75 Jahre Opel Kapitän - ALT-OPEL

Transcription

75 Jahre Opel Kapitän - ALT-OPEL
REPORT
Kapitän ´39 aus der Werkssammlung von vorn…
Der Wagen für die Welt
75 Jahre Opel Kapitän
K
ein anderes deutsches Automobil
symbolisiert Aufstieg, Fall und
Wiederaufstieg des deutschen Bürgertums so klar wie der Opel Kapitän. Seine Ende 1938 erschienene
erste Auflage blieb kriegsbedingt
nicht einmal zwei Jahre in der Serienproduktion, und nur wenige Kapitäne haben den Krieg überstanden.
Doch sein Bild blieb in den Köpfen
der Menschen erhalten. Der Kapitän
war modern, elegant, bourgeois und
dabei doch solide, dauerhaft und
vernünftig. Ein Traumwagen für
Realisten.
Schon der erste Eindruck fasziniert
noch heute. Stattlich wirkt der UrKapitän, wie aus dem Vollen gehauen, robust und dauerhaft. „Der Wagen
für die Welt“ strahlt Souveränität aus,
er kommt durch. Selbst durch Gegen-
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den, in denen es keine Straßen gibt.
Fernreisen im eigenen Auto waren
der Traum schlechthin in den dreißiger Jahren, und auch Opel hatte mit
publikumswirksamen Fernfahrten –
im Olympia nach Olympia – diese
Sehnsucht angeheizt. Die Stimmung,
in die der Kapitän passte wie kein
anderes Automobil seiner Zeit.
Zwar folgte die fließende, äußerst
moderne Karosserielinie US-amerikanischen Vorbildern, die Details verwiesen jedoch auf die europäische
Identität der Oberklasselimousine.
Die eigenwilligen Scheinwerfer, die
Zierteile, die Innenausstattung, die
Instrumente – das war Art Deco, so
etwas gab es bei anderen halbwegs
erschwinglichen Automobilen nicht
zu sehen. Die Gestaltung folgte
klugem Kalkül. Noch eine Dekade
zuvor hatten US-Hersteller wie Buick
oder Ford auf dem deutschen Markt
eine große Rolle gespielt. Der wachsende Patriotismus der Bevölkerung
und die Schikanen der Diktatur gegen
die Importeure reduzierten diese
Rolle, und Opel tat gut daran, nach
dem als amerikanisch empfundenen
Duo 1,2 und 1,8 Liter einen stärker
europäisch orientierten Stil zu entwickeln. Ohne die Vorteile aufzugeben, die durch die Zugehörigkeit zu
GM bestanden.
Es waren die Opel-Ingenieure, die in
Deutschland als erste erkannt hatten,
ein überzeugendes Gesamtpaket ließ
sich nur erreichen, wenn das Auto
nicht länger als Summe seiner Einzelteile konstruiert wurde, sondern
als Einheit. Diesem Gedanken folgend entstand 1935 der Olympia mit
REPORT
der selbsttragenden Karosserie.
Kompakt, gute Raumausnutzung,
leicht und stabil, schon mit durchschnittlicher Motorisierung schnell
und sparsam. Der Kadett setzte die
Erfolgsgeschichte fort, und es war
folgerichtig, genau so auch in der
Oberklasse anzutreten. Zumal die
selbsttragende Bauweise ebenso wie
das Baukastensystem, Opel verwendete selbst in die LKW-Palette hinein
Gleichteile, Kostenvorteile versprachen, denen der Wettbewerb nichts
entgegensetzen konnte. Opel war in
diesen Jahren Europas größter Autohersteller. Und mit GM im Rücken in
der Lager, die selbsttragende Karosserie nicht nur konstruieren, sondern
auch fertigen zu können. Die dazu
erforderlichen riesigen Karosseriepressen waren nicht nur Neuland für
die Techniker, sie erforderten auch
gigantische Investitionen. Nicht ganz
so neu, aber immer noch hochmodern, war der bereits im Super 6
verwendetet Reihensechszylinder mit
2,5 Litern Hubraum, vier Kurbelwellenlagern, hängenden, über Stößelstangen betätigten Ventilen und 55
PS. Neu war hingegen die Vorderachse an doppelten Querlenkern.
…und von hinten
Zeitgenössische Werbung
Kapitän im Schnee
Werkscabrio offen…
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REPORT
3575 RM waren 1939 eine Stange
Geld, aber mehr Auto gab es dafür
nirgends!
Opel Super Six
…und geschlossen
Nur wenige Sonderkarosserien auf
der Basis des ersten Kapitän. Hier ein
zweisitziges Canriolet von Gläser,
fotografiert auf der IAMA 1939
(Archiv Joachim Raab *3)
Bei Gläser waren selbst die Zeichnungen für die Prospekte erstklassig
gemacht (Archiv Markus Dürkes
*3608
Kapitän ´47, zu erkennen an den
einfacheren Scheinwerfern
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Opel brachte eine ganze Modellfamilie mit zwei- und viertüriger Limousine und einem viersitzigen Cabriolet. Doch die der Höhenflug, zu dem
der moderne Kapitän auf Anhieb
ansetzte, wurde schnell durch den
Kriegsausbruch gestoppt. Entstanden
sind von der ersten Ausführung nur
25.374 Einheiten, davon 4.563 Cabrios. Rund die Hälfte davon ging in
den Export.
Erst im Oktober 1948 läuft die Fertigung wieder an. Am einfachsten zu
erkennen ist der Nachkriegs-Kapitän
an den nun runden Scheinwerfern,
der Blick in den Innenraum offenbart
den Wechsel zur modischen Lenkradschaltung. Lieferbar ist nur noch die
viertürige Limousine. Dabei bleibt es,
und wie richtig das Konzept 1939
war, belegt der verspätete Erfolg des
Modells: Bis in die sechziger Jahre
hinein bleibt der Kapitän in mehreren
Neuauflagen der große deutsche
Sechszylinder schlechthin.
Da im Opel-Jahrbuch 2014 eine
umfassende Historie des ersten
Kapitän steht, wollen wir es hier
dabei belassen und stattdessen Besitzer über ihre Kapitäne und Recherchen dazu erzählen lassen.
Text: Stefan Heins *1662,
Recherche: Alfred Kling *1025
Fotos: Opel Classic Archiv der Adam
Opel AG, Archiv der ALT-OPEL IG,
Archiv Alfred Kling *1025 (sofern
nicht anders ausgewiesen)
Für den Export blieb Opel teils bei
der Bezeichnung Super Six, bekannt
vom Vorgänger. Der „Wagen für die
Welt“, wie Opel den Kapitän alias
Super Six bewarb, wurde wirklich in
alle Welt exportiert. Doch was während des Krieges in Europa, Nordafrika und Asien in die Hände des
Militärs geriet, wurde requiriert und
verschlissen. Deshalb ist der Vorkriegskapitän heute eine Seltenheit,
und den Super Six kennen viele nur
vom Hörensagen. Ein Besitzer eines
Wagens in erster Hand (!), Mitglied
des HOCN in den Niederlanden, hat
sich an uns mit der Bitte gewandt,
einen Aufruf zu starten.
Meine sehr geehrten Herren,
Ich besitze noch immer den Opel
Supersix-Kapitän den mein Vater
(Jean Pierre Moquette) in 1939 neu
gekauft hatte. In 2014 ist dieser
Personenkraftwagen schon 75 Jahre
in unserer Familie!
Mein Vater bestellte anfangs 1939
aus Niederländisch Ost-Indien einen
Opel Kapitän. Als die Familie Moquette in Juli 1939 im Urlaub in
Niederlande ankam, stand der Opel
schon beim Verteiler in Den Haag
bereit. Zum Erstaunen meines Vaters
war der Opel kein Kapitän, sondern
ein Super Six, aber schon das Modell
Kapitän! Nirgendwo auf dem Wagen
war das Wort 'Kapitän' zu finden: Auf
der Motorhaube stand an beiden
Seiten das Wort 'Super-Six'; auf dem
Armaturenbrett stand 'Opel"; auf den
Radkappen stand 'Opel' und mitten
auf den Stoßstangen stand das Opel-
REPORT
Emblem (O mit 'Zeppelin').
General Motors hatte entschieden, für
die Export-Version des Kapitäns für
bestimmte Länder wieder den alten
Namen 'Super Six' (vom vorigen
Modell) zu benutzen. Diese Exportversion wurde speziell im GM-Werk
Antwerpen assembliert. Es gab sogar
Broschüren (in Englischer, Französischer und Niederländischer Sprache)
worin überall Konsequent der Name
'Super Six' statt 'Kapitän' benutzt
wurde!
(Siehe u.a. diesen Link:
http://storm.oldcarmanualproject.com
/opelsuper61939.htm)
Während mein Vater seit Juli 1940
fünf Jahre in Kriegsgefangenschaft in
Deutschland war, wurde der Opel
Supersix-Kapitän von meiner Familie
vor der Deutschen Wehrmacht versteckt. Während des Baus des Atlantikwalls in Den Haag-Scheveningen
musste der Opel sogar einmal heimlich zu einer anderen Adresse (Versteckort) 'umgesiedelt' werden!
Nach dem Krieg war mein Vater nach
der Rückkehr aus Deutschland einer
der wenigen Holländer, die noch
immer ihren PKW besaßen.
Seit den sechziger Jahren fahre ich
den Supersix-Kapitän, und ich habe
in den fast 50 Jahren seitdem nie
einen anderen Opel Super Six (mit
dem Modell vom Kapitän) gesehen.
Sind sie dann alle in 1941-'45 nach
Russland 'exportiert' worden?
Weil viele Vorkriegs-Kapitäne mit
Stoßstange und Radkappen vom
Nachkriegsmodell umgerüstet wurden, ist - wenn der Name 'Super-Six'
auf der Motorhaube fehlt - eigentlich
nur der Name 'Opel' auf dem Armaturenbrett ein 'hartes' Kennzeichen.
Meine Frage ist: Haben Sie je einen
Opel Supersix-Kapitän aus 1939 oder
1940 gesehen?
Wenn 'ja', möchte ich gerne mit dem
Besitzer Bekanntschaft schließen.
Ich hoffe dass Sie mir helfen können.
Im Voraus schon sehr vielen Dank!
Eigentlich ist die Geschichte vom
Kapitän 1938-'40 eine sehr traurige
Geschichte!
Das Modell wurde in 1939 mit Jubel
in Genf (und eigentlich überall)
empfangen aber dann kam der
Krieg...
Fast alle stolzen Besitzer, die ihre
Kapitäne zwischen 1939 und 1940
beim Opel-Händler abgeholt hatten,
hatten ihre wunderbaren Wagen
einige Monate später schon verloren!
Nicht nur in Deutschland, aber auch
in allen besetzten Ländern WestEuropas forderte die Deutsche Wehmacht fast alle Zivil-Personenwagen.
Träume von wunderbare Reisen und
Ferien... weg! Natürlich gab es
schlimmere Sachen im Zweiten
Weltkrieg, aber ein kleines Drama
war es wohl. Wenn wir mit dem Opel
Supersix-Kapitän in den 50-er und
60-er Jahren in Deutschland Ferien
machten, erregte der Opel ziemlich
viel Aufsehen bei der Bevölkerung.
Männer kamen zu uns mit Tränen in
den Augen und sagten: "Dieses
Modell hatte mein Vater, aber die
Wehrmacht hat den Wagen gefordert
und wir haben ihn nie wieder gesehen!"
Viele Opel endeten auf den Schlachtfeldern in Russland (Siehe das Foto
vom Schlachtfeld westlich von Stalingrad), aber auch sehr viele wurden
fast unbeschädigt durch die Rote
Armee benutzt und später noch von
Russischen Bürgern. Bei meiner
Suche nach Supersix-Kapitänen habe
ich auf Internet in der ehemaligen
Sowjetunion noch wenigstens 100
zeitgenössische Fotos von Kapitänen
gefunden! Manche im schlechtem
Zustand (oder total verbastelt) aber
auch sehr schön restaurierten Exemplaren!
Ist bei der ALT-OPEL IG schon
bekannt; dass sogar noch im vergangenen Jahr der Opel Kapitän von
1939 in den Top 20 der aufregendsten
Traumwagen gewählt wurde (die in
der 100jährigen Geschichte des
Autosalons von Genf ihre Premiere
hatten)? Und zwar auf einer ehrenvollen 17ten Stelle, zwischen Traumwagen, für die sehr tief in der Tasche
gegriffen werden sollte!
Hier sind alle Top 20 Traumwagen
noch einmal zu sehen:
http://www.focus.de/auto/news/prunk
Ein Foto von mir neben dem Opel
Super-Six Kapitän (Foto: Frans Moquette)
Dieser Kapitän hat seine Reise in den
Weiten Russlands für immer beendet.
Franklin Moquette hat einiges zum
Verbleib der Kapitäne recherchiert,
wir bringen mehr in einer der kommenden Ausgaben
Doch nicht alle Geschichten enden
traurig. Heute noch werden Kapitäne
restauriert, von Privatleuten – auch
darüber berichten wir nächstes Jahr –
und in Fachwerkstätten (Foto: Josef
Micke *328)
-protz-oder-power-die-20-aufregendsten-traumwagen-aller-zeiten-ingenf_aid_716190.html
Mit freundlichen Grüßen,
Franklin Moquette
Niederlande
(Mitglied des HOCN)
[email protected]
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