Presseankündigung ARD / Entwurf 23

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Presseankündigung ARD / Entwurf 23
Presseankündigung ARD
„Wer seine Kinder liebt, der züchtigt sie….“
Ein Film von Erika Fehse
Sendetermin: 7.4.2014 / ARD / 23:30
„Wer seine Kinder liebt, der züchtigt sie….“ ein Satz, den viele Erwachsene aus der eigene Kindheit
kennen und der zuletzt traurige Aktualität bekommen hat. In Bayern haben die Behörden mehrere
Kinder der „12 Stämme“ in Obhut genommen, weil Prügel mit Rohr und Rute in der umstrittenen
Glaubensgemeinschaft auch im Jahr 2014 als Erziehungsmittel noch ganz offen und
selbstverständlich eingesetzt wird. Tatsächlich ist es in Deutschland erst seit dem Jahr 2000
gesetzlich verboten, Kinder zu prügeln; erst mit den Reformbewegungen seit Ende der 60er Jahre
setzte sich allmählich ein anderes Verständnis von Kindererziehung durch. Wer heute sein Kind
schlägt, kann angezeigt und bestraft werden. Doch noch 1997 scheiterte ein umfassendes Verbot von
Gewalt gegen Kinder an der schwarz-gelben Koalition und dem Argument, das Erziehungsrecht der
Eltern werde dadurch zu sehr eingeschränkt.
In einer 45minütigen Dokumentation beleuchtet die ARD die Historie von Prügel als
Erziehungsinstrument, als Schläge mit Rohrstock, Teppichklopfer oder Ledergürtel in den Familien
und Schulen ganz selbstverständlich zur Erziehung dazu gehörten und es hieß: „Eine Tracht Prügel
hat noch niemandem geschadet“. Denn die meisten Kinder und Jugendlichen sprachen nicht über
das, was Eltern und Lehrer ihnen antaten – und leiden bis heute darunter. Viele Geschlagene
schämten sich, andere nahmen die Prügelstrafe als "normal" hin. Kein Wunder: Noch 1968 musste
das Bundesverfassungsgericht darüber verhandeln, ob die Rechte des Grundgesetzes für Kinder
überhaupt Gültigkeit haben…
Der Film begleitet drei Menschen, die zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Systemen
massiv geprügelt worden sind. Tilman Röhrig (Jg. 46) wurde regelmäßig von seinem Vater, einem
evangelischen Pfarrer, gezüchtigt. Getreu dem alttestamentarischem Motto „wer seine Rute schonet,
der hasset seinen Sohn“ wurde Tilman mit der Reitpeitsche blutig geschlagen und musste danach
trotz allem die Liebe zum Vater bekennen. Weder Schule noch Nachbarn in Essen nahmen in den
50er Jahren Anstoß an den Strafaktionen seines Vaters. Auch bei Helga G. (Jg. 40) schauten die
Nachbarn weg, wenn ihre Mutter zuschlug. Sie wuchs im Saarland in einer Familie von Anhängern
des Nationalsozialismus auf. Prügel gehörten hier zum Alltag. Der Onkel, ein ehemaliger SS-Mann,
ließ alle Kinder zur Züchtigung antreten. Die Mutter schlug die Tochter das letzte Mal, als Helga schon
23 Jahre alt war, wenige Tage vor ihrer Hochzeit. In der Schule waren es die Nonnen, die Helga mit
Stockschlägen auf die Hände traktierten.
In der DDR war körperliche Gewalt gegen Kinder zumindest offiziell verpönt, zwar nicht gesetzlich
verboten, aber es galt: Prügel widerspricht der sozialistischen Erziehung. Lehrern war das Schlagen
mit der ersten Schulverordnung in der Sowjetischen Besatzungszone 1947 verboten. Doch nicht alle
hielten sich daran. So hat es auch Lutz Stiller (Jg. 59) erlebt. Einigen Lehrern an seiner Schule saß die
Hand recht locker. Zu Hause litt er unter den Wut- und Prügelattacken seiner überforderten Mutter,
die ihre vier Kinder in Leipzig alleine großzog.
Die Prügel in der Kindheit haben alle drei geprägt – die eigene Wehrlosigkeit, die Demütigung, das
Wegschauen von Nachbarn und Verwandten. Tilman ist Schauspieler und Schriftsteller geworden,
hat so die Anerkennung gefunden, die er zu Hause nicht bekam. Eigene Kinder hat er keine, das habe
er nicht gewagt. Helga hat ihre eigene Familie Halt gegeben und die ehrenamtliche Arbeit in der
Telefonseelsorge und im Krankenhaus. Ihre Tochter und ihren Sohn hat sie nie geschlagen. Und Lutz
hat im Erwachsenenalter gänzlich mit seiner Mutter gebrochen, die ihn auch da noch maßregeln
wollte.
Die drei Protagonisten werden von einem vielstimmigen Chor ergänzt. Männer und Frauen
unterschiedlicher Generationen erzählen, wie verbreitet noch lange die Überzeugung war, dass
Kinder nur mit Schlägen erzogen werden können und wie sehr Kinder darunter leiden mussten.
Buch und Regie: Erika Fehse
Kamera: Reiner Bauer
Schnitt: Volker Gehrke
Ton: Martin Pflüger
Musik: Jens Hafemann
Sprecher: Joachim Król
Idee: Ingrid Müller-Münch
Producer: Martina Sprengel
Redaktion: Gudrun Wolter (Geschichte), Johanna Holzhauer (Tag7)
Produktion: doc.station Hamburg
Drehorte: Bonn, Ensheim, Essen, Hamburg, Köln, Leipzig, Saarbrücken, Thalfang, Wiesbaden
Länge: 45 Min