maximiert, die sich aus der Sorgfalt des
Patienten ergeben.
Schlussfolgerungen
I-SWOT ist eine Methode, die medizinische Standards in
Form von Evidenz und Leitlinien an die individuellen Gegebenheiten eines Patienten anpasst und so den Erfolg der
medizinischen Therapie maximiert. I-SWOT verdeutlicht,
dass es eine Wahl zwischen vier Grundtypen der Strategie
gibt, und dass die persönliche Haltung von Arzt und Patient
zu eigenen Stärken und Schwächen und zu externen Gefahren und Chancen bei der Wahl der Strategie von Bedeutung
ist. Wir glauben, dass künftige Leitlinien neben evidenzbasierte Empfehlungenn auch Stärken-Schwächen-Matrices
der alternativen Therapieoptionen liefern sollten.
Literatur
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Medical thought style in the tradition of Kant and Clausewitz. Z HerzThorax- Gefäßchir. 2013; 27(4): 282–9.
Das Potenzial von I-SWOT im Rahmen der studentischen
Ausbildung erscheint erheblich – besonders, weil I-SWOT
individualisierte Entscheidungen methodisch nachvollziehbar macht. Da die I-SWOT Analyse in ihrem Formalisierungsgrad flexibel ist, kann der Zeitaufwand leicht situationsgerecht angepasst werden. Der Einsatz standardisierter
Formulare hält den Zeitaufwand der Methode auch bei
hohem Formalisierungsgrad gering. Nach unserer Erfahrung
ist I-SWOT ein einfach bedienbares Instrument, das die
Qualität medizinischer Entscheidung im Sinne von individueller Patientenorientierung verbessert.
Strategien, die in der vorliegenden Darstellung am Beispiel
einer Aortenerkrankung diskutiert wurden, lassen sich
selbstverständlich auch auf andere Krankheitsbilder,
wie z.B. die pulmonalarterielle Hypertonie, übertragen.
51
Impressum
Herausgeber
Deutsches Herzzentrum München
Klinik für angeborene Herzfehler
und Kinderkardiologie
Klinik an der Technischen
Universität München
Lazarettstraße 36 · 80636 München
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Redaktionsleitung
Prof. Dr. Dr. Harald Kaemmerer
Prof. Dr. med. Peter Ewert
Feedback, Fragen, Kritik und
Anregungen richten Sie bitte an
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Layout, Satz & Druck
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mit ausdrücklicher Genehmigung des Herausgebers ⁄
der Autoren gestattet.
Notizen
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Notizen
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Anregungen richten Sie bitte an:
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ISSN 2198-8811