Analyse der akustischen Signalstruktur der Laute des Schimpansen
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Analyse der akustischen Signalstruktur der Laute des Schimpansen
Analyse der akustischen Signalstruktur der Laute des Schimpansen (Pan troglodytes), Bonobos (Pan paniscus) und Menschen (Homo sapiens) Dr. Hartmut Rothgänger, ZHGB Lachen Acoustic analysis of sounds of chimpanzees (Pan troglodytes), bonobos (Pan paniscus) and human (Homo sapiens) Abstract Artvergleichende Untersuchungen zwischen Schimpansen, Bonobo und Menschen besitzen einen besonderen Stellenwert in der Forschung. Das gilt auch für die Bioakustik. Seit den Analysen des Säuglingsschrei in den 60-er und 90-er Jahren besteht Unklarheit darüber, ob Schreitypen existieren oder aber ob die bestätigten differierenden Schreimerkmale auf graduelle Unterschiede beruhen. Diese Fragestellung erhält durch die Untersuchungen über die Variabilität des Schimpansenschreies von Marler und Tenaza eine artübergreifende Bedeutung. In dieser Studie sollen strukturelle Untersuchungen des Lautrepertoires des Schimpansen, Bonobos und des Menschen darüber Aufschluss geben, inwieweit der Erregungszustand aus dem Schreisignal analysiert werden kann. Dafür wird das hochauflösende Analyseverfahren der Lautgrundfrequenz erweitert, so dass es auch für Analysen von Erregungsmustern eingesetzt werden kann. Abstract Since the publications by Darwin (1884) and Köhler (1921), the behavioural comparison between chimpanzee and human have a specific rating in science. The bioacoustics of human and their baby cry as well as the ontogenetical and phylogenetical development of the human language and their comparison of calls of chimpanzees and bonobos receive an increasing attention. In the sixties, the infant cry was intensively investigated by Brazelton (1962), Lind (1965), Michelsson (1971), Sedlakova (1967), Wasz-Höckert (1968) and Wolff (1969) and in the nineties by Green and Gustafson (1998), Zeskind 1996, and Green, Gustafson and McGhie (2000). Since this time, there is a vagueness, whether the crying of human is characterised by different cry types or whether it is one sound with a gradual cry pattern. In this connection it was also discussed, whether the cry of infants and adults is a discreet or an analogous signal system. This question got a breed spanning importance through the investigations of Marler and Tenaza (1977), who confirmed different patterns in the calls of chimpanzees which refer to an analogous signal pattern. Corresponding to the specific situation the chimpanzee gradually changes the call so that the chimpanzee community notices the stages of excitement. Therefore, comparative studies of the cry signs between chimpanzee, bonobo and human have a great scientific importance. 1 From the amount of open bioacoustic questions, this study picks up a specific problem. Structural investigations of the cry signals of chimpanzee, bonobo and human should clarify, to what extend the state of excitement can be analysed from the cry signal. For it, the high resolution fundamental frequency analysis will be extended to separate the arousal pattern of cry signals (Lüdge and Gips 1989, Lüdge and Rothgänger 1990). This technique was successfully used by Finish scientists (Michelsson, Eklund and Leppänen, 2002) for the analysis of baby cries. Projektskizze Analyse der akustischen Signalstruktur der Laute des Schimpansen (Pan troglodytes), Bonobos (Pan paniscus) und Menschen (Homo sapiens) Schimpanse Bonobo Mensch Stand der Forschung Artvergleichende Untersuchungen, insbesondere zwischen Schimpansen, Bonobos und Menschen, besitzen seit den Veröffentlichungen von Darwin (1872), Köhler (1921), Kohts (1913) und Yerkes (1943) einen besonderen Stellenwert in der Forschung, da sie auch die Grundfragen der menschlichen Evolution beinhalten (Diamond 2000, de Waal 1991, EiblEibesfeldt 1997, Gould and Gould 1997, Herder 1952 [1784], Leakey und Lewin 1996, Lorenz 1988, Mayr 1998, Wundt 1913). Der Nachweis zunehmend detaillierterer akustischer Verhaltensmuster nichtmenschlicher Primaten (Arcadi 1993, 2000, Boesch and Boesch 1990, Cheney and Seyfarth 1981, 1982, 1988, 1995, Clark 1993, Crockford et al. 2004, de Waal 1988, 1997, Fischer et al. 2002, Fossey 1972, Geissmann and Nijman 2006, Goodall 1968, 1986, Hauser et al. 1993, Hauser and Marler 1993, Hauser and Wranghm 1987, Hohmann and Fruth 1994, Kano 1992, Marler 1976, Mitani 1987, 1996, Mitani et al. 1992, 1999, Mitani and Gros-Louis 1995, Nishida 1990, Owren et al. 1993, Savage-Rumbaugh and Rumbaugh 1993, Rendall 1996, Riede et al. 2004, Todt et al. 1988, Wrangham and Clark 1996) rückt den Grenzbereich zwischen Tier und Mensch weiter in den Mittelpunkt der Wissenschaft und inspirierte Forscher vorrangig der Biologie, Psychologie aber auch der Linguistik immer wieder zu aufwendigen Experimenten (Gardner and Gardner 1969, 1975, Hayes 1951, Kojima 2005, Owren and Rendall 2001, Rumbaugh 1977, Savage-Rumbaugh and Lewin 1994). Dabei findet auch die Bioakustik der Primaten zunehmende Beachtung, insbesondere der Vergleich der Schreie und Laute von Schimpansen, Bonobo und Menschen (Liebermann 1995, Marquart 1984, Rothgänger 2000). Weiterhin ungeklärt sind Fragen zur Signalstruktur besonders in Hinblick auf den Grad der Erregung des Senders (Hauser 1996, Titze 1996). Die Beziehung zwischen der akustischen Struktur und der Funktion in Bezug auf Erregungsmuster des Tieres und besonders des Menschen sind allgemein anerkannt (Jürgens 1992, 1998, Ploog 1979, 1984, Scherer 1982, 1992), jedoch eine objektive Verifizierung ist bisher nicht ausreichend möglich. In jüngster Zeit stehen die Sprache, der Spracherwerb und die interspezifische Verständigung erneut im wachsenden wissenschaftlichen Interesse (Engelkamp 1976, 2001, Fouts und Mills 1998, Grimm 1977, Hörmann 1981, Klix 2000, Savage-Rumbaugh und Lewin 1994), bei dem neben kognitiven Fragestellungen auch die Instrumentalisierung des 2 Hörers z.B. durch Ausnutzung prosodischer Muster also dem Einsatz nonverbaler Parameter während der Sprachproduktion untersucht wird. Dabei nimmt die Emotionsforschung eine herausragende Stellung ein. Neben der sprachlichen Verständigung kann beim Menschen eine Schreikommunikation bestätigt werden, die während der präverbalen Entwicklungsphase also vorsprachlich in Erscheinung tritt (Barr et al. 2000, Brazelton 1962, Hirschberg und Szende 1985, Lester and Boukydis 1985, Lind 1965, Michelsson 1971, Murry and Murry 1980, Ostwald 1972, Papousek 1994, Sedlackova 1967, Rothgänger 1995, 2003, Wasz-Höckert et al. 1968, Wolff 1969, Zeifmann 2001). Auch im Erwachsenenalter bleibt der Schrei in Not- und Affektsituationen sowie während kultischer Riten und rhythmischer Tänze erhalten (Rothgänger 1999, Rothgänger et al. 1998). Beim Säugling unterscheidet man den Schrei nach funktionellen Kriterien in den Geburts-, Hunger-, Schmerz-, Freuden-, Frustrations- und Wutschrei (Rothgänger 1999, Wasz-Höckert et al. 1968, Wolff 1969) sowie nach strukturellen Kriterien als Phonation („discomfort cry“, „basic cry“,„simple cry“), Dysphonation („turbulence“, modifizierter Schrei) und Hyperphonation („shift“, „break“) (Lind 1965, Sedlackova 1967). In jüngster Zeit wird dieser funktionelle Bezug des Säuglingsschreies in Frage gestellt. Green, Gustafson, McGhie und Irwin (1998, 2000, 2000) sprechen von graduellen Lautmustern, die in enger Beziehung zum Arousalzustand des Kindes stehen. Damit sind die Unterschiede der Lautparameter als abgestufte Merkmale in einem analogen Signalsystem zu betrachten und signalisieren den Erregungszustand des Kindes. Auch Schimpansen benutzen zur innerartlichen Verständigung ein umfangreiches Lautrepertoire, das nach Goodall (1986) aus 17 separaten Rufen besteht und in „intraparty calls“ und „distance calls“ unterteilt wird. Es bildet ein graduell vorgetragenes, fein abgestuftes Kommunikationssystem (Marler and Tenaza 1977). Neben Lachen, Schreien („wraah“, „scream“, „tantrum scream“, „victim scream“, „copulation scream“, „squeak“, „crying“, „bark“, „waa-bark“) und unterschiedlichen Grunzlauten („food grants“, „soft grants“, „pant grants“) wird eine breite Palette von vokalartigen Lauten eingesetzt, wie der „food aaa cry“, der hu:-, der ho:-Laut und besonders die pant-hut („pant hoots“) Laute (Arcadi 1996, 2000, Clark 1993, Clark and Wrangham 1993, Goodall 1986, 1991, Kajikawa and Hasegawa 2000, Marler 1976, Marler and Hobbett 1975, Marler and Tenaza 1977, Mitani, Hunley and Murdoch 1999). Diese hupenartige Lautfolge, die aus den Teilen „introduction“, „build-up“, „climax“, „let-down“ besteht, variiert individuell stark (Clark and Wrangham 1993, Marler and Tenaza 1977) und trägt auch Dialektcharakter (Marshall, Wrangham and Arcadi 1999). Während allgemein davon auszugehen ist, dass Tiere in unterschiedlichen Funktionskreisen differente Laute einsetzen (Bergmann und Helb 1982, Thielcke 1970, Tembrock 1996), wie z.B. der Alarmlaut (Bergmann 1972, Curio 1969, Cheney and Seyfarth 1986, Löhrl und Thielcke 1973), der Nahrungslaut (Williams, Stokes and Wallen 1968), der Kontaktruf (Güttinger und Nicolai 1973, Rothgänger 1980), der Flugruf (Marler 1959, Güttinger 1974) oder der Stimmfühlungslaut (Tschanz 1962), sind Lautserien einiger Primaten nicht spezifischen Funktionen zuzuordnen. Diese Laute und Lautserien sind analog strukturiert und scheinen unterschiedlichen Erregungszuständen der Tiere zu entsprechen. Die Analyse dieser Laute ist bisher nur unzureichend möglich. Verhaltensweisen, die mit Erregungszuständen korrelieren, werden zum emotionalen Verhalten von Mensch und Tier gezählt. Emotionen stellen Wirkgrößen von Aktionen oder Reaktionen des Organismus dar, denen eine verhaltensregulierende Steuerung also ein Handlungsantieb zugesprochen wird. Durch Emotionen werden grundsätzliche Verhaltensrichtungen festgelegt, so dass lebenswichtige Ziele angestrebt oder schädliche Umstände vermieden werden. „Ein Ereignis oder Sachverhalt wird wahrgenommen und als gut oder schlecht bewertet, was zur Annäherung oder Vermeidung führt. Je nach dem 3 spezifischen Anreizwert des Sachverhaltes in der Umwelt und dem Zustand, in dem sich das Lebewesen befindet, werden Verhaltensweisen der Annäherung als Orientierung, Exploration, Einverleibung und Paarung und solche der Vermeidung als Weglaufen, Kämpfen, Hilfe suchen oder Ausstoßen ausgelöst. Jeder Klasse dieser Verhaltensweisen sind eine oder mehrere typische Emotionen zugeordnet“ (Schneider 1992). Bereits Darwin (1884) erwähnt Hauptemotionen (Hauptinstinkte, Grundemotionen), die im Wesen auch heute noch genannt werden, wie Zufriedenheit/Glück, Überraschung, Traurigkeit, Angst/Furcht, Ekel/Abscheu und Ärger/Zorn (Ekman und Friesen 1975, Eibl-Eibesfeldt 1995, Scherer 1985, Jürgens 1981). Emotionen orientieren den Organismus demnach darauf, bestimmte Verhaltensweisen durchzuführen oder zu unterlassen. Damit stehen sie in enger Beziehung zu Funktionskreisen von Unlust und Lust, Angriff und Flucht oder Abkehr und Zuwendung. Sie treten in drei Reaktionskreisen auf. Erstens als subjektives Erleben, das lange Zeit den tierischen Organismen abgesprochen wurde. Es sind Gefühle, die angeborenermaßen auftreten und beim Menschen durch Sitten und Konventionen abgewandelt oder unterdrückt werden können. Zweitens als Ausdrucksverhalten, das vorrangig kommunikativen Charakter besitzt. Emotionen werden durch die Mimik, die Gestik, die Körperhaltung und die Vokalisation mitgeteilt und beeinflussen den Kommunikationspartner also instrumentalisieren ihn. Drittens als begleitende physiologische Veränderungen, die auf Erregungen des autonomen (vegetativen) Nervensystems beruhen, wie Erröten, Erhöhung der Herzschlagfrequenz oder der Atmungsfrequenz. Als funktionelle Bedeutung der Emotionen gelten die bedürfnis- und situationsgerechte Auswahl von Verhaltensweisen, die Regulierung der Intensität und Ausdauer von Verhaltensweisen und die Förderung von Lernprozessen, die mit Erfolg oder Misserfolg gekoppelt sind. Während der organismische Analysator ob Tier oder Mensch scheinbar in der Lage ist, die unterschiedlichen Erregungszustände zu quantifizieren, sind im Bereich der Akustik technische Verfahren zum Messen dieser Erregungszustände bisher nicht entwickelt worden. Die Implementierung derartiger Verfahren kann einen großen wissenschaftlichen Beitrag leisten, dass zukünftig der Erregungszustand, die Emotionalität und der Stress bei Tieren und Menschen effektiver erfasst werden können. Eigene Vorarbeiten und Ergebnisse Der Säuglingsschrei und sein diagnostischer Einsatz wurden bereits seit 1979 an der Charité untersucht (Rothgänger und Ueberschär 1980, Rothgänger et al. 1990). Die Kontrollkinder einer umfassenden Hypoxiestudie setzten sich aus 25 term eutropen Neugeborenen des Jahres 1983 und zehn des Jahres1993 zusammen (Grauel et al. 1990). Erfasst wurden im Alter des 3.-5. Lebenstages der Hungerschrei und der Schmerzschrei (Rothgänger 1995, 2003; Rothgänger et al. 1990,). Im Abstand von drei Monaten erfolgten Nachuntersuchungen in der Pädiatrischen Klinik der Charité oder bei Hausbesuchen bis zum Alter von 1 ½ Jahren der Kinder, bei denen zusätzlich Tonaufnahmen auch aller Lalllaute erstellt wurden. 4 Die Ergebnisse dieser Studie weisen in zwei Richtungen. Einerseits lernen Säuglinge nach dem dritten Lebensmonat, also zum Zeitpunkt der Änderung der strukturellen Eigenschaften von hungerschrei- zu schmerzschreiähnlichen Lauten, den effektivsten Schreityp als akustisches Signal mit der besten Wirkung auf die Betreuer einzusetzen. Dieses ist der Schmerzschrei, der neben dem Frustrationsschrei (Rothgänger 1999, Wolff 1969) den höchsten emotionalen Einfluss auf Erwachsene ausübt. Andererseits weisen die Schrei- und Lallontogenese des Säuglings auf unterschiedliche Entwicklungsrichtungen beider Lauttypen hin. Der Verlauf der Grundfrequenz des Schreiens und des Lallens zeigen eine gegenläufige Tendenz im ersten Lebensjahr. Bereits im ersten Monat treten Unterschiede von 62,3 Hz auf, die im 9. und 12. Monat mit 168,9 Hz und 166 Hz am deutlichsten nachweisbar sind. Obwohl die Grundfrequenz (Fo in Hz) des Lallens im ersten Lebensjahr signifikant abnimmt, zeigen sich im Vergleich zur Sprache, einschließlich der Sprache der Frau im erhöhten Erregungszustand (während der Geburt), statistische Unterschiede (Rothgänger 2003). Während einer Untersuchung mit dem Ziel Lachen und Sprache transkulturell zu vergleichen, konnten von je 20 deutschen und 20 italienischen Studenten weiblichen und männlichen Geschlechts im Alter zwischen 19 und 31 Jahren Sprachproben aufgezeichnet und analysiert werden (Rothgänger et al. 1998), die die Grundlage für vergleichende Betrachtungen zu vokalähnlichen Lauten des Schimpansen bilden. Als biologische Eigenschaften der menschlichen Sprachlaute können die sexualdimorphe Grundfrequenz von 124 Hz im männlichen und 214 im weiblichen Geschlecht, die auffallend tief ist, eine stark monotone Melodie und eine Häufung von Obertönen genannt werden. Ein bedeutendes linguistisches Merkmal der menschlichen Sprachlaute ist, dass trotz unterschiedlicher Grundfrequenz der Frequenzbereich der ersten beiden Formanten weitgehend konstant bleibt. Die Formantfrequenzen ändern sich dagegen deutlich mit der Artikulationweise (Phonembildung) (Rothgänger 1999). Während [a:] eine Mittelstellung einnimmt, liegen die Werte für [u:] und [o:] deutlich tiefer. Die Frequenz der Formanten für [i:] tendieren auseinander (Rossing 1982). Schrei Hoo-Heulen Wraa-Bellen Die Pilotstudien im Zoologischen Garten Berlin, im Burger´s Zoo Arnhem (Niederlande) und Apenheul (Niederlande) mit dem Ziel, das Lautrepertoire des Schimpansen und Bonobos zu erfassen, ermöglichten erste Aufzeichnungen und Vergleiche. Als biologische Eigenschaften der Schreilaute des Schimpansen tritt eine mittlere Grundfrequenz von 850 Hz auf (Mittel aller bisher analysierten Schrei-, „pant-hoot“-, [ha:], [ho:]- und [hu:]-Laute), die im Vergleich zum Menschen sehr hoch liegt. Das Mittel der Grundfrequenz aller analysierten Schrei- und Sprachlaute befindet sich beim Menschen bei 350 Hz. Die Melodie ist im Mittel steigendfallend. Die „artikulatorischen“ Merkmale der Schimpansenlaute - Artikulationsmöglichkeiten werden bisher bei Schimpansen ausgeschlossen (Lieberman 1977, 1988, 1994) - sind Formantbildungen, die sich durch unterschiedliche Artikulationsstellungen deutlich unterscheiden. Schimpansen verwenden bei der Produktion von hu:-, ho:- und „pant-hoot“Lauten die gleichen Artikulationsstellungen wie sie für den Menschen bei der Phonemerzeugung [u:] und [o:] typisch sind. In beiden Fällen sind es hintere Vokale, die mit gerundetem Mund und gespitzten Lippen erzeugt werden (Rothgänger 2000). 5 Als Ergebnis dieser vergleichenden Untersuchungen wird festgestellt, dass die Schrei- und Sprachlaute von Schimpansen und Menschen ähnliche Eigenschaften besitzen aber auch deutliche Unterschiede aufweisen. Als Laut definieren wir ein abgegrenztes akustisches Ereignis ohne Beachtung seiner spezifischen Phonemstruktur. Dabei ist in beiden Fällen zwischen dem biologischen Laut und seinen Eigenschaften und dem artikulierten (linguistischen) Laut und seinen Merkmalen deutlich zu unterscheiden. Ein wesentlicher Unterschied ist die mittlere Grundfrequenz der akustischen Äußerungen beim Menschen (Rothgänger 1999), Schimpansen (Rothgänger and Rothgänger in press) und Bonobo. Eine Reihe kontroverser Fragestellungen ergeben sich aus vergleichenden Betrachtungen von Schimpansen, Bonobo und Menschen (Soltis 2004). Auf dem Gebiet der Bioakustik sind es z.B. die hohe Schreiaktivität des menschlichen Säuglings mit einem enorm hohen Energieaufwand und die sehr geringe Schreiaktivität beim Schimpansen- und Bonobosäugling. Hinweise einer möglichen Ursache gibt der Sozialbezug, der beim Menschen als der höchste im Tierreich angesehen wird. Der Säugling ist nach der Geburt völlig hilflos, unbeweglich, „übergewichtig“ und kann sich bis zum 3.-Lebensmonat nicht vom Rücken auf den Bauch drehen (Mace 2000, Prechtl und Beintema 1976). Er wird als sekundärer Nesthocker (Portmann 1967), als sekundärer Tragling (Hassenstein 1973) oder als physiologischer Frühentwickler (Papousek und Papousek 1989) bezeichnet. Der Schimpanse ist hingegen bereits nach der Geburt motorisch aktiv, klammert sich im Fell des Muttertieres fest, folgt ihr im dritten Lebensmonat bereits aus eigener Kraft und wird bis ins hohe Alter von fünf bis sechs Jahren gestillt. Hierin sind Widersprüche zu finden, die einer wissenschaftlichen Bearbeitung bedürfen. Vergleichende Untersuchungen könnten die Existenz des intensiven Säuglingsschreis sowie die hohe Schreiaktivität des menschlichen Säuglings erklären helfen (Furlow 1997). Analysen des Schreiverhaltens von Schimpansen und menschlichen Säuglingen (Rothgänger and Rothgänger in press) deuten auf einen weiteren Widerspruch hin. Während Hauser (1996), Mitani (1996) und Owren and Rendall (2001) eine Frequenzabhängigkeit der Primatenlaute von Gewicht und Körpergröße nachweist, konnten vergleichbare Verhältnisse für Schimpansen, Bonobo und Menschen nicht bestätigt werden. Bei etwa dem gleichen Gewicht und der gleichen Körpergröße wird von jeder Art ein spezifischer Frequenzbereich der Schreilaute genutzt (Schimpanse ca. 750 - 1600 Hz, Bonobo ca. 1800 - 2500 Hz, Mensch 350 - 700 Hz), der auf artspezifische Anpassungsbedürfnisse (Kortland, 2003, persönlich) oder auf eine erhebliche interspezifische Konkurrenz hinweist. Eine Bestätigung könnte bei Fragen zur frühen Radiation von Mensch und Schimpanse hilfreich sein (Rothgänger und Rothgänger 2001, 2002). Säuglingsschrei; Sonagramm hochauflösende Fo-Analyse Auch die Artikulationsfähigkeit von Mensch und Schimpanse steht im wissenschaftlichen Meinungsstreit. Während Lieberman (1995) auf Grund von anatomischen Untersuchungen des Vokaltraktes, Artikulationen bei Schimpansen und menschlichen Säuglingen ablehnt, existiert der Nachweis, dass Schimpansen und Säuglinge vokale Laute erzeugen. Besonders Schimpansen produzieren [hu:]- und [ho:]- Laute, die analog zum Menschen als hintere gerundete Vokale definiert werden können (Rothgänger 2000). Menschliche Sprachlaute sind höchstwahrscheinlich als angeborene Primatenlaute anzusehen. Ihre Formantstrukturen 6 ändern sich bei der Phonembildung. Diese Änderungen zählen zu den bedeutendsten Strukturen bei der Erzeugung von Phonemen, Silben und Wörtern. Im Gegensatz zum Schimpansen erfolgt ihr funktioneller Einsatz im Kommunikationsprozeß des Menschen bewusst (Lenneberg 1967). Schimpansenlaute sind demnach in ihrer strukturellen Beschaffenheit den Sprachlauten des Menschen analog. Ihr kommunikativer Einsatz unterscheidet sich aber grundlegend. Während Schimpansenrufe Ausdruckslaute sind und spezifischen Situationen zugeordnet werden (Goodall 1987), sind Phoneme Grundbausteine der Sprache des Menschen und tragen als Wort Ausdrucks-, Appell- und Darstellungsfunktion (Bühler 1965). Ein besonderer Klärungsbedarf besteht weiterhin im Ausdrucksverhalten der Schrei- und Sprachlaute von Schimpansen, Bonobo und Menschen. Telefon/Fax/ Email Tel-Nr. +49 30 450 529195 Fax +49 30 450 529991 Email [email protected] Mittelgeber Universitäre Forschungsförderung Publikationen Rothgänger H (1999). Bioakustik des Menschen. Eine Gesamtdarstellung der nonverbalen und verbalen Kommunikation. Bielefeld, Kleine. Rothgänger H (2003). Acoustical analysis of the cries in chimpanzees (Pan troglodytes) and humans (Homo sapiens). Folia Primatologica 74: 218. Rothgänger H (2003). Comparison of the acoustical patterns of the beg sounds in the infant and adult chimpanzees (Pan troglodytes). Folia Primatologica 74: 219. Rothgänger H (2003). Analysis of the sounds of the child in the first year of life and a comparison to the language. Early Human Development 75: 55-69. Rothgänger H, Rothgänger A (2002). Der Sprachursprung. Eine phylogenetische und philosophische Betrachtung. Ethnologisch-Archäologisch Zeitschrift 43: 161-185. Schlagworte Säuglingsschrei, Lachen, Schimpansenlaute, Bonobolaute Hochauflösende Grundfrequenzanalyse baby cry, laughing, calls of chimpanzee, calls of bonobo high resolution fundamental frequency analysis Dr. Hartmut Rothgänger 7