ARZNEIMITTELTHERAPIE Schwankender Blutdruck Buchtipp: In der

Transcription

ARZNEIMITTELTHERAPIE Schwankender Blutdruck Buchtipp: In der
ARZNEIMITTELTHERAPIE
22 Uhr
Antirheumatika
15 Uhr
Lokalanästhetika
21 Uhr
Antiasthmatika
16 Uhr
Impfungen
(z.B. gegen Hepatitis B)
8 Uhr
Arthritis-Präparate
In der Praxis umgesetzt
6 Uhr
Corticoide
Viele Medikamente wirken bei der Einnahme zu bestimmten Tageszeiten am besten oder
lösen weniger Nebenwirkungen aus.
damit steigt allerdings auch das Risiko
für Nebenwirkungen. Auch die Leber als
Hauptort der Metabolisierung wird zu
verschiedenen Tageszeiten mal mehr
oder weniger durchblutet und die Nieren als Ausscheidungsorgane produzieren unterschiedliche Mengen an Urin.
Auch die Zusammensetzung des Urins
verändert sich im Tages­verlauf.
Foto: Mathias Wosczyna, modifiziert nach TK
reduzieren. Mehr noch: In tierexperimentellen Untersuchungen mit Zytostatika wie Cyclophosphamid oder Cytosin-Arabinosid konnten die Wirkstoffe
aufgrund der besseren Verträglichkeit
zu bestimmten Zeiten höher dosiert
und damit die Heilungsquote der Tumoren verbessert werden. Bei anderen
Medikamenten ist es manches Mal
möglich, die Dosierungen zu verringern.
Dadurch wird sowohl der Körper der Betroffenen weniger belastet als auch das
Budget des Gesundheitssystems.
Schwankender Blutdruck
Foto: Fotolia/Zarathustra
»Pathophysiologische Ereignisse, wie
Herzinfarkt, Angina pectoris, Asthmaanfälle, und Magen-Darm-Ulzera, treten nicht gleichmäßig verteilt über
24 Stunden auf, sondern haben ein tagesrhythmisches Muster«, sagt Lemmer. Dieses Wissen kann man nutzen:
Die Gabe von Arzneimitteln zum richtigen Zeitpunkt kann deren Wirkungen
optimieren und/oder Nebenwirkungen
42
PTA-Forum 10 | PZ 20 | 2015
nau zu bestimmen, empfehlen Mediziner ein 24-Stunden-Blutdruckprotokoll.
»Der Blutdruck schwankt nicht nur im
Laufe eines Tages, sondern auch im
Verlauf der Jahreszeiten«, so Lemmer:
»Im Winter ist er deutlich höher und
damit auch das Risiko für schwere Komplikationen.« Warum das so ist, weiß
man nicht. Wohl aber, dass in der kalten Jahreszeit 20 bis 50 mal mehr Menschen an Herz-Kreislauf-bedingten
Vorfällen sterben als im Sommer.
»Sehr stark durch die Tagesrhythmik
beeinflusst wird die Blutdruckregula­
tion«, sagt Lemmer. Das gelte auch für
Folgeerkrankungen wie Schlaganfall
oder Durchblutungsstörungen des Herzens. Bluthochdruck ist tagsüber in der
Regel stärker ausgeprägt. Bei der primären Hypertonie verengen sich die Gefäße am Morgen besonders und erhöhen
so die Gefahr kardialer Ereignisse. Daher empfehlen Ärzte in der Regel, blutverdünnende Arzneimittel, Betablocker
und ACE-Hemmer am besten morgens
einzunehmen. Blutdrucksenkende Arzneimittel mit verzögerter Wirkung sollten dagegen am Abend eingenommen
werden. Seltener kommt der sekundäre
Bluthochdruck als Folge anderer Erkrankungen vor. Hierbei sinkt der Druck
auch in der Nacht nicht ab, sodass zur
abendlichen Einnahme der Medikamente geraten wird.
Allerdings: Blutdruckschwankungen
hängen von vielen Faktoren ab, wie
Aufregung und Stress. Um die individuelle Tageseinteilung der Dosierung ge-
Die Chronopharmakologie als Forschungszweig ist vergleichsweise jung.
Noch sind längst nicht alle Wechselbeziehungen aufgedeckt. Einige der Erkenntnisse und die darauf basierenden
Empfehlungen wurden allerdings bereits in die Arzneimittelverordnung aufgenommen. Asthmatiker beispielsweise
erleiden meistens Anfälle in der Nacht.
Die Lungengefäße sind verengt und reagieren empfindlicher auf bronchienverengende Substanzen wie Histamin
oder Allergene. Cortisol, das die Bronchien erweitert, wird in der ersten Nachthälfte kaum produziert. Bei nächtlichen
Asthmaanfällen empfehlen Ärzte daher,
die Hauptdosis lang wirksamer Beta2-Sympathomimetika oder eine Theophyllin-Einmaldosis abends einzunehmen. Die Anwendung von Cortisonpräparaten dagegen ist frühmorgens günstiger,
wenn
die
körpereigene
Cortisolproduktion auf Hochtouren
läuft und durch den zusätzlichen Wirkstoff weniger beeinflusst wird.
H2-Antihistaminika, die die Produk­
tion der Magensäure hemmen, nimmt
man am besten abends, da der Magen
in der Nacht viel Säure produziert. Auch
Antirheumatika, sind – abends eingenommen – besser wirksam, wenn die
Patienten morgens unter steifen Gelenken leiden. Und wer eine Zahnbehandlung braucht, lässt sich den Termin besser auf den Nachmittag
legen. Nachgewiesenermaßen wirken
Lokal­
anästhetika wie Lidocain gegen
15 Uhr dreimal länger als morgens. /
Buchtipp:
Chronopharmakologie
Biologische Rhythmen und Arzneimittelwirkung
Björn Lemmer (Autor), 4., überarbeitete
und erweiterte Auflage, 2011,
Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft
ISBN: 978-3-8047-2786-1, EUR 34,90