New York mal zwei

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New York mal zwei
Reisen
HOHE EFFIZIENZ
14. OKTOBER 2012
Abheben Seite 85
Warum Websites
mit Videos aus dem
Cockpit Kultstatus haben
Abschalten Seite 86
Warum Redaktor Faust
ein Assistenzsystem für
Nebellampen fordert
OBERSTER KOCH
Warum BMW Wert
aufs Gewicht legt
Florian Trento über
chinesische Essgewohnheiten
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New York mal zwei
Es gibt wenige Metropolen auf der Welt, in der jede Generation ihr Glück findet. Der Big Apple ist so eine Stadt.
Er macht süchtig. Zwei Journalisten unterschiedlichen Alters zeigen ihr ganz persönliches New York
Entdeckung der Langsamkeit: Stefanie Rigutto, 32, mit Mietvelo auf dem Times Square. Entdeckung eines Klassikers: Roger Anderegg, 68, verfällt der Grand Central Oyster Bar
LESEN SIE DIE REPORTAGEN AB SEITE 82
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Das schönste Package kommt nicht im Geschenkpapier.
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Wir stimmen Sie auf die Weihnachtszeit ein: 2 Übernachtungen inklusive Garden Breakfast, weihnachtliches 3-Gang-Menü im Garden Restaurant, Drink in der Bar,
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New YorkReisen
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14. OKTOBER 2012
Starke Gerüche, knackige Surfer ...
Von Newtown Creek nach Rockaway Beach: Auch beim siebten Besuch wird New York nicht langweilig
Hipster-Szene: Rockaway Beach. Schöne Aussichten: Die «Verdauungseier» der Kläranlage Newtown Creek
kann man besteigen, Surferparadies Rockaway Beach. Ankunft im gelobten Land: Museum auf Ellis Island
Stress! Um ein Haar werde ich
von einem Taxi gerammt
New York produziert nicht nur
viel Dreckwasser, auch die Luftverschmutzung zählt weltweit zu
den höchsten. Bürgermeister Michael Bloomberg will dies ändern
und hat nach Hybridbussen nun
auch ein Bike-Sharing-System angeschoben, wie es Paris schon
lange kennt. Der Start musste
allerdings vom August dieses Jahres auf März 2013 verschoben
werden. Das Problem: Wo stellt
man die Velostationen hin? Trotzdem, der Wille ist da: Ein paar
Velowege sind bereits gebaut.
Ich miete mir im Battery Park
ein Velo und fahre auf einem abgetrennten sicheren «Greenway»
– der Boden ist grün bemalt – den
Fluss entlang. Dann alles die
1. Avenue hinauf. Der Asphalt ist
noch ganz schwarz, die Markierung glänzt, und Velo-Lichtsignale gibt es auch. Der Weg gefällt
Skateboardern und chinesischen
Töff-Kurieren ebenfalls. Ich kurve durch das East Village, vorbei
an der UNO bis nach Midtown. Es
ist eine Freude! Bei der 50. Strasse jedoch ist Schluss – jetzt beginnt das Chaos. Unachtsame
Autofahrer, Trucks, Baustellen.
Selbstmord! Um ein Haar werde
ich von einem Taxi gerammt. Erst
auf dem Broadway wartet erneut
ein Greenway. Und so fahre ich
erleichtert, noch am Leben zu
sein, ganz freiwillig zu den Leuchtreklamen des Times Square.
Ich habe so Spass daran, New
York auf dem Velo zu erkunden,
Die Reise wurde unterstützt von
Swiss International Air Lines
Apollo Theater, Nuyorican Poets Cafe
NEW
JERSEY
NEW YORK
LITTLE ITALY
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Apollo Theater, Harlem
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Die Scheisse der New Yorker –
excuse my language! – ist Jim
Pynns Leben. Er leitet die grösste Kläranlage der Stadt und ist ein
leidenschaftlicher Fan von dreckigem Wasser. «Es verrät mir viel
über das Leben in Manhattan»,
sagt der 58-Jährige. Werktags um
etwa 9.30 Uhr registriere er jeweils eine Zunahme aus der Gegend um die Wall Street. «Die
Banker kommen um diese Zeit ins
Büro und gehen als Erstes auf die
Toilette», sagt er grinsend. In den
80ern seien seine Filter voll gewesen mit Tausenden von Crackampullen, heute jedoch ärgerten
ihn die Sojasprossen von den illegalen Plantagen in Chinatown,
welche die Filter verstopften.
Es mag seltsam erscheinen, als
Touristin in New York eine Kläranlage zu besuchen. Ich war in
den letzten zehn Jahren sechsmal
hier – und jedes Mal fragte ich
mich, wo eigentlich all der Dreck
dieser Riesenstadt hingeht. New
York hat 14 Kläranlagen.
Nach Newtown Creek –
es liegt in einer Industriezone in Greenpoint, Brooklyn –
gelangt das Abwasser von über einer
Million Menschen.
Berühmt ist die Anlage wegen der «Digester
Eggs», der Verdauungseier: Riesige, eierförmige
Stahltanks, die den Klärschlamm
verdicken. Sie werden nachts blau
beleuchtet und sind fast schon
eine Sehenswürdigkeit von New
York, na ja, zumindest von Brooklyn. Einmal pro Monat führt Jim
Pynn durch seine Anlage; heute
sind 40 Personen gekommen.
Während des Vortrags wird er
unterbrochen: «Es ist 10.03 Uhr»,
sagt einer. Heute ist 9/11. Pynn
fordert uns zu einer Schweigeminute auf und erzählt, dass drei seiner Freunde bei den Anschlägen
ums Leben gekommen seien. Seine Stimme bricht, Tränen steigen
ihm in die Augen. Wir Besucher
schauen uns peinlich berührt an.
Pynn sagt: «Thank you!», und
spricht weiter über Mikroorganismen. Schliesslich fahren wir mit
einem Lift auf die Spitze der Eier.
Manhattan grüsst in der Morgensonne, doch die Aussicht muss
man sich verdienen: Es stinkt wie
in einem Kompostkübel.
Beim siebten Mal in New York
verspürt man nicht mehr das Bedürfnis, über den Times Square zu
spazieren (ich tu es dann doch,
Sie werden sehen ...). Die üblichen
Sehenswürdigkeiten lasse ich
links liegen – wobei, da wäre noch
die eine, die schon lange auf der
Liste steht, für die ich aber nie
Zeit hatte (ein typisches NYCSyndrom): Ellis Island.
Zwölf Millionen Immigranten
wurden zwischen 1892 und 1924
über die Insel am südlichen Zipfel
von Manhattan geschleust. Hier
wollte ich schon immer mal Ahnenforschung betreiben: Am
Computerterminal gebe ich meinen Namen ein. Kostet sieben
Dollar. Der Computer spuckt tatsächlich zwölf Personen mit dem
Namen Rigutto aus, vier Erwachsene, acht Kinder, die damals aus
Italien eingereist sind. Sie waren
arm, denn die Reichen mussten
nicht durch Ellis Island, sie wurden auf den Schiffen abgefertigt.
Nach der Landung liefen sie eine
dass ich weiter nach Brooklyn
radle und von dort alles nach
Coney Island und dann nach
Rockaway Beach. Der Mordsritt
dauert drei Stunden. Da waren die
Ramones schlauer: «It’s not hard,
not far to reach, we can hitch a
ride to Rockaway Beach», sangen
sie 1977. Es ist der längste Stadtstrand der USA, und die Promenade entwickelt sich gerade zur
neuen Bedford Avenue, die Hipster-Strasse von Williamsburg. Es
sind die Anti-Hamptons: Hier sitzen Künstlertypen, die einen Chorizo Taco verdrücken, den Saft
von den Fingern lecken und alles
mit einem Wassermelonensaft herunterspülen. Surfer werfen sich
in die Wellen – sie waren die Ersten, die hierherkamen, bereits vor
2005, als Surfen noch illegal war.
Alles, was man hört, ist das Kreischen der Möwen, das Rauschen
der Wellen, das Säuseln des Windes. Sind wir noch in New York?
Zurück in der Lower East Side
nehme ich die Hausschlüssel hervor. Ich habe mir ein Zimmer über
das Onlineportal Airbnb.com gebucht; es vermittelt Privatunterkünfte. Hotelzimmer in New York
sind unglaublich teuer – bei Lauren, meiner Gastgeberin, zahle ich
80 Dollar pro Nacht. Sie ist 28
Jahre alt und hat in Yale russische
Literatur studiert. Die Miete ihrer
Miniwohnung beträgt 3000 Dollar. Sie sagt: «Es gibt wohl keine
andere Stadt, wo Paare schon
nach vier Monaten zusammenziehen. Die Miete ist einfach zu
hoch.» Es ist wie in einer WG: Wir
teilen uns Bad, Küche, Stube. Auf
meinem Nachttisch steht eine
Dose mit grünen Ohrstöpseln.
Morgens um drei Uhr weiss ich,
warum: donnernde Trucks, Müllmänner, Ausgehvolk. «The city
that never sleeps» – genau deshalb werde ich ihr treu bleiben.
Treppe in die Registrierungshalle
hinauf; die Ärzte wollten schauen,
ob sie fit waren. Danach klappte
man ihnen das Augenlid nach
hinten, um sie auf eine Bindehautentzündung zu untersuchen.
Meine Ahnen durften einreisen,
wie ich der Kopie des Registrierbuches entnehme. Was wohl aus
ihnen geworden ist?
Ethel Barrymore Theater
LaGuardia
Flughafen
Grand Central Oyster Bar
Kläranlage Newtown Creek
CHINATOWN
9/11 Memorial
GREENPOINT
Nuyorican Poets Cafe
LOWER EAST SIDE
SoZ Candrian
FOTO: LAIF
VON STEFANIE RIGUTTO (TEXT)
UND KATJA HEINEMANN (FOTOS)
ELLIS
ISLAND
UP P ER B AY
PRO SPE CT
PAR K
BROOKLYN
AND
CONEY ISL
LO WER B AY
2 km
ROCKAWAY BEACH
ATLANTIK
Bombastische
Betriebsamkeit:
9/11 Memorial,
Kung-Fu-Training in
Chinatown, Ruhepause
in Little Italy, Empire
State Building
... und brennende Füsse
Wer in Manhattan eine Heimat sucht, muss viel laufen und wird fündig in Little Italy und Chinatown
VON ROGER ANDEREGG (TEXT)
UND KATJA HEINEMANN (FOTOS)
Zeitig am Morgen die Stadtrundfahrt auf dem Doppeldeckerbus.
Dann auf dem Ausflugsboot hinüber nach Ellis Island, wo sie einst
ankamen, die Glückssucher aus
aller Welt. Anstehen vor dem 9/11
Memorial, vormals Ground Zero
genannt, heute eine würdige Gedenkstätte mit riesigen Wasserbecken. Dann als Kontrast die laute, eitle Aufgeregtheit auf dem
Times Square. Und schliesslich,
im Abendlicht, der Blick vom Empire State Building auf diese ganze bombastische Betriebsamkeit.
Gerade wenn der Mensch so
überschüttet wird mit optischen,
akustischen und emotionalen
Eindrücken, braucht er dringend
einen Ort, an dem er sich zu Hause fühlt. Der Erste, der mir hilft,
mich einzuordnen in die Millionenstadt, ist Angelo, Kellner im
Ristorante Grotta Azzurra in
Little Italy. Er serviert mir jeden
Morgen das «Breakfast Special»
mit Speck und drei Spiegeleiern
«sunnyside up», das mir helfen
wird, den Tag mindestens physisch zu bewältigen. Bei den Italos habe ich mich schon immer
wohlgefühlt. Nur: In Little Italy,
dessen Pizzaioli vorwiegend aus
Südamerika stammen, ist kaum
ein Italiener zu finden, und falls
noch einer da ist, will er keiner
sein. «Sehe ich vielleicht aus wie
ein Italiener?», schnödet Angelo,
und ich begreife: Würde ich das
jetzt bestätigen, wäre es für ihn
eine Beleidigung. «I am an American – ich bin Amerikaner», sagt
er sehr bestimmt.
Doch schon im angrenzenden
Quartier ist alles ganz anders.
Hier geht Little Italy nahtlos in
Chinatown über. Zwischen Kisten
und Schachteln mit frischem Obst
und Gemüse und den Körben und
Kübeln des Fischhändlers führt
eine Kellertreppe in den Salon
von Zheng, der Fuss- und Rückenmassagen anbietet und Akupunktur. Die Menschen sind am
Einkaufen, alle wuseln durcheinander und bleiben auf einen kurzen Schwatz stehen, und wenn
ich hier jemanden frage, ob er nun
Chinese sei oder Amerikaner,
schaut er mich wortlos an. Er
spricht gar kein Englisch.
Im Columbus Park, gleich um
die Ecke, wird klar, dass ich eher
in China bin denn in Amerika. An
langen Tischen sitzen unter Sonnenschirmen Frauen und Männer, meist nach Geschlecht getrennt, und beugen sich über Karten und Würfel. Alle folgen konzentriert dem Spiel, und ein guter
Zug provoziert beifälliges Raunen. Oben im Pavillon bewegen
sich wie in einem Schattentheater
zwei Gestalten beim Tai-Chi, und
unter den Bäumen fiedelt eine
Rentnerband auf archaischen Instrumenten.
Grösster Bahnhof, grösste
Weinkarte, die besten Austern
Das ist New York mit seinem Völkergemisch, New York, der
Schmelztiegel. Alle sind unterwegs, alle sind in Eile, und alle
scheinen vollauf damit beschäftigt, den amerikanischen Traum,
die Blitzkarriere vom Tellerwäscher zum Multimillionär, zu vollziehen, den nationalen Mythos
einer Gesellschaft, in der jeder es
schaffen kann. «Wenn du es hier
schaffst, schaffst du es überall»,
trällert Frank Sinatra in meinen
Ohren. Und die, die es geschafft
haben, die zeigen es dann auch.
Die besten Tipps für New York City
Anreise Swiss fliegt nicht nur
nonstop ab Zürich zum Flughafen
JFK, sondern seit März auch nach
Newark. Der Flughafen auf der
Jersey-Seite ist kleiner als JFK,
die Wege kürzer. Und beim Anflug
abends um 20.30 Uhr hat man
eine tolle Sicht auf Manhattan, von
Ground Zero ragen zwei Lichtkegel in den schwarzen Nachthimmel. Ab ca. 700 Franken, www.
swiss.com. Weitere Direktverbindungen nach New York gibt es mit
American Airlines und United.
Die Tipps von Stefanie Rigutto
q Rockaway Taco, Beach 96th
Street, Rockaway Beach,
www.rockawaytaco.com
q The Fat Radish, Lower East
Side: hervorragendes Lokal mit
Fokus auf Radieschen,
www.thefatradishnyc.com
q Ellis Island: Abfahrt ab Battery
Park mit Statue Cruises, Fahrt u.
Eintritt ca. 17 Dollar, www.statuecruises.com, www.ellisisland.org
q Digester Eggs Tour, Newtown
Creek: Monatliche Gratis-Führung, Anmeldung erforderlich:
http://www.nyc.gov/html/dep/
html/environmental_education/
newtown_visitors_center.shtml
q App: Unverzichtbar ist die
kostenfreie NYC Subway Map
(von mxData): Nicht nur hat man
den ganzen Metro-Plan auf dem
iPhone, man kann auch den
schnellsten Weg berechnen.
q Airbnb.com: Vermittler von
günstigen Privatunterkünften,
mittlerweile sind weltweit über
200 000 Schlafplätze online.
q Velofahren: Bike Sharing,
www.citibikenyc.com (ab Frühling
2013); Velomiete, www.bike
androll.com (diverse Standorte);
Velokarte, www.nycbikemaps.com
und www.nyc.gov/html/dot/
downloads/pdf/2012_nyc-cyclingmap.pdf (Karte 2012 zum Ausdrucken – angenehm fahrbar in Manhattan sind nur die «Greenways»)
Die Tipps von Roger Anderegg
q Stadtrundfahrt mit Gray Line.
Das 48-Stunden-Ticket zu 54 USDollar berechtigt zu vier verschiedenen Rundfahrten. www.newyorksightseeing.com
q New York City Pass: Sechs Eintritte in Museen und für andere
Sehenswürdigkeiten im Zeitraum
von neun Tagen; 89 US-Dollar,
www.citypass.com
q Grand Central Oyster Bar: Bestehen Sie darauf, dass Austern,
Fisch und Meeresfrüchte ohne
Saucen, nur mit Zitrone serviert
werden. Beeindruckende Weinkarte! www.oysterbarny.com
q Nuyorican Poets Cafe: PoetrySlam jeweils Fr, 22 Uhr, und Mi,
21 Uhr, www.nuyorican.org
q Ethel Barrymore Theater: Musical «Chaplin», www.newyorkcitytheatre.com
q Apollo Theater: Amateur Night
jeweils Mittwoch, 19.30 Uhr, www.
apollotheater.org
q Night Court im Criminal Court
Building, 100 Centre Street/Ecke
Hogan Street, Montag bis Freitag
ab 18 Uhr in den Sälen 129 + 130
q Lesetipp: Bettina Winterfeld:
«New York – Eine Stadt in Biographien». Zwanzig Weltberühmte,
deren Leben und Werk eng mit NY
verbunden ist, von Truman Capote
bis Sarah Jessica Parker. Merian
Porträts, 176 S., 29.50 Fr.
Allg. Infos www.nycgo.com
New York, mitunter auch die
Hauptstadt der Welt genannt, ist
die Stadt der Superlative: Macy’s
– das grösste Kaufhaus der Welt.
Die Fifth Avenue – der teuerste
Boulevard auf Erden. Der Grand
Central Terminal – der grösste
Bahnhof der Welt. Und in der legendären Oyster Bar im Untergeschoss die besten Austern und die
grösste Weinkarte.
Ein besonderes Schauspiel ist
das Nachtgericht ab 18 Uhr
Selbst die Hauptstadt der Welt
lässt sich gut zu Fuss erkunden.
Nun ja, in kleinräumigen Etappen
natürlich. Greenwich Village zum
Beispiel mit dem Backsteingroove
und den grünen Alleen oder Soho
mit seinen todschicken Boutiquen
und coolen Galerien. Wer sich
langsam bewegt, sieht mehr – und
entdeckt im Vorbeigehen manche
Trouvaille. Im Nuyorican Poets
Cafe gibt es zweimal wöchentlich
einen Poetry-Slam. Da wird mit
der Sprache gespielt, mit der
Sprache der Heimat und mit der
Sprache als Heimat. Fast alle, die
hier auftreten, sind nicht amerikanischer Muttersprache. Das
sieht man, und das hört man. Ihr
gemeinsames Thema ist die
sprachliche und kulturelle Assimilation, über deren Tücken und
Fallen herzlich gelacht wird.
Um den Times Square reiht sich
Theater an Theater, und die meisten spielen Musicals. Gibt es eine
amerikanischere Kunstgattung als
das Musical? Die neue Produktion «Chaplin» im Barrymore
Theater, die vor kurzem erst Premiere hatte, verbindet eine sanft
sentimentale Geschichte mit raffinierten Bühneneffekten. Auch
Charlie Chaplin war ja ein Immigrant – bevor er als vermeintlicher
Kommunist in die Schweiz emigrierte.
Im Apollo Theater in Harlem,
einer Institution mit langer Geschichte, begeht man jeden Mittwoch die Amateur Night, auch
das eine durch und durch amerikanische Veranstaltung. Auch sie
steht für Immigration, Integration
und den amerikanischen Traum.
Die Glücklichen sind in ihrer Karriere eine Runde weiter, die Pechvögel werden mit Pfiffen und
Buhrufen brutal exekutiert.
Der amerikanische Traum geht
eben nicht für alle in Erfüllung.
Auch das sieht besser, wer sich
langsam bewegt. Nicht weit von
der Wallstreet sitzt die OccupyBewegung vor der Trinity-Kirche,
und vor einem Luxusrestaurant
angelt ein Greis im Mülleimer
nach PET-Flaschen und Aludosen. Vor dem Night Court stehen
allabendlich Gestrauchelte: Diebe und Dealer, Betrüger, Streithähne und Schläger, die mit einem
demütigen Geständnis dem Gefängnis zu entgehen hoffen. Weil
nach Gesetz jeder Inhaftierte
innerhalb von 24 Stunden dem
Richter vorgeführt werden muss,
tagt das Nachtgericht ab 18 Uhr –
öffentlich.
«Wie geht es dir heute, my
friend?», begrüsst mich Angelo im
Grotta Azzurra am dritten Tag.
Und vor der Kellertreppe zu seinem Salon steht Zheng, der chinesische Masseur, und findet,
meine Körperhaltung verrate
Stress. Was ich jetzt dringend
bräuchte, sei eine Rückenmassage. Da weiss ich: Ich habe es geschafft – in New York anzukommen.
Die Reise wurde unterstützt von
Swiss International Air Lines