Blick ins Buch - Verlag Regionalkultur
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Marius Golgath Von der Kurpfalz nach Pennsylvania Die bewegende Lebensgeschichte des Kirchenpioniers Antonius Jacobus Henckel (1668–1728) Marius Golgath Von der Kurpfalz nach Pennsylvania Die bewegende Lebensgeschichte des Kirchenpioniers Antonius Jacobus Henckel (1668–1728) verlag regionalkultur Titelbild: Titel: Autor: Bildnachweis: Herstellung: Satz: Endkorrektur: Umschlaggestaltung: Kupferstich von Rotterdam (Matthäus Merian 1593–1650)/ Bildquelle: Reinhard Stichling, Daisbach Von der Kurpfalz nach Pennsylvania. Die bewegende Lebensgeschichte des Kirchenpioniers Antonius Jacobus Henckel (1668–1728) Marius Golgath Archiv Marius Golgath bzw. die in den Bildbeschreibungen genannten Quellen verlag regionalkultur (vr) Henrik Mortensen (vr) Julia Heugel Jochen Baumgärtner (vr) ISBN 978-3-89735-785-3 Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio graphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Diese Publikation ist auf alterungsbeständigem und säurefreiem Papier (TCF nach ISO 9706) gedruckt entsprechend den Frankfurter Forderungen. Alle Rechte vorbehalten. © 2013 verlag regionalkultur verlag regionalkultur Ubstadt-Weiher • Heidelberg • Neustadt a.d.W. • Basel Korrespondenzadresse: Bahnhofstraße 2 • D-76698 Ubstadt-Weiher Tel. 07251 36703-0 • Fax 07251 36703-29 E-Mail [email protected] • Internet www.verlag-regionalkultur.de Über den Autor: Marius Golgath, Eschelbronn: Historiker, geb. 1987; 2008–2012 Studium der Geschichte und Politikwissenschaften (Bachelor) an der Universität Mannheim, seit 2012 Master Geschichte in Mannheim. Redaktionsmitglied des Eschelbronner Heimatblattes Howwl, Schriftführer der Bürgerinitiative für Umweltschutz, Kultur- und Heimatpflege Eschelbronn, Mitglied des Heimat- und Verkehrsvereins Eschelbronn und des Deutsch-Pennsylvanischen Arbeitskreises. Veröffentlichungen im Howwl, im Heimatkalender Unser Land und in der deutsch-pennsylvanischen Zeitung Hiwwe wie Driwwe. Verfasser der Hauptartikel für die Jubiläumsschrift 200 Jahre Evangelische Kirche Eschelbronn (1811–2011) und Mitautor des Buches Neidensteiner Glocken- und Orgelklänge (2012). Inhaltsverzeichnis Einleitung .....................................................................................................8 Herkunft und Familie . .................................................................................11 Erste Lebensjahre und Studium ..................................................................15 Religiöse Verhältnisse in der Kurpfalz im 16./17. Jahrhundert .................16 Henckels Wirken in der Kurpfalz ................................................................22 Eschelbronn und Mönchzell (1692–1695) ...........................................................22 Daudenzell mit den Filialen Breitenbronn und Kälbertshausen (1695–1714) .......25 Mönchzell (1714–1717) ........................................................................................38 Neckargemünd (1714–1717) ................................................................................42 Auswanderungsgründe von Antonius Jacobus Henckel ...........................46 Lutherische Kirche von Pennsylvania in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ....................................................................................53 Henckels Wirken in Pennsylvania (1717–1728) ..........................................55 Bedeutung und Nachwirken .......................................................................63 Schluss ...........................................................................................................65 Genealogischer Anhang ..............................................................................67 Quellenverzeichnis .......................................................................................74 Literaturverzeichnis .....................................................................................76 Von der Kurpfalz nach Pennsylvania Einleitung Die kurpfälzische Auswanderung des 18. Jahrhunderts ist ein aktuelles Thema. 2009 erinnerte die Atlantische Akademie Rheinland-Pfalz mit einer Veranstaltungsreihe an die dreihundertste Wiederkehr der von Josua Harrsch alias Kocherthal ausgelösten Massenauswanderung nach Nordamerika. Ebenso fand 2011 die Wanderausstellung 300 Jahre Heinrich Melchior Mühlenberg (1711–1789) statt, die über den Patriarchen der lutherischen Kirche von Amerika informierte. Wenig bekannt ist das Wirken des lutherischen Pfarrers Antonius Jacobus Henckel (1668–1728), der mit beiden Ereignissen in enger Verbindung steht. Er war von 1692–1695 der Amtsvorgänger von Josua Harrsch in Eschelbronn und 25 Jahre als Pastor in der Kurpfalz tätig. Nach seiner Auswanderung war er von 1717–1728 der einzige deutsch-lutherische Pfarrer im Großraum Philadelphia und zeichnete sich durch die Gründung der St. Michael‘s Lutheran Church in Germantown aus. Die Kirchenstrukturen in Pennsylvania befanden sich am Anfang und wurden erst ab 1742 durch Heinrich Melchior Mühlenberg systematisch aufgebaut. Deshalb sind die kaum beachteten Pionierleistungen von Antonius Jacobus Henckel hervorzuheben. Bisher liegt keine deutschsprachige Biographie und Analyse seiner Auswanderung vor. Die US-Amerikaner Burt Brown Barker und Ann Hinkle Gable befassten sich mit dem Leben von Antonius Jacobus Henckel. Beide beschäftigte die Frage, weshalb er nach Pennsylvania auswanderte. Brown Barker sah seine Konflikte und die religiöse Bedrängung als Hauptgründe. Ann Hinkle Gable kam zu dem Entschluss, dass er wegen der Armut der lutherischen Kirche in der Kurpfalz nach Amerika ging. Das Buch knüpft an diese Kontroverse an. Anhand des Schicksals von Antonius Jacobus Henckel wird analysiert, weshalb er 1717 mit 49 Jahren einen Neuanfang in Nordamerika wagte. Zu Beginn wird auf seine Herkunft und sein Leben bis zur Übernahme der ersten Pfarrstelle in Eschelbronn bei Heidelberg eingegangen. Im Anschluss wird die religiöse Situation der Kurpfalz und sein Wirken bis zur Auswanderung betrachtet. Die kurpfälzische Bevölkerung erlebte zwischen 1556–1685 mehrmals den Konfessionswechsel des Herrscherhauses. Pfarrer Henckel hatte in jeder Pfarrstelle Streitigkeiten mit der Patronsherrschaft oder den katholischen Behörden. Die lutherische Kirche wurde nach dem Dynastiewechsel gegenüber den Reformierten bevorteilt. Nach der Religionsdeklaration von 1705 nahm die Benachteiligung der Lutheraner zu. Diese prägenden Erlebnisse hängen mit seiner Auswanderung zusammen, die im nächsten Abschnitt analysiert wird. Henckels Auswanderungsbewilligung wurde anhand des biographischen Kontextes und der Auswanderungsursachen untersucht. Brown Barker und Hinkle Gable richteten ihre Untersuchungen auf die rein persönlichen Gründe und brachten diese nicht mit der Einleitung Auswanderungsforschung in Bezug. Danach wird Henckels Wirken in Pennsylvania betrachtet, um seine heute wenig beachtete Bedeutung für die lutherische Kirche von Pennsylvania zu unterstreichen. Als wichtige Quellen wurden die von Burt Brown Barker erschlossenen Aktenstücke über Henckels Konflikte mit den Patronsherren und die Unterlagen über den Streit wegen der simultanen Nutzung der Kirche in Breitenbronn verwendet. Er ließ die Originale transkribieren und ins Englische übersetzen, um sie einem größeren Forscherkreis zugänglich zu machen. Angaben über Benachteiligungen finden sich in zwei Beschwerdeschriften des Heidelberger Konsistoriums, an denen er sich 1708 und 1710 beteiligte. Diese Beschwerden wurden in den 1720er Jahren durch den Jenaer Bibliothekar und Universitätsprofessor Burkhard Gotthelf Struve veröffentlicht. Struve ist auch Verfasser der pfälzischen Kirchengeschichte, in der er das Toleranzedikt von 1685 und den Erlass des Simultaneums von 1698 publizierte. Für die Untersuchung von Henckels Auswanderungsgründen wurde die Bewilligung über seinen Abschied aus dem lutherischen Kirchendienst der Kurpfalz, die Curieuse Nachricht von Pensylvania von Daniel Falckner, die Beschreibung der allerletzt erfundenen Provinz Pensilvaniae von Franz Daniel Pastorius, Josua Harrschs Carolina und die auswanderungskritische Schrift Das verlangte nicht erlangte Canaan bey den Lust-Gräbern zu Grunde gelegt. Angaben über die kirchliche Situation in Pennsylvania enthält ein Brief des schwedischen Pastors Andreas Sandel. Über Henckels Tätigkeit in Pennsylvania sind nur wenige Schriftstücke vorhanden. Sein Tagebuch ist nicht auffindbar und es gibt keine Kirchenbücher. Er beteiligte sich an zwei Petitionen und hinterließ 1728 ein Testament. Zur Untersuchung der Abstammung von Antonius Jacobus Henckel wurden neben Kirchbucheinträgen die Familienbücher von Gießen, Marburg, Merenberg, Watzenborn-Steinberg und das Matrikelbuch der Universität Gießen verwendet. Wichtige genealogische Angaben lieferten das Henkel Memorial, die Henckel Family Records und die Henckel Genealogy. Die neueste familiengeschichtliche Veröffentlichung erfolgte 1991 mit den Pastoral years durch Ann Hinkle Gable. Diese Werke enthalten aufschlussreiche Informationen. Andererseits sind sie nicht frei von subjektiven Wertungen, da die Autoren Nachfahren von Antonius Jacobus Henckel waren. Burt Brown Barker, der langjährige Vorsitzende der Henckel Family Association, lieferte dennoch lobenswerte Ergebnisse. Neben diesen Veröffentlichungen fand Pfarrer Henckel in den um 1900 publizierten amerikanischen Geschichtswerken American Lutheran Biographies von Jens Christian Jensson, A history of the Lutheran church in Pennsylvania von Theodore Emanuel Schmauk, The Lutheran church in New Hanover von John Jacob Kline und Lutheran landmarks and pioneers von William John Finck Erwähnung. Durch gegenseitige Bezugnahme erfolgte die Fehlannahme, dass Daniel Falckner die Kirchengemeinde von Falckner Swamp (New Hanover Township) um 1704 gründete. Die heutige Forschung darunter 10 Von der Kurpfalz nach Pennsylvania die Historiker Charles Hen Glatfelter und Andreas Mielke sehen dafür keinen Beweis. Es hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass Antonius Jacobus Henckel ab 1717 als erster deutsch-lutherischer Pfarrer von Falckner Swamp die Gemeinde aufbaute. Wichtige Nachschlagewerke stellten die Badischen Pfarrerbücher, das Baden-Württembergische Pfarrerbuch, das Pfälzische Pfarrerbuch, die Hassia sacra sowie Christoph Flegels Arbeiten über die lutherische Kirche in der Kurpfalz dar. Meinrad Schaab befasste sich mit der kurpfälzischen Kirchenhistorie. Paul Warmbrunn und Armin Kohnle setzten sich mit dieser Thematik auseinander. Um die Auswanderungsgründe zu untersuchen, wurden Aufsätze von Fritz Trautz, Heinz Schuchmann, Karl Scherer und Arnold Scheuerbrandt herangezogen. Diese wurden ergänzt durch die Forschungen von Werner Hacker, Mark Häberlein, Philip Otterness und Aaron Spencer Fogleman über die kurpfälzische Auswanderungsgeschichte. Es wurde das Biographisch-Bibliographische Kirchenlexikon eingesehen. Darin befinden sich Lebensläufe von amerikanischen Kirchenpionieren. Um Henckels Entscheidung, nach Amerika auszuwandern, nachzuvollziehen, ist ein Blick auf seine Herkunft, die ersten Lebensjahre und sein Wirken in der Kurpfalz notwendig. Herkunft und Familie 11 Herkunft und Familie Georg Henckel, der Vater von Antonius Jacobus, stammte aus Allendorf an der Lumda (Hessen-Darmstadt). Sein genaues Geburtsdatum lässt sich wegen eines Stadtbrandes nicht feststellen. Die Taufeinträge seiner Kinder lassen Rückschlüsse auf die Familie zu. Georg Henckel hatte einen Bruder namens Jacobus (1634–1703), der 1656 in Gießen heiratete. Im Gießener Familienbuch wurden bei ihm als Eltern Matthaeus Henckel aus Allendorf (Lumda) und dessen Ehefrau Catharina (1612–1680) genannt (Stumpf 1974, Nr. 1644). Aus diesem Grund kann Matthaeus Henckel als Stammvater angesehen werden (Summer Evangelische St. AntoJunkin & Wyatt Junkin 1964, S. 23). Am 25. Juli 1650 schrieb nius-Kirche Merenberg sich Georg Henckel am Pädagogium Gießen ein (Klewitz & (Qu.: Phillip Hinkle, Ebel 1898, S. 201). Jugendliche mit etwa 15 Jahren besuchten Grapevine, Texas) diese Lehranstalt, um sich auf die Universität vorzubereiten. Ein Studium ist nicht nachgewiesen. Die Stelle als lutherischer Schulmeister von Merenberg (Nassau-Weilburg) nahm er 1662 an. Durch die schulische Tätigkeit war er Kaplan der Kirchengemeinde. Dazu zählten das Kirchendieneramt, das Läuten der Glocken und der Organistendienst. Am 02. Mai 1666 heiratete er Anna Eulalia Dentzer in Steinberg (Hessen-Darmstadt) und kehrte mit ihr nach Merenberg zurück (Brown Barker 1926, S. 37). Laut Burt Brown Barker starb Georg Henckel am 29. Januar 1678 (Brown Barker 1928, S. 91). Das Sterberegister beginnt 1679. Brown Barker berief sich auf den Merenberger Kaplan Johann Gottlieb Haybach, der 1729 das Sterbedatum von Georg Henckels Grabstein übernahm (Brown Barker 1928, S. 92). Eine Suche nach der Grablege blieb ergebnislos. Es steht zweifelsfrei fest, dass Georg Henckel vor der Geburt seines jüngsten Sohnes Philip Conrad (* 07.07.1678) starb (Schwarz 2009, S. 123). Die Vorfahren seiner Mutter Anna Eulalia Dentzer lebten in Steinbach und Steinberg bei Gießen (Hessen-Darmstadt). Auf der väterlichen Seite war ihr Großvater Henrich Dentzer (* 1560 in Marburg/† um 1609) Schultheiß und Wirt. Die Familie Dentzer ist in Marburg schon im 15. Jahrhundert nachgewiesen und übte das Bäckerhandwerk aus. Henrich Dentzer war als Lutheraner bis 1583 am Hofgericht von Ludwig IV. von Hessen-Marburg tätig. Er wurde vermutlich in den Konflikt von Ludwig mit seinem reformierten Bruder Wilhelm IV. von Hessen-Rheinfels hineingezogen, da er ab 1684 in Steinbach als Gerichtsschultheiß nachgewiesen ist. Ab 1589 steht er als Schultheiß und Wirt auf den Bürgerlisten der Nachbargemeinde Steinberg (Damasky 2005, S. XII). Mütterlicherseits war ihr Großvater Ludwig Wagner von 1620 bis zu seinem Tode 1633 lutherischer Pfarrer von Steinbach (Stumpf & Müller 1994, S. 215f.). Eine interessante 12 Von der Kurpfalz nach Pennsylvania Erwähnung findet sich im hessisch-darmstädtischen Pfarrer- und Schulmeisterbuch. Ludwig Wagner wurde 1619 durch die Einführung des reformierten Bekenntnisses in Rauischholzhausen (Hessen-Kassel) abgesetzt und war, ehe er die Stelle in Steinbach bekam, ein Jahr ohne Dienst (Diehl 1921, S. 272). Der Tod von Landgraf Philipp dem Großmütigen im Jahre 1567 und die damit verbundenen Erbteilungen führten zu Spannungen im Haus Hessen. Landgraf Moritz von Hessen-Kassel gehörte seit 1605 dem reformierten Glauben an und Hessen-Darmstadt blieb lutherisch. Diese Umstände führten zur Absetzung von Ludwig Wagner. Dadurch finden sich in den Lebensläufen der Urgroßväter von Antonius Jacobus Henckel Hinweise für religiöse Benachteiligungen. Henckel musste Ungerechtigkeiten als lutherischer Pfarrer in der Kurpfalz erdulden. Othmar Dentzer und Loysa Elisabetha geborene Wagner, die Eltern der Anna Eulalia Henckel geborene Dentzer, heirateten am 06. November 1626 in Steinbach (Stahr 1950–1966, Nr. 34924). Othmar Dentzer († 1676) war Wirt, Gerichtsschöffe und Kirchensenior in Steinberg. Er hatte acht Kinder, von denen drei Söhne in Gießen Theologie studierten. Anna Eulalia kam nach Walter Damasky am 18. April 1630 in Steinberg zur Welt (Damasky 2005, S. 62). Im Kirchenbuch wurde vermerkt, dass an diesem Tag eine Tochter des Othmar Dentzer geboren wurde. Nachträglich trug man in Sütterlinschrift die Vermutung „dicta Anna Eulalia“ mit einem Verweis auf ihre Beerdigung ein. Burt Brown Barker glaubt deshalb, dass sie erst 1640 geboren wurde und beruft sich auf ihren Sterbeeintrag (Brown Barker 1926, S. 36). Pfarrer Johann Georg Albinus gab im Jahre 1700 ihr Alter mit 60 Jahren an (Lutherisches Sterbebuch Watzenborn-Steinberg 1700/Zentralarchiv der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau Darmstadt, Bestand 244, Mikrofilme, Nr. 1039, KB Watzenborn-Steinberg). Beide stimmen überein, dass Anna Eulalia 1666 nach ihrer Heirat mit Georg Henckel nach Merenberg ging. Dort wurden sechs Kinder geboren. Nach dem Tode ihres Gatten bekam sie Unterstützung durch ihren Bruder Johann Conrad Dentzer (1652–1687), der 1678 als Merenberger Kaplan nachgewiesen ist (Schwarz 2009, S. 585). Sie starb am 11. März 1700 in ihrem Heimatort Steinberg (Damasky 2005, S. 62). Aus den Taufeinträgen der Henckel-Kinder lässt sich das soziale Umfeld erschließen. Es wurden neun Taufpaten mit kirchlichem Bezug genannt, darunter Pfarrer, Pfarrfrauen und Pfarrtöchter (Schwarz 2009, S. 123). Neben Verwandten traten der Weilburger Konrektor Johann Burckhard Müller und der nassauisch-saarbrückische Superintendent M. Philipp Hirtzwig als Taufpaten auf. Pastoren und Schulmeister gehörten zu der gebildeten Schicht eines Dorfes. Sie hatten aber ein karges Einkommen. Nach der Auswanderung von Antonius Jacobus Henckel kam in Amerika die Legende auf, dass er als Hofprediger ein Nachkomme des Count Henkel of Poeltzig wäre. Diesem Geschlecht gehört der Regisseur Florian Graf Henckel von Donnersmarck an, dessen Film Das Leben der Anderen einen Oscar erhielt. Die Erzählung über die angebliche Herkunft und Familie 13 „18ten [April 1630] ist Othmar Dentzers Töchterlein getauft, dessen Gevattern seiner Schwester Tochter von Usingen, seiner Frau Bruder von Steinbach und der alt Stadtschreiberin Tochter von Gießen“ (Qu.: Zentralarchiv der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau Darmstadt, Bestand 244, Mikrofilme, Nr. 1039, KB Watzenborn-Steinberg) Hofpredigertätigkeit von Antonius Jacobus Henckel wurde 1880 im Deutschen Pionier (Rattermann 1880, S. 66) veröffentlicht und fand in der amerikanischen Geschichtsschreibung durch Socrates Henkel Verbreitung (Henkel 1890, S. 67). Die Historiker Jens Christian Jensson (Jensson 1890, S. 339) und Theodore Emanuel Schmauk (Schmauk 1903, S. 146) beriefen sich bei der adeligen Abstammung auf Socrates Henkel. Als Kirchenmann und Nachfahren schenkte man ihm Glauben. Eine Verwandtschaft mit dem Adelsgeschlecht der Henckel von Donnersmarck ist ausgeschlossen. Abgesehen von dem fehlenden genealogischen Nachweis, stehen in der Hassia sacra mehrere Geistliche und Schulmeister mit diesem Nachnamen. Allein im Gießener Familienbuch sind über 25 Familien und Personen mit dem Namen Henckel verzeichnet, die unterschiedliche Herkunftsorte haben (Stumpf 1974, Nr. 1638f.). Matthaeus Henckel ist der erste nachweisbare Ahne: „Matthias Henckel born about 1605 at Allendorf-ad-Lumbda, Germany has been given credence as the father of Herr George Henckel, the preceptor, and the grandfather of Reverend Anthony Jacob Henckel“ (Summer Junkin & Wyatt Junkin 1964, S. 23). Dadurch soll ein Casper Henckel der Urgroßvater von Antonius Jacobus sein. In den Merenberger Taufbüchern wird der Langenhainer Pfarrer Georg Henckel (1617–1681) genannt, der der Sohn des 1651 im Alter von 75 Jahren verstorbenen Casper Henckel war (Brown Barker 1926, S. 42). Der genaue Verwandtschaftsgrad der Henckel-Linien lässt sich nicht feststellen. Die Behauptung, dass Antonius Jacobus Henckel Hofprediger gewesen sei, hängt mit der angeblichen adeligen Abstammung zusammen. Johann Henckel aus Leutschau, ein Mitglied der Henckel von Donnersmarck, soll vor 1526 am Hof der ungarischen Königin Maria gedient haben. In der Familienlegende wurde der Schauplatz in den Frankfurter Raum verlegt (Jensson 1890, S. 339). In dieser Version hätte Henckel sein Amt niedergelegt, da er mit der Übernahme von unmoralischen Prinzipien aus Frankreich an seinem Adelshof nicht einverstanden war (Schmauk 1903, S. 147). Hier wurde der Auswanderungsgrund durch religiöse Bedrängung mit einer Anhang 73 Roswell (1904–1906), Mitglied des New Mexico State Senate (1912–1917) und sechster Gouverneur dieses Bundesstaates (1923–1925). Dr. William Campbell Posey (1866–1934): Dr. Campbell Posey war ein angesehener Augenarzt und Chirurg. Er war Vorsitzender der American Ophthalmological Associaton und in der Vorstandschaft der American Medical Association aktiv. Florence Hinkle (1880–1933): Sie lebte in Philadelphia und war eine national bekannte Sängerin. Florence Hinkle nahm zahlreiche Musikstücke auf. Agnes Eyer Henkel (1898–1940): In Hollywood wurde sie unter dem Namen Agnes Ayres bekannt (Summer Junkin & Wyatt Junkin 1964, S. 521). Sie spielte zwischen 1914 und 1937 in zahlreichen Filmen mit und war eine erfolgreiche Darstellerin der Stummfilm-Ära. Agnes Ayres arbeitete für die Essenay Studios, Fox Film Corporation und für ParamountPictures. Ihre größten Erfolge waren 1921 The Sheik und 1926 The Son of the Sheik. Die Einführung des Ton- Stern von Agnes Ayres auf dem Walk of Fame, 6504 films und der Börsencrash von 1929 Hollywood Boulevard, 1960 enthüllt (Qu.: Jinna Mayer, leiteten das Ende ihrer Karriere ein. Oceanside, California) Ein Comeback 1936/1937 misslang. Agnes Ayres wurde 1940 auf dem Hollywood Forever Cemetry beigesetzt und hat einen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame in Los Angeles. 74 Von der Kurpfalz nach Pennsylvania Quellenverzeichnis Abschied Luther. Pfarrer Zu Neckargemünd, Herrn Anthon Jacob Henin: Hinkle Gable, Ann, The Pastoral Years of Rev. Anthony Henckel 1692–1717, dritte Auflage, Camden 1997, S. 116–117. Attestation of John George Lampert, Magistrate of Baron von Feltz, regarding Mr. Henckel, November 22, 1716, in: The Henckel Family Records 10 (1933), S. 446. Beschwerdeschrift des lutherischen Konsistoriums Heidelberg vom 15. Januar 1710 an das ReichsConvent in Regensburg, in: Struve, Burkhard Gotthelf, Burkhard Gotthelf Struves ausführlicher Bericht von der Pfälzischen Kirchen-Historie, Frankfurt 1721, S. 1146–1148. Böhme, Anton Wilhelm, Das verlangte, nicht erlangte Canann bey den Lust-Gräbern oder ausführliche Beschreibung von der unglücklichen Reise derer jüngsten aus Teutschland nach dem engelländischen in America gelegenen Carolina und Pensylvanien wallenden Pilgrim absonderlich dem einseitigen übelgegründeten Kocherthalerischen Bericht wohlbedürftig entgegengesetzt wird, Frankfurt/Leipzig 1711. Copia Berichts von Pfarrer Henckel zu Daudenzell, d. d. 31. August 1709, in: Struve, Burkhard Gotthelf, Corpus Actorum et Gravaminium. Des Heiligen Röm. Reichs, in sich haltend alle nach dem Frieden Rykwickischen und Badischen Friedens-Schluss vorgekommene und auff dem ReichsTag zu Regensburg angebrachte Religions-Beschwerden derer Evangelischen gegen die Katholische und dieser gegen jene, dritter Teil, Frankfurt/Leipzig 1724, S. 74. Copia unterthänigsten Memorials an Ihro Churfürstliche. Durchl. zu Pfalz d. d. Neckarzimmern den 11. Februar 1709, in: Struve, Burkhard Gotthelf, Corpus Actorum et Gravaminium. Des Heiligen Röm. Reichs, in sich haltend alle nach dem Frieden Rykwickischen und Badischen Friedens-Schluss vorgekommene und auff dem Reichs-Tag zu Regensburg angebrachte Religions-Beschwerden derer Evangelischen gegen die Katholische und dieser gegen jene, dritter Teil, Frankfurt/Leipzig 1724, S. 73. Decree of the Worshipful Ecclesiastical Commission, Heidelberg July 14, 1708, in: The Henckel Family Records 8 (1932), S. 324. Extract churfürstlichen Beschluss an das Ober-Ambt Heydelberg, d.d.15. Juli 1687, in: Struve, Burkhard Gotthelf, Corpus Actorum et Gravaminium. Des Heiligen Röm. Reichs, in sich haltend alle nach dem Frieden Rykwickischen und Badischen Friedens-Schluss vorgekommene und auff dem Reichs-Tag zu Regensburg angebrachte Religions-Beschwerden derer Evangelischen gegen die Katholische und dieser gegen jene, dritter Teil, Frankfurt/Leipzig 1724, S. 72. Extract-Schreibens von Pfarrer Henckel zu Daudenzell, d. d. 22. Juli 1709, in: Struve, Burkhard Gotthelf, Corpus Actorum et Gravaminium. Des Heiligen Röm. Reichs, in sich haltend alle nach dem Frieden Rykwickischen und Badischen Friedens-Schluss vorgekommene und auff dem ReichsTag zu Regensburg angebrachte Religions-Beschwerden derer Evangelischen gegen die Katholische und dieser gegen jene, dritter Teil, Frankfurt/Leipzig 1724, S. 72. Falckner, Daniel, Curieuse Nachricht von Pensylvania in Norden-Amerika welche auf Begehren guter Freunde über vorgelegte 103 Fragen den seiner Abreiß aus Teutschland nach obigem Lande Anno 1700 ertheilt und Anno 1702 in den Druck gegeben worden, Frankfurt/Leipzig 1702. Friede von Ryswick zwischen Frankreich und dem Kaiser, 30. Oktober 1697, in: Dickmann, Fritz, Geschichte in Quellen 3. Renaissance, Glaubenskämpfe, Absolutismus, München 1966, S. 532–535. vor den gewessenen ckeln,