003_Byjak Natalia

Transcription

003_Byjak Natalia
NATALIA BYJAK
(Ternopil)
ZUR WIEDERGABE DER NAMEN VON REALEN HISTORISCHEN
PERSONEN UND LITERARISCHEN FIGUREN
IN DEN ÜBERSETZUNGEN DER SCHÖNGEISTIGEN LITERATUR
Abstract. In fiction writers often use the names of real persons and literary
characters. Such real persons may be characters of the work and also used with a
certain stylistic aim: as nicknames of invented characters or for certain background – historical, intellectual or emotional.
While rendering the names of real historical persons and literary characters in
fiction translations two main aspects should be taken into consideration: 1) how
the name is written in original to render its form into the recipient’s language as
correctly as possible; 2) the level of fame of a real person or a literary character for
the readers of the translation.
Fast kein literarisches Werk kommt ohne Namen der realen Persönlichkeiten der Weltgeschichte aus. Reale mehr oder weniger bekannte Menschen können eigentlich handelnde Personen des Werkes sein oder ihre
Namen werden als Spitznamen für die Gestalten erwähnt. Nicht selten gebraucht der Schriftsteller auch die Benennungen der Mythen- und Sagengestalten sowie literarischen Figuren aus anderen Werken.
Außerdem bilden solche im literarischen Text erwähnten Namen einen
bestimmten Hintergrund des Werkes – historischen, intellektuellen sowie
emotionalen. Alle Namen als kleine Bausteine sind mit dem literarischen
Text unmittelbar verbunden und werden aus stilistischen Gründen gebraucht. Jeder Name erfüllt im Text eine bestimmte Funktion. Deswegen
spielt die richtige graphische Gestaltung solcher Namen in der Übersetzung eine besonders wichtige Rolle. Jede beliebige Ungenauigkeit führt
zur Verfälschung des Namens und demgemäß zur falschen Wahrnehmung
des übersetzten Testes der Assoziationen und Anspielungen durch den
Leser, welche solche Namen hervorrufen können.
Das Streben, die Funktionen der Namen im Text der Übersetzung wie
im Original zu bewahren gehört also zum Hauptproblem bei der Wiedergabe von Eigennamen der realen historischen Personen und literarischen
Figuren. Jeder Übersetzer soll sich bemühen, sowohl die Form als auch
den Inhalt jedes Namens zu bewahren.
Erstens, muss man die richtige Form des Namens in jeder Sprache bewahren. Die häufigsten Transkriptionen und Transliterationen sind nicht
immer die besten Verfahren dazu. Die Übersetzer sollen in Betracht
28
NATALIA BYJAK
ziehen, dass manche „berühmten“ Eigennamen, d.h die Namen der
weltbekannten Persönlichkeiten schon durch die lange Zeit ihres
„Lebens“ bestimmte Traditionen ihrer Wiedergabe ausgeprägt haben. Das
gilt in erster Linie für die Personennamen, die unterschiedliche Schreibweisen in verschiedenen Sprachen haben (vgl. Tabelle 1). So wird der
Name des polnischen Astronomen und Mathematikers des 15. Jahrhunderts Nikolaus Kopernikus in verschiedene Sprachen entweder aus dem
Latein (die Sprachen der zentraleuropäischen Länder) oder aus dem
Polnischen (vorwiegend die slawischen Sprachen) entlehnt:
Tabelle 1
lat. Nicolaus Copernicus
deutsch. Nikolaus Kopernikus
engl. niederl. Nicolaus Copernicus
ital. Nicolö Copernico
poln. Miko∏aj Kopernik
ukr. MËÍÓ· äÓÔÂÌËÍ
rus. HËÍÓÎ‡È äÓÔÂÌËÍ
tschech. Mikuláš Koperník
Der Name des spanischen Seefahrers italienischer Herkunft Christoph
Kolumbus hat auch fast in jeder Sprache seine eigene Variante:
Tabelle 2
ital. Cristoforo Colombo
deutsch Christoph Kolumbus
engl. Christopher Columbus
franz. Christophe Colomb
katalonisch Cristö for Colom
kroat. Christopher Columbo
lat. Kristofers Kolumbs
lit. Kristupas Kolumbas
poln. Krzysztof Kolumb
port. Cristóvão Colombo
russisch., ukrainisch XËÒÓÙÓ äÓÎÛÏ·
span. Cristóbal Colón
tschech. Kryštof Kolumbus
Deswegen muss der Übersetzer gründlich alle realen Namen im Werk
erforschen und in den Lexika nachschlagen, bevor er den literarischen
Text zu übersetzen beginnt. Anstatt die Nachschlagewerke zu studieren,
versuchen manche unerfahrene Übersetzer gleich ihre Variante des Namens zu erfinden. In diesem Fall erscheinen verschiedene „neuerfundene“
ganz unbekannte Namen anstelle der schon im Laufe der Jahrzehnte in
den Enzyklopädien und in der wissenschaftlichen Literatur verankerten
Eigennamen. wie z.B. in den ukrainischen Übersetzungen ¢‡ÎÂÌÓÒ [Galenus], ¢ÓÏÂÓÒ [Homeros] und ç·Û͇‰Ìˆ‡ [Nebukadnezar] statt dem
ukrainischen Leser gut bekannten griechischen Dichter ¢ÓÏÂ [Homer],
altrömischen Arztes ¢‡ÎÂÌ [Galen] und babylonischen Königs
燂ÛıÓ‰ÓÌÓÒÓ [Navuchodonosor]. In einer deutschen Übersetzung tauchte plötzlich ein „neuer„ Komponist Gendel (im Ukrainischen ¢ẨÂÎ˙) auf,
während der Autor von 25 Sonaten in der ganzen Welt unter dem Namen
ZUR WIEDERGABE DER NAMEN VON REALEN HISTORISCHEN PERSONEN
29
Georg Friedrich Händel berühmt ist.
Es muss gesagt werden, dass eine Abweichung von Traditionen in den
letzten Jahren in der Ukraine ausgeprägt ist. Dies gilt in erster Linie den
deutschen Eigennamen mit den Diphthongen eu, ei. In den modernen
ukrainischen Lexika kann man heutzutage zwei Varianten solcher Namen
finden: neben den traditionellen Formen ¢ÂŭÌ [Heıne], îeŭ‰ [Freid]
stehen auch die aus dem Deutschen transkribierten Namen – ¢aŭÌÂ
[Ha°ne], îoŭ‰ [Fro°d].
Es ist historisch bedingt, dass die Fürsten und andere Führer, Heerführer sowie Herschafften traditionell gleiche Namen trugen und sich nur
durch ihre Reihenfolge oder Spitznamen voneinander unterschieden. Da
ihre Beinamen im ganzen Europa berühmt waren und in jeder europäischen Sprache ihre lautliche Form graphisch gestaltet worden i st (s. Tabelle 3), muss man heutzutage eben diese Form bei der Wiedergabe in jeweilige Sprache benutzen.
Tabelle 3
deutsch. Heinrich I. Heinrich der Vogler ukr. üÓÒÎa‚ åÛ‰uŭ
engl. Henry I, the Fowler
deutsch. Jaroslaw I. Wladimirowitsch
Mudryj, der Weise
franz. Henri Ier l’Oiseleur
engl. Velikii Kniaz Yaroslav I the Wise
niederl. Hendrik I de Vogelaar
franz. Iaroslav Vladimirovitch, dit
Iaroslav le Sage
poln. Henryk I Ptasznik
poln. Jaros∏aw I Ma˛ry
rus. ¢ÂÌËı èÚˈÂÎÓ‚
ital. Yaroslav I il Saggio
span. Enrique I, llamado el Pajarero schwed. Jaroslav I av Kiev, Jaroslav den Vise
ukr. ¢ÂÌiı èÚaıÓÎÓ‚
Obwohl auch hier Ausnahmen existieren. Der Spitzname des Kaisers
des Heiligen Römischen Reiches Friedrich I. Barbarossa wird in einigen
Sprachen traditionell übersetzt, in anderen – mit oder ohne Erläuterung
transkribiert. Verschiedenerweise wurden auch seinen Vornamen gelesen.
Tabelle 4
deutsch. Friedrich I., genannt Barbarossa
engl. Frederick I known as Friedrich Barbarossa (“Frederick Redbeard”)
franz. Früdüric Ier Früdüric Barberousse
ital. Federico Barbarossa
poln. Fryderyk I Barbarossa (Rudobrody)
rus. îˉËı I Åa·aÓÒÒ‡
schwed. Fredrik Rödskägg
ukr. rus.îi‰¥ı I Åa·aÓÒÒ‡
30
NATALIA BYJAK
Wenn man sich nicht gut in der Geschichte auskennt, könnte man sehr
einfach eine Person in der Übersetzung umbenennen oder verwechseln.
Französische Könige mit dem Vornamen Louis (deutsche Form Ludwig)
sind im Ukrainischen und Russischen als ã˛‰Ó‚¥Í [Ludowik] bekannt, im
Spanischen – Luis und im Ungarischen wird der Vorname als Lajos gelesen. Deutsche Könige namens Ludwig haben im Französischen den Namen Louis und im Ukrainischen ã˛‰‚¥u [Ludwig] (Russische Form –
ã˛‰‚¥u). Im Englischen dagegen bewahren die beiden Vornamen französische Form Louis. In einer russischen Erläuterung zum Spiel „Das
Schloss Neuschwanstein“ erzählt man über einen König Ludowik, obwohl
es um einen bayrischen König Ludwig II. geht und er in Rußland unter
dem Namen Ludwig bekannt ist.
Jedenfalls ist die Liste solcher anthroponymischen Exonymen nicht
zahlreich. Die meisten Personennamen (dazu gehören heutzutage auch die
Benennungen von Politikern, Künstlern und Wissenschaftlern) werden
häufiger transliteriert oder transkribiert.
Wichtig für die richtige orthographische Wiedergabe der Eigennamen
im Zieltext ist die Bestimmung ihrer Zugehörigkeit zu den Sprachen mit
bestimmten graphischen Systemen. Was deutsche und ukrainische Übersetzungen angeht, so muss gesagt werden, dass die beiden Sprachen verschiedene Schriften besitzen: Deutsch benutzt die Buchstaben des lateinischen
Alphabets, Ukrainisch wird mit dem kyrillischen Alphabet geschrieben.
Als Anschauungsbeispiele werden in diesem Artikel die in den einigen
Werken von Heinrich Böll und Oles Hontschar und ihren Übersetzungen
gebrauchten Namen angeführt1. Die beiden Schriftsteller erwähnen in den
Werken nicht selten verschiedene Namen realer Persönlichkeiten und literarischer Gestalten. Ihre Werke sind in viele Sprache übersetzt worden.
In den Romanen des bekannten ukrainischen Schriftstellers Oles Hontschar gibt es oft philosophische Überlegungen über die Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft nicht nur der Ukraine sondern der ganzen
Menschheit. In seinem Roman “Der Dom von Satschipljanka“ (im Original „ëÓ·Ó”) hat er z.B. eine bedeutende Anzahl von Namen historischer
Personen, mythischer Gestalten und literarischer Figuren erwähnt – insgesamt 74 Namen. Dieselbe Anzahl solcher Namen finden wir im Roman
„Gruppenbild mit Dame“ von H. Böll.
Wichtig für die richtige orthographische Wiedergabe der Eigennamen
1 ¢Ó̘a O. ëÓ·Ó.– ä.: ÑÌ¥ÔÓ, 1989. – 270 c.// Hontschar Olesj. Der Dom von Satschiplanka. Aus dem Ukrainischen von E. Kottmeier und E. Kostetsky. – Hamburg: Hoffmann &
Campe Verlag, 1970. – 470 S.
Böll H. Gruppenbild mit Dame.– Kiepenheuer & Witsch – Köln, 1976. – 4000 S. //
¢ ÅÂÎÎ˙. ¢ ÛÔÓ‚ËÈ ÔÓÚÂÚ Á ‰aÓÏ˛. In: ÅÂÎÎ˙ ¢. T‚ÓË: B 2Ú. – ä.: ÑÌ¥ÔÓ, 1989. – T I. 326.
ZUR WIEDERGABE DER NAMEN VON REALEN HISTORISCHEN PERSONEN
31
im Zieltext ist die Bestimmung ihrer Zugehörigkeit zu den Sprachen mit
verschiedenen graphischen Systemen. Die Namen historischer Personen
und literarischer Figuren aus den analysierten Werken und ihren Übersetzungen lassen sich in zwei Gruppen teilen:
Die aus den Sprachen mit der Lateinschrift entlehnten Eigennamen;
b) Personennamen aus den Sprachen, welche andere Schriften besitzen. Solche Teilung ist dadurch bedingt, dass die Eigennamen in die deutsche Sprache verschiedenerweise entlehnt waren.
Die deutschen Personennamen oder die Eigennamen deutscher Herkunft bilden in den Werken der ukrainischen Schriftsteller keine Schwierigkeiten für deutschsprachige Übersetzer, welche sich gut in der deutscher Geschichte und Kultur auskennen. Sie erhalten in der Übersetzung
ihre Originalform: öax - Bach, ò¥ÎÎe - Schiller.
Keine Schwierigkeiten bildet auch die Wiedergabe der Namen aus anderen Sprachen mit der Lateinschrift. In der deutschen Rechtschreibung
werden sie in ihrer Originalform geschrieben: englischen: 縲moÌ - Newton - Newton, TaÎÂŭaÌ - Talleyrand, ÍoÓθ ãi - ein Konig Lear; italienischen: äaÏnaÌeÎÎa - Campanella, êaÙaeθ - Raffael; polnischen:
èamoÊu̸Íuŭ - Patorzynski; spanischen: ÑÓÌ-äixom - Don Quichotte,
èicapo – Pizarro; französischen: Eβap - Eluard, Kop·˛Á¸e - Le Corbusier.
Die aus den Sprachen mit anderen Schriften (insbesondere Hieroglyphe und Schriftzeichen) entlehnten Eigennamen werden in der Regel
transkribiert. Manchmal führt der Mangel einiger Phoneme oder ihre
Nichtübereinstimmung in verschiedenen Sprachen zu einer bestimmten
Abweichung von der Originalform herbei. In jeder Sprache hat der transkribierte Name seine graphische und lautliche Gestaltung. Er wird deutlich, wenn man die Schreibweise und die Aussprache der bestimmten Eigennamen in der ukrainischen und deutschen Sprache vergleicht: öamuŭ Batu-Khan, genannt Baty, óiÌuiÁcxaÌ Dschingis-Khan.
Die Eigennamen aus der griechischen Geschichte und Mythologie haben zwei Wege ihrer Verankerung in die deutsche Sprache. Die unmittelbar aus der griechischen Sprache entlehnten Namen werden transkribiert:
Herodot, Herostratos, Zenon. Eine Reihe der griechischen Eigennamen ist
in die deutsche Sprache über die lateinische Sprache entlehnt. Sie sind in
der latinisierten Form größtenteils vorgelegt: Helena, Ikarus, Prometeus,
Zeus. Ins Ukrainische sind diese Namen über Altslawische entlehnt und
weisen folgende Formen: ¢epo‰Óm, ¢epocmpam, ∏ÎÂÌa, á‚ec, áÂÌoÌ,
IÍap, èpoÏemeŭ auf.
Die größte Anzahl der Eigennamen in den Übersetzungen aus den Sprachen mit kyrillischen Schrift (aus den ukrainischen und russischen Sprachen) werden in der Regel transkribiert: äomÎflpe‚cÍuŭ - Kotljarewskyj,
32
NATALIA BYJAK
C‚flmocÎa‚ - Swjatoslaw, CmaÎiÌ - Stalin, Tapac ºyθ·a - Taras Bulba.
Nur einige historische Namen werden in ihren traditionellen Formen
für europäische Sprachen wiedergegeben. In diesem Fall geht es um Bekanntschaftsgrad der Eigennamen, oder Person, welche diesen Namen
trägt. Der Name des Fürsten Daniels aus Galizien (im Ukrainischen
ÑaÌËÎo [Danylo] ¢aÎˈ¸ÍËÈ) wird in einer Form wiedergegeben, die in
Europa gut bekannt ist, weil der Fürst in seiner Epoche eine große Autorität in den Ländern Europas genossen hatte. Der Name des weltbekannten russischen Schriftstellers und Grafen Leo Tolstoj (im Russischen ãe‚
ToÎcÚoÈ [Lew Tolstoj]) bewahrt fast in allen deutschen Übersetzungen
und in den deutschen Originalen seine traditionelle Form.
So betreffen die Probleme der Wiedergabe von historischen Namen
nicht nur ihre graphische Schreibweise in der Übersetzung. Außer den
linguistischen sind auch außersprachliche Aspekte von großer Bedeutung.
In den analysierten Werken haben sich vielfältige Besonderheiten des
Funktionierens der Eigennamen von realen Personen und der literarischen Figuren ergeben. Die vergleichende Analyse der Übersetzungen
weist aus, das die Übersetzer historische Namen einfach transkribieren
und der Name nicht selten sein assoziatives Feld verliert, was bestimmten
Verlusten bei ihrer Wiedergabe in den Übersetzungen bringen kann. Um
einen bestimmten Namen mit der konkreten historischen Periode, dem
Land verbinden zu können, muss man gut über die historische Person informiert sein. Der Schriftsteller richtet sich nach bestimmten Grundkenntnissen seiner Leser.
Es gibt aber wesentliche Unterschiede zwischen den Grundkenntnissen
der Leser des Originals und der Übersetzung. Nicht immer sind die im
Roman gebrauchten realen Namen den Lesern der Übersetzung bekannt.
Die Aufgabe des Übersetzers besteht darin, um ihnen jene Assoziationen,
welche diese historischen Namen bei dem Lesen des Originals hervorrufen, auf irgendwelche Weise zu erbringen.
Für die richtige Wiedergabe der Namen der realen historischen, literarischen, biblischen und mythologischen Namen im Zieltext ist ihre Klassifizierung nach dem Bekanntschaftsgrad von grosser Bedeutung. Sie erfast:
1) sehr populäre und weltweitbekannte Eigennamen; 2) nur in einem konkreten Land gut bekannte Namen, während sie in der Welt weniger bekannt sind; 3) nur einem bestimmten Kreis der Leute bekannte Namen,
4) reale nur in einer bestimmten Epoche populäre Namen.
Jeder Name, welcher nach der Meinung des Übersetzers, dem deutschen Leser nicht genug bekannt ist, muss unbedingt erläutert werden.
Am häufigsten werden die Eigennamen erläutert, welche mit der Geschichte, der Kultur einer konkreten Epoche eines Landes oder kleiner
ZUR WIEDERGABE DER NAMEN VON REALEN HISTORISCHEN PERSONEN
33
Regionen verbunden sind, über denen die Leser der Übersetzung keine
Information in der Nachschlageliteratur finden können. Der Kommentar
kann die Eigennamen im Text begleiten, in den Fußnoten oder in den Erläuterungen zum Text, die am Ende des Buches enthalten sind.
Die Übersetzer des Romans „Der Dom von Satschiplanka“ in die deutsche Sprache Elisabeth Kottmeier und Eagor Kostetzky erläutern oft solche Eigennamen wie im Kommentar auf einigen Seiten am Ende des Buches, als auch direkt im Text der Übersetzung. Der Kommentar zum Roman enthält außer den Erklärungen zu den Namen, auch kurze biographische Angaben über die im Roman erwähnten realen historischen handelnden Personen.
Der Kommentar unmittelbar im Text des Romans kann in der Rede des
Autors enthalten sein, oder der Übersetzer kann diese Worte eine der handelnden Personen sagen lassen. So z.B. nennt Mykola Baglaj seine Schwägerin Wirunka – Jaroslawna. Ihr Mann war schon von einem Jahr in Indien auf einer Dienstreise und hat als hochqualifizierte Giesserei-Arbeiter in
einem metallurgischen Kombinat gearbeitet. Und seine Frau wartet treu
auf ihren Mann. In der altukrainischen Volkssage „Igorlied“ ist Jaroslawna als Symbol einer treuen Frau bekannt und für den ukrainischen Leser
reicht es nur einen Satz ”Bima˛ ‚ mo·i üpocÎa‚Ìy“ (Ich begrüsse Jaroslawna in dir), damit er versteht dass es um die klassische Treue geht.
Damit der deutsche Leser verstehen kann, warum der Autor diesen Namen im Roman verwendet hat und die Frau nicht selten statt Wirunjka
auch Jaroslawna genannt wurde, haben die Übersetzer fast den ganzen Absatz in den Text der Übersetzung eingeführt: “Dein Warten ist klassisch?
Du bist direkt Jaroslawna”. “Wie was?” “Wie Jaroslawna. Die Fürstin, weißt
du. Im zwölften Jahrhundert hat sie auf dem Stadtwall auf ihren Mann gewartet. Vielleicht ist sie Volksfürstin gewesen. Und ihr Fürst Igor war schon
damals ganz und gar volkstümlich. Ist alles genau im Igorlied beschrieben“.
Die Übersetzer erläutern auch den Namen des sagenhaften russischen
Ikonenmalers Andrej Rublow. Im Originaltext hat der Schriftsteller nur
den Familiennamen des Künstlers erwähnt: Py·Î¸o‚. In der Übersetzung
lesen wir Andrej Rublow der geniale Ikonenmaler aus dem vierzehnten
Jahrhundert.
Im Originaltext gibt es auch viele Namen der russischen Maler, Historiker und historischen Personen. Auch diese Eigennamen werden im Text
der Übersetzung erklärt. Manchmal erläutern die Übersetzer auch die Namen der bekannten Europäer, zulassend, dass die Grundkenntnisse der Leser der Übersetzung nicht so breit sein können: KaÏnaÌeÎÎa - der italienische Philosoph Thomas Campanella, der italienische Mönch, ãopÍa - der spanische Dichter, das ist dieser nach seinem Tode uberall beruhmt geworden.
34
NATALIA BYJAK
Viele Erläuterungen sind dem Fürsten Potjomkin (in manchen Lexiken
auch als Potemkin transliteriert) gewidmet. In einigen historischen Retrospektiven im Roman hat Oles Hontschar die Zarin Katharina die II. und
ihren Liebhaber Potjomkin erwähnt, der unter den einfachen Menschen
und Kosaken unter dem Spitznamen Gregor der Ungekämmte mehr bekannt ist. Diesen Spitznamen gebraucht auch der Autor im Roman. Der
Kommentar am Ende des Buches enthält neben kurzer biographischer Information auch einige Erklärungen des Spitznamens mit seiner wörtlichen
Übersetzung. Ihr Liebhaber, der Potemkin, Hrytzko Netschossa, Netschossa, der sich nicht kämmt; “Gregor der Ungekämmte”; der Struwelpeter. Im
Roman wird auch die Wortverbindung Potemkinsches Baugerüst gebraucht. Die Erklärung ihrer Bedeutung kann man in vielen deutschsprachigen Wörterbüchern wie Deutsches Universalwörterbuch Duden und in
einer Mehrzahl von Enzyklopädien und Lexiken2 finden. Aber die Übersetzer haben im Text fast auf den letzten Seiten des Romans einen kurzen
Kommentar eingefügt: “…Du tust doch bestimmt nicht das, was hier seinerzeit der Potemkin gemacht hat.” –- “Wieso Potemkin?” - “Na, wie er hier
fur die Zarin Dorfer aus lauter Fassaden gebaut hat. Sowas gibt’s heute nicht
mehr. ” Iwan hatte sicher ohne Hintergedanken gesprochen. Aber auf das
Wort “Potemkin” reagierte Wolodjka seit einiger Zeit allergisch“. Wahrscheinlich beschlossen sie die “Taten” von Potjomkin zu erläutern, um die
Allusion dieses Namens am meisten voll darzustellen.
Solche weit verbreiteten Kommentare, obwohl sie den Textumfang der
Übersetzung vergrößern, sind unserer Meinung nach, voll und ganz gerechtfertigt. Kurze Fragen oder Sätze mit der Erläuterung gewährleisten
die Erhaltung des Ideellengehalts des Romans. Man muss nur in Betracht
ziehen, dass solche Kommentare nicht überflüssig sein sollen.
In den Romanen von Oles Hontschar wird oft der berühmte ukrainische Dichter Taras Schewtschenko erwähnt. Er ist oft mit dem Vornamen
Taras, mit in der Ukraine üblicher Benennung Kobsar (Kobsaspieler) und
sogar mit namenloser Nomination - der Dichter genannt. Für die deutschen Leser ist der Familienname Schewtschenko eher im Zusammenhang
mit dem Fussballspieler Andrij Schewtschenko oder mit der Eikunstläuferin Tanja Schewtschenko bekannt. Der deutsche Leser wird auch keine Assoziation verstehen, wenn er nur den Namen Taras oder das Appellativ
Kobsar im Text findet, deshalb müssen die Übersetzer nicht nur den Vornamen, sondern auch Namen des Dichters gebrauchen.
2 Duden. Deutsches Universalwörterbuch. 2003. 5., überarb. Aufl. Mannheim: Dudenverlag; Brockhaus in einem Band 1985. /F.A. Brockhaus, Wiesbaden; Meyers Jugend-Lexikon. 1994.
3., aktualisierte Auflage. Mannheim-Wien-Zürich: Meyers Lexikonverlag.
ZUR WIEDERGABE DER NAMEN VON REALEN HISTORISCHEN PERSONEN
35
Neben der differenzierenden Funktion erfüllen die Eigennamen im literarischen Text lokalisierende, charakterisierende, Allusions- symbolische
u.a. Funktionen. Für die Übersetzer ist die Wiedergabe der mit dem Eigennamen verbundenen Assoziationen und Anspielungen eine der wichtigsten und kompliziertesten Aufgaben. Der Übersetzer soll genau wissen,
was der Autor dem Leser mit diesem Namen mitteilen wollte. Man muss
auch gut wissen, welche Information der Leser der Übersetzung besitzen
kann, und welche ihm in irgendwelcher Weise mitzuteilen ist. Die notwendige Information über den Namen und seinen assoziativen Hintergrund
kann man aus verschiedener Nachschlagesliteratur bekommen: aus den
Enzyklopädien, etymologischen und namenkundlichen Wörterbüchern,
aus den Wörterbüchern der Schriftsteller. Gerade solche gründliche und
sorgfältige Durcharbeitung verschiedenen Quellen erlaubt den Übersetzer
die Allusion des Namens adäquat wahrzunehmen.
Eine zusätzliche Information über handelnden Personen und ihre Charakteristik enthalten die kurzen Phrasen oder Sprichwörter mit einem Namen. Die Eigennamen in diesen Phrasen werden nicht selten als Appelativa gebraucht und deshalb werden sie auch durch Appelativa ohne Eigennamen wiedergegeben. Eine episodische Gestalt, der alte Ingenieur, welcher als Schürzenjäger bekannt war, wurde vom Autor im Roman „moŭ
caÏuŭ ÑoÌÊyaÌ”(derselbe Don Juan) genannt. Der Name Don Juan hat
auch in der deutschen Sprache die Bedeutung des Schürzenjägers. Die
Übersetzer aber haben in der Übersetzung ein appelativisches Synonym
gebraucht: dieser alte Schwerenöter.
Manchmal vermeiden die Übersetzer die Wiedergabe der historischen
Namen, und lassen aus dem Text nicht nur die Eigennamen, oder sogar
die ganzen Absätze aus. Solche Fälle kann man in der Übersetzung des anderen Romans von Hontschar “Der Mensch und die Waffen” beobachten.
In der ukrainischen Übersetzung des Romans von H. Böll „Gruppenbild mit Dame“ haben die Übersetzer Jewhen Popowytsch und Jurij Lisnjak nur 6 Eigennamen in den Fußnoten erläutert. Das sind die Namen des
deutschen Politikers Heinrich Brüning (von 1930-1932 Reichskanzler des
Deutschen Reichs), zwei österreichischen Schriftstellerinnen Marie von
Ebner-Eschenbach und Enrica Handel-Mazetti, irischen Schriftstellers Patrick Henry Pearse, irischen Politikers James Connolly und einer Titelgestalt des Romans von Theodor Fontane Effi Briest.
Es ist ziemlich wenig im Vergleich zu 36 Erläuterungen am Ende der
deutschen Übersetzung des Romans von Oles Hontschar und einer Reihe
von Kommentaren unmittelbar im Text. Solcher Unterschied ist dadurch
bedingt, dass fast ein Viertel im Romas von H. Böll erwähnten realen Eigennamen die Benennungen der russischen Künstler, Schriftsteller und Li-
36
NATALIA BYJAK
teraturgestalten sind. Diese Namen sind den ukrainischen Lesern gut bekannt. Zweitens. Die ukrainischen Übersetzer erwarten von ihren Lesern
richtig gute Grundkenntnisse und sind überzeugt, dass sie einige Kommentare zu den unbekannten Eigennamen aus dem Kontext erschließen
können. Und drittens, der Roman „Der Dom von Satschipljanka“ ist Anfang der 70-er Jahren übersetzt worden und erschien im Westdeutschland
im Jahre 1970 (Verlag Hoffmann u. Campe). Das war die Zeit des Kalten
Krieges. Die Ukraine als eine der Sowjetrepubliken war hinter dem „Eisernen Vortrag“ und deutsche Leser wußten fast nichts über die Geschichte
und Kultur des Landes. Deshalb beschlossen die Übersetzer, die Leser ˙gabe des transkribierten Namens ohne Kommentare ruft oft die Veränderung seiner Funktion hervor, was den Inhalt des Werkes verdreht. Die
Transkription darf man nur dann verwenden, wenn solche Eigennamen
nur die emotionale Funktion erfüllen.
Die Namen der realen historischen Personen und literarischen Figuren
werden also folgenderweise in den Übersetzungen wiedergegeben: 1) mittels der Transkription; 2) durch die Transkription mit Kommentar innerhalb des Testes; 3) durch die Transkription mit dem Kommentar in den
Fußnoten; 4) durch die Transkription mit dem Kommentar in den Erläuterungen zum Text; 5) durch die traditionelle Wiedergabe der Eigennamen in der Zielsprache; 6) durch die umschreibende Übersetzung.
Die Hauptfaktoren, welche die Art und Weise der Wiedergabe von Eigennamen beeinflussen sind wie folgt: extralinguale (ausssersprachliche),
d.h. der Bekanntschaftsgrad des Namens und linguale (sprachliche) Faktoren. Die letzterwähnten sind durch die Besonderheiten der Sprache des
Originals und der Sprache der Übersetzung bedingt.
Die Transkription ohne Erläuterung ist die am meisten verbreitete Weise der Wiedergabe der historischen Namen. Eben solche Wiedergabe des
Namens führt oft zum Verlust von bestimmten Assoziationen im übersetzten Text.
Sehr wirksam für die Erhaltung des assoziativen Hintergrunds und der
Funktionen der Eigennamen, und zwar historischer und literarischer Namen ist die Erläuterung dieser Namen. Wo dieser Kommentar sein soll,
wählen die Übersetzer selbst. Zweckmäßig ist es, in den Erläuterungen
oder in den Fußnoten, obwohl in einigen Fällen die Erklärungen innerhalb des Textes nötig sind. Dies hilft das assoziative Potential und die
Funktion der Eigennamen aufzubewahren, den Inhalt des Werkes besser
zu verstehen und deutlicher zu interpretieren.