Geschichte Everstens

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Geschichte Everstens
Geschichte Everstens
Im Oktober 2014 zusammengestellt von Enno Heine. Quellen:
Georg Bredehorn, Eversten: Von 1200 bis ins 20.Jahrhundert, Oldenburg, Isensee 2001
Hans-Günther Zemke (Hrsg.), Eversten an der Schwelle zum Jahr 2000 – 75 Jahre Stadtteil von Oldenburg: 1924 -1999.
Melle, Knoth 1999
Allgemeine Geschichte:
Eiszeiten > Verwehungen > Untergrund ehemaliger feinkörniger Flugsand, leichte Tonbeimischung
> viele Ziegeleien vor dem Eversten Tor (1800 - 1950) > Bildung von Niederungsmooren, die als
Hochmoore den Urwald nach und nach überwucherten und bis auf 9 Meter Höhe grade
südwestlich Everstens (Mosleshöhe) anwuchsen. Diese nur im Hochsommer und bei Frost im
Winter passierbaren ausgedehnten Moorgebiete bedeckten schließlich weite Teile
Nordwestdeutschlands, quasi von Eversten bis Holland, Wölfe lebten hier bis 1650,. Eversten war
bis ins letzte Jahrhundert ein recht unwirtliches Moorrandgebiet, der Wildenloh ein Restbestand
eines aus dem Moor ragenden Urwalds. Eine direkte Verbindung nach Edewecht gibt es erst seit
1893.
Erste Erwähnung im Rahmen der Gaueinteilung des Sachsengebietes durch Karl den Großen (ca.
800 n. Chr.) als „Nortwinkele“ des Lerigaus. .
Der Name Eversten stammt von der Familie von Eversen
(„Sohn des Ebers“), eine
alteingesessene Adelsfamilie (wie auch z. B. die Ammerländer Adelsfamilien Mansie, Fikensolt,
Apen etc. ). Erwähnung erstmals 1184 als Burgmannen der Grafen von Aldenborg, 1348 schlossen
sie einen Vertrag über Nutzung ihres Privatwegs (= heutige Gartenstraße) zur heutigen Innenstadt
Oldenburg mit der Stadt, die 3 Jahre zuvor, 1345, ihre Stadtrechte erhalten hatte. Familiensitz:
unklar; evtl. im Bereich der Wienstr. (= Wienhof = Weinhof), die Familie verarmte später,
verbürgerlichte, letzte Erwähnungen des Namens im 16. Jahrhundert.
Familienwappen, derer von Eversen
Eversten gehört über Jahrhunderte zur Hausvogtei Oldenburg der Grafschaft Oldenburg (rings
um Oldenburg), ist kaum besiedelt wegen des Moores und eines Siedlungsverbots außerhalb
bestehender Dörfer; 1648 Anlage des Bloherfelder Wasserzugs vom Wildenloh Richtung Haaren
zur Moorentwässerung. Die Oldenburger Stadtbefestigung ist Richtung Eversten minimal, da
kompletter Sumpf.
1644 erste Besiedlung im Bereich Gerberhof (= heutiger
Straßenname) durch Umsiedlung der Gerber vom Haarentor
weiter flussaufwärts. Hier entsteht auch die Haarenmühle. Ab
1700 Besiedlung des „Dorfes Eversten“ - Zentrum um den
heutigen Übergang Hauptstr./Edewechter Landstr., grade
außerhalb des heutigen Autobahnrings. Es entstehen kleine
Bauernstellen (Köter), mit 1 bis 5 Hektar 810. bis 50.000 m²)
Land. Um 1800 etwa 25 bis 30 Wohnhäuser mit ca. 200
Bewohnern. In diesem Bauerndorf wurden dann auch später
die erste Schule (1746), Kirche (1902) und Friedhof (1878)
angelegt.. Noch heute stehen viele der kleinen, niedrigen
Bauernhäuser, zu Wohnungen umgebaut, zum andern sind
ehemalige Hofstellen an den stehengebliebenen inzwischen
mächtigen Bäumen, meist Eichen zu erkennen.
1814: Aus der Hausvogtei wird in nachnapoleonischer Zeit im jetzigen Herzogtum Oldenburg die
Landgemeinde Oldenburg (nördlicher Halbkreis um den heutigen Innenstadtring Oldenburgs vom
Küstenkanal bis zur Hunte; incl. Wildenloh, Ofen, Wahnbek, Ohmstede)
1833 Ausdehnung der Grenzen der Stadt OL bis zum Eversten Holz (Prinzessinweg, Marschweg).
Eversten/Bloherfelde ist eine armselige Siedlung, in Etzhorn, Ohmstede aber auch Metjendorf und
Ofen leben wohlhabendere Bauern auf fruchtbaren Eschländereien,
Merksatz der Moorbesiedlung: „Den ersten sin Dod, den tweeten noch not, den dritten erst Brod“
Die Bewohner leben von Landarbeit,
Torfstechen, meist als Pächter der von
finanzkräftigen
Städtern
erbauten
Höfe. Oft ist nicht mal die Pacht zu
erwirtschaften, die Häuser werden
dann von den Erbauern mit mehr
Wohnungen vermietet. Die verarmten
ehemaligen Pächter und andere Arme
brauchen Unterstützung. Wer ein Pferd
hat, hat auch einen Dreckskasten zum
Abtransport der Fäkalien aus den
Stadtoldenburger Plumpsklos. Die
Everstener sind bekannt dafür auch
schwerste Arbeiten zu übernehmen,
um ihr Brot zu verdienen.
Die Armenkasse ist Gemeindesache:
Der Nordosten der Landgemeinde
(Ohmstede, Etzhorn) subventioniert
den Südwesten (Eversten etc.). Eine
von den reicheren Bauern gewünschte
Trennung wird mehrfach durch den
Gemeindevorsteher Christoph Kayser
(Tannenkampstr.
41/3)
und
die
Landesregierung verhindert, da „der
südwestliche Theil für sich allein
unmöglich bestehen kann“, obwohl alle
Gemeinderäte aus dem Nordosten
kommen (Wahlrecht nur Männer > 24 und Steuerzahler). Das Argument des Gemeinderats für die
Abtrennung: „Mangel an innerer Kraft, welcher sich überall einstellen muß, wo anstelle maßvoller
Selbstständigkeit ein Sichstützen- und Gehenlassen von jeher stattgefunden hat.“
Haushalt der Landgemeinde 1892/3: 58.000 Mark, davon 38.000 M Armenpflege, 10.000 M.
Wegebau, 10.000 M Verwaltung/Sonstiges
Im 19. Jahrhundert bildet sich ein 2. Siedlungskern am Anfang der Hauptstraße, quasi als
Ausläufer der Stadt: Dort bestand zu Zeiten der Grafen an der Ecke Hauptstr./Wienstr. bereits die
Hühnerfängerei. Von hier wurden dem gräflichen Hof die hier gehaltenen Fasane und anderes
Federvieh zugeführt. Hier steht auch das älteste Haus Everstens: 1686 als Gartenhaus durch
Regierungsrat von Petkum erbaut; das Haus wurde später zum Gartenlokal, 1912 bis 1921 sogar
zum Gemeindebüro derGemeinde Eversten. Das Grundstück dahinter diente zur Dänenzeit zu
Schießübungen (die dazugehörige Vogelstange überlebt als Straßenname weiter Richtung
Prinzessinweg), Herzog Peter ließ dort Reitwege für seine 3. Gemahlin Cäcilie aus Schweden
anlegen, später wurde der Garten dem Everstenholz zugeschlagen.
Im 19. Jahrhundert prägen hier Landhäuser von Städtern und Gasthäuser das Bild geselligen
Lebens der Städter ganz unabhängig vom Dorfleben weiter westlich, der heutige Name als
Everstener Markt ist daher historisch irreführend
1893 3000 Einwohner der Landgemeinde
1897 Aufteilung der Landgemeinde und Bildung der Gemeinde Eversten vom Küstenkanal bis
zur Bahnlinie nach WHV (also incl. Ofen, Wehnen, Metjendorf, Friedrichsfehn, Kleinscharrel am
Kanal)
1923 Vertrag über Zusammenschluss Stadt OL und der gesamten Gemeinde Eversten >
Oldenburg wäre damit die 4.größte Stadt im Deutschen Reich geworden (nach Berlin, Frankfurt
und Rostock);
1924 werden Teile Everstens vom Landtag zur Stadt Oldenburg geschlagen, das entspricht
den heutigen Stadtgrenzen im Südwesten der Stadt
Nach 1945
Nachkriegszeit erheblicher Zuwachs: Die Stadt Oldenburg knackt 1945 die 100.000 EinwohnerMarke
2014 zählt der statistische Bezirk Eversten-Bloherfelde als größter der Stadt 35.000 Einwohner
Schulen in Eversten:
1746 Bau der ersten (Grund)-Schule in Eversten am Ende der Hauptstraße zur Eichenstraße hin.
Es ist die erste Schule im Bereich des heutigen Oldenburgs außerhalb der Stadtmauern; die
wohlhabenden Bauern aus andern Stadtteilen schickten ihre Kinder in die Stadt, das konnten die
Everster nicht, daher eigene Gründung; Land vom Herzog, für den Bau wurde in Eversten und
auch im Umland gesammelt; Unterricht im Winterhalbjahr, im Sommer Arbeit von Kindern auf den
elterlichen Hofstellen und der Lehrer, die sich oft sogar in Holland eine Sommerarbeit suchten.
1835 2. Klassenzimmer 1886 Neubau > 4 Klassen, 1901 8 Klassen als Volksschule, dann
Knabenschule Eversten, die bis 1974 besteht, allerding seit 1966 (mein Schulbeginn) koedukativ.
1858 Schule Eversten Süd > Hogenkamp
1894 Eversten West Edewechter Landstr./Lerigauweg später Sonderschule Lernbehinderte; aus
dieser wird die Comeniusschule, die 1974 ins Schulgebäude an der Hauptstr. umzieht. Das
Schulgebäude „Eversten-West“ wird durch Neubau ersetzt (zeitweise Lidl-Laden)
1910 Bau der Grundschule Staakenweg, bis 1966 als Mädchenschule, heute eine der größten
grundschulen Oldenburgs.
1964 Gründung Gymnasium Eversten als erstes Oldenburger Stadtteilgymnasium), 1968 Bezug
des Gebäudes an der Theodor-Heuss-Str.
1971 Realschule, 1973 Hauptschule ,1974 – 2004 auch Orientierungsstufe; seit 2013 Oberschule
im Schulzentrum Brandsweg, in dem auch die größte Stadtteilbibliothek mit 28.000 Bänden
beheimatet ist.
1954 Volksschule vor dem Gartentor an der Kleiststr., zur Einweihungszeit starb Herman Ehlers,
Bundestagspräsident aus Oldenburg, daher relativ spontane Namensgebung. Umzug 1996 in den
Neubau an die Feststr.
Schulzentrum Marschweg seit 1974 mit Orientierungsstufe, seit 1990 IGS Marschweg als erste
IGS in Oldenburg, 1998 in Helene-Lange-Schule (HLS) umbenannt
1959 Kath. Grundschule Lerigauweg
Sonderpädagogik:
1984 Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte von Wildeshausen (dort seit 1820 als
Taubstummenanstalt) am Lerigauweg
Schule für Lernbehinderte: zunächst Edewechter Landstr./Lerigauweg aus dieser wird die
Comeniusschule, die 1974 ins Schulgebäude an der Hauptstr. umzieht.
Schule für geistig Behinderte 1984 zunächst im Schulzentrum Marschweg, dann nach Umzug der
Hermann-Ehlers-Grundschule an der Kleiststr.
Kirchen in Eversten:
Evangelisch-lutherisch:
Everstner gingen in die Stadt: In die Nikolaikirche ( in der kleinen Kirchstr.), die bis zu ihrer
Verwüstung zu napoleonischer Zeit das Gotteshaus der Landgemeinde war, oder in die
Lambertikirche
1902 Fertigstellung der Everster Kirche für 100.000 Mark, plus evtl. zusätzlicher Fundamentkosten
(war auch nötig, da Treibsand!). Das Grundstück wurde der Gemeinde vom benachbarten
Gasthofbesitzer „Zum grünen Jäger“, (später erster „Supermarkt“ Everstens, heute Wülta-Farben)
günstig verkauft
seit 1952 St. Ansgar genannt. Viele Verzierungen > bröckelten, Drahtgitter, Renovierung 1964 >
außen deutlich schlichter, innen alles Schnitzwerk raus, alles sehr schlicht und Wände komplett
weiß > viele Kontroversen, 1986 2. Renovierung, Kreuz nach hinten, Ziegelrundbögen wieder
erkennbar
Kichenmusik herausragend 2. A-Stelle in Oldenburg für Johannes von Hoff
Die Gemeinde St. Ansgar bildet mit ihren Schwestergemeinden Bloherfelde (1965
Gemeindezentrum später eigene Kirche an der Bloherfelder Str. ) und St. Nikolai (1969/70
Gemeindezentrum später eigene Kirche an der Hundsmühlerstr. ) die Gesamtgemeinde Eversten.
Katholisch:
Oldenburg seit der Reformation zumeist evangelisch, unter Graf Anton-Günther, im 30-jährigen
Krieg (1583 – 1667): „Jeder nach seiner Fasson“, danach in der Dänenzeit (1667 – 1773) kath.
Gottesdienste nur in Ausnahmefällen erlaubt, danach Lockerung, 1807 erste kath. Kirche nach der
Reformation am Julius-Mosen-Platz, 1876 Einweihung St. Peter an der Peterstr. , 1955 St.
Willehad in Eversten
Baptisten:
Oldenburger Baptistengemeinde seit 1837, damit die drittälteste Deutschlands (nach Hamburg und
Berlin), 1868 – 1905 Baptistenkapelle an der heutigen Leo-Trepp-Str. (hinter dem PFL; heute
Synagoge), danach Kirche am Steinweg
1973 Einweihung der Kreuzkirche an der Eichenstraße
Ökumene:
Wird in Eversten aktiv gelebt. Gemeinsamer Gottesdienst am Pfinstmontag und andere Aktivitäten
Evangelischer Friedhof: 1878 erste Bestattung eines 5-jährigen Jungen ; 1939 Friedhofskapelle.
Zuvor Lamberti- bzw. Gertrudenfriedhof; 1873 Friedhof am Friedhofsweg nur für Stadt OL
Kaspersweg:
Ursprünglich Moorweg am heutigen Ende des Kasperswegs bis zurEdewechter Landstraße:
Lerigauweg/Ecke Kaspersweg, Nr. 31 Hof Brand seit 1727 im Familienbesitz.
Gegenüber der Hofstelle Brand bestand seit 1741 eine weitere Hofstelle, später Gaststätte „Zum
bösen Hörn“ , die 1999 abgerissen wurde
Kaspersweg 86: Seit 2014 Kaspershof alternatives Gemeinschaftswohnprojekt.
Sonst noch interessant:
Schlagbaumweg Verhinderung Durchfahrt der Torfwagen über die Marsch (heute Marschweg) sie
sollten den vorgeschriebenen Weg über die heutige Hundsmühler Straße zum Haarentor nehmen
statt die Marsch zu zerstören
Ahlkenweg: Der Name geht auf die „echte Frau Alke Meier“ des Grafen Johann VI, genannt Hans,
(1501 - 1548), der ihr ein Moorstück vererbte > Alkes Moor > Ahlkenweg. Als bürgerliche Witwe
wurde ihr das Erbe nach und nach doch ausgezahlt, obwohl Graf Hans mehr Schulden als
Guthaben hatte!