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I N S E L H Ü P F E N AU F D E N ÄU SS E R E N H E B R I D E N Text und Bilder: Bruno Heinzer Rau und baumlos liegt die Inselgruppe der Äusseren Hebriden nordwestlich von Schottland im Atlantik. Es sind genau solch abgelegene, dünn besiedelte Inseln, die es Bruno Heinzer und seiner Partnerin Franziska besonders angetan haben. Auch wenn es ab und zu Wind und Regen zu trotzen gilt. 64 SCHOTTLAND A uch nach einem zweiwöchigen Segeltörn, der uns nach Greenock, dem Hafen von Glasgow, brachte, haben Franziska und ich vom Meer noch nicht genug. Wenn schon Land, dann bitte in Verbindung mit einer gehörigen Menge Wind und Wasser. Was bietet sich da besser an, als die Äusseren Hebriden. So durchqueren wir die schottischen Highlands im Eiltempo – wenn man das, was der gemütliche schottische Zug an Geschwindigkeit hergibt, als Eiltempo bezeichnen kann. Durchs Eisenbahnfenster ähnelt die vorbeiziehende grüne Hügellandschaft Schweizer Voralpenweiden. Gegen Abend erreichen wir in Oban, dem Zugangstor zu den Hebriden, weiter im Norden wieder die Küste. Zum Übernachten finden wir im schmucken Hafenstädtchen ein einfaches aber gemütliches Inn. Kühle Einstimmung. Um uns auf das Inselhüpfen mit öffentlichem Verkehr einzustellen, nehmen wir uns zuerst das kleine, Oban vorgelagerte Inselchen Kerrera vor. Doch so einfach, wie wir uns das vorgestellt haben, lässt sich selbst diese «Vor-Hebriden-Insel» nicht «entern». Die einzige Fährverbindung liegt vier Kilometer ausserhalb der Stadt, und wir können trotz mehrfachem Nachfragen keinen Bus finden, der uns zum Fähranleger bringt. Da wir unsere Wanderlust für die Insel aufsparen wollen, nehmen wir notgedrungen ein Taxi. Doch am Landesteg liegt kein Schiff, wir sehen nur eins auf der Inselseite. Ortskundigere Ausflügler, die nach uns ankommen, wechseln die grosse weisse Tafel neben dem Steg auf schwarz – schon setzt sich das kleine Schiff auf der andern Seite in Bewegung. Natürlich, man muss die Fähre erst rufen. Hätten wir das Kleingedruckte am Anschlag gelesen, hätten auch wir es begriffen. Schliesslich kommt aber das flossähnliche Gefährt an und nimmt das erste Dutzend der Wartenden auf. «Den Fahrpreis bezahlen Sie auf dem Rückweg. Sie werden ja kaum auf der Insel bleiben wollen!», lacht der Bootsführer, als ich meinen Geldbeutel zücke. Die hügelige, üppig-grüne Insel entschädigt uns grosszügig für den nicht leichten Zugang. Auf den zaunlosen Weiden tummeln sich unzählige Schafe, einzelne Pferde und schwarze Bullen. Und endlich sehen wir die ersten Hochlandrinder mit ihren ebenso frech wie gemütlich wirkenden Stirnfransen, hinter denen dunkle Augen hervorlugen. Im algen- und muschelreichen Ebbewasser der Buchten staksen Austernfischer, Brachvögel und Möwen herum. Am grasigen Ufer weiden Wildgänse. Ausser wenigen Gehölzen und einzelnen oft halb verfallenen Höfen ist die Landschaft offen, von Gras, Blumen, Schilf und niederen Büschen bewachsen. Wir sind nicht wenig erstaunt, dass die Wanderer, denen wir begegnen, oben ohne ten müssen, dafür aber mit einer Vielzahl menschlicher Kontakte entschädigt werden. Auf dem Schiff halten sich auffällig viele Vogelbeobachter mit riesigen Feldstechern auf. Kein Wunder, sind dafür doch sowohl die Briten als auch die Hebriden berühmt. Ich staune über eine sich über zwei Zeilen hinziehende Be- éé é ì è ç Oban. Hier beginnt die Reise mit der Fähre. Im Rock. Typischer Schotte. Nach Kerrera. Fähre auf Abruf. Fährenboarding. Die Schiffe bieten zwischen den Inseln gute Verbindungen für Einheimische und Touristen. Stornoway. Hauptstadt der Äusseren Hebriden. unterwegs sind. Ein älterer Mann sonnt sich mit nacktem Oberkörper am Meeresufer. Uns hingegen kommt es sogar im Langarmpulli eher kühl vor. Zurück in Oban durchstreifen wir am nächsten Morgen das Hafenstädtchen und besuchen die lokale Whiskybrennerei. Für eine Führung mit Degustation ist es uns jedoch noch etwas zu früh. Der Kauf einer schön verpackten Flasche mit 14-jährigem Single Malt soll für den Moment genügen. Mit dem Einschiffen auf die «Caledonian MacBrayne» beginnt unser eigentliches Hebridenabenteuer. Die Fähre trägt uns durch die inneren Hebriden – zuerst durch den Sund von Mull, die gleichnamige Insel zur Linken, dann macht sie einen Zwischenhalt auf der Insel Coll. Ein Dutzend vollbepackte Velofahrer und zwei Kanuten, ihr Boot hinter sich herziehend, kommen an Bord. Ohne privates Verkehrsmittel scheint ausser uns niemand unterwegs zu sein. Wir sind trotzdem zuversichtlich, die geplante Reise bis zur nördlichsten Hebrideninsel Lewis zu schaffen. Wir werden zwar immer wieder auf das nächste Schiff, den nächsten Bus war- schriftung an der Innenwand unseres Schiffs. Muss gälisch sein. Keine Chance, diese uralte, direkt vom Keltischen abgeleitete Sprache verstehen zu können. Zwei Drittel der Einwohner von Na h-Eileanan Siar, wie diese ihre Inselkette nennen, gebrauchen sie nach wie vor. Die fünfstündige Schifffahrt führt an den Felsinseln Eigg, Rhum und Canna vorbei. Kurz vor Barra, der südlichsten Insel der Äusseren Hebriden, durchschneidet die typische Dreiecksflosse eines Hais das Wasser. Wir staunen nicht schlecht, als die dazugehörende Schwanzflosse erst einige Meter dahinter auftaucht. Das muss ein Basking Shark, ein Riesenhai, sein. Die bis zu zehn Meter langen Fische filtern mit ihrem korbähnlichen Riesenmaul knapp unter der Oberfläche Plankton aus dem Meer. Auf Otterpirsch. Es ist schon früher Abend, als wir in Castlebay auf Barra von Bord gehen und uns auf die Suche nach einer Unterkunft machen. Alle B&Bs sind ausgebucht. Bleibt nur noch das relativ teure Craigard Hotel. Dafür ist das Zimmer wunderschön – mit Sicht auf eine Bucht und ein daraus aufragendes Schloss. Wir FRÜHLING 2015 GLOBETROTTER-MAGAZIN 65 Inseltypisch. Wechselhaftes Wetter. Fahrradtour. Franziska unterwegs auf Barra. ç Gemütliches B&B. Das Courthouse in Lochmaddy auf North Uist. die Felsen klettere, in die Richtung, wo ich die Robbe gesichtet habe. In einem ovalen Becken, das wie ein riesiger Swimmingpool durch einen natürlichen Wall grosser Steinblöcke vom offenen Meer geschützt ist, macht der Seehund Jagd auf darin zurückgebliebene Fische. Ich kann ihm in aller Ruhe zusehen. Als der Regen bindfädenartig wird, mache auch ich mich auf den Rückweg. Leichter gedacht als getan. Jetzt, wo es südwärts geht, herrscht steifer Gegenwind. Der Regen klatscht mir ins Gesicht, unter die Ärmelenden, in die Schuhe. Alles ist in Kürze triefend nass – da hilft auch der zwischen Jacke und Pulli gestopfte Plastiksack nichts. Sogar bergab heisst es gegen den Wind schuften wie ein Berserker. schieben das Bett ans Fenster, sodass wir die fantastische Aussicht im Liegen geniessen können. Um die vom einen zum andern Ende kaum zehn Kilometer messende Insel zu umrunden, mieten wir anderntags ein Fahrrad. In jeder Bucht halte ich vergeblich Ausschau S C H OT T L A N D /ÄU S S E R E H E B R I D E N nach Ottern. Als wir an einem Häuschen vorbeikommen, dessen Erdgeschoss zum Schmuckladen umfunktioniert ist, kauft Garenin LEWIS AND Franziska der Künstlerin einen Armreif HARRIS aus Kuhhorn ab, während ich ihren Mann Stornoway frage, wie man am ehesten Otter zu Gesicht bekomme. «Am aktivsten sind sie in ISLE OF HARRIS der Dämmerung. Aber du siehst sie nur, Tarbert wenn du sie nicht sehen willst!», erklärt mir der Insulaner schon fast philosoLeverburgh phisch. «Gut. Dann kann ich mich jetzt entspannen. Erstens ist nicht Dämmerung, Lochmaddy Uig NORTH UIST und zweitens darf ich ja gar nicht aktiv spähen», sage ich zu Franziska, als wir wieBENBECULA ISLE OF der auf die Mieträder steigen. SKYE Bis zum Nordende gehts mit etwas RüSOUTH UIST ckenwind locker. Hier liegt auf einem flaDaliburgh chen Sandstrand der europaweit einzige BARRA Flughafen, dessen Öffnungszeit von den Gezeiten abhängt, da nur bei Ebbe gestarCastlebay tet und gelandet werden kann. Einige PeReiseroute der Autoren dalumdrehungen weiter, in der Seal Bay, setzt leichter Regen ein. Wie um die Namensgeber der Bucht nicht blosszustellen, streckt ein Seehund seinen beschnauzten Kopf aus dem Wasser. «Ich will nicht tropfInverness nass werden. Ich fahr schon mal zurück», Fort William ruft mir Franziska zu, während ich über Aberdeen Oban 66 Glasgow Edinburgh ë Plötzlich erspähe ich im Nebel ein Hotelschild. Gerettet! Bestimmt hat auch Franziska hier Unterschlupf gefunden. Ich gehe rein, eine Pfützenspur auf dem gediegenen Teppich der Eingangshalle hinterlassend. Die junge Frau, die alsbald am Empfang auftaucht, sieht freundlich lächelnd darüber hinweg. Natürlich könne ich eine heisse Schokolade bekommen – auch ein Stück Kuchen, wenn ich wolle. Franziska finde ich hingegen nicht. Der Regen nimmt nicht ab. Trotzdem breche ich nach einer halben Stunde auf. Die gute Seele vom Empfang schenkt mir einen Regenschutz, der die restlichen zehn Kilometer zurück nach Castlebay halbwegs erträglich macht. Als ich ankomme, ist Franziska schon geduscht, getrocknet und umgezogen. Ich begnüge mich mit den zwei letzteren. Geduscht fühl ich mich für heute genug. Herzlichkeit. Gegen Abend bringt uns ein Bus zum Nordende von Barra und eine Fähre weiter auf die kleine Insel Eriskay, die per Brücke mit South Uist verbunden ist. Von hier wollen wir mit dem Bus nach Lochboisdale, um eine nächste Übernachtungsmöglichkeit zu suchen. Am Fähranleger steht aber nur ein roter Kleinstbus, auf dem «Royal Mail» steht. Etwas unsicher schauen wir uns nach einem offiziellen Bus um und fragen schliesslich die Postfahrerin, ob sie per Zufall nach Lochboisdale fahre. «Ja, ja. Steigen Sie ein.» Ausser uns ist niemand in Sicht. Sie fährt los, fragt uns nach einer Weile, ob wir eine Übernachtung gebucht hätten. «Nein. Aber ich denke, wir werden schon etwas finden», antworte ich. «Viel Auswahl gibts dort allerdings nicht», entgegnet sie. Nach einer Weile Schweigen und einigen Kilometern Fahrt vorbei an Meeresbuchten, Schilflandschaften, Weiden mit Hochlandrindern, ausgestochenen Torfgräben und einzelnen Weilern sagt die Fahrerin: «Ich hab früher ein B&B geführt. Ist eine ganze Weile her. Aber ihr könnt SCHOTTLAND bei mir übernachten, wenn ihr wollt. Ich wohne in Daliburgh. Den Bus behalt ich über Nacht bei mir. Die restliche Fahrt nach Lochboisdale kann ich mir sparen. Ihr seid ja die einzigen Fahrgäste. Ich muss aber morgen ganz früh wieder los. Und mein Mann ist unfähig – oder zu faul –, Frühstück zu machen. Ich bereite alles vor, und ihr nehmt einfach, was ihr mögt, und lasst die Haustür hinter euch ins Schloss fallen, wenn ihr geht.» Wir sind überwältigt von dieser herben, aber warmherzigen und wie selbstverständlichen Gastfreundschaft. Zimmer und Bett sind warm und gemütlich, und am andern Morgen finden wir in der Küche den Tisch reichlich gedeckt. Wie von unserer Gastgeberin am Vorabend beschrieben, finden wir die Bushaltestelle keine zehn Minuten vom Haus entfernt. Ein etwas grösserer Bus bringt uns vom katholischen Süden über Benbecula nach Lochmaddy, in den streng protestantischen Norden. Unterwegs kreuzen wir den kleinen roten Bus unserer Schlummermutter und winken ihr zum Abschied dankend zu. North Uist, wo wir jetzt sind, und die noch vor uns liegenden Inseln Harris und Lewis, sind geprägt von den Presbyterianern. Am Sonntag herrscht Sabbatsruhe – da geht gar nichts: kein Bus, keine Fähre. Auch Restaurants, Tankstellen und Fahrradvermietungen sind zu. Selbst das Einchecken in B&Bs und Hotels sei nicht kleine, aber gemütliche Gästezimmer im Obergeschoss. Wir machen noch einen Abendspaziergang zur Otter Bridge, einer langen Eisenbrücke, die eine fjordähnliche Meereszunge überquert. Hier müssten doch Otter zu sehen sein! Nichts. Nur alle Arten von Seevögeln, ein paar fette Schafe und ein halb untergegangenes Fischerboot. Wärmende Einkäufe. Das Früh- Baumlose Weite. North Uist bietet Fernsicht bis zum Horizont. é Wollschaf. Sympathischer Inselbewohner. éé ohne Weiteres möglich. Zum Glück fällt unsere Ankunft auf den Samstagabend. Wir fragen im kleinen Dorfladen am Hafen nach einem B&B, und die Verkäuferin weist uns den Weg zum Gericht. «Keine Sorge, das Old Courthouse ist jetzt eine sehr angenehme Unterkunft», lacht die freundliche Frau. In der Tat, das aus grossen Quadern gebaute Steinhaus mit seinen weiss gerahmten Sparrenfenstern und zwei leuchtend blauen Türen sieht sehr einladend aus. Und die ältere Lady, die uns zu einem der Tore hereinwinkt, ebenso. Margret, wie sich die Gastgeberin vorstellt, zeigt uns stolz die zwei alten Arrestzellen und bringt uns dann ins stück, das uns Margret am anderen Morgen auftischt, ist sensationell: geräucherter Hering, Black Pudding, Getreideschnitten, Milchreis, Spiegelei, Porridge und selbst gebackene Oatcakes. Es ist so deftig, dass für den Rest des Tages kein echter Hunger mehr aufkommen kann. Es regnet und ist windig. Trotzdem machen wir einen Spaziergang durch die hügelige Umgebung. Immer wieder stossen wir auf Buchten, Sandstrände und auf Süsswasserseen, in denen sich Wildgänse, Austernfischer, Tauchenten, Möwen und andere Vögel tummeln. Das sumpfige Gelände wird auch zum Torfstechen genutzt. Überall sehen wir kunstvoll zum Trocknen aufgeschichtete Reihen von Torfziegeln. Die Pflanzenwelt erinnert mit bunten Kissen winziger Blumen, Disteln und Wollgras in den kleinen Seen an einen riesigen Patchworkteppich. Überall hats Weiden mit Schafen, Pferden und Hochlandrindern. FRÜHLING 2015 GLOBETROTTER-MAGAZIN 67 schauen wir Basstölpeln bei ihren akrobatischen Sturzangriffen auf Fische zu. In Tarbert haben wir eine gute Stunde Aufenthalt, bis der Bus zur nördlichen Teilinsel Lewis weiterfährt. Tarbert, der grösste Ort auf Harris, trägt den Übernamen Tweed City. Er hat keine tausend Bewohner – trotzdem sind mindestens ein halbes Dutzend Läden zu finden, die Produkte aus dem Wollstoff Tweed anbieten. Der wird immer noch von rund 400 Weberinnen auf ganz Lewis and Harris aus naturgefärbter Schafwolle von Hand gesponnen, gewoben und gewalkt. Ich nütze die Zeit und erstehe einen Lammwollschal und Lammwollhandschuhe, um den Hebridensommer ohne Erkältung zu überstehen. Dann geht es weiter – über eine hohe Gebirgskette, die zu Zeiten der Kelten unüberwindbar war – nach Stornoway. Mit stolzen 8000 Einwohnern die einzige richtige Stadt der Äusseren Hebriden. Wir stossen auf einen unglaublichen Krämerladen, der Trödel, Tweedtextilien und -stoffe, aber auch alte Bücher und Stiche, Fischereiartikel, alte Walknochen, WebIn der Abenddämmerung versuchen wir nochmals unser Glück an der Otterbrücke. Franziska verliert nach einer knappen Stunde die Geduld und geht zurück ins Old Courthouse. Ich wende mich dem Himmel zu, der begonnen hat, ein grandioses Spektakel zu inszenieren. Knapp über dem Horizont ist die fast schwarze Wolkenschicht etwas aufgerissen und wird von der Sonne glutgelb beleuchtet. Je tiefer diese sinkt, desto spektakulärer wird die Stimmung: dunkelblau, violett – sehr kontrastreich zum Goldgelb der untergehenden Sonne. Ich bin völlig versunken in das ständig wechselnde Farbenspiel. Plötzlich schiesst direkt unter meinen Füssen ein brauner, länglicher Schatten unter der Brücke hervor durchs Wasser. Das muss ein Otter sein! Dann sehe ich weiter draussen einen dunkelbraunen Kopf mit hellem Schnurrbart auftauchen und auf mich zuschwimmen. Ein zweiter Fischotter. Als sich die beiden treffen, beginnen sie ein übermütiges Spiel. Sie machen Seitwärtsrollen und schlagen Purzelbäume. Im Licht der untergehenden Sonne leuchten ihre markanten Köpfe wie mit Gold überzogen. Wie verzaubert schlendere ich zurück Richtung Courthouse. Verrückt – es war genau, wie es der alte Mann auf Barra prophezeit hatte: Nicht dran denken, und die Tiere tauchen auf. Nach herzlicher Verabschiedung von Margret nehmen wir am Montag den Bus nach Berneray und von da eine kleine Fähre nach Leverburgh auf der Isle of Harris. Vom Deck aus 68 GLOBETROTTER-MAGAZIN FRÜHLING 2015 maschinen und Kunst feilbietet. Ich erstehe eine Harris-Tweed-Mütze, nach langem Abwägen, ob ich nicht doch die danebenliegende karierte Sherlock-Holmes-Kopfbedeckung nehmen soll. Der Ladenbesitzer sieht aus wie sein Laden: ein Mischmasch aller Stile. Und mit seinem Vollbart und seiner Leibesfülle ist er altersmässig kaum einzuschätzen. Er erklärt uns in wenigen Sätzen viel aus seinem Leben und einiges über Stornoway. Die Robben und die Möwen seien fast am Verhungern, weil das küstennahe Meer leergefischt sei. Die Seemöwen kämen deshalb zum Fressen zu den Fish&Chips-Buden und die Robben abends, wenn die Fischerboote einlaufen, zum Hafen, um den über Bord gekippten Beifang zu fressen. Er nennt uns auch noch das preiswerteste Restaurant mit dem besten Seafood, bevor er uns zwischen den im Garten verrostenden Webstühlen verabschiedet. Callanish-Steinkreis. Mystischer Kultplatz. Blackhouse. Mit Torfheizung. ç Stornoway. Die einzige grössere Stadt auf den Äusseren Hebriden. í Inselmode. Harris-Tweed-Mützen. ë Torfheizung. Ein halbes Dutzend stattliche Ke- gelrobben stellen sich pünktlich zur Ankunft der Fischerboote ein, und ihr Gezänk mit den Möwen um die besten Fische bietet ein tolles Schauspiel. Zum Übernachten haben wir ein paar Strassenzüge von der Hafenpromenade entfernt ein sympathisches B&B gefunden. Nach dem Frühstück sehe ich im Eingangsbereich unseres im viktorianischen Stil gehaltenen Gästehauses zwei aufeinandergestapelte grüne gestrickte Lammwollpullover. «Harris Wool, Outer Hebrides – 30 Pfund» steht auf dem Etikett. Ein fast schon schäbiger Preis für den wunderschönen, offensichtlich handgestrickten Pullover. Ich nehme einen davon mit ins Zimmer. Er passt wie angegossen, und ich behalte ihn an, als ich runtergehe, um das Zimmer zu bezahlen. Die Landlady zuckt nicht mit der Wimper, als sie mich in ihrem Pulli sieht, schreibt mir nur eine Rechnung für das Zimmer. «Sie haben den Sweater vergessen!» Ich tippe mit dem Zeigefinger auf meinen Bauch. Sie lacht laut heraus. «Der steht Ihnen so gut, dass er mir gar nicht aufgefallen ist.» Ihre Schwester habe ihn gestrickt, erklärt sie mir. «Er sieht nicht nur gut aus, sondern gibt auch schön warm. Ich bin das windige Klima hier im äussersten Nordwesten Europas nicht so gewöhnt», erwidere ich. Jetzt, wo unsere Reise bald zu Ende geht, bin ich von Kopf bis Fuss für das Hebridenwetter gerüstet. Doch die ganze Harris-Wool-Ausrüstung mit Pulli, Mütze, Schal und Handschuhen wird mir auch im Schweizer Winter gute Dienste leisten. Ein Postminibus bringt uns zum 5000-jährigen Callanish-Steinkreis. Die Menschen der Jungsteinzeit nannten den mystischen Kultplatz «Die falschen Männer». Es geht eine besondere Ausstrahlung von den bis zu fünf Me- SCHOTTLAND Isle of Skye. Auf dem Rückweg aufs schottische Festland. ç Endlich. Die Otterpirsch hat sich gelohnt. è Warm eingepackt. Autor Bruno Heinzer. é Zurück auf dem Festland. Da die Fähre zurück aufs schottische Festland nach Ullapool sabbathalber ausfällt, müssen wir mit dem Bus nach Tarbert zurück, von wo am andern Morgen eine Fähre nach Uig auf der Isle of Skye in den Inneren Hebriden auslaufen wird. Das © Globetrotter Club, Bern ter aus dem grünen Boden ragenden, dunkelgrauen Gneismonolithen aus. Wir können den magischen Platz alleine geniessen, kurz bevor die Insassen eines Touristenbusses den Hügel stürmen. Nach einem einstündigen Spaziergang erreichen wir das Garenin Blackhouse Village in einer wunderschönen Meeresbucht. Blackhouses waren bis vor wenigen Jahrzehnten die übliche Behausung auf den nördlichsten Hebrideninseln. Die Blackhouses heissen so, weil ihre Wände schwarz vom Russ des in der Hausmitte brennenden Torffeuers sind. Die reetgedeckten Steinhäuser verfügen über keine Fenster und keinen Kamin. Nur in der Mitte des Daches befindet sich eine Öffnung, durch die ein Teil des Rauchs abziehen kann. Für die Bewohner wars eine ständige Gratwanderung zwischen Lungenentzündung und Rauchvergiftung. Aber die Birken- und Eichenwälder waren längst abgeholzt – es blieb nur Torf als Heizmaterial. Und die kalte Zeit dauert hier acht Monate. 1973 haben die letzten Einwohner Garenin verlassen. Seither wird das Dorf als Museum genutzt. heisst also ein zweiter Kurzaufenthalt in der City of Tweed. Und wieder kaufen wir kein Harris-Tweed-Produkt, sondern den Rohstoff davon – Franziska ein weisses, ich ein dunkelbraunes Schaffell. Wir picknicken im Sonnenuntergang auf ein paar Steinen über dem Hafen, bevor wir in einem absolut unromantischen Hotel, dem einzigen, in dem wir ein Zimmer finden konnten, in die hässlichen, aber bequemen Betten kriechen. In anderthalb Stunden bringt uns die Fähre am nächsten Morgen nach Uig, wo bereits der Lebenswerk weiterführen. Sein Frühstück am Bus nach Portree an der Ostküste von Skye warandern Morgen ist hundertprozentig schottet. Bei Kyle of Lochalsh verlassen wir die Hetisch und schmeckt ausgezeichnet – einziger Wermutstropfen: Statt des heimlich erträumten briden über eine imposante Brücke endgültig. Cappuccinos gibts schottischen Filterkaffee. So In Fort Williams am Loch of Linnhe legen wir den letzten Halt vor der Rückkehr nach bleibt uns dafür die Vorfreude auf einen würGlasgow ein. Das Städtchen liegt an einem steizigen Espresso in einem der vielen italienilen Abhang zum Meeresarm, was wir bei der schen Cafés in Glasgow, das wir nach ein paar Suche nach einem Schlafplatz körperlich zu Stunden Eisenbahnfahrt wieder erreichen werspüren bekommen. Erst hoch oben am Berg den. [email protected] finden wir in einem B&B ein freies Bett. Wir werden herzlich empfangen – vom Italiener GiorREZEPT SCHOTTISCHE OATCAKES gio Boggi. Als wir unser leicht nach Margret Johnson vom Old Courthouse angestaubtes Italienisch hervorin Lochmaddy, North Uist kramen, taut er sichtlich auf und erzählt uns seine Lebensge12 ounces / 500 g Oatmeal schichte. Die Liebe zu einer (in der Schweiz als Hafertau erhältlich) Schottin hat ihn hierher in den 6 ounces / 250 g Weissmehl kühlen und regnerischen Norden 6 ounces / 250 g Butter geführt. Sie waren so glücklich, ½ tea spoon / TL Natriumbicarbonat (Natron) dass er leichtherzig vom sonni½ pint / 3 dl heisses Wasser gen Italien Abschied genommen Alles kräftig zu einem Teig kneten. Einen halben Zentimeter hat. Doch nun ist sie gestorben, dick auswallen, Plätzchen ausschneiden oder ausstechen. und er vermisst doch zuweilen Bei 180 Grad 20 Minuten backen. die Wärme des Südens. Trotzdem will er das gemeinsam aufgebaute 69 GOOD NEWS Das Globetrotter-Magazin neu als App für Tablets Ab sofort können Abonnenten das Magazin kostenlos auch auf Tablets (iPad, Android) oder via Internet lesen. WIE FUNKTIONIERT ES? iPad à die App «GlobetrotterMagazin» aus dem Apple App Store kostenlos herunterladen Android Tablet à die App «GlobetrotterMagazin» aus dem Play Store kostenlos herunterladen PC/Smartphone à www.globetrottermagazin.ch/app EINLOGGEN BEI APP Abonnenten Schweiz, Liechtenstein und Deutschland: Abo-Nummer: Globetrotter-Card-Nummer Passwort: Postleitzahl Abonnenten aller anderen Länder: Abo-Nummer: Globetrotter-Card-Nummer Passwort: Globetrotter-Card-Nummer (wiederholen) WO FINDE ICH DIE GLOBETROTTER-CARD-NUMMER? 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