DArt S.1820
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DArt S.1820
2010 Japan Interkulturelle Zeitschrift am Internationalen Studienzentrum der Goethe-Universität Frankfurt Inhalt Editorial ………………………………………… 3 Japan ist für mich … ……………………… 4 Sushi, Geisha & Co. ……………………… 5 Heinz – Big in Japan ……………………… 6 „Es rappelt in der Kiste“ – Theater …… 8 Nippon Connection ……………………… 10 Kitsune – Japanischer Volksgaube … 15 Haiku ………………………………………… 16 Das Blütenblatt der Sakura …………… 17 Wagner Love ……………………………… 18 Sprache ……………………………………… 21 Perspektiven ……………………………… 24 Der Boom regionaler Maskottchen in Japan …………………… 27 Manga aus Deutschland ……………… 28 Cosplay ……………………………………… 30 Shadowrun ………………………………… 32 Japanische Videospiele ………………… 33 Migration …………………………………… 34 Kulinaritäten ………………………………… 41 2 Goethe D‘A r T 2010 Editorial von Andrea Meierl „Niemand von uns war zuvor jemals in Japan. Das ist ein Land, das so weit weg ist“, erzählte uns Tilmann von der Frankfurter Band Wagner Love bei einem Interview kurz nach der ersten Japantournee 2009 (Seite 18). Ähnlich reagierte auch unsere Redaktionsgruppe auf den Vorschlag, eine Zeitschrift über Japan herauszugeben. Schließlich waren unsere Japankenntnisse vergleichbar mit den rudimentären Kenntnissen der deutschen Bevölkerung, die wir auf der Straße nach ihren Vorstellungen von Japan und den JapanerInnen befragten (Seite 5). Frei assoziierend wollte auch uns zunächst nichts Schlaueres einfallen, als Stereotype wie Sushi, Manga, hohe Technologie, Freundlichkeit oder Teezeremonie aufzuzählen. Niemand aus unserer international zusammengesetzten Redaktionsgruppe kam zu diesem Zeitpunkt aus Japan. Wie also konnten wir auf die aberwitzige Idee kommen, eine Zeitschrift über ein uns so fernes, fremdes Land herauszugeben? Den Anstoß gab die Idee zu einem Artikel über das japanische Filmfestival Nippon Connection. Dieses findet jedes Jahr im April in den Gebäuden der Universität statt und gilt mittlerweile als das größte japanische Filmfestival der Welt. Selbst Besucher aus Japan reisen an, um in Frankfurt japanische Filme zu sehen, die sie in Japan sonst niemals zu Gesicht bekommen würden. Ein Ereignis dieses Ausmaßes direkt vor unserer Haustür? Unser journalistisches Interesse war geweckt, Vorkenntnisse hin oder her. Dass unser Vorhaben letztendlich in die Tat umgesetzt werden konnte, ist Dr. Eike Großmann und Dr. Cosima Wagner vom Fach Japanologie der Universität Frankfurt und ihren Studierenden zu verdanken. Sie unterstützten uns maßgeblich bei der Konzeption der Zeitschrift und durch ihre zahlreichen fundierten Beiträge. Unter ihrer Mitwirkung entstand eine Zeitschrift, welche Japans kulturelle Offenheit und Vielfalt betont. Dies zeigt sich an den Akzenten, die es in Film, Theater, Literatur und Popkultur setzt. Japan wirkt heute weit über die eigenen Landesgrenzen hinaus. Vor über 100 Jahren jedoch, als noch niemand daran dachte, dass dieser Inselstaat im Pazifik einst zu einer der mächtigsten Wirtschaftsnationen der Welt reüssieren würde, wanderten Tausende von JapanerInnen nach Brasilien aus, um der ländlichen Armut im eigenen Land zu entfliehen. Viele ihrer Nachkommen leben noch heute als so genannte Nikkeis in Brasilien. Wie präsent ihre japanischen Wurzeln für sie sind, ist in unserer Reportage auf Seite 34 nachzulesen. In Deutschland ist der Anteil der japanischen MigrantInnen zwar nur verschwindend gering, aber Frankfurt nimmt als deutsche Stadt, die nach Düsseldorf die meisten Japanerinnen und Japaner beherbergt, in diesem Punkt eine besondere Rolle ein. Uns war es daher ein Anliegen, JapanerInnen, die in unserer Region leben, zu Wort kommen zu lassen (Seite 39). In ihren Schilderungen erfahren wir, welche Schwierigkeiten und Möglichkeiten AusländerInnen haben, sich der fremden, in ihrem Falle deutschen Kultur zu nähern. Ein Problem, dem sich durchaus auch Deutsche zu stellen haben, wenn sie für längere Zeit ins Ausland gehen, wie etwa unsere fiktive Figur Heinz. Heinz zeigt in seinem Blog (Seite 6), wie ein Europäer mit mangelnden interkulturellen Kompetenzen in Japan unter Garantie negativ auffällt und spiegelt so manche Erlebnisse überspitzt wider, die Japanologiestudierende während ihrer Studienreisen in Japan hatten. Da die Annäherung an eine fremde Kultur bekanntlich über den Gaumen und mittels Sprache stattfindet, geben wir Tipps, an welchen Orten man in Frankfurt gut japanisch speisen oder japanische Zutaten für die eigene Küche erhalten kann (Seite 42). Natürlich leiten wir auch zu selbstgemachtem Sushi an (Seite 44)! Erste sprachliche Kompetenzen lassen sich in unseren Japanisch-Schnellsprachkursen Drei x Fell heißt weich und Japanische Lautmalereien (Seite 21 bis 23) erwerben. Wer sich daraufhin berufen fühlt, Japanologie zu studieren, kann sich weiter im Artikel 1945 Schriftzeichen (Seite 24) über die Anforderungen des Studiengangs informieren. Wir wünschen viel Vergnügen bei der Lektüre! Goethe D‘A r T 2010 3 Japan ist für mich … … das OAG-Studienhaus in Kôbe, in dem ich drei Monate gelebt habe. Es ist ein altes Gebäude, das zwar seinen eigenen Charme hat, jedoch muss man auch mit allerlei kleinen Tierchen und sogar manchmal Wildschweinen im Garten rechnen. Christiane Rühle … der Tôkyô-Tower, der Japans stetigen Weg nach oben symbolisiert. Trotz der Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg entwickelte sich Japan zur zweitgrößten Wirtschaftsnation der Welt. Christiane Mögenburg … Häuser bis zum Horizont – eine Aussicht, die mich sehr beeindruckt und gleichzeitig auch eingeschüchtert hat. Noch nie zuvor hatte ich so eine weite, dicht bebaute Fläche gesehen – und das in alle Himmelsrichtungen! Jutta Lingelbach ...nicht nur immer die Großstadt. Anna Surawska 4 Goethe D‘A r T 2010 Sushi, Geisha & Co. Das Japanbild des Abendlandes Eine Umfrage im Land der untergehenden Sonne von Antje Grzelachowski und Anna Surawska Am Römer, Frankfurt Wir fragten Passanten in der Frankfurter Fußgängerzone, welche Vorstellungen sie von Japan und den JapanerInnen haben. An der Umfrage nahmen zwanzig Personen teil. Die Befragten waren Teenager, junge Familien mit Kindern, StudentInnen, RentnerInnen und auch Geschäftsleute mittleren Alters. Ranking: Diese Umfrage ist keine quantitative empirische Erhebung, sie ist weder vollständig noch repräsentativ, sondern dient lediglich der Unterhaltung. Einzelne Antworten: Japanische Gärten, Essstäbchen, Kultur, Technologie (Klowärmer, TV, Handys), Baseball, roter Punkt auf der japanischen Flagge, Kundenzufriedenheit, Hiroshima, Capsule Hotels, andere Kultur, Gruppenzwang Antworten bereit sind. Hauptsächlich Menschen über 50 dachten bei Japan spontan an Sushi oder Geisha. Während für viele Teenager, die sich in ihrer Freizeit Anime anschauen und Manga lesen, Japan das „Land der Technologie“ und des „technischen Fortschritts“ ist. Wir haben während der kurzen Umfrage vor allem festgestellt, dass Menschen keine Umfragen in Fußgängerzonen mögen und selten zu Einige der Jugendlichen konnten sogar auf Japanisch bis 10 zählen und kannten diverse Begrüßungs- und Abschiedsfloskeln. Goethe D‘A r T 2010 5 Heinz er folgende Beitrag soll auf eine unterhaltsame Art und Weise das vermitteln, was man am besten schon vor einem Aufenthalt in Japan alles wissen oder wenigstens einmal gehört haben sollte. Es wird eine Art Worst-Case-Scenario beschrieben, d.h. alles, was innerhalb weniger Tage schief gehen kann, geht auch schief, nicht zuletzt aufgrund der einzigartigen Persönlichkeit unseres Protagonisten Heinz, der in Form eines Blogs seine Erlebnisse direkt aus Tôkyô schildert. (Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind rein zufällig und nicht von uns beabsichtigt.) D Mein Profil: Hallo Leute, erst einmal vielen Dank, dass ihr euch meinen Blog anschaut! Ich heiße Heinz, bin 35 Jahre alt und arbeite als Manager in einer großen Firma. Ohne arrogant klingen zu wollen, aber ich mache mich auch wirklich hervorragend, da ist es also kein Wunder, dass mein Chef MICH dazu auserkoren hat, geschäftlich für einige Tage nach Tôkyô zu reisen, um dort mit potentiellen Geschäftspartnern einen Vertrag klar zu machen. Aber nun gut, ich werde jetzt noch schnell meine Tasche packen und dann geht es morgen schon los! Mein nächster Eintrag wird dann live aus Tôkyô kommen. 1.Tag: Ankunft Ich bin angekommen, mehr oder weniger. Das Flugzeug-Essen hat mir ein wenig auf den Magen geschlagen und ich freue mich schon auf mein Bett oder besser gesagt auf eine Matte auf dem Boden, denn man hat mich doch tatsächlich in einen traditionell japanisch eingerichteten Raum einquartiert. Aber nun werde ich noch kurz von meiner Fahrt vom Flughafen zum Hotel berichten: Die Fahrt begann doch recht seltsam. Als ich mich vorne in das Taxi setzen wollte, habe ich an der Beifahrertür gezogen und gezogen, aber die Tür klemmte wohl. Anstatt dass sich der Fahrer von innen bemüht hätte, die Tür aufzustemmen, fuchtelte er nur wie wild mit seinen Armen herum, ich verstand nicht, was er mir sagen wollte; aber nun gut, dachte ich mir, setzt du dich halt hinten hin, denn wie heißt es doch so schön in der einen AutoWerbung: Die wichtigsten Personen sitzen immer hinten. Am Hotel angekommen wollte ich großzügig sein und steckte dem Herrn Fahrer ein deftiges Trinkgeld zu, doch er lehnte es strikt ab, ist das zu fassen?! Schon ein komischer Kauz… Ach ja, gerade eben habe ich auch eine Erfahrung für mein Leben gemacht. Ich habe eine von diesen HockToiletten benutzt. Mein Rückenproblem und ich können dazu nur eines sagen: Eine ähnliche Haltung wie beim Abfahrtsski, nur eben mit runtergelassenen Hosen. Mit gemütlichem Zeitung lesen ist dann natürlich auch nichts, ich wollte mein Schicksal ja nicht noch herausfordern. Warum macht man daraus nicht einfach Fußbadbecken oder ähnliches und stellt stattdessen richtige Toiletten hin?! So, ich werde jetzt Schluss machen und mich hinlegen, ich will ja morgen fit sein für meinen Vortrag und die Verhandlungen. 2.Tag: Erkundungstour und Meeting Heute war es soweit, das erste Treffen mit unseren japanischen Freunden stand an. Da dieses jedoch erst gegen 15 Uhr stattfand, hatte ich noch ein wenig Zeit, Tôkyô allein unsicher zu machen. Ich erkundete also ein wenig die Gegend um mein Hotel herum und fand einen 6 Goethe D‘A r T 2010 Big In Japan Mein Japan-Blog von Jutta Lingelbach, Christiane Rühle wunderbar ruhigen Ort zum Entspannen. Es handelte sich um einen Tempel mit einem prächtigen roten Eingangstor. Da heute eine extreme Hitze war, kam mir auch das dort befindliche Wasserbecken mit den bereit liegenden Kellen gerade recht. Ich nahm ein paar kräftige Schlucke und setzte mich auf eine Bank in der Nähe, um meine Gedanken für das bevorstehende Meeting zu sammeln, schließlich wollte ich ja keinen Fauxpas begehen und so eventuell den Vertrag gefährden. Die Zeit verflog und mein Magen, der sich langsam wieder beruhigt hatte, meldete sich zu Wort. Ich machte mich also auf die Suche nach einem Restaurant und fand in einer Nebenstraße eine sehr gemütlich anmutende Gaststätte. Am Tisch sitzend brachte mir die reizende Kellnerin auch sogleich ein kleines Tuch. Eigentlich fand ich das doch sehr unpassend, aber vielleicht ist das hier ja so Brauch und so wischte ich den Tisch selbst damit ab. So wusste ich wenigstens, dass es ordentlich gemacht wird. Auf der Speisekarte konnte ich nichts von diesen Hieroglyphen lesen und tippte willkürlich, abenteuerlustig wie ich eben bin, auf ein Gericht. Was ich allerdings serviert bekam, war unzumutbar: klebriger Reis mit einer undefinierbaren, noch klebrigeren braunen Pampe aus Bohnen, deren Geschmack doch eher an Batteriesäure erinnerte als an ein essbares Mittagsmahl. Ich konnte gerade noch rechtzeitig die Stäbchen in die Schüssel pfeffern und zur Toilette stürzen. Zum Glück fand ich auf dem Weg zur Besprechung noch einen Laden, in dem ich mir ein Sandwich besorgen konnte. Jetzt aber endlich zum Meeting: ich weiß gar nicht, warum ich mir Gedanken über das Treffen gemacht hatte, alles verlief einfach wunderbar. Alle Anwesenden übergaben mir zur Beginn ihre Visitenkarten und ich verteilte natürlich auch meine. Danach dann mein großer Auftritt, mein Vortrag! Nach ungefähr 1,5 Stunden war ich auch schon fertig und ich denke, es kam alles Wichtige rüber. Schließlich haben einige danach fast meditativ anmutend mit geschlossenen Augen dagesessen und über mein Gesagtes nachgedacht… Danach ging es dann gemeinsam zu einem diesmal sehr köstlichen Essen und danach zum Karaoke. Der Alkohol floss in Strömen und auch ich ließ mich dazu hinreißen, ein paar Lieder zu schmettern. Meine Interpretation von Frank Sinatra kam sehr gut an, ich wollte das Mikrofon gar nicht mehr abgeben, so gut hat es mir gefallen. 3.Tag: Onsen und Einladung Nachdem das Geschäftliche nun größtenteils besprochen war, konnte ich heute die angenehmen Seiten meines Aufenthalts auskosten. Ich bummelte ein wenig durch die Stadt, bis ich dann am späten Nachmittag zum ersten Mal einen Onsen in Anspruch nehmen konnte. Eine feine Sache! Mit meiner sportlichen Badehose erntete ich viele anerkennende Blicke. Ich war allerdings sehr überrascht, dass sich die anderen erst ausgiebig abschrubbten, bevor sie ins Becken stiegen. Ist das nicht etwas übertrieben? Ich habe mir diesen Vorgang jedenfalls gespart. Sehr viel Platz zum Schwimmen hat man allerdings nicht und die Wassertemperatur ist auch etwas gewöhnungsbedürftig, aber ich ließ es auf einen Versuch ankommen, mit meinem Schnorchel auf Tauchstation zu gehen. Kurz darauf kamen zwei seltsame Männer und baten mich, das Bad zu verlassen. Spaßbremsen! Ich war gerade dabei, richtig Stimmung in den müden Laden zu bringen... Am Abend folgte ich der Einladung meines zukünftigen Geschäftspartners, bei ihm zu Hause zu essen. Natürlich habe ich keine Kosten und Mühen gescheut und mir für diesen Anlass ein besonderes Geschenk ausgedacht: Edle bayrische Weißwürste mit Spitzensenf! Aber komischerweise waren seine Gattin und er an meinem Geschenk überhaupt nicht interessiert. Sie verbeugten und bedankten sich zwar, stellten es aber ungeöffnet in die Ecke. Ich war darüber dann doch etwas entrüstet, schließlich ging der Überraschungseffekt auf diese Weise völlig flöten. Ich habe mich dann dazu hinreißen lassen, das Geschenk selbst von seiner Zeitungspapierverpackung zu befreien, da sie sich partout nicht dazu bewegen ließen. Sie schienen etwas irritiert, aber manche Menschen muss man einfach zu ihrem Glück zwingen! Die Freude war ihnen letztendlich doch deutlich anzumerken. Ein Volltreffer, meine Idee! Das Essen schmeckte übrigens ganz fabelhaft, obwohl ich keine Ahnung habe, was mir da serviert wurde. Aber ich bin ja anpassungsfähig! Übrigens darf man in japanischen Häusern ja bekanntlich seine Schuhe nicht anbehalten, aber meine Gastgeber haben wohl bemerkt, dass ich an den Füßen fror und mir ganz reizende rosafarbene Schlappen hingestellt. Ich bemerkte sie, als ich zur Toilette ging – sehr aufmerksam! Und ganz ohne dass ich etwas sagen musste! Ich habe sie natürlich auch die ganze Zeit über anbehalten. Man muss solche kleinen Gesten schließlich würdigen. 4. Tag: Abflug Leider habe ich mir nun am letzten Tag noch einen ordentlichen Schnupfen eingefangen. Das ist zwar sehr lästig, aber ich bin wenigstens gut mit Taschentüchern versorgt worden – die werden einem nämlich unterwegs ständig in die Hand gedrückt. Solche nützlichen Werbegeschenke habe ich selten gesehen! Aber komischerweise reagierten futon: Japanische Matratze. Fährt man in Japan Taxi, setzt man sich üblicherweise auf die hinteren Plätze. Die Tür geht meist automatisch auf. In Japan gibt man normalerweise kein Trinkgeld und es wird, jedenfalls fernab internationaler Hotels, als Beleidigung betrachtet. Denn guter Service wird als selbstverständlich angesehen. Rote Eingangstore, japanisch torii, kennzeichnen meist nur shintoistische Verehrungstätten, die als ”Schreine“ bezeichnet werden. Tempel werden die heiligen Verehrungsstätten des Buddhismus genannt. chôzuya/ temizuya: Kleiner Pavillon mit Wasserbecken zur rituellen Reinigung der Hände und des Mundes vor dem Betreten eines Schreins. Es handelt sich um kein Trinkwasser. o-shibori: feuchtes Erfrischungstuch oder kleines feuchtes Handtuch, das dem Gast vor dem Essen gereicht wird, um damit Hände oder Gesicht zu reinigen. nattô: japanisches Gericht aus fermentierten Bohnen mit intensivem Geschmack. Wird pur oder gemeinsam mit Reis verzehrt. o-hashi: Stäbchen. Stecken Sie diese bitte nie senkrecht in den Reis und geben Sie auch kein Essen von Stäbchen zu Stäbchen weiter, da dies feste Rituale sind, die nur bei Trauerzeremonien durchgeführt werden. Ferner gilt es als unhöflich, mit den Stäbchen auf Personen zu zeigen. Nach dem Essen legt man die Stäbchen wieder auf das Tablett, nicht quer über Schüssel oder Teller. onsen: Bezeichnung für eine heiße Quelle oder Bäder, die von heißen Quellen gespeist werden; das mineralienhaltige Wasser gilt als gesundheitsfördernd. Im onsen badet man nackt. Badekleidung ist nicht üblich und ein typischer Fauxpas. Bevor man in das Becken meine Mitfahrer nicht sehr positiv, als ich in der Bahn ein paar Mal kräftig schnäuzte. Ich selbst habe die ganze Zeit über keinen Japaner gesehen, der diese Taschentücher tatsächlich benutzt. Als meine Kollegen aus Deutschland anriefen, stand ich auch wieder im absoluten Mittelpunkt, denn mein i-phone ist schon ein echter Hingucker. Ich konnte die neidischen Blicke selbst von hinten spüren! Und da mit großer Wahrscheinlichkeit niemand meine Sprache verstehen kann, konnte ich so viel und laut reden, wie ich wollte... ein befreiendes Gefühl! Am Flughafen machte ich dann auch die erste Bekanntschaft mit einer dieser sagenumwobenen Hightech-Toiletten. Wahnsinn, was es da für Knöpfe gibt! Ich habe vorsichtshalber mal alle gedrückt – und löste damit ein wahres Konzert aus. Klassische Musik, Springbrunnen, rotierende Klobrille…, aber die Spülung habe ich nicht gefunden. Als ich dachte, ich hätte sie, ertönte ein schriller Alarm. Vielleicht hätte ich den Knopf mit der roten Aufschrift doch lieber ignorieren sollen, aber der panikartige Tumult löste sich bald wieder in Wohlgefallen auf und ich konnte unbehelligt meinen Rückflug antreten. Abschließend kann ich nur sagen, dass diese Reise nach Japan auf jeden Fall eine wunderbare Erfahrung für mich war. Ich habe mich schnell an die Gepflogenheiten angepasst und kann wohl mit Fug und Recht behaupten, dass ich dort ohne Probleme für längere Zeit leben könnte. Vielleicht habe ich meine Berufung gefunden – denn ich könnte mir durchaus vorstellen, als „Kulturbotschafter“ einige Workshops für „Interkulturelle Sensibilität“ anzubieten. Etwas sauer stößt mir allerdings schon auf, dass sich meine japanischen Vertragspartner bis jetzt noch nicht gemeldet haben... naja, man muss ihnen Zeit lassen. Ich bin ja geduldig. In diesem Sinne: Sayonara! steigt, ist eine gründliche Körperreinigung unerlässlich, um den hohen Hygienestandard zu gewährleisten. Aufgrund der hohen Wassertemperatur kann man sich nicht allzu lange im Becken aufhalten. Die Zeit dient der Entspannung und nicht der Unterhaltung – zwar kann man leise Gespräche miteinander führen, doch gilt ansonsten das Gebot der Ruhe. Es gilt als unfein, Geschenke sofort nach ihrem Erhalt zu öffnen. Als Zeichen der Wertschätzung wird das Geschenk unausgepackt auf einen Tisch oder einer anderen Ablage platziert. Man muss dem Geschenk schon an der Verpackung ansehen, dass es viel gekostet hat. Zeitungspapier ist hier definitiv nicht angebracht. Preis und Markenname dürfen auch deutlich erkennbar sein. In japanischen Haushalten gibt es spezielle Schlappen, die nur in dem Raum, in dem sich die Toilette befindet, getragen werden dürfen. Danach wechselt man in andere Pantoffeln oder läuft wieder auf Socken. Mit Toilettenpantoffeln aus dem Bad zu treten gilt als äußerst unhygienisch und sollte dringend vermieden werden. Es ist in Japan verpönt, sich in der Öffentlichkeit oder im Beisein anderer die Nase zu putzen. Tatsächlich werden einem in der Fußgängerzone aber häufig Taschentücher zugesteckt – ein Paradoxon? Auch in der Bahn ist Ruhe angesagt. Wenn möglich sollte jede Aktivität vermieden werden, die den Mitreisenden stören könnte. Dazu gehört auch lautstarkes Telefonieren mit dem Handy. Moderne japanische Toiletten haben tatsächlich sehr viele Funktionen, die aber nicht alle unbedingt für einen normalen Toilettengang von Nöten sind. Die vielen Knöpfe mit den unterschiedlichen Aufschriften können durchaus zu einem unerwarteten Ergebnis führen... Goethe D‘A r T 2010 7 Es rappelt in der Kiste Die freie Theaterszene in Tôkyô kurz nach der Jahrtausendwende von Lisa Mundt W er mit der Odakyu Odawara-Linie von Shinjuku bis Umegaoka fährt, den Bahnhof durch den Südausgang verlässt, sich nach rechts wendet und den Seven Eleven-Supermarkt passiert, gelangt nach wenigen Metern an eine Kreuzung. Dort ducken sich ein Fahrradparkplatz und ein mehrstöckiges Wohnhaus unter den Gleisen, über die unentwegt die Züge hinwegdonnern. Dass sich im Keller dieses unscheinbaren Gebäudes ein Theaterstudio verbirgt, ist auf den ersten Blick kaum zu erkennen. Erst ein Blick auf die Eingangstür verrät: Hier befindet sich die Umegaoka BOX, das Studio der Theatergruppe Rinkôgun. Dennoch haben Sakate Yôji und Rinkôgun trotz ihres Erfolgs eines mit den meisten anderen freien Theatergruppen gemeinsam: den ständigen Geldmangel. Gastspiele im Ausland sind nur mit Fördergeldern möglich, Werbemittel und Miete für das Studio müssen durch Fotos: Rinkôgun Gegründet wurde die Gruppe vor mehr als 20 Jahren von Sakate Yôji (geb. 1963), einem der renommiertesten Dramatiker und Theaterregisseure Japans. Mit seinen Stücken hat er die wichtigsten japanischen Theaterpreise gewonnen und war in Europa und Amerika auf Tournee. Er ist als Kommentator der freien Theaterszene in Tôkyô regelmäßig in den wichtigen Theaterzeitschriften vertreten und seit 2006 Vorsitzender der Japan Playwright's Association. Die Gruppe Rinkôgun wird sowohl vom Publikum als auch von Kritikern in Japan für ihre Verbindung von hohem ästhetisch-künstlerischem Niveau mit politischen Stellungnahmen geschätzt und gilt als Ausnahmeerscheinung in der freien Theaterszene: Dramaturgische Virtuosität und Performance lassen rasante Bühnencollagen entstehen. 8 Goethe D‘A r T 2010 Sponsoren finanziert werden, die Mitglieder von Rinkôgun pendeln zwischen Theater und Teilzeitjob. Denn in der japanischen Kulturpolitik gelten ausschließlich die klassischen Bühnenkünste – Nô, Kabuki, Kyôgen und Bunraku – als Repräsentanten der japanischen Theaterkultur, staatliche Förderung beschränkt sich auf die rund 2500 öffentlichen Theater und Konzerthallen. Und trotzdem: Die Szene boomt und brodelt und setzt unbeeindruckt von der Konkurrenz des klassischen Theaters und der medialen Populärkultur kreative Energie frei. In einem künstlerischen Milieu frei von inhaltlichen und formalen Vorgaben und Einschränkungen hat sich eine Vielzahl von Stilrichtungen und Theaterkonzepten herausgebildet, die von einem ebenso heterogenen Publikum mit Begeisterung rezipiert wird. Viele Gruppen der freien Theaterszene haben für ihre Arbeiten urbane Nischen in der Megastadt Tôkyô gesucht. Sie stehen damit in der Aufführungstradition des Untergrundtheaters der 1960er Jahre, das den klassischen Theaterraum verließ und sich in kleinen Theaterboxen einrichtete. Zu ihnen zählt zum Beispiel die Performancegruppe Store House Company. Sie experimentiert nicht weit von Ikebukuro in ihrem Studio Store House in Ekoda auf einer Etage zwischen Supermarkt und Mangacafé mit Körpern in Bewegung. Seit ihrer Gründung im Jahr 1994 hat die Gruppe unter der Leitung von Kimura Shingo (geb. 1957) insgesamt sechs Performances erarbeitet, die die wechselseitige Beeinflussung von Körper, Bewegung und (Bühnen)Raum erforschen: Die sich immerfort bewegenden Körper erschaffen einen Raum, der wiederum Einfluss auf die Bewegungen der Performer nimmt. Rinkôgun und die Store House Company sind nur zwei Beispiele, die stellvertretend für die vielen anderen Theaterschaffenden die Vielseitigkeit der freien japanischen Theaterszene belegen. Die Szene präsentiert sich kurz nach der Jahrtausendwende also überaus lebendig und vielseitig. Gleichzeitig befindet sie sich im Umbruch, Grenzen zwischen Theater, Tanz und Performance verschwimmen zunehmend. So arbeiten junge Theaterautoren wie Okada Toshiki (geb. 1973) auch für das Fernsehen oder verfassen Romane, was sich unmittelbar in ihrer Bühnensprache niederschlägt. Die Kritik spricht infolgedessen kaum mehr von Theater, sondern bevorzugt Begriffe wie Bühnenkunst oder darstellende Künste. Wenn auch abzuwarten bleibt, wie sich das Theater in den nächsten Jahren entwickeln wird, ist eines klar: Es rappelt gewaltig in Tôkyôs Theaterkisten. Goethe D‘A r T 2010 9 Nippon Connection: Ein Festival nicht nur für Japan-Fans Interview mit Holger Ziegler von Kristina Hvasti und Christiane Mögenburg I n diesem Jahr fand zum neunten Mal das Nippon Connection Festival im Studierendenhaus Bockenheim auf dem Gelände der Goethe-Universität Frankfurt statt. Mittlerweile hat es sich zum weltweit größten japanischen Filmfestival entwickelt. Uns hat interessiert, wie es zu dieser phänomenalen Entwicklung kam und was das Besondere an Nippon Connection ist. Holger Ziegler, Mitglied der Festivalleitung, hat sich die Zeit genommen und mit uns gesprochen. Herr Ziegler, seit wann gibt es das Festival Nippon Connection, wie ist es überhaupt entstanden? Das erste Festival fand im Jahr 2000 statt und entstanden ist es aus einer simplen Idee. Damals haben wir noch Filmwissenschaften zusammen studiert. Aus unserer Sicht gab es zum damaligen Zeitpunkt viel zu wenige Filme auf Festivals zu sehen. Wir sind dann zu dem Ergebnis gelangt, dass wir uns nicht beschweren dürfen, wenn wir nicht bereit sind, auch etwas dagegen zu tun, und stießen auf das japanische Kulturinstitut in Köln, welches eine Filmbibliothek besitzt, wo man sich Filme kostenlos ausleihen kann. Viele Kommilitonen wollten sich auch daran beteiligen, also haben wir im Rahmen des Studiums einen studentischen Workshop ins Leben gerufen. Wir sind nach Köln gefahren, haben uns ein ganzes Auto voller Filme geholt und sie gesichtet. Wir brauchten auch einen Ort, wo wir die Filmreihe zeigen konnten und sind auf das Studierendenhaus in Bockenheim gekommen. Was als kleine Idee begann, hat sich über einen „naiven Größenwahnsinn“ gleich zu einem Festival entwickelt. Wir haben gezittert, weil wir dachten, es kämen vielleicht um die 1000 Leute, wenn wir Glück hätten. Doch dann waren es beim ersten Festival schon gleich ca. 10.000 Leute. Das erste Festival war ein riesiger Erfolg, und hat uns darin bestärkt, weiterzumachen. Haben Sie das Festival rein privat finanziert oder sich auch Sponsoren gesucht? Wir haben schon erst einmal nach Sponsoren gesucht, aber noch bis heute ist das Festival eklatant unterfinanziert. Im Prinzip trägt es sich erst über die Besucher. Da wir nur Privatpersonen waren, haben wir das Jahr 2001 erst mal dazu genutzt, einen Verein (Nippon Connection e.V.) zu gründen und Gemeinnützigkeit zu beantragen, damit wir eine Rechtsform bekommen und das Festival veranstalten können. Von Jahr zu Jahr wurde das Programm erweitert, und mittlerweile schicken wir die Filme sogar auf Tour. Wurde es durch die Touren international bekannt oder war das Festivalprogramm hauptsächlich in Deutschland vertreten? Es wurde international bekannt, die Nippon Connection ist mittlerweile weltweit das größte japanische Filmfestival, und andere Festivals 10 Goethe D‘A r T 2010 richten den Blick auf uns, schauen was bei uns läuft. Wir haben da wirklich eine Plattformfunktion. Nicht wenige Filme haben durch ihren Anfang bei Nippon Connection eine internationale Karriere gemacht. Ein schönes Beispiel sind die sogenannten „Pink“ Filme, die erotischen Filme. Von denen, die uns geschickt werden, wählen wir bis zu zwei Filme aus, welche dann extra für Nippon Connection untertitelt werden. Indem die Filme bei uns und dann auf anderen Festivals im Ausland laufen, erfahren sie auch in Japan ein größeres Interesse, welches sie von alleine nie erhalten hätten. Nippon Connection kann hier als Startpunkt gesehen werden. Selbst Japaner kommen zu uns, um sich japanische Filme anzusehen. Ist das Projekt sehr zeitintensiv? Mittlerweile ist es sehr viel Arbeit geworden, wir verstehen uns nämlich nicht als Studenten-, sondern als professionelles Festival, auch wenn wir uns hier im studentischen Kontext befinden. Die Arbeit an Nippon Connection ist für ein halbes Jahr ein Fulltime Job. Wir arbeiten ehrenamtlich, werden also nicht bezahlt. Das heißt jedoch, wir haben normale Jobs nebenher, über die wir uns finanzieren, das kann schon sehr belastend sein. Wir platzen jetzt hier schon aus allen Nähten… Sie haben dann auch sicher einen gewissen Qualitätsanspruch an das Festival? Ja, natürlich. Wir haben einen absoluten Qualitätsanspruch. Dazu gehört, dass wir auch inhaltlich ein Programm bieten wollen, das eine Bandbreite dessen, was in Japan produziert wird, zeigt. Beispielsweise wollen wir nicht nur Anime zeigen, weil sie jetzt gerade wirtschaftlich erfolgreich sind. Wir wollen ein Festival sein, das auch mal gegen den Strom schwimmt. Natürlich haben wir auch immer ein paar Anime in unserem Programm, denn man will ja die Leute mit etwas locken, das sie interessiert, damit sie dann vielleicht auch in einen Film gehen, den sie sich normalerweise nicht angesehen hätten. Wir selbst sind keine Japanologen, wir haben allerdings ein paar in unserem Team. Wir haben auch keine Sendungsbotschaft oder eine Idee, was Japan ist, sondern wir wollen Diversität bieten. Jeder soll sich sein eigenes Bild von Japan machen können. Deswegen war es uns auch wichtig, eine Bandbreite des Schaffens zu bieten, die Leute auch einmal mit einem anderen Blickwinkel zu konfrontieren, ihnen das zu zeigen, was sie noch nicht kannten oder nicht erwartet haben. Es ist auch sehr schön, dass wir ein Publikum haben, welches verschiedene Interessens- und Altersgruppen abdeckt, denn darüber gibt es einen vielfältigen Austausch. Wie wichtig sind ehrenamtliche Helfer für Nippon Connection? Ehrenamtliche Helfer haben wir von Anfang an aktiv gesucht. Wir organisieren das Festival zwar, aber in der Organisation ist natürlich das ganze Jahr über viel zu tun. Wir haben in den fünf Tagen des Festivals mehrere tausend Besucher. Mit nur einer Hand voll Leuten kann man sie natürlich nicht versorgen. Wir waren also von Anfang an darauf angewiesen, dass wir zusätzlich zum Organisationsteam des Festivals auch noch Leute haben, die beim Aufbau helfen und während des Festivals präsent sind. Wir fanden in der Hinsicht auch immer Zuspruch. In dem Maß wie das Festival gewachsen ist, ist auch unsere Datei mit potentiellen ehrenamtlichen Helfern gewachsen, die von uns jedes Jahr neu kontaktiert werden. Viele machen schon seit dem ersten Festival mit und es kommen stetig neue Leute dazu. Dadurch, dass das Festival immer an demselben Ort stattfindet, ist es noch sehr familiär. Wir haben sehr oft erlebt, dass Helfer dem Organisationsteam beitreten, weil es ihnen bei Nippon Connection so großen Spaß gemacht hat und sie sich gerne mehr einbringen möchten. Die persönliche kommunikative Ebene, auf der jeder sich auch ein Stück weit einbringen kann, ist uns wichtig, auch wenn es uns nicht immer gelingt, alles umzusetzen. Wir wollen den Helfern klarmachen, dass sie wichtig sind, dass das Festival ohne sie nicht stattfinden würde. Wir haben während des Festivals um die 150 Helfer, die in den unterschiedlichsten Bereichen mitwirken. Wir können ja planen, was wir wollen, wenn wir niemanden haben, der den Einlass am Kino macht, kommt keiner ins Kino. Ihr kennt ja das Studierendenhaus hier. Wir stecken eine ganze Woche Arbeit hinein, um es zu renovieren, alles aufzubauen und eine ansprechende Atmosphäre zu schaffen. Was ist für Sie das Spezielle am japanischen Film? Zum einen die visuelle Erzählweise, bei der der Fokus mehr auf die Bilder als auf die Geschichte gelegt wird. Zum anderen die zeitnahe Herangehensweise, die es aufgrund des kurzen Produktionszeitraums ermöglicht, aktuelle gesellschaftliche Strömungen zu integrieren. Wie haben Sie den Namen des Festivals „Nippon Connection“ ausgewählt? Darüber haben wir lange diskutiert. Der Name sollte gut zu behalten sein, aber auch zeigen, wie wir uns präsentieren. Uns war es dabei auch wichtig, die Bindung von Deutschland und Japan zum Ausdruck zu bringen. Irgendwann kamen wir dann auf „Nippon Connection“, hatten aber leichte Bedenken, da dies ebenfalls der Name eines Romans ist („Die rote Sonne“), in dem es um die Mafia-Strukturen in Japan geht. Trotz aller Bedenken haben wir uns aber dafür entschieden, denn den Titel „Nippon Connection“ kann man sich gut merken. Wie würden Sie die Festivalatmosphäre bei Nippon Connection beschreiben? Es ist eine sehr kommunikative, interaktive Atmosphäre, was uns wichtig ist. Die Leute sollen sich nicht nur wohl fühlen, sondern sie sollen auch angeregt werden zu erleben, zu sehen, zu entdecken. Natürlich ist es auch wichtig, dass wir immer Gäste dahaben, z.B. japanische Filmemacher, so dass auch Begegnungen möglich sind und die Schranken und Hemmschwellen fallen. Man soll etwas Neues erfahren, aus seinen Nischen hinauskommen und sich austauschen können. Nehmen Sie die Auswahl der Filme vor oder kommt es auch immer darauf an, wer sich jetzt bei Nippon Connection bewirbt oder wer gerne seinen Film hier zeigen möchte? Oder ist es vielleicht ein Mix aus beidem? Es ist Mix aus beidem. Natürlich gibt es ein Auswahlplenum. Wir entscheiden, welche Filme laufen. Es gibt natürlich auch immer Einreichungen von Filmen, wir fahren auf Festivals, lassen uns Filme schicken... das heißt, wir versuchen, so viele Filme wie möglich zu sehen, aus denen wir auswählen. Auch legen wir Schwerpunktthemen fest. Dieses Jahr haben wir unser Programm auf die japanischen Regisseurinnen und den Pink Film ausgerichtet. Glauben Sie, dass das Festival auch bei Besuchern, die erst mal nichts mit Japan zu tun hatten, doch Interesse weckt? Ja, auf alle Fälle, allein schon durch die Bandbreite unserer Filme und unser Rahmenprogramm ist eigentlich immer für jeden etwas dabei. Das Festival hat einen sehr guten Ruf regional, in Frankfurt, aber auch auf internationaler Ebene. Der Erfolg des Filmfestivals Nippon Connection beruht auf dem Engagement seiner ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer. Wer das nächste Filmfestival im April tatkräftig unterstützen möchte, kann sich bewerben unter [email protected]. http://www.nipponconnection.com Goethe D‘A r T 2010 11 Nippon Connection: pinku eiga B eim diesjährigen Nippon Connection Festival vom 15.-19. April stand neben vielerlei kinematografischen Neuproduktionen und (pop-)kulturellen Themen im reichhaltigen Rahmenprogramm auch ein hierzulande eher unbekannter Schwerpunkt der japanischen Filmlandschaft im Zentrum: pinku eiga. Die Bezeichnung pinku eiga, zu englisch „Pink Film“, charakterisiert ein filmisches Genre, das keine genaue Entsprechung im Westen kennt. Es steht für unabhängig produzierte pornografische Filme, die mit Minimalbudget auf 35mm gedreht werden und zudem häufig ästhetisch experimentell arbeiten – mitunter sogar politisch agitativ sein können. Sowohl politische Statements als auch sichtbar gemachte Sexualität unterliegen in Japan äußerst strengen Auflagen und sind nach wie vor im Mainstream-Film kaum zu finden. Selten länger als 70 Minuten, gehen auch Filme des pinku eiga über bestimmte Zensurmargen nicht hinaus – oder finden vielmehr Grauzonen, in denen das Zeigen von Genitalien durch uneindeutige Einstellungen pro forma auch als Aufnahme eines unproblematischen Körperteils verkauft werden kann. 1962 läutet die Geburtsstunde des Pink Film mit NIKUTAI NO ICHIBA (MARKET OF FLESH) von Kobayashi Satoru. Daran anschließend setzt ein Boom der Pink-Produktionen ein, deren Filme sich vor allem an das heterosexuelle männliche Publikum richten. Angesichts der rasanten Verbreitung des Fernsehens und des damit verbundenen Rückzugs vom Kino in den privaten Raum, hat auch die japanische Filmindustrie mit einer rapide abflauenden Konjunktur zu kämpfen. Der Vorteil der unabhängig arbeitenden Kleinststudios, in denen die Pink Filme entstehen, verhilft pinku eiga inmitten dieser schwierigen 60er Jahre, sich zum quantitativ größten Genre in Japan zu entwickeln, und diesen Status bis zum heutigen Tage halten zu können. Damals wie heute werden Pink Filme in speziellen, nicht-kommerziellen Kinos gezeigt und sind nach wie vor als nicht-jugendfrei gekennzeichnet. Unter dem thematischen Feld „NIPPON RETRO – SEXPLOITATION AND EXPERIMENTATION: THE MANY SHADES OF PINK FILM“ stellte die Programmkoordination des Festivals einen vielfältigen Einblick in das Genre zusammen, und man hatte während der vollen fünf Festivaltage Gelegenheit, mehr über den Pink Film zu erfahren. Die Forcierung des künstlerischen Anspruchs innerhalb des pinku eiga wird beispielsweise an der 1995er Produktion TEARS OF ECSTASY von Hiroyuki OKI augenscheinlich: OKIs einziger heterosexueller Pink Film besteht wie eine mathematisch anmutende Schnittform aus 60 Einstellungen von jeweils genau 60 Sekunden. Aber auch frühere Vertreter aus den Jahren 1969 (BLUE FILM WOMAN von Kan MUKAI), 1970 (SECRET HOT SPRING RESORT: STARFISH AT NIGHT von Mamoru WATANABE) und 1971 (GUSHING PRAYER von Masao ADACHI) waren im Programm zu sehen – BLUE FILM WOMAN war dabei einer der ers12 Goethe D‘A r T 2010 von Martina Lenhardt ten pinken Farbfilme [!]. Viele spätere Mainstream-Filmemacher sammelten ihre ersten Regieerfahrungen im Pink Film-Genre, so etwa Kiyoshi Kurosawa, der mittlerweile internationale Erfolge mit FeatureFilmen wie BRIGHT FUTURE (2003) oder TOKYO SONATA (2008) feiert. Der Frage, ob es sich im Pink Film nun um „Kunst oder (S)Exploitation“ handelt, wurde sich während des Nippon Connection Festivals auf vielfache Weise angenähert. So belegen einmal die ausgewählten Filmbeispiele die große Heterogenität des Genres, wie auch die Unterschiedlichkeit der teilweise nach Frankfurt gereisten und für Gespräche zur Verfügung stehenden Regisseure, dass sich „der“ Pink Film nun wirklich nicht auf mehr als einen kleinsten gemeinsamen Nenner zusammendefinieren lässt. Somit wird eine grundsätzliche Beantwortung der Frage zwar nicht gänzlich umgangen, jedoch umso stärker auf die einzelne BetrachterIn zurückgeworfen: So erhält das Publikum des Films PARTING PRESENT (2008), der – anders als das eigentliche Pink Film-Programm – nicht im Deutschen Filmmuseum, sondern im Festivalzentrum gezeigt wird, mitunter ungewollte Einblicke in die Welt des Softpornos. Frau Izumi findet nach dem Tod ihres Mannes heraus, dass er sie mit einer anderen Frau betrogen hat. Beim Versuch, nach dieser Frau zu fahnden und Rache zu üben, entwickelt Izumi eigene sexuelle Phantasien über die normierten Grenzziehungen des monogamen Eheversprechens hinaus und erlebt sie – zunächst und immer wieder als eben Imaginiertes, mehr und mehr jedoch aus als ausgelebte Praxis. Während sich traumhafte Sequenzen und spielerische Phantasieräume mit alltäglichen Szenen in Izumis Wohnung oder im öffentlichen Alltag abwechseln, gerät die ordentliche Trennung zwischen Wunsch und Wirklichkeit ins Wanken – auch und gerade auf der Ebene der Bilderzählung. Gleich zu Beginn konfrontiert PARTING PRESENT die ZuschauerInnen mit pornografischen Sequenzen, die in unerwartbarer Schnittfolge in die Narration „auf der Straße“ hineinragen. Mamoru Watanabe, der zur Internationalen Premiere seines Films in Frankfurt persönlich anwesend war, gilt als Veteran des Pink Films und ist zur Zeit seiner aktuellen Produktion bereits 78 Jahre alt. Beim Schauen der Filme steht die Vermischung von Künstlerischem und Pornografischem jedes Mal erneut auf dem Spiel. Und diese Vermischungen zeigen sich – manchmal komisch, bisweilen schockierend und erotisch, oft befremdlich – als sich gegenseitig hervorbringende Kräfte desselben Kinoereignisses. Und das will vielleicht einfach nur heißen, dass die Frage nicht beantwortet werden muss, mit der das diesjährige Scheinwerferthema im Programmheft des Festivals problematisiert ist. So entsteht jenes Changieren zwischen ErotischAnziehendem und komplexer Erzählung, zwischen Abstraktion und intimer Geste letztlich immer während des Betrachtens selbst, und ist nicht als im Film bereits Festgeschriebenes zu verstehen. Genius Party & Genius Party Beyond – Der Name ist Programm F ilmfestivals wie Nippon Connection geben Künstlern die Möglichkeit, ihre Werke abseits vom Massenmarkt einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Dieses Jahr wurde das Festival durch zwei ganz besondere Anime-KurzfilmZusammenstellungen verschiedener namhafter Regisseure bereichert, nämlich durch Genius Party und Genius Party Beyond. Zu Beginn der Reihe Genius Party wird der Zuschauer langsam und bedächtig in die phantasievollen und manchmal auch grotesk anmutenden Welten gesogen. Im gleichnamigen Einführungsfilm scheint ein großer Vogel seine Liebe zum Film in die Hirne und Herzen von Steinen einzupflanzen, die sich letztlich in Projektoren verwandeln und die Wüste, in der sie leben, in gleißendes Licht tauchen. Weiter geht es mit einer spaßigen Hommage an die Phantasie bei Shanghai Dragon: In einer ärmlichen und dystopischen Zukunft kann nur ein kleiner Rotzbengel aus China die Welt retten, weil er noch weiß, wie man träumt und wünscht. Gerade er zeigt übermenschlich starken Cyborgs eine ihnen längst vergessen geglaubte Welt der Phantasie. In Deathtic 4 stromert eine kleine Gruppe von netten Zombiekindern durch die stilistisch an Nightmare Before Christmas erinnernde Stadt und versucht das einzig lebendige Wesen, einen Frosch, wieder nach Hause zu schicken. Dabei gerät sie in abstruse Situationen. In Doorbell geht es ernster zu, der sehr normal anmutende Hauptcharakter wird von einem verschmitzten Doppelgänger verfolgt, der ihn so lange vereinsamen lässt, bis er fast paranoid wird. Doch eine Türklingel verspricht Hoffnung. Limit Cycle überwältigt mit einem gekonnten Mix aus brillanten Animationstechniken und philosophischen Fragestellungen. Aufgrund der Sprachbarrieren und der ständigen Wechsel der Denkansätze fällt es aber schwer, gleichzeitig dem Bild und der Sprache zu folgen. Dennoch ist dieser Film ein Muss und bringt die nötige Ernsthaftigkeit in das Projekt. Bei Happy Machine fällt der Zuschauer regelrecht in die zuweilen alptraumhafte Welt eines Kleinkindes und verliert sich zwischen Filmrealität und Traumwelt. Die oberflächliche Darstellung der Welt kontrastiert wunderbar die eigentlich nachdenklich stimmende Geschichte. Baby Blue führt uns wieder etwas zurück in die Realität und zu den Abenteuern, die es im wahren Leben zu bestehen gilt. Der Film spielt mit dem allseits bekannten Problem, wie man gleichzeitig die eigene Zuneigung für jemanden selbst anerkennt, mit Veränderungen umgehen muss und seinen Charakter stärkt. Der Film ist ein gekonnter Abschluss des ersten Projekts, der uns nach all den kuriosen Welten wieder aus dem Kinosaal hinaus in die Realität entlässt. von Kyra Jäger Der Titel Genius Party Beyond lässt zunächst vermuten, dass die Regisseure noch tiefer in ihre Materie eingestiegen waren als beim ersten Teil. Überraschenderweise erfuhr das Publikum jedoch nach der Präsentation von einem der Regisseure, dass Beyond sich eher auf den verpassten Abgabetermin bezog als auf die Fortsetzung des ersten Teils. Dennoch ist der zweite Teil ebenso abwechslungsreich wie der erste Teil, wenn auch etwas kürzer: Gala ist ein Mix aus Magie, Völkern, einem alten phantasievollen Japanbild und der Liebe zur Natur. Die musikalische Untermalung reißt den Zuschauer ebenso mit in schwindelerregende Höhen wie die Helden und ringt ihm am Ende geradezu ein friedliches Lächeln ab. Überaus witzig und derb geht es dagegen in Moon Drive zu. Eine kriminelle, unglaublich schräge Truppe versucht, einen Schatz zu ergattern und stürzt dabei regelrecht vom Regen in die Traufe. Vor allem das Design und die alles andere als klischeereiche Chefin bleibt einem unwillkürlich im Gedächtnis. Bei Wanwa werden wir ähnlich wie im ersten Teil der Genius-Party-Reihe in eine Kindheitswelt entführt, die allein schon durch die Wahl des Designs hervorragend umgesetzt wird: Alles sieht aus, als wäre es mit Straßenkreide gemalt. Scheint die Botschaft des Films lange Zeit zumindest tendenziell vorhersehbar zu sein, überrumpelt den Zuschauer doch das etwas seltsame Ende, das die Szenen des Filmes unvermittelt in ein anderes Licht rückt. Dimension Bomb ist ein Film, den man sehr aufmerksam verfolgen muss, da er phasenweise nicht chronologisch bzw. überlappend ist. Es fällt anfangs schwer so etwas wie einen roten Faden zu erkennen. Kurz: Technisch sehr gut umgesetzt, inhaltlich dem Titel des Werks sehr treu, (mehrmaliges Anschauen) empfehlenswert! Den Abschluss bildet der Beitrag Toujin Kit, bei dem wir einer jungen Frau dabei zusehen, wie sie ihr tristes, graues Leben führt- Die einzige Farbenpracht geht von einer Art Lebewesen aus, das sie illegal züchtet. Die Präsentation wirkt gelungen, die Stilmittel gut eingesetzt, manchmal aber vielleicht etwas zu gut, wirkt der Film doch ab und an etwas langsam und dröge. Trotzdem eine gut inszenierte Mahnung an eine konforme Gesellschaft ohne Lebenssinn und Lebensbejahung. Abschließend kann ich sagen, dass das Projekt Genius Party seinem Namen durchaus gerecht wird. Selten hat man die Chance, die technisch als auch inhaltlich herausragenden Anime solch namhafter Regisseure (die u. a. bei Nausicaä - Aus dem Tal der Winde, Animatrix, Cowboy Bebop usw. mitwirkten) zu sehen. Aufgrund der Vielfalt der Beiträge fällt es mir schwer, ein Fazit zu ziehen, reicht doch das Beschreibungs-Repertoire von apokalyptisch bis hin zu zynisch. Aber es gibt zwei wichtige Vorrausetzungen, die bei jedem Beitrag erfüllt werden: Kreativität und Leidenschaft. Goethe D‘A r T 2010 13 Nippon Connection: Wenn die Kirschblüte nach Westen fliegt – Der japanische Film in seiner Entwicklung von Anna Surawska D er moderne japanische Film erlangt eine immer größere Aufmerksamkeit in der westlichen Filmbranche und erzeugt ein immer größeres Publikum. Das in Frankfurt seit dem Jahr 2000 jährlich stattfindende Film-Festival „Nippon Connection“, das sich weltweit als das größte Festival des japanischen Films bezeichnen kann, ist ein Zeugnis des wachsenden Interesses auch hierzulande. Die Geschichte des japanischen Films setzt fast zeitgleich mit den westlichen Filmproduktionen ein. Im Jahr 1896, nur drei Jahre nach der Erfindung des Kinetoskops von Thomas Edison, gelangt ein solches Gerät zum ersten Mal nach Japan, genauer gesagt, nach Kôbe. Unter größtem Aufsehen fand am 25. November 1896 eine erste Vorführung im Kreise der kaiserlichen Familie und weniger ausgewählter Persönlichkeiten statt. Einen Monat später wurde er der Öffentlichkeit präsentiert. 1897 importierte Inahata Katsutarô den Kinematograph der Gebrüder Lumiére nach Ôsaka. Ein dafür speziell eingeladener Kameramann aus Frankreich nahm in Kyôto mehrere kurze Filme auf, die danach in Tôkyô vorgeführt wurden. Doch mochte man nicht immer nur ausländische Kameramänner bestellen, um in Japan die Geräte zu benutzen. Asano Shirô war schließlich der erste Japaner, aus dessen Hand die ersten Aufnahmen eines Landsmanns stammen. 1898 nahm er zwei Kurzfilme auf: „Die verhexte Schutzgottheit“ (Bakejizô) und „Wiederbelebung eines Toten“ (Shinin so sosei). Obwohl der Import der Aufnahmegeräte bis dato noch die technologische Überlegenheit Amerikas und Europas gegenüber Japan widerspiegelte, wurde die Filmproduktion in Japan aufgenommen, wenn auch nur auf niedrigem Niveau. Denn trotz des großen Erfolgs von Onoue Matsunosuke, dem ersten männlichen japanischen Filmstar (Hauptrolle in 1.000 Filmen innerhalb von 14 Jahren), und trotz einer maßgeblichen Weiterentwicklung der Filmtechnologie war der Film der Literatur und dem Theater nachgestellt. Literatur und Theater galten weiterhin als primäre Träger der hohen Kultur, während der Film ein Massenmedium mit niedrigem Ansehen blieb. Die Künstler des Theaters, vor allem die des traditionellen Nô-Theaters, grenzten sich stark vom Filmgeschäft ab, dessen Publikum vorwiegend aus Kindern und mittellosen Arbeitern bestand. Mit dem Aufkommen des Tonfilms in den 1920er Jahren setzte dann schließlich auch die so genannte „goldene Ära“ des japanischen Films ein, die bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs anhielt. Als erster reiner Tonfilm gilt der 1931 von Gosho Heinosuke gedrehte Film „Madame und meine Frau“ (Madamu to nyôbô). Er handelt von einem Schriftsteller, dessen gesteigertes Interesse für Jazz die Vorbildhaftigkeit des amerikanischen Lebensstils für die japanische Bevölkerung widerspiegelt. Dank der Vertonung der Filme ab den 1930er Jahren kam es zu einer Welle neuer Schauspielerkarrieren, die sich auch auf die musikalischen Gattungen, wie zum Beispiel die Operette auswirkte. Als eine weitere Hochphase des japanischen Films kann man die 14 Goethe D‘A r T 2010 Nachkriegszeit zwischen 1950 und 1960 sehen. Nach den langen Jahren des Kriegs und der Besatzungsjahre unter US-amerikanischer Führung fand der Staat seine lang erhoffte Unabhängigkeit. Durch die Aufhebung der Zensur war ein Durchbruch des Verbotenen und Tabuisierten auch in der Kunst möglich. Während in der Kriegs- und Nachkriegszeit vermehrt Historiendramen gezeigt wurden, wurde das Kino nun zu einem Ort der Massenaufklärung. Es bot damit zugleich die Möglichkeit einer Wiederbelebung des Nationalstolzes. In den 1950er Jahren erhielt der japanische Film wieder internationale Aufmerksamkeit. Durch mehrere Auszeichnungen auf weltweiten Filmfestivals wurden die Regisseure in ihrer Arbeit bestätigt. Als Beispiele dafür können u.a. „Das Ergebnis der Atombombe: Hiroshima und Nagasaki“, 1946 (Genshi bakudan no kôka: Hiroshima, Nagasaki) von Iwasaki Akira, „Hört, die Stimme des Meeres!“, 1950 (Kike, wadatsumi no koe) von Sekigawa Hideo sowie „Das Kriegsschiff Yamato“, 1953 (Senkan yamato) von Yutaka Abe gelten. In den 1970er, 80er und 90er Jahren geriet das Kino jedoch durch eine rapide Abnahme der Kinobesucher in eine schwere Krise. Obwohl sich im Zuge der Wirtschaftskrise der 1990er Jahre viele Filmgesellschaften auflösen mussten, überlebte der japanische Film. Denn Japan registrierte immer mehr ausländische Regisseure im Land, verlegte häufiger die Dreharbeiten ins Ausland und ging Kooperationen auf dem internationalen Filmmarkt ein. Japanische Filmproduktionen erlangten große Erfolge auf den bedeutenden europäischen Filmfestivals. Besonders hervor trat die Verfilmung von Abe Kôbô’s „Die Frau in den Dünen (Suna no onna) durch Teshigahara Hiroshi, der schon bei den Filmfestspielen von Cannes im Jahr 1956 den Spezialpreis der Jury bekam; oder „Die Ballade von Narayama“ (Narayama Bushiko) von Imamura Shohei. Er wurde 1983 bei den Filmfestspielen in Cannes mit dem höchsten Preis, „Die Goldene Palme“, ausgezeichnet. Japanische Journalisten sprachen gar von einer „Renaissance des japanischen Films“. Vor allem seit den 1990er Jahren stellt man sich berechtigterweise die Frage, was heute unter einem japanischen Film noch zu verstehen ist. Zählen hierzu auch die Produktionen der in Japan lebenden Ausländer oder auch die Werke, die in Japan nicht vor Ort gedreht wurden? Wie „japanisch“ sind etwa Filme, die zwar auf der zu Japan zählenden südlichen Insel Okinawa gedreht wurden, allerdings in der Sprache der dort lebenden Bevölkerung, nämlich der Ryûkyû-Sprache, die sich wesentlich vom Standard-Japanischen unterscheidet, weswegen bei der landesweiten Ausstrahlung Untertitel eingeblendet werden müssen. Die fortschreitende Globalisierung der Wirtschaft, der Kulturen und die zunehmende Vergleichbarkeit der Lebensstile und der gesellschaftlichen Probleme in den Industrieländern sind ein wichtiges Stichwort in diesem Zusammenhang. Nicht nur im Falle Japans fällt eine Definition des „typisch Nationalen“ zunehmend schwerer. Japanischer Volksglaube – Spotlight: Zeichnungen: Maike Schmidt Kitsune von Maike Schmidt G enau wie ihre westlichen Gegenstücke sind Füchse (jap. kitsune) in Japan bekannt für ihre Klugheit, Gerissenheit und List. Sie spielen in vielen japanischen Fabeln und Volksgeschichten, aber auch in der Religion, eine große Rolle, und ihnen werden häufig magische Fähigkeiten nachgesagt. Besonders im 17.-19. Jahrhundert erfreuten sich Fuchsgeschichten in Japan einer großen Beliebtheit. Die magische Macht der Füchse wurde teils für so real gehalten, dass es im schlimmsten Fall zu ähnlichen Extremen wie bei der Hexenverfolgung in Europa kam: Frauen, die man für verwandelte Füchsinnen hielt, wurden verfolgt und/oder verstoßen. Dies lässt sich auf die dem Fuchs zugesprochenen magischen Kräfte zurückführen. Zusammen mit dem Marderhund (jap. tanuki) zählen Füchse zu den Meistern der magischen Verwandlung und zu den großen Gestaltwandlern der japanischen Tier- und Sagenwelt. Die Zauberkraft eines Fuchses nimmt mit zunehmendem Alter zu und lässt sich an der Anzahl der Schweife ablesen (die mächtigsten kitsune besitzen neun). Füchse, zumindest die bösen Vertreter unter ihnen, werden oftmals mit allen möglichen Formen von Besessenheit, Exorzismus und ähnlichem in Verbindung gesetzt und es heißt, dass vor allem Frauen für Fuchszauber anfällig seien. Füchse wiederum verwandeln sich am liebsten, wenn auch nicht ausschließlich, in eine schöne Frau, um so die Menschen zu täuschen. Die beiden bekanntesten Gestalten in „Fuchsfrau“-Legenden sind Kuzunoha, die liebende Mutter und Ehefrau, und Tamamo no Mae, die verruchte Hofdame. Sie zeigen den starken Gegensatz der Fuchsdarstellung, die sowohl positiv als auch negativ behaftet sein kann. Um das Täuschungsmanöver eines kitsune aufzudecken gibt es verschiedene Möglichkeiten: wenn z.B. der Schatten einer „Fuchsfrau“ auf Wasser fällt, dann ist im Spiegelbild nur der Fuchs zu erkennen. Oder wenn etwa ein Hund eine „Fuchsfrau“ ansieht, verschwindet das weibliche Trugbild sofort, und zurück bleibt nur der Fuchs. Im Volksglauben sind besonders bösartige Füchse berühmt-berüchtigt: sie sind in der Lage von den Seelen der Unvorsichtigen Besitz zu ergreifen, sie zu willenlosen Marionetten zu machen oder dauerhaft in den Wahnsinn zu treiben. Auch dämonische Besessenheit wird dem Einfluss von bösen kitsune nachgesagt, die eitel, lügnerisch, launisch und besessen von Sex sein sollen. Demnach sind bei Personen, von denen ein böser Fuchs Besitz ergriffen hat, häufig ähnliche Eigenschaften zu beobachten. In der Religion haben Füchse eine besondere Funktion im Zusammenhang mit Inari, dem japanischen Reisgott. Inari-Schreine stellen mit etwa 30000 in ganz Japan eine der zahlenmäßig größten Gruppen von Shintô-Schreinen dar, wobei es sich dabei sowohl um kleine als auch um mittelgroße Schreine handelt. Der berühmteste unter ihnen ist wohl der Fushimi inari taisha bei Kyôto. Ihr Erkennungsmerkmal sind zwei weiße Fuchsstatuen, die als "Wächter" fungieren, und auch die Gottheit Inari selbst zeigt sich, wenn sie nicht gerade die Gestalt einer jungen Frau annimmt, gern als Fuchs. Der Fuchs, der ein Haus in Brand steckte Es war einmal ein Samurai, der dem Landesherrn der Provinz Kai* diente. Als er in der Abenddämmerung das Anwesen verließ um nach Hause zu gehen, traf er unterwegs auf einen Fuchs. Er verfolgte diesen und mit einem gezielten Pfeilschuss traf er den Fuchs in die Flanke. Der angeschossene Fuchs jaulte vor Schmerzen und schleppte sich, die Flanke nach sich ziehend, ins Dickicht. Als der Mann seinen Pfeil aufheben ging, richtete sich der verletzte Fuchs in einiger Entfernung auf. Doch als der Mann erneut auf ihn schießen wollte war der Fuchs schon verschwunden. Nur noch vier oder fünf chô von seinem eigenen Haus entfernt, tauchte der Fuchs plötzlich etwa zwei chô vor ihm mit einem brennenden Holzscheit auf, und rannte davon. „Was er wohl vor hat?“ fragte sich der Mann. Er gab seinem Pferd die Sporen, doch als er zuhause ankam, hatte sich der Fuchs in einen Menschen verwandelt und dieses angezündet. „Ah, ein Mensch hat das Haus in Brand gesetzt“ rief der Mann und während er das Pferd antrieb, machte er sich bereit einen Pfeil abzuschießen. Doch der Fuchs, der das Feuer gelegt hatte, verwandelte sich wieder in seine frühere Gestalt, rannte ins Gras und verschwand. Schließlich brannte das Haus komplett ab. Solche Wesen wie dieser Fuchs nehmen im Handumdrehen Rache. Wenn man diese Geschichte also hört, so versteht man, dass man sie auf keinen Fall schlecht behandeln darf. * heutige Präfektur Yamanashi auf der Hauptinsel Japans, genannt Honshû chô = japanisches Längenmaß, ca. 109m Goethe D‘A r T 2010 15 Verschneite Wälder Landschaften versinken tief In der weißen Pracht • Haiku von Antje Grzelachowski Im Sommerabend Plätschernde Regentropfen Auf dem warmen Gras • Lecker, cremig, süß Zergeht es auf der Zunge Wohlschmeckendes Eis • Hunderte Kanji Interessant und schwierig Ästhetisch zugleich H aiku ist eine Kurzlyrik, die ihren Ursprung in Japan hat. Ihr Beginn wird auf das 17. Jahrhundert datiert. Oftmals werden Haiku schlicht als „japanische Gedichte“ oder als „japanische Gedichtform“ bezeichnet. Der Aufbau eines solchen Gedichts ist relativ einfach: Es besteht in der Regel aus 17 Silben, verfasst in drei Versen. Die Silbenanzahl lautet 5-7-5, also im ersten Vers 5 Silben, im zweiten 7 und im letzten wiederum 5 Silben. Abweichungen von dieser Regel sind jedoch möglich, die Silbenanzahl darf reduziert und die Reihenfolge der Verse darf vertauscht werden. Haiku beschreiben stets Schauspiele, die sich in der Natur ereignen. Themen dieser Gedichte sind konkrete Beobachtungen, niemals aber Gefühlsbeschreibungen oder abstrakte Bilder. So ist ein wichtiges Sujet die Beschreibung von Jahreszeiten. Es wird oft geschildert, wie der stürmische Herbstwind weht, wie Blätter verwelkt zu Boden fallen, wie ruhig der weiße Schnee eine Landschaft bedeckt, wie Tiere morgens aus ihrem Schlaf erwachen, wie kühl der Sommerabend oder wie hübsch die Blütenpracht ist. Auch wenn die Natur und die Jahreszeit nicht explizit erwähnt werden, wird auf sie doch immer indirekt durch die im Gedicht erzeugte Stimmung referiert. Die Sprache eines Haiku ist im Allgemeinen nicht hochpoetisch oder ausschweifend, ein Haiku besticht durch seine Schlichtheit und Einfachheit. Haiku dichten kann jeder, nimm einen Stift, schreibe deine Beobachtungen nieder und lass deiner Kreativität freien Lauf! Die folgenden Haiku aus meiner Feder sollen dir eine Anregung sein. Übrigens macht es auch Spaß Haiku zusammen mit Freunden zu schreiben. Wenn du magst, schicke deine Kurzlyrik an: [email protected], vielleicht erscheint sie ja in der nächsten Ausgabe! 16 Goethe D‘A r T 2010 • Im Morgengrauen Vernebelt, kalt, doch friedlich Innere Ruhe • Die kleine Katze Schleckt mit großer Freude Ihre Milch – Miau • Als der Sonnenstrahl Den Frosch am See traf Sprang diieser zurück ins Nass • Eifrig lernen sie Wenn die Prüfungen nahen Brave Studenten • Mondenschein so klar Glitzernder See im Licht Zirpende Grillen • Herbstblätter im Wind Farbenfrohes Spektakel Grün, gelb, rot und braun von Karina Myskava Das Blütenblatt der Sakura Das Schweigen des Windes. Wird die Windböe nicht berühren Illustration: Jutta Lingelbach das Blütenblatt der Sakura? I m Frühling, wenn die Kirschblüten – Sakura – blühen, halten sich viele Japaner bevorzugt im Freien auf, um die strahlende Schönheit der in der Sonne weiß und blassrosa schimmernden Blüten zu betrachten. Doch der atemberaubend schöne Anblick ist nur von kurzer Dauer. Nach wenigen Wochen bereits fallen die zarten Blüten herab und werden von einer Windböe davongetragen. Nicht ohne Grund wird die blühende Sakura in Japan deshalb auch als Sinnbild für Vergänglichkeit und Unbeständigkeit gesehen. In der Poesie ist sie häufig verwendetes Symbol einer dahinschwindenden Jugend und Schönheit und der Vergänglichkeit der Liebe. morgens einen der heißbegehrten Plätze unter den Kirschbäumen, um dort nach Dienstschluss ein Mitarbeitertreffen zu arrangieren. Dabei geht es gewöhnlich recht ausgelassen zu, was ohne Konsequenzen bleibt, denn am nächsten Tag ist alles vergessen! Zur Zeit der Blüte der Sakura wünscht sich ein jeder die Zeit zurückdrehen und die glücklichen Momente des Lebens verlängern zu können. Gerade darin liegt wohl die Anziehungskraft, die Unbegreiflichkeit und der eigenartige Zauber dieser Jahreszeit, die einen Höhepunkt im Kalender markiert. Die Darstellung der blühenden Sakura ist im Land außerordentlich weit verbreitet: man findet sie in Zeichnungen, welche die Kimonos, das Geschirr und andere Alltagsgegenstände schmücken. Von jeher wird sie in zahlreichen Liedern und Gedichten glorifiziert. Einst war sie sogar ein beliebter Frauenname in Japan. Um die Sakura zu ehren findet in Japan am 27. März einer der beliebtesten Feiertage statt. Die Tradition dieses Feiertages reicht bis in das III. Jahrhundert zurück. An diesem Tag treffen sich viele Japaner unter den blühenden Kirschbäumen der Parkanlagen, um sich gemeinschaftlich zu amüsieren und die üppige Blütenpracht auf sich wirken zu lassen. Unternehmen, die etwas auf sich halten, reservieren bereits Goethe D‘A r T 2010 17 von Kristina Hvasti, Andrea Meierl, Ina Rohrlack D Die Frankfurter Band Wagner Love landete mit ihrem Lied „Doin‘ It“ auf Platz eins der japanischen Radiocharts und ging daraufhin zehn Tage auf Japan-Tournee. Bevor die Band zum zweiten Mal nach Japan aufbrach,um auf dem Super Sonic- Festival neben Musikgrößen wie Mando Diao, Linkin Park, Beyoncé oder Lady Gaga zu spielen, gaben die Bandmitglieder Tilmann und Ravel uns die Gelegenheit, sie über ihre Eindrücke in Japan zu befragen. Wart ihr auf euren musikalischen Erfolg in Japan vorbereitet? Tilmann: Nein, überhaupt nicht. Unser Erfolg erschien uns zunächst surreal. Wir hatten zuerst nur die Verkaufszahlen, konnten das aber nicht richtig einordnen, weil wir ja auch kein unmittelbares Feedback von den Hörern bekommen konnten. Keiner von uns war zuvor jemals in Japan. Das ist ein Land, das so weit weg ist. Als ein japanischer Radiomoderator unseren Sänger Jakob dann anrief, wurde der Erfolg für uns etwas greifbarer. Ihr habt nun schon eure erste Japantournee hinter euch - die nächste steht schon an – wo wart ihr genau? Tilmann: Unser Erfolg kam selbst für unsere Plattenfirma überraschend. Unsere „Promotour“ wurde daher sehr kurzfristig organisiert. Wir gaben drei Konzerte in Fukuoka, Osaka und Tôkyô. Wir sind 10 Tage durchs Land gereist und haben wirklich jeden Tag einen dermaßen vollgestopften Interview-Promo-Plan gehabt, wie ich es hier nicht erlebt habe. Weil natürlich auch in der Kürze der Zeit viel hineingepackt werden musste. Wir waren gefühlt bei zehn Radiosendern pro Tag. Trotz der Anstrengung war es toll. Wir haben gespürt, dass die Leute es als etwas Besonderes ansahen, dass wir da waren. Es war eine stets herzliche Angelegenheit. 18 Goethe D‘A r T 2010 Wie erklärt ihr euch, dass gerade euer Song „Doin’ It“ in Japan so gut ankommt? Tilmann: Erklären konnten wir uns das natürlich zunächst nicht. Wir haben viele Gespräche auch mit Leuten von Radiosendern über den Grund unserer Popularität in Japan geführt. Vor allem war der Song ja ursprünglich gar nicht als Singleauskopplung gedacht. Die japanischen Radiomoderatoren hatten ihn gespielt, weil es der erste Song in unserem Album war und sie ihn wohl am besten fanden. Daraufhin war er immer häufiger im Radio zu hören. So wurde er in Japan populär. Manche sagten, sie mögen unseren Song, weil er so melodisch ist und einen guten Vibe hat. Glaubt ihr, dass der Exotikfaktor, aus Deutschland zu kommen, dabei auch eine Rolle gespielt hat? Tilmann: Ja, das hatten wir uns auch schon gefragt. Natürlich spielt das auch eine Rolle. In Japan ist man als deutsche Gruppe per se schon mal interessant. Aber ich würde das nicht als Hauptgrund sehen. Wie alt sind eure japanischen Fans eigentlich? Tilmann: Sie sind älter als ich dachte. Es sind keine Teenies. Anfang zwanzig würde ich schätzen. So wie unsere deutschen Fans. Allerdings standen im Publikum mehr Männer, das hat mich gewundert. Sie preschen jedoch seltener vor als Frauen, um sich Autogramme geben zu lassen. Überraschend für uns war auch, dass die Leute immer eine CD zum Signieren dabei hatten. Konntet ihr einen Unterschied zwischen dem Verhalten eurer deutschen Fans und japanischen Fans ausmachen? Ravel: Eigentlich nicht. Ah ja doch. Die japanischen Mädchen sind ein bisschen aufgeregter, wenn sie uns sehen. Am Flughafen wurden wir Foto: Manuel Debus Wagner Love zum Beispiel empfangen von einer Gruppe Mädchen, die selbst gebastelte Geschenke vorbereitet hatte, wie Fächer oder kleine gemalte Bildchen. Tilmann: In Tôkyô war es überhaupt sehr lustig. Wir spielten in einem relativ kleinen Club. Es passten ungefähr 600 oder 700 Leute rein. Die Fans standen dort schon eine Stunde vor Konzertbeginn an der Sicherheitsabsperrung. Mich erstaunte dabei ihre Disziplin. Sie warteten, ohne dass jemand noch mal rausgegangen wäre, um sich beispielsweise etwas zu trinken zu holen. Als das Konzert dann losging, waren sie auch 100-prozentig bei der Sache. Schon beim ersten Akkord unseres Songs „Doin’ It“ klatschten sie bereits Beifall. Doch, das ist vielleicht ein Unterschied, einfach die Art und Weise, wie Konzerte zelebriert und wahrgenommen werden. Man hat so richtig das Gefühl, die Leute haben jetzt eine Stunde Urlaub. Sie gucken auf die Bühne, singen mit und sind voll dabei. In Deutschland kommt es vor, dass sich die Leute auch während des Auftritts ein Getränk holen gehen oder sich unterhalten. Nicht in Japan, dort hat man das ganze Konzert hindurch die volle Aufmerksamkeit. Das ist schon bemerkenswert. Ravel: Was mir aufgefallen ist, ist, dass die Städte total zugebaut sind. Was war euer schönstes Fangeschenk? Oder wurde euch etwas auf die Bühne geworfen – wie etwa Blumen, Fotos oder gar ein Slip? Tilmann: Insgeheim hatte ich das ja gehofft (lacht). Angeblich soll es in Japan ja Slip-Automaten geben, aber ich habe noch keinen einzigen gesehen. Ich glaube mittlerweile, dass das ein Gerücht ist. Ravel: Mein schönstes Fangeschenk war ein tragbarer Aschenbecher. Tilmann: Sehr moderne Gebäude neben sehr alten Gebäuden lassen die japanischen Städte sehr patchworkartig aussehen. Architektonisch ist das natürlich sehr interessant, es zeigt die Schnelllebigkeit dort. Es wird versucht, noch in dem letzten kleinen Winkel ein siebenstöckiges Gebäude hineinzubauen. Auffällig sind auch die vielen Boutiquen in den kleinen Gässchen. Dort kann man viele Stunden verbringen und viel Geld zurücklassen. Wir haben ein kleines Assoziationsspiel für euch vorbereitet. Wir nennen euch ein paar Begriffe und ihr sollt uns bitte sagen, welche spontanen Assoziationen ihr zu Japan habt. Ravel und Tilmann: Okay. Leute Ravel: Die Japaner sind sehr höflich. Sie weisen einem den Weg, auch wenn sie keine Ahnung haben. Geschwindigkeit Ravel: Shinkansen. Ich muss dazu sagen, dass ich ein großer Technikfan bin. Es gibt ja verschiedene Linien… Ravel: Ja! Ja! Wir sind mit dem Nozomi gefahren. Er ist der Schnellste! Die Nachfrage nach diesen kleinen mobilen Aschenbechern ist in Japan sehr groß. Irgendwie sagt das auch etwas über die Japaner aus. Einerseits, dass es viele Raucher gibt, andererseits, dass sie darauf achten, ihre Umwelt nicht zu verschmutzen. Tilmann: Wenn man durch Tôkyô läuft, ist es dort tatsächlich sehr sau- ber. Nicht deshalb, weil überall Verbotsschilder stehen würden, sondern weil jeder von sich aus auf Sauberkeit achtet. Nach meinen Vorstellungen war Tôkyô eine Stadt, in der es hektisch und laut zugehen musste. Tatsächlich ist Tôkyô aber eher angenehm ruhig, obwohl die Stadt natürlich in Bewegung ist. Die Leute schreien nicht herum, die Autofahrer hupen nicht. Nicht wie hier in Frankfurt, wo man in der U-Bahn mitunter blöd angeschaut oder mal angerempelt wird. Welche weiteren Eindrücke haben die Städte bei euch hinterlassen? Tilmann: Ravel stand vor dem Shinkansen und hat ständig Fotos gemacht. Ich habe mir gedacht, jetzt weiß ich, wie es ist, wenn Japaner hier in Deutschland sind und sich mit ihren Kameras vor den ICE stellen. (Lachen). Ravel: Das ist das Bemerkenswerte. Wenn man umgekehrt als Europäer die Rolle des Touristen in Japan einnimmt, dann merkt man erst, wie neu alles für einen ist. Alles sah anders aus als zu Hause und war es wert, fotografiert zu werden. Wir haben Getränkeautomaten, Anzeigetafeln und selbst die einfachsten Gegenstände fotografiert. Sogar Bagger, weil sie völlig anders aussehen als bei uns. Essen Tilmann: Das Essen ist sehr abwechslungsreich und ich glaube sogar das gesündeste der Welt. Wir haben zwar diese etwas „fragwürdigen“ Gerichte wie den Kugelfisch noch nicht probiert, aber das werden wir beim nächsten Mal im August unbedingt nachholen. Goethe D‘A r T 2010 19 Ravel: Oder aber auch, dass man in der Musikbranche eh alles etwas lockerer sieht. Wichtig zu wissen war, dass Japaner ungern ihr „Gesicht verlieren“, das heißt, dass man sie auf Fehltritte ihrerseits nicht aufmerksam machen und auf sein Recht bestehen sollte. Unser Begleiter hat vor allem sein Gesicht verloren, als er uns die falschen Schuhe nach einem Restaurantbesuch herausgegeben hatte. Wir hatten sie zuvor in Schließfächern deponieren lassen und er gab uns irgendwelche holländischen Clogs und Sandalen. Wir mußten natürlich lachen, schließlich waren es tatsächlich Schuhe von Europäern, aber eben von anderen Europäern. Tilmann: Es war ein großes Hallo. Wir hatten gelesen, wenn im Restaurant das falsche Essen kommt, dass man erst mal das Essen stehen lässt und dann sagt, dass es das falsche ist. Ravel: Nee, dass man sagt: „Das schmeckt aber lecker, ich hätte aber gern noch das und das.“ Ravel: Als wir zum ersten Mal im Restaurant waren und die ersten Teller kamen, hatte sich Tilmann gleich so viel genommen, dass er gar keinen Hunger mehr hatte, als dann der fünfte Gang kam. Tilmann: Man muss sich erst einmal daran gewöhnen, dass man klei- nere Portionen über einen bestimmten Zeitraum verteilt isst. Clubs Tilmann: Alle tanzen den DJ an. Als unser Konzert in Osaka fertig war und ein DJ auflegte, standen die Clubbesucher alle mit dem Gesicht zum DJ, tanzten leicht und spielten dabei mit ihren Handys. Ravel: Für uns war dieser Anblick sehr merkwürdig. Könnt ihr uns sagen, wie wir uns dieses Verhalten zu erklären haben? Ich weiß es nun auch nicht genau. Aber ich erkläre mir dieses Verhalten als einen gruppendynamischen Prozess. Ich habe neulich von einer Kommilitonin gehört, die in Japan auf vielen Konzerten war, dass man sich nicht wie bei uns beim Tanzen individuell bewegt, sondern synchron. Alle reagieren auf ein Zeichen hin. Es ist faszinierend. Habt ihr euch auf euren Aufenthalt in Japan vorbereitet, indem ihr zum Beispiel Reisebücher gelesen habt? Tilmann: Ich habe im Internet Seiten gefunden, auf denen die einfachsten Floskeln in Lautschrift kurz erklärt waren, damit man wenigstens „Danke“ und „Bitte“ sagen kann und „Guten Tag“. Ravel: Ich habe Reisebücher gelesen, ikonographische Bücher, in denen stand: „Wenn Sie nicht wissen, wo es lang geht, holen Sie eine Karte heraus und deuten Sie wild darauf.“ Tilmann: Wir haben uns natürlich auch über Gepflogenheiten informiert, wie zum Beispiel über Visitenkarten. Die Visitenkarte zeigt, welchen Rang eine Person hat und wie respektvoll man sie behandeln muss. Deshalb spielt sie in Japan auch so eine große Rolle. Man wird bei jeder Gelegenheit mit Visitenkarten ausgestattet. Wichtig ist, dass man sie mit beiden Händen entgegennimmt, sich dabei verbeugt und die Karte anschaut, bevor man sie wegsteckt. Man sollte diese aus Höflichkeit nicht in die Hosentasche stecken, sondern ins Portemonnaie oder in ein Kästchen. Aber in diesen Büchern haben wir auch viele Irrtümer gelesen, wie beispielsweise der Hinweis, dass man sich zur Begrüßung nicht die Hand gibt, sondern verbeugt. Wir wurden eigentlich immer mit Handschlag begrüßt. Aber es kann natürlich wiederum auch daran liegen, dass die Japaner sich einfach unserem Begrüßungsritual angepasst haben. 20 Goethe D‘A r T 2010 Tilmann: Kevin, unser Ansprechpartner, sagte aber, dass man sofort sagen kann, dass man dieses Essen nicht bestellt habe. Kevin ist Halbamerikaner, er kennt auch beide Kulturen und hat immer vermittelt. Vor allem dann, wenn wir das Gefühl hatten, uns falsch verhalten zu haben. Er meinte dann immer: „Das ist kein Problem, ihr seid hier zu Gast.“ Welche Japanischvokabeln sind euch denn in Erinnerung geblieben? Ravel und Tilmann: Konitschiwa, sayonara, arigatô natürlich, genki desuka ( wie geht’s). Dieses desuka ist eine Frageformel. Das Substantiv wird davor gestellt und heraus kommt eine Frage. Tilmann: Ravel hatte vor einem Interview “Genski desuka“ gesagt und da fing der Interviewpartner heftig an zu lachen. Als wir fragten, was denn los sei, meinte er, „Genski desuka“ heißt, „Ist das ein Moped?“ Das erklärte uns auch endlich, warum unsere Fans bei unseren Auftritten, immer in heftiges Gelächter ausbrachen, wenn wir Genski desuka für „Wie geht’s“ sagten. Ravel: Da gab es doch noch mehr, wir kannten noch mehr, wir hatten doch auch Bier bestellt: „Biru kudasei“. Ihr wolltet ein Gebäude? (Lachen). Ravel: Was heißt denn dann Bier? Biiru, lang gezogen. Tilmann: Vielleicht hab ich deshalb nichts zu trinken bekommen?! Sprache von Anja Catharina Junghenn „flauschig“ Drei x Fell heißt Japanisch lernen mit Eselsbrücken H allo und willkommen zu einer etwas ungewöhnlichen Einführung zu den japanischen Schriftzeichen! Diejenigen unter euch, die sich für Japan und seine Sprache interessieren, wissen bestimmt, dass Japanisch nicht mit dem uns bekannten lateinischen Schriftsystem, sondern mit aus dem Chinesischen importierten Schriftzeichen geschrieben wird, den sogenannten Kanji. Auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag, sind diese Schriftzeichen nicht aus willkürlich angeordneten Strichen zusammengesetzt, sondern sie folgen gewissen Gesetzmäßigkeiten. Vereinfacht lässt sich sagen, dass ein Kanji aus mehreren Elementen besteht – meist sind zwei, drei oder vier Elemente in einem Kanji. Diese wiederum haben oft eine bestimmte Bedeutung, und diese Bedeutung zu kennen, kann das Lernen und Memorieren der Schriftzeichen um einiges erleichtern – nämlich indem ihr anhand der einzelnen sprachlichen Elemente gezielt Eselsbrücken bildet. Hier eine Auswahl an Schriftzeichen, die dafür als Beispiel dienen sollen. Lesung: taga-i Bedeutung: gegenseitig Das Schriftzeichen ist punktsymmetrisch, will heißen, es sieht noch genauso aus, auch wenn ich es auf den Kopf stelle. Hier ist die Bedeutung „gegenseitig“ sehr gut zu erkennen, denn Gegenseitigkeit beruht ja auf zwei ausgeglichenen Seiten. der Teil rechts unten bedeutet „alt“. Mit diesem Wissen kann man sich Eselsbrücken bilden wie: „Schon in alten Zeiten wurde Reis mit der Hand bearbeitet.“ Und dies trifft auf Japan ja durchaus zu. Lesung: taki Bedeutung: Wasserfall Der linke Teil ist die verkürzte Schreibweise von „Wasser“, die innerhalb eines Schriftzeichens oft anstelle der Vollform gebraucht wird. Der rechte Teil bedeutet Drache. Betrachtet man die Kraft und Schönheit eines Wasserfalls, von der viele Menschen angezogen werden, liegt die Verbindung zu den mystischen Drachen, die Menschen seit langem faszinieren, sicher recht nah. Lesung: arashi Bedeutung: Sturm, Unwetter Der obere Teil bedeutet „Berg“, der untere Teil „Wind“. Als Eselsbrücke könnte man sich hier zum Beispiel merken: „Ein Wind, der so schlimm ist, wie ein Berg hoch ist.“ Lesung: meoto Bedeutung: laute/zornige Stimmen Dieses Kanji setzt sich zusammen aus den Kanji „Frau“ und „Mann“. Die Überlegung, dass Männer und Frauen gern miteinander streiten, ist also nicht neu. Lesung: mukuge Bedeutung: weich, flauschig Dieses Schritzeichen besteht aus dreimal dem Kanji für Fell. Und viel Fell aufeinander ist bekanntlich flauschig! Lesung: kashima-shii Bedeutung: böse; laut Bei der Entstehung dieses Schriftzeichens hatte man offenbar keine allzu gute Meinung von dem weiblichen Geschlecht... Lesung: ine Bedeutung: Reis Der linke Bestandteil bedeutet Getreide, die vier Striche rechts oben sind eine verkürzte Darstellung für das Schriftzeichen „Hand“, und Goethe D‘A r T 2010 21 Sprache Japanische von Aya Puster Lautmalerei 1. Definition yotayota schwanken = yotayota suru Was sind Lautmalereien (Onomatopöien)? Das Lexikon der deutschen Sprache DUDEN definiert sie als „eine Wiedergabe natürlicher Geräusche o.ä. durch klanglich ähnliche Laute“. (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, Mannheim 1989) Onomatopöien wie beispielsweise „Boom“, oder „Miau“ haben Mitteilungscharakter und kommen ohne weitere Erklärungen oder Beschreibungen aus. Dem allgemeinen Verständnis nach entstammen sie der Sprachwelt eines Kleinkindes, das aus Mangel an Ausdrucksfähigkeit und Wortschatz durch Nachahmen der tatsächlichen Geräusche etwas mitzuteilen versucht. Häufig werden daher Onomatopöien in europäischen Sprachen als kindischer Klamauk abgetan. 2. Stellung der Onomatopöien im Japanischen Die Einstellung, Onomatopöien seien Kindereien, ist Japanern jedoch fremd, denn sie bilden feste Bestandteile der japanischen Sprache. Dies musste ein ausländischer Student in Japan schmerzhaft am eigenen Leib erfahren: Von Schmerz geplagt suchte er einen japanischen Arzt auf, der ihn nach reichlicher Untersuchung mit einer für ihn schier unlösbaren Frage konfrontierte: „Welche Schmerzen haben Sie? „shikushiku?, hirihiri?, zukizuki?, gangan?, chikuchiku?, kirikiri?“ Schmerzen chikuchiku gangan hirihiri kirikiri shikushiku zukizuki stichelnder Schmerz hämmernder Schmerz brennender Schmerz bohrender Schmerz stechender, ziehender Schmerz pulsierender, dröhnender Schmerz Nicht nur für die Beschreibung von Schmerzen, sondern generell für die Darstellung von Eigenschaften und Tätigkeiten suchen Japaner nach einer passenden Onomatopöie. burabura, urouro, yotayota, yoroyoro, yochiyochi sind Onomatopöien, die in Verbindung mit verschiedenen Verben stehen können. suru (machen) aruku (laufen) burabura faulenzen = burabura suru urouro ratlos, verzweifelt =urouro suru 22 Goethe D‘A r T 2010 burabura aruku = bummeln urouro aruku= herumlung yotayota aruku = latschen yoroyoro schwach auf den Beinen sein = yoroyoro suru taumeln = yochiyochi yoroyoro aruku = wackeln yochiyochi suruyochiyochi aruku = watscheln Diese Onomatopöien sind allgemein gebräuchliche Ausdruckweisen, und können offiziell in japanischen Lexika nachgeschlagen werden. Sie stellen eine deutliche Erleichterung bei der Wahl des passenden Ausdrucks dar. Jedoch kann ihre häufige Anwendung auch zu eintönigen Formulierungen führen, wie das folgende Beispiel zeigt: Zwei Personen unterhalten sich vor der Filmaufführung: Mit großer Freude erwarte ich den Beginn des Films. Hai, watashi mo uki uki shiteimasu. Es ist ja so spannend! Hai, watashi mo doki doki shiteimasu. Ich freue mich auf den Film. Hai, watashi mo wak waku shiteimasu. Es dauert aber lang. Warum beginnt der Film nicht? Hai, watashi mo jiri jiri shiteimasu. Verdammt! Ich werde nervös. Hai, watashi mo ira ira shiteimasu. Die japanische Sprachwissenschaftlerin Prof. Nakami YAMAGUCHI erfasste ca. 2000 Onomatopöien des Japanischen, beschrieb sie und gab ein Onomatopöien-Lexikon heraus. Nakami Yamaguchi, Gion-Gitaigo Jiten (Lexikon der japanischen Onomatopöien), 605 Seiten, Tokio 2003 Bei ihren Recherchen in verschiedenen klassischen Literaturwerken fand die Professorin heraus, dass es japanische Onomatopöien seit mehr als 1000 Jahren gibt und dass ca. 50-60% davon heute noch in regem Gebrauch sind. Lautmalereien im Japanischen deuten also keineswegs auf den Verfall der klassischen Sprache in der modernen Zeit hin, sondern liegen offenbar im Kern dieser Sprache. 3. Eine mögliche Erklärung für die Bedeutung der Lautmalerein im Japanischen Eine Erklärung dafür glaubt der Kognitionswissenschaftler Tadanobu TSUNODA gefunden zu haben. Er ist der Auffassung, dass Japaner sprachliche Äußerungen kognitiv anders wahrnehmen, als Europäer oder Amerikaner. Denn gehirnwissenschaftliche Untersuchungen ergaben, dass japanische Sprecher im Gegensatz zu den Sprechern westlicher Sprachen beide Gehirnhälften aktivieren, wenn sie Vokale, menschliche Stimmen, Geräusche von Tieren (Grillen-Zirpen) und traditionelle japanische Musik hören. Bei Sprechern westlicher Sprachen ist dagegen nur eine Gehirnhälfte aktiv. Somit scheinen Japaner jegliche Geräusche und Laute wie Wörter wahrzunehmen und als solche zu gebrauchen. Tatsächlich lassen sich im Japanischen mehrere Sätze bilden, die nur aus Vokalen bestehen. Beispiele: E o ou. Ai o ou. (Man) verfolgt die Bilder. (Wir) verfolgen die Liebe. Ee, aou. Iie, aoi! Ja, lasst uns treffen! Nein, (es ist) blau. Oi, ie! Adverbien burabura dokidoki hokahoka iraira jirijiri gatsugatsu pera pera ukiuki uzuuzu waiwai wakuwaku baumeln, schaukeln, schlendern klopfenden Herzens mollig warm nervös unruhig, ungeduldig hastig eine große Menge verschlingen fließend Fremdsprache sprechen voller freudiger Erwartung unruhig, eigenes Können zu zeigen laut und fröhlich unterhalten, feiern mit großer Freude warten Hey, sag es! Oi o oe! Verfolge den Neffen! 4. Besser Japanisch sprechen mit Onomatopöien Wie wir bisher gesehen haben, geben Onomatopöien dem Japanischen einen typischen Charakter. Wenn der Japanisch-Lerner sie richtig einsetzt, klingt sein Japanisch wesentlich authentischer: Deutschen Japanisch-Lernern fällt es aufgrund der Differenziertheit der deutschen Sprache in Verben, Adjektive und Adverbien sowie der vielfältigen Variationsmöglichkeiten des deutschen Satzbaus jedoch oft schwer, sich auf die einfachen Satzkonstruktionen und lautmalerischen Ausdrucksweisen des Japanischen umzustellen. Sie neigen beim Generieren japanischer Sätze oft dazu, zu abstrakt und kompliziert zu formulieren. Das umgekehrte Phänomen ist bei japanischen DeutschLernern zu beobachten. Ihre Formulierungen kommen einem deutschen Muttersprachler oft zu einfach vor. So ist es beispielsweise bei japanischen Deutsch-Lernern beliebt, Phänomene des Alltags mit „machen“ zu umschreiben, wie etwa einen „Einkauf machen“, eine „Party machen“, eine „Arbeit machen“. Um sich mit den Onomatopöien des Japanischen vertraut zu machen, empfiehlt es sich, Manga zu lesen. Nicht selten kommt es vor, dass ein onomatopoetischer Ausdruck die gesamte Szene eines Panels erklärt. In einigen Manga stellen Onomatopöien sogar die einzigen sprachlichen Realisierungen dar. Im folgenden gebe ich euch eine Kurze Liste nützlicher Onomatopöien mit auf den Weg und wünsche euch viel Spaß bei ihrer Anwendung!. Adjektive buyo buyo fuwa fuwa kachi kachi kira kira pika pika schwabbelig flaumweich, leicht im Wind getragen steinhart blinzelnd glänzend poliert, sauber Aya Puster gibt neben ihren wissenschaftlichen Abhandlungen zur japanischen Sprache und Geschichte Japanisch-Wörterbücher und -Lehrwerke heraus. Ihr Anliegen ist es, die japanische Sprache auf kreative und unterhaltsame Weise zu vermitteln. Im Aya Puster Verlag erschienen sind u.a.: Praxisorientiertes Wörterbuch Deutsch-Japanisch, 3. Auflage 2005, ISBN 3-9806662 Praxisorientiertes Wörterbuch Japanisch-Deutsch, 1. Auflage 2003, ISBN 3-9806662-4-7 Japanisch Grundstufe 2, 1. Auflage 2005, ISBN 3-9806662-6-3 Kyushu Daisuki. Ein japanisches Lesebuch für Anfänger, ISBN 978-3-9806662-7-5 Kanji(Lern)Sudoku ISBN 978-3-9806662-8-2 http://www.puster-verlag.de. Goethe D‘A r T 2010 23 1945 Schriftzeichen oder die Kunst, Japan(ologie) zu studieren hat sein Abitur in der Tasche, dessen Erwerb ausgiebig M angefeiert und freut sich bereits, einen neuen Lebensabschnitt beginnen zu können. Diese Euphorie kann allerdings ein jähes Ende finden, sobald man sich gewahr wird, dass es ab jetzt gilt, Weichen für das weitere Leben zu stellen. Auch wenn ich natürlich nur Rückschlüsse auf meinen eigenen Jahrgang ziehen kann, vermute ich, dass es jedes Jahr eine Hand voll Abiturienten gibt, welche ihr Leben zunächst einmal nur bis zum Abiturerwerb geplant haben und gar nicht so recht wissen, wie es eigentlich danach weitergehen soll. Insbesondere jenen Suchenden mag in diesem Artikel aufgezeigt werden, wie überaus befriedigend ein Studium der Japanalogie doch sein kann. Angenommen man liebäugelt als Schüler oder auch als studentischer Fachwechsler damit, sich mit Japan zu beschäftigen, zunächst einmal vorweg: Japanologie ist nicht gleich Japanologie. Wer sich diesbezüglich einmal eingehender mit dem deutschen Universitätsangebot befasst, wird feststellen, dass der Studiengang Japanologie zwar an einigen Universitäten angeboten wird, allerdings mit sehr unterschiedlichen Fokussierungen. Da es in der Natur der Sache liegt, dass jede/r Professor/in seine/ihre Spezialgebiete besitzt und natürlich jede Universität nur eine begrenzte Anzahl an Lehrstühlen aufweist, ist konsequenterweise davon auszugehen, dass nicht jede Uni alle Bereiche eines Faches abzudecken vermag. Ergo, ist der Wunsch nach einem japanologischen Studium geweckt, gilt es zu überprüfen, welches Studienortsangebot den eigenen Vorstellungen am Nächsten kommt. Natürlich müssen hier auch die Lokalität beziehungsweise die finanziellen Aspekte jedes einzelnen berücksichtigt werden. Aber am Besten, wir fangen ganz am Anfang an. Wie kommt man darauf, ein Japanologiestudium anzutreten? Indem man sich für Japan interessiert. Hierbei ist zunächst einmal vollkommen unabhängig, ob dieses Interesse durch Manga und/oder Anime hervorgerufen wird, ob man sich für japanische Geschichte oder Religion begeistert oder ein Faible für technologische Errungenschaften wie beispielsweise japanische Roboter besitzt. Wichtig ist lediglich allen Aspekten des Landes aufgeschlossen gegenüberzutreten und das grundsätzliche Bestreben, seinen Horizont zu erweitern. Man sollte sich vor der Entscheidung für ein Japanologiestudium ernsthaft fragen, ob man bereit ist, sich intensiver mit vielen verschiedenen Spektren der japanischen Kultur genauer auseinanderzusetzen oder aber, ob man lediglich an einigen einzelnen Produkten, welche diese hervorgebracht hat, seine Freude findet. Gesetzt den Fall, man hat sich immatrikuliert, also erfolgreich an der Universität eingeschrieben, hat nun all die Jahre der Mühe und Anstrengung hinter sich gebracht und seinen Bachelor beziehungsweise Master in der Tasche, wie geht es dann weiter? Primär gilt, man kann sich bei jeder Firma bewerben, welche eine japanische Abteilung besitzt oder Kontakte mit Japan unterhält. Das zu wählende Nebenfach sollte hierbei die Wahl des Berufsweges unter24 Goethe D‘A r T 2010 von Philipp Otschonovsky stützen. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass es sicher Japanologenstudierende gibt, deren familiäres / gesellschaftliches Umfeld der Meinung ist, dass man sich mit solch einem Studium auf geradezu traumhafte Weise für die Arbeitslosigkeit qualifiziere. Dies beruht jedoch auf keinerlei Datenbasis durch Umfragen unter Absolventen des Faches und muss daher zurückgewiesen werden. Auch wenn der weltweite „Bedarf “ an Japanologen natürlich geringer ist als der an Jura- oder BWL-Studierenden sollten doch mindestens zwei Dinge nicht außer Acht gelassen werden: Zum einen die Tatsache, dass die Anzahl der Studierenden, die sich für eben jene Studiengänge mit konkretem Berufsbild entscheiden, wesentlich höher ist als die der Personen, die ein Japanologiestudium aufnehmen. Der Konkurrenzdruck ist somit ebenfalls viel höher. Zum anderen, dass die Wahl des Faches noch niemandem einen Arbeitsplatz gesichert hat. Ohne entsprechende Qualifikationen und Begeisterung für ihren Arbeitsbereich, ohne die Fähigkeit, sich aus der Masse abzuheben, werden auch diese Studierenden nicht zwingend eine Arbeit finden. An dieser Stelle soll noch einmal aufgezeigt werden, in welchen Branchen und Funktionen Japanologen tätig werden können: Wenden wir uns dem Alltag eines Studenten der Japanologie zu. Stress! Es liegt in der Natur des Studiums und des Erlernens einer Sprache, dass sämtliches Wissen permanent abrufbar sein und daher wiederholt werden sollte. Man muss also stets auf der Hut vor der so genannten „Schüler-Bulimie“ sein. Das heißt, während der Schulzeit mag es theoretisch noch möglich sein, Lernstoff lediglich für eine Prüfung zu pauken und ihn anschließend wieder zu vergessen. Als Student endet dies katastrophal, eine Tatsache, die selbstverständlich für jeden Studiengang gilt. Insbesondere beim Sprachstudium muss bedacht werden, dass die Sprache selbst stets nur als „Werkzeug“ fungiert. Ohne brauchbares „Werkzeug“ ist es folglich schwierig, inhaltlich zu arbeiten, sich mit dem „Werkstoff “ auseinanderzusetzen. Hat man nun diese gesunde Lerneinstellung, kann es losgehen. Das erste Semester beginnt mit den folgenden Inhalten: Perspektiven Der„Keroppi-Schrein“ in einem Büro der Frankfurter Japanologie. 1. Grammatikalische Erscheinungen 2. Vokabeln 3. kanji (chinesische Schriftzeichen, welche im Japanischen verwendet werden) 4. Fakten bezüglich Kultur, Landeskunde und Geschichte 5. Ab dem dritten Fachsemester: Fachkenntnisse in zwei von vier Wahlpflichtbereichen der Japanologie Frankfurt (1. Literatur- und Kultur Japans, 2. Japanische Kultur- und Ideengeschichte, 3. Japanische Wirtschaft, 4. Japanisches Recht, zu wählen ab dem 3. Fachsemester) Jede Woche erwarten Studenten Spiel, Spaß und Spannung in Form von grammatikalischen Phänomenen und Vokabeln. Insbesondere gibt es vom japanischen Kultusministerium noch 1945 kanji frei Haus, welche neben dem Grundwissen eines japanischen Abiturienten zu beherrschen sind. Man möchte schließlich mit seinen japanischen Freunden so schnell wie möglich auf Japanisch kommunizieren. Referaten beschäftigt. Aber Moment, da man ja Japanologie und nicht Japanisch studiert, bedarf es natürlich ferner der Auseinandersetzung mit Jahreszahlen, Ereignissen, kulturellen Phänomenen und Studien in den fachlichen Schwerpunkten. Hat man sich nun noch beispielsweise für Sinologie als Nebenfach entschieden, darf der monatliche Nervenzusammenbruch beruhigt präventiv im Kalender markiert werden. Ich selbst befinde mich erst im zweiten Semester und wende daher die meisten meiner Anstrengungen für den Sprachkurs auf. In fortgeschrittenen Fachsemestern nimmt die Zahl der Sprachkurse ab, dafür kommen inhaltliche Module hinzu. Das heißt, jetzt muss die Sprache als Werkzeug genutzt werden. Denn, wie bereits oben erwähnt, vermittelt das Fach „Japanologie“ ein größeres Spektrum an Wissen als nur „Japanisch“. (mori – der Wald ) Ferner bieten die Dozentinnen und Dozenten diverse Arbeitsgruppen an. So gibt es unter anderem die „Cool-Japan“-AG, die sich mit dem Phänomen der japanischen Populärkultur weltweit beschäftigt, den Arbeitskreis „Delicious Japan“ über japanische Esskultur, „Ku-Ma“ Kulturmanagement Japanologisch, die „J-Bungaku AG“ zur zeitgenössischen japanischen Literatur und den Arbeitskreis japanisches Theater. Neben dem Erwerb der Sprache ist man auch mit Prüfungsvorbereitungen, wöchentlichen Leistungsnachweisen und Abschließend noch einige Anregungen, die bei der Überlegung helfen könnten, ob man für das Studium der Japanologie geeignet ist: Um die Ästhetik der japanischen Schrift (eigentlich chinesische Schriftzeichen) aufzuzeigen, hier ein Beispiel: (ki – der Baum) (hayashi – das Wäldchen) Ein Studium ist sinnvoll, wenn man… - ein tiefgehendes Interesse bezüglich der japanischen Kultur zu stillen hat Von einem Studium sollte man absehen, wenn man… - es als Nebenfach anpeilt und sich nicht im Klaren darüber ist, dass selbst der Spracherwerb alleine, also ohne fundierte Landeskenntnisse zu lernen, sehr zeitaufwendig ist - viel Ausdauer, Fleiß, Belastbarkeit besitzt - gutes sprachliches Talent besitzt - bereit ist, jeden Morgen sofort nach dem Aufstehen diverse Kanji-Trainingsübungen zu absolvieren - Anime, Manga und J-Pop für das einzige Charakteristikum Japans hält und das Fach nicht als ernsthafte, wissenschaftliche Forschung betrachtet - Angst hat, abends nicht mehr einschlafen zu können, weil einem eine Kanji-Lesung entfallen ist Goethe D‘A r T 2010 25 Perspektiven „Freeter“ und „Generation Praktikum“ – ein Vergleich P von Michael Schedelik raktika, Soft Skills, Credit Points, Module – all das begegnet einem Bachelorstudenten ständig. International und praxisnah soll das Studium sein; vor allem Praktika weden jedem angehenden Absolventen nahegelegt, wenn er nicht im harten Überlebenskampf der Wirtschaft untergehen möchte. Eines ist sowieso obligatorisch, jedoch wird den Studierenden bei jeder Gelegenheit empfohlen, auch in den Ferien noch mindestens ein oder doch besser zwei weitere zu absolvieren. Die Furcht, dass sich am Ende der ganze Aufwand (ganz zu schweigen vom Studium an sich) dennoch nicht lohnt und man keine geeignete Anstellung findet, schwebt wie ein Damoklesschwert über den Studenten und wird bei jeder Nachricht über Finanz- und Wirtschaftskrisen, Arbeitslosenzahlen und gekürzten Sozialleistungen weiter genährt. ten Arbeitsmarktbedingungen viele zu einem „Freeter“- Lebensstil gezwungen werden. „Generation Praktikum“ – so werden 20- bis 30-jährige junge Akademiker bezeichnet, die nach ihrem Abschluss nicht sofort eine reguläre Beschäftigung finden und diese Zeit mit verschiedenen Praktika überbrücken müssen. Hier lassen sich eindeutige Parallelen zu der deutschen „Generation Praktikum“ erkennen: die erschwerten Arbeitsmarktbedingungen und der durchgreifende Strukturwandel der Beschäftigungsverhältnisse sind Auslöser für eine tiefe emotionale Prägung der jungen Berufseinsteiger und Akademiker. Was heißt das nun für die derzeitigen Studenten? Welche Schlüsse lassen sich aus diesem Vergleich ziehen? Praxisnähe – ein wesentlicher Aspekt der Bolognareform – fehle den Absolventen; um diese nachzuholen und ihren „Marktwert“ zu steigern bzw. keine Lücken im Lebenslauf entstehen zu lassen, werden vielfach schlechte Arbeitsbedingungen und Bezahlungen in Kauf genommen. Die Angst vor der beruflichen Zukunft und fehlende Planungssicherheit sind dabei allgegenwärtig. Je länger der Zustand der nicht-regulären Beschäftigung andauert, desto mehr rücken der Anspruch auf berufliche Selbstentfaltung und angenehme Arbeitsbedingungen in den Hintergrund und einzig die materielle Sicherheit wird als Kriterium für die Berufswahl herangezogen. Ein vergleichbares Phänomen lässt sich in Japan feststellen, wo ähnliche sozioökonomische Bedingungen herrschen – langanhaltende wirtschaftliche Rezession nach den 1990ern; grundlegender Wertewandel von bürgerlich-autoritären zu individualistisch-modernen Wertvorstellungen seit den 1960er Jahren; Strukturwandel des Beschäftigungssystems mit stark gestiegenen nicht-regulären Beschäftigungsverhältnissen im Zuge neo-liberaler Reformpolitik. „Freeter“ – steht für „furî arubaitâ“ und leitet sich von dem englischen Wort „free“ und dem deutschen Wort „Arbeit“ ab. Der Begriff kam Ende der 1980er Jahre auf und bezeichnete zuerst eine eigenständige Randgruppe jugendlicher Berufseinsteiger, welche die lebenslangen Beschäftigungsverhältnisse und die damit einhergehenden engen Verbindungen mit der Firma ablehnten, um stattdessen ihre individuelle Freiheit ausleben zu können. Dies taten sie, indem sie nur Teilzeitbzw. Aushilfsjobs annahmen und mit weitgehend flexiblen Arbeitszeiten ihren Alltag selbständig bestritten. Der Begriff war bald negativ geprägt und stigmatisierte die „Freeter“ als „parasaito“ (Parasiten), die nur ihrem egoistischen Vergnügen nachgehen und somit eine Gefahr für den wirtschaftlichen Erfolg Japans darstellen. Mit der Zeit wurde jedoch immer deutlicher, dass durch die veränder26 Goethe D‘A r T 2010 Man unterscheidet also zwei Arten von Freetern: Zum einen solche, die freiwillig in nicht-regulären Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind, um ihre Freizeit flexibel und eigenständig gestalten zu können. Sie tun dies entweder aus Mangel an Perspektiven, bzw. wegen schlechter Erfahrungen im bisherigen Berufsleben, oder als Überbrückungsphase, um einen Berufswunsch erfüllen zu können (z.B. Musiker). Im Unterschied dazu gibt es jene, die durch äußere Umstände dazu gezwungen werden, ein Dasein als „Freeter“ zu fristen, und dieses, durch unzureichende Planungssicherheit, als äußerste Belastung empfinden. Abgesehen davon, dass die japanischen Jugendlichen mit ähnlichen Problemen bzw. Herausforderungen wie ihre deutschen Altersgenossen zu kämpfen haben, kann man doch einige entscheidende Unterschiede identifizieren. Ein interessanter und wesentlicher Aspekt ist zum Beispiel, dass sich ein Teil der betroffenen „Freeter“Generation aus freien Stücken für die beschriebene berufliche Situation, welche auf viele andere so traumatisierend wirkt, entscheidet, um sich mit der dadurch gewonnen Freizeit einen Lebens- oder Berufstraum zu erfüllen und sich damit selbst zu verwirklichen. Diese Phase wird also bewusst als Überbrückungszeit angesehen und dient somit eher als Chance denn als Hindernis. Meiner Meinung nach können wir der Einstellung dieser jungen Menschen einiges abgewinnen, denn sie stellen sich mir als wahrlich selbstbestimmte Individuen dar, die ihren Lebensweg frei wählen und sich durch vorgegebene gesellschaftliche Strukturen nicht dahingehend beeinflussen lassen, dass sie ihren eigenen Traum aufgrund von Konventionen und Zwängen opfern. Selbstverwirklichung und ein erfülltes Leben lassen sich nicht gleichsetzten mit wirtschaftlichem Erfolg – dies sollte man sich immer wieder vor Augen führen. Wieso also haben wir dann soviel Angst vor der Zukunft? Wegen mangelnder Planungssicherheit? Fehlender Absicherung? – Was lässt sich schon wirklich glaubwürdig absichern? Ganz gewiss nicht die Zukunft! Man sollte stattdessen den Blick für wesentlichere Dinge wiedergewinnen, z.B. für seine Mitmenschen, die Natur, Ideen oder eben - Träume. Literatur: Carola Hommerich (2008): “Freeter” und “Generation Praktikum”-Arbeitswerte im Wandel? Ein deutsch-japanischer Vergleich. München: Iudicum „yuru-kyara“ – Der Boom regionaler Maskottchen in Japan von Christiane Rühle D as Jahr 2008 kennzeichnet den Höhepunkt des Aufkommens regionaler Maskottchen in Japan. Diese Maskottchen, in Japan als „Character“1 bezeichnet, sind lokal unterschiedlich gestaltet. Sie beinhalten jeweils Elemente, die auf regionale Eigenheiten hinweisen, damit so beim Betrachter unweigerlich eine Assoziation mit dem jeweiligen Ort bzw. der jeweiligen Region oder Institution hervorgerufen wird. Sie kommen in Bereichen zum Einsatz, in denen es darum geht, durch ihr bloßes Auftreten in der Öffentlichkeit ein ansprechender Repräsentant einer Region oder Institution zu sein. Regionale Touristenattraktionen, Feuerwehr- und Polizeistationen und lokale Behörden benutzen die ein breites Publikum ansprechenden niedlichen Sympathieträger für ihre jeweiligen Zwecke. Dieser Artikel soll mithilfe einiger Beispiele einen kurzen Einblick in die stetig wachsende Sparte des Character-Business geben, das in Japan inzwischen sowohl aus werbedesigntechnischer als auch aus soziokultureller Sicht einen festen Stellenwert einnimmt. Das Geschäft mit dem „leichten“ Character Zwar existiert der vom japanischen Illustrator Miura Jun2 geprägte Begriff der yuru-kyara schon seit Beginn des neuen Jahrtausends, doch war es das Jahr 2008, in dem diese, durch ihre Einfachheit im Design bestechenden Character-Kreationen, vermehrte Aufmerksamkeit durch die japanischen Medien genossen. Das Wort „kyara“ steht als Kurzform für das englische Wort „character“ während „yuru“ vom japanischen Wort „yurui“ kommt, was soviel wie locker, schwach oder leicht bedeutet. In diesem Kontext haftet dem yurui-Begriff eine etwas negative Konnotation an, im Sinne von unseriös und unfertig, da diese Maskottchen, häufig von Amateuren, aber auch von professionellen Designern entworfen, trotz ihrer unterschiedlichen Erscheinungsformen immer auf einem gemeinsamen Nenner gebracht werden können: Ihre Konzeption und Produktion darf aufgrund der oft leeren Kassen der Landesbehörden nur wenig kosten. Dagegen sind die Einnahmen durch den Verkauf von Merchandising-Artikeln zu den „leichten“ Maskottchen häufig beträchtlich. So wurde mit dem Maskottchen „Hikonyan“3 der Burg Hikone in der Präfektur Shiga, einer überdimensionalen mit Samuraihelm und Schwert ausgestatteten Katze, alleine seit ihrer Entstehung 2007 umgerechnet über 12 Millionen Euro Umsatz gemacht. zen etwa 84% der japanischen Bevölkerung in irgendeiner Form Character Goods. Die Palette reicht von Handyanhängern mit den Lieblingsfiguren aus einem Zeichentrickfilm über Bleistifte, auf denen eine mit einem niedlichen Gesicht versehene Zahl das Einmaleins zeigt bis hin zu Hello-Kitty Notizzetteln. Es erscheint daher nur konsequent, dass nun auch regionale Institutionen von dieser Entwicklung profitieren wollen. Ein anderes Beispiel ist die kleine, südwestlich von Hiroshima gelegene Insel Miyajima, die für ihre momiji manjû, ein mit süßer roter Bohnenpaste oder sahniger Creme gefülltes Gebäck in Ahornblattform bekannt ist. Natürlich gibt es auch dazu unzählige Character Goods (siehe Foto). Von der bizarren Mooskugel mit dem gewissen Etwas Als einer der kuriosesten und auch national einen hohen Bekanntheitsgrad genießenden regionalen Character kann wohl „Marimokkori“, ein Maskottchen der auf der nördlichen Hauptinsel Hokkaidô gelegenen Ortschaft Akan, gezählt werden. „Marimo“ ist der Name einer Algenart mit rundlicher Form. Besonders häufig treten die Mooskugeln im Akan-See auf. „Mokkori“ dagegen bezeichnet umgangssprachlich eine Erektion. Was nun bei der Kombination dieser beiden Elemente herauskommt, kann man auf dem Foto sehen: ein zwar sehr skurriler, jedoch definitiv im Gedächtnis bleibender Character. Weiterführende Quellen zum Thema 1 jap. kyarakutâ: Der Ausdruck leitet sich vom englischen Wort „character“ ab. Es ist ein feststehender Begriff im Bereich des „Character Business“ und wird daher auch im deutschen Sprachraum als solcher benutzt, anstelle des deutschen Begriffs „Charakter“. Unter dem Begriff Character werden in diesem Fall meist fiktive Figuren betitelt, die entweder in Form von Maskottchen oder Markenfiguren mit Symbolgehalt für Firmen, Produkte oder sonstige Institutionen zu Werbezwecken eingesetzt werden. 21958 (Kyôto) 3Das Profil von Hikonyan, inklusive der Hobbies und genauen Tätigkeitsbeschreibungen, kann unter folgendem Link abgerufen werden (in Japanisch): http://hikonyan.hikone-150th.jp/profile/ Studie besagt, dass mehr als 80% „Character Goods“4 besitzen 4jap. kyarakutâ guzzu: Eine sich im Japanischen eingebürgerte, eigentlich falsche englische Bezeichnung für Produkte, die mit Charactern versehen sind oder einen solchen darstellen. Die korrekte Bezeichnung würde „character products“ lauten. Einer Studie des Bandai Character Laboratory5, einer Forschungsabteilung des japanischen Spielzeugherstellers Bandai, zufolge, besit- 5jap. kyara-ken. Die offizielle Homepage ist unter folgendem Link zu erreichen (in Japanisch): http://www.charaken.com/. Goethe D‘A r T 2010 27 © Christina Plaka / Tokyopop Manga aus Deutschland von Maike Schmidt die japanischen Comics, erscheinen in Deutschland M anga, seit 1982. Wirklich bekannt waren sie damals aber noch nicht. Erst 1997, mit dem Erscheinen von „Sailor Moon“ (jap.: bishôjo senshi sêrâ mûn) von Takeuchi Naoko und „Dragon Ball“ (jap.: doragon bôru) von Toriyama Akira gelingt den manga der Durchbruch. Seitdem werden die „Comics im Taschenbuchformat“ von Millionen Deutschen gelesen, davon sind mehr als die Hälfte junge Mädchen. Bevor die manga nach Deutschland kamen, hatten Comics hauptsächlich männliche Leser. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass z.B. Comics aus den USA vor allem Abenteuer-, Superhelden- oder „Funny“-Thematiken behandeln, die vielleicht eher bei Jungen auf Interesse stoßen. Mit den manga kam dagegen eine Literaturgattung auf den deutschen Markt, die sich in ihrer Themenwahl und Gestaltung auch gezielt an weibliche Leser richtet, nämlich die so genannten shôjo-, also Mädchenmanga, worunter natürlich auch romantische Erzählungen mit „hübschen Jungs“, den so genannten bishônen, fallen. Für viele der deutschen manga-Fans bleibt es nicht nur beim Lesen. Sie greifen selbst zu Stift und Papier, und bewerben sich mit ihren eigenen Projekten bei deutschen Verlagen. Bereits im Jahr 2000, also drei Jahre nach dem Erfolg von „Sailor Moon“ und „Dragon Ball“, erscheint der erste „deutsche manga“: Bloody Circus, von Jürgen Seebeck. Darin werden drei Geschichten erzählt, die auf Sagen oder literarischen 28 Goethe D‘A r T 2010 Vorlagen basieren und diese mit Elementen aus SF, Horror und Fantasy vermischen. Auf Jürgen Seebeck folgt 2001 Robert Labs’ „Dragic Master“, in dem ein Schüler zum Helden eines Bürgerkriegs auf einem fremden Planeten avanciert. Im Jahr 2002 hat dann auch die erste weibliche manga-Zeichnerin Deutschlands ihr Debüt: Christina Plaka, mit „Prussian Blue“. Die Zeichnerin arbeitet auch bis heute erfolgreich an der Fortsetzung ihres Debütwerkes, welche den Titel „Yonen Buzz“ trägt. Manga-Zeichner werden übrigens in Japan, und mittlerweile auch in Deutschland, mangaka genannt. Viele deutsche Verlage haben ihr Programm den manga angepasst und bieten immer mehr der japanischen Comics an. Aber auch die Zeichner aus Deutschland werden zunehmend unterstützt. Bei meinen Recherchen konnte ich weit über 100 inländische Zeichner ausfindig machen, die aktiv bei einem Verlag tätig sind oder bereits etwas veröffentlicht haben. Der „Andrang“ bei den Verlagen ist sogar so groß, dass 2007 bei Carlsen Comics auf jeden veröffentlichten manga eines deutschen Zeichners knapp hundert Bewerbungen abgelehnt werden mussten. Verkauft werden von den „deutschen manga“ je nach Serie zwischen 8.000 und 30.000 Exemplare pro Band. „Deutsche manga“ müssen sich also nicht hinter ihren japanischen Vorbildern verstecken. Und ein vielleicht interessantes Detail: Die meisten deutschen mangaka sind junge Frauen! Einige Werke deutscher mangaka, darunter Christina Plaka oder Judith Park, haben auch im Ausland Erfolg. Im Gegensatz zu ihren japanischen Kollegen sind deutsche Mangazeichner auf Signierstunden, Fan-Treffen und im Netz wesentlich präsenter und erzählen vermehrt Geschichten, die in der deutschen Alltagsrealität ihrer Leser angesiedelt sind. Vor allem aber wirken sie als greifbares Vorbild, denn bislang war jeder deutsche mangaka auch selbst einmal Fan, und damit einer unter Millionen anderer manga-Begeisterten in Deutschland. Gespräch mit einer deutschen mangaka Christina Plaka war die erste weibliche mangaka Deutschlands. Bei dem vom Carlsen Verlag (einer DER großen Verlage, die manga aus Japan und Deutschland herausgeben) ins Leben gerufenen Wettbewerb „Manga-Talente 2002“ belegte sie den 1. Platz, und wurde im Alter von 18 Jahren unter Vertrag genommen. Ihr Debütwerk „Prussian Blue“ wurde als fester Bestandteil in das gerade neu entwickelte anthologische Fan-Magazin „Daisuki“ aufgenommen, in dem es fortan erschien. Mittlerweile hat die deutsche Zeichnerin bereits fünf mangaSammelbände herausgebracht. In einem Interview erzählte mir die heute 26-jährige Zeichnerin, was sie an manga fasziniert. Den ersten Kontakt mit dem fremden Stil hatte die Christina Plaka nicht auf dem Papier, sondern über das Fernsehen. Mit 11 Jahren erlebte sie erstmals einen japanischen anime (Zeichentrick, von engl. „animation“) im deutschen Programm, und war sofort von der Exotik des fremden Stils und des Schauplatzes angetan. Dieser erste Kontakt war „Mila Superstar“ (jap.: atakku No. 1), ein Sport-anime um ein junges Volleyball-Team, der auch Aspekte der japanischen Kultur, Schule, Gesellschaft und – was sie als besonders wichtig betont – der Sprache in sich vereinte. Durch diesen ersten, zaghaften Kontakt mit der Sprache, z. B. über die Namen der Figuren, erwachte in ihr auch der Wunsch, sich näher mit Japanisch zu befassen. So versuchte sie nicht nur, den Stil zu adaptieren, sondern sich auch selbst Japanisch beizubringen. Heute ist Christina Plaka, neben ihrer Tätigkeit als mangaka, Studentin der Japanologie. Abgesehen vom Element der Exotik kommt die Zeichnerin auch auf die stilistischen Besonderheiten von manga zu sprechen. Die japanischen Comics haben ihren ganz eigenen Stil und unterscheiden sich auch in der Erzähltechnik von z.B. US-Comics. Sie sind detailliert und abstrakt, der Zeichenstil ist simpel, aber gerade deswegen ansprechend – wenige Striche, großer Effekt! Detaillierte Hintergrundgestaltung spielt in den japanischen Comics eine eher untergeordnete Rolle. Die Seiten sind schwarz-weiß gehalten und werden zur Schattierung oder der Erzeugung von Textur mit Rasterfolie bearbeitet. Manga benutzen verschiedene Elemente der Bildsprache: Unglaublich dumme Momente werden durch das „Umfallen“ einzelner Figuren als Reaktion auf die Dummheit dargestellt („Beine in die Höhe“), für Situationen der Komik werden Figuren gerne „verkindlicht“ und sind plötzlich nur noch halb so groß, es gibt „Emotionstropfen“ (Schweißtropfen) als Reaktion auf peinliche Situationen und vieles mehr. Mangaka arbeiten mit verschiedenen Perspektiven und visuellen Effekten; einzelne Handlungsabläufe erstrecken sich über mehrere Seiten, für die ein US-Comic nur eine einzelne Seite genutzt hätte. Das Einsetzen solcher so genannter „cinematic techniques“ führt zu kamera-ähnlichen Effekten, wie man sie aus Filmen kennt. Im Vergleich zu den US-Comic-Zeichnern arbeiten mangaka mit weniger Text, dafür aber mehr und oft auch größeren Bildern, verteilt auf mehrere hundert Seiten pro Band. Doch abgesehen von dem Stil mag Christina Plaka besonders das „sympathische Auftreten“ und die „Menschlichkeit“ der Figuren, den Tiefgang der Geschichten und das Serienformat (z.B. „Dragonball“ und „Sailormoon“ erschienen in 42 bzw. 18 Sammelbänden). Obwohl sich die Zeichnerin seit ihrer Grundschulzeit auch für US-Comics begeisterte, lag deren Nachteil doch eindeutig in der Tatsache, dass die abgebildeten Figuren – meist Superhelden der „Marvel“-Comics – keine glaubhaften, da keine menschlichen, Schwächen hatten. Die Stärke der Figuren in manga besteht darin, dass sie eine Entwicklung durchmachen, sich Alltagsproblemen und Herausforderungen stellen, an ihren Schwächen wachsen und aus ihren Fehlern lernen. Dieses Konzept hat sie auch in ihre eigenen manga übernommen. In „Prussian Blue“ geht es um eine Musikband, die sich ihren Weg von einer Underground-Band bis zum Plattenvertrag hocharbeitet, und dabei allerlei Höhen und Tiefen überstehen muss. Die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Charaktere, darunter die dominante und zielstrebige Saiyuri, der ruhige und fast verschlossene Jun, der lebendige und spontane Keigo und der geheimnisvolle und coole Atsushi, beschwören in der Musiker-WG allerlei Komplikationen und Meinungsverschiedenheiten herauf. Einfacher wird es auch nicht, als sich die Bandmitglieder Jun und Saiyuri ineinander verlieben… Falls ihr jetzt Lust bekommen habt, selbst einmal in einen deutschen manga reinzuschnuppern, dürften euch die folgenden Links bei der ersten Orientierung helfen. Kleine Auswahl deutscher mangaka und ihrer Homepages: Buschova, Lenka: http://nekoli.myblog.de/ („Freaky Angel“) DuO: http://www.manga-sushi.net/ („Mon-Star Attack“, „Indépendent“) Garden, Zofia: http://myblog.de/zofia („Im Namen des Sohnes“, „Killing Iago“) Hage, Anike: http://www.snow-flake.jp.pn/ („Gothic Sports“, „Die Wolke“) Jeltsch, Rebecca: http://rebecca-jeltsch.weebly.com/ („A Demon’s Kiss“) Park, Judith: http://www.judithpark.com/ („Dystopia“, „Y-Square“, „Y-Square Plus“, „Ravine“, „Luxus“, „Kimchi“) Rogalski, Olga: http://freenet-homepage.de/angelwing/ („Strike Back“, „Triple Witching Hour“, „Tränen eines Engels“) Sann, Marie: http://www.marie-sann.de/ („Sketchbook Berlin“, „Krähen“) Sindram, Fahr: http://fahrlight.free.fr/ („Losing Neverland“) Völker, Alexandra: http://www.xela-city.de/ („Catwalk“, „Make A Date“, „Paris“) Werner, Nina: http://www.koibito.de/ („Jibun-Jishin“) Wormsbecher, Natalie: http://www.menolly.de/ („Summer Rain“, „Dämonenjunge Lain“, „Life Tree’s Guardian“) ... und natürlich Christina Plaka mit „Prussian Blue“ und „Yonen Buzz“, zu finden auf der Homepage des Tokyopop Verlag:http://www.tokyopop.de/buecher/manga/yonen_buzz /autor.php Goethe D‘A r T 2010 29 Cos 30 Goethe D‘A r T 2010 play Fotos von: JIRÉ GÖZEN PHOTOGRAPHY STREET AND EVENT PHOTOGRAPHER – GERMANY AND JAPAN M.A. in Theater-, Film- & Media Studies from Goethe University, Frankfurt. Dissertation in Media Studies in Frankfurt, Düsseldorf and Tokyo. Exhibitions in Berlin, Frankfurt, Köln, Istanbul, Tokyo and Vienna. Email: [email protected] http://www.nachtkatze.de Goethe D‘A r T 2010 31 Japan im Pen und Paper Role Playing Game Shadowrun von Kyra Jäger W ir befinden uns im Jahr 2070. Die japanische Bevölkerung ist mit Cyber- und Biowareimplantaten ausgestattet, man kommuniziert via Matrix. Das Tagesgeschäft dreht sich um Waffen, es geht um dein Schicksal, das nur deinen Erfolg oder deine Niederlage kennt. Die Welt ist dunkel und trist trotz der farbenprächtigen menschlichen und nichtmenschlichen Völker und Kulturen, denn riesige Konzerne bestimmen den Verlauf der Dinge, und deine Aufgabe ist es, den Spieß umzudrehen, und zwar mittels eines Auftrags, eines Run. Dies ist die Welt von Shadowrun, einem von vielen „Pen and Paper“ - Rollenspielsystemen, bei denen es im Allgemeinen darum geht, mit einem selbst erfundenen Charakter – Avatar – in der jeweiligen Spielwelt zu agieren, die durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Organisationen und Gruppen sowie einem hohen technologischen Standard sehr komplex ausgestattet und nur schwer zu überschauen ist. Gespielt wird mit Stift, Papier und viel Einfühlungsvermögen. Es gibt Regelwerke, welche die Funktionen der vielschichtigen Institutionen erklären, Möglichkeiten zur Charaktererstellung aufzeigen und manchmal auch vorgefertigte Abenteuer beinhalten, welche die Spieler nachspielen können. Die Geschichte, in der sich die erfundenen Charaktere behaupten müssen, wird von einem Spielleiter erzählt. Der Phantasie der Spieler bleibt es überlassen, wie ihre Charaktere auf die ihnen auferlegten Aufgaben reagieren und zu welchen Handlungen sie sich entschließen. Wenn Spieler und Spielleiter erfolgreich interagieren, ist das Spiel für mich persönlich immer wie eine Mischung aus Geschichten schreiben und Schauspielern, alle Teilnehmer sind dann sehr konzentriert und man kann sich umso besser in seine Figur und die Spielwelt, wie auch in das im Spiel entworfene Japan, hineindenken und einfühlen. Einen Eindruck, wie gewalt(tät)ig und mächtig dieses Japan in Shadowrun dargestellt wird, soll ein Auszug aus der englischen Version (Eigenübersetzung, gekürzt) der 4. Edition des Regelwerks aufzeigen. „2005 erklärte Südkorea (gestärkt durch japanische Geschäftsinteressen) Nordkorea den Krieg. Und was tat Nordkorea? Im Jahr 2006 startete es den fruchtlosen Versuch, Japan mit Raketen zu beschießen, um die Japaner davon abzubringen, Südkorea weiter zu unterstützen. Doch die Sprengsätze detonierten nicht, und Nordkorea wurde bis zum Ende des Jahres überrannt. Zu diesem Zeitpunkt benannte sich Japan selbst in den „Japanischen Imperialen Staat“ (JIP) um – offensichtlich die glorreichen Tage vor dem Zweiten Weltkrieg in Erinnerung rufend… Aber das ist nicht alles. Der JIP stellte daraufhin den ersten einer ganzen Flotte von solarbetriebenen Satellitenkollektoren auf, um Mikrowellenenergie an die Rezeptoren auf der Erdoberfläche auszustrahlen. Diese relativ billige Methode, um Energie in isolierte Gebiete zu verteilen, erlaubte es Japan, eine virtuelle Übernahme der Dritten Welt in Gang zu setzen. Danach kehrte es als Militärmacht zurück, und übte seine Macht an den Leuten aus den Philippinen und aus San Francisco aus.“ Dieses martialische Japan beherrscht jedoch nicht nur als Militärmacht weite Teile der Shadowrun-Weltpolitik, sondern ist auch eine gnadenlos unbarmherzig agierende Wirtschaftsmacht. Insgesamt fünfzig Prozent der internationalen Megakonzerne, die Fuchi, 32 Goethe D‘A r T 2010 Yamatetsu und Renraku, Mitsuhama Computer Technologies und Shiawase Corporation heißen, haben ihre Wurzeln in Japan. Die Währung in Shadowrun ist „Nuyen“ (New Yen ausgesprochen). Neben den meist nicht ganz legal agierenden Konzernen gibt es noch unzählige weitere kriminelle Elemente in Shadowrun, so z.B. die Organisation der Yakuza, die (laut Regelwerk) eine altehrwürdige kriminelle Organisation ist, die ihren Mitgliedern absolute Treue abverlangt und Vergehen harsch bestraft. Die Mitglieder haben meistens die japanische Staatsbürgerschaft, sind männlich, identifizieren sich stark über Tätowierungen und lassen manchmal den kleinen Finger an der Hand vermissen. Ihre Haupteinflussbereiche liegen in der Prostitution, im Glücksspiel, im Drogengeschäft und in der sokaiya, bei der Firmen unter Druck gesetzt werden um zu Krediten und Macht zu gelangen. Bei der eigenen Charaktererschaffung kann man auf viele „japanische“ Elemente zurückgreifen: Die Attribute des „Street Samurai“, der neben allerhand Erfahrung im Kampf und in der Zen-Meditation auch Kenntnisse der japanischen Sprache besitzt, ist hierfür ein Beispiel. Aber es gibt auch „Alltagsgegenstände“ mit (pseudo-)japanischem Flair zu erwerben und zu nutzen: Die Droge „Kamikaze“ birgt die Gefahr, dass der Konsument aus lauter Selbstüberschätzung nicht mehr auf seinen Körper achtet und stirbt. Katanas und Shuriken sind gebräuchliche Waffen, die man in jedem besser sortierten Waffengeschäft erstehen kann. Kurzum: Japan ist in Shadowrun überall vertreten und weiß seine Interessen durchzusetzen. Dabei geht es auch über Leichen. Das Spielprinzip, die Komplexität und die politisch-wirtschaftlichen bis hin zur Kriminalität motivierten Abenteuer richten sich an Erwachsene. Die Spielwelt soll gefährlich wirken, mancherorts verloren. Als (Anti)-Held schlägt man sich in dieser Dystopie durch und versucht so gut es geht, unbeschadet den Tag zu überstehen. Positive Einflüsse sind rar gesät. Obgleich auch konfliktreiche Attribute aus anderen Nationen in das Spielkonzept eingebettet sind, und auch andere Nationen durchaus eine Rolle spielen, ist gerade das im Spiel kolportierte Japanbild interessant. Zwar wurden alle Fakten über Japan zugunsten der Stimmigkeit des Spiels verändert, doch bleibt der eigentlich kritische Blick der Autoren an vielen Stellen unübersehbar und regt zum Nachdenken an. Wenn man sich länger mit dem realen Japan beschäftigt und Spielbeschreibungen mit ihm vergleicht, erkennt man zuweilen Pointen, Seitenhiebe und ab und an auch eine kleine Hommage an das düstere, aber dennoch überlegen coole „Setting“ Japan. Zuweilen ist man dazu geneigt, Parallelen zu dem Film Blade Runner zu ziehen, der im selben Jahrzehnt auf den Markt kam wie Shadowrun. Wer Lust hat, sich mit den größtenteils ausgedachten Tücken des (kriminellen) japanischen Alltags im wahrsten Sinne des Wortes herumzuschlagen, und bei den dargestellten Klischees ein Auge zudrücken kann, den erwartet eine phantasievolle Zukunftsvision, die gewiss mit einigen Ängsten westlicher Ökonomen aus der Zeit des japanischen Wirtschaftswunders Vieles gemeinsam hat. Ich frage mich nur, wann ein Pen and Paper Spiel mit China als einem der größten und jüngsten Wirtschaftsmagnaten herauskommen wird… Japanische Videospiele von Anja Catharina Junghenn E rinnerungen werden wach, wenn der Begriff „Pokémon“ fällt: Einige fühlen sich in ihre Kindheit zurückversetzt, in der sie selbst gemeinsam mit Freunden auf dem Gameboy – der euch sicherlich noch bekannten kleinen tragbaren Konsole der japanischen Firma Nintendo – die Pokémon-Spiele spielten. Andere wiederum erlebten als Erwachsene, wie ihre eigenen Kinder Liebhaber der knuddeligen Tiere wurden, und unterdrücken wohl heute noch einen Seufzer, wenn sie nur daran denken, wie viel Geld sie damals dafür ausgegeben haben. „Pokémon“ hat unser (wie auch immer geartetes) europäisches Denken über japanische Videospiele in großem Maße geprägt, schließlich gelang keiner anderen Spielwelt aus Japan ein derartiger Durchbruch, wie er „Pokémon“ beschert war. Doch unabhängig davon, ob wir nun etwas Positives oder Negatives damit verbinden, ist es für die meisten lediglich ein Spiel, ein Unterhaltungsmedium. Tatsächlich jedoch verbirgt sich hinter solchen Spielen meiner Ansicht nach oft mehr als nur der „Kinderkram“ aus alten Tagen, auf den sie oft reduziert werden. Viele, auch der neuen Spiele, bieten ein kulturelles Hintergrundwissen, welches man nur erfassen kann, wenn man sich genauer mit der Materie auseinandersetzt. Zu ihnen gehört auch das Pokémon-Spiel: Oberflächlich betrachtet ist Pokémon ein Fangspiel, bei dem es gilt, möglichst viele Pokémon zu sammeln und sie gegen die im Verlauf des Spiels immer stärker werdenden Gegner nach einem harten Training einzusetzen. Wirft man jedoch auch einen Blick auf die Kulisse des Spiels, entdeckt man in den Stadtbildern traditionelle japanische Tempelbauten und Schreine, deren Schutzpatrone mystische Pokémon sind, die im Spiel den Platz der Götter aus der japanischen Mythologie einnehmen. Besucht man die Pokémon-Friedhöfe, denen eine eigenartige spirituelle Atmosphäre innewohnt, und wo der gewohnte Frohsinn und die Leichtigkeit der Spielwelt verschwunden scheinen, stellt man fest, dass auch ernste Themen den Pokémon-Spielen nicht fremd sind. Noch tiefer in die japanische Kultur eintauchen kann man mit dem Spiel „The Legend of Zelda – Majora’s Mask“, das ebenfalls für Nintendo 64 entwickelt wurde. Wie der Titel bereits vermuten lässt, spielen Masken in diesem Spiel die Hauptrolle: So ist der eigentliche Gegner des Spiels eine von einem bösen Geist beseelte Maske. Auch sind Masken die Belohnung für erfolgreich absolvierte Rätsel. Dabei sind diese Abbildungen real existierender Masken und erfüllen zuweilen auch deren Funktionen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist die Fuchsmaske an den Fuchsgeist Kitsune (vgl. S. 15) aus der japanischen Mythologie angelehnt und die so genannten Verwandlungsmasken des Spiels erinnern an die Masken des traditionellen japanischen NôTheaters. Ebenso wie dem Theaterschauspieler erlauben sie dem Spieler von The Legend of Zelda die Rolle derjenigen Person zu übernehmen, deren Maske er aufsetzt. Schließlich gibt es nun auch japanische Videospiele, die sich nicht mit der eigenen Kultur sondern mit anderen Kulturkreisen befassen, wie zum Beispiel das Spiel „Tales of Symphonia“, erschienen für den Nintendo GameCube. In diesem Spiel trifft man auf unzählige Namen, die eigentlich aus der nordischen Sagenwelt stammen: Orte namens Asgard oder Niflheim, Waffen benannt nach mächtigen Drachen wie Fafnir oder Personen mit dem Nachnamen Yggdrasill – eigentlich der Name des mystischen Lebensbaumes – lassen keinen Zweifel daran, dass hier nicht nur ein seichtes Unterhaltungsmedium produziert wurde. Diese Beispiele sollen demonstrieren, dass es sich bei Videospielen nicht zwangsläufig um einen „lebenszeitfressenden Firlefanz“ handeln muss. Vielleicht greift ja der eine oder andere (wieder) zur Konsole um sich Japan auf eine unterhaltsame Weise zu nähern. Ähnliche Kulissen, wie traditionell gebaute Häuser, Schlösser und Tempel finden sich auch im Spiel „Mystical Ninja“ für Nintendo 64 wieder, bei dem der Name schon vermuten lässt, dass dieses Spiel nicht in der Moderne angesiedelt ist. Vielmehr bewegt man sich durch das alte Edo (früherer Name Tôkyôs) und das frühmoderne Japan, von der nördlichsten Insel Hokkaidô bis in den Südwesten nach Kyûshû, und erlebt dort mit der Spielfigur Goemon die aberwitzigsten Abenteuer. Ihr Name kommt nicht von ungefähr: Die Endung „-emon“ ist in dieser Epoche sehr häufig anzutreffen, wie etwa bei dem edozeitlichen japanischen Dramatiker namens Monzaemon Chikamatsu. Goethe D‘A r T 2010 33 Fotos: Regis Dudena, Ruy Filho und Daniel Sayuri Saito Migration 102 Jahre von Cecília Himmelseher Japaner in Brasilien A m 18. Juni 1908 kommt das Schiff Kasato Maru mit den ersten japanischen Familien im Hafen von Santos, Brasilien, an. Die meisten der 165 Passagiere sind Bauern aus den armen Landregionen Japans. Sie kommen mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft nach Brasilien. Diese Hoffnung ist nicht unberechtigt, denn in Brasilien boomt die Wirtschaft und es werden händeringend Landarbeiter für die Kaffeeernte in São Paulo gesucht. Da diese in nicht ausreichender Zahl im eigenen Land zu finden sind, vereinbart Brasilien mit Japan ein Migrationsabkommen, in dessen Verlauf tausende von japanischen Bauern bis in die 30er Jahre hinein nach Brasilien emigrieren. Sie werden freundlich aufgenommen und gelten als die „Soldaten des Glücks“ (Eintrag im Logbuch der Kasato Maru). Zu ihnen gehören die Großeltern meiner Freundin Cinthia Sayuri Saito (22). Sie waren noch Kinder und Jugendliche, als sie mit ihren Eltern nach Brasilien kamen. In Brasilien leben heute rund 1,5 Mio. Nikkeis, japanische Nachkommen. Die meisten (75 %) sind wie ihre Vorfahren im Bundesland São Paulo registriert, 40% davon in der Stadt São Paulo. Weitere 15 % leben im Süden Brasiliens, insbesondere im Bundesland 34 Goethe D‘A r T 2010 Paraná, und 10% in den anderen Bundesländern. Ich beschließe, Cinthia für einige Tage zu besuchen. Sie wohnt mit ihren Eltern in Rio de Janeiro, während der Großteil ihrer Verwandtschaft weiterhin in dem von Japanern geprägten Landesteil São Paulo beheimatet ist. „Obwohl wir bereits in der dritten Generation in Brasilien leben, fühlen wir uns unserer japanischen Herkunft innerlich sehr verbunden“, meint Cinthia. „In unserem Alltag spielt die japanische Kultur noch eine große Rolle, zum Beispiel essen wir ausschließlich den traditionellen japanischen Reis, der in Wasser gekocht wird und weder Salz noch andere Gewürze enthalten darf. Wenn jemand stirbt, schicken wir den Hinterbliebenen nicht, wie in Brasilien üblich, Blumen, sondern Geld. Denn wir denken, dass Geld der ‘Familie des Todes’ mehr hilft.“ Die Toten erhalten in den traditionell lebenden japanischen Familien auch unter den Lebenden ihren angestammten Platz. In vielen Haushalten der weitläufigen Familie Santos ist ein Schrein mit Fotos der verstorbenen Vorfahren aufgestellt, vor dem Früchte, Speisen, kleine Gläser mit Getränken und Blumen stehen. „Wir ehren unsere Vorfahren“, erklärt Cinthias Cousine Lise Cristina Matsumoto (41), „schließlich sind sie der Ursprung der Familie.“ Doch nicht jedes Familienmitglied teilt diese Ansicht. „In meiner Familie legen die Frauen mehr Wert auf ihre Herkunft und die Bewahrung japanischer Traditionen als die Männer“, sagt Cinthia, „zwei meiner Onkels haben Brasilianerinnen geheiratet und sich dadurch von einem traditionell japanischen Leben distanziert.“ Cinthias Cousin Bruno Eduardo Okano Saito (25) ist stolz, noch Japanisch zu können, denn selbst unter den traditionell lebenden Familienmitgliedern ist dies nicht unbedingt selbstverständlich. Seine Sprachkenntnisse beruhen auf dem engen Kontakt zu seiner Großmutter, die 1934 als 18-Jährige nach Brasilien emigrierte. Aber auch São Paulos berühmter japanischer Stadtteil Liberdade und zahlreiche japanische Festivals bieten Gelegenheit, die Sprache weiter zu pflegen. „Liberdade musst du unbedingt gesehen haben“, versichern mir Cinthia und ihr Cousin, „denn dort bekommst du alles angeboten, was es an Japanischem gibt.“ Kurzerhand beschließen wir eine Fahrt dorthin. Liberdade, São Paulo Liberdadade ist ein orientalischer Stadtteil im Herzen São Paulos. Ein Ort, wo sich der japanische Einfluss durch japanische Lampen, japanische Geschäftsschilder und entsprechend thematische Märkte bemerkbar macht. Dort werden traditionelle Kleidungen, zahlreiche elektronische Geräte japanischer Hersteller, orientalische Gewürze, Manga, Filme und Artikel japanischer Pop Kultur verkauft. Ich entdecke Behandlungshäuser, die Massage, Shiatsu und Naturelle-Therapie anbieten, orientalische Kampf-Kunst-Schulen, Karaokê-Bars, ein japanisches Theater und zahlreiche Musik-Häuser mit japanischer Musik. Angeboten werden Kurse in Origami, Volkstanz und japanischer Kalligraphie. Ich überlege mir, ob ich die Gelegenheit nutzen und mich in die Kunst der Teezeremonie einweisen lassen sollte. „Gut, dass du am 7. Juli noch hier bist“, reißt Cinthia mich aus meinen Gedanken, „dann können wir auf das Tanabata-Fest gehen. Am Tanabata Matsuri ist ordentlich was los in Liberdade. Jedes Jahr kommen zigtausend Leute, um ihre Wünsche auf einen Zettel zu schreiben und an einen Bambusbaum zu hängen.“ Das Tanabata-Fest erinnert an die Liebesgeschichte eines alten Ehepaares, das getrennt leben musste und sich nur einmal im Jahr in der Nacht des 7. Juli treffen konnte. Es heißt auch Sternen-Fest, da sich zeitgleich die beiden Sterne „Wega“ und „Altair“ am Himmel trafen. Da dieses Zusammentreffen kein reiner Zufall sein konnte, glauben die Leute bis heute, dass in dieser Nacht alle Wünsche in Erfüllung gehen. Ich nehme mir vor, auch einen Wunschzettel an den Bambusbaum zu hängen! Die Brasilianische Gesellschaft für Japanische Kultur (Bunkyo, Sociedade Brasileira de Cultura Japonesa) organisiert jedes Jahr mehrere japanische Feste in São Paulo, wie das Japanische-Kultur-Festival und das Hina Matsuri-Festival. Im Jahr 1978 wurde auf ihre Initiative hin das Historische Museum für Japanische Immigration (Museu Histórico da Imigração Japonesa) im Stadtteil Liberdade eröffnet. In seinen Ausstellungen wird das Leben der japanischen Migranten in Brasilien dokumentiert. Seit den 80er Jahren ist in Brasilien jedoch ein gegenläufiger Trend unter den japanischen Nachkommen zu beobachten, der Migrationsstrom verläuft in die umgekehrte Richtung: viele Nikkeis – auch aus Cinthias Familie – kehren zurück nach Japan. Heute leben in Japan mehr als 300.000 Enkel der ehemals nach Brasilien emigrierten japanischen Familien, um in der Industrie ihren Unterhalt zu verdienen. Sie sind die neuen „Soldaten des Glücks“. Goethe D‘A r T 2010 35 Migration Sakerinha von Priscila Lopes Cavichioli Einwanderern kam auch der Reisschnaps M it– denSakejapanischen – nach Brasilien. Seit 1934 wird er offiziell in Brasilien destilliert und nicht nur in den von Japanern bewohnten brasilianischen Landesteilen getrunken. Heute ist er ein wesentlicher Bestandteil des beliebten Cocktails Sakerinha. Der namentliche Gleichklang mit unserer landestypischen Caipirinha ist nicht rein zufällig und uns ein willkommener Anlass für Spekulationen. Wie es zu dem Getränk kam, lässt sich im Nachhinein nur schwer rekonstruieren, die wahren Hintergründe werden wohl für immer verborgen bleiben. Möglicherweise war jemand in Not und hatte keinen brasilianischen Schnaps, Cachaça, mehr im Hause, oder jemand hatte Lust am Kreieren eines neuen Getränks und experimentierte, möglicherweise griff jemand aber nur versehentlich nach der falschen Flasche. Was auch immer die Beweggründe gewesen sein mochten, das Resultat war, dass in die traditionell brasilianische Caipirinha auf wundersame Weise statt des obligatorischen Cachaça Sake hinzugegeben wurde. Eine kulinarische Revolution! Es war die Geburtsstunde eines neuen Getränks, der „Sakerinha“, auch „Caipisake“ genannt. Sie ist ein Beispiel für die gegenseitige Bereicherung unterschiedlicher Kulturen und überzeugte Japaner und Brasilianer gleichermaßen. Aufgrund des hervorragenden Geschmacks ist Sakerinha heute in ganz Brasilien verbreitet. Besonders aber in dem von Japanern beeinflussten Landesteil São Paulo empfiehlt es sich, wenigstens einmal Sakerinha getrunken zu haben. Für diejenigen, die statt „Caipi“ einmal „Saki“ trinken möchten, gibt es die Rezepte im Anschluss. Probiert Sakerinha selbst aus! Vielleicht inspiriert euch der Cocktail ja zu einer eigenen kulinarischen Entwicklung eurer landestypischen Speisen und Getränke! 36 Goethe D‘A r T 2010 Sake „Sake“, landläufig als Reisschnaps bekannt, ist im Japanischen eigentlich ein Oberbegriff für alkoholische Getränke. Mit der Zeit setzte sich dieser Begriff aber als Bezeichnung für Reiswein (Nihonschuu) durch. Man ist sich uneinig über die Herkunft von Sake. Die einen sagen, Sake wurde vor ca. 7.000 Jahren in China zum ersten Mal getrunken und in Japan volkstümlich gemacht, andere wiederum behaupten, es gebe Belege dafür, dass es ein ursprünglich japanisches Getränk sei. Wie auch immer, einig ist man sich darüber, dass es ein Getränk war, das ausschließlich in privilegierten gesellschaftlichen Kreisen getrunken wurde. Sake ist eigentlich ein sehr reines Getränk, es besteht lediglich aus Reis und Wasser, das zum Gären, fachsprachlich Fermentieren, gebracht wird. Ein besonderes Qualitätsmerkmal von Sake ist die Polierung des Reises. Je mehr er poliert wird, desto feiner wird der Geschmack. Durchschnittlich enthält Sake zwischen 15 und 16 Prozent Alkohol. Beim Kauf ist zu unterscheiden zwischen dem preisgünstigeren Standard-Sake und Premium-Sake. Dem Standard-Sake, der 80% der Herstellung ausmacht, wird Alkohol in größeren Mengen zugefügt. Dadurch wird die Herstellung beschleunigt und kostengünstiger. Dem Premium-Sake dagegen wird kein weiterer Alkohol zugesetzt, er ist somit rein und von höherer Qualität. Sake wird in Japan im Allgemeinen nicht in gewöhnlichen Bechern serviert sondern in eigens dafür vorgesehenen quadratischen Holzgefäßen. Man trinkt Sake bevorzugt bei wichtigen Anlässen, wie beispielsweise bei Gedenkfeiern, an Neujahr oder zur Hochzeit. Für die Serviertemperatur gibt es keine Vorschrift, ob kalt, warm oder heiß, Sake ist bei jeder Temperatur genießbar. Man kann Sake vor dem Essen als Aperitif oder nach dem Essen als Digestif in einem Zug trinken. Sake wird oft zu Sushi getrunken. Feinschmeckern dreht sich bei diesem Anblick jedoch der Magen herum. Sie sind der Meinung, dass der essiggesäuerte Reis, mit dem Sushi gewöhnlich hergestellt wird, den Geschmack von Sake verdirbt. Dennoch werden in der Öffentlichkeit weiterhin Sushi und Sake als das „perfekte Paar“ serviert. So kann jeder seinen Vorlieben ungehemmt nachgehen! Fotos: Regis Dudena und Ruy Filho CocktailRezepte Erdbeeren Sakerinha Zutaten: - 4cl Sake - 6 – 8 Erdbeeren - 1 Teelöffel weißer Zucker - zerstoßenes Eis Limette Sakerinha Zutaten: - 4cl Sake - 1 Limette - 1 Teelöffel weißer Zucker - zerstoßenes Eis Kiwi Sakerinha Zutaten: - 4cl Sake - 1 ? Kiwi - 1 Teelöffel weißer Zucker - zerstoßenes Eis Maracuja Sakerinha Zutaten: - 4cl Sake - 1 Maracuja - 1 Teelöffel weißer Zucker - zerstoßenes Eis - Minze Goethe D‘A r T 2010 37 Migration JapanerInnen in Deutschland oder von der Schwierigkeit, sich diesem Thema zu nähern von Agnieszka Satola U rsprünglich hatte ich die Absicht für die Zeitschrift Goethe D’ArT einen Artikel zu dem Thema japanische MigrantInnen in Deutschland – insbesondere in Frankfurt am Main – zu schreiben. Seit mehreren Jahren setze ich mich in meiner Dissertation intensiv mit dem Thema der Migration auseinander, jedoch mit einem anderen Forschungsinteresse, so dass die Ergebnisse meiner Untersuchungen nicht auf die spezifische Personengruppe der japanischen MigrantInnen übertragbar sind. Deshalb versuchte ich mehr über die Situation der JapanerInnen in Deutschland in Erfahrung zu bringen und stieß bei meinen Recherchen auf folgende Studien, die zumindest dem Titel nach einen Bezug zu meinem Thema zu haben schienen: Jovanovic, Inga (2002): Japaner in Frankfurt. Eine empirische Untersuchung über den Integrationsprozess vermeintlicher Exoten. (Magisterarbeit) Schmidt, Takeo (2004):Japaner in Deutschland. Eine Untersuchung über die Lebens- und Anpassungssituation der japanischen „Permanent Residents“. (Diplomarbeit) Doch schon bald wurde mir deutlich, dass ich die in den beiden Studien vertretene kulturalistische Perspektive, inwieweit sich JapanerInnen in Deutschland integrieren, für einen falschen Ansatz hielt, sich dem Thema zu nähern. Beide Studien kommen zu dem Ergebnis, dass sich die von der aufnehmenden Gesellschaft geforderte Anpassungsleistung und die Weigerung der migrierten Gruppe sich anzupassen diametral entgegenstehen. Eine derartige Schlussfolgerung überrascht nicht weiter, hat aber weitreichende Konsequenzen, leistet sie doch einer Stigmatisierung der JapanerInnen als eine exotische Minderheit Vorschub, die von sich aus keinen Integrationswillen zeigt. Der enge Rahmen dieses Artikels erlaubt es nicht weiter die Studien zu widerlegen oder eine andere Perspektive auf die untersuchte Gruppe zu entwickeln. Dazu wäre meines Erachtens eine neue Studie notwendig, die sich dem Thema unvoreingenommen annimmt. Aufgrund der für mich unbefriedigenden Quellenlage werde ich deshalb nur einen kurzen Überblick über die Situation der Japanerinnen in Deutschland geben und auf eine Analyse wie ursprünglich von mir beabsichtigt verzichten. Möchte man die Situation japanischer MigrantInnen in Deutschland genauer untersuchen, stellt man fest, dass man sich auf einem wenig erforschten Terrain bewegt. Informationen über japanische MigrantInnen sind rar und reichen über statistische Angaben kaum hinaus. Dies hängt höchstwahrscheinlich damit zusammen, dass JapanerInnen nur einen verschwindend geringen Anteil an der Gruppe 38 Goethe D‘A r T 2010 der in Deutschland lebenden MigrantInnen ausmachen und daher wenig untersucht sind. Nach den Statistiken des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gab es in Deutschland im Jahr 2007 30.230 Ausländer mit japanischer Staatsangehörigkeit, davon waren 17.521 Frauen. (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2007): Migrationsbericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge im Auftrag der Bundesregierung, S. 185.) Die Gründe für die geringe Einwohnerzahl der JapanerInnen in Deutschland liegen auf der Hand: Japan ist eine führende Wirtschaftsund Technologiemacht und nach den USA die zweitstärkste Wirtschaftsnation der Welt. Japan ist damit kein typisches Emigrationsland. Migrationsprozesse sind allenfalls dem beruflichen Austausch von Fachkräften geschuldet. Im Vergleich mit anderen ArbeitsmigrantInnen nehmen JapanerInnen deshalb auch eine privilegierte Stellung ein. Sie benötigen als hochqualifizierte Führungskräfte beispielsweise keine weitere Arbeitserlaubnis, auch wird es japanischen UnternehmerInnen durch die so genannte „Meistbegünstigungsklausel“ erleichtert, sich in Deutschland niederzulassen. (Jovanovic, Inga (2002): Japaner in Frankfurt. Eine empirische Untersuchung über den Integrationsprozess vermeintlicher Exoten. (Magisterarbeit) S. 10) Die meisten JapanerInnen sind entweder in Düsseldorf, Hamburg oder Frankfurt ansässig, da diese Städte je nach Branche in Europa gewisse Standortvorteile bieten. So gilt Düsseldorf als ein wichtiges Industriezentrum, Hamburg aufgrund seines Überseehafens als ein wichtiges Handelszentrum und Frankfurt als eine bedeutende Bankenstadt. Durch seinen Flughafen ist Frankfurt Hauptknotenpunkt des europäischen Flugverkehrs. Eines der größten japanischen Unternehmen, die Fluggesellschaft Japan Airlines, hat ihren Sitz in Frankfurt. Grauzonen von Yoko Hosoda A ls Dolmetscherin lernte ich viele Menschen unterschiedlicher Nationalitäten kennen. Häufig betreute ich auch deutsche Kunden und fand die Zusammenarbeit mit ihnen stets sehr angenehm. Sie waren sehr höflich, fleißig, vernünftig, hielten sich an Regeln und waren immer relativ pünktlich. Seit 2007 lebe ich nun in Frankfurt und lerne Deutsch. Da Japanisch und Deutsch sehr unterschiedlich sind, fällt es mir sehr schwer, Deutsch zu lernen. Es gibt keine Gemeinsamkeiten, an denen ich anknüpfen könnte – außer „Ah so!“, das sagen wir auch. In Japan hatte ich mir bereits ein Bild über „die Deutschen“ machen können. Deshalb überraschte mich zu Beginn meines Deutschlandaufenthalts ganz besonders, wie flexibel man hier Regeln handhabt. Ich war vom Kreis Heppenheim nach Frankfurt umgezogen und benötigte ein neues Visum. Da jedoch meine Unterlagen noch nicht an die Frankfurter Behörde weitergeleitet worden waren, konnte man mir kein neues Visum ausstellen. Dafür gab man mir einen Brief, in dem stand, dass ich informiert werde, wenn die Unterlagen da sind. Diesen Brief sollte ich mit meinem Reisepass bei mir tragen. Ich war sehr verwundert und auch verunsichert, dass ich mich ohne Visum weiter in Deutschland aufhalten durfte. In Japan wäre eine solche Situation undenkbar. Die Behörden in Japan sind sehr strikt. Wenn jemand kein Visum hat, ist er illegal im Land. Dafür gibt es keine Entschuldigung. Ein Verstoß gegen diese und auch andere Regeln wird nicht geduldet. Nachdem ich zweieinhalb Monate nichts mehr von der Ausländerbehörde gehört hatte, ging ich auf das Amt, um mich nach meinen Unterlagen zu erkundigen. Ich hatte keinen Termin und wartete drei Stunden, bis ich aufgerufen wurde. Zum Glück waren meine Unterlagen mittlerweile da. Ich fragte mich, warum man mich nicht schon längst informiert hatte, und bekam einen Stempel – „Bam!“ – auf meinen Reisepass gedrückt. „Das war’s???“ Ich konnte es nicht fassen. Total unglaublich… Einem iranischen Bekannten von mir ist Ähnliches passiert, allerdings in Tôkyô und mit einem anderen Ausgang. Um ein neues Visum zu erhalten, musste er seinen Reisepass bei der Botschaft abgeben. Er spazierte an einem Ufer in Tôkyô entlang und wurde dort glatt von der Polizei angehalten. Die Polizisten fragten ihn, woher er komme und was er beruflich mache. Natürlich fragten sie auch nach seinem Reisepass. Da er diesen nicht vorzeigen konnte, wurde er auf das nächste Polizeirevier gebracht, von dort in das Gefängnis der Ausländerbehörde weitergereicht, wo er dann schlimme sechs Monate verbrachte. Dabei konnte er nichts für diese Situation. Doch für die japanischen Behörden zählte allein das Faktum: Kein Visum/kein Reisepass, also illegal. Vielleicht wird jetzt verständlich, weshalb ich mich so fürchtete, ohne Visum zu sein. In meiner (deutschen) Kirchengemeinde berichtete ich über meine Erfahrungen mit der Ausländerbehörde und sagte, wie verunsichert ich sei: „Ich habe darauf vertraut, dass Deutsche Regeln strikt einhalten, habe ich mich geirrt?“ Mein deutscher Bekannter antwortete mir daraufhin: „Yoko, du bist um eine gute Erfahrung reicher. Du hast etwas über die Deutschen erfahren, was nicht jeder Ausländer bemerkt. Wir sind nicht so an Regeln orientiert, wie allgemein behauptet wird. Regeln gelten bei uns und werden auch strikt eingehalten. Aber es gibt Grauzonen und es wird auch mal ein Auge zugedrückt, wenn die Situation es erfordert.” Diese Erfahrung passte tatsächlich nicht zu dem Bild, das ich bis dahin von den Deutschen hatte. Im Laufe der letzten zwei Jahre sammelte ich noch weitere Erfahrungen, die meine Vorstellungen über die Deutschen ins Wanken brachten. Ich hatte in Erinnerung, dass meine deutschen Kollegen in Japan immer recht pünktlich waren. Deshalb war ich doch sehr verwundert über die häufigen Verspätungen der Deutschen Bahn und bin es auch heute noch. Sehr oft erlebe ich, dass meine Bahn fünf, manchmal auch zehn Minuten zu spät kommt. Mich irritiert, dass niemand sich darüber bei den DB-Mitarbeitern beschwert. Würde dies in Tôkyô passieren, würden sich die Fahrgäste darüber extrem ärgern. In Japan beginnen Schulen und die Arbeitszeiten in den Firmen sehr pünktlich. Verspätet man sich, bekommt man in einigen Firmen sogar einen halben Tag vom Gehalt abgezogen. Als Japaner ist man daran gewöhnt, dass die Fahrpläne eingehalten werden und man darauf vertrauen kann, dass die öffentlichen Verkehrsmittel pünktlich sind. Man hat für die Fahrkarte bezahlt und ein Recht darauf, pünktlich an seinem Ziel anzukommen. Im Falle der Deutschen Bahn fällt es mir heute noch schwer, mich an das Abweichen von Regeln zu gewöhnen, in vielen anderen Bereichen des Alltags aber beginne ich es zu genießen und flexibel reagieren zu können und zu dürfen als Vorteil zu sehen. Goethe D‘A r T 2010 39 Migration „Ich verhalte mich wie eine Deutsche, bin aber doch Japanerin!“ von Chizuru Osawa W enn ich über das Wetter spreche, finde ich, dass ich wie eine Deutsche geworden bin. In Japan redet man nicht so oft über das Wetter. Das liegt wohl daran, dass in Japan auf das Wetter Verlass ist. Die Sommer sind stets heiß und schwül (ungefähr drei Monate lang). Wenn es „Hitzefrei“ auch in Japan gäbe, würde ich mich freuen: jeden Tag frei! In Deutschland ist der Sommer dagegen recht unbeständig. Man weiß nicht, ob die Sonne scheint und wenn ja, für wie lange. Dafür weiß man, was der Winter bringt: Dunkelheit und Kälte. In Japan kann man auch im Winter die Sonne sehen, der blaue Himmel ist sogar schöner als im Sommer. Ich glaube, an den strengen Gesichtern der Deutschen ist nur das Wetter schuld. Immer häufiger wundere ich mich in Deutschland über den Wetterbericht. Jedes Mal, wenn ich das Radio anmachte, um mich nach dem Wetter zu erkundigen, hörte ich die Ansagerin sagen: „Sonne, Wolken, Regen und Gewitter“. Das soll ein Wetterbericht sein???? Inzwischen kann ich gut verstehen, weshalb die Deutschen gern in ferne Länder reisen, wo die Sonne scheint, weshalb sie es genießen, im Café draußen zu sitzen und sich absichtlich der Sonne aussetzen um braun zu werden. Zu Beginn meines Aufenthalts in Deutschland konnte ich dieses Verhalten nicht nachvollziehen. Wir Japanerinnen wollen unter keinen Umständen braun werden, gerade ein weißer Teint entspricht dem japanischen Schönheitsideal. Um uns eine helle Hautfarbe zu erhalten, schützen wir uns im Sommer mit einem Sonnenschirm. Da ich in Deutschland keinen Sonnenschirm habe, behelfe ich mir mit einem Regenschirm. Ich glaube, Deutschland ist ein sehr humanes Land. Das Lebenstempo hier gefällt mir. Es gibt freie Wochenenden, an Sonn- und an Feiertagen sind die Geschäfte geschlossen und man hat Zeit, sich zu erholen. In Japan sind fast alle Geschäfte jeden Tag geöffnet und es gibt überall Convenience Stores, in denen man rund um die Uhr einkaufen kann. Das ist sehr praktisch, aber zu praktisch, wie ich finde. Die Lebensqualität und das Wertgefühl in Japan unterscheiden sich erheblich von dem, was darunter in Deutschland verstanden wird. Stets ist man darum bemüht, sich zu übertreffen, indem man noch schnellere und noch praktischere Konsumgüter herstellt. Als ich zuletzt in Japan war, kam ich auf die Idee, mir zu Hause Wasser und Äpfel für unterwegs einzupacken. Meine Mutter wunderte sich sehr und fragte mich, ob ich tatsächlich vor hätte, das alles mitzunehmen, schließlich gebe es doch Convenience Stores, in denen ich etwas kaufen könne. Da merkte ich, dass die acht Jahre, die ich mittlerweile hier lebe, ihre Spuren bei mir hinterlassen haben, und ich doch auch deutsche Verhaltensmuster angenommen habe. Aus der Ferne kann ich Japan mit Distanz sehen und habe Vergleichsmöglichkeiten. Ich kam mit großer Sehnsucht nach Deutschland, doch inzwischen bin ich froh, als Japanerin geboren und in Japan aufgewachsen zu sein. Es ist wichtig für mich, so fühlen zu können. „Ich hatte schon in Japan gehört, dass Deutsche gern diskutieren…“ von Naomi Tsuruta I ch wohne seit zwei Jahren in Deutschland und habe mittlerweile viele Deutsche kennen gelernt. Ab und zu treffe ich mich mit meinen deutschen Freunden zum Essen. Am Anfang überraschte mich, dass sie über so ernste Themen wie Politik sprachen, denn in Japan ist dies ungewöhnlich. Ich hatte aber schon in Japan gehört, dass Deutsche gern diskutieren. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Jeder meiner deutschen Freunde hat seinen eigenen Standpunkt, und niemals zögern sie, ihre Meinung zu sagen. Sie können auch stets begründen, wie sie zu ihrer Meinung kommen. Sie wissen, wie man diskutiert und wie man dabei taktisch klug vorgeht. Wir Japaner dagegen sagen unsere Meinung nicht direkt. Wenn wir etwas sagen, bedenken wir immer, wie der andere sich dabei fühlen kann. Wir sind sehr vorsichtig mit unseren Äußerungen, da wir niemanden beleidigen möchten. Leider behindert oder verhindert dies 40 Goethe D‘A r T 2010 sogar oft eine Diskussion. Wenn ein Japaner genervt von jemandem ist, schweigt er und zieht sich zurück. Dann kann eine Diskussion nicht fortgesetzt werden. Wir Japaner wissen schon, dass wir öfter unsere Meinung sagen sollten, dies ist eine große Herausforderung für uns. Das bedeutet aber nicht, dass wir unsere Kultur deswegen aufgeben müssen. Ich finde, dass Deutsche häufig diplomatischer sein könnten. Man soll die Mimik und die Stimmung des Gesprächspartners beobachten. Darin sind wir einfach besser. Jedes Land hat seine starken und schwachen Seiten. Ich habe schon viel in Deutschland gesehen, und insgesamt gefällt mir Deutschland sehr gut. Viele Deutsche wollen ihr Land verbessern und sehen die Zukunft pessimistisch. Doch die Zukunft ist meines Erachtens nicht so düster, wie sie für viele Deutsche erscheinen mag. Sie ist eher hoffnungsvoll. FAST FOOD DINNER, Kojeni, Tokyo 2008 Kulinaritäten Fotos von: JIRÉ GÖZEN PHOTOGRAPHY STREET AND EVENT PHOTOGRAPHER – GERMANY AND JAPAN GANG OF FOUR, Piss Alley, Tokyo 2008 in Japan Goethe D‘A r T 2010 41 Kulinaritäten Einmal Japan zum Mitnehmen, bitte! Japanische Kultur in Frankfurt von Daniela Becker D ie japanische Kultur ist sehr vielfältig und faszinierend. Sowohl die traditionelle Kultur als auch die in den letzten Jahren so beliebt gewordene Pop-Kultur finden viele Anhänger. Doch wer einmal japanische Kultur hautnah erleben möchte, muss nicht unbedingt sein Sparkonto räumen und nach Japan fliegen. Dadurch, dass Frankfurt nach Düsseldorf die zweitgrößte japanische Gemeinde beherbergt, gibt es viele japanbezogene Einrichtungen und eine Vielzahl von japanischen Restaurants in Frankfurt. Ob man nun haiku dichten möchte oder einfach nur lecker Sushi essen will, man findet in Frankfurt die Gelegenheit dazu. Eine kleine Auswahl an Möglichkeiten wird hier vorgestellt. JAPAN ART – Galerie Friedrich Müller, Braubachstraße 9, 60311 Frankfurt Kunstfreunde werden hier viel zu entdecken haben. Es werden Werke der traditionellen wie auch der modernen japanischen Kunst präsentiert. So werden Skulpturen, Kalligraphie, Gefäße und Malerei gezeigt. Aufgrund der wechselnden Ausstellungen lohnt es sich, die Galerie mehrmals zu besuchen. Museum für angewandte Kunst Frankfurt , Schaumainkai 17, 60594 Frankfurt Im Garten des MAK steht ein aufblasbares Teehaus, in welchem TeeZeremonien stattfinden. Allerdings wird das Teehaus nur in unregelmäßigen Abständen aufgeblasen, weswegen es sinnvoll ist, sich vorher darüber zu informieren. Sushi Circle, Diesterwegstraße 34, 60594 Frankfurt Ein Sushi-Restaurant, das zusätzlich über ein Sushi-Band verfügt, ist das „Sushi Circle“. An diesem nimmt man Platz und das Sushi läuft auf kleinen Tellern an einem vorbei. Man nimmt sich dann einfach die Teller mit Sushi, die man möchte. Dabei sollte man aber auf die unterschiedlichen Farben der Teller achten, da diese den Preis bestimmen. Besonders das Sushi-Buffet, das jeden Tag nach 17 Uhr und an Feiertagen den ganzen Tag lang angeboten wird, wird SushiVielessern eine Freude bereiten. Außerdem werden auch Kochkurse angeboten, für all diejenigen, die sich selbst mal als Sushi-Koch versuchen wollen. SamaSushi, Sandweg 62, 60316 Frankfurt Eines von vielen kleinen Sushi-Restaurants in Frankfurt ist das SamaSushi. Die Preise sind sehr günstig und laden zum Ausprobieren ein. Vor allem Sushi-Neulinge sind hier gut aufgehoben, da man sich einfach mal quer durch’s Angebot essen kann, ohne den Geldbeutel zu sehr belasten zu müssen. Noch dazu ist der Laden sehr hübsch eingerichtet und man bleibt gerne länger sitzen, um sich noch einen Nachschlag zu holen. Ein Tipp für alle, die aus Prinzip Sushi ablehnen, weil sie keinen rohen Fisch mögen: Es gibt auch vegetarisches Sushi mit Gurke oder Paprika. 42 Goethe D‘A r T 2010 MoschMosch, Luginsland 1, 60313 Frankfurt Das MoschMosch ist eine japanische Nudelbar. Hier werden vor allem leckere Ramen angeboten. Jedoch gibt es hier auch köstliche Vorspeisen, appetitliche Salate, gebratene Nudeln und einiges mehr. Eine Abwechslung also für alle, die sonst nur Sushi essen. Iimori Patisserie, Schopenhauerstrasse, 60316 Frankfurt Wer neben dem japanischen auch ein bisschen französischen Flair genießen möchte, ist hier genau richtig. Hier gibt es sowohl leckere Croissants und süße Törtchen als auch Melonpan und köstliche Yakisoba-pan. Dazu wird neben dem üblichen Kaffee auch noch eine Reihe von verschiedenen Teesorten angeboten. Asia Supermarkt, Fahrgasse 95, 60311 Frankfurt Zwar ist dies kein rein japanischer Supermarkt, jedoch bietet er eine große Auswahl an japanischen Lebensmitteln. Man findet leicht alle Zutaten, um Sushi selbst zu machen, aber auch um sich andere japanische Gerichte zu kochen. Darüber hinaus kann man auch noch Porzellan, Fächer usw. erstehen. OCS Japan Store, Grosse Gallusstrasse 17, 60311 Frankfurt Neben einem größeren Bestand an japanischen Büchern und Zeitschriften gibt es auch einiges an japanischem Krimskrams, wie Spielzeug, Stifte, Figuren etc. Auch eine kleine Auswahl an japanischen Lebensmitteln, vor allem Süßigkeiten werden angeboten. Und wer japanische Damenhygieneartikel benötigt, kann diese hier finden. Okonomiyaki Ein Grundrezept für 4 Personen: Zutaten: 300 g Mehl, für Teig 210 ml Wasser, für Teig 2 Eier 1 Kopf Weißkohl Fleisch oder Scampi/Garnelen etc., Pilze und was man noch will (zu empfehlen ist auch noch „Mochi“, aber in abgepackter und harter Form. Wenn man etwas davon in den Teig gibt, schmilzt dieses bei der Erhitzung und gibt dem Ganzen eine angenehm klebrigen Konsistenz). Zubereitung: Schneiden Sie etwa vier große, äußere, grüne Kohlkopfblätter ohne den harten, weißen Kern in dünne Streifen (ca. 4mm). Mischen Sie das Wasser, das Mehl, die Eier und den geschnittenen Kohl. Dem Teig können Sie nun weitere Zutaten beimischen, z.B. in kleine Stücke geschnittene Meerestiere, gehacktes Fleisch oder Pilze, ganz nach Ihren Wünschen. Braten Sie den Teig wie einen Pfannkuchen in einer Bratpfanne. Die Okonomiyaki sollten einen Durchmesser von etwa 20 cm haben. Bevor Sie das Okonomiyaki wenden, können Sie weitere Zutaten in den noch weichen Teig stecken. Wenden Sie das Okonomiyaki. Wenn fertig gebraten, geben Sie Okonomiyakisauce, etwas Mayonnaise und wenn vorhanden noch Katsuobushi (getrockenete BonitoFischflocken) und Aonori (getrocknetes grünes SeetangGewürz) darüber. Die Okonomiyaki-Sauce gibt es zwar in Asia-Läden fertig zu kaufen, sie ist aber meist sehr überteuert, daher kann man diese auch mit einer Mischung aus Ketchup, dunkler Soyasauce und Worcestershiresauce selbst machen. Itadakimasu! (Guten Appetit!) Goethe D‘A r T 2010 43 E s gibt verschiedene Varianten von Sushi. Die zwei bekanntesten, die hier auch vorgestellt werden sollen, heißen Nigiri-Sushi und MakiSushi. Das Besondere an Sushi ist, dass es mit frischem, rohem Fisch zubereitet wird. Ursprünglich ist dieses Gericht, das heute so gut wie jeder mit Japan verbindet, einer Konservierungsmethode für Süßwasserfisch zu verdanken, die eigentlich gar nicht typisch japanisch ist, sondern von den Bewohnern entlang des südostasiatischen Flusses Mekong entwickelt wurde. Hierbei wird der Fisch in hauchdünne Scheiben geschnitten und zur Desinfektion mit Essig bestrichen. Zutaten Die Zutaten für Sushi sind äußerst vielfältig, deswegen sollen hier „nur“ die gebräuchlichsten genannt werden. Grundlagen sind stets: • Reis, der recht klebrig sein sollte (wer sicher gehen möchte, nimmt den im Handel angebotenen Sushireis) • Fisch, gut geeignet sind z.B. Thunfisch, Lachs, Makrele, Seebarsch, Seebrasse, Aal. Andere geeignete Meeresfrüchte sind: Garnelen, Krebs, Tintenfisch, Oktopus • Gemüse wie Karotten und Gurken • Reisessig • Ingwer zur Neutralisierung des Fischgeschmacks im Mund • Wasabi, japanischer Meerrettich, der sehr scharf ist • Nori, getrockneter Seetang (für Maki Sushi) und Sojasauce 44 Goethe D‘A r T 2010 Larysa Palhuy, Priscila Lopes Cavichioli, Jonas Simeon , Ganbold Ganbolor von Hye Suk Jung Mitwirkende: Ignacio Hennigs, Catalina Victoria Roman Zamorano, Sushi Herstellung Zunächst den Reis kochen und in heißem Zustand mit Salz und Reisessig würzen, dann erkalten lassen. Den Fisch in dünne Scheiben schneiden. Nigiri-Sushi ist in der Zubereitung recht einfach: Hierfür wird der Reis in der Hand geformt, wenn man es scharf mag, mit Wasabi bestrichen, und mit einer Fischscheibe belegt. (Bild links) Die Herstellung von Maki-Sushi, auch Rollen-Sushi genannt, ist dagegen etwas aufwändiger. Maki-Sushi Ein Seetangblatt (Nori) auf die Bambusmatte legen. Den Reis auf das Seetangblatt gleichmäßig verteilen. Darauf nach Belieben Fischscheiben, Gurkenstreifen und / oder Karottenstreifen quer legen. Die Matte mit beiden Händen rollen. Die Rolle mit gleichmäßigem Druck pressen und von der Bambusmatte nehmen. Anschließend die Rolle mit einem scharfen Messer in sechs bis acht gleich große Teile schneiden. (Bilder rechts) Wasabi und Sojasauce können als Dip zu Sushi getrennt oder zusammen in einer Schale serviert werden. Als Getränk zu Sushi eignet sich grüner Tee, als Vorspeise wird gerne eine Misosuppe serviert. Etikette Sushi wird in einem Stück in den Mund geführt und nicht abgebissen! Man kann Sushi mit der Hand oder mit Stäbchen essen, auch die Gabel ist erlaubt. Kulinaritäten 2 3 5 6 7 8 9 4 Fotos: Ignacio Hennigs 1 10 Itadakimasu Guten Appetit! Goethe D‘A r T 2010 45 Kulinaritäten Japanischer von Anja Catharina Junghenn N achdem ihr nun so viel über japanisches Essen gelesen habt, ist es an der Zeit, dass ihr ein wenig über das traditionellste aller japanischen Getränke erfahrt: den japanischen grünen Tee. Der grüne Tee wird aus den Blättern der Teepflanze gewonnen. Es gibt viele verschiedene Sorten in allen möglichen Preisklassen. Die Art der Zubereitung spielt beim grünen Tee eine nicht zu unterschätzende Rolle. Lässt man ihn zu lange oder bei zu hoher Temperatur ziehen, wird er bitter und entwickelt eine ermüdende Wirkung auf Körper und Geist; zieht er eine zu kurze Zeit, kann er seinen Geschmack nicht richtig entfalten und schmeckt lasch und verwässert. Nur die optimale Zubereitungsweise, die wiederum von Sorte zu Sorte variiert, ermöglicht es dem grünen Tee zu dem zu werden, was er sein soll: ein wohlschmeckendes, erfrischendes und belebendes Getränk. Man sagt dem grünen Tee besondere Heilkräfte nach; so soll er zum Beispiel die Entstehung von Krebszellen verhindern. Jede Sorte des grünen Tees enthält zudem Koffein – je nach Sorte mal mehr, mal weniger –, so dass man ihn vor dem Schlafengehen nicht in zu großen Mengen zu sich nehmen sollte. Der grüne Tee ist aber nicht nur für seine gesundheitsfördernden Eigenschaften bekannt – auch kulturell erfährt er eine besondere Wertschätzung durch die so genannte Teezeremonie. So gibt es in Japan die so genannte Teezeremonie (jap.: sadô), welche sogar als Kunstrichtung zählt. Anmutig und elegant wirkt eine Teezeremonie vor allem aufgrund der präzise durchgeführten Handlungsabläufe, bei welchen bewusst auf überflüssige Bewegungen verzichtet wird. Nun möchte ich euch noch ein paar der bekannteren Grünteesorten vorstellen, um euch einen ersten Eindruck über die Vielfalt der Teewelt Japans zu vermitteln: 46 Goethe D‘A r T 2010 Tee Sencha Diese Teesorte wird in Japan am häufigsten und zu allen möglichen Gelegenheiten getrunken, er ist ein „Allroundtee“. In der Tasse hat er eine hellgrüne Farbe. Matcha Der Matcha mit seinem auffälligen Grün ist im Gegensatz zu allen anderen hier aufgeführten Sorten nicht in Blätter-, sondern lediglich in Pulverform erhältlich. Er ist die Teesorte, welche am häufigsten bei der Teezeremonie Verwendung findet. Genmaicha Wirft man einen Blick in die Tüte einer Genmaicha-Mischung, so wird man feststellen, dass sich neben den Teeblättern dort noch etwas anders tummelt: nämlich geröstete Vollkornreiskörner, die dem Genmaicha seinen besonderen reisartigen Duft und Geschmack verleihen. Gyokuro Der Gyokuro ist eine Rarität unter den japanischen Tees und der teuerste Grüntee überhaupt. Er sollte keinesfalls in der Hektik des Alltags getrunken werden, sondern verdient seinen eigenen ganz besonderen Moment. Liebevoll wird er auch „Tautropfen“ genannt. Impressum Bockenheimer Landstr. 76 60323 Frankfurt am Main in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich 9, Japanologie Senckenberganlage 31 „Juridicum“, 7. Stock 60325 Frankfurt am Main Projektleitung: Andrea Meierl Kontakt: [email protected] http://www.goethe-d-art.uni-frankfurt.de Redaktion: Dr. Eike Großmann (Japanologie) Andrea Meierl, M.A. (Internationales Studienzentrum) Dr. Cosima Wagner (Japanologie) Manuskript und redaktionelle Mitarbeit: Daniela Becker, Antje Grzelachowski, Cecilia Himmelseher, Yoko Hosoda, Kristina Hvasti, Kyra Jäger, Anja Junghenn, Jutta Lingelbach, Christiane Mögenburg, Lisa Mundt, Philipp Otschonovsky, Ina Rohrlack, Christiane Rühle, Agnieszka Satola, Michael Schedelik, Maike Schmidt, Anna Surawska Autorinnen: Priscila Lopes Cavichioli, Martina Lenhardt, Karina Myskava, Chizuru Osawa, Aya Puster, Hye Suk Jung, Naomi Tsuruta Titelillustration: Jutta Lingelbach Illustrationen und Photos: Daniela Becker, Manuel Debus, Regis Dudena, Ruy Filho, Jiré Gözen, Ignacio Hennigs, Jutta Lingelbach, Christina Plaka, Rinkôgun, Christiane Rühle, Maike Schmidt Layout und Gestaltung: [email protected] Druck: HRZ-Druckzentrum Senckenberganlage 31-33 60054 Frankfurt am Main