Bielefelder Universitätszeitung pdf-Ausgabe
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Bielefelder Nr. 213| 2003 Universitätszeitung Herausgegeben von der Informations- und Pressestelle der Universität Bielefeld Bedrohte Sprachen 35. Jahrgang • Nr. 213/2003 • 10. März 2003 • ISSN 0939-4648 Universität Bielefeld • Postfach 10 01 31 • 3 35 01 Bielefeld • Telefon (05 21) 1 06 -00 • Fax 1 06-29 64 E-Mail: [email protected] • www.uni-bielefeld.de/presse Aus dem Inhalt Rechenschaftsbericht des Rektors: Spektakuläre Forschungsergebnisse und die Studienstrukturreform haben das Jahr geprägt 8 Forschung Institute für Bioinformatik und Genomforschung gegründet Die Gesellschaft und ihre Reichweite – Wie zwingend ist die Weltgesellschaft? Was passiert beim überraschenden Reiz? Bielefelder Universitätszeitung Impressum Herausgeber: Informations- und 13 Pressestelle der Universität Bielefeld 20 22 Redaktion: G. Trott, N. Langohr Gesundheitswissenschaften Verzweifelte Odyssee durch das Dickicht des Gesundheitssystems 26 Deutsche Gesellschaft für Public Health: Offener Brief zur Gesundheitsreform 29 Anzeigen: Marlies Läge-Knuth, Verantwortlich: Dr. Gerhard Trott Satz: Brigitte Honerlage Tel: 05 21/1 06 41 47 Redaktionsanschrift: Universitätsstr. 25, 33615 Bielefeld, Tel: 05 21/1 06 41 45-47, Fax: 1 06 29 64, E-Mail: Zentrum für interdisziplinäre Forschung Weimars lange Schatten: Weimar als Argument nach 1945 Landnutzung und Natur im Pamir 32 33 Frauenforschung Zwanzig Jahre Interdisziplinäres Frauenforschungs-Zentrum Arbeitszeit, Familienzeit, Lebenszeit: Verlieren wir die Balance? 35 37 Das Wort der Stunde heißt Plagiat: Fälschungen – und kein Ende? 40 Internationales Kooperationsgespräche mit Universität Paris – Denis Diderot 48 Wissenschaft und Öffentlichkeit Forum Offene Wissenschaft: Bürger und Experten: Für wen ist Wissenschaft gut? 54 Transfer Hannover Messe 2003: Bielefelder Chemiker zeigen Exponat zur Solarchemie 56 Universität und Wirtschaft Management-Kolloqium OWL:Visionen und Strategien in Familienunternehmen 58 Die Geschichte von Josef und Winfried Schmitz: Muss der Dekan einer umTheologie erweiterten Fakultät jetzt Josef heißen? 98 [email protected] www.uni-bielefeld.de/presse Herstellung: Druck & Medienhaus Hans Gieselmann, Ackerstr. 54, 33649 Bielefeld,Tel: 05 21/94 60 90, Fax: 05 21/9 46 09 99 Auflage: 7000 ISSN 0939-4648 „Capital“e Falschinformation Hochschulnoten in Deutschland (BUZ) Unter der Überschrift „Neue Studie belegt inflationäre Vergabe guter Noten an Deutschlands Hochschulen“ berichtet die Zeitschrift „Capital“, dass an der Universität Bielefeld im Examensjahr 2000 für (insgesamt zwölf) Volkswirte die Durchschnittsnote 1,4 im Diplom vergeben wurde. Diese Information basiert auf den Resultaten einer Studie des Wissenschaftsrats vom Januar 2003. Eine Überprüfung der im Prüfungsamt der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften vorliegenden Daten ergab jedoch, dass im betrachteten Prüfungsjahr 2000/01 insgesamt elf Volkswirte eine Durchschnittsnote von 2,15 erhalten haben. In Anbetracht dieser offensichtlichen Falschinformation und der Außenwirkungen einer solchen unwahren Aussage in „Capital“ sieht sich der Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Prof. Volker Böhm, veranlasst, auf diese Diskrepanz hinzuweisen und zu betonen, dass es an der Fakultät keine inflationäre Vergabe guter Noten gibt. 2 Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Bedrohte Sprachen Sprachdokumentation nach neuesten informationstechnologischen Standards Bedrohte Sprachen: Wettlauf mit der Zeit (D.G./D.M.) Nach aktuellen Schätzungen werden von den etwa 6500 Sprachen der Welt Ende dieses Jahrhunderts etwa 90 Prozent nicht mehr existieren. Wie reagieren Gesellschaften auf diesen drohenden Verlust von Sprachen und Kulturen? Die im eben zu Ende gegangenen Wintersemester veranstaltete Ringvorlesung „Bedrohte Sprachen. Sprachenwert, Dokumentation, Revitalisierung“ hat verschiedene Antworten aufgezeigt. Die betroffenen Sprachgemeinschaften reagieren unterschiedlich auf diese Situation: einige passen sich an eine dominierende Mehrheitssprache an, andere setzen sich für den Erhalt ihrer Sprache ein, ja suchen nach Linguisten, die ihrer Sprache eine Schrift geben, die Lehrmaterialien erstellen und Sprache und Sprachgebrauch aufzeichnen: als Teil des kulturellen Gedächtnisses. Für eine Sprachgemeinschaft ist die Sprachdokumentation dann optimal, wenn sie eine spätere Generation darin unterstützt, die dann nicht mehr gesprochene Sprache wiederzuentdecken und zu erlernen. Für die Weltgemeinschaft hat die UNESCO Aktivitäten entwickelt, initiiert von ihrer Sektion „Intangible Cultural Heritage“. Für die Wissensgesellschaften hat ein Wettlauf mit der Zeit begonnen – zu einem Zeitpunkt, „kritischer als die Zeit vor dem Abbrennen der antiken Bibliothek von Alexandria“. Beteiligt sind an diesem Wettlauf die Institutionen und Projektgruppen: • Australian Institute of Aboriginal and Torres Strait Islander (AIATIS), • the Archive of the Indigenous Languages of Latin America (AILLA), • der Projektverbund „Dokumentation bedrohter Sprachen“ (DOBES), gefördert von der Volkswagen-Stiftung, • der Projektverbund „Electronic Metastructure for Endangered Languages Data” (EMELD), gefördert von der National Science Foundation (U.S.A.). Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Bei diesem Wettlauf geht es unter anderem um effiziente, zuverlässige Sprachdokumentation nach neusten informationstechnologischen Standards und nach fachlichen Standards der beteiligten Disziplinen, insbesondere der Linguistik. Alle Wissenschaftler, die in der Ringvorlesung referierten, sind in der einen oder andere Funktion mit DOBES verbunden, sei es als Antragsteller des Programms (Christian Lehmann, ehemals Universität Bielefeld, jetzt Universität Erfurt; Jan Wirrer, Universität Bielefeld), sei es als Projektleiter (Arienne Dwyer, Kansas University; Sebastian Drude, FU Berlin; Dafydd Gibbon, Universität Biele- feld; Nikolaus Himmelmann, Universität Bochum), sei es als Forscher in einem kooperierenden Max-PlanckInstitut (Martin Haspelmath, Leipzig; Gunter Senft, Hennie Brugman, Nijmegen). An eine Sprachdokumentation, die dem derzeitigen Forschungsstand entspricht, sind einerseits hohe Anforderungen zu stellen; andererseits eröffnen sich dadurch insbesondere qualitative linguistische Auswertungsmöglichkeiten und Hypothesenüberprüfungen, die bisher nicht möglich waren. Forscher der Universität Bielefeld – Dafydd Gibbon, Ulrike Gut, Dieter Metzing, Jan-Torsten Milde, Jan Wirrer und Andreas Witt – sind an der Entwicklung technologischer Verfahren der Informationsanreicherung von Dokumenten und ihrer bedeutungsbezogenen Auswertung beteiligt: • in der Forschergruppe „Texttechnologische Informationsmodellierung“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (http://www.text-technology.de/), • in den Forschungsverbünden DOBES und EMELD (http://www. mpi.nl/DOBES/, http://emeld.org/), • in der Entwicklung einer Arbeitsumgebung für multimodale Sprachdokumentation (TASX-Annotator http://tasxforce.lili.uni-bielefeld.de/), • in internationaler Forschungskooperation (International Standard for Language Engineering (ISLE): Meta Data Initiative, Computational Lexicography; Natural Interactivity Tools Engineering (NITE)). Die in den Bielefelder Projekten festgelegten Basisanforderungen für Sprachdokumentation beinhalten: • ein internetfähiges Austauschformat für Korpora, • multilinguale Sprachkorpora (Bearbeitung europäischer und nicht-europäischer Sprachen), • multimodale Sprachkorpora (Bearbeitung von Text-, Audio-, Video-Daten), • multiple Repräsentation (Bearbeitung unterschiedlicher Aspekte gesprochener Sprache, von der Lautform bis zu verbaler/non-verbaler Interaktion). Hierzu ein Beispiel: Zu beantworten sei die Frage, wie im Japanischen oder im Ega der Adressatenbezug sprachlich und nicht-sprachlich zum Ausdruck gebracht wird. Gegeben sind bestimmte Rahmenbedin3 Bedrohte Sprachen gungen wie Vertrautheit, soziale Distanz, Alter, Geschlecht und öffentliche Kommunikation. Bei Verfügbarkeit einer optimalen Sprachdokumentation bedeutet dies: Ausgewertet werden erstens Metadaten, die in standardisierter Form Informationen über Sprachdokumente enthalten wie Texttyp, Aufnahmesituation, sozio-kulturelle und situative Rahmenbedingungen. Ausgewertet werden zweitens fach- und sprachspezifische Terminologien und Regelwissen, so genannte Ontologien, die zur Strukturierung des World Wide Web dienen. Hierbei werden relevante Beschreibungskategorien, den aufgezeichneten Daten hinzugefügt, so genannte „tag sets“. Im Korpus wird drittens nach Vorkommen dieser Kategorien gesucht, die nach sprachlichen und außersprachlichen Beschreibungsebenen (Phonetik/Phonologie, Morphologie, Syntax, Referenz sowie Mimik, Gestik, Körperhaltung) analysiert werden. Identifiziert werden viertens ebenenübergreifende Bezüge von Merkmalen und Merkmalsbündeln, wiederkehrende Muster, Abhängigkeiten, Korrelationen, die zu interpretieren sind, zum Beispiel sprachliche und außersprachliche Realisierung von Adressatenbezug im Japanischen oder im Ega. Gewonnen werden fünftens sprachspezifische oder domänenspezifische und übergreifende Generalisierungen, aus denen empirisch überprüfbare Hypothesen abgeleitet werden. Damit entstehen Einsichten in Bedingungen von Sprachen, Sprachgebrauch und multimodaler Interaktion. Sprachdokumentation ist ein relevantes Anwendungsfeld für Spitzenforschung im Bereich der Sprachund Texttechnologie. Vertreten ist diese in der Bielefelder DFG-Forschergruppe „Texttechnologische Informationsmodellierung“, an der Wissenschaftler mehrerer deutscher Universitäten beteiligt sind. In Vorbereitung ist darüber hinaus ein DFGForschungsschwerpunkt „Texttechnologie“ durch Forscher der Universitäten Bielefeld, Gießen, München, Potsdam und Tübingen. 4 Feldforschung mit neuen Methoden der Laborforschung verbunden Ega – eine bedrohte Sprache Afrikas (BUZ) Im Süden der Elfenbeinküste wird von ein paar Tausend Menschen in einem kleinen, geographisch abgelegenen Gebiet die Sprache Ega gesprochen. Die Sprache fasziniert durch ihre Andersartigkeit, die neue Einblicke in sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten des Menschen ermöglicht, die in europäischen Sprachen unbekannt sind: Die Wörter werden nicht nur durch Sprachlaute, sondern auch durch Töne unterschieden. Die Sprachmelodie ist tatsächlich nahezu „gesungen“ mit klaren musikalischen Intervallen. Es werden Implosivlaute verwendet, bei der die Luft in den Mund hineinströmt. Wörter werden in ein Klassifikationssystem eingeteilt, das weit komplexer als das „männlich-weiblich-sächlich“-System des Deutschen ist. Die Bedrohungsfaktoren sind komplex. Die Sprachen der umliegenden Gegend sind nicht enger verwandt als etwa Deutsch und Griechisch und breiten sich weiter aus. Im Gegensatz zu den europäischen Gepflogenheiten gilt die Konvention der exogamen Heirat: Geheiratet wird in der Regel außerhalb der eigenen Ethnie. Die Gegend ist fruchtbar und wird mit Plantagen überzogen, auf denen Verkehrssprachen wie Dioula und Sprachen zahlreicher Zuwanderergruppen aus der Sahel-Zone gesprochen werden. In der Grundschule wird ausschließlich Französisch gelehrt. In den nächsten Generationen wird Ega aus diesen Gründen kaum noch vertreten sein. Im DOBESPilotprojekt „Ega: Dokumentation einer bedrohten ivorischen Sprache“ haben Dafydd Gibbon und sein Team effiziente informationstechnologische Methoden entwickelt, um Audio- und Video-Aufnahmen dieser Sprache systematisch zu dokumentieren, zu archivieren und für die Sprachgemeinschaft nutzbar zu machen. Die in Bielefeld entwickelten Verfahren verbinden klassische Feldforschungsmethoden mit neuen Methoden der linguistischen und phonetischen Laborforschung. Das Ega-Projekt wurde als eines von vier Projekten weltweit und als einziges europäisches Projekt vom führenden Sprachdokumentationsprojekt in den USA, EMELD, als Musterbeispiel für „best practice“ in diesem Forschungsbereich ausgewählt. Gibbon ist seitdem auch als linguistischer und informationstech- nologischer Berater für das EMELDProjekt tätig. Bei der Erfassung der digitalen Audiound Video-Daten für die Sprachdokumentation werden zwei methodische Richtungen verfolgt. Die erste Richtung betrachtet die alltäglichen Arbeits- und Interaktionsabläufe mit denen ihnen spezifischen Kommunikationsstrategien und Wortschätzen. Die zweite Richtung basiert auf gezielten Interviews mit Vertretern verschiedener Generationen zur Sprachstruktur und zur sozialen und kulturellen Situation der Sprache. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Bedrohte Sprachen Saterfriesisch und Manx Bedrohte Sprachen quasi vor der Haustür Bedrohte Sprachen finden sich nicht nur in weit entfernten Regionen wie Papua-Neuguinea, Schwarzafrika oder Südamerika, sondern auch in Europa. Zu diesen zählen zum Beispiel das auf der Isle of Man beheimatete Manx und – gewissermaßen vor unserer Haustür – das Saterfriesische. Saterfriesisch wird lediglich in der aus vier Dörfern bestehenden und westlich von Oldenburg gelegenen Gesamtgemeinde Saterland gesprochen. Mit gut 1500 Sprechern ist das Saterfriesische die kleinste Sprache des friesischen Sprachzweiges, zu welchem außerdem das ebenfalls bedrohte und im Kreis Nordfriesland zu lokalisierende Nordfriesisch mit etwa 8000 Sprechern sowie das in der niederländischen Provinz Friesland beheimatete und als regionale Amtssprache anerkannte Westfriesisch mit etwa 350 000 Sprechern gehören. Saterfriesisch ist der letzte Vertreter des Ostfriesischen. Was man heute allgemein Ostfriesisch nennt, ist kein Friesisch, sondern eine Spielart des Niederdeutschen. Außerhalb des Saterlandes hat sich das Ostfriesische in Restbeständen bis ins 20. Jahrhundert hinein auf der Insel Wangerooge gehalten. Warum hat – im Gegensatz zu den anderen autochthonen ostfriesischen Varietäten – gerade das Saterfriesische bis heute überleben können? Die Antwort auf diese Frage ist einerseits in der Sprach- und Siedlungsgeschichte und andererseits – eng damit verbunden – in spezifischen sprachökologischen Bedingungen zu suchen, unter denen das Saterfriesische in Laufe seiner Geschichte existiert hat. Entstanden ist das Saterfriesische durch die friesische Landnahme zwischen 1100 und 1400, als zahlreiche an der Nordseeküste lebende Friesen durch wiederholte Sturmfluten heimatlos geworden waren und sich im Landesinneren ansiedelten. Im Saterland ließen sich friesische Siedler nieder, die ursprünglich aus der Küstenregion zwischen Weser und Lauwers stammten. Entscheidend für die weitere – und eo ipso auch sprachliche – Entwicklung waren die Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 spezifischen topographischen Verhältnisse des Saterlandes. Dieses ist auf einem ca. 15 Kilometer langen und bis zu vier Kilometer breiten Geestrücken gelegen, der seinerseits von Mooren umgeben ist. Aus diesem Grunde war das Saterland bis ins 20. Jahrhundert hinein nur schwer und bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts so gut wie gar nicht zugänglich. Nicht zuletzt diese topographische Isolierung hat zum Erhalt der Sprache wesentlich beigetragen, bei den wenigen Außenkontakten, welche die Saterfriesen mit ihrer Nachbarschaft zum Beispiel über den Torfhandel knüpften, bedienten sich die Saterfriesen des Niederdeutschen. Hinzu kam eine weitere Besonderheit: die Bevölkerung des Saterlandes gehört – im Gegensatz zu den Bewohnern des nördlich angrenzenden Ostfriesland – der katholischen Konfession an, was ein endogames Heiratsverhalten zur Folge hatte. Die heutige Situation unterscheidet sich von der des 19. Jahrhunderts grundlegend. Das Gebiet ist heute verkehrstechnisch gut erschlossen, es hat einen nicht unerheblichen Zuzug einer nicht-friesischen Bevölkerung gegeben – in den letzten Jahren u.a. durch sog. Russlanddeutsche –, wodurch in der inzwischen 12 000 Einwohner zählenden Gesamtgemeinde die Saterfriesen in die Position einer Minderheit geraten sind, und nicht zuletzt haben traditionelle Erwerbszweige der autochthonen Bevölkerung, vor allem die Landwirtschaft und der Torfabbau, an Bedeutung stark eingebüßt, so dass heute zunehmend mehr Saterfriesen lediglich außerhalb des Saterlandes Arbeit finden und pendeln. – Trotz zahlreicher Bemühungen, das Saterfriesische u.a. durch die Einrichtung von einschlägigen Kindergartengruppen und schulischen Kursen und entsprechenden Angeboten in der Erwachsenenbildung zu erhalten, und trotz der Tatsache, dass das Saterfriesische durch seine Aufnahme in die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen einen sprachpolitischen Schutz erfährt, muss die Sprache als stark gefährdet gelten. Ein nicht weniger bemerkenswertes Beispiel stellt Manx dar. Zusammen mit Bretonisch, Cornish, Kymrisch, Irisch-Gälisch und Schottisch-Gälisch gehört Manx der keltischen Sprachfamilie an. Zusammen mit den beiden letztgenannten zählt es zum nördlichen Zweig der keltischen Sprachen. Konsultiert man die linguistische Literatur, so gelangt man zu der Überzeugung, dass die Manx seit fast 30 Jahren ausgestorben ist. Das Argument für diese Behauptung liefert jeweils die Tatsache, dass Ned Maddrell, der letzte native speaker, der Manx als Erstsprache im ungesteuerten Spracherwerb erlernt hat, im Jahre 1974 gestorben ist. Davon, dass dies nicht so ist, kann sich jeder überzeugen, der die Isle of Man heutzutage besucht und mit offenen Sinnen die Insel erkundet. Wie verträgt sich ein solcher Befund mit der in der linguistischen Fachliteratur immer wieder zu lesenden und mit Hartnäckigkeit kolportierten Behauptung? – Es scheint evident, dass diese Behauptung zumindest in ihrer Pauschalität nicht aufrecht zu erhalten ist. Mag man die Tatsache, die vom Inselparlament in der vergangenen Legislaturperiode beschlossenen Gesetze am Tynwald Day, der Neueröffnung des Parlaments, sowohl auf Englisch als auch als auch auf Manx öffentlich verkündet werden, als ein relikthaftes Ritual interpretieren, welches hinsichtlich der Vitalität des Manx keine gesicherten Schlüsse erlaubt, so weist die Tatsache, dass Manx-Radio neben englischsprachigen Sendungen auch Sendungen in Manx ausstrahlt, darauf hin, dass Manx als kommunikatives Medium durchaus in Gebrauch ist. Wie verträgt sich all dies mit der unbestrittenen Tatsache, dass mit 5 Bedrohte Sprachen Ned Madrell der letzte native speaker des Manx im engeren Sinne verstorben ist? Tatsache ist, dass es seit den späten 1930er Jahren eine Reihe von Sprechern gab, die Manx zwar nicht im ungesteuerten Spracherwerb als Erstsprache, aber doch mit Unterstützung der letzten Muttersprachler als Zweitsprache erlernt hatten und die sich darüber hinaus auf eine von Eamon de Valera bei einem Besuch der Isle of Man im Jahre 1947 angeregte Dokumentation von gesprochenem Manx stützen konnten. Insofern gibt es eine ununterbrochene Kontinuität in der Weitergabe der Sprache, auch wenn man hier einen qualitativen Sprung vom ungesteuerten Erstspracherwerb zum gesteuerten Zweit-, Drittoder Xspracherwerb zu konstatieren hat. Inwieweit sich dies auf die lexikalische und syntaktische Struktur der Sprache ausgewirkt hat, ist meines Wissens noch nicht untersucht worden. Es gibt aber gute Gründe für die Annahme, dass die sprachlichen Veränderungen zwar einerseits bedeutsamer sind als bei der ungesteuerten Weitergabe an die folgende Generation, andererseits dürften sie jedoch erheblich geringer sein als im Falle von Sprachen, bei denen eine Kontinuität im oben skizzierten Sinne nicht nachzuweisen ist. Die erwähnte Tradition des Zweit-, Dritt- oder Xsprachenerwerbs von Manx ist bis heute nicht abgebrochen, so dass sich als vorläufiges Fazit feststellen lässt, dass es heute zwar niemanden mehr gibt, der Manx als Erstsprache im ungesteuerten Spracherwerb erlernt, dass aber trotzdem eine Reihe von Menschen Manx als Zweit-, Dritt- oder Xsprache erlernt haben und erlernen. Unter soziolinguistischen Gesichtspunkten kann die Isle of Man als eine Art Labor betrachtet werden, in welchem an einem überschaubaren Beispiel untersucht werden kann, welche Revitalisierungschancen eine totgeglaubte Sprache unter günstigen ökologischen Bedingungen in einer modernen Gesellschaft heutzutage hat. Eine entsprechende, über mehrere Jahre laufende Longitudinalstudie könnte Ergebnisse erbringen, die trotz aller Spezifika für Revitalisierungsbemühungen weltweit von Interesse wären. Jan Wirrer Weltatlas der Sprachstrukturen (BUZ) Die Pluralmarkierung in den Sprachen der Welt (siehe Titelseite) ist eines von 120 Strukturmerkmalen, untersucht im Projekt „Weltatlas der Sprachstrukturen“ auf einer Basis von 150 bis 400 Sprachen. Noch nie zuvor konnten auf einer so breiten und integrierten empirischen Basis und aus einer globalen Perspektive Fragestellungen wie die folgenden untersucht und typologische Hypothesen geprüft werden: Welche Strukturmerkmale kommen in fast allen Sprachen vor? Welches Ensemble von Eigenschaften ist charakteristisch für welche Sprachen? Welche Gemeinsamkeiten sind auf Sprachverwandtschaft und welche auf Sprachkontakt zurückzuführen? Und welche Eigenschaften einer Sprache sind Zeugnis einer längst untergegangenen anderen Sprache? Angesiedelt ist das Projekt „Weltatlas der Sprachstrukturen“ am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Eine Publikation von 120 Karten mit Beispieldaten und einer CD-ROM erscheint in Kürze, erarbeitet von 40 international anerkannten Experten und herausgegeben von Bernard Comrie, Matthew Dryer, David Gil und Martin Haspelmath. Mit der CD-ROM wird es möglich, selbst nach sprachbezogenen Strukturmustern zu suchen, nach Abhängigkeiten und Korrelationen von Laut-, Wort- und Satzstrukturen sowie lexikalischen Strukturen. Ein unerwartetes Ergebnis dieser Untersuchungen ist zum Beispiel, dass nur acht Prozent der Sprachen der Welt die uns wohlvertraute Unterscheidung zwischen einem bestimmten und unbestimmten Artikel (das Bild, ein Bild) kennen. (http://www.eva.mpg.de/lingua/research/research.html). 6 Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Bedrohte Sprachen Der TASX-Annotator ermöglicht die interaktive Erstellung multimodaler Korpora. Durch die unmittelbare Einbindung der Video- und Audiodaten in den Transkriptionsprozess vereinfacht sich die integrative Bearbeitung der betrachteten Teilmodalitäten. Sprachtechnologie für Text-, Audio- und Video-Daten (BUZ) Zur Erfassung und Analyse zeitlich geordneter und multimodaler Sprachdaten hat der Bielefelder Linguist Dr. Jan-Torsten Milde sprachtechnologische Tools für Text, Audio- und Video-Daten, den TASX-Annotator, entwickelt. TASX, Time Aligned Signal Data Exchange Format, und die hierauf aufsetzenden Werkzeuge bieten dem Linguisten technische Unterstützung bei der Annotation eines Korpus, das heißt einer repräsentativen Sammlung von Sprachdaten, der Korpuserstellung, der Korpusanalyse und der Korpusdissemination. Im TASX-System wird es durch einen weitgehend theorieneutralen, texttechnologisch motivierten Modellierungsansatz möglich, Korpora mit unterschiedlicher Zielsetzung in einer einheitlichen Basistechnologie zu erfassen. Das technische Rahmenwerk definiert so einen Ansatz zur vereinheitlichten Beschreibung und Verarbeitung sprachlicher Daten. TASX wird derzeit in einer Reihe von Forschungsprojekten an Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 der Universität Bielefeld verwendet, so von den Sprachdokumentationsprojekten Ega und Saterfriesisch, aber auch von Projekten zur Gesprächsanalyse im Kontext mehr- sprachigen Unterrichts und zur Untersuchung des Prosodieerwerbs beim Erlernen einer Fremdsprache. „Der TASX-Annotator“ – so sagt Jan-Torsten Milde – „ermöglicht die interaktive Annotation von Video- und Audiodateien auf einer beliebigen Anzahl von Beschreibungsebenen. Dabei können im Videomodus mehrere Videos synchron bearbeitet werden. Hierdurch wird es beispielsweise möglich, Szenen aus unterschiedlichen Perspektiven aufzunehmen und diese dann parallel auszuwerten. Das System stellt eine Vielzahl von Funktionen zur Manipulation von Beschreibungsebenen und den darin kodierten Ereignissen zur Verfügung. So können beispielsweise Ebenen eingefügt, verschoben, gruppiert, kollabiert und expandiert werden, Ereignisse verschoben, deren Grenzen angepasst, an beliebiger Stelle aufgetrennt und miteinander verschmolzen werden. Für die Annotation der Sprachdaten können beliebige Zeichensätze verwendet und damit Korpora in nahezu jeder Sprache aufgebaut werden.“ Derzeit wird an der Anpassung der Benutzeroberfläche an mehrere Sprachen gearbeitet. Aktuell existieren bereits eine englische, deutsche und japanische Fassung. Eine russische, arabische und polnische Version soll folgen. Das Programm und alle damit verbundenen Komponenten sind unter Open Source-Bedingungen frei erhältlich und können unter der Adresse: http://tasxforce.lili.unibielefeld.de/ abgerufen werden. 7 Bedrohte Sprachen Rahmenbedingungen der Dokumentation von Sprachen (BUZ) Linguisten und Computerlinguisten der Universitäten Melbourne, Michigan und Bielefeld (Dafydd Gibbon) haben Rahmenbedingungen praktikabler effizienter Sprachdokumentation für bedrohte Sprachen (Workable Efficient Language Documentation) festgelegt. Zu erfüllen sind die Bedingungen: • Comprehensive – umfassend: Alle Sprachgemeinschaften haben ein Recht darauf, dass ihre Sprache dokumentiert wird, vorrangig sind aber bedrohte Sprachen zu dokumentieren. • Efficient – effizient: Einfache, praktikable, effiziente Hardware- und Software-Tools werden benötigt, um Sprachwissenschaftlern vor Ort, besonders in den Entwicklungsländern, zu ermöglichen, die Sprachen ihres Landes zu dokumentieren. • State of the art – auf dem neuesten Stand: Moderne Austauschformate (XML) und automatische Analysetechniken der Computerlinguistik, der Sprachtechnologie und der Künstlichen Intelligenz (z. B. Maschinelles Lernen) müssen zur Erhöhung der Effizienz eingesetzt werden. • Affordable – bezahlbar: In der dritten Welt sind modernste Hardware- und Softwareplattformen selten anzutreffen, Internet-Verbindungen und Email sind kaum bezahlbar, also müssen preiswerte, bezahlbare Lösungen und Abwärtskompatibilität mit diesen Lösungen angestrebt werden. • Fair – gerecht: Wenn Sprachgemeinschaften und Kollegen vor Ort ihre Sprachdaten der weltweiten Wissenschaft zur Verfügung stellen, dann müssen im Austausch open source-Werkzeuge zur Bearbeitung dieser Daten diesen Gemeinschaften und Kollegien zur Verfügung gestellt werden. Andernfalls unterscheidet sich die Wissenschaft ethisch grundsätzlich nicht von anderen Formen der ökonomischen Ausbeutung der dritten Welt. 8 Rechenschaftsbericht des Rektors Spektakuläre Forschungsergebnisse und die Studienstrukturreform haben das Jahr geprägt (BUZ) Der Rektor der Universität Bielefeld, Professor Dieter Timmermann, hat am 12. Februar im Universitätssenat seinen Rechenschaftsbericht 2002 abgegeben, den wir hier in Auszügen veröffentlichen. Der volle Wortlaut des Berichts findet sich im Internet unter: www.uni-bielefeld.de | Aktuelles | Dokumente | Rechenschaftsbericht. Das Jahr 2002 war für die Hochschulen nicht zuletzt von bundesweit ausstrahlenden Debatten geprägt. Zu Beginn gab es eine lebhafte Diskussion um das neue Dienstrecht und seine Befristungs- und fehlenden Übergangsregelungen. Etwas überraschend wurde Bielefeld zum bundesweiten Zentrum der Kritik an Teilen der Dienstrechtsreform, die unter anderem erhebliche Beeinträchtigungen bei der über Drittmittel finanzierten Projektforschung befürchten ließ. Nicht nur der davon besonders betroffene akademische Mittelbau meldete sich öffentlichkeitswirksam zu Wort, sondern auch prominente Professoren. Der Senat verabschiedete dazu eine sehr abgewogene Resolution, die die Dienstrechtsreform grundsätzlich nicht in Frage stellt, sondern sich mit den genannten Problemen auseinandersetzt. Es ist nicht zuletzt Vorschlägen aus Bielefeld zu verdanken, dass es schließlich zu Nachbesserungen kam. Die Universität hat inzwischen sechs Juniorprofessuren besetzt und wird zunächst Erfahrungen mit dieser im Vorfeld ebenfalls teilweise heftig kritisierten Neuerung sammeln. Das bedeutet weiterhin kein grundsätzliches Votum für die flächendeckende Abschaffung der Habilitation. Wissenschaft muss sich stärker als bisher in einer auch für Laien verständlichen Form präsentieren. An der Universität Bielefeld stellen jetzt renommierte Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse in dem neuen Format „Wissenschaft live – Verständliche Wissenschaft“ der Öffentlichkeit vor; so auch der aus mehreren Fernsehsendungen einem größeren Publikum bekannte Psychologie-Professor Hans J. Markowitsch. Er sprach in der vom Campusradio live übertragenen Diskussionsveranstaltung über „Gedächtnis und Gehirn“. Das Foto zeigt (von links): Moderatorin Katharina Kohse-Höinghaus, Hans J. Markowitsch, Superintendentin Regine Burg, Rektor Dieter Timmermann, die Hertz-JuniorGruppe der Bielefelder Laborschule und den Philosophen Ansgar Beckermann. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Rechenschaftsbericht Mit besonderer Sorge wurde die Entwicklung der öffentlichen Haushalte beobachtet. Für die Universität ist es von herausragender Bedeutung, dass die mit dem Qualitätspakt verbundene Planungssicherheit bis 2004/06 auch wirklich erhalten bleibt, um strategische Weichenstellungen und damit eine langfristig wirksame Profilbildung zu ermöglichen. Am 10. Mai wurde die seinerzeit vom Senat zustimmend zur Kenntnis genommene Zielvereinbarung mit dem Land zur weiteren Entwicklung der Universität bis 2004 unterzeichnet. Sie betrifft unter anderem die Bereiche Genomforschung/Bioinformatik/Strukturbiochemie/Nanowissenschaften sowie Lehrerausbildung, Public Understanding of Science and Humanities de. Die damit verbundene erweiterte Finanzautonomie wird allerdings bedauerlicherweise weiter durch die zentrale Bewirtschaftung der Liegenschaften durch das Land konterkariert. Haushaltsprobleme hat es im Jahr 2002 glücklicherweise nicht in überdurchschnittlichem Maß gegeben. Wie sich die Einbrüche bei den Steuereinnahmen in diesem Jahr auf die Hochschulen auswirken werden, ist zum Teil schon absehbar. Erhebliche Einbußen wird es bei den Mitteln aus dem Zentralkapitel geben. Die Mittel aus Schöpfungen werden um 20 Prozent gekürzt – davon ist Bielefeld durch den Globalhaushalt aber nicht betroffen. Nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Finanzautonomie ist die Einführung der Kostenund Leistungsrechnung zu sehen, die flächendeckend eingeführt wurde. Nach langer Vorarbeit hat die Universität jetzt eine neue Grundordnung, deren Praktikabilität sich nun erweisen muss. Strukturelle Neuerungen Die Bielefelder Historikerin Ute Frevert beendete im Wintersemester 2002/2003 mit ihrem Beitrag „Gute Europäer – und wer sich vor ihnen fürchten könnte“ die auch im kommenden Sommersemester fortgesetzte Reihe „Wissenschaft live“, in der zuvor die Professoren Andreas Dress, Dario Anselmetti und Hans J. Markowitsch ihre Forschungen zur Diskussion stellten. (PUSH), Politikwissenschaft und Medienwissenschaften, wobei die traditionell an der Universität verankerte Interdisziplinarität für diese Bereiche von besonderer Bedeutung ist. Mit dem Modellversuch zur konsekutiven Lehrerausbildung hat Bielefeld einen großen Schritt im Rahmen der generellen Internationalisierung der Studienstruktur gemacht, der ebenfalls bundesweit mit Interesse verfolgt wird. Seit dem 1. Januar 2003 ist die Universität Bielefeld eine von vier Hochschulen des Landes, in denen der Globalhaushalt eingeführt wurBielefelder Universitätszeitung 213/2003 len Aktivitäten in der Universität unter einem Dach zusammengefasst und gemanagt werden. Das Institut für Didaktik der Mathematik ist im Berichtszeitraum als wissenschaftliche Einrichtung in die Fakultät für Mathematik eingegliedert worden. Zum Institut für Wissenschafts- und Technikforschung und zum Forschungsschwerpunkt Mathematisierung hat der Senat entsprechend seiner Grundsätze für die Neugründung von zentralen wissenschaftlichen Einrichtungen die Weiterführung beider Einrichtungen mit neu konzipierten zukunftsorientierten Forschungsfeldern empfohlen. Die langjährige gute Zusammenarbeit mit den von Bodelschwinghschen Anstalten wurde im letzten Jahr durch die Gründung eines An-Instituts für interdisziplinäre Epilepsieforschung bestätigt. Mit dem Institut für Evangelische Theologie und Religionsdidaktik wurde erstmals auch eine gemeinsame Einrichtung mit der Kirchlichen Hochschule Bethel gegründet. Wichtigste strukturelle Änderung Forschung des letzten Jahres ist die Auflösung der Fakultät für Theologie, Geogra- Inzwischen hat man sich in der Uniphie, Kunst und Musik. Die Zahl der versität fast schon daran gewöhnt, Fakultäten der Universität Bielefeld dass jedes Jahr die Summe der einwurde damit erstmals in ihrer geworbenen Drittmittel in ganz Geschichte reduziert. Das Rektorat erheblichem Umfang ansteigt. Auch hofft, dass die Betroffenen sich in für 2002 ist wieder ein Rekord zu den neu zugeordneten Fakultäten vermelden: gegenüber der auch für für Geschichtswissenschaft und Philosophie (und nun auch Theologie), Soziologie und Linguistik und Literaturwissenschaft schnell zu Hause fühlen. Mit dieser Umorganisation hängt auch die Errichtung eines „Ästhetischen Zentrums“ zusammen, mit der im letzten Jahr begonnen wurde. Hier sollen die vielfältigen, aber bisher sehr zersplitterten „Nano-Igel“, „Blaue Zitrone“ und diese Nanokugel künstlerisch-kulturel- gehören alle zu den in Bielefeld entdeckten Kepleraten. 9 Rechenschaftsbericht Bielefelder Verhältnisse gewaltigen Summe von 58,3 Mio. DM (29 Mio Euro€) gab es nochmals einen Anstieg auf 34 Mio. Euro€. Der Umfang an zusätzlichen Zuwendungen aus Landesmitteln ist mit ca. 3 Mio. Euro konstant geblieben. Ein erheblicher Anteil davon geht auf die Mittel für Sonderforschungsbereiche, Forschergruppen, Graduiertenkollegs, auf die Genomforschung und die Gesundheitswissenschaften zurück. 17 24 October 2002 International weekly journal of science £7.00 www.nature.com/nature Attosecond physics Snapshots of an excited atom Ageing How the worm declines Climate change Natural-born storms Quantum computing autumn books seasonal offerings 9 770028 083071 43 NOT now Am 1. Januar 2002 nahm der neue Sonderforschungsbereich 613 „Physik von Einzelmolekülprozessen und molekularer Erkennung in organischen Systemen“, an dem auch Biologen und Chemiker beteiligt sind, seine Arbeit auf. Mit herausragenden Ergebnissen wurde der Sonderforschungsbereich 360 „Situierte künstliche Kommunikatoren“, der von Linguisten und Informatikern getragen wird, verlängert. Allerdings zeigt sich bisweilen auch, dass es nicht immer leicht ist, einen derart komplexen Organismus wie einen Sonderforschungsbereich über einen langen Zeitraum zusammenzuhalten. Seit 1. Juni fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung einen großen Forschungsverbund zum Thema „Desintegrationsprozesse – Analysen zur Stärkung von Integrationspotenzialen einer modernen Gesellschaft“, dessen Konzept vom Institut für interdisziplinäre Konfliktund Gewaltforschung entwickelt wurde und der auch von hier aus koordiniert wird. Darüber hinaus spielt Bie10 lefeld eine zentrale Rolle bei einem mehrere Spitzenplätze im von ebenfalls neu etablierten For- STERN und CHE im letzten Jahr verschungsverbund Pflegewissen- öffentlichten Ranking. Es ist gute schaft. Tradition in der Universität, solche Gute Fortschritte machen weiter Rankings nicht überzubewerten, die Bemühungen um die Förderung aber einen gewissen Aussagewert des wissenschaftlichen Nachwuch- und vor allem eine nicht zu unterses durch ein geordnetes Doktoran- schätzende Öffentlichkeitswirksamdenstudium, das sich (selbstver- keit wird man ihnen nicht abspreständlich) als dritte Stufe der neuen chen können. BA/MA-Studienstruktur etablieren soll. Dabei ist es im Sinne der Inter- Lehre nationalisierung, wenn dazu Graduate Schools eingerichtet werden. Mit dem Modellversuch zur LehrerZum Wintersemester haben erfreuli- ausbildung hat sich die Universität cherweise gleich zwei Graduate für ein ambitioniertes Unternehmen Schools ihre Arbeit aufgenommen, entschieden, das viel Energie von nämlich in Chemie/ Biochemie und allen Beteiligten erfordert (und das in der Soziologie. Außerdem wurde sind sehr viele), dessen Gelingen in der Soziologie ein weiteres Gradu- aber auch weichenstellend für die iertenkolleg mit dem Titel „Weltbe- Reformierung dieses großen Stugriffe und globale Strukturmuster: dienbereichs nicht nur in NordrheinAusdifferenzierung und funktionale Westfalen sein dürfte. Als einzige Diversifikation der Weltgesellschaft“ Universität bezieht sich die Reform etabliert, und zum 1.10.2002 wurde bei uns nicht nur auf das Lehramt für das von der Hans-Böckler-Stiftung Gymnasien wie in Bochum, sondern geförderte Promotionskolleg „Der auch auf die Ausbildung für das Einfluss sozialer Faktoren auf das Lehramt an Grund-, Haupt- und Leistungsgeschehen im Gesund- Realschulen. Die Strukturreform heitswesen der BRD“ in der Fakultät bezieht sich aber selbstverständlich für Gesundheitswissenschaften ein- nicht auf die Lehramtsstudiengänge gerichtet . allein: inzwischen sind auch alle Spektakuläre, weit über die Magisterstudiengänge ausgesetzt Grenzen der eigenen Fächer wahr- und in das konsekutive Modell übergenommene Erfolge gab es für Bie- führt worden. Auch der Diplomstulefelder Naturwissenschaftler mit der diengang Sport wurde bereits umgeSynthese des NanoIgels, eines riesenhaften anorganischen Moleküls und (im Zusammenhang Promotion mit dem Sonderforschungsbereich „Physik von Einzelmolekülprozessen Fachwisund molekularer Master mit senschaftErkennung in organiLehramtsoption licher schen Systemen“) Master mit der Erzeugung ultrakurzer Lichtblitze im AttosekundenBereich. Beides beEin-FachZweideutete „WeltreBachelor Fachkord“. Bachelor Dass Bielefeld in der Forschung weiter eine „Top-Adresse“ bleibt, zeigen auch Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Rechenschaftsbericht stellt. Von diesen Neuerungen versprechen wir uns unter anderem eine Verkürzung der Studienzeiten und die Erhöhung der Erfolgsquoten. Damit soll zugleich ein umfassender Studienreformprozess verbunden sein. Zentrale Stichworte dazu sind mehr Praxisanteile im Studium und andere, innovative Unterrichtsformen. Entscheidend für den Erfolg der Reform wird nicht zuletzt sein, ob die Wirtschaft die neuen Abschlüsse akzeptiert, wobei ein derart exportabhängiges Land wie die Bundesrepublik mit einer Internationalisierung in der Ausbildung eigentlich keine Probleme haben dürfte. Nach der Einführung der Bachelor-Studiengänge entstehen jetzt Stück für Stück die Entwürfe für die Master-Studiengänge. Die erste Fakultät, die die Stufung bereits bis zum PhD eingeführt hat, ist die Fakultät für Gesundheitswissenschaften. Die Befürchtung, die neue Studienstruktur würde potenzielle Studierende zunächst einmal abschrecken, hat sich bisher nicht bestätigt. Ganz im Gegenteil ist die Studienanfängerzahl zum Wintersemester gegen den Bundes- und Landestrend sogar leicht angestiegen, wobei fast zwei Drittel dieser Anfänger Frauen waren. Das Lehrangebot hat sich im letzten Jahr erneut erweitert. Mit dem Bachelor-Studiengang „Politikwissenschaft“ wird der im Qualitätspakt angestrebte Ausbau dieses Bereichs fortgeführt. Einen neuen Bachelor-Studiengang bietet auch die Fakultät für Gesundheitswissenschaften mit „Gesundheitskommunikation“ an, ein Thema, dessen Relevanz auf der Hand liegen dürfte. Im Rahmen der Umstellung des Diplomstudienganges auf BA/MA bietet die Sportwissenschaft im Master neben dem „traditionellen“ Schwerpunkt „Prävention und Rehabilitation“ nun auch einen Master mit integriertem Beifach Betriebswirtschaft zum Schwerpunkt „Entwicklung und Management“ an – auch dies angesichts der nicht zuletzt wirtschaftlichen Bedeutung von Sport sicherlich außerordentlich sinnvoll. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen finanziert das Bundesministerium für Bildung und Forschung den Einstieg in die „Notebook-University“ des mobilen Lernens und Lehrens. Unter den ersten 12 geförderten Hochschulen ist auch die Universität Bielefeld mit den Bereichen Bioinformatik, Neurobiologie, Klinische Linguistik, Rechtswissenschaft und Mediengestaltung, in denen die Nutzung neuer Medien in der Lehre besonders unterstützt wird. sierte Förderunterricht für Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache, der jetzt durch die Mercator-Stiftung (aber auch durch andere Spender) großzügig unterstützt wird. Inzwischen sind die Bielefelder Bemühungen in der Kooperation mit Schulen durch den Preis des Stifterverbandes im Wettbewerb „Übergänge“ auch übergreifend gewürdigt worden. Die Universität Bielefeld wurde zusammen mit fünf weiteren Hochschulen für ihr Gesamtkonzept zur Zusammenarbeit mit Schulen ausgezeichnet. Übergang Schule-Hochschule In ihren schülerorientierten Aktivitäten ist die Universität seit Jahren bereits sehr erfolgreich. Inzwischen gibt es Angebote für alle Altersstufen ab der Primarstufe („teutolab“) über „peanuts“ (Naturwissenschaften für Mädchen) bis zu „Eintauchen in die Wissenschaften“ für besonders begabte und motivierte Schüler der 13. Jahrgangsstufe (um nur einige dieser Aktivitäten zu nennen). Seit dem letzten Jahr läuft nun in Bielefeld das Programm „Studie- ren ab 16“. Nach guten Erfahrungen an anderen Universitäten können Schüler mit herausragenden Leistungen bereits während der Schulzeit reguläre Lehrveranstaltungen an der Universität besuchen. Augenblicklich bezieht sich dies auf die Fächer Mathematik, Chemie und Physik. Das Angebot soll aber auch auf andere Fächer ausgeweitet werden. Sehr erfolgreich entwickelt sich auch der gemeinsam mit der Stadt organi- Public Understanding of Science and Humanities (PUSH) / Öffentlichkeitsarbeit Auch der teilweise mit dem Übergang zwischen Schule und Hochschule verknüpfte Bereich PUSH gehört zu den im Qualitätspakt besonders berücksichtigten Aspekten bei der Weiterentwicklung der Universität. Generell zeigt sich in den letzten Jahren die Tendenz einer größeren Offenheit von Wissenschaftlern, ihre Ergebnisse allgemeinverständlich (und möglichst öffentlichkeitswirksam) bekannt zu machen, ohne dabei an Seriosität einzubüßen. Das „Forum Offene Wissenschaft“ leistet dabei seit Jahren wertvolle Dienste mit Vorträgen zu aktuellen Themen wie „Konflikt der Kulturen: Wie können wir zusammenleben?“. Aus gegebenem Anlass veranstalteten der Verein für Philosophie, die Abteilung Philosophie, das Zentrum für interdisziplinäre Forschung und das Rektorat gemeinsam ein Ringvorlesung mit dem Titel „Im Angesicht des Terrors: Zur Verteidigung der Aufklärung“. Auch die großenteils von Wissenschaftlern der Universität gestalteten Veranstaltungen zur Wehrmachtausstellung hatten eine außerordentlich gute öffentliche Resonanz. Im Wintersemester begann zudem mit „Wissenschaft live – verständliche Wissenschaft“ eine neue Vortrags- und Diskussionsreihe, in der prominente Wissenschaftler der Universität – von Hertz 87,9 übertragen – ihre Forschungen vorstellen und 11 Rechenschaftsbericht mit Gästen und dem Publikum darüber diskutieren. Dass PUSH aber schon bei den ganz Kleinen anfangen kann, beweist ein Mitarbeiter aus der Chemie, der mit großem Erfolg in Kindergärten mit Handpuppen kleine Experimente vorführt. Dass solche frühen Prägungen für die spätere Einstellung zu den Naturwissen- Über Neuerungen wie diese berichtet regelmäßig die im letzten Jahr eingerichtete Rubrik „Universität Bielefeld digital“ in der „Bielefelder Universitätszeitung“. Im letzten Jahr wurden auch die gestalterischen und technischen Voraussetzungen geschaffen, den Forschungsbericht der Universität elektronisch – als netzbasierte Datenbank – zu erstellen. Dies wird die Darstellung der Forschungsaktivitäten und -potenziale deutlich verbessern. Internationales / Absolventen-Netzwerk schaften eminent wichtig sind und damit auch eine Rolle bei der Studienfachwahl spielen, belegen Forschungen einer Professorin aus derselben Fakultät. Der große, vom Stifterverband 2002 erneut preisgekrönte Erfolg des teutolab hat nun dazu geführt, dass in einer Reihe von Partnerschulen der Region kleine „Filialen“ der Universitätseinrichtung aufgebaut und damit die langen Wartezeiten für Schulklassen durch den enormen Andrang in der Universität reduziert werden. Erfreulicherweise wird es demnächst auch eine Ausweitung auf physikalische Experimente und Mathematik geben. Eine wichtige Neuerung aus der Öffentlichkeitsarbeit der Universität ist die verbesserte Website mit einem Content-ManagementSystem, das eine Integration bestehender und neuer Seiten in das UniLayout ermöglicht. Gleichzeitig wurden elektronische Dienste wie das elektronische Kommentierte Vorlesungsverzeichnis“ eingebunden. 12 hier noch vor Bonn und Berlin den Spitzenplatz. Erfolgreich waren auch Physiker und Germanisten, während andere Bereiche an dieser Stelle ihre Aktivitäten noch intensivieren könnten. Auch das Absolventen-Netzwerk wird zusehends internationaler. Im Jahr 2002 bildeten sich erste Netzwerke von Absolventen der Universität Bielefeld in Polen und Taiwan. Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das Netzwerk weiter im Aufbau befindet und die Absolventen von den Fakultäten immer wieder auf die Möglichkeiten, die die Mitgliedschaft eröffnet, hingewiesen werden sollten. Im Jahr 2002 erzielte die Universität große Erfolge in den Mannschaftssportarten, die sie im Jahr des Hochschulsports 2003 zu wiederholen hofft. Bei den Herren wurde Bielefeld Deutscher Hochschulmeister im Handball und Vizemeister im Fußball. Die Damen als Titelverteidigerinnen wurden Vizemeister im Handball. Vielleicht sind diese für die Corporate Identity wichtigen Erfolge ein gutes Omen für das neue, durch die äußeren Rahmenbedingungen gewiss nicht einfacher werdende Jahr. Dass die Universität 2002 nicht nur im Sport, sondern insgesamt sehr erfolgreich war, ist hoffentlich, trotz notwendig geraffter Berichterstattung, deutlich geworden. Allen, die dazu in Forschung, Lehre und (Selbst-)Verwaltung beigetragen haben, sei auch diesmal herzlich gedankt. In den internationalen Beziehungen hat auch im letzten Jahr der Austausch mit Russland eine besondere Rolle gespielt, nicht zuletzt durch den Aufbau eines „Zentrums für Deutschland- und Europastudien“ in St. Petersburg. Inzwischen hat die Universität ein eigenes (wenn auch kleines) Stipendienprogramm für ausländische Studierende und Graduierte aufgelegt, das insbesondere auf Osteuropa bezogen ist. Weiterhin sehr erfreulich entwickeln sich auch die Beziehungen zur renommierten Universität Paris VII. Hier ist es bisher zu einer intensiven Zusammenarbeit vor allem in Physik und Chemie und in Geschichtswissenschaft gekommen. Nachdem bereits ein gemeinsamer Studiengang in Geschichte existiert, ist dies nun auch für Physik und Chemie geplant. Darüber hinaus ist auch ein gemeinsames Graduiertenkolleg in Physik in Vorbereitung. Traditionell ist die Fakultät für Mathematik für ausländische (Spitzen-) Wissenschaftler außerordentlich attraktiv. Dies wurde durch eine Studie der Humboldt-Stiftung wieder eindrucksvoll bewiesen: die Freude über den Gewinn der Deutschen HochschulmeisterFakultät belegte schaft im Hallenhandball. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Forschung Centrum für Biotechnologie Institute für Bioinformatik und für Genomforschung gegründet (BUZ) Unter dem Dach des Centrums für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld ist unlängst das Institut für Bioinformatik und jetzt auch – nach der Ernennung von Bernd Weißhaar zum Professor für Genomforschung – das Institut für Genomforschung gegründet worden. Wie in der Zielvereinbarung der Universität und dem Land NordrheinWestfalen vereinbart, erfolgt mit der Gründung der beiden Institute und der sich ebenso unter dem Dach des CeBiTec befindenden International Graduate School in Bioinformatics and Genome Research eine deutliche Profilschärfung in den Life Sciences. Institut für Bioinformatik Die Bioinformatik entwickelte sich in Bielefeld in drei Etappen. Schon 1992 beschäftigte sich die Arbeitsgruppe zifischer Ausbildungsbedarf entstand. So wurde an der Universität Bielefeld eine Professur für „Bioinformatik“ geschaffen und wenig später von der Deutschen Forschungsgemeinschaft eine weitere Professur für „Genominformatik“ eingeworben. Nach der Besetzung der Professur für Bioinformatik mit Ralf Hofestädt (l.) und der Professur für Genominformatik mit Jens Stoye (r.) – hier zusammen mit Robert Giegerich (Praktische Informatik) – konnte im vergangenen Dezember das Institut für Bioinformatik gegründet werden. Praktische Informatik um Professor Robert Giegerich mit den algorithmischen Problemen der biologischen Sequenzanalyse. Schon bald erkannte die Gruppe, dass mit den wachsenden Forschungsaufgaben der jungen Disziplin ein dringlicher und speBielefelder Universitätszeitung 213/2003 Nach Besetzung dieser beiden Professuren mit Jens Stoye und Ralf Hofestädt wurde im Dezember 2002 das Institut für Bioinformatik offiziell gegründet. Die Arbeitsgruppe Bioinformatik (Ralf Hofestädt) befasst sich mit drei verschiedenen Themenkreisen: der Modellierung metabolischer Prozesse mit formalen Regelsystemen, der Integration der vielgestaltig vorliegenden Informationen in einer wachsenden Zahl von Datenbanken sowie der Nutzung dieser Informationen vor allem für medizinische Fragestellungen. Die Arbeitsgruppe Genominformatik (Jens Stoye) beschäftigt sich mit Fragen des Sequenzvergleichs, sowohl im Kleinen mit der Suche nach verwandten Proteinen, wie auch im Großen mit dem Vergleich kompletter Genome im Hinblick auf ihre Gesamtstruktur und ihre Entwicklungsgeschichte. Daneben werden auch Verfahren zur Identifizierung von Proteinen aus Daten der Massenspektrometrie entwickelt. Die Arbeitsgruppe Praktische Informatik (Robert Giegerich) untersucht grundlegende Algorithmen und Programmiertechniken, die in der Sequenzanalyse zum Einsatz kommen, wie etwa Dynamische Programmierung oder effiziente IndexStrukturen für extrem große Datenmengen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Vorhersage von RNA-Sekundärstrukturen. Die Software-Werkzeuge, die in allen drei Gruppen entstehen, werden über den Bielefelder Bioinformatik-Server weltweit genutzt (http://bibiserv.techfak.unibielefeld.de). Mit den drei Arbeitsgruppen ist das Bielefelder Institut für Bioinformatik im nationalen und internationalen Vergleich gut besetzt – jedoch soll der Aufbau noch weiter gehen. Der Plan sieht vor, demnächst auch zwei Nachwuchsgruppen am Institut anzusiedeln, die die Gebiete „Algorithmen der Gen-Regulation“ und „Wissenschaftliche Visualisierung“ bearbeiten. Institut für Genomforschung Die Gründung des Instituts für Genomforschung erfolgte im Februar nach der Besetzung der Professur für Genomforschung durch Bernd Weißhaar. Weißhaar war bisher am MaxPlanck-Institut für Züchtungsforschung in Köln-Vogelsang tätig. Er 13 Forschung widmete sich dort der Genomforschung an der Modellpflanze Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) und wird diese Forschungsrichtung an der Universität Bielefeld fortsetzen. Dadurch wird die pflanzliche Genomforschung an der Bielefelder Hochschule erheblich verstärkt. Neben dem Lehrstuhl für Genomforschung und den beiden Nachwuchsgruppen zur Transkriptomik (Dr. Anke Becker) und Proteomik (Dr. Karsten Niehaus) wird dem Institut für Genomforschung noch die Zentrale Einheit für Genomforschung (ZFGB), die von Dr. Jörn Kalinowski geleitet wird, angegliedert. Die ZFGB unterteilt sich in vier Sektionen, die die apparative Ausrüstung für die Hochdurchsatzsequenzierung, für die Transkriptom- und Proteomanalyse sowie für die Biocomputing Unit vorhalten. Speziell die Biocomputing Unit kann als Herzstück der ZFGB bezeichnet werden, da sie die enormen Datenmengen, die sich aus Genomsequenzierung, Transkriptom- und Proteomanalyse ergeben, sammelt, verarbeitet und auswertet. Am Institut für Genomforschung sind bereits eine große Anzahl von Forschungsprojekten angesiedelt. Einige wenige sollen beispielhaft genannt werden: • Das DFG-Schwerpunktprogramm „Molekulare Grundlagen der Mykorrhizierung“ wird vom Institut für Genomforschung aus gesteuert. • Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat einen Großteil der apparativen Ausstattung des Instituts für Genomforschung finanziert und außerdem das Zentrum zur Leitung des Kompe- Wie ist die innere Uhr molekular aufgebaut? (BUZ) Seit Beginn des Wintersemesters 2002/2003 ist Dorothee Staiger Professorin für Pflanzliche Zellphysiologie an der Universität Bielefeld. Über ihre Forschungsaktivitäten gibt sie hier im Folgenden einen kurzen Überblick. tenznetzwerks „Genomforschung an Bakterien für den Umweltschutz, die Landwirtschaft und die Biotechnologie“ nach Bielefeld vergeben. • Die Europäische Union finanziert das Forschungsprojekt „Construction of Corynebacterium glutamicum strains producing either L-valine or D-pantothenic acid – a rational approach using genome research“, das von Bielefeld aus koordiniert wird. • Das Institut für Genomforschung ist an dem EU-Projekt „Integrated, functional and comparative genomics of the model legume Medicago truncatula“ beteiligt. Anlässlich der Gründung des Instituts für Genomforschung hielt Professor Bernd Weißhaar (r.) – hier zusammen mit dem Bielefelder Genetikprofessor Alfred Pühler – seine Antrittsvorlesung über „Genomforschung bei Pflanzen: Das Modellsystem Ackerschmalwand“. 14 Pflanzenbiologie Unser Zeitgefühl wird von zwei Faktoren bestimmt: zum einen von äußeren Einflüssen wie dem TagNacht-Rhythmus, zum anderen durch eine körpereigene Uhr. Diese innere Uhr macht sich vor allem dann bemerkbar, wenn man sie durcheinanderbringt. Das geschieht beispielsweise bei einem Langstrekkenflug über mehrere Zeitzonen. Kurioserweise wurden solche inneren Uhren zuerst bei Pflanzen entdeckt: Die Blätter einiger Pflanzen sind tagsüber in einer horizontalen Stellung maximal ausgebreitet, während sie in der Nacht abgesenkt sind, was als Schlaf der Pflanzen bezeichnet wurde. Diese rhythmischen Blattbewegungen setzen sich fort, wenn man die Pflanzen dauernd im Licht hält. Das zeigt, dass die Blattbewegung durch eine innere Uhr gesteuert werden muss, die im 24Stunden-Takt schlägt. Sie wird deshalb auch als circadiane Uhr bezeichnet, von lateinisch circa diem, etwa ein Tag. Man weiss heute, dass die innere Uhr aus so genannten „clock“Proteinen aufgebaut ist, die im 24Stunden-Takt ihre eigene Synthese an- und abschalten und dadurch einen selbstregulierten Schwingkreis bilden. Meine Arbeitsgruppe befasst sich mit der Frage, wie die innere Uhr molekular aufgebaut ist. Dazu verwenden wir eine unscheinbare Wildpflanze, Arabidopsis thaliana, die eine erstaunliche Karriere als Modellorganismus für pflanzenbiologische Fragestellungen gemacht hat. Wir haben ein Protein identifiBielefelder Universitätszeitung 213/2003 Forschung ziert, das vor allem abends aktiv ist, während es morgens in der Pflanze kaum nachzuweisen ist, also selbst einer circadianen Rhythmik unterliegt. Wir konnten zeigen, dass dieses Protein Bestandteil eines Schwingkreises ist, der der inneren Uhr nachgeschaltet ist und dazu dienen könnte, circadiane Signale in der Zelle weiterzuleiten und möglicherweise zu verstärken. Das Protein ist ein RNA-Bindeprotein und gehört damit zu einer wichtigen Klasse von Regulatorproteinen, da die Erbinformation, die als DNA vorliegt, zunächst in RNA umgeschrieben wird. Diese wiederum dient als Matrize für Bildung von Proteinen. Proteine, die RNA binden, begleiten ein RNA-Molekül also während seiner gesamten Lebensdauer und können seine Aktivität in der Zelle auf vielfältige Weise kontrollieren. Mit Hilfe so genannter Gen-Chips, die das Genom von Arabidopsis auf der Fläche einer Zehn-Cent-Münze tragen, haben wir gefunden, dass unser RNA-Bindeprotein tatsächlich andere RNA-Moleküle beeinflusst. Damit konnte zum ersten Mal gezeigt werden, dass die innere Uhr sich der Die Ackerschmalwand hat eine erstaunliche Karriere als Modellorganismus für pflanzenbiologische Fragestellungen gemacht. wichtigen Klasse der RNA-Bindeproteine bedient, um tagesrhythmische Prozesse zu kontrollieren. Wir sind nun daran interessiert, die Details dieser Regulation und die genaue Funktion des circadian oszillierenden RNA-Bindeproteins aufzuklären. Untersuchungen der inneren Uhr können auch von praktischer Bedeutung sein: Besonders in BreiBielefelder Universitätszeitung 213/2003 Die neue Ausgabe des Bielefelder Forschungsmagazins (Nr. 24/2002) ist unlängst erschienen. Das Magazin ist in der Informations- und Pressestelle der Universität Bielefeld – solange der Vorrat reicht – noch erhältlich. Mit Beiträgen von: Robert und Alexandra Ros, Katja Tönsing, Dario Anselmetti: Einzelne Biomoleküle im Visier. Martin Egelhaaf, Roland Kern, Rafael Kurtz, Anne-Kathrin Warzecha: Ein Blick ins Cockpit der Fliege – Von der Bildverarbeitung im Nervensystem zu künstlichen visuellen Systemen. Ipke Wachsmuth: Max, unser Agent in der virtuellen Welt – Eine Maschine, die mit dem Menschen kommuniziert. Britta Bannenberg: Korruption in Deutschland. Ingo Reichard: Schuldrechtsreform – Rechtsvereinheitlichung zwischen Wissenschaft und Politik – Wege zur Wiedergewinnung eines europäischen Ius commune. Alexa Geisthövel: Nahbare Herrscher – Die Selbstdarstellung preußischer Monarchen in Kurorten als Form politischer Kommunikation im 19. Jahrhundert. Mathias Albert, Tanja Kopp-Malek: Politikwissenschaft in Bielefeld. Achim Müller: Platon, Archimedes, das Faszinosum Wasser, Nanokugeln und „intelligente“ Materialien. ten mit starken jahreszeitlichen Klimaveränderungen müssen Pflanzen so rechtzeitig anfangen zu blühen, dass vor Einbruch des Winters die Samen ausgebildet sind. Zur Bestimmung der Jahreszeit nutzen Pflanzen aus, dass die Tageslänge sich im Verlauf des Jahres ändert. In Zusammenarbeit mit Professorin Catherine Patricia Fankhauser an der Universität Genf haben wir eine Arabidopsis-Mutante charakterisiert, die den Zeitpunkt des Blühbeginns nicht mehr richtig steuert. In dieser Mutante ist ein Gen defekt, dessen Produkt für die Funktion der inneren Uhr unabdingbar ist. Diese Resultate bestätigen die Vorstellung, dass Pflanzen die innere Uhr ausnutzen, sich über die Messung der täglichen Lichtdauer an die Jahreszeit anzupassen. 15 Forschung 2. Internationales SFB-Kolloquium Stimmengewirr im molekularen Dickicht (BUZ) Der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft seit 1998 geförderte Sonderforschungsbereich „Prozessierung und Signalwirkung extrazellulärer Makromoleküle“ veranstaltete im Februar sein 2. Internationales Kolloquium im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld. Seit Beginn der Förderung hat das damals als exotisch scheinende Forschungsgebiet des Sonderforschungsbereichs international an Bedeutung gewonnen. Insofern überraschte es nicht, dass die Organisatoren des Kolloquiums – SFB-Sprecher Harald Jockusch und Privatdozent Jörg-Walter Bartsch – zwölf auswärtige Sprecher, darunter auch Wissenschaftler aus San Diego und Kyoto, nach Bielefeld einladen konnten, mit den hiesigen Arbeitsgruppen aus den Fakultäten für Biologie und für Chemie sowie dem Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen Forschungsergebnisse und Forschungsgebiet des Sonderforschungsbereichs zu diskutieren. Resultat des konzentrierten Ideenaustausches waren zahlreiche Anregungen für neue Projekte und internationale Kooperationen. Das Forschungsgebiet des Sonderforschungsbereichs, wie es auf dem 2. Internationalen Kolloquium diskutiert wurde, fassen Harald Jockusch und Jörg-Walter Bartsch folgendermaßen zusammen: Die Zellen vielzelliger Pflanzen und der Tiere sind von einem Dickicht von Riesenmolekülen (Makromolekülen) umgeben. Bei Pflanzen bestehen sie hauptsächlich aus Zuckerbausteinen (wie die Zellulose), bei Tieren hauptsächlich aus Proteinen, die aber oft mit Zuckermolekülen besetzt sind. Dieses Gewirr von Makromolekülen wird bei tierischen Zellen als extrazelluläre Matrix bezeichnet, bei Pflanzen als Zellwand. In den letzten Jahren ist klar geworden, dass diese verfilzte Masse nicht nur die Zellen zusammenhält und sie durch seinen hohen Wassergehalt vor Austrocknung schützt. Die Masse ist auch das Medium für molekulare Botschaften von Zelle zu Zelle, die die Leistungen der Gewebe koordinieren. Beim Tod von Zellen, beispielsweise im Nerven16 system, wird eine Kaskade von Signalen durch diffundierende kleine Peptide (Ketten von Aminosäuren) in Gang gesetzt, die als „Cytokine“ bekannt geworden sind. Dieser Name bedeutet, dass sie Zellen auf Trab bringen. Bei Pflanzen spielen die Signale in der Zellwand eine wichtige Rolle bei der Erkennung von Eindringlingen, die entweder als Krankheitserreger abgewehrt werden müssen oder als nützliche Helfer, Symbionten, gastfreundlich aufgenommen werden. Die bei diesen Vorgängen beteiligten Moleküle umfassen neben Makromolekülen, aus denen versteckte Botschaften durch Enzyme herausgeschnitten werden, Rezeptoren in der Zellmembran, Proteinmoleküle, die außerhalb der Zelle Signalstoffe binden und das Signal ins Zellinnere leiten, sowie die Komponenten der Signalweiterleitung im Inneren der Zelle. In den Rezeptoren liegt begründet, was die Biologen als „Spezifität“ bezeichnen, die Schlüssel-Schloss-Beziehung zwischen Signalmolekül und Empfänger. Diese ist letztlich dafür verantwortlich, dass nur die „angesprochenen“ Zellen reagieren. Nur sie tragen den passenden Rezeptor. Aus dem Stimmengewirr der Signale wird so eine sinnvolle Botschaft. Die Signalkette endet oft im Zellkern. Dort werden als Antwort auf ein Signal Gene an- oder abgeschaltet, wodurch sich die Zelle auf eine neue Situation, zum Beispiel die Abwehr von Krankheitserregern, einstellen kann. Die Anwendungen der skizzierten Vorgänge liegen auf dem Gebiet der Medizin: Embryonale Stammzellen und metastasierende Tumorzellen wandern aufgrund von Signalen in der Extrazellulären Matrix. Tumorzellen und auswachsende Nervenfasern bahnen sich ihren Weg durch die Ausscheidung von matrixauflösenden Enzymen. Das gleiche tun Bakterien und Pilze beim Angriff auf pflanzliche Gewebe, die dabei freigesetzten Bruchstücke der pflanzlichen Zellwand (Ketten von Zuckerbausteinen der Matrixmoleküle) lösen bei der befallenen Pflanze Alarmsignale und Abwehrreaktionen aus. Falls es sich jedoch um „willkommene“ Symbionten handelt, werden die Abwehrreaktionen unterdrückt. Erkenntnisse über solche Signale können offensichtlich Anwendungen in der Human- und Pflanzenmedizin finden: Viele Signalstoffe lassen sich relativ einfach reinigen oder herstellen, und sie wirken in geringen Konzentrationen. Vorstellbar ist, mit solchen Substanzen das Vernarbungsgeschehen nach dem Untergang von Nervenzellen günstig zu beeinflussen, Vorgänge bei der Immunabwehr zu steuern oder Resistenz bei Pflanzen zu fördern. Rechtswissenschaft Kritik an Telefonüberwachung (BUZ) Gravierende Mängel in der bisherigen Praxis der Telefonüberwachung haben die Bielefelder Rechtswissenschaftler Otto Backes und Christoph Gusy sowie Maik Begemann, Siiri Doka und Anja Finke nach Abschluss ihres von der VolkwagenStiftung geförderten Forschungsprojekts „Wirksamkeitsbedingungen von Richtervorbehalten bei Telefonüberwachungen“ festgestellt. Danach fühlen sich Richter „nicht dazu aufgerufen, bei ihren Entscheidungen auch die Interessen der über die Telefonüberwachung naturgemäß nicht informierten Beteiligten in irgendeiner Weise zu berücksichtigen; es fehlt jegliche Sensibilität dafür, dass es sich hierbei um Grundrechtseingriffe handelt“. Da Telefonüberwachungen in Einzelfällen durchaus notwendig seien, sei eine Verbesserung der rechtlichen Kontrolle erforderlich. Mehr im Internet unter: www.uni-bielefeld.de | Aktuelles | Meldungen (Kritik an Telefonüberwachung). Forschung 2. Klaus Immelmann-Vorlesung zur Verhaltensforschung Evolutionäre Veränderungen im biologischen Kalender der Vögel? (K.W.) In der von dem Bielefelder Verhaltensforscher Fritz Trillmich initiierten Klaus Immelmann-Vorlesung stellen herausragende Forscher neue Entwicklungen der internationalen Verhaltensforschung unter dem Namen des Gründers der Verhaltensforschung in Bielefeld einer breiteren Öffentlichkeit vor. Mit Unterstützung durch die Westfälisch-Lippische Universitätsgesellschaft ist die Klaus Immelmann-Vorlesung im Wintersemester 2002/ 2003 mit einem Vortrag von Professor Eberhard Gwinner zum Thema „Leben im Rhythmus der Jahres – Bedeutung, Mechanismus und evolutionäre Veränderungen des biologischen Kalenders der Vögel“ fortgesetzt worden. Gwinner, Leiter der Max-PlanckForschungsstelle für Ornithologie in chen führte Gwinner anschaulich vor Augen, welche Auswirkungen der Wechsel der Jahreszeiten in unseren Breiten auf das Fortpflanzungsverhalten bei Vögeln hat. In unseren Breiten sei der jahreszeitliche Wechsel der Tageslänge der so genannte „Zeitgeber“ für den Rhythmus des Lebens. Werden die Tage länger, so würden die Keimdrüsen der Vögel wachsen und die Brutperiode beginnt. Gwinner wies darauf hin, dass Hielt die 2. Klaus Immelmann-Vorlesung zur Verhaltensforschung: Eberhard Gwinner (r.), hier im Gespräch mit den Doktoranden Jo Voß (Mitte) und Carsten Lieshoff. Andechs und Seewiesen, ist einer der herausragenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der Ornithologie. Er ist durch seine langjährigen Studien zur Jahresperiodik und deren Einfluss auf die Fortpflanzung bei Vögeln sowie durch viele Studien zu Steuermechanismen des Vogelzuges international bekannt. Eberhard Gwinner ist Stresemann-Preisträger und Mitglied der Accademia Nazionale Dei Lincei, der auch bereits Galileo Galilei angehörte. Am Beispiel der SchwarzkehlBielefelder Universitätszeitung 213/2003 jedoch mehr als 66 Prozent aller Vogelarten in den Tropen unter einer konstanten Photoperiode lebten. Zeigen diese Vögel auch dort arttypische Fortpflanzungsperioden? Welche „Zeitgeber“ haben die Vögel in den Tropen zur Verfügung, wenn die Tageslänge ganzjährig konstant ist? Gwinner ging diesen Fragen an der afrikanischen Unterart des Schwarzkehlchen, die in Äquatornähe ohne offensichtlichen Jahresgang der Tageslänge lebt, nach und stellte fest, dass auch hier eine im Jahr zeitlich eng eingegrenzte Brutperiode bestehe. Experimente mit handaufgezogenen (2000 Nachkommen in 10 Jahren) afrikanischen Schwarzkehlchen würden zeigen, dass auch bei ihnen die Jahresperiodik durch eine innere Uhr gesteuert wird. Diese „circannuale innere Uhr“ sei allerdings auf etwa zehn Monate statt auf zwölf Monate „eingestellt“ und benötige zur exakten Eichung einen äußeren Faktor. Dieser Faktor sei in den Tropen wahrscheinlich die Beleuchtungsstärke am Tag, die sich im Laufe des Jahres ändert. „In den Regenzeiten ist es am Tag dunkler als in den Trockenzeiten. Die innere Uhr und die äußeren Eichungsfaktoren bestimmen somit den Lebensrhythmus bei Vögeln. Mit Hilfe der Rhythmik können Vögel ‚in die Zukunft planen‘.“ Mit der Steuerung des Vogelzugs ging Gwinner in der Klaus Immelmann-Vorlesung auf ein weiteres Gebiet seiner Verhaltensforschungen ein. Bekannt sei, dass die Mehrheit der Vögel zwischen dem Brutgebiet und ihrem Überwinterungsgebiet jährlich hin und her ziehe, wobei übrigens den Streckenrekord die Küstenseeschwalbe halte, die in Grönland brütet und in der Antarktis überwintert. Welche Faktoren bestimmen aber den Zeitpunkt des Wegzuges, die Route und Weglänge? Zur Klärung dieser Frage hat Gwinner mit handaufgezogenen Gartengrasmücken gearbeitet, die unter konstanten Tageslängen gehalten werden. Trotz dieser konstanten Bedingungen würden die Tiere zum „richtigen“ Zeitpunkt, das heißt dann, wenn die freilebenden Grasmücken aus Deutschland nach Mittelafrika aufbrechen, in Orientierungskäfigen eine gesteigerte Aktivität, die so genannte Zugunruhe, zeigen. Sie hüpfen häufiger auf radial im Käfig angebrachten Sitzstangen, die in die zu erwartende Zugrichtung zeigen. Dies bedeute, dass Zugrichtung und Zeitpunkt des Wegziehens endogen gesteuert werden. Die ziehenden Arten zeigten eine sehr hohe Winterquartierstreue und Rastplatztreue. Hierbei spielten Lernprozesse 17 Forschung eine wichtige Rolle. In Experimenten konnten Gwinner und seine Mitarbeiter zeigen, dass ziehende Arten – was die Raumorientierung angeht – lernfähiger sind als Standvögel, „nach dem Motto: Reisen bildet“. Vermutlich habe das Hormon Melatonin, das aus der Zirbeldrüse ausgeschüttet wird, eine zentrale Funktion bei der Steuerung des Zuges. Die Rolle des Melantonins wird zur Zeit von Professor Gwinner unter die Lupe genommen. Jedenfalls würden mehrere Mechanismen zusammen wirken, „wenn unsere Vögel sich mit der zeitlichen Einpassung von Fortpflanzung und Zugverhalten in den Jahreslauf an die Folgen der globalen Erwärmung anpassen müssen“. Zur Feier des zukunftweisenden Ausbaus ihrer apparativen Kapazität veranstaltete die Fakultät für Chemie ein Kolloquium, in dem die Professoren Nico M. M. Nibbering (Präsident der Internationalen Gesellschaft für Massenspektronomie, Amsterdam/Twente) und Michael Reggelin (Darmstadt) Vorträge über die bedeutenden Methoden der instrumentellen Analytik hielten. Das Foto zeigt von links Norbert Sewald, Matthias Letzel, Jochen Mattay, Nico M. M. Nibbering, Michael Reggelin, Andreas Mix und Dietmar Kuck. Neue Großgeräte in der Fakultät für Chemie / Basis für die Weiterentwicklung der Nano- und Biowissenschaften Strukturbildungsprozesse Moleküle und Ionen in starken Magnetfeldern Graduiertenkollegiaten beim Winterseminar in Klosters (BUZ) An der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld sind jetzt zwei neue wissenschaftliche Großgeräte installiert und in Betrieb genommen worden. Es handelt sich um zwei so genannte Spektrometer, mit denen chemische Verbindungen genauestens analysiert werden können: ein Massenspektrometer und ein Kernresonanz-Spektrometer im Gesamtwert von etwa zwei Millionen Euro. (BUZ) Das Graduiertenkolleg Strukturbildungsprozesse am Bielefelder Forschungsschwerpunkt Mathematisierung war erneut mit Posterpräsentationen und Vorträgen am weltweit bekannten Winterseminar „Biophysical Chemistry, Molecular Biology and Cybernetics of Cell Functions“ im schweizerischen Klosters vertreten. Mit diesen wichtigen Investitionen wird der Gerätepark in den Forschungsbereichen der Professoren Jochen Mattay und Norbert Sewald auf den wissenschaftlich neuesten Stand gebracht – bezeichnenderweise mit Techniken, für die die Che18 netfelder benutzt, um Ionen im Vakuum auf Kreisbahnen zu speichern (Massenspektrometrie) und die chemische Umgebung von Atomkernen in gelösten oder auch in festen Stoffen zu messen (Kernresonanz-Spektroskopie). Die elektromagnetischen Resonanzen der Ionen und Atomkerne liegen im Radiofrequenz- (MHz-) Bereich und können mit sehr hoher Genauigkeit ermittelt werden. Die neuen Großgeräte dienen großen Teilen der Fakultät für Chemie, aber auch verschiedenen Arbeitsgruppen aus den benachbarten naturwissenschaftlich-technischen Fakultäten der Universität als wichtiges Hilfsmittel zur Bearbeitung ihrer experimentellen Forschungsthemen. Sie dienen damit zugleich der Verbesserung der Lehre für fortgeschrittene Studierende und Doktoranden. Dies gilt insbesondere für die beiden an der Universität Bielefeld angesiedelten Sonderforschungsbereiche der Deutschen Forschungsgemeinschaft „Prozessierung und Signalwirkung extrazellulärer Makromoleküle“ (Fakultät für Biologie und Fakultät für Chemie) und „Physik von Einzelmolekülprozessen und molekularer Erkennung in organischen Systemen“ der Fakultäten für Physik, Chemie und Biologie. mie-Nobelpreise 2002 vergeben worden sind. Die beiden Großgeräte ergänzen und erweitern die an der Fakultät für Chemie vorhandene Ausstattung an derartigen Spektrometern. In beiden Fällen werden starke Mag- Von den sechs Bielefelder Jungforschern waren Daniel Eberhard und Dr. Stefan Grünewald aus insgesamt Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Forschung 35 Posteranmeldungen für Kurzvorträge ausgewählt worden. Beide konnten ihre Forschungsergebnisse unter den strengen Augen der Begutachter, darunter drei Nobelpreisträger, vorstellen. Das hochrangige Winterseminar war 1965 von Professor Manfred Eigen, Göttingen, Nobelpreisträger 1967 für Chemie und Ehrendoktor der Universität Bielefeld, gegründet worden. Das Seminar wird seit acht Jahren von der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld unter der organisatorischen Leitung von Professor Eberhard Neumann, einem Schüler von Eigen, gestaltet und unter organisatorischer Mitarbeit von Dr. Katja Tönsing, Fakultät für Physik, durchgeführt. Eine Reihe Bielefelder Professoren (Andreas Dress, Dario Anselmetti, Achim Müller, Eberhard Neumann) haben in den letzten Jahren als Plenarsprecher im Winterseminar mitgewirkt, in dem seit 1970 etwa 35 Nobelpreisträger mehrfach als Plenarsprecher teilgenommen haben. Die Themen des diesjährigen Seminars reichten vom Ursprung der biologischen Information und des Lebens bis hin zu Hirnfunktionen in neuronalen Netzwerken, die die Basis für unser Bewusstsein und Gedächtnis sind. Auch die Entwicklung des Auges, die Biosynthese von Proteinen, ihre dreidimensionale Faltungsstruktur und ihre Funktion als Biokatalysator und Energiewandler standen auf dem interdisziplinären Programm. Computer, die nicht sehen und fühlen können, die jedoch die moderne Aufgabe des „Evolutiv-organischen Computing“ schaffen können, waren ein weiteres Thema. Intensiv wurden auch die medizinisch relevanten ultraschnellen elektrischen Impulse diskutiert, die als Mikroskalpelle therapeutisch sogar das Zellinnere erreichen. Weitere wichtige Themen waren die neuen Verfahren der Einzelmoleküldiagnostik und die modernen Methoden der evolutiven Biotechnologie. In allen Bereichen klangen wiederholt Probleme der Mathematisierung von neuen Konzepten und neuen experimentellen Korrelationen an. Das Winterseminar, das einen wirksamen Beitrag zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses leisten will, bildete auch den wissenschaftlichen Rahmen für die Vergabe des Forschungspreises der Peter und Traudl Engelhorn-Stiftung zur Förderung der Biotechnologie und Gentechnik. Der mit 10 000 Euro dotierte Preis 2003 ging an eine der jüngsten Professorinnen Deutschlands, an Petra Schwille (Göttingen/Dresden). Zusammen mit dem stellvertretenden Sprecher des Graduiertenkollegs Strukturbildungsprozesse, Wolf-Jürgen Beyn, nahmen die Kollegiaten Daniel Eberhard und Stefan Grünewald an dem von Eberhard Neumann (v.l.) organisatorisch geleiteten Winterseminar im schweizerischen Klosters teil. Foto: Sergej Kakorin. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Sozialpsychologie Experten dürfen sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen (BUZ) Ein Team von Sozialpsychologen unter der Leitung von Gerd Bohner (Universität Bielefeld) fand heraus, dass ein renommierter Experte ablehnendere Reaktionen auslöst als ein blutiger Laie, wenn er schwache Argumente präsentiert. Gemeinsam mit seinen Kollegen Markus Ruder (Universität Erfurt) und Hans-Peter Erb (Universität Halle-Wittenberg) legte Bohner Versuchspersonen Texte vor, in denen verschiedene Autoren und Argumente miteinander kombiniert waren, und registrierte die Reaktionen. In allen Texten wurde für den Bau eines Straßentunnels plädiert. Angeblicher Autor des Textes war – je nach Versuchsbedingung – entweder ein achtzehnjähriger Schüler aus einer Jugendgruppe oder ein preisgekrönter Professor, der im Auftrag der Regierung ein Gutachten abgab. Unabhängig vom Autor wurde die Qualität der vorgebrachten Argumente variiert. Diese waren entweder eindeutig stark oder eindeutig schwach oder mittelmäßig. Wie sich zeigte, traf die Binsenweisheit, dass Experten größeren Einfluss ausüben als Nichtexperten, nur dann zu, wenn die vorgebrachten Argumente mittelmäßig waren. In diesem Fall interpretierten die Leser dieselben Argumente als überzeugender, wenn der Experte sie vorbrachte, als wenn der Laie sie äußerte. Bei mäßigen Argumenten darf sich der Experte also auf seine Autorität verlassen. Nicht so bei eindeutig starken oder eindeutig schwachen Argumenten. Hier führte die Diskrepanz zwischen den Erwartungen an den Autor und der tatsächlichen Qualität der vorgebrachten Argumente zu Kontrasteffekten: Der Professor mit schwachen Argumenten wurde abgewertet und hatte keine Chance zu überzeugen, der Laie mit starken 19 Forschung Argumenten hingegen wurde aufgewertet und übte beträchtlichen Einfluss aus. Bohner rät: „Wer überzeugen will, sollte folglich nicht unbedingt versuchen, sich als Experte zu präsentieren. Sind die Argumente nämlich schwach, dann enttäuschen sie die Erwartungen an einen Experten. Sind sie aber für sich schon überzeugend, so war von dem Experten auch nichts anderes zu erwarten. Wer sich vor ungerechtfertigtem Einfluss schützen will, sollte sich immer auch fragen, wie die Argumente gewirkt hätten, wenn sie von jemand anderem vorgetragen worden wären.“ Die Forschungsarbeit, deren Ergebnisse bedeutsam sind für das Verständnis von Einflussprozessen in Werbung, Marketing, Politik und Wirtschaft, erschien unter dem Titel „When Expertise Backfires“ im „British Journal of Social Psychology“, Heft 4 (2002). Die „London Times“ berichtete darüber in ihrem „Higher Education Supplement“ am 20.12.2002. 20 Institut für Weltgesellschaft Die Gesellschaft und ihre Reichweite – Wie zwingend ist die Weltgesellschaft? Das Institut für Weltgesellschaft der Bielefelder Fakultät für Soziologie und die „Zeitschrift für Soziologie“ veranstalteten im November eine Tagung über „Die Gesellschaft und ihre Reichweite – Wie zwingend ist die Weltgesellschaft?“. Namhafte Sozialwissenschafterinnen und -wissenschaftler nahmen zu der Frage Stellung, inwiefern die auch in der Öffentlichkeit als Globalisierung diskutierten sozialen Prozesse der Gegenwart die Wissenschaftsdisziplin Soziologie dazu auffordern, von einer weltumspannenden Gesellschaft zu sprechen. Hartmann Tyrell (Bielefeld), federführender Organisator der Tagung, wies in seinem Einführungsreferat darauf hin, dass der Begriff der „Gesellschaft“ in der Soziologie selbst nicht unumstritten sei. So habe Helmut Schelsky ihm in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Diagnose gestellt, aus dem begrifflichen Repertoire der Soziologie zu verschwinden, wie der der Seele aus dem der Psychologie. Und gerade auch Theoretiker der Globalisierung, wie Anthony Giddens oder Immanuel Wallerstein, wendeten sich gegen die Anwendung des Gesellschafts-Konzeptes auf weltweite soziale Verflechtungen, weil ihnen dieses Konzept zu sehr an nationalstaatliche Vorgaben gebunden sei. Im begriffsgeschichtlichen Teil seiner Ausführungen zeigte Tyrell allerdings auf, dass in der Tradition der schottischen Moralphilosophie (Adam Smith) mit der „commercial society“ schon Mitte des 18. Jahrhunderts ein Begriff zur Verfügung stand, der auf weltweite soziale Interdependenzen zielte. Der Vergegenwärtigung begriffsgeschichtlicher Traditionen widmeten sich auch die unmittelbar folgenden Referate. So zeigte Klaus Lichtblau (Kassel) für die deutsche Tradition, dass auf den Begriff der Gesellschaft in den Anfängen der Soziologie vielfach deshalb nicht zurückgegriffen worden sei, weil er durch die Entgegensetzung zum Staat eine ideologische Zuspitzung erfahren habe, von der es sich zu distanzieren gegolten habe. Deshalb habe etwa Max Weber von vorn herein nicht der Sinn danach gestanden, für seine universalhistorischen Forschungen das Konzept der Gesellschaft in Anspruch zu nehmen. Eine zweite Abteilung von Referaten widmete sich Fragen der Integration einer globalen Gesellschaft. Uwe Schimank und Stefan Lange (beide Hagen) argumentierten, dass eine Weltgesellschaft vor das Problem gestellt sei, Substitute für die Funktion der Beschränkung überkomplexer Möglichkeitshorizonte zu finden, die bisher der Nationalstaat erfüllt habe, indem er zum Beispiel in ökonomischer Hinsicht durch Einfuhrbeschränkungen und Zölle die wirtschaftliche Konkurrenz beschränkt habe. Richard Münch (Bamberg) zeichnete den Prozess der Restrukturierung der Sozialintegration unter Bedingungen der Globalisierung nach. Mit der Herausbildung eines globalen gesellschaftlichen Zusammenhanges erübrige sich zunehmend die Differenzierung zwischen Binnen- und Außenmoral. Gleichzeitig sei aber eine Reformulierung der Sozialintegration beobachtbar, die sich dem Paradigma der „Fairness“ bediene. Münch zeigte dabei auf, welche Akteure (Multinationale Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen, WTO, IWF usw.) diesem Paradigma globaler Sozialintegration Geltung verschafften. Darauf, dass ein solcher Prozess nicht schmerzlos erfolge, weil der Durchsetzung eines neuen Prinzips der Integration die Zerstörung eines vorangehenden korrespondiere, wies er in der Diskussion hin. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Forschung Unter dem Gesichtspunkt insbesondere der ökonomischen Globalisierung diskutierte Hans-Peter Blossfeld (Bamberg) die Auswirkungen des gegenwärtigen sozialen Wandels auf individuelle Lebensverläufe. Diese Auswirkungen könnten dabei als zunehmende Unbestimmtheit von Entscheidungssituationen und Flexibilisierung von Selbstbindungen bestimmt werden. Blossfeld wies allerdings auf die Bedeutung der einzelnen nationalstaatlichen Institutionensysteme für die Frage hin, welche Auswirkungen die Globalisierung letztendlich für das Individuum hat. Walter Reese-Schäfer (Göttingen) widmete sich der Frage, inwiefern das Sozialkonzept des Kommunitarismus, das von der Bedeutung von gemeinschaftlichen Wertbindungen für den Bestand einer Gesellschaft ausgehe, geeignet sei, die Tendenzen der Globalisierung zu erfassen. Dabei wies er auf globale Gemeinschaftserfahrungen (Woodstock, die Studentenbewegung, Olymische Spiele) hin, um dem Eindruck entgegenzutreten, dass dem Kommunitarismus zufolge Gemeinschaftserfahrungen per se partikular seien. Seine Analyse kommunitaristischer Konzepte führte ihn dann dazu, das Konzept der Weltgesellschaft als einer analytischen Kategorie von dem der Moderne als einem normativen Projekt zu trennen. In derselben Abteilung wies Andreas Wimmer (Los Angelos) auf die Konflikthaftigkeit und Kontingenz des Prozesses der Herausbildung einer Weltgesellschaft hin. Bettina Heintz (Mainz) und Thereas Wobbe (Erfurt) überprüften, inwiefern das systemtheoretische (Niklas Luhmann) und das neoinstitutionalistische Konzept (John W. Meyer) einer Weltgesellschaft den Ansprüchen gerecht werde, die Weltgesellschaft als ein emergentes Phänomen denkbar sein zu lassen. Ihr Urteil fiel dabei zugunsten der Systemtheorie aus. Noch einmal einen ganz neuen Blick auf das Phänomen warf gegen Ende der Tagung Rudolf Stichweh (Bielefeld). Die Weltgesellschaft müsse wie jedes soziale System als ein sich selbstbeschreibendes System aufgeBielefelder Universitätszeitung 213/2003 fasst werden, und dadurch eröffne sich für die Soziologie die Möglichkeit, denk- und begriffsgeschichtliche Forschungen durchzuführen, die aber letztlich auf den Gegenstand selbst zielten. Reflexionen auf eine über den jeweiligen lokal, regional oder sonstwie begrenzten gesellschaftlichen Zusammenhang hinausreichende Sozialität fänden sich dabei etwa im Römischen Recht des ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhunderts, der spanischen Naturrechtslehre des 15./16. Jahrhunderts, der christlichen Theologie oder der italienischen Renaissance. Gegenüber dem begrifflichen Reichtum, der sich durch solche Forschungen erschlösse, nähme sich die konzeptuelle Infrastruktur der Globalisierungsdebatte armselig aus. Stichweh überprüfte schließlich insbesondere die Theorien von Talcott Parsons und Niklas Luhmann dahingehend, welches zusätzliche Verständnis eines weltweiten gesellschaftlichen Zusammenhanges sie erschlössen. Die Anregungen aus diesen und den anderen auf der Tagung gehaltenen Vorträgen konnte in den Diskussionen nicht annähernd ausgeschöpft werden. Insofern versprachen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, über diese Fragen im Kontakt zu bleiben. In diesem Sinne lag gerade angesichts des Tagungsthemas der Kalauer viel zu nahe, als dass er nicht das Schlusswort der Tagung hätte bilden müssen: „Und sehen wir uns nicht in dieser Welt, dann sehen wir uns in Bielefeld.“ Joachim Wöll Inhaltsstoffe im Tabakrauch – molekular gesehen: Gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe aus dem Rauch qualmender Zigaretten hat die Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld dem Wanderer durch die Zentrale Halle der Universität bildlich vor Augen geführt. Auf über 80 kleinen Postern erinnerten die Molekülstruktur-Formeln polycyclischer kondensierter Kohlenwasserstoffe, die auch bei der Verbrennung von Dieselöl entstehen, und anderer Stoffklassen Raucher und Raucherinnen an das, was sie ihrem Körper an Giftstoffen zumuten. Unter diesen Stoffen finden sich neben Nicotin, Kohlenmonoxid, Stickoxiden, Blausäure und Formaldehyd vor allem nachweislich zahlreiche krebserzeugende Verbindungen wie 2-Naphthylamin, Benzo[a]pyren und viele Nitrosamine. Auf zwei zugehörigen Postern war nachzulesen, dass im Tabakrauch selbst laut Zigarettenindustrie über 12 000 einzelne Stoffe vorhanden sind, von denen ein Großteil noch gar nicht identifiziert ist. Wie man den bekanntesten Inhaltsstoff, das Nicotin, durch einfaches Abspülen eines “Raucherfingers“ analytisch schnell nachweisen kann, nämlich mit Hilfe der so genannten Massenspektrometrie, wurde ebenfalls demonstriert. Beim wiederholten “Nachladen“ der Formelblätter im Laufe des Semesters ergaben sich zwischen Studierenden, Bediensteten und Dietmar Kuck, dem Initiator dieses allegorischen Chemie-Potpourries in der Luft der Zentralen Halle, zahlreiche interessante Gespräche über die Einstellung zu diesen selbstgemachten Umweltgefahren. 21 Forschung Überraschungsforschung Was passiert beim überraschenden Reiz? (BUZ) An der Universität Bielefeld gibt es in der Abteilung Psychologie mehrere Wissenschaftler, die sich mit Überraschungsforschung befassen. Die Forschungen finden im psychologischen Labor statt. Nicht etwa die Erinnerung an zurückliegende Situationen wird untersucht, sondern die Überraschung wird innerhalb des Experiments hervorgerufen. Überraschung kann also in ihren unmittelbaren Bedingungen, ihrem Verlauf und ihren unmittelbaren Konsequenzen erforscht werden. Neben dem Gefühl der Überraschung messen die Wissenschaftler weitere „objektive“ Indikatoren, wie Reaktionszeiten oder Bewegungszeiten von Handlungen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat unlängst ein Projekt „Zur Automatizität von Emotionskomponenten: Eine Fallstudie der Emotion Überraschung“ bewilligt, das jetzt von Dr. Gernot Horstmann und Professor Wulf-Uwe Meyer abgeschlossen worden ist. Die Ergebnisse haben Bedeutung für menschliche Leistungen bei der Überwachung von Ereignissen und für die Kontrolle von zeitkritischen Abläufen, beispielsweise im Sport oder beim Führen von Fahrzeugen. Das Projekt befasste sich mit der Überraschung unter dem Aspekt willentlicher und automatischer Prozesse, nämlich mit der Orientierung der Aufmerksamkeit auf einen überraschenden Reiz und mit der Unterbrechung der momentan ausgeführten Handlung. „Der Schwerpunkt des Projektes“ – so Gernot Horstmann – „lag auf der unbeabsichtigten Orientierung der Aufmerksamkeit auf überraschende Reize, die im Rahmen des Paradigmas der visuellen Suche nachgewiesen werden konnte. Es zeigte sich, dass diese unbeabsichtigte Orientierung etwa 300 ms später einsetzt als die bekannten ‚attentional capture‘-Effekte bei beabsich22 tigter Orientierung, dann allerdings vergleichbar effizient. Ergebnisse zur Handlungsunterbrechung machten insbesondere deutlich, dass eine willentliche Handlungsunterbrechung wesentlich langsamer ist als eine unwillkürliche Handlungsunterbrechung bei Überraschung. Weiterhin ergab sich, dass die Wahrscheinlichkeit, Latenz und Dauer der Handlungsunterbrechung durch Merkmale des überraschenden Reizes kaum beeinflusst wurden.“ „Neue Universitäten – Neue Germanistik?“ Forschungsort zugleich Forschungsgegenstand (BUZ) Durch die Berufung von Professor Klaus-Michael Bogdal wanderte das von ihm geleitete Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) „Neue Universitäten – Neue Germanistik?“ von Duisburg nach Bielefeld und damit an eine der drei untersuchten Universitäten (außerdem noch Bochum und Siegen). In einem Rundgespräch der DFG wurde jetzt unter zahlreicher Beteiligung von Wissenschaftlern der ersten Stunde eine Zwischenbilanz der bisherigen Forschungen gezogen. Die Universitäten Bielefeld, Bochum und Siegen stehen paradigmatisch für die Umbruchzeit in der Germanistik zwischen 1965 und 1980 (in Bremen und Konstanz war die Situation ähnlich), in der die bis dahin dominante werkimmanente Interpretation durch (stark verkürzt!) oft marxistisch inspirierte sozialgeschichtliche und strukturalistische Ansätze abgelöst wurde. Im dem DFG-Rundgespräch schmückte H.P. Kasper seine Erfahrungen über diese Umbruchzeit an der Ruhr-Universität mit dem Motto „Glück auf, der Staiger kommt!“. Mit dem methodischen Wandel ging auch eine leidenschaftliche Diskussion der Lehrpläne einher. Wer sich als Germanistikstudent mehr für neuere Literatur als für altes Deutsch interessierte (und das waren eigentlich die meisten) war gut beraten, sich an eine der neuen Universitäten zu begeben, wenn er nicht auch noch im Hauptstudium Ablautreihen und Gotisch pauken wollte. Anschaulich schilderte das Dr. Michael Vogt (Bielefeld) als „Spaziergang von Münster nach Bielefeld“. Das legendäre Bielefelder „LiLi-Modell“ mit seiner Überwindung der Grenzen der Einzelphilologien stand während der Tagung immer wieder im Mittelpunkt: Ein zukunftsweisender, in der Sache absolut logischer Versuch, denn Linguistik und Literaturwissenschaft arbeiten unabhängig von den Nationalphilologien mit denselben Methoden, und gleichzeitig schärft dies für alle Beteiligten den komparatistischen Blick. Ein zugleich zum Scheitern verurteilter Versuch, weil es letztlich nicht auf Dauer zu der dazu notwendigen Einrichtung neuer Schulfächer „Linguistik“ und „Literaturwissenschaft“ kam. Ein weiterer Bielefelder Aufbruch zu neuen Wissenschaftsufern – das Zentrum für interdisziplinäre Forschung – wurde von dessen ehemaligem Geschäftsführenden Direktor Wilhelm Voßkamp (Köln) anschaulich geschildert. Ob aber der erwähnte Umbruch der Germanistik wirklich vital von der Gründung der Reformuniversitäten abhängig war, blieb auf der Tagung umstritten – also weiterhin viel Arbeit für die Projektmitarbeiter Oliver Sill und Oliver Müller. Dem Bielefelder Publikum wurde das Projekt inzwischen im Rahmen einer Vortragsveranstaltung mit Wolfgang Adam (Magdeburg) vorgestellt, der sich einem Monument der Fachgeschichte widmete: „Neue Germanistik in einer alten Zeitschrift? Der Euphorion in den Jahren 1965 bis 1980“. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Forschung Forschergruppe „Wissenschaft im Umbruch“ Eine neue Wissenschaft für die Wissensgesellschaft? (M.M.) Die Volkswagen-Stiftung fördert im Rahmen ihres Schwerpunktprogramms „Schlüsselthemen der Geisteswissenschaften“ die Forschergruppe „Wissenschaft im Umbruch – Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft“. Beteiligt hieran sind das Institut für Wissenschafts- und Technikforschung der Universität Bielefeld sowie die Zentrale Einrichtung für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsethik der Universität Hannover. Zu einem 1. Symposium über „Eine neue Wissenschaft für die Wissensgesellschaft?“ hatte die Forschergruppe im Dezember namhafte Vertreter aus Wissenschaft, Journalistik, Politik, Forschungsförderung und der Industrie in das Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld eingeladen, die ihre Sicht zu zentralen Aspekten der Veränderungen der Wissenschaft vorstellten. Das erste von insgesamt vier Symposien hatte sich zum Ziel gesetzt, das Themenfeld „Wissensgesellschaft“ und für das Projekt relevante Probleme in einem transdisziplinären Kontext abzustecken. Den Hintergrund des Projekts „Wissenschaft im Umbruch“ sowie des Symposiums bildet die Beobachtung, dass die Gesellschaft einen immer stärkeren Anwendungsbezug der Wissenschaft einfordert. Dieser Anwendungsbezug oder gar Anwendungsdruck führt dazu, dass sich die Strategien der Wissenschaft und ihre Strukturen selbst signifikant verändern. Wissenschaftliches Wissen wird zunehmend im Kontext seiner Anwendung produziert. Zum Beispiel sind die Problemstellungen komplexer und die Ergebnisse unsicherer, so dass Zweifel an ihrer Verlässlichkeit auftreten. Die Einsicht, dass neues Wissen auch immer neues Nicht-Wissen mit sich bringt, prägt zunehmend die Stellung der Wissenschaft in der Gesellschaft. Im Mittelpunkt des Symposiums standen unter anderem Fragen zur aktuellen Forschungspraxis und zu derem Verhältnis zur Industrie, zum Aufbau und zur Arbeit interdisziplinärer Forschungseinrichtungen sowie zu den ethischen und sozialen Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Implikationen neuer Forschungsgebiete wie der Gentechnologie. Als Schlaglichter seien zunächst die Beiträge von Dr. Hartmut Voss (LION bioscience, Heidelberg) zum Thema Industrieforschung und Gero von Randow (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung) zur Stellung des Wissenschaftsjournalismus genannt. Beide Vorträge boten einerseits Einsichten hinsichtlich der Anforderungen, die durch ökonomische und gesellschaftliche Zwangsbedingungen an die Industrieforschung gestellt werden, andererseits hinsichtlich der Stellung des Wissenschaftsjournalismus bei der Außendarstellung der Wissenschaft. Zentrale Themen waren weiterhin die Förderungspolitik, anwendungsorientierte Forschungseinrichtungen und Probleme ethischer Entscheidungsfindungen am Beispiel der Beratungsgremien wie dem Ethikrat und den Enquete-Kommissionen. Das von Professor Karl-Heinz Hoffmann vorgestellte Konzept der Forschungseinrichtung CAESAR (Center of Advanced European Studies and Research) lieferte ein positives Beispiel dafür, wie ein Modell der interdisziplinären Forschung in der Wissensgesellschaft aussehen könnte. An diesem Beispiel zeigte sich auch, dass Anwendungsorientierung durchaus nicht negativ auf die Forschung wirkt, sondern dass eine intensive Zusammenarbeit von Grundlagenforschung und Industrieforschung auch im Anwendungskontext möglich und epistemisch – durch den hier direkt eingebundenen Dialog zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung – äußerst fruchtbar sein kann. Der Vortrag von Dr. Wilhelm Krull (Volkswagen-Stiftung) zeigte, dass gerade von der interdisziplinären Forschung Innovation und die Produktion des erforderlichen Wissens erwartet werden kann. Daraus konnte die Vermutung abgeleitet werden, in interdisziplinären Forschungskontexten sei es einfacher, die seitens der Gesellschaft an die Wissenschaft gestellten Anforderungen im Hinblick auf konkrete und sichere Anwendungen zu erfüllen. Deshalb – so das Ergebnis der anschließenden Diskussion – müsse die Förderung interdisziplinärer Forschung ein wichtiger Bestandteil der öffentlichen Förderungspolitik sein. Interdisziplinäre Forschungsvorhaben müssten zudem über geeignete Förderungsstrukturen attraktiver gemacht werden, um die relativ starren disziplinär ausgerichteten Forschungssysteme aufzubrechen. Professor Wolfgang van den Daele vom Wissenschaftszentrum in Berlin referierte über die Arbeit des Ethikrates und wies auf die neue Stellung der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der Beurteilung der Wissenschaft und ihrer Ergebnisse hin. Neue Anwendungen – insbesondere im Bereich der Biotechnologie – seien stark ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt und würden von dieser kritisch beurteilt. In Verbindung mit in der Gesellschaft vorhandenen pluralistischen Wertvorstellungen würden 23 Forschung sich dadurch einerseits Probleme für die wissenschaftliche Forschungspraxis (Beispiel Stammzellenforschung) ergeben, andererseits für die politische Entscheidungsfindung hinsichtlich dieser Fragen. Besonders die Stellung der politischen Beratungsgremien wie Ethikrat und EnqueteKommission wurde diskutiert. Im Mittelpunkt standen hierbei ein kontroverses Problemfeld und die Fragen, ob der Ethikrat im Falle konkreter Probleme 1. Empfehlungen an die Politik abgeben, ob er 2. ein bestimmtes Votum für oder wider eine Option abgeben sollte, ob er 3. nur die verschiedenen Möglichkeiten und die Pro- und Contra-Argumente aufzeigen oder ob er 4. lediglich die gesellschaftlichen Bedenken aufnehmen und darstellen sollte. Das zweite Symposium der Forschergruppe, der Martin Carrier, Wolfgang Krohn, Günter Küppers und Peter Weingart (alle Bielefeld) sowie Paul Hoyningen-Huene (Hannover) angehören, findet vom 4. bis 7. Juni im Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld statt. Thema: „Models, Simulations and the Application of Mathematics“. Fakultät für Pädagogik Zur Territorialisierung des Sozialen Soziale Arbeit als Teil der Sozialpolitik ist zunehmend durch eine handlungskonzeptionelle wie handlungspraktische Ausrichtung an territorialen Einheiten charakterisiert: an Stadtteile, Wohnareale, Nachbarschaften. Die Dezentralisierung kommunaler Sozialverwaltungen, Stadtteilentwicklungsmaßnahmen, Quartiersarbeit und Bewohneraktivierung sind Beispiele dieser nahraumorientierten Neugestaltung. Im Sinne des Modells eines „Aktivierenden Staats“ fokussieren Maßnahmen der Sozialen Arbeit die Selbstverantwortung der Bürgerinnen und Bürger für den eigenen sozialen und ökonomischen Erfolg oder Misserfolg in immer stärkerem Maße. Diesen Entwicklungen ging die Arbeitsgruppe Sozialarbeit und Sozialpädagogik der Universität Bielefeld in ihrer internationalen Tagung „Spacing Social Work – zur Territorialisierung des Sozialen“ nach. Nationale wie internationale Beispiele nahraumorientierter Neugestaltung verdeutlichten dabei die Relevanz einer systematischen Analyse der Territorialisierung des Sozialen. Gleichzeitig machten die Tagungsdiskussionen deutlich, dass eine Ausrichtung von Sozialer Arbeit an marginalisierten Wohnarealen zu unzulässigen Verkürzungen und sozialpolitischen Einschließungsprozessen der Betroffenen führt. Bob Jessop (Lancaster University) eröffnete die vom Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen geförderte Fachtagung mit einer staatstheoretischen Analyse der sozialpolitischen und sozialpädagogischen Territorialisierungsstrate24 gien in nachfordistischen Gesellschaften. Dabei stellte er die Frage nach der Relation von space, place und scale als die zentrale Analysefolie in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Martina Löw (Universität Darmstadt) wies in ihren raumsoziologischen Grundlegungen auf die systematische Differenz von Raum (space) und Ort (place) hin, die nahraumorientierte von sozialraumorientierten Strategien unterscheiden helfe. Die Hoffnung, die aktuelle Maßnahmen auf die Aktivierung sozialen Kapitals der Bewohnerinnen und Bewohner vor allem marginalisierter Wohnareale setzen, wurde in verschiedenen Beiträgen skeptisch beurteilt. Susanne Karstedt (University of Keele) machte darauf aufmerksam, dass die Konzentration auf die starken sozialen Bindungsstrukturen (bonding capital) die Relevanz institutioneller Bindungsstrukturen (linking capital) übersieht, die gerade für sozialpolitische und sozialpädagogische Zusammenhänge von zentraler Bedeutung sind. Patricia Landolt (University of Toronto) verdeutlichte die Mehrdeutigkeiten und Schattenseiten des Konzepts am Beispiel von Migranten-Gruppen in Kanada, und Maria Bitzan (Universität Tübingen) betonte die genderspezifische Problematik in ihrer Darstellung geschlechtsspezifischer Raumbezüge und geschlechtsspezifischer Raumaneignungsstrategien. Internationale Fachtagung zur Territorialisierung des Sozialen (v.l.): Helmut Richter (Hamburg), Jan-Willem Duyvendak (Utrecht), Michael Fabricant (New York), Susanne Karstedt (Keele), Peter Sommerfeld (Solothurn) sowie die Tagungsleiter Hans-Uwe Otto und Fabian Kessl. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Forschung Auf die Schwerpunktsetzung sozialer Sicherheitskonzepte – auf „hot spots“ (soziale Brennpunkte) europäischer Städte – verwies Jens Dangschat (Technische Universität Wien) in seinem Beitrag. Programme zur Bekämpfung sozialer Ausgrenzung stellte er dabei als analog zu aktuellen Strategien der Kriminalitätsbekämpfung dar. Diese These wurde von Daniel Gilling (University of Plymouth) am Beispiel des Crime & Disorder Act 1998 als Symbol der neuen territorialisierten Sicherheitspolitiken in Großbritannien eindrücklich illustriert. Dieses „Regieren“ und „Regiert-Werden“ in kleinräumigen Zusammenhängen bleibe allerdings, so Gilling, durch grundlegende Ambivalenzen gekennzeichnet, sei somit nicht eindimensional als politisch progressiv oder (neo-)konservativ zu interpretieren. In kritischer Distanz zu einer neoliberalistischen Umgestaltung des Sozialen formulierten Lothar Böhnisch (Universität Dresden) und Walter Lorenz (Universität Brixen) ihre Einordnung der neuen Relevanz des Lokalen innerhalb des Globalisierungsprozesses. Vor allem Böhnisch rückte die Überforderung der Familie, die Spaltung der Städte und die Segmentierung der Arbeitswelt in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Soziale Arbeit erfahre in diesem Zusammenhang eine Funktionsverschiebung von der sozialen Gestaltungs- hin zur sozialen Befriedungsinstanz. John Clarke (Open University, Milton Keynes) machte in seinem abschließenden Tagungsbeitrag deutlich, dass die aktuellen kleinräumigen politischen Regulierungs- und Steuerungsstrategien in den Kontext einer umfassenden postkolonialen Regierung des Sozialen einzuordnen seien. Gleichzeitig dürfe diese notwendig kritische Analyse allerdings nicht zu einem generellen Pessimismus führen, da die Instabilität der Gemeinschaften wie der Regierungsstrategien immer wieder zu unerwarteten Entwicklungen mit unbestimmtem Ende führten. Catrin Heite, Fabian Kessl, Holger Ziegler Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Pressedienst Forschung Naturwissenschaften schon im frühen Kindesalter (BUZ) Erschienen ist erneut eine Ausgabe des Pressedienstes Forschung der Universität Bielefeld. Der von der Informations- und Pressestelle herausgegebene Pressedienst richtet sich an Wissenschaftsjournalisten und stellt eine Ergänzung zum Forschungsmagazin der Universität Bielefeld dar. Mit beiden Medien sollen die Forschungsleistungen der Universität einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden. Die Redaktion hat Dr. Hans-Martin Kruckis. Der Pressedienst Forschung enthält folgende Beiträge: Männlichkeit, Elternschaft, Kunst und Politik Geschlechtergeschichte in Bielefeld Gender-Studies sind besonders in den USA in der Forschungslandschaft fest verankert. Trotz zum Teil großer Anstrengungen in den letzten Jahrzehnten lässt sich in Deutschland auf diesem Gebiet immer noch ein Nachholbedarf konstatieren. An der Bielefelder Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie wird dazu seit langer Zeit intensiv geforscht. Wie kaum ein anderes Forschungsfeld bietet sich die Geschlechtergeschichte zudem für interdisziplinäre Kooperation an. Prof. Dr. Martina Kessel und Dr. Wiebke Kolbe stellen ihr Forschungsprogramm vor. schaftlichen Fächern gekommen und das, obwohl ihre Absolventen bei allen konjunkturell bedingten Schwankungen generell sehr gute Berufsaussichten haben. Bildungspolitiker sind angesichts dieser für die Innovationsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft bedrohlichen Tendenz ratlos. Ein Ausweg scheint zu sein, die Faszination, die von den Naturwissenschaften zweifellos ausgehen kann, schon sehr früh zu wecken. Denn Neugier und Aufnahmevermögen - spätestens seit der PISA-Diskussion wissen das nicht mehr nur die Fachleute - sind nie so groß wie in den Vorschuljahren. Die Chemiedidaktikerin Prof. Dr. Gisela Lück forscht intensiv daran, wie man schon die ganz Jungen für naturwissenschaftliche Phänomene begeistern kann. Schlüsselqualifikation Lesefähigkeit Rückblick auf die PISA-Studie Experimente schon im Kindergarten Naturwissenschaften im frühen Kindesalter In den letzten Jahren ist es zu dramatischen Einbrüchen bei den Studierendenzahlen in den naturwissen- Wohl noch nie hat eine Untersuchung zum Bildungssystem eine derartig aufgeregte öffentliche Resonanz hervorgerufen wie PISA ("Programme for International Student Assessment"). Dass deutsche Schüler im internationalen Vergleich bestenfalls Mittelmaß erreichen und es bei der Lesefähigkeit in bestimmten Bereichen geradezu katastrophal aussieht, ist eine mehr als ernüchternde Einsicht. Nun gilt es, daraus 25 Gesundheitswissenschaften sinnvolle Konsequenzen zu ziehen. Welche das sein könnten, sagen Bielefelder Lernpsychologen um Prof. Dr. Ulrich Schiefele, die an der Durchführung der Studie an wichtiger Stelle beteiligt waren, im Rückblick auf ihre Arbeit. Der prozedurale Umgang mit Konflikten Intelligentes Konfliktmanagement aus spieltheoretischer Sicht Konflikte sind im sozialen Leben allgegenwärtig: vom Ehekrieg bis zur Terrorismusbekämpfung, von der Schadenersatzklage bis zur Rentenreform. Die in den Wirtschaftswissenschaften entwickelte Spieltheorie kann als anspruchsvolles Instrument dienen, Konflikte zu analysieren und sie in einem kontrollierten schrittweisen Verfahren zu lösen. Das zeigten Nachwuchsforscher im Rahmen einer internationalen Forschergruppe am Bielefelder Zentrum für interdisziplinäre Forschung. Versorgungsqualität von Schmerzpatienten – eine Herausforderung für Medizin und Pflege Verzweifelte Odyssee durch das Dickicht des Gesundheitssystems Besonders im fortgeschrittenen Krankheitsstadium leiden chronisch erkrankte Menschen an schweren anhaltenden oder wiederholt auftretenden Schmerzzuständen. Eine angemessene Schmerzversorgung ist für die Betroffenen Voraussetzung für die Sicherung eines Mindestmaßes an Lebensqualität. Untersuchungen jüngeren Datums unterstreichen jedoch, dass in der ambulanten Versorgung eine adäquate Schmerzkontrolle auch heute oftmals nicht sichergestellt ist, obgleich durch die (Weiter-)Entwicklung von „Palliative Care“ und die „Cancer Pain Release“-Initiative der Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit Mitte der 1980er Jahre einiges bewegt wurde. Die hier skizzenhaft umrissenen Problemdimensionen waren Ausgangspunkt eines Teilprojektes des Nordrhein-Westfälischen Forschungsverbundes Public Health, das vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft gefördert wurde. Im Zentrum des Forschungsvorhabens von Prof. Dr. Doris Schaeffer und Gabriele MüllerMundt stand die Frage, wie sich die Versorgungsqualität von Schmerzpatienten darstellt und wie sie verbessert werden kann. Erarbeitet werden sollten Grundlagen für eine von der Pflege getragene Patientenedukation zur Unterstützung von Schmerztherapie und -management im häuslichen Alltag. Probleme der Schmerzversorgung Die Langfassung des Pressedienstes Forschung der Universität Bielefeld findet sich im Internet unter: www.uni-bielefeld.de/presse/pressedienst-forschung. 26 Die Untersuchungsergebnisse unterstreichen den hohen Handlungsbedarf zur Verbesserung der Schmerzversorgung chronisch erkrankter Schmerzpatienten. Deutlich wird, dass „Schmerz“ als behandlungsbedürftiges Gesundheitsproblem insbesondere in der Regelversorgung nur unzureichend Beachtung findet. Dem kann – so auch die Sicht der befragten Schmerzexperten – nicht allein durch einen Ausbau der Infra- struktur an spezialisierten Einrichtungen in der Schmerz- und Palliativversorgung abgeholfen werden. Eine qualifizierte Versorgung schmerzbelasteter Patienten erfordert eine generelle Neuorientierung der Versorgungspraxis. Sie muss den körperlichen, emotionalen und sozialen Bedingungsfaktoren und der Aufrechterhaltung von Schmerz von Beginn an, das heißt bereits im Rahmen der Versorgung von Menschen mit akuten Schmerzen, Rechnung tragen. Die hierfür erforderlichen klinischen und psychosozialen Kompetenzen können unter den die Regelversorgung tragenden Gesundheitsprofessionen bislang nicht vorausgesetzt werden. Die spezielle Schmerztherapie wurde erst Mitte der 1990er Jahre als prüfungsrelevantes Fach in das Medizinstudium aufgenommen, und in der Pflegeausbildung sind Grundlagen des Schmerzmanagements weiterhin unterbelichtet. In der häuslichen Versorgung schwer kranker und pflegedürftiger Schmerzpatienten sind Medizin und Pflege zudem besonders gefordert, für eine abgestimmte Versorgungspraxis Sorge zu tragen. Von einer „Kooperationskultur“ kann im ambulanten Sektor indes kaum die Rede sein. Die Ausgestaltung der Therapie und Aufgaben der Versorgungskoordination liegen im hausärztlichen Verantwortungsbereich. In ihrem Bemühen, auf eine angemessene Schmerzkontrolle der von ihnen betreuten Patienten hinzuwirken, sehen sich ambulante Pflegedienste ebenso wie Schmerztherapeuten der klinikangebundenen Schmerzambulanzen zudem mit Folgeproblemen Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Gesundheitswissenschaften der strikten sektoralen Zuständigkeitsregelungen im ärztlichen Bereich konfrontiert, zumal die Bereitschaft zur Hinzuziehung von Schmerzspezialisten unter den Hausärzten gering ausgeprägt ist. Eine direkte Intervention von Schmerztherapeutenseite würde einen Eingriff in die ärztliche Behandlungsautonomie darstellen. Deutlich wird in den Aussagen der Schmerzexperten auch, dass die diffuse und weitgehend auf körperbezogene Versorgungstätigkeiten begrenzte Rolle der Pflege im bundesdeutschen Gesundheitssystem eine effektive professions- wie auch sektorenübergreifende Kooperation erschwert. Irrwege und Nöte der Patienten Schmerzpatienten erleben die unzureichende Versorgungspraxis vielfach dergestalt, dass sie bei den professionellen Akteuren für ihr (Schmerz-) Leiden kein Gehör finden. Dass diese – seien es nun Ärzte oder Pflegende – ihr Leiden nicht ermessen können und/ oder wollen, ist für sie kaum nachvollziehbar. Sie fühlen sich oft „nicht ernst genommen“ und „im Stich gelassen“. Zumeist haben sie eine Vielzahl an Instanzen durchlaufen, bis sie eine qualifizierte Schmerzversorgung erlangen. Das in der aktuellen gesundheitspolitischen Diskussion unter dem Label des „Ärzte-Hoppings“ kritisierte Phänomen häufiger Arztwechsel stellt sich aus der Perspektive schmerzbelasteter Patienten als verzweifelte Odyssee auf dem Weg durch das Dickicht des Gesundheitssystems dar. Die Aussagen derjenigen Schmerzpatienten, die allen Widrigkeiten zum Trotz eine qualifizierte Schmerzeinrichtung gefunden haben, unterstreichen, wie wichtig es für sie, dass sich die professionellen Akteure ihres Leidens und ihrer Person „als Ganzes“ annehmen. Hierzu gehört, dass Ärzte Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 wie auch Pflegende auf die subjektiven Befindenslagen, (Gesundheits-) Probleme, Ängste und Präferenzen der Erkrankten eingehen und mit ihnen gemeinsam gangbare Wege suchen, die ihr (Schmerz-)Leiden und damit verbundene Einschränkungen der Lebensqualität lindern. Als weiterer zentraler Aspekt kristallisiert sich die Sicherung von Versorgungskontinuität heraus. Eine umfassende und kontinuierliche Betreuung ist im ausdifferenzierten Gesundheitssystem, wo sich die einzelnen Akteure nur für Teilprobleme, die in ihr unmittelbares Fachgebiet fallen, zuständig fühlen, nur schwer zu finden oder wie es eine Patientin auf den Punkt bringt: „Man ist einfach kein Ganzes für die Ärzte“, und „die Pflege ist mehr nur so eine Körperpflege“. Handlungserfordernisse Die Analyse von Experten- und Patienteninterviews unterstreicht, dass für die Versorgungsqualität schmerzbelasteter Patienten eine problemangemessene Perspektivenerweiterung unabdingbar ist. Ein erster Schritt in diese Richtung stellen die Integration der Grundlagen der Schmerzversorgung in die Ausbildung aller Gesundheitsberufe und entsprechende Initiativen auf der Ebene der Fort- und Weiterbildung dar. Für eine Verbesserung der ambulanten Versorgung schwerstkranker Schmerzpatienten ist die Bereitstellung professioneller Pflegeangebote angezeigt, die die Betroffenen und ihre Bezugspersonen im häuslichen Umfeld auch beratend begleiten. Die Pflege bedarf hierzu einer ausreichenden klinischen Expertise, psychosozialer Betreuungsund Beratungskompetenzen ebenso wie adäquater Interventionskonzepte. Unumgänglich erscheint ferner, den Handlungsrahmen und die Rolle der Pflege so zu erweitern und institutionell abzusichern, dass sie die für die Sicherstellung einer angemessenen Versorgung schwer kranker Schmerzpatienten erforderlichen Aufgaben effektiv wahrnehmen kann. Die Realisierung all dessen setzt allerdings die Schaffung von Vergütungsstrukturen voraus, die den Ausbau qualifizierter ambulanter Versorgungsangebote befördern. Hierzu gehört die Anerkennung der im Rahmen der Versorgung schwer kranker, schmerzbelasteter Menschen angezeigten klinischen und beratenden Leistungen. Die engen Vorgaben für die Erbringung ambulanter Pflege auf der Grundlage der Pflegeversicherung, in der Pflegeleistungen an vorab festgelegten (Zeit-) Margen bemessen werden, lassen eine situationsangemessene Gestaltung der Pflege, die flexibel auf wechselhafte Befindens- und Bedarfslagen zu reagieren vermag, kaum zu. Gabriele Müller-Mundt Weitere Informationen zu den Themen „Schmerz- und Palliativversorgung“ sowie „häusliche Versorgung schwerstkranker Menschen“ finden sich auf der Homepage des Instituts für Pflegewissenschaft www.uni-bielefeld.de/IPW. 27 Gesundheitswissenschaften Workshop der Gesundheitswissenschaftler in Berlin (BUZ) Unter der wissenschaftlichen Leitung des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld und des Instituts für Gerontologie an der Universität Dortmund hat Anfang des Wintersemesters 2002/2003 ein neuer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderter Modellversuch zur Gestaltung der praktischen Ausbildung in den Berufen der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege begonnen. Die Anforderungen an Pflegende im beruflichen Alltag werden immer umfassender und anspruchsvoller. Um diesen steigenden Anforderungen an die technologische und die interaktiv-kommunikative Kompetenz der Pflegenden gerecht werden zu können, soll die Ausbildung fortlaufend weiterentwickelt und verbessert werden. Wenn auch für die theoretische Ausbildung mittlerweile zahlreiche Curricula existieren, so herrscht im Bereich der praktischen Ausbildung eine relative Leere. Hier setzt der neue Modellversuch zur Entwicklung eines Praxis-Curriculums innerhalb der gemeinsamen beruflichen Grundausbildung in der Alten-, Kranken- und Kinderpflege (integrierte Ausbildung) an. In diesem Modellversuch werden für jeden Praxiseinsatz so genannte Lern- und Arbeitsaufgaben entwickelt und erprobt. Mit der Bearbeitung dieser Lernaufgaben im beruflichen Alltag durchlaufen die Auszubildenden Phasen der Analyse, der theoriegeleiteten Planung und Durchführung sowie der reflexiven Bewertung ihres Pflegehandelns. Eine weitere Neuerung im Modellversuch ist der Einsatz der Auszubildenden auch in den Bereichen, die bislang den einzelnen Spezialisierungen Altenpflege, Krankenpflege oder Kinderkrankenpflege vorbehalten waren, sowie in neuen Lernfeldern, die zukünftig relevant für die Pflege sein werden. Dazu zählen die Bereiche Prävention und Gesundheitsförderung, aufsuchende Gesundheitsfürsorge und Sozialarbeit, gesundheitsbezogene Beratung und Schulung, Hospizarbeit, Rehabilitation, Behindertenhilfe sowie Naturheilkunde. Weitere Informationen: Klaus Müller, Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld, Telefon 0521/106 3886 oder im Internet unter www.integrierte-pflegeausbildung.de. Der Modellversuch zur Entwicklung eines Praxiscurriculums wird an der Katholischen Schule für Pflegeberufe Esssen e.V. in Zusammenarbeit mit dem Caritas-Verband für das Bistum Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe der „Bielefelder Universitätszeitung“ ist der 25. April 2003. Später eingereichte Manuskripte können nicht mehr berücksichtigt werden. Boomendes Erfolgsmodell – aber: Bewohner und Pflegekräfte leiden am Heim (BUZ) Aus der Forschergruppe „Menschen in Heimen“ der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld ist eine Initiative zur Einrichtung einer Enquete-Kommission beim Deutschen Bundestag entstanden. Sie findet eine große Resonanz, wie auch die zweite, diesmal in Berlin veranstaltete Konferenz zeigte. Der Bielefelder Gesundheitswissenschaftler Klaus Hurrelmann als Konferenzleiter machte zu Beginn der von Beate Röttger-Liepmann organisierten Tagung deutlich, dass das Forschungsprojekt „Menschen in Heimen“ zwar bald ausläuft, nicht aber die daraus hervorgegangene Initiative. Bei der wegen der Alterung der Bevölkerung in den kommenden 30 Jahren zu erwartenden Verdopplung der Hilfe-, Unterstützungs- und Pflegebedürftigen biete sich das Heim als jeweils naheliegende Lösung an: Es sei insofern ein Erfolgsmodell, als es boomt. Gleichzeitig sei aber das Leiden am Heim sowohl der Bewohner wie der Pflegefachkräfte unübersehbar. Neue Unterbringungsformen zu entwickeln, die den Betroffenen nicht zum „Heiminsassen“ machen, sondern eine menschenwürdige Begleitung ermöglichen, ist nach Ansicht der Forschergruppe dringend notwendig. Unabhängig vom tatsächlichen Zustandekommen einer BundestagsEnquete der Heime sei durch die Initiative eine „Aufbruchstimmung“ ent- standen, sagte der Initiator, Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner. Viele Anfragen nach Beratung und Begleitung würden an die Bielefelder Initiative gerichtet. Die Zukunft liege klar in der schrittweisen Verstärkung von Alternativen zur „stationären“ Unterbringung, der Ambulantisierung, berge allerdings die Gefahr, dass ein „Rest“ von Menschen in der Heimunterbringung zurückbleibe, was zu einer „Konzentration der Unerträglichkeit“ sowohl für die Betroffenen als auch für die Mitarbeiter führen könne. „Das muss um jeden Preis dadurch vermieden werden, dass man das Lebensrecht in der Gemeinde vom Schwächsten her denken muss“, sagte Dörner. „Nur wenn man für den Letzten am meisten Geld ausgibt, kann man bei den weniger Betroffenen sparen. Diese Perspektive müssen wir lernen. Wir haben aber nicht mehr viel Zeit dafür, weil sonst der sparen müssende Geldgeber in alte Formen zurückfällt.“ Mehr im Internet unter: www.uni-bielefeld.de | Aktuelles | Aktuelle Pressemitteilungen. Pflegewissenschaft Neue Wege in der Pflegeausbildung 28 Essen e.V. sowie einer Vielzahl von Praxiseinrichtungen durchgeführt. Er wird zudem unterstützt von der Caritas-Stiftung im Bistum Essen und der Firma Johnson & Johnson. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Gesundheitswissenschaften Offener Brief zur Gesundheitsreform (BUZ) In einem offenen Brief an den Bundeskanzler hat die Deutsche Gesellschaft für Public Health am 27. Februar betont, dass der Erfolg der Bemühungen zur grundlegenden Reform des Gesundheitswesens wesentlich davon abhängen werde, ob es der Regierung gelingt, „nicht nur Akzeptanz bei den bekannten Interessengruppen zu finden“. Der „Staat sollte jetzt und künftig als Anwalt der Versicherten und Patienten wirken, statt wie bisher vornehmlich den Interessen der Anbieter zu folgen“. Gemeinsam mit dem Sachverständigenrat empfehlen die Deutsche Gesellschaft für Public Health und ihr Vorstand, die Professoren Bernhard Badura, Wilhelm Kirch und Jürgen von Troschke, „dringend die Einrichtung eines Deutschen Instituts zur Qualitätsentwicklung im Gesundheitswesen“. „Wir empfehlen“, heißt es, „dringend einen besseren Schutz der Bürger vor Erkrankung durch energischen Ausbau von Gesundheitsförderung und Prävention – auch zur Kostendämpfung in unseren Sozialversicherungssystemen. Aus unserer Sicht völlig unverständlich wäre es, sollte sich Ihre Regierung vom Solidarprinzip verabschieden, ohne den ernsthaften Versuch einer Konsolidierung des Gesundheitsbudgets durch Abbau von Überkapazitäten und Bekämpfen überflüssiger Leistungen zu machen. Aus unserer Sicht völlig unverständlich wäre es zudem, den Bürgern, Versicherten und Patienten erhöhte finanzielle Eigenverantwortung abzuverlangen – ohne ihnen ausreichende Transparenz über Kosten und Qualität zu gewähren. Erst dadurch werden wir alle zur intelligenten Nutzung der angebotenen Leistungen befähigt, befähigt auch mitzuwirken bei der Weiterentwicklung einzelner Versorgungsstrukturen und -leistungen und bei der Prioritätensetzung im Gesundheitswesen.“ Wortlaut im Internet: www.unibielefeld.de | Aktuelles | Dokumente der Universität Bielefeld. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Internationale Sommerschule Kommen Infektionskrankheiten wieder? (BUZ) Unter der Leitung von Professor Alexander Krämer, Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld, findet vom 4. bis zum 8. Mai die fünfte internationale Sommerschule „Infectious Disease Epidemiology“ statt. Themen der Sommerschule sind: Prinzipien und Methoden der Infektionsepidemiologie, Ausbruchsuntersuchungen, moderne Surveillance, mathematische und stochastische Modellierung, Impfungen, „Newly emerging and reemerging infections“. Kontakt: Iris Kukla, School of Public Health, Universität Bielefeld, Telefon 0521/106-6889. Weitere Informationen unter: www.uni-bielefeld.de/gesundhw/ag2/summerschool2003. Astrid Fröhlich ist zur Vertrauensfrau für die schwerbehinderten Beschäftigten der Universität Bielefeld gewählt worden. Ihre Stellvertreter sind Stefan EggertMines und Sabina Füllbrunn. Den Beschluss des Rates der Europäischen Union, das Jahr 2003 zum Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen zu erklären, wollen die Schwerbehindertenvertretung und Kanzler Hans-Jürgen Simm zum Anlass nehmen, eine Bestandsaufnahme der Arbeitsbedingungen für schwerbehinderte Menschen an der Universität Bielefeld durchzuführen. Diese soll zunächst einen Überblick über die bisherigen Leistungen für Schwerbehinderte geben. Deutlich gemacht werden soll aber auch, in welchen Bereichen noch Handlungsbedarf besteht und Verbesserungen notwendig sind. Dabei soll auch die durch die gesetzlichen Änderungen verstärkte Verpflichtung zu Präventivmaßnahmen einbezogen werden. Hierüber haben sich unlängst die Schwerbehindertenvertretung und der Kanzler verständigt mit dem Ziel, die Bestandsaufnahme bis zum Sommer zu erstellen. In diesem Zusammenhang hat die Schwerbehindertenvertretung noch einmal darauf hingewiesen, dass sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch im Vorfeld der amtlichen Anerkennung einer eventuellen Schwerbehinderung mit Rat und Tat zur Seite steht. Auch diejenigen Personen, die nach einer anerkannten Schwerbehinderung ihren Arbeitgeber aufgrund von Fehlinformationen nicht informiert haben, möchte die Schwerbehindertenvertretung unterstützen, um ihre Entscheidung zu überdenken. Diese Personen seien schlecht beraten, wenn sie erst bei Problemen den Schwerbehindertenausweis vorlegten. Der Kanzler betonte, dass die Meldung einer anerkannten Schwerbehinderung an die Universitätsleitung auch deshalb von Bedeutung sei, damit die Universität wegen der Nichterfüllung der Schwerbehindertenquote auf Dauer keine finanziellen Nachteile erleide. Das Europäische Jahr für Menschen mit Behinderung wird für die „Bielefelder Universitätszeitung“ im Übrigen Anlass sein, sich demnächst dieser Thematik in besonderer Weise zu widmen. Das Foto zeigt von links: Kanzler Hans-Jürgen Simm, Astrid Fröhlich, Sabina Füllbrunn und Stefan Eggert-Mines. Sprechstunden der Behindertenvertretung sind jeweils montags, mittwochs und donnerstags in der Zeit von 8.00 bis 12.00 Uhr und dienstags von 13.00 bis 15.00 Uhr im Büro L3-109, Telefon 106-4201. 29 Gesundheitswissenschaften Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld bleibt Zentrum der Kinder- und Jugendgesundheitsforschung WHO erneuert die Ernennung zum Kooperationszentrum (BUZ) Nach vier Jahren erfolgreicher Arbeit als internationales Zentrum für die Erforschung der Kinder- und Jugendgesundheit und die Verbesserung der Gesundheitsförderung hat die Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld von der Weltgesundheitsorganisation erneut für vier Jahre einen Arbeitsauftrag erhalten. Die Fakultät für Gesundheitswissenschaften darf sich weiterhin als „Kooperationszentrum der Weltgesundheitsorganisation (WHO)“ bezeichnen. Leiter des Zentrums ist Professor Klaus Hurrelmann. Die in Fachkreisen als Auszeichnung empfundene Ernennung zum Kooperationszentrum der Weltgesundheitsorganisation erklärt sich vor allem durch die langjährige Erfahrung der Bielefelder Forscherinnen und Forscher bei der systematischen Erhebung des Gesundheitsverhaltens von Jugendlichen. Hier hat das Team um Klaus Hurrelmann seit 1986 Pionierarbeit geleistet und Verfahren zur repräsentativen Erhebung von Ernährungs-, Bewegungsund Stressbewältigungsverhalten bei 11bis 17-jährigen Jugendlichen entwickelt. Die Erhebungsinstrumente wurden in Zusammenarbeit mit vie- len Schulen in der Region Ostwestfalen-Lippe ausgearbeitet. Das Kooperationszentrum der Weltgesundheitsorganisation in Bielefeld ist nicht nur für die Erhebungen in Deutschland zuständig. Vielmehr koordiniert es auch die Auswertung und die Publikation aller Ergebnisse in den 35 weiteren beteiligten europäischen Ländern. Dabei besteht eine enge Zusammenarbeit mit dem Robert Koch-Institut in Berlin, das gegenwärtig auf der Basis der Erfahrungen der Bielefelder Wissenschaftler eine Repräsentativbefragung bei Kindern und Jugendlichen im ganzen Bundesgebiet durchführt. Bei der Abschlussveranstaltung des Weiterbildenden Fernstudiums Angewandte Gesundheitswissenschaften, das von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld angeboten wird, sind Corinna Eimkemeier, Gabriele Frontzek und Sabine Kohl (v.l.) mit dem Preis der AOK Westfalen-Lippe für die besten Abschlussarbeiten ausgezeichnet worden. 30 Gesundheitswissenschaften Aufbaustudiengang Epidemiologie in Bielefeld, Berlin und München (BUZ) An den Universitäten Bielefeld und München sowie an der TU Berlin werden zum Wintersemester 2003/2004 zum dritten Mal Studienplätze im berufsbegleitenden Aufbaustudiengang Epidemiologie angeboten. Die Teilnehmer werden auf Arbeitsbereiche in der epidemiologischen Forschung in den Hochschulen, klinischen und pharmazeutischen Forschungseinrichtungen sowie in den Gesundheitsbehörden vorbereitet. Der Studiengang schließt mit dem internationalen Titel „Master of Science in Epidemiology“ ab. Bewerben können sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit akademischen Abschlüssen verschiedener Fachrichtungen: Medizin, Zahnmedizin, Tiermedizin, Pharmazie, andere Naturwissenschaften sowie Sozialoder Geisteswissenschaften. Teilnahmevoraussetzung ist ein Eignungstest und eine Teilnahmegebühr für die gesamten vier Semester in Höhe von 2556 Euro. Bewerbungsschluss ist der 31. Mai. Bewerbungen sind zu richten an: Universität Bielefeld; Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Dr. Hiltrud Merzenich, Postfach 100131, 33501 Bielefeld. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Programm, Projektträger ist das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum. Die Lehrveranstaltungen halten namhafte deutsche Epidemiologen sowie renommierte Lehrkräfte aus Europa und den USA. Der viersemestrige Studiengang findet im ersten, dritten und vierten Semester an den jeweiligen Wunschstandorten statt. Im zweiten Semester lernen alle Teilnehmer zentral an der Universität Bielefeld. Ausschließlich dort ist der Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Gesundheitswissenschaften Unterricht in drei zwölftägige Blöcke aufgeteilt, und die Unterrichtssprache ist teilweise Englisch. An der TU Berlin und der Universität Bielefeld besteht zudem die Möglichkeit zur Promotion zum Dr. PH (Public Health), an der Universität München zum Dr. rer. biol. hum. Informationen: Hiltrud Merzenich, Telefon 0521/106-4266, Internet: www.uni-bielefeld.de/gesundhw/ag2/mse. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 31 Zentrum für interdisziplinäre Forschung „Weimarer Vehältnisse“ sollen sich nicht wiederholen Weimars lange Schatten: Weimar als Argument nach 1945 (H.B.) Unter der wissenschaftlichen Leitung der Professoren Hans Boldt, Christoph Gusy und Andreas Wirsching fand Ende Januar im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld eine Tagung über „Weimars lange Schatten: Weimar als Argument nach 1945“ statt. Die Tagung beschäftigte sich mit der Frage, wie die bundesrepublikanischen Lösungen für Probleme im Umgang mit der Demokratie aussahen und aussehen, mit denen bereits die Weimarer Republik zu kämpfen hatte. Denn: „Weimarer Verhältnisse“ sollen sich nicht wiederholen. „Bonn ist nicht Weimar“. Dieser Buchtitel des Journalisten Fritz René Allemann aus dem Jahre 1956 prägte die politische Diskussion der Bundesrepublik Deutschland. Je nach Zeit und Ort besaß diese Formel aber auch andere Stoßrichtungen. So stand der Parlamentarische Rat 1949 unter dem Eindruck „Bonn darf nicht Weimar sein“, und in der Debatte um die Notstandsgesetzgebung der 1960er Jahre wurde auf das Bild „Bonn darf nicht Weimar werden“ zurückgegriffen. Die ZiF-Tagung beschäftigte sich mit diesen „langen Schatten“, die Weimar auf die Bundesrepublik warf und wirft. Sie stellte die Frage nach den Formen der Verarbeitung der Erfahrungen aus Weimar in Wissenschaft, Politik und Rechtsprechung und nach dem Gebrauch des „Argumentes Weimar“ in diesen Bereichen zu verschiedenen Zeitpunkten. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Weimarer Republik und den Gründen ihres Scheiterns stand im Zeichen des demokratischen Neuanfangs der Bundesrepublik Deutschland und der Stabilisierung der zweiten deutschen Demokratie. Nach einem einführenden Vortrag über die geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der Weimarer Republik wandten sich die Beiträge der Auseinandersetzung mit den Lehren Weimars auf wissenschaftlichem, innenpolitischem und verfassungsrechtlichem Gebiete zu. Einen Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF): Tagungen und Arbeitsgemeinschaften 2003 Thema Wissenschaftliche Leitung Termin Rechtswissenschaft als Kulturwissenschaft Ulrich Haltern, Berlin Christoph Möllers, Heidelberg 4. - 5. April Nietzsche als Schriftsteller Rüdiger Bittner, Bielefeld 15. -17. Mai Nationalliteraturen nach 1945: Autonomisierung, Professionalisierung, Internationalisierung Ingrid Gilcher-Holtey, Bielefeld Gisèle Sapiro, Paris 22. - 24. Mai Models, Simulations, and the Application of Mathematics Ralf Herbold, Bielefeld Johannes Lenhardt, Bielefeld Michael Stöltzner, Bielefeld 4. - 7. Juni Verfolgen - Vermitteln - Verklagen Welche Verfahrensregeln verdienen den Vorzug für die Aufarbeitung von Beziehungsgewalt? Stefan Barton, Bielefeld Uwe Jürgens, Bielefeld 25. - 26. Juni Laufmaschinen Holk Cruse, Bielefeld Friedrich Pfeiffer, München 3. - 4. Juli Science and Values Martin Carrier, Bielefeld Don Howard, Notre Dame/Indiana Peter Weingart, Bielefeld 9. - 12. Juli Vertrauen und Gemeinschaftsbildung im Internet. Optionen und Restriktionen internetvermittelter Kooperation Michael Baurmann, Düsseldorf Bernd Lahno, Duisburg Uwe Matzat, Düsseldorf 31. Juli - 2. August Kritische Theorie und Religion Raymond Geuss, Cambridge/UK Margarete Kohlenbach, Sussex 22. - 24. September ZiF-Forschungsgruppe: General Theory of Information Transfer and Combinatorics (bis 31. August 2003) ZiF- Kooperationsgruppe: Public Healh Genetics (Wintersemester 2003 - 2004) 32 Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Zentrum für interdisziplinäre Forschung Leiteten die ZiF-Tagung „Weimars lange Schatten“ (v.l.): Andreas Wirsching (Augsburg), Hans Boldt (Müllheim/Baden) und Christioph Gusy (Bielefeld). zentralen Platz nahm der Parlamentarische Rat ein, denn dieser hatte vor dem Hintergrund des Scheiterns der Weimarer Reichsverfassung eine neue demokratische Verfassung zu erlassen, in der die Fehler vermieden werden sollten, die letztlich zur vermeintlichen „Selbstpreisgabe“ der Weimarer Republik geführt hatten. Zentrale Punkte der Diskussion waren die Parteienstaatlichkeit, der Wahlrechtskompromiss aus Mehrheits- und Verhältniswahl einschließlich der Sperrklausel von fünf Prozent, die Stärkung der parlamentarischen Regierung sowohl dem Staatsoberhaupt als auch dem Parlament gegenüber, die Ablehnung direktdemokratischer Verfahren auf Bundesebene sowie die verfassungsrechtliche Lehre von der streitbaren Demokratie. Zur Periodisierung des Gebrauchs des Weimar-Argumentes erwiesen sich die Phasen Tradition, Konstruktion und Erosion auch für andere Themenbereiche wie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes als übertragbar. Ergänzt und abgerundet wurden die Beiträge zur Auseinandersetzung in der Bundesrepublik Deutschland durch einen französischen Vortrag über die Rezeption der Weimarer Republik in Frankreich im Kontext der Verfassunggebung der V. Republik, deren Verfassung zahlreiche Übereinstimmungen mit der Weimarer Reichsverfassung aufweist. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Ökologie Landnutzung und Natur im Pamir (BUZ) Im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld fand im Januar unter der Leitung des Bielefelder Ökologen Siegmar-Walter Breckle eine Tagung zur „Natur und Landnutzung im Pamir“ statt. Eine interdisziplinär zusammengesetzte Teilnehmerschaft von Zentral- asien-Experten hatten es sich zur Aufgabe gemacht, ein aktuelles und neues Bild der natürlichen Ressourcen und der heutigen sozioökonomischen Bedingungen dieses Gebirgsraums zusammenzutragen, um daraus Forschungsgrundlagen und wissenschaftlich fundierte zukünftige Entwicklungszusammenarbeit ableiten zu können. Denn: „Wie der Erhalt der Biodiversität, der Naturschutz und eine nachhaltige Landnutzung im Pamirgebirge in Einklang zu bringen sind, ist eine der wichtigsten Fragen für den gesamten zentralasiatischen Raum“, sagte Tagungsleiter Siegmar-Walter Brekkle, der sich längere Zeit im Pamir aufhielt. Die Situation dort stellt sich folgendermaßen dar: Der Pamir ist als Gebirgslandschaft einmalig. Die geologischen Verhältnisse sind äußerst komplex. Aber genau wie der Pamir, das Dach der Welt, eine geologische Nahtstelle, wie ein Knoten, zu den Nachbargebirgen ist, stellt er auch in biogeographischer Hinsicht eine wichtige Schnittstelle zwischen mehreren biogeographischen Regionen dar. Darüber hinaus war er in der langen Historie Zentralasiens einerseits – wie für Marco Polo – Durchgangsandererseits Rückzugsgebiet für verschiedene Völkerschaften. In den verschiedenen Tälern des Pamir An der Tagung „Natur und Landnutzung im Pamir“ nahm auch Dr. Polina Agachanjanz (r.) aus St. Petersburg teil, die Enkeltochter des unlängst gestorbenen Pamir-Experten Okmir E. Agachanjanz, mit dem der Bielefelder Ökologe Siegmar-Walter Breckle (l.) über lange Jahre zusammengearbeitet hat. 33 Zentrum für interdisziplinäre Forschung wohnen sehr unterschiedliche Volksgruppen, sie sprechen teilweise auch sehr unterschiedliche Sprachen. Das derzeit größte Problem für die Bevölkerung ist die Verfügbarkeit von Brennmaterial, zum Kochen und zum Heizen in den sehr kalten Wintermonaten. Hierfür werden im Westpamir die letzten Reste der Auwälder am Fuße der Täler abgeholzt. Diese unterstehen eigentlich den staatlichen Forstbetrieben, die die Wälder jedoch nicht vor diesem starken Holzbedarf schützen können und über keinerlei Mittel zur Auffor- stung verfügen. Im Ostpamir dagegen wird ein Halbstrauch als wichtigste Dominanzpflanze gerodet, die mit ihrem starken Wurzelwerk überaus wichtig für die Erosionsbekämpfung, aber zugleich auch die wich- 34 tigste Weidepflanze in dieser Hochgebirgswüste ist. „Wenn hier nicht bald eine alternative Energiequelle gefunden wird, wird es zu massiver Bodenerosion und einem damit einhergehenden dramatischen Verlust der Lebensgrundlagen für Mensch und Vieh sowie an Biodiversität führen“, sagt Siegmar-Walter Breckle voraus. Zwei Drittel der Fläche des Pamir (2,6 Mio. Hektar, das sind 18 Prozent der Landfläche Tadschikistans) sind laut Regierungsdekret von 1992 als Nationalpark ausgewiesen, der laut tadschikischer Gesetzgebung in ausgewiesenen Zonen auch eine nachhaltige Nutzung der Naturressourcen zulässt. Breckle wies allerdings darauf hin, dass dieser Nationalpark „derzeit nur auf dem Papier existiert – die Umsetzung trifft auf strukturelle Schwierigkeiten, aber auch mangelnde Erfahrung der einheimischen Experten in Fragen des Schutzgebietsmanagements und der Zonierung von Schutzgebieten sowie der Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung. Bei Entwicklung einer entsprechenden Infrastruktur könnte der Nationalpark die Aufrechterhaltung der einzigartigen Hochgebirgslandschaften und die nachhaltige Erhaltung der Biodiversität der ganzen Makroregion Pamir gewährleisten.“ Forschungen auf dem Pamir im Jahr der Schlange Der Wind, der heißt Afghane (BUZ) Ein erstes gedrucktes Exemplar seines Buches „Der Wind, der heißt Afghane“ hat Okmir E. Agachanjanz Mitte Oktober vergangenen Jahres noch in den Händen gehalten. Am 28. Oktober ist Agachanjanz, der wohl beste Kenner des Pamir, in Minsk gestorben. Er hatte sich fest vorgenommen, im Januar 2003 an der von Siegmar-Walter Breckle im Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld geleiteten Tagung „Natur und Landnutzung im Pamir“ teilzunehmen. Dazu ist es zum Bedauern der Tagungsteilnehmer aus aller Welt nicht mehr gekommen. Okmir Agachanjanz hat 20 Jahre seines Lebens im Pamir mit der Erforschung der Vegetation und ihren Nutzungsmöglichkeiten dort verbracht. Ein Ausschnitt seiner Arbeit unter den speziellen Bedingungen sowjetischer Planwirtschaft wird in seinem Buch wiedergegeben. Okmir Agachanjanz begann seine wissenschaftlichen Forschungen 1946 auf der Taimyr-Halbinsel. Er hat fast alle Gebirge der ehemaligen Sowjetunion im Rahmen von zahlreichen Expeditionen besucht. Seine Forschungen umfassen biogeographische und ökologische Untersuchungen der Hochgebirge. „Der Wind, der heißt Afghane“ ist ein spannendes Sachbuch, das zugleich ein Zeitdokument ist. Auch wenn sich die botanischen Forschungen und vegetationskundlichen Untersuchungen wie ein roter Faden durch das Buch ziehen, so sind sie doch nur der Hintergrund vor dem sich die von ihm geschilderten mannigfaltigen Erlebnisse im Unglücksjahr der Schlange abspielen. Okmir Agachanjanz plaudert über seine Episoden mit Humor, klar und plastisch. Er charakterisiert seine Gesprächspartner sehr treffend und verknüpft all dies in origineller Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Frauenforschung Weise, um den Leser an den Freuden und Leiden des Expeditionslebens teilhaben zu lassen. Dabei bringt er dem Leser auch die typische Umwelt der abgeschiedenen, aber umso gastfreundlicheren Bergbewohner des Pamir nahe. Heute, da Tadshikistan sich anschickt, wieder Anschluss an die Weltgemeinschaft zu finden, und wo bereits jetzt wieder erster Tourismus möglich ist, stellt dieses Buch ein hervorragendes Beispiel zur thematischen Einführung in das Land am Pamir dar. Schon bald werden wieder größerer Bergsteigertouren im Pamir organisiert werden können. Der große Pamir-Nationalpark ist ausgerufen zum Schutze dieser großartigen Bergwelt, seiner Flora und Fauna. Er soll zudem in Zukunft eine große Attraktion für Touristen werden. Die Dörfer und Talschaften sollen durch Entwicklungsprojekte unterstützt werden. Zu all diesem ist eine gründliche Vorbereitung, eine Einführung in die Geschehnisse vor Ort unabdingbar, auch hierfür ist „Der Wind, der heißt Afghane“ eine unentbehrliche Grundlage. Das Buch ist jetzt herausgekommen beim Shaker-Verlag in Aachen. Es wurde redaktionell bearbeitet von Professor Siegmar-Walter Breckle und Uta Breckle. Die Schlussredaktion erfolgte durch Mathias Wennemann. Professor Agachanjanz war 1992 für sechs Monate DFG-Gastprofessor an der Abteilung Ökologie Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 der Universität Bielefeld. Er arbeitete seit dieser Zeit eng mit Breckle zusammen und hat unter anderem auch die 2. Auflage des Bandes 3 der „Ökologie der Erde“ zusammen mit Breckle verfasst. Seine Ratschläge haben die im Sommer von der Abteilung Ökologie durchgeführte und von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) mitfinanzierte Pamir-Expedition begleitet, bei der neben GTZ-Mitarbeitern auch fortgeschrittene Studenten der Universität Bielefeld, aber auch Teilnehmer aus Bonn und Greifswald sowie tadshikische Begleiter mitfahren konnten. Über die Pamir-Expedition haben ARTE, der Bayerische Rundfunk und das ZDF ausführlich in Filmbeiträgen berichtet. Tagung am 8. und 9. Mai im Jugendgästehaus Zwanzig Jahre Interdisziplinäres Frauenforschungs-Zentrum (IFF) (IFF) Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit. Bezogen auf das Interdisziplinäre Frauenforschungs-Zentrum (IFF) der Universität Bielefeld ist diese Zeit wie im Fluge vergangen. Nach Ansicht der Geschäftsführenden Leiterin, Prof. Dr. Ursula Müller, weist diese Zentrale Einrichtung der Universität Bielefeld Reife-, aber keine Alterungszeichen auf. Dies sei dem Umstand zu danken, dass das IFF im Laufe seiner wechselvollen Geschichte nicht nur auf Wandel reagiert, sondern diesen aktiv gestaltet und herbeigeführt habe. Ob es die Weiterentwicklung von Frauenförderung über Gleichstellungspolitik hin zum Gender Mainstreaming und Gender Budgeting ist oder die Entwicklung einer frauenspezifischen Beratung für Karriere und dauerhaften Verankerung auf dem wissenschaftlichen Arbeitsmarkt, die Eröffnung neuer Felder für Grundlagenforschung wie zum Beispiel die Initiierung der ersten Kooperationen von Frauenforschung und Forschungen zur Männlichkeit, die Entwicklung erster Online-Lehrkooperationen zur Genderforschung, die kontinuierliche Erforschung zunächst tabuisierter Themen wie gleichgeschlechtliche Lebensweisen oder Gewalt im Geschlechterverhältnis: stets hat das IFF eine Pionierrolle übernommen und wegweisend gewirkt. Auch das beste Modell ist jedoch nie so gut, dass es sich selbstzufrieden immer weiter fortschreiben sollte. Daher verfolgt das IFF mit einer großen Tagung, die es aus Anlass des 20jährigen Bestehens am 8. und 9. Mai dieses Jahres im Jugendgästehaus Bielefeld ausrichtet, mehrere Absichten: das Erreichte zu feiern, nicht ohne es zugleich auch kritisch zu reflektieren, Weiterentwicklungen für die Zukunft zu skizzieren und sich beim großen Kreis derjenigen innerund außerhalb der Universität, der Stadt und Region, aus dem In- und Ausland zu bedanken, die das IFF bis hierhin begleitet haben und vorhaben, das auch weiterhin zu tun. Das Programm der Tagung „Wechselwirkungen, Risiken und Nebenwirkungen. Frauenund Geschlechterforschung im Kontext von Disziplinen und Netzwerken“ lässt diese Vielfalt erkennen. Die Tagung widmet sich drei großen Fragekomplexen, die für die meisten Einrichtungen und Lehrstühle der deutschsprachigen Frauen- und Geschlechterforschung von großer Aktualität sind. Es wird zunächst um die wechselseitige Beeinflussung von Frauen- und Geschlechterforschung und den jeweiligen „main-stream“ in einigen relevanten Wissenschaften gehen. Dann soll anhand einiger Beiträge geprüft werden, welche Prämissen und Folgen die Forderung nach Interdisziplinarität für die Frauen- und Geschlechterforschung hatte und welche Entwicklungen sich 35 Frauenforschung abzeichnen. Schließlich wird es um Vernetzung als Brücke zwischen Konkurrenz und Solidarität gehen. Diese Mischung aus grundlagenorientierter Forschungsdiskussion und forschungspolitischen Debatten mit renommierten Vertreterinnen der Frauen- und Geschlechterforschung wird abgerundet durch einen Festakt, der – eingeleitet durch einen Vortrag von Prof. Dr. Hildegard Maria Nickel von der Humboldt-Universität Berlin – Kultur im Sinne vielfältiger leiblicher Genüsse bereithält. Nähere Informationen sowie Anmeldung unter anina.mischau@ uni-bielefeld.de . Ausstellung zum Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen Phrase bleiben, männliche Gewalt, die irgendwo dort passiert“, sagt Uschi Baaken, Gleichstellungsbeauftragte der Universität Bielefeld. Denn Gewalt sei keine Ausnahme oder Seltenheit, sondern könne überall und jeder oder jedem passieren. Die Ausstellung solle Opfern auch zeigen, dass es Möglichkeiten und Wege gibt, die Problematik aufzuarbeiten. Die Ausstellung wird am 13. März um 10 Uhr von Rektor Dieter Timmermann, Uschi Baaken und vom Frauennotruf eröffnet. Sie ist bis zum 2. April in der Bibliothek im Ausstellungsbereich C1 zu besichtigen. Mit Beiträgen von: Annelie Buntenbach, Arminia Bielefeld, Uschi Baaken, Susann Fegter, Jutta Grau, Gitta Schmidt, Ilse Buddemeier, Eberhard David, Bettina Dornberg, Angelika Gemkow, Helga Gießelmann, Britta Hasselmann, Roland Engels, Nicole Erda-Baum, Frauennotruf Bielefeld e.V., Frauenprojekteplenum – Vertreterinnen der Frauen- und Mädchenprojekte in Bielefeld, Michaela Huber, Uwe Jürgens, Prof. Dr. Stephan Barton, Kornelia Kotte, Egidio Marzona, Sandra Meurer, Cemalettin Özer, Ulugbek Salimov, Özer Nihat, Polizeipräsidium Bielefeld, Dr. med. Luise Reddemann, Heidi Saarmann, Bianca Shomburg, Sevinc Sunar, Telefonseelsorge Bielefeld, Universität Bielefeld, Exponat bearbeitet von Susanne Albrecht, Michael Vesper und Rainer Wend. „Bielefeld setzt Zeichen“ (BUZ) Der Frauennotruf Bielefeld e.V hat anlässlich seines 20-jährigen Jubiläums eine Ausstellung konzipiert, die kürzlich in der Bürgerberatung der Stadt Bielefeld zu besichtigen war und die ab dem 13. März in der Bibliothek der Universität Bielefeld zu sehen sein wird. Die Ausstellung „Bielefeld setzt Zeichen“ zeigt Assoziationen von etwa dreißig Persönlichkeiten aus Bielefeld zum Thema „Sexualisierte Gewalt an Frauen und Mädchen“. Diese beziehen öffentlich Stellung zu dem Thema und sagen „Nein“ zu Gewalt an Frauen und Mädchen. Die Exponenten setzten Zeichen gegen sexualisierte Gewalt und wollen Menschen, die Gewalterfahrungen machen mussten, ermutigen. Ziel der Ausstellung ist es, möglichst viele Menschen auf die verschiedenen Formen von sexualisierter – versteckter und offensichtlicher – Gewalt aufmerkam zu machen und sie mit Hilfe von Symbolen und Zeichen zum genauen Hinschauen aufzufordern und zu sensibilisieren. „Gewalt an Frauen und Mädchen darf nicht länger eine anonyme 36 Das Tempus-Tacis-Projekt „Geschlechterstudien als Bestandteil soziologischer Lehre“, ein Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Bielefeld, Wien und der Staatsuniversität St. Petersburg, hat seine ersten Arbeitsschritte getan. Ende Januar trafen sich der Dekan der Soziologischen Fakultät in St. Petersburg, Professor Nikolay G. Skvortzov, die Petersburger Koordinatorin Dr. Valentina Ushakowa und die Gesamtkoordinatorin, Professorin Ursula Müller, um die nächsten Arbeitsschritte zu konkretisieren. Dabei betonte Skvortzov die hohe Bedeutung, die die Petersburger Fakultät diesem Projekt für die Entwicklung eines MA-Studienganges „Gender Studies“ beimisst. Ursula Müller sieht in dem Projekt ebenfalls einen wichtigen Impuls für innovative curriculare Weiterentwicklungen in Bielefeld. Die erste russische Gaststudentin ist bereits am Interdisziplinären Frauenforschungs-Zentrum eingetroffen. Im März werden weitere Studierende sowie drei Lehrende aus St. Petersburg erwartet. Im Gegenzug reisen drei Bielefelder Wissenschaftlerinnen sowie eine Kollegin aus Wien nach St. Petersburg. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Frauenforschung Arbeitskreis gegründet Geschlechterbezogene Gewaltforschung (IFF/BUZ) Wie in einer der letzten Ausgaben der „Bielefelder Universitätszeitung“ berichtet, arbeiten Professorin Ursula Müller und Dr. Monika Schröttle vom Interdisziplinären Frauenforschungs-Zentrum (IFF) der Universität Bielefeld an der ersten international vergleichbaren Prävalenzstudie zur Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Parallel dazu hat das auftraggebende Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine Pilotstudie zu Gewalterfahrungen von Männern in Auftrag gegeben, die in Kooperation mit Dr. Hans-Joachim Lenz, Dr. Ralf Puchert und dem Bielefelder Meinungsforschungsinstitut Soko durchgeführt wird. Während somit das Thema „Gewalt und Geschlecht“ Forschungskontur gewinnt und bisher tabuisierte Gewalterfahrungen öffentlich thematisierbar werden, sind zugleich besorgniserregende Tendenzen zu beobachten, die Thematik verzerrt darzustellen und über falsche Behauptungen zu sensationalisieren. Vor diesem Hintergrund hat sich auf Einladung des IFF eine Gruppe von Expertinnen und Experten der geschlechterbezogenen Gewaltforschung und aus der Interventionsund Präventionsarbeit zu einem eintägigen Workshop getroffen, der aktuelle Positionen aus der frauenund der männerorientierten Gewaltforschung diskutierte und die Gründung eines Arbeitskreises „Geschlechterbezogene Gewaltforschung“ beschloss. Referate hierzu hielten Dr. Monika Schröttle, die Professorinnen Carol Hagemann-White, Barbara Kavemann und Dr. HansJoachim Lenz. An der von Ursula Müller anschließend moderierten Diskussion waren u.a. beteiligt: Alexander Bentheim (switchboard, Hamburg), Gerhard Haffner (mannege e.V.), Dirk Bange (Hamburger Senatsverwaltung), Prof. Dr. Cornelia Helfferich (Freiburg), Dr. Ralf Puchert Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 (dissens e.V., Berlin) und Dr. Birgit Schweikert vom Bundesfamilienministerium. Der Arbeitskreis plant als nächsten Schritt die Herausgabe eines Readers zur geschlechterbezogenen Gewaltforschung. Nähere Informationen über [email protected]. Dr. Aisha Kahil El-Karib, Direktorin des ‚Gender Research Center’ in Khartum, Sudan, hielt sich zu Beginn des Wintersemesters 2002/2003 im Interdisziplinären Frauenforschungs-Zentrum (IFF) der Universität Bielefeld auf, um sich über die Aufgaben des IFF zu informieren und von ihrer Arbeit im Sudan zu berichten. Aisha Kahil El-Karib, Multiplikatorin im Bereich der von der Regierung unabhängigen Frauenbewegung im Sudan, wird großer Einfluss in Aktivitäten zur Neubestimmung der Rolle der Frau für die Modernisierung der sudanesischen Gesellschaft beigemessen. Mit ihrem Besuch in Deutschland will sie Unterstützung für die Entwicklung der Rechte der Frau in einem als besonders rigide geltenden islamisch-fundamentalistischen System mobilisieren. Das Foto zeigt (v.l.) Dr. Anina Mischau, Aisha Kahil El-Karib, Dr. Monika Schröttle, Anne Reckmeyer, Ulla Reißland, Dr. Birgitta Wrede, Christina Rautenstrauch und Hanadi Mohamed. Interdisziplinäres Frauenforschungs-Zentrum Arbeitszeit – Familienzeit – Lebenszeit: Verlieren wir die Balance? (IFF/BUZ) Arbeiten ohne Ende, Burn-out, keine Zeit mehr für Familie und Gemeinschaft: sieht so die „schöne neue Arbeitswelt“ aus? Oder bietet die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Beschäftigungsverhältnissen die Chance einer neuen Balance von Arbeit und Leben? Wie tragfähig sind betriebliche Konzepte zur Work-Life-Balance, schaffen sie wirklich eine bessere Balance von Arbeit und Leben, gewinnen Familien dadurch mehr Zeit oder geraten die Beschäftigten nur in neue Zeitfallen? Wie sind solche Konzepte aus der Perspektive der Frauen- und Geschlechterforschung zu beurteilen? Über diese und andere Fragen diskutieren Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik in der von Professorin Mechtild Oechsle und Dr. Anina Mischau organisierten Ringvorlesung des Interdisziplinären Frauenforschungs-Zentrums zum Thema „Arbeitszeit – Familienzeit – Lebenszeit: Verlieren wir die Balan- ce?“. Auf dem Programm stehen zunächst folgende Vorträge, die jeweils um 16.00 Uhr im Raum U2147 der Universität stattfinden. 23. April, Kerstin Jürgens, Hannover: Arbeitszeitflexibilisierung. Marktanpassung oder neue Balance von Arbeit und Leben? 37 Frauenforschung 7. Mai, Karin Jurczyk, DJI München: Entgrenzte Erwerbsarbeit – entgrenzte Familie? 14. Mai, Helga Zeiher, Berlin: Neue Zeiten – neue Kinder? Wandel gesellschaftlicher Zeitbedingungen und Folgen für die Kinder. Als weitere Vorträge werden zu hören sein: Norbert F. Schneider, Universität Mainz: Leben an zwei Orten. Die Folgen beruflicher Mobilität für Familie und Partnerschaft. Annette Henninger, Bremen: Der Arbeitskraftunternehmer und seine Frau(en). Kritische Anmerkungen zu einem Konzept. Gisela Erler, Familienservice Berlin: Work-Life-Balance – stille Revolution oder Etikettenschwindel? Ulrich Mückenberger, Hamburg: Zeitwohlstand als gesellschaftliche Gestaltungsaufgabe. Virtual International Gender Studies (VINGS) Neue VINGS-Kurse (VINGS/BUZ) Das Pilotprojekt „Virtual International Gender Studies“ im Förderprogramm „Neue Medien in Bildung und Ausbildung“, ein gemeinsames Vorhaben der Universitäten Bielefeld, Bochum, Hannover sowie der Fernuniversität Hagen, lädt im kommenden Sommersemester wieder zu einer Reihe von Seminaren für Studierende in der Hauptstudiumsphase ein. Die Seminare können „online“ besucht werden, also unabhängig von Zeit und Ort. Erworbene Studienleistungen (in der Regel über aktive Teilnahme und schriftliche Hausarbeit) werden in den jeweiligen Studiengängen anerkannt. 38 Diesmal sind wieder zwei Angebote aus Bielefeld dabei, und zwar ein Seminar von Prof. Dr. Joanna PfaffCzarnecka (Bild unten rechts, Fakultät für Soziologie) im Rahmen des Moduls „Recht, Kontrakt, Geschlecht: Globale Dynamiken und lokale Aushandlungen“, sowie ein Seminar von Prof. Dr. Ursula Müller (Bild unten links, Fakultät für Soziologie) zum Thema „Profession, Organisation, Geschlecht“ im Rahmen des Moduls „Sozialgeschichte und Zukunft geschlechtlicher Arbeitsteilung“. An diesem Modul sind ferner beteiligt Prof. Dr. Karin Hausen (FU Berlin), Prof. Dr. Gudrun-Axeli Knapp und Dr. Kerstin Jürgens (Universität Hannover) sowie Dr. Jutta Schwarzkopf (Hamburg). Über diese beiden Kurse geben die Veranstalterinnen Auskunft sowie die web-Adresse www. vings.de. Hier finden sich auch Informationen und Teilnahmevoraussetzungen für die Seminare, die im kommenden Semester von den anderen beteiligten Hochschulen aus angeboten werden und ebenfalls von Bielefelder Studierenden online besucht werden können. Die Teilnahme an allen Veranstaltungen ist für Studierende der beteiligten Hochschulen kostenlos. Allerdings müssen sie sich schriftlich bei der Fernuniversität Hagen als Gasthörer anmelden, um eine Zugangsberechtigung zum VINGS-Server zu erhalten. Formulare hierfür gibt es bei den Veranstalterinnen oder unter www.vings.de. Einige Veranstaltungen lassen nur begrenzte Teilnehmerzahlen zu. In allen Zweifelsfällen helfen auch [email protected] sowie [email protected] weiter. Gespräch zwischen Stadt und Rektorat Begrüßungsgeld nach Osnabrücker Vorbild? (BUZ) Als äußerst konstruktiv werteten das Rektorat der Universität Bielefeld und der städtische Verwaltungsvorstand ihr letztes Zusammentreffen vom 14. Januar im Alten Rathaus. Im Verlauf des Gesprächs wurde besonders die geplante Einführung einer Zweitwohnungssteuer zum 1. April diskutiert, von der auch Studierende betroffen sind. Durch die Steuer sollen die bisher nicht oder per Zweitwohnsitz gemeldeten Einwohner motiviert werden, ihren Erstwohnsitz in Bielefeld anzumelden, weil der Stadt dann höhere Landesmittel zugewiesen werden. Von Seiten der Universität wurde dazu vorgeschlagen, dem möglichen Abschreckungseffekt für Studierende durch Anreize zu begegnen. Denkbar wären neben einem Begrüßungsgeld nach Osnabrücker Vorbild auch nicht-monetäre Vergünstigungen. Als weiterer Punkt kam das Thema „Bielefeld als Hochschulstandort“ zur Sprache, insbesondere im Hinblick auf eine noch bessere Integration der Universität in die Stadt. In diesem Zusammenhang wurden auch künftige gemeinsame Veranstaltungen und öffentlichkeitswirksame Aktivitäten angesprochen. Dabei soll die zentrale Rolle von Wissenschaft für die Gesellschaft und der Stellenwert der Universität für Stadt und Region (auch im internationalen Kontext) deutlich werden. Die Delegation der Universität unter Leitung von Rektor Dieter Timmermann wurde vom Ersten Beigeordneten Rainer Ludwig empfangen. Dieser hatte wegen einer Erkrankung des Oberbürgermeisters die Gesprächsführung für die Stadt übernommen. Beide Seiten waren sich einig, ihre regelmäßigen Kontakte in intensiver Form fortzusetzen. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Studierende Studentenwerk zur Zweitwohnsitzsteuer (BUZ) Das Studentenwerk Bielefeld empfiehlt im Falle einer Zweitwohnsitzsteuer Studierenden, sich in Bielefeld mit erstem Wohnsitz anzumelden. Um Nachteile auszuschließen, rät das Studentenwerk zu prüfen, ob ein Anspruch auf Ermäßigung von Rundfunkgebühren besteht, und einen entsprechenden Antrag ans Sozialamt zu stellen. Außerdem sollte den privaten Risikoversicherungen (Haftpflicht, Unfall) der Wohnsitzwechsel gemeldet werden, besonders wenn die Studierenden über die Familie am Familienwohnsitz mitversichert sind. Diese Empfehlungen wird das Studentenwerk den Studierenden in Wohnungen des Studentenwerks schriftlich mitteilen. Diejenigen, die sich in die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge an der Universität Bielefeld eingeschrieben haben und die sich zuvor in einer Informationsveranstaltung über die neuen Studiengänge aufklären ließen (Foto), brauchen nichts zu befürchten: die Bachelor-Abschlüsse werden auch in Großbritannien anerkannt. Hochschulrektorenkonferenz Studieren ab 50 Neue Sprecher (BUZ) Die Vollversammlung von „Studieren ab 50“ an der Universität Bielefeld hat eine neue studentische Interessenvertretung für die Dauer von zwei Jahren gewählt. Der neu gewählten Vertretung gehören an: Günter Bottemöller (Bielefeld), Siegfried Brauner (Borgholzhausen), Karl Irmer, Heinz-Dieter Kirse, Ursula Krieger (alle Bielefeld), Wilhelm Krümpelmann (Gütersloh), Ursula Landwehr (Bielefeld), Peter Niehus (Gütersloh), Gisela Niemeier (Herford), Ingeborg Weber (Bielefeld). Zu Sprechern der studentischen Interessenvertretung wurden gewählt: Karl Irmer und Heinz-Dieter Kirse. Stellvertretende Sprecherin ist Ursula Landwehr, stellvertretender Sprecher Peter Niehus. Die Sprecher haben der Universität in der Vollversammlung gedankt für das ausgezeichnete Angebot für Erwachsene im mittleren und höheren Lebensalter, das sich an die Bevölkerung der ganzen Region wende. Die gute Resonanz sei aus den hohen Gasthörerzahlen der Gruppe, zur Zeit knapp 700, ablesbar. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Viel Lärm um Nichts: Britische Hochschulen erkennen deutsche Bachelors sehr wohl an (HRK) Die in einer Reihe deutscher Zeitungen kolportierte Behauptung, deutsche Bachelor-Abschlüsse würden in Großbritannien generell nicht anerkannt, ist falsch. Das ergaben Recherchen der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). In einer gemeinsamen Erklärung haben sich die vier maßgeblichen britischen Organisationen (unter ihnen die britische Rektorenkonferenz und die für akademische Anerkennungsfragen zuständige Behörde NARIC) am 29. Januar ausdrücklich zu den Zielen des Bologna-Prozesses bekannt. Dabei betonen sie besonders die Bedeutung steigender Mobilität der Studierenden. Aus dem Text geht hervor, dass sich Inhaber von Bachelor-Abschlüssen deutscher Hochschulen wie auch von Hochschulen aller Teilnahmeländer des BolognaProzesses um die Zulassung zu Masterprogrammen an britischen Hochschulen bewerben können. „Hier wurde von einigen deutschen Kommentatoren begierig die Gelegenheit ergriffen, die Internationalisierung der deutschen Hochschulen in Verruf zu bringen, ohne den Sachverhalt ausreichend zu recherchieren“, kommentierte der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz den Vorgang. Von britischer Seite werde der deutsche Bachelor keinesfalls als minderwertig gegenüber dem anderer BolognaLänder betrachtet. Ebenso wie bei den Inhabern von britischen Bachelor-Abschlüssen bestehe aber kein Anspruch auf Zulassung zu Masterprogrammen in Großbritannien, vielmehr handele es sich um eine Einzelfallentscheidung der Hochschule oder des Fachbereichs. Für die richtige Einschätzung der Qualifikation der Bewerber betont die Erklärung der vier Organisationen die Bedeutung des Diploma Supplements, das von HRK und Kultusministerkonferenz seit langem gefordert wird. Die gemeinsame Erklärung der Hochschulvereinigung Universities 39 Studierende UK, der Anerkennungsbehörde NARIC, dem Quality Assurance Agency for Higher Education QAA und dem Standing Committee of Prinicpals SCOP ist auf der Homepage der QAA unter folgender Adresse zu finden: www.qaa.ac.uk. Unabhängig von dieser Erklärung arbeiten die zuständigen deutschen und britischen Stellen an einer Aktualisierung der bilateralen Äquivalenzempfehlungen unter Berücksichtigung der Bologna-Entwicklungen. Das Wort der Stunde heißt Plagiat Fälschungen – und kein Ende? In den letzten Jahren wurde die Wissenschaft im In- und Ausland von einigen Skandalen heimgesucht, in denen schamlose Fälschungen von Statistiken und experimentellen Befunden aufgedeckt wurden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die einen erheblichen Teil der universitären Forschung finanziert, verpflichtete die Universitäten daraufhin, sich einen ethischen Kodex zu geben, der alle Forscher auf die genaue Dokumentation ihrer Quellen festlegt und ein scharfes Vorgehen gegen Missbrauch vorsieht. So hat die Universität Bielefeld „Grundsätze zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ beschlossen, die sich im Internet unter: www.unibielefeld.de/Universitaet/Einrichtungen/Pressestelle/dokumente/grundsaetze.html finden. Nun ereilt die Universitäten eine neue Welle Fälschung und Betrug – nicht durch die Forscher, sondern durch die Studierenden. Plagiat heißt das Wort der Stunde: geistiges Diebesgut, irgendwo gestohlen und in die eigenen Texte – Referate, Hausarbeiten, Versuchsprotokolle, Diplom- und Magisterarbeiten, Dissertationen – hineingeschmuggelt. Während in der seriösen Variante das fleißige Zitieren mit dem langen Literaturverzeichnis als Ausweis der Belesenheit und Kompetenz gilt, verweist die Schummelvariante auf kriminelle Energie: Aneignung fremden geistigen Eigentums und Vortäuschung eigener Leistungen. Punktuelle Untersuchungen, durchgeführt von Professoren an verschiedenen Universitäten, kommen zu ähnlichen Ergebnissen: Ein Viertel bis Drittel aller dafür geeigneten Texte enthalten Plagiate. In den USA wurden sogar Alarmzahlen von über 80 Prozent gemeldet. Was ist der Grund? Ein wenig Schummeln gehörte schon immer zum Spiel. Neu ins Spiel gekommen ist die Wirklichkeit der Informationsund Wissensgesellschaft. Der moderne Mensch, insbesondere der jüngere, der der Informations- und Kommunikationstechnologie kundig 40 ist, ist umgeben von unzähligen, miteinander verknüpften Texten zu jedem beliebigen Thema, die alle danach schreien: lade mich herunter und nimm mich. Der Autor ist kaum sichtbar, kein Verlag verlangt einen Preis, die gewundenen URLs sind so vergänglich wie Blüten. Copy/paste, und ich bin dein. Wenn dies denn Diebstahl ist, dann hätte man auch den Straftatbestand der ,Verleitung zum Diebstahl‘ zu verfolgen. Interviews mit ertappten Plagiatoren zeigen ein wenig entwickeltes Unrechtsbewusstsein. Man versteht nicht, dass die Freigebigkeit des Internets durch mühevolle Zitierarbeit eingeschränkt werden soll. Aber Betrug ist es trotzdem. In jeder akademischen Prüfungsarbeit geht es um den Beleg der Fähigkeit des Autors, das Thema selbständig durchdacht und dargestellt zu haben. Dazu gehört nach wie vor die Kennzeichnung übernommener Textstellen und die Quellenangabe. Wenn auf das Woher des Wissens nur noch lapidar geantwortet wird: „alles aus dem Internet“, dieser „open source“ des Informationszeitalters, die umso stärker anschwillt, desto mehr ihr entnommen wird, dann kann zwischen eigener und fremder Leistung nicht mehr unterschieden werden. Es kommt ein noch gewichtigeres Argument hinzu: Internettexte sind von unbekannter Qualität und Verlässlichkeit. Die Suchmaschinen tappen blind vom Artikel mit wissenschaftlicher Qualität zum Sensationsbericht im BILDformat, zur Selbsterfahrung einer Laiengruppe und zur verdrehten Darstellung eines Ideologen. Akademische Ausbildung ist aber daran gebunden, Standards der Verlässlichkeit und Überprüfbarkeit einzuüben. Das geht nur, wenn Kritik gegenüber den Quellen geschult wird. Schließlich ist überhaupt nicht zu akzeptieren, wenn zu bestimmten Themen – etwa in der Literaturwissenschaft oder Geschichtswissenschaft – aus einem reichen Repertoire von Texten, die über spezielle URLs erreichbar sind, Komplettplagiate abgeliefert werden. Die eigene Leistung – mindestens die geistige – geht dann auf Null. Dies kann allerdings nur unentdeckt bleiben, wenn eine intensive Besprechung der Arbeit unterbleibt (was ja an unserer Universität nie vorkommt). Es gibt inzwischen Suchdienste, die auf die Aufdeckung von Plagiaten spezialisiert sind. Marktführer ist „Turnitin“, dessen Homepage – da haben wir es schon wieder – über Arbeitsweise und Erfolge Auskunft gibt. Viele hochrangige Universitäten in den USA und England benutzen den Dienst, was nach Auskunft der Firma zu einer drastischen Absenkung der Fälschungsquote geführt hat (auf deutlich unter 5 Prozent). Die Universität Bielefeld prüft mehrere Optionen, unter anderem den campusweiten Anschluss an einen solchen Dienst. Man kann sich zudem ausmalen, dass schon in Kürze auch übergeordnete Einrichtungen, zum Beispiel die für Zulassung und Evaluation von Studiengängen verantwortlichen Agenturen, einen Nachweis der Universität darüber verlangen, dass sie mit nachprüfbaren Mitteln gegen Fälschung und Betrug bei Studienleistungen einschreitet. Wolfgang Krohn, Prorektor für Struktur, Planung und Bauangelegenheiten Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Studierende Landtag beschließt Studienkontenmodell Keine Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen (BUZ) Der Landtag hat am 22. Januar mit den Stimmen von SPD und Grünen beschlossen, in Nordrhein-Westfalen ab dem Sommersemester 2004 Studienkonten einzuführen. Damit ist die Diskussion um Studiengebühren (zunächst einmal?) vom Tisch. Die Studierenden sehen das Studienkontenmodell allerdings als „Studiengebühren durch die Hintertür“ an und setzen auf Widerstand. Dieses Modell sieht für alle Studierenden ein Studienguthaben für den gebührenfreien Erwerb eines ersten berufsqualifizierenden Studienabschlusses vor (in einem konsekutiven Studiengang eines weiteren Abschlusses, also des Masters). Dazu stehen ab 2004 insgesamt 200 Semesterwochenstunden zur Verfügung, die in einer Übergangszeit bis 2007 über nicht individuell berechnete „Regelabbuchungen“ verbraucht werden. Das Studium ist dann innerhalb der eineinhalbfachen Regelstudienzeit kostenfrei. Anschließend werden pro Semester 650 €Euro fällig. Ab 2007 wird individuell nach tatsächlich besuchten Lehrveranstaltungen abgebucht. Wer dann länger als die zweifache Regelstudienzeit benötigt, wird ebenfalls zur Kasse gebeten. Wer dagegen schneller studiert und sein Guthaben nicht aufbraucht, kann es beispielsweise für ein Weiterbildungsstudium einsetzen. Selbstverständlich gibt es eine ganze Reihe von Ausnahmeregelungen, etwa bei Beurlaubungen, Auslandssemestern oder im Promotionsstudium. Insgesamt handelt es sich um ein nicht ganz leicht überschaubares Regelwerk. Heftig kritisiert wird das neue Gesetz von den Studierendenvertretern des Landes, die es in vielen Aspekten, beispielsweise bei der Anrechnung von Erziehungszeiten, als unsozial empfinden und durch seine Regelungen an einigen Stellen die Rechtssicherheit verletzt sehen. Nach Einholung eines entsprechenden Gutachtens plant man nun eine Klage gegen das Gesetz. Ein offener Brief an die Parteien sei, so ein Vertreter des Allgemeinen Studierendenausschusses der Universität Bielefeld, zuvor ohne Antwort geblieben. Eines scheint aber schon festzustehen: der verwaltungstechnische Aufwand wird sich durch das Studienkontenmodell erheblich erhöhen. Studierenden-Wettbewerb Wozu eigentlich Steuern? Eins Live hatte gerufen, und 600 junge Leute aus ganz Nordrhein-Westfalen nutzten die Gelegenheit zu einem 60-Sekunden-Casting mit der Chance auf einen Moderatorenjob bei dem beliebten Jugendsender des WDR. Eins Live besuchte im Wintersemester mit seinem mobilen Casting-Studio elf Universitäten, darunter auch die Universität Bielefeld. Fast 60 junge Leute stellten sich vor dem Haupteingang der Universität der Aufgabe, innerhalb von 60 Sekunden ihre Stimme und ihr Können vor dem Mikrophon zu präsentieren. Die besten Aufnahmen wurden auch bei Eins Live im Radioprogramm gesendet. Zudem wurde der Mut jedes Einzelnen mit einer CD belohnt. Von den 600 Talenten wurden elf für ein ausführlicheres Moderatoren-Casting ausgewählt. Zwei Bielefelderinnen schafften es. Die 21-Jährige Jelena Wehowsky (Foto) überzeugte mit ihrer Stimme. Sie nutzte ihre 60 Sekunden, um das Lied „One day in your life“ von Anastacia zu präsentieren. Und auch die 20-Jährige Lilly Teetz überzeugte die Redakteure von Eins Live. Doch nach dem einstündigen Moderatoren-Casting im Dezember kamen beide leider nicht mehr unter die letzten drei, die ein dreitägiges Moderatorentraining als Preis entgegennehmen konnten. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Zum vierten Mal schreibt das Bundesministerium des Innern einen Studierenden-Wettbewerb zu aktuellen politischen Fragen aus. In diesem Jahr bietet der Wettbewerb Studierenden aller Fachrichtungen an den Hochschulen die Möglichkeit, sich mit der Frage: „Wozu eigentlich Steuern? Das Spannungsverhältnis zwischen Notwendigkeit und Akzeptanz“ zu beschäftigen. Die Auseinandersetzung kann in Form wissenschaftlicher Arbeiten, Feuilletons oder FotoEssays erfolgen. Einsendeschluss ist der 20. Mai 2003. Ausschreibungstext im Internet: www.bmi. bund.de. 41 Studierende „Drehbuch-Werkstatt“ mit Renée und Rolf Karthée (BUZ) Um den Studierenden der Bielefelder Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft einen Einblick in die Alltags-Praxis des Drehbuchschreibens für Fernsehen und Film zu geben, hatte der Leiter des Theorie- und Praxisseminars „Drehbuch-Werkstatt“, Dr. Walter Blohm, das Autorenehepaar Renée und Rolf Karthée aus Hamburg eingeladen. Beide haben sich in den letzten Jahren als Autoren von Vorabendserien („Hotel Elfie“, „Sternenfänger“) und TV-Movies („Der Kuss meiner Schwester“, „All’Arrabbiata“ u.a.) einen Namen gemacht. Die Karthées haben ihren Magister an der Universität Bielefeld gemacht, sie in Literaturwissenschaft, er in Philosophie. Nach Karrieren als Redakteurin beim stern und als PRManager haben sie nach der Geburt ihres Kindes das stressreiche Terminund Reiseleben mit dem nicht unbedingt weniger stressreichen, aber häuslicheren Arbeitsleben des Drehbuchautors getauscht. Locker und offen beantworteten sie Fragen zu ihrer Tätigkeit und schilderten ihre Erfahrungen mit Redakteuren, Produzenten und Regisseuren, die alle in unterschiedlichen Phasen Einfluss auf das Drehbuch nehmen, so dass ständiges Umschreibenmüssen ohne weiteres zu zehn und mehr Fassungen des Buches führt. Zuviel Herzblut dürfe man daher nicht in seine Stoffe investieren, war ihre einhellige Meinung. Ein wichtiger Hinweis für die Teilnehmer der „Drehbuch-Werkstatt“, die auf der Basis der einschlägigen Filmdramaturgie selbst Stoffe und Figuren entwickeln und sich mit ihren Exposés der meist konstruktiven Seminar-Kritik stellen müssen. Die kreative Arbeit, das Geschichtenerzählen könne viel Spaß und Befriedigung verschaffen, aber nur, wenn man nicht zuviel Frust darüber empfinden würde, dass man die meisten Stoffe nicht verkaufen könnte und in der Schublade verschwinden lassen müsste. Das ginge ihnen als Profis so. Da liegt die „Drehbuch-Werkstatt“ gar nicht so schlecht im Rennen: Immerhin sind ein Kinofilm und ein Fernsehfilm nach Plots entstanden, die in den vorangegangenen Werkstätten vorgestellt und entwickelt wurden. Drehbuchautoren: Rolf und Renée Karthée, Walter Blohm (v.r.). 42 Katholische Hochschulgemeinde Blick über den Tellerand (KHG) Die Katholische Hochschulgemeinde (KHG) hatte sich für das Wintersemester viel vorgenommen. „Über den Tellerrand“ war das Motto der Gemeinde im Winfriedhaus in der Turnerstraße. Die Hochschulgemeinde hatte jeden Mittwochabend nach ihrem Gemeindegottesdienst internationale Referenten eingeladen und versuchte, ihren Horizont ein wenig zu erweitern. „Wir möchten unseren kleinen Beitrag zur Verständigung der Kulturen und damit zum Frieden in der Welt leisten“, fasst Studentenpfarrer Uwe Wischkony das vergangene Semester zusammen. „Typisch Türkisch“ hieß es gleich zu Beginn des Semesters. Während des türkischen Abends diskutierten die KHG-Gemeindemitglieder nicht nur über brennende politische Themen, wie etwa die EU-Osterweiterung, sondern kosteten auch türkische Spezialitäten und Leckereien. Zwei junge Missionarinnen auf Zeit aus der Nähe von Paderborn waren eine Woche später in der Pinte der KHG zu Gast. Sie verbrachten ein Jahr in Ghana, berichteten aus ihrer deutschen Sicht von den Problemen und Hoffnungen der Menschen in OstAfrika. Die afrikanische Sicht schilderten dann zwei Wochen später drei afrikanische KHG-Studenten. Einer aus Ghana, einer aus dem Senegal und einer aus Kenia. Ein intensiver Einblick in eine für die meisten KHGMitglieder fremde Welt, der vor allem eins klar machte: Afrika ist nicht gleich Afrika. „Viele Europäer nehmen Afrika als ein Land wahr, nicht als Kontinent. Afrika ist genauso verschieden wie die unterschiedlichen Länder Europas“, brachte es einer der Referenten auf den Punkt. Ein Höhepunkt des vergangenen Semesters war die alljährliche KHGFeuerzangenbowle „in Film und Tasse“. Sie sorgte nicht nur für eine rappelvolle Pinte, sondern auch für ausBielefelder Universitätszeitung 213/2003 Studierende/Ausschreibungen gezeichnete Stimmung. Die KHGAbende sind eben nicht nur Informationsabende, sondern vielmehr auch Gesprächsabende. Voll war die Pinte auch eine Woche später nach dem traditionellen Weihnachtsgottesdienst zusammen mit der Evangelischen Studierendengemeinde, genauso wie beim ökumenischen Gottesdienst Mitte Januar im Meditationsraum der KHG. Regelmäßig bieten beide Studentengemeinden gemeinsame Veranstaltungen an. Auch im neuen Jahr stand Afrika im Mittelpunkt des Blicks über den Tellerrand. „Afrika – ein kranker Kontinent?“, fragte die KHG provokativ einen Arzt aus Ghana, der momentan an der Uni Bielefeld Gesundheitswissenschaften studiert. Er stellte das AIDS-Problem in den Mittelpunkt seines bedrückenden Vortrags, versuchte gleichzeitig aber auch deutlich zu machen, dass Krankheit eine Definitionssache sei und demnach auch die Europäer aus der Sicht vieler Afrikaner krank seien. Mit ihrer traditionellen Semesterabschlussfeier beendete die KHG das Wintersemester 2002/2003. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es bereichernd ist, wenn die unbekannte Kultur eine Stimme und das Fremde ein Gesicht erhält; ja sogar einen unverwechselbaren Namen trägt“, resümierte Wischkony. Das Sommersemester wird unter dem Motto „Lebenswert“ stehen. Alle Infos und Termine gibt es im Internet unter „www.uni-bielefeld.de/stud/khgbi“. Mediendidaktischer Hochschulpreis Die Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft schreibt erneut einen trinationalen Wettbewerb aus, den MEDIDA-PRIX, um didaktisch motivierte Medienprojekte zu unterstützen, die einen besonderen Beitrag zur Qualitätssicherung an der Hochschule leisten. Der Preis wird von den drei Bildungsministerien der Länder Deutschland, Österreich und der Schweiz finanziell mit 100 000 Euro ausgestattet. Das Preisgeld wird zweckgebunden für die weitere Projektentwicklung vergeben. Der Preis richtet sich an alle Studierenden, Hochschulmitarbeiter und -lehrer in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Mehr im Internet unter: www.medidaprix.org. 3. Herforder Recycling-Kunstpreis „Der verborgene Sinn weggeworfener Dinge“ lautet das Motto des zum dritten Mal vom Arbeitskreis Recycling e.V. ausgeschriebenen Herforder Recycling-Kunstpreises 2003. Der Preis ist mit insgesamt 3500 Euro dotiert. Unter dem Motto „Schon mal über ein Stipendium nachgedacht“ fand in der Zentralen Halle der Universität Bielefeld ein Stipendien-Informationsstag statt. Organisiert wurde diese Veranstaltung vom Allgemeinen Studierendenausschuss der Univerität Bielefeld, dem Ausländer-Sprecherrat sowie Vertretern verschiedener Stiftungen. In zahlreichen Gesprächen wiesen derzeitige Stipendiaten darauf hin, dass ein Stipendium weit mehr bedeutet als die finanzielle Förderung des Studiums. Neben der Förderung von Praktika und Auslandsaufenthalten würden die Stiftungen auch ein umfangreiches Seminarprogramm zum interdisziplinären Austausch unter den Stipendiaten anbieten. Die gute Resonanz hat gezeigt, so das Fazit von Meike Schwabe und Ulf Schiller, „dass Informationsbedarf unter den Studierenden besteht“. Deshalb soll ein weiterer Informationstag in diesem Jahr organisiert werden. Wer sich vorab schon genauer über individuelle Fördermöglichkeiten informieren möchte, kann sich jederzeit an die Universitätsbeauftragten für die Stiftungen wenden. Diese finden sich im Internet unter: www.uni-bielefeld.de/Universitaet/Forschung/Beauftragte.html. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Gefragt ist eine künstlerische Überprüfung der Brauchbarkeit von Dingen fernab ihres gewöhnlichen Gebrauchs- oder Konsumwertes. Der Recycling-Kunstpreis ist für Teilnehmer aus Ostwestfalen-Lippe ausgeschrieben. Zugelassen werden Material-Objekte und -Installationen aus allen denkbaren Wegwerf-Sachen, auch kinetische und Klang-Objekte. Abgabeschluss für alle künstlerischen Arbeiten ist der 25. April 2003. Die preisgekrönten Arbeiten werden im Mai 2003 in einer Ausstellung in Herford der Öffentlichkeit gezeigt. Anmeldung und weitere Informationen: Arbeitskreis Recycling, Heidestraße 7, 32051 Herford, Telefon 05221/16902-32, Fax 05221/ 16902-37, E-Mail: [email protected], Internet: www.recyclingboerse.org. 43 Stipendien/Internationales Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD) DAAD-Preis an Filiz Kutluer (BUZ) Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) vergibt an deutschen Hochschulen alljährlich Preise für hervorragende Leistungen ausländischer Studierender. Auswahlkriterien für die Preisvergabe an einen Studierenden der jeweiligen Hochschule sind überdurchschnittliche Leistungen sowie ein besonderer Einsatz für die interkulturelle Verständigung im sozialen und hochschulpolitischen Bereich. Die DAAD-Preisträgerin des Jahres 2002 der Universität Bielefeld ist Filiz Kutluer. Die türkische Studentin erhielt Ende des vergangenen Jahres den mit 1000 Euro dotierten Preis auf dem Empfang des Rektors für Die Zeiten, in denen die Freimaurer wegen politischer Verfolgung im Verborgenen wirken mussten, sind zum Glück lange vorbei. Heute können sie ihr Engagement für die Allgemeinheit unbesorgt öffentlich präsentieren, so wie hier an der Universität Bielefeld: seit Wintersemester 2002/2003 fördert das Sozialwerk der Bielefelder Freimaurer, das übrigens auch Studierenden günstige Wohnheimzimmer zur Verfügung stellt, den Chemiker Klaus Wojczykowski mit einem großzügigen Promotionsstipendium. Das Thema der Promotion lautet: „Liganden-Design für die bottom-up-Synthese magnetischer Nanostrukturen“. Es geht dabei um Synthese und Charakterisierung magnetischer Metallpartikel in Nanometergröße. Als zukünftige Speichermedien könnten magnetische Nanoteilchen die Kapazität herkömmlicher Festplatten um den Faktor Tausend übertreffen. Die dabei zur Stabilisierung verwendeten organischen Moleküle sollen auch dazu dienen, während des Wachstums der Nanopartikel deren kristalline Form und damit auch deren magnetische Eigenschaften zu beeinflussen. Durch geeignete Funktionalisierung der organischen Hülle sollte es zugleich möglich sein, die magnetischen Nanopartikel an die Oberfläche größerer Moleküle anzubinden, um z.B. Moleküle aus dem biologischen Bereich damit zu markieren. Hier zeichnen sich möglicherweise neue Möglichkeiten in der Krebsbekämpfung ab. Diese spannenden interdisziplinären Forschungen werden von Prof. Dr. Peter Jutzi (Fakultät für Chemie) und Dr. Andreas Hütten (Fakultät für Physik) betreut. Prorektorin Prof. Dr. Katharina Kohse-Höinghaus brachte gegenüber den Mitgliedern des Vorstands des Sozialwerks Dr. Jürgen Stockmeier und Horst Thermann ihre Freude darüber zum Ausdruck, dass leistungsfähige Doktoranden, deren Promotionsvorhaben „quer“ zu den üblichen Förderprogrammen liegt, über Einrichtungen wie diese gefördert werden können. Das Foto zeigt von links: Katharina KohseHöinghaus, Andreas Hütten, Klaus Wojczykowski, Peter Jutzi, Horst Thermann und Jürgen Stockmeier. 44 ausländische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Nach einem fünfjährigen Studium an der Middle East Technical University mit dem Abschluss „Bachelor of Science“ in Soziologie und nach einer einjährigen Tätigkeit als Lehrerin an einer türkischen Oberschule kam Filiz Kutluer 1996 nach Bielefeld, absolvierte hier einen einjährigen Sprachkurs und begann 1998 ihr Studium der Soziologie. Im Rahmen ihres Studiums hat sie sich schwerpunktmäßig mit der Stellung der Frauen in islamischen Ländern befasst. Darüber hinaus ist sie an Politik, insbesondere Entwicklungspolitik und Kultur, interessiert. Sie engagiert sich in der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG), wo sie zusammen mit zwei anderen Studentinnen eine internationale Frauengruppe ins Leben gerufen hat und den wöchentlich stattfindenden internationalen Treff organisiert. Zudem hat sie sich im Rahmen des „Europäischen Jahres der Sprachen 2001: Türkei“ als Referentin zum Thema „Geschlechterrollen in der türkischen Kultur“ beteiligt. Seit April 2001 arbeitet sie als studentischen Hilfskraft am Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld. Hier ist sie beteiligt an dem von der Volkswagen-Stiftung finanzierten Forschungsprojekt „Kollektive Identitätsbildungsprozesse von Muslimen in öffentlichen Konflikten“. So hat sie vor allem an den empirischen Erhebungen mitgewirkt und Kontakte zu türkischsprachigen Personengruppen in Bielefeld, Duisburg, Bremen und Halle/Westfalen geknüpft. Sie führte biographische Interviews durch und begleitete Versammlungen von DAAD-Preisträgerin Filiz Kutluer. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Internationales Moscheevereinen und anderen muslimischen Gruppen. Sie wirkte dabei sowohl an der Konzeption von Interviewleitfäden als auch bei der Auswertung von Daten mit. Zudem wird sie an der Publikation der Ergebnisse mitarbeiten. Das IKG sieht in Filiz Kutluer eine hervorragende Mitarbeiterin, die als Mitglied des Institutsvorstandes engagiert an allen Instituts- und Vorstandssitzungen teilnimmt, und bescheinigt ihr eine hohe Befähigung zur empirischen Sozialforschung. Die Universität Bielefeld war sich daher sicher, in Filiz Kutluer, die die Hochschulgemeinschaft sowohl in akademischer wie auch in kultureller Hinsicht bereichert, eine hervorragende Trägerin für den DAAD-Preis gefunden zu haben. Das Rektorat der Universität Bielefeld hatte im Dezember zu einem Empfang für die ausländischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in das Internationale Begegnungszentrum der Universität eingeladen. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen die Vergabe des DAAD-Preises und des Preises des Vereins zur Förderung ausländischer Studierender. Zudem berichtete Claire Loison von der Fakultät für Physik über die „Erfahrungen einer Französin in Bielefeld“. Das Foto zeigt von links: Falk von Oeynhausen, Rektor Dieter Timmermann, Filiz Kutluer, Kalenda Martin Muanza, Claire Loison und Bürgermeister Detlef Helling, der darauf hinwies, dass der Empfang ein öffentliches Zeichen der Verbundenheit mit allen Ausländern sei. Sprache zu erlernen, besuchte er – als 23-Jähriger – eine deutsche Volksschule, arbeitete für seinen Lebensunterhalt in Restaurants und ließ sich von 1994 bis 1997 als Krankenpfleger ausbilden. Dann endlich konnte er seinen Traum, ein Studium aufzunehmen, in Angriff nehmen. Zunächst musste er ein Jahr das vorbereitende Studienkolleg in Münster besuchen. Nach dem Abschluss erhielt er endlich den ersehnten Studienplatz für Psychologie in Bielefeld. Seit Beginn seines Studiums in Bielefeld engagiert sich Muanza aktiv in der entwicklungspolitischen und interkulturellen Arbeit der Evangelischen Studierendengemeinde. Er engagiert sich im Ausländersprecherrat des AStA und im Flüchtlingsbüro Bielefeld und ist Mitglied im „Forum Afrika Solidarität“, das sich um die Vernetzung kongolesischer NichtRegierungsorganisationen mit deutschen Initiativen im Bereich Kultur, Frauenförderung und Umweltschutz bemüht. Schließlich ist sein Engagement im Rahmen des Brother-SisterBetreuungsprogramms an der Universität zu nennen, wo er sich um neue ausländische Studierende kümmert. Verein zur Förderung ausländischer Studierender Förderpreis geht an Kalenda Martin Muanza (BUZ) Der Bielefelder Verein zur Förderung ausländischer Studierender hat zum achten Mal den mit 750 Euro dotierten Förderpreis vergeben. Preisträger ist der Psychologie-Student Kalenda Martin Muanza aus der Demokratischen Republik Kongo. Muanza, der den Preis anlässlich des Jahresempfangs für ausländische Wissenschaftler vom Vereinsvorsitzenden Falk von Oeynhausen erhielt, studiert an der Universität Bielefeld Psychologie. Auf dem Weg zum Studium hat er zahlreiche Hürden gemeistert: Als 7. Kind einer zehnköpfigen Familie war es für ihn bereits ein erster Erfolg, dass er die Grundschule und die Sekundarschule in seinem Heimatland besuchen durfte. Nach seinem Schulabschluss Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 1986 musste er zunächst seinen Lebensunterhalt selber verdienen. Er konnte nach weiteren zwei Jahren die Universität in Kinshasa besuchen, zunächst allerdings nur als Gasthörer für zwei Jahre, bevor er offiziell Rechtswissenschaft studieren durfte. 1990 wurde die Universität mitten im akademischen Jahr geschlossen, und da Muanza zu einer oppositionellen Studentengruppe gehörte, verließ er sein Heimatland. In Deutschland erhielt er Asyl. Um die deutsche Kalenda Martin Muanza erhielt den Förderpreis des Bielefelder Vereins zur Förderung ausländischer Studierender. „Kalenda Martin Muanza entspricht in vorbildlicher Weise den Vorstellungen des Vereins an einen Studenten, der sein eigenes akademisches Fortkommen jederzeit mit dem Bemühen verbindet, das Zusammenleben von Menschen der verschiedenen Kulturen und Herkunftsländer zu verbessern“, sagte Falk von Oeynhausen bei der Würdigung des Preisträgers. 45 Internationales Rektor und Kanzler zu Besuch bei russischen Partnern Erste Kontakte zwischen Wissenschaftlern der Bielefelder und der Lomonossow-Universität (BUZ) Die wissenschaftlichen Beziehungen von Bielefeld nach Russland sind in vergleichsweise kurzer Zeit immer vielfältiger und enger geworden. Jetzt zeichnen sich auch neue Kooperationen zwischen der Universität Bielefeld und russischen Hochschulen ab, wie dies bei einer Besuchsreise von Rektor Dieter Timmermann und Kanzler Hans-Jürgen Simm nach Russland deutlich wurde. stattgefunden hatte. Rektor und Kanzler haben den anderthalbtägigen Aufenthalt in Moskau des Weiteren dazu genutzt, Gespräche mit dem Präsidenten der wohl größten und berühmtesten russischen Universität, der Lomonossow-Universität, zu führen. Begleitet von den russlanderfahrenen Professoren Stephan Merl und Helmut Steiner geriet der als 20-MinutenAudienz angekündigte Termin beim Präsidenten zu einem intensiven, mehr als eine Stunde dauernden Gedankenaustausch über mögliche Kooperationen zwischen der Lomonossow-Universität und der Universität Bielefeld einerseits und zu Fragen der Umstrukturierung des Studiums in Bachelor und Master und der internationalen Akzeptanz andererseits. In der Zwischenzeit sind auf der Basis dieses Gesprächs erste Kontakte von Wissenschaftlern der Universität Bielefeld mit Wissenschaftlern der Lomonossow-Universität in Moskau geknüpft worden. Es schloss sich ein Kurzbesuch in Jaroslawl an, einer Stadt etwa 250 Kilometer nordöstlich von Moskau mit etwa 600 000 Einwohnern. In dieser Stadt gibt es zwei Universitäten, zu der die Universität Bielefeld intensive Kontakte hat, zum einen die Pädagogische Staatsuniversität, zum anderen die private MobintUniversität („Internationale Universität für Wirtschaft und neue Technologien“). In der Pädagogischen Staatsuniversität sind vor einigen Anlass nicht nur eine Reihe von ausländischen Partneruniversitäten eingeladen, sondern auch solche Hochschulen, mit denen in der Zukunft wissenschaftlich zusammengearbeitet werden soll. So unterzeichneten neben der Universität Prag und einer belgischen Universität auch die Universität zu Köln eine weitere Kooperationsvereinbarung. Auch Rektor Dieter Timmermann schloss in einer sehr feierlichen und an die Unterzeichnung von Feierliche Prozedur: Der Rektor der Staatlichen PädaStaatsverträgen gogischen Universität Moskau, Viktor Matrosov, und Rektor Dieter Timmermann unterzeichnen ein neues erinnernden Prozedur Kooperationsabkommen zwischen ihren Hochschulen. einen Kooperationsvertrag ab. Vorausgegramm („Master of Business Admini- gangen war der Besuch einer russtration“) über das „Wolfgang- sisch-orthodoxen Kirche, in der aus Schüler-Institut für internationale Anlass des Universitäts-Jubiläums ein Gottesdienst Managementstudien“ an der russisch-orthodoxer Moskauer Akademie für Volkswirtschaft. Unterrichtssprache ist Deutsch. Der größte Teil der MBAStudierenden arbeitet bereits in russischen Unternehmen und bildet sich nach Feierabend fort. Dass dies von politischer Seite als außerordentlich wichtig für die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen angesehen wird, zeigt die Tatsache, dass die Übergabe der Abschlusszeugnisse jeweils in der Deutschen Botschaft erfolgt – jetzt auch erstmals in Anwesenheit von Rektor und Kanzler. Die Staatliche Pädagogische Rektor und Kanzler der Universität Bielefeld in der Deutschen Botschaft in Universität in Moskau feierte im Moskau: Das Foto zeigt u.a.: Rektor Dieter Timmermann (4. v.l.), rechts neben November 2002 ihr 130-jähriges ihm Helmut Steiner und Kanzler Hans-Jürgen Simm, ganz rechts Stephan Merl Bestehen. Sie hatte aus diesem neben dem Stellvertreter des deutschen Botschafters. Schon seit längerer Zeit lehren Dozenten der Universitäten Bielefeld und Magdeburg – wie die Professoren Helmut Steiner und Gerhard Schwödiauer – in einem MBA-Pro- 46 Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Internationales Jahren mit Hilfe deutscher Finanzmittel auf Initiative der Universität Bielefeld Bibliotheksbestände für den Fachbereich Geschichte aufgebaut worden. Nach wie vor besteht ein enger wissenschaftlicher Kontakt von Stephan Merl (Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie) zu diesem Bereich, der, wie sich Rektor und Kanzler überzeugen konnten, gerade durch die deutsche Hilfe als für russische Verhältnisse vorbildlich ausgestattet gilt. Eigentlicher Anlass für den Aufenthalt in Jaroslawl war das zehnjährige Jubiläum der Mobint-Universität, in der verschiedene Wissenschaftler der Universität Bielefeld regelmäßig Lehrveranstaltungen anbieten. Neben Stephan Merl sind dies unter anderem die Professoren Alfred Greiner, Klaus-Peter Kistner, Helmut Steiner (Fakultät für Wirtschaftswissenschaften) und Wolfgang Oehler (Fakultät für Rechtswissenschaft). Aus Anlass des zehnjährigen Jubiläums wurde von der Universität in Zusammenarbeit mit der Stadt Jaroslawl ein Kongress organisiert, der sich mit der Situation der Universitäten in Russland auch vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklung befasste. Rektor Timmermann stellte dabei in einer Rede die in Folge der Bologna-Erklärung in Gang gekommene Umstrukturierung der Lehre ausführlich dar. Im Rahmen einer im größten Theater der Stadt stattfindenden Festveranstaltung mit ausländischen Gästen waren Rektor und Kanzler in Statements auf weitere Perspektiven der Zusammenarbeit eingegangen. In den die Festlichkeiten begleitenden Verhandlungen wurden die Grundlinien der zukünftigen Zusammenarbeit festgelegt mit der gemeinsamen Zielsetzung, künftig noch intensiver Kontakt zu halten. Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe der „Bielefelder Universitätszeitung“ ist der 25. April 2003. Später eingereichte Manuskripte können nicht mehr berücksichtigt werden. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Die Perspektiven der langjährigen Partnerschaft zwischen der Universität Antananarivo in Madagaskar und der Universität Bielefeld sowie Hochschul- und Bildungskonzepte standen im Mittelpunkt eines Gespräches, das Rektor Dieter Timmermann mit dem madegassischen Bildungsminister Jean-Théodore Ranjivason führte. Im Anschluss hieran besuchte der Minister zusammen mit Ministerialdirektor Louis-Paul Randriamarolaza und Botschafter Denis Andriamandroso Forschungsbereiche der Technischen Fakultät und die Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft. In der Region Ostwestfalen informierte sich die Delegation zudem bei der Industrie- und Handelskammer sowie bei den Firmen Claas und Miele über das System der betrieblichen Ausbildung. Außerdem besuchten die Madegassen den Fachbereich Maschinenbau der Fachhochschule Bielefeld und waren Gäste von Oberbürgermeister Eberhard David. Die madegassische Delegation sammelte während ihrer Reise durch Europa und Nordamerika Informationen über geeignete Bildungskonzepte für eine Bildungsreform in Madagaskar. Das Foto zeigt von links: Dieter Timmermann, Louis-Paul Randriamarolaza, Denis Andriamandroso, Jean-Théodore Ranjivason und Dolmetscherin Ferrandine Roussard. Der Bielefelder Mathematiker Gerhard Schiffels, der mit Unterstützung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) seit längerem acht Doktoranden in Madagaskar betreute und auf die Promotion vorbereitete, hat eines seiner Ziele erreicht: An der Partneruniversität Antananarivo in Madagaskar sind jetzt vier seiner Doktoranden aus dem DAAD-Projekt „Angewandte Algebra“ promoviert worden. Es sind dies Ramamonjy Andriamifidisoa, Harinaivo Andriatahiny, Manase Bezara und Irrish Parker Ramahazosoa. Einer seiner frisch Promovierten hat inzwischen in Madagaskar eine Hochschullehrerstelle besetzen können. Die anderen drei sind jedoch noch auf finanzielle Unterstützung aus Deutschland angewiesen. Dankenswerterweise erhielten sie erst kürzlich eine Spende von der Westfälisch-Lippischen Universitätsgesellschaft. Gerhard Schiffels, der 1994 mit dem Preis des Bundesbildungsministeriums für hervorragende Leistungen in der internationalen Hochschulzusammenarbeit ausgezeichnet worden ist, hat sich vorgenommen, auch die noch verbliebenen Kandidaten zu promovieren. 47 Internationales Deutsch-französisches Graduiertenkolleg in der Physik und weitere gemeinsame Studiengänge geplant Kooperationsgespräche mit der Universität Paris – Denis Diderot (K.K.) Im Jahr des vierzigjährigen Bestehens der deutsch-französischen Freundschaft blickt die Universität Bielefeld auf eine außerordentlich lebendige und vielseitige Partnerschaft mit der Université de Paris VII. Die Zusammenarbeit, die auf mehreren Fachbereichen basiert und unterschiedlichste Projekte in Forschung und Lehre sowie den Austausch von Studierenden und Dozenten betrifft, lässt für die Zukunft noch viel erwarten. Dies machte das Arbeitstreffen einer Delegation der Universität Bielefeld in der Partnerhochschule Paris VII – Denis Diderot Anfang Januar deutlich. Die Bielefelder Delegation, der Rektor Dieter Timmermann, Forschungsprorektorin Katharina Kohse-Höinghaus, Physikprofessor Dietrich Bödecker, Philippe Blanchard als Rektoratsbeauftragter für internatio- nale Beziehungen sowie die stellvertretende Leiterin des Akademischen Auslandsamtes, Karin Kruse, angehörten, wurde von zahlreichen Fachvertretern in Paris herzlich in Empfang genommen. Neben dem Präsidenten, Benoît Eurin, und der Vize-Präsidentin für Forschung, Anne Janin, nahmen Wissenschaftler aus den Fächern Eine Million ERASMUS-Studierende in 15 Jahren – kein anderes Programm hat das Auslandsstudium der Studierenden und die Internationalisierung der Hochschulen in Europa stärker gefördert. Aus diesem Grund sind das Programm der Europäischen Union in allen Mitgliedsländern mit einem ERASMUS-Tag gefeiert und ERASMUS-Studierende ausgezeichnet worden. Die Universität Bielefeld beteiligte sich ebenfalls an der Aktion. Als 1222. Outgoing-Studentin, die im Rahmen von ERASMUS ein Auslandsstudium aufnahm, wurde Angela Sicken geehrt. Sie studiert Naturwissenschaftliche Informatik und studiert jetzt in Dublin. Als 1111. Incoming-ERASMUS-Studentin, die an der Universität Bielefeld ihre Auslandserfahrungen sammelt, wurde Serena Bertero ausgezeichnet. Sie studiert Germanistik und kommt aus Turin. Als besonders aktiven Betreuer und Mentor der Gaststudierenden hier in Bielefeld würdigte Karin Kruse vom Akademischen Auslandsamt David Hübner. Für die erste „ERASMUS-Familie“ nahm Elisa Squerzanti eine Auszeichnung entgegen. Sie kam als ERASMUS-Studentin an die Universität Bielefeld und gründete mit dem Initiator des Mentorenprogramms, Ralf Bösemann, eine Familie, zu der auch die dreijährige Rebecca gehört. Das Foto zeigt (v.l.): Johanna Breuning (ERASMUS-Initiative), Elisa Squerzanti, Angela Sicken, Karin Kruse, Serena Bertero und David Hübner. 48 Physik, Chemie und Biologie teil. Das Treffen verfolgte im Wesentlichen zwei Ziele: einerseits sollten durch die gegenseitige Präsentation der drei naturwissenschaftlichen Fachrichtungen gemeinsame Forschungsschwerpunkte und Möglichkeiten der Zusammenarbeit identifiziert werden. Andererseits sollten weitere Absprachen getroffen werden zu den bereits bestehenden, von der Deutsch-Französischen Hochschule (DFH) finanzierten gemeinsamen Studiengängen in Geschichte und Chemie. Auf dem Programm stand auch die Planung eines weiteren binationalen Studienganges in Physik. Das Arbeitstreffen machte deutlich, dass viele gemeinsame Forschungsschwerpunkte zwischen beiden Universitäten existieren. Und da es insbesondere zwischen den Disziplinen Chemie und Physik viele Überschneidungen in Forschungsbereichen gibt, wollen die Wissenschaftler dieser Fachrichtungen künftig in Forschung und Lehre eng zusammen arbeiten. Ein erstes gemeinsames Treffen von Chemikern und Physikern ist vom 26. bis 27. Juni 2003 in Paris geplant. Zudem wird im März 2004 eine gemeinsam organisierte Tagung zum Thema „Nanowissenschaften, Nanotechnologie, Bioinformatik und Medizin“ im Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld stattfinden. Der gemeinsame Studiengang mit doppeltem Abschluss in Physik wird demnächst bei der Deutsch-Französischen Hochschule beantragt, und die Entscheidung über die Bewilligung eines deutsch-französischen Graduiertenkollegs in der Theoretischen Physik steht kurz bevor. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Internationales Brother-Sister-Programm Einstiegshilfe für ausländische Studierende gut angelaufen Schon deutsche Studierende haben es schwer, sich beim Semesterstart in der Universität und der fremden Stadt zurecht zu finden, eine Unterkunft zu suchen und Kontakte zu knüpfen. Doch für Studierende aus dem Ausland sind diese Schwierigkeiten ungleich größer. Hier setzt das „Brother-SisterProgramm“ an, das den ausländischen Studierenden einen Mentor oder eine Mentorin zur Seite stellt, um beim Einsteig in das Studierendenleben an der Universität Bielefeld zu helfen. Studierenden, die zum größten Teil aus Asien und Osteuropa stammen, einheimische Mentoren und Mentorinnen. Diese stehen in der ersten Zeit nach der Ankunft als Ansprechpartner zur Verfügung und helfen bei Fragen und Schwierigkeiten weiter. Irina Rakowsky (Foto), die derzeit das Brother-Sister-Programm koordiniert, blickt im Folgenden auf das vergangene Wintersemester 2002/2003 zurück und sucht für das kommende Sommersemester zahlreiche neue Mentorinnen und Mentoren. Das Programm hat ein erfolgreiches Semester hinter sich: Mehr als 200 einheimische und ausländische Studierende nahmen im Wintersemester teil. Das sind deutlich mehr als in den vergangenen Semestern und zeigt, dass sich das Programm etabliert hat. Gegründet wurde das BrotherSister-Programm 1998 mit dem Ziel, den Kontakt zwischen einheimischen sowie ausländischen Studierenden zu fördern und besonders den Neuankömmlingen aus dem Ausland eine Einstiegshilfe in den Bielefelder UniAlltag zu bieten. Die Idee stammt von einem Studenten aus Ägypten, der aus eigenen Erfahrungen festgestellt hat, dass das Leben eines Neuankömmlings an einer deutschen Uni leichter mit einem Mentor oder einer Mentorin zu bewältigen ist. Seitdem vermittelt das Programm jedes Semester den neuen ausländischen Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Marrily aus Simbabwe hatte zwar keine schwerwiegenden Probleme, war aber froh über die Unterstützung ihres „Bruders“ Dirk in den Serviceeinrichtungen Universitätsbibliothek, Hochschulrechenzentrum und Hochschulsport. Unterstützt wird das Programm durch das Akademische Auslandsamt, den Allgemeinen Studierendenausschuss und den Ausländersprecherrat, den Prorektor für Lehre, Studienangelegenheiten und Weiterbildung, das Studentenwerk sowie die Zentrale Studienberatung. Mit dem Brother-Sister-Programm ist ein Netzwerk entstanden, das einen intensiven Austausch zwischen verschiedenen Sprachen und Kulturen, Institutionen und Studierenden an der Universität Bielefeld ermöglicht und die Integration ausländischer Studierender in das deutsche Hochschulsystem vereinfacht. Andrea aus Chile hat mit ihrem „Bruder“ Amiran ein Tandem zum Sprachenaustausch gebildet. Beide haben vom gegenseitigen DeutschSpanisch-Unterricht profitiert. Zudem hat Amiran für die ersten Wochen die Unterbringung von Andrea organisiert. Damit auch in Zukunft dieses Netzwerk weiterbesteht, werden immer wieder neue Mentoren und Mentorinnen gesucht, besonders zur Vorbereitung des kommenden Sommersemesters, wenn ungefähr einhundert neue Studierende aus dem Ausland in Bielefeld ihr Studium aufnehmen werden. Wer am Programm als Mentor oder Mentorin teilnimmt, bekommt möglichst frühzeitig Kontakt zu einem ausländischen Studierenden (meistens per Mail) vermittelt, damit erste Informationen schon vor der Ankunft in Bielefeld ausgetauscht und Kontakte geknüpft werden können. Bei der Vermittlung wird darauf geachtet, dass Studienfächer, Alter und Interessen möglichst zusammen passen, damit ein paar grundlegende Gemeinsamkeiten, die das Kennenlernen erleichtern, gegeben sind. Die Aufgabe eines Mentors oder einer Mentorin besteht in der Hilfe im Alltag. Das können Tipps sein, welcher Dozent besonders ansprechbar ist und in welchem Café es den besten Capuccino gibt. Aber auch Hilfe bei der Wohnungssuche, beim Anmelden eines Telefonanschlusses und diversen Behördengängen. Für Naoko aus Japan war der vorherige Kontakt mit Gerd per Mail eine sehr große Hilfe. Die Doktorandin hatte bei ihrer verspäteten Ankunft 49 Internationales am Frankfurter Flughafen ihren Anschluss verpasst. Gerd organisierte von Bielefeld aus eine Übernachtungsmöglichkeit in Frankfurt und danach auch für die ersten Tage in Bielefeld. Später half er bei alltäglichen Problemen, auf die ausländische Studierende und Gäste stoßen: größere Einkäufe, die nicht ohne Auto bewältigt werden können, die Suche nach einem guten Zahnarzt oder die Eröffnung eines Bankkontos. Wer mehr über das Programm wissen will, kann sich beim wöchentlichen „Brother-Sister“-Stammtisch informieren und erhält dort alles Neue direkt aus erster Hand. Der Stammtisch findet jeden Donnerstag ab 18.00 Uhr im UniMax statt. Die Koordinatorin des Programms ist jeden Mittwoch von 10.00 bis 12.00 Uhr und jeden Donnerstag von 14.00 bis16.00 Uhr im Raum A4135 der Universität Bielefeld zu finden. Weitere Informationen bietet das Internet: http://www.uni-bielefeld.de/AAA/BSP/. DAAD-Stipendien für Sprachkurse Französisch Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) vergibt erstmals an Studierende aller Fakultäten Teilstipendien zum Besuch drei- bis vierwöchiger Sprachkurse an französischen Hochschulen in der vorlesungsfreien Zeit im Sommer. Bewerbungstermin ist der 31. März beim DAAD. Bewerbungsunterlagen sind im Akademischen Auslandsamt der Universität Bielefeld erhältlich oder im Internet unter: www.daad.de/ausland/de/3.7.1.html. Sichtlich gut gelaunt unterschreibt Rektor Dieter Timmermann den letzten Teil einer Kooperationsvereinbarung mit der Nationaluniversität Tashkent. Im Rahmen des TEMPUS/TACIS-Projektes EURASIA ist dort ein neuer interdisziplinärer Master-Studiengang „Studien über die Europäische Union“ eingerichtet worden. Das Foto zeigt (sitzend von links) die Professoren Kadir Alimov (Lehrstuhlleiter für Internationales Recht, Tashkent), Mirkhamidov Mirshokhid (Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, Tashkent), Rektor Timmermann und Zamira Ishanhodjaeva (Dekanin der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Tashkent) sowie (stehend von links) Stephan Merl, über den die Kooperation im Wesentlichen läuft, und Dekan Winfried Schmitz (Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie). 50 Mitmach- und Experimentierlabor teutolab-Physik (BUZ) In Deutschland gibt es schon seit längerer Zeit zu wenig Interesse am Studium naturwissenschaftlicher Fächer, eine Tatsache, die sich auf Dauer schädlich auf Wirtschaft und Wissenschaft auswirken könnte. Nicht erst seit der PISA-Studie ist klar, dass entscheidende Weichen bei der Ausbildung von Interessen bei Kindern schon früh (teilweise schon im Kindergartenalter) gestellt werden. Die Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld hat daraus die Konsequenz gezogen, ein teutolab einzurichten, in dem schon Grundschüler (aber auch Ältere) unter fachkundiger Anleitung selbst Experimente machen können, beispielsweise Kunststoff aus Milch herstellen. Seit der Gründung Anfang 2000 haben Tausende von Schülern diese Möglichkeit genutzt. Der Andrang der Schulklassen ist so groß, dass man nun begonnen hat, „Filialen“ des teutolabs in Schulen der Region aufzubauen. Nicht zuletzt der große Erfolg des vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ausgezeichneten teutolabs Chemie hat nun die Bielefelder Physiker motiviert, ebenfalls ein teutolab zu errichten, das unter Leitung von Professor Dario Anselmetti und seinen Mitarbeitern mit einem Probelauf im Februar erstmals unter realen Bedingungen getestet worden ist. Mit von der Partie waren 16 Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter aus Bielefeld und Umgebung. Der Aufbau des „teutolab-Physik“ wurde in den letzten Wochen durch großzügige Spenden namhafter Unternehmen und Verbände ermöglicht. Darunter sind bis jetzt die Firmen August Storck KG, Deutsche Bank AG, KSK Halle (Westf.), Miele & Cie., Poppe und Potthoff GmbH & Co. sowie der Unternehmerverband der Metallindustrie, der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V., die Heraeusstiftung, die Westfälisch-Lippische Universitätsgesellschaft und die Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Schule und Hochschule Bielefelder Bürgerstiftung vertreten. Die Bürgerstiftung sponsert eine Kerngruppe von Studierenden des Lehramts Physik, die Schülerinnen und Schüler in dem Mitmachlabor als studentische Hilfskräfte betreuen werden. Damit wird nicht nur eine fachkundige Betreuung der Kinder gewährleistet, sondern gleichzeitig können diese Studierenden die Experimente für die jeweiligen Altersstufen mitkonzipieren. So bereiten sie sich auch auf die eigene spätere Unterrichtspraxis vor. Bei dem Probelauf waren auch die Vorsitzende der Bürgerstiftung, Anja Böllhoff, und Ilse Bohn, Leiterin des Fachausschusses für Projekte der Bürgerstiftung, dabei, um die von ihnen unterstützten Studierenden kennenzulernen. Schülerbetriebspraktika: Handreichung für Lehrer (BUZ) Das Projekt „Schule, Wirtschaft, Arbeitsleben“, das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das Ministerium für Schule, Jugend und Kinder des Landes NRW und durch den Europäischen Sozialfond gefördert wird, hat gemeinsam mit dem Arbeitsamt, der Universität Bielefeld und dem Gildenhaus-Institut Module für die Vorbereitung und Nachbereitung von Schülerbetriebspraktika in der Sekundarstufe I entwickelt. Die Module sollen nun an fünf Schulen weiter erprobt, optimiert und evaluiert werden. Zu den Schulen gehören die Hauptschule Oldentrup, die Vennhofschule, die Gesamtschule Rosenhöhe, die Realschule Jöllenbeck und das Max-Planck-Gymnasium. Vor kurzem ist nun eine Vereinbarung getroffen worden, die die Zusammenarbeit zwischen den Projektträgern Universität Bielefeld und Gildenhaus-Institut und den Schulen regelt. Projektziel ist, eine praxisorientierte Handreichung für Lehrer zu erstellen, die bundesweit eingesetzt werden kann. Viele Betriebe in Bielefeld und Umgebung unterstützen das Projekt, indem sie Schülergruppen Betriebserkundungen ermöglichen und ihnen Praktikaplätze zur Verfügung stellen. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Das Gemeinschaftsprojekt der Universität und der Stadt Bielefeld „Förderunterricht für Schülerinnen und Schüler nicht deutscher Herkunftssprache“ hatte Ende Januar zu einem ersten Jahresempfang in den großen Saal des Neuen Rathauses eingeladen. Nach Grußworten von Oberbürgermeister Eberhard David und Prorektor Wolfgang Krohn präsentierte Thorsten Mönning Untersuchungsergebnisse zum Förderunterricht. Zudem hatten die beteiligten Schülerinnen und Schüler ein kulturelles Programm (Lieder, Gedichte, Sketche) vorbereitet. Das Projekt Förderunterricht für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund wurde vor zwei Jahren aus der Taufe gehoben und im letzten Jahr von regionalen Sponsoren und von der Mercator-Stiftung in Essen großzügig unterstützt. Auf der Basis einer individuellen Analyse des Förderbedarfs werden kleine Gruppen (mit maximal fünf Schülern) zusammengestellt, die dann vor allem von Studierenden des Lehramts, aber auch des Faches Deutsch als Fremdsprache, unterrichtet werden. Der individuelle Förderansatz, die hohe Motivation der beteiligten Schülerinnen und Schüler und das Engagement der studentischen Förderlehrer führen zu erstaunlichen Leistungssteigerungen und damit zu motivierenden Erfolgserlebnissen für die Kinder und Jugendlichen. Schule und Beruf Betriebspraktikum für Lehrer (BUZ) Um Schülerinnen und Schüler besser auf Schülerbetriebspraktika und Berufswahlentscheidungen vorbereiten zu können, hatte das Projekt „Schule, Wirtschaft, Arbeitsleben“ der Universität Bielefeld zusammen mit dem Gildenhaus-Institut und dem Städtischen Beirat „Schule und Beruf“ zu einem Lehrerbetriebspraktikum eingeladen. Mit dem Lehrerbetriebspraktikum wollen die Organisatoren des Projekts erreichen, dass die Lehrerinnen und Lehrer einen unmittelbaren Einblick in die Wirtschaft nehmen, ihr Wissen hierüber ständig erweitern und auf den neuesten Stand bringen. Berufswahlprozesse von Schülerinnen und Schülern können somit kompetenter begleitet werden. Das Lehrerbetriebspraktikum fand bei den Lehrerinnen und Lehrern eine erstaunliche Resonanz. Fast 50 Lehrer von Gymnasien, Gesamtschulen, Real-, Haupt- und Sonderschulen sammelten Mitte Januar praktische Erfahrungen in den Bielefelder Betrieben Alba, AVA, W. Bertelsmann-Verlag, Boge, Goldbeck-Bau, Bäckerei Lamm, MieleWerk Bielefeld, Möller-Werke, Dr. Oetker, Siemens Bielefeld, Sparkasse Bielefeld und Mohn Media in Gütersloh. Die Evaluation des Lehrerbetriebspraktikums werden Barbara Koch und Ursula Reinartz durchführen. Zusammen mit den Lehrerinnen und Lehrern sowie der Bezirksregierung in Detmold sollen Umsetzungsstrategien für die schulische Praxis erarbeitet werden. Im Sommer 2003 ist darüber hinaus ein weiteres Lehrerbetriebspraktikum geplant. 51 Schule und Hochschule Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft prämiert die sechs besten Kooperationen zwischen Schule und Hochschule „ÜberGänge“: Modell-Hochschule mit gelungenem Konzept (Stifterverband/BUZ) Die Humboldt-Universität Berlin, die Universitäten Bielefeld, Bremen, Mainz und Oldenburg sowie die Fachhochschule Karlsruhe sind von einer Jury des Stifterverbandes als Modell-Hochschulen in der Zusammenarbeit mit Schulen ausgezeichnet worden. Für die Weiterentwicklung ihrer Programme und neue Initiativen für Schülerinnen und Schüler werden sie in den kommenden zwei Jahren im Aktionsprogramm „ÜberGänge“ mit insgesamt €500 000 Euro gefördert. An der Ausschreibung hatten sich 74 Hochschulen beteiligt. Mit dem Programm will der Stifterverband besonders gelungene Gesamtkonzepte von Hochschulangeboten für Schülerinnen, Schüler und Lehrer fördern und vernetzen, die Partner zu einer vielfältigen und vor allem systematisierten Zusammenarbeit etwa über die Entwicklung von Leitfäden zur Optimie- rung dieser Kooperation anregen. Dr. Arend Oetker, Präsident des Stifterverbandes, sagte zu den Motiven des Aktionsprogramms: „Die Hochschulen müssen mit ihren Angeboten in den Schulen präsenter sein als bisher und für eine Zusammenarbeit gezielt Strategien entwickeln. Gerade für die Natur- und Ingenieurwissenschaften müssen besonders intensiv Informations- und Beratungskonzepte entwickelt werden – und dies ganz entscheidend eben nicht nur für Oberstufenschüler, sondern auch für Schüler der Unter- und Mittelstufe, da sich bereits hier die Interessensgebiete ausprägen.“ Zum zehnjährigen Bestehen der Lernwerkstatt der Fakultät für Pädagogik hat das Zentrum für Lehrerbildung der Lernwerkstatt eine umfangreiche Sachunterrichtssammlung übergeben. Zur Übergabe der Sammlung waren Studierende, Lehrende verschiedener Fakultäten, Lehramtsanwärter und zahlreiche Schulen gekommen. Dadurch wurde auch sichtbar, dass sich die Lernwerkstatt in den vergangenen zehn Jahren zu einer festen Schnittstelle zwischen der Universität Bielefeld und der Region entwickelt hat. Die Weiterentwicklung der Lernwerkstatt wird sich künftig auf die gestuften Studiengänge in der Lehrerausbildung richten. Zunächst können sich aber alle Nutzerinnen und Nutzer über das erweiterte Angebot für den Sachunterricht und über die Vereinfachung durch die Integration der Sachunterrichtssammlung in die Lernwerkstatt freuen. Weitere Informationen über die Lernwerkstatt finden sich im Internet unter: www.uni-bielefeld.de/lernwerkstatt. Das Foto zeigt von links: Dietmar von Reeken (Didaktik des Sachunterrichts), Volker Möhle (Geschäftsführer des Zentrums für Lehrerbildung), Dagmar Hänsel (Gründerin der Lernwerkstatt) und Susanne Miller (Leiterin der Lernwerkstatt). 52 Der Vorsitzende der Stifterverbands-Jury, IBM Deutschland-Chef Erwin Staudt, lobte den Einfallsreichtum der von den Hochschulen entwickelten Konzepte. Kriterium für die Auszeichnung der Projekte sei aber nicht nur die Vielzahl an einzelnen Projekten, sondern vor allem die Systematik der Angebotspalette innerhalb einer Hochschule. Staudt: „Etliche Hochschulen bieten einen Strauß von Einzelinitiativen in diesem Bereich, aber nur wenige haben sich daran gemacht, diese Aktivitäten zu koordinieren und in sinnvoller Weise aufeinander abzustimmen“. Zu den von der Jury als besonders herausragend beurteilten Gesamtkonzepten gehört das der Universität Bielefeld. Diese hat ihre Kooperation mit den Schulen in den letzten Jahren systematisch zu einem differenzierten Angebot für Schülerinnen und Schüler ausgebaut. Zu den Modulen des Gesamtkonzepts gehören: • Orientierungs- und Informationsangebote für studieninteressierte Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II. (Schüler-Info-Tag, Herbstakademie Physik, Tag der Chemie, Tag der Mathematik, Schülerbetriebspraktikum, dreitägige Schülerakademie „Eintauchen in die Wissenschaft“, Programm „Studieren ab 16“, Workshops „Schreiben im Studium“, Herbsthochschule pea*nuts: Naturwissenschaft und Technik für Schülerinnen der Oberstufe, Beteiligung am Girls’ Day, Angebote zur außeruniversitären beruflichen Orientierung: „Duales Praktikum“, Entscheidungsfindungsseminare „Abitur – was nun?“, jährliche Berufseinstiegsmesse). • Angebote für Schülerinnen und Schüler der Grundschule und der Sekundarstufe I (teutolab Chemie – Mitmach- und Experimentierlabor in der Chemie, teutolab Physik im Aufbau, Förderunterricht für Schülerinnen und Schüler nicht deutscher Herkunftssprache, Campusradio-Hertz Junior, Entwicklung und Erprobung von Modulen zur Vor- und Nachbereitung von Schülerbetriebspraktika, Projekt „BiZEbS“ für Schülerinnen und Schüler von Sonderschulen, Förderung interkultureller Begegnungen, Meet an international Student). Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Schule und Hochschule Sonifikation im Wetterbericht von HERTZ 87.9 Wie klingt das Wetter morgen? (VhD) Daten können mit Tabellen, Statistiken oder Grafiken dargestellt werden. Man kann sie aber auch hören: An der Universität Bielefeld erforschen Dr. Thomas Hermann und Jan Drees in der Arbeitsgruppe Neuroinformatik um Professor Helge Ritter die Verklanglichung von Daten. Diese Darstellung von Daten mittels Klängen und Geräuschen wird als Sonifikation bezeichnet. Wie ein Stein, der ins Wasser geworfen wird und Kreise zieht, zieht auch das teutolab der Universität Bielefeld Kreise in Ostwestfalen. Zirka 100 Grundschulklassen aus der Region besuchen pro Jahr das Experimentierlabor der Fakultät für Chemie und erfahren ganz praktisch einen Einblick in die Welt der Chemie. Die Kapazitäten reichen jedoch bei Weitem nicht aus, um alle Anfragen zu berücksichtigen, und die Wartelisten werden immer länger. Für dieses Problem wurde nun mit dem im Dezember 2002 gegründeten teutolab-NETZWERK eine Lösung gefunden. Engagierte Chemielehrerinnen und Chemielehrer an weiterführenden Schulen in Ostwestfalen-Lippe haben sich auf Initiative des teutolab bereiterklärt, zu bestimmten Terminen Grundschulklassen ihrer Umgebung in die Chemieräume ihrer Schule zum Experimentieren einzuladen. Die Versuchsvorschriften werden vom teutolab vorgegeben, das gern zur Beratung und Unterstützung sowie für Lehrerfortbildungen zur Verfügung steht. Ziel ist es, durch das Netzwerk möglichst flächendeckend in Ostwestfalen-Lippe Experimentiermöglichkeiten für Grundschulkinder anzubieten. Diese Initiative wurde jetzt vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ausgezeichnet. Es ist dies im übrigen das zweite Mal, dass das teutolab einen der begehrten Preise vom Stifterverband erhielt. Mittlerweile haben 20 Schulen aus ganz Ostwestfalen-Lippe den Kooperationsvertrag mit dem teutolab unterzeichnet, so dass von Bünde bis Beverungen und von Rheda bis Barntrup Grundschulklassen ortsnah die Experimente des teutolab unter fachlicher Anleitung durchführen und Chemie praktisch erfahren können. Das Foto zeigt die Initiatorin des teutolab, Prof. Dr. Katharina Kohse-Höinghaus, während der Gründungsversammlung des Netzwerkes mit den beteiligten Lehrern. Foto unten: Das teutolab-Netzwerk: Ein Experimentiernetzwerk für Grundschulen in OWL. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Ein interessantes Anwendungsgebiet sind Wetterdaten. In einem Pilotprojekt mit HERTZ 87.9, dem Campusradio der Bielefelder Hochschulen, wird erstmalig der Wetterbericht durch Sonifikation ergänzt. In 15 Sekunden wird die Wettervorhersage des nächsten Tages durch Klänge erfahrbar gemacht. Sonifikationen nutzen viele Vorteile des Hörens, denn das Gehör ist sehr empfindlich für unscheinbare Klangveränderungen. Das Gehör besitzt eine sehr hohe zeitliche Auflösung und ist besonders zur Verarbeitung verrauschter Signale befähigt. Sonifikationen können zum Beispiel Blinden eine neue Möglichkeit bieten, Informationen zu „sichten“. Auch Mediziner können profitieren, indem sie sich Daten (wie EKGDaten) anhören und dadurch ihre Diagnose unterstützen. Mit der auditiven Wettervorhersage wird jetzt erstmalig eine breitere Öffentlichkeit mit diesem neuen Informationsmedium erreicht. Die Wettervorhersage besteht aus vielen Elementen (wie Wind, Niederschlagswahrscheinlichkeit, Luftfeuchtigkeit, Temperatur), deren Werte sich während des Tages verändern. Die gesamte Datenmenge ist so umfangreich, dass sie nicht im Detail in der Wettervorhersage besprochen werden kann. So wie aber ein Bild mehr als 1000 Worte sagt, drückt das Klangbild der Wettervorhersage in weni53 Wissenschaft und Öffentlichkeit gen Sekunden mehr aus, als sprachlich in gleicher Zeit mitteilbar wäre. Die Sonifikationen erschließen sich auch dem ungeübten Hörer, da natürliche Klänge (Windgeräusche, Regentropfen, Donner) verwendet werden. Die Sonifikationen ermöglichen sehr leicht das Erfassen der Veränderung des Wetters über den Tag und eine „emotionale Bewertung“: Schönes Wetter klingt auch schöner. feld): „Was Hänschen nicht lernt,...“ – Frühzeitiges Experimentieren als Wegbereiter für naturwissenschaftliches Verständnis? 2. Juni, Dr. Christoper Heath (Max-Planck-Institut München): Das Patentrecht zwischen Investitionsschutz und Interessen der Allgemeinheit. 16. Juni, Prof. Dr. Reinhold Mokrosch (Theologie, Osnabrück): Medizin macht kranke, Mathematik traurige und Theologie sündhafte Leute (Martin Luther 1525). Ist Theologie nützlich oder schädlich? 23. Juni, Prof. Dr. Gertraud Teuchert-Noodt (Biologie, Bielefeld): Hirnforschung: Was kommt davon in der Öffentlichkeit an? Mit dem Vortrag von Professor Klaus Dörner „Sind Heime für Behinderte und Pflegebedürftige noch verantwortbar?“ ging das „Forum Offene Wissenschaft“ der Universität Bielefeld im Wintersemester 2002/2003 zu Ende. Dörner gehört zu den bekanntesten deutschen Psychiatern. Er ist scharfer Kritiker der Heime und fordert, wie Bielefelder Gesundheits- und Pflegewissenschaftler auch, im Bundestag eine Kommission zur Enquete der Heime einzusetzen, „damit wir endlich einmal herausfinden, was wirklich los ist in unseren Heimen“. Forum Offene Wissenschaft Bürger und Experten: Für wen ist Wissenschaft gut? (BUZ) Das Forum Offene Wissenschaft der Universität Bielefeld hat seine Vorträge im kommenden Sommersemester unter das Motto „Bürger und Experten: Für wen ist Wissenschaft gut?“ gestellt. Diese sind Teil des Programms „Hochschulstadt Bielefeld 2003 – Wissen schafft Einblicke“. Das Forum wird am 28. April durch Bürgermeister Detlef Helling und Rektor Dieter Timmermann sowie von den Organisatoren des Forums Offene Wissenschaft eröffnet. Danach sieht das Programm folgende Veranstaltungen vor: 5. Mai, Prof. Dr. Peter Finke (Linguistik, Bielefeld): Wie drücke ich mich möglichst unverständlich aus? – Über Fachsprachen, Metaphern und andere Irrtümer. 54 12. Mai, Prof. Dr. Alfons Bora (Soziologie, Bielefeld): Technikfolgen – Wer kontrolliert die Wissenschaft? 19. Mai, Dr. Robert Frank (Soziologie, Berlin): Das Verhältnis von Wissenschaft und Alternativmedizin. – Perspektiven von Patienten, Ärzten und Wissenschaftlern. 26. Mai, Prof. Dr. Katharina Kohse-Höinghaus (Chemie, Biele- 30. Juni, Dr. Manfred Strecker (Redakteur der ‚Neuen Westfälischen’ Bielefeld): Wissenschaft verständlich? – Chancen und Grenzen des Wissenschaftsjournalismus. 7. Juli, Dr. Petra Pansegrau (IWT, Bielefeld): Von Weltbeherrschern, Menschenverbesserern und anderen verrückten Wissenschaftlern. – Die Wahrnehmung der Wissenschaft durch Hollywood. 14. Juli, Prof. Dr. Fritz Jost (Rechtswissenschaft, Bielefeld): Streitschlichtende Rechtskultur – Wo bleibt das Recht? 21. Juli, Prof. Dr. Rainer Dollase (Psychologie, Bielefeld): Anmaßende Laien – selbst entmachtete Experten. Zum merkwürdigen Aufstieg des Unwissens in der Wissensgesellschaft. 28. Juli, Prof. Dr. Ortwin Renn (Soziologie, Stuttgart): Laien und Experten: Möglichkeiten und Grenzen der Verständigung. Die Vorträge finden jeweils um 18.15 Uhr im Hörsaal 14 der Universität Bielefeld statt. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Wissenschaft und Öffentlichkeit Jahr der Chemie Jede Woche Neues und Spannendes aus der Physikalischen Chemie (BUZ) Im Rahmen des „Jahres der Chemie 2003“ veranstaltet die Bunsengesellschaft für Physikalische Chemie auf ihrer Website eine „Aktuelle Wochenschau“, die von 52 verschiedenen Mitgliedern – Hochschullehrern, Mitarbeitern von Forschungseinrichtungen, Industrievertretern – entwickelt und aufgebaut wurde. Die Idee stammt aus der Universität Bielefeld, nämlich von der Professorin für Physikalische Chemie Katharina Kohse-Höinghaus. In jeder Woche wird eine neue Website freigeschaltet. Anfang des Jahres stellte sich die Arbeitsgruppe von Katharina Kohse-Höinghaus vor. Hier finden sich interessante Informationen zu Forschungen aus der Physikalischen Chemie, die in vielen Fällen Grundlage für zukunftsweisende Technolo- gien sein können. In für interessierte Laien und nicht zuletzt Schülerinnen und Schüler verständlicher Form wird über „Laserspektroskopie an Flammen“, „Spektroskopie an Biomolekülen“, „Rußbildung in Flammen“ und „Materialabscheidung“ berichtet. Die freigeschalteten Websites bleiben das ganze Jahr über abrufbar. Die Internetadresse der Bunsengesellschaft lautet: www. bunsen.de. Wissens- und Technologietransfer Abschied vom Elfenbeinturm? (G.K.) Deutsche Universitäten – ein Auslaufmodell. So erscheint es zumindest, wenn man die Entwicklung der letzten einhundert Jahre betrachtet. Deutschland war zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein nachahmenswertes Modell für zahlreiche europäische und außereuropäische Hochschulsysteme. Den internationalen Modellcharakter haben deutsche Universitäten eingebüßt, und in Umkehrung der früheren Situation werden hierzulande gegenwärtig andere Hochschulsysteme als nachahmenswert wahrgenommen. Diese Entwicklung zeigt sich in besonderer Schärfe, wenn man Deutschland mit den USA vergleicht. Übernahmen amerikanische Universitäten in der Vergangenheit wichtige Strukturmerkmale des deutschen Systems, so dominiert der „Mythos Amerika“ die aktuelle hochschulpolitische Diskussion in Deutschland. Vor Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Frank Meier, Andre Müller und Georg Krücken (v.l.) wollen unter anderem untersuchen, welche Chancen und Risiken entstehen, wenn Universitäten den Wissens- und Technologietransfer forcieren. allem hinsichtlich des direkten Transfers von Wissen und Technologien zwischen Universitäten und Wirtschaftsunternehmen gilt das amerikanische System als flexibler und effektiver. Amerikanische Wissenschaftssoziologen sprechen bereits davon, dass der Transfer zu einer gleichberechtigten „dritten akademischen Mission“ neben Forschung und Lehre avanciert. Demgegenüber scheinen deutsche Universitäten im sprichwörtlichen Elfenbeinturm zu verharren. Diese holzschnittartige Gegenüberstellung prägt die hochschulpolitische Auseinandersetzung und polarisiert zwischen Befürwortern und Gegnern der „dritten akademischen Mission“. Wie die Situation aber tatsächlich ist, worauf sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede zurückführen lassen und welche Folgen die Transferorientierung von Universitäten hat, ist allerdings noch kaum erforscht. Derartige Fragen sind Gegenstand eines Forschungsprojekts, das im März am Institut für Wissenschafts- und Technikforschung der Universität Bielefeld beginnen wird. Das zunächst für zwei Jahre von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt steht unter der Leitung von Dr. Georg Krücken, wissenschaftlicher Assistent an der Fakultät für Soziologie. Mitarbeiter sind die Diplom-Soziologen Frank Meier und Andre Müller. Ziel ist es, mit Hilfe quantitativer Indikatoren (Co-Publikationen von universitären und industriellen Forschern, Patentanmeldungen, industrienahe An-Institute) den Wissens- und Technologietransfer in beiden Hochschulsystemen differenziert und systematisch zu vergleichen. Dabei sind sowohl langfristige Entwicklungsverläufe als auch kurzfristige Veränderungen von Relevanz. Zudem soll mit Hilfe von Fallstudien untersucht werden, welche Chancen und Risiken entstehen, wenn Universitäten den Wissensund Technologietransfer forcieren und damit traditionelle Grenzziehungen zwischen der akademischen Forschung und ihrer ökonomischen Verwertung in Frage stellen. Erste Überlegungen und Vorarbeiten zu dem Projekt entstanden während eines 18-monatigen Forschungsaufenthalts des Projektleiters an der Stanford University (USA) zwischen 1999 und 2001. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit einer Forschungsgruppe am dortigen Department of Sociology durchgeführt. Arbeitsbesuche und gemeinsame Workshops sind geplant. 55 Transfer Hannover-Messe 2003 Bielefelder Chemiker zeigen Exponat zur Solarchemie (BUZ) Auf der weltweit größten Industriemesse, die vom 7. bis 12. April in Hannover stattfindet, sind die Bielefelder Chemiker Jochen Mattay und Christian Schiel auf dem Gemeinschaftsstand „Forschungsland NordrheinWestfalen“ mit dem Exponat „Solarchemische Synthesen – Bausteine für die Wirkstoffsynthese“ vertreten. Zu dem auf der Hannover-Messe gezeigten Exponat, an dem als Kooperationspartner das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für Technische Thermodynamik, Solarforschung, beteiligt ist, äußern sich Mattay und Schiel folgendermaßen: Die modernen Gesellschaften mit ihren Problemen einer verantwortungsvollen Nutzung der Energieresourcen werden nicht umhinkönnen, die Sonnenenergie zur direkten Energiespeicherung und Energieumwandlung zu nutzen. Erste Aktivitäten auf diesem Gebiet sind bereits zu verzeichnen, und ein Beispiel ist die vom Land NordrheinWestfalen geförderte Arbeitsgemeinschaft Solar (AG Solar NRW), an der auch die Universität Bielefeld beteiligt ist. Ziel des hier vorgestellten Vorhabens ist, das Potential der „photochemischen Friedel-CraftsReaktion“ für die Solarchemie nutzbar zu machen, denn das Metho- denrepertoire der Photochemie bietet gegenüber den klassischen Verfahren der organischen Synthesechemie häufig den Vorteil der sauberen Reaktionsführung. Zusätze von aktivierenden Reagenzien können ebenso vermieden werden („Licht als sauberes Reagenz“) wie die Bildung unerwünschter und umweltbelastender Nebenprodukte. Wenn zudem die Substrate oder, im Falle einer sensibilisierten Photoreaktion, der Sensibilisator mit Sonnenlicht angeregt werden kann, dann sind die Voraussetzungen für die Entwicklung eines Umwelt- und Resourcen-schonenden Syntheseverfahrens günstig. Die nach diesem Verfahren zugänglichen Produkte können als Ausgangsstoffe für die Synthese von Naphthochinon-Antibiotika dienen. Weitere Informationen: Prof. Dr. Jochen Mattay, Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld, Telefon 0521/106 2072. Studentische Unternehmensberatung Projekte erfolgreich abgeschlossen (BUZ/STUNT) Für die Bertelsmann Services (jetzt arvato Bertelsmann) optimierten die Psychologie- beziehungseise Pädagogikstudentinnen Christien Zedler und Tanja-Vera Herking einen auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basierenden Leistungsbeurteilungsbogen. Nach Abschluss des Projekts der Studentischen Unternehmensberatung STUNT e.V. bedankte sich Bertelsmann Services für die hervorragende Arbeit, konstatierte den Mitgliedern von STUNT ein sehr überzeugendes fachliches Knowhow und drückte die Hoffnung aus, bei ähnlichen Projekten in Zukunft 56 wieder die Unterstützung von STUNT in Anspruch zu nehmen zu können. Bei Möller IT, der IT-Tochter eines mittelständischen Automobilzulieferers aus der Region, führten der Jurastudent Danilo Bauda und die Wirtschaftsmathematikstudenten Horst-Hendrik Dringenberg und Arno Kethorn ein komplettes ReDesign des Intranets durch. Möller IT lobte die fachliche und soziale Kompetenz der STUNT-Berater und bezeichnete die Ideen und Konzepte der studentischen Berater als bereichernd und innovativ. Weitere Informationen für Interessenten und Unternehmen finden sich unter www.stunt-ev.de; Beate Breuer, STUNT e.V., Telefon 0162/ 8128435, E-Mail: beate.breuer@ web.de. Graduate School in Bioinformatics auf der Medica (BUZ) Die Bielefelder NRW Graduate School in Bioinformatics and Genome Research war im vergangenen November in Düsseldorf auf der weltgrößten Messe für Medizin und Medizintechnik Medica 2002 vertreten, und zwar im Rahmen des ZEIT FORUMs. Das von der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ zum vierten Mal veranstaltete Forum befasste sich mit dem Arbeits- sowie Aus- und Weiterbildungsmarkt in den Life Sciences. Im Mittelpunkt standen Karrierechancen für Mediziner, Krankenhauspersonal, Naturwissenschaftler und Ingenieure. Dr. Klaus Prank, Executive Manager der Bielefelder Graduate School, informierte über „Ausbildung und Studium: PhD-Programm Bioinformatics and Genome Research“. Die Universität Bielefeld hat in den letzten Jahren beachtliche Erfolge in den Biowissenschaften, nicht zuletzt in Genomforschung und Bioinformatik, erzielt. Die vom Land Nordrhein-Westfalen geförderte Bielefelder Graduate School ist Ausdruck dieser Erfolge auch in der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Im Rahmen eines speziellen Studien- und Betreuungsprogramms fertigen hier besonders leistungsstarke Doktoranden aus aller Welt ihre Dissertationen unter hervorragenden Bedingungen für ihre Forschungen an. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Transfer Berufseinstiegsmesse Perspektive findet auch 2003 statt gesamten Dauer der Messe durch ein Team des Bundesleistungszentrums der Trampolinspringer, das mit seinem Leiter Roland Berger mutigen Messe(CD) Mit der Berufseinstiegsmesse, der Perspektive 2002, hatte sich die Zen- besuchern auf die Sprünge half – auf trale Halle der Universität Bielefeld wieder in einen „Arbeits-Markt“ verwan- einem realen Trampolin. Dass auch die Perspektive 2002 delt. Bereits zum dritten Mal begegneten sich Anbieter von und Nachfrager wieder erfolgreich verlaufen konnte – nach Qualifikationen im persönlichen Gespräch. daran sind neben den nunmehr langStudierende sowie Absolventinnen Bielefeld, in seinem Grußwort die jährigen Kooperationspartnern (Arund Absolventen, die durch den wichtige Rolle einer derartigen Recrui- beitsamt Bielefeld, Gildenhaus-InstiBesuch der gemeinsam von der Uni- ting-Veranstaltung für den Berufsein- tut, IHK Ostwestfalen zu Bielefeld, versität Bielefeld und der Fachhoch- stieg betonte. Abschließend sprach Unternehmerverband der Metallinduschule veranstalteten Messe einen André Schleiter, Projektleiter im The- strie Bielefeld und Universitätsgesellweiteren Schritt auf dem Weg in ihre menfeld Wirtschaft & Soziales der Ber- schaft) sowie den zahlreichen Fördeberufliche Zukunft gehen wollten, telsmann Stiftung, in Vertretung von rern und den Ausstellern noch weitere nutzten intensiv die Gelegenheit, mit Martina Helmcke, der Geschäftsführe- Gruppen beteiligt. So war die freundliVertreterinnen und Vertretern von fast rin der „Initiative für Beschäftigung che Selbstverständlichkeit, mit der 50 Unternehmen und Institutionen im OWL e.V.“, die „sprungbrett owl“ vor innerhalb des Hauses im nunmehr dritpersönlichen Gespräch Möglichkeiten einem Jahr initiiert hat: „Sie als Hoch- ten Jahr die Messevorbereitungen einer künftigen Zusambegleitet und vorangebracht menarbeit auszuloten. wurden, für die Arbeit des Ergänzend zu den Firmen Organisationsteams wieder stellten zwölf Bereiche aus von enormer Bedeutung. der Universität und der Ebenso wichtig war die Fachhochschule ihre vielfälbewährte Zusammenarbeit tigen Angebote rund um mit den externen Partnern den Berufseinstieg vor. aus dem DienstleistungsbeAußerdem konnten bereits reich. Aber auch das studenim Vorfeld der Messe die tische Messeteam, das sich Studierenden auf ein innowie in den vergangenen Jahvatives Veranstaltungsanren aus engagierten Teilnehgebot zurückgreifen: Das merinnen und Teilnehmern Hochschulteam des Arbeitsdes Programms „Studierenamtes Bielefeld hatte mit de & Wirtschaft“ zuseinen auf die Perspektive sammensetzte, hat durch 2002 spezifisch zugeschnitseine kompetente Unterstüttenen Seminaren die Vorbezung sowohl in der Vorbereireitung auf möglichst effektung als auch am Tag der tive Kontaktgespräche auf Messe viel zum Gelingen der der Messe unterstützt. Veranstaltung beigetragen. Vor der Kulisse der PräDie Perspektive 2002 wurde sentation von „sprungbrett Von einem eigens geschulten Messeteam aus dem Kreis der wie die vergangenen Mesowl“, der virtuellen regio- Teilnehmer am Programm „Studierende und Wirtschaft“ sen im Rahmen des Career nalen Transferbörse für sind die Firmenstände auf der Berufseinstiegsmesse logi- Service/Büro „Studierende & Wirtschaft und Wissen- stisch betreut worden. Wirtschaft“ von einem schaft, eröffnete Rektor Dieter Tim- schulen haben einen Sprung zu mehr Organisationsteam vorbereitet, dem mermann die Messe, die unter der Kooperation gewagt. Sie, die Unter- Christine Doppler, Dörte Husmann Schirmherrschaft von Regierungsprä- nehmen haben heute den Sprung in und Heike Binder angehörten. sident Andreas Wiebe stand, und die Hochschule unternommen, um die Der Termin für die nächste Berufsdankte den ausstellenden Unterneh- Aufsprungmöglichkeiten in Ihren einstiegsmesse steht bereits fest: Die men für ihre Präsenz. Die Rektorin der Unternehmen darzustellen. Und Sie Perspektive 2003 findet am DonnersFachhochschule Bielefeld, Professorin als Studierende suchen hier heute tag, den 20. November 2003, statt. Beate Rennen-Allhoff, hob die Bedeu- Unterstützung bei dem Sprung in Ihre Informationen gibt es unter 0521tung der Perspektive für die Absolven- berufliche Zukunft. Ich wünsche Ihnen 106-4912/4913, über perspektive@ ten der Fachhochschule hervor, wäh- allen heute viel Erfolg. Springen Sie uni-bielefeld.de und im Internet unter rend Heinz-Ulrich Thiemann, stellver- wohl!“ Illustriert und konkretisiert www.uni-bielefeld.de/career-service/ tretender Direktor des Arbeitsamtes wurde dieser Wunsch während der perspektive. Uni-Halle als Arbeits-Markt Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 57 Universität und Wirtschaft Organisatoren und Referenten des 3. OWL-Management-Kolloquiums (von links): Helge Werner (Vorsitzender der Wirtschaftsjunioren Ostwestfalen), die Professoren Fred. G. Becker und Helmut Steiner, Dr. Markus Miele, Dr. August Oetker, Rektor Dieter Timmermann und Jörg-Uwe Goldbeck. Management-Kolloquium OWL Visionen und Strategien in Familienunternehmen (A.P.) „Visionen und Strategien in Familienunternehmen: Entwicklung, Umsetzung und Kommunikation“ lautete das Thema des dritten Management-Kolloquiums Ostwestfalen-Lippe (OWL) in der Universität Bielefeld, an dem vierzig namhafte Unternehmer und Top-Manager der regionalen Wirtschaft teilnahmen. Referenten des Kolloquiums, das Rektor Dieter Timmermann als gutes Beispiel für die immer enger werdenden Beziehungen zwischen Universität und Wirtschaft bezeichnete, waren die drei Unternehmer Dr. August Oetker, Dr. Markus Miele und Jörg-Uwe Goldbeck. Zunächst skizzierte der Bielefelder Wirtschaftswissenschaftler Fred G. Becker die Zielsetzung des OWLManagement-Kolloquiums, das 2000 als Kommunikationsplattform für Wissenschaft und Wirtschaft installiert worden sei. Die Universität wolle Mittler zwischen Theorie und Praxis sein sowie Unternehmer auf künftige Herausforderungen aufmerksam machen. Bisher seien die beiden voraufgegangenen Kolloquien zum „Führungsstilwechsel nach Managementwechsel“ und „Geschäftsführung, Beiräte, Gesellschafter: Spannungsfeld und Nutzen“ von jüngeren und älteren Entscheidungsträgern in OWL mit großem Interesse aufgenommen worden. Zur Thematik des dritten Management-Kolloquiums ‚Visionen in Familienunternehmen‘ bemerkte Becker: Familienunternehmen seien 58 anders. Sie würden sich nicht nur von anonymen Kapitalgesellschaften, sondern auch von anderen Unternehmen unterscheiden. Dies zeige sich auch bei den jeweiligen Visionen zur Unternehmensführung. Sie seien personenbezogen, hingen eng mit der Persönlichkeit der Unternehmer und der Spezifität der Familie zusammen. Als Basis für die Entwicklung einer Strategie komme ihnen eine entscheidende Rolle zu. Der Erfahrungsaustausch wurde zunächst von Dr. h.c. August Oetker mit seinem Vortrag „Die Zukunft der Familienunternehmen“ eröffnet. Er berichtete aus seinen Erfahrungen beim Einstieg in die Funktion des persönlich haftenden Gesellschafters der Oetker-Gruppe im Jahre 1981. Führungsstruktur und -kultur des Unternehmens seien eng an die Person des Vaters geknüpft gewesen; die Zusammenarbeit basierte auf informellen Regeln, und es gab kaum schriftliche Dokumentationen. Quasi als Außenseiter stand er vor dem Problem, ein angemessenes Gewicht im kompetent besetzten Führungsgremium zu gewinnen. Er habe bald erkennen müssen, so Oetker, dass viele Dinge nicht so umzusetzen sind, wie er es sich wünschte. Geduld, Mut und unternehmerische Intuition seien notwendig gewesen, um sich eine angemessene Stellung im Gesellschafter- und im Führungskreis zu erarbeiten. Seine eigene unternehmerische Vision sei es, ein erfolgreiches Familienunternehmen zu bleiben. Dabei sollte die Vision aber nie zum Selbstzweck werden. Das Unternehmensleitbild sei in der Strategie „verpackt“. Das Besondere an Familienunternehmen sei zudem der Umgang mit der Zukunft. Im Familienunternehmen sei die Risikoeinschätzung anders als bei nicht inhabergeführten Unternehmen. Leitplanke müsse der Erhalt der Kontinuität und eine längere zeitliche Perspektive sein. Darüber hinaus hätten geschäftsführende Gesellschafter nach Oetkers Einschätzung wahrscheinlich auch andere ethische Ansprüche an sich selbst im Vergleich zu Vorständen von Kapitalgesellschaften. In einem weiteren Vortrag berichtete Dr. Markus Miele über den „Generationenwechsel im Familienunternehmen – Visionen und Strategien im Wandel“. „Immer besser“ hatte Carl Miele, Günder des Gütersloher Haushaltsgeräteherstellers Miele, vor 100 Jahren auf die erste Waschmaschine geschrieben. Ein Leitsatz, der bis heute gelte. Aber wie schaffen es Familienunternehmen, ihre Visionen auf die nächste Generation zu übertragen? Wie entwickeln sie Strategien für die Zukunft? Miele selbst kann auf der Vision des Urgroßvaters von einem Unternehmen, das sich durch die Qualität seiner Produkte am Markt bewährt, aufbauen. So hält er es auch für treffend, der Vision seiner Vorgänger treu zu bleiben, ein unabhängiges Familienunternehmen zu bleiben und sich auf das Wäschesegment sowie wenige andere KernBielefelder Universitätszeitung 213/2003 Universität und Wirtschaft kompetenzen zu konzentrieren. In einigen Bereichen erwarte er jedoch den Wandel der Vision. Jörg-Uwe Goldbeck schloss mit seinem Referat zu „Tradition und Evolution – Unternehmensideen in der 2. Generation“ den Überblick über praktische Erfahrungen in Familienunternehmen ab. Goldbeck befindet sich gerade in der Phase der „Staffel-Übergabe“ mit seinem Vater. Der Generationswechsel sei neu für sein Unternehmen und von daher sicherlich schwieriger als in einem Unternehmen, das bereits in der 6. Generation geführt wird. Dem Leitprinzip „Evolution und Tradition“ folgend, halte er unter anderem die Authentizität im Verhalten eines jeden Nachfolgers für notwendig, um das inhaltliche wie persönliche Standing als Inhaber erreichen zu können. Sein Weg sei daher ein „persönlichkeitsverträgliches Abkupfern“, so Goldbeck. Abkupfern möchte er beispielsweise einige kulturprägende Grundsätze des Vaters: „Vertrauen vor Kontrolle“ sowie „Abgeben von Aufgaben“. Hiermit möchte Goldbeck getreu seinen Überzeugungen den Erwartungen der Mitarbeiter an Kontinuität und gleichzeitigen Aufschwung gerecht werden. Es gelte, die Unternehmensstrategie eines umfassenden Dienstleistungskonzeptes des Generalunternehmers zu realisieren und weiter zu entwickeln. Der Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe unter Leitung des Vorsitzenden Reinhard D. Wolf und des Hauptgeschäftsführers Stefan Genth kamen am Tag der Berufseinstiegsmesse zu einem Informationsbesuch in die Universität Bielefeld. Nach der Eröffnung der Messe und einem kurzen Messe-Rundgang informierten sich die Gäste im Laborbereich von Professor Ulrich Heinzmann (Fakultät für Physik) über neueste Entwicklungen in der Nanophysik und besuchten anschließend das „teutolab“, das Mitmach- und Experimentierlabor in der Fakultät für Chemie. Den Abschluss bildete ein Gespräch im Rektorat, an dem neben Rektor Dieter Timmermann und Kanzler Hans-Jürgen Simm auch Professoren der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften teilnahmen. 25 Prozent mehr Drittmittel (BUZ) Mit 37,35 Millionen Euro aus Drittmitteln und Zentralmitteln des Landes Nordrhein-Westfalen für Projektforschung hat die Universität Bielefeld im Jahr 2002 ihr Ergebnis aus dem Vorjahr deutlich um 7,54 Millionen Euro übertroffen. Das entspricht einer Steigerung um 25 Prozent. Der Mittelanstieg betrifft fast alle Drittmittelgeber (wie Volkswagen-Stiftung, Europäische Union, Wirtschaft). Das Gros des Zuwachses entfällt auf Bundesmittel und Mittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Besuch der IHK-Spitze in der Universität: Zu einem Gespräch mit dem Rektorat trafen sich der Präsident der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld Herbert Sommer sowie Hauptgeschäftsführer Thomas Niehoff und dessen Stellvertreter Christoph Vonderheide. Themen waren Überlegungen zu einer angedachten regionalen Verbleibsstudie zu den Universitätsabsolventen, die Auswirkungen der Studienreform (Bachelor/Master-Modellversuch) auf den Arbeitsmarkt sowie Fragen des Wissenstranfers und der Existenzgründung. Anschließend informierten sich die Gäste zusammen mit dem Handelsausschuss der IHK im Arbeitsbereich von Physikprofessor Ulrich Heinzmann unter anderem über die Erzeugung ultrakurzer Lichtblitze, die im letzten Jahr für weltweites Aufsehen gesorgt hatte. Das Foto zeigt von rechts Prorektor Christoph Gusy, Christoph Vonderheide, Herbert Sommer, Thomas Niehoff, Prorektor Gerhard Sagerer, Dr. Gerd Meier (Referent des Rektors), Kanzler Hans-Jürgen Simm und Rektor Dieter Timmermann. 59 Universitätsgesellschaft „Theorie und Praxis der Personalarbeit“ heißt ein Seminar des Bielefelder Wirtschaftswissenschaftlers Fred G. Becker, das er zusammen mit Miele & Cie. und der Seidensticker-Unternehmensgruppe im Wintersemester 2002/2003 durchführte. Unter der wissenschaftlichen und praktischen Leitung von Becker haben Studierende der Wirtschaftswissenschaften Seidensticker- und Miele-relevante Themen untersucht. Die Studenten stellten theoretische Erkenntnisse der betrieblichen Praxis gegenüber. Nach der Präsentation der Seminararbeiten zunächst bei Miele stellten die Studenten jetzt auch im Hause Seidensticker (Foto) ihre Arbeiten und Ergebnisse vor. Sie befassten sich dabei mit aktuellen Problemstellungen moderner Personalarbeit, wie Personaleinführung, Nachwuchsförderung und internationalen Ausbildungsprogrammen. erschienenen Mitgliedern der Westfälisch-Lippischen Universitätsgesellschaft einen Einblick in ihr Forschungsgebiet. Ebenso wie Martina HielscherFastabend stellten auch die für ihre Dissertation ausgezeichneten Nachwuchswissenschaftler ihre Arbeiten allgemeinverständlich und in Kürze vor. Den mit je 600 Euro€ dotierten Dissertationspreis der Universitätsgesellschaft, die – so Vorstandsvorsitzender Ortwin Goldbeck und Geschäftsführer Professor Helmut Steiner – mit den Auszeichnungen den „hohen Leistungsstand unserer Universität unterstreichen“ will, erhielten folgende Doktoren und Doktorinnen: Preisverleihung der Universitätsgesellschaft Preise erneut von Unternehmen der Region gesponsert Ausgezeichnete Dissertationen – Preis für Habilitation an Martina Hielscher-Fastabend (BUZ) Die Westfälisch-Lippische Universitätsgesellschaft hat ihre Wissenschaftspreise 2002 vergeben. Sie zeichnete elf Doktorarbeiten aus, die an der Universität Bielefeld entstanden sind, und eine Habilitation. Den mit 3000 Euro€ dotierten Habilitationspreis erhielt die Bielefelder Klinische Linguistin Martina Hielscher-Fastabend für ihre Habilita- tionsschrift „Emotionskonzepte und Prozesse emotionaler Sprachverarbeitung“. Mit einem Vortrag des selben Titels gab sie den zahlreich Die Universitätsgesellschaft vergab im Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld ihre Wissenschaftspreise 2002. Das Foto zeigt von links: Anatoli Rakhkochkine, Rektor Dieter Timmermann, Nicole Ameskamp, Frank Weiler, Natalija Hohnjec, Ortwin Goldbeck, Elena Carbone, Peter Siffalovic, Frank Uekötter, Sonja Grigoleit, Susanne Kaul, Martina HielscherFastabend, Professor Helmut Steiner. 60 Dr. Martina Hielscher-Fastabend Nicole Ameskamp (Biotechnologie), Elena Carbone (Psychologie), Sonja Grigoleit (Chemie), Natalija Hohnjec (Biologie), Enrique Huelva Unternbäumen (Linguistik), Susanne Kaul (Literaturwissenschaft), Konstanze Piel (Soziologie), Anatoli Rakhkochkine (Pädagogik), Peter Siffalovic (Physik), Frank Uekötter (Geschichtswissenschaft) und Frank Weiler (Rechtswissenschaft). Folgende Unternehmen und Stiftungen aus der Region sponserten die Dissertationspreise: Bertelsmann AG (Gütersloh), Böllhoff GmbH (Bielefeld), Claas OHG (Harsewinkel), Goldbeck Bau (Bielefeld), Harting KGaH (Espelkamp), Ida und Richard Kaselowsky-Stiftung (Bielefeld), Melitta Bentz KG (Minden), Miele & Cie. (Gütersloh), Textilkontor Walter Seidensticker (Bielefeld), Sparkasse Bielefeld, Gerry Weber AG (Halle). Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Bildung im Umbruch Ringvorlesung „Bildung im Umbruch“ Bildung ist „Hilfe bei der Orientierung in Streitfragen der Gegenwart“ In der Ringvorlesung „Bildung im Umbruch“, die gemeinsam vom Verein für Philosophie Bielefeld und vom Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld veranstaltet wurde, ging es aus interdisziplinärer Perspektive um die Frage, welche Konzeption von allgemeiner Bildung heute angemessen und welche Bedeutung den Ergebnissen der PISA-Studie beizumessen ist. Bildung ist wieder im Gespräch. Nachdem über Jahrzehnte in Deutschland ein vergleichsweise festgefügter Bildungskanon vorgeherrscht hatte, war die Szene in den reformfreudigen 1970er Jahren in Bewegung geraten. Die Oberstufenreform war maßgeblich von dem Gedanken bestimmt, sich von dem als versteinert empfundenen traditionellen Bildungskanon zu lösen und dem Einzelnen eine eigenständigere Auseinandersetzung mit Kulturgütern zuzugestehen und zuzumuten. Die Auszeichnung bestimmter Inhalte als bildungsrelevant galt zunehmend als problematisch und wurde nach Möglichkeit vermieden. Heute hat die Gegenbewegung eingesetzt. Die allgemeine Bildung ist wiederentdeckt worden. Viele Bundesländer haben die Wahlmöglichkeiten in der reformierten Oberstufe mittlerweile wieder deutlich eingeschränkt. Unter der Überschrift „Das müssen Sie wissen“ werden Tests vorgestellt, die das Allgemeinwissen zuverlässig abfragen sollen. Dietrich Schwanitz hat mit seinem kühn betitelten Buch „Bildung: Alles was man wissen muss“ in die gleiche Richtung eines fest umrissenen Bildungskanons argumentiert. Neue Verbindlichkeiten sind also angesagt. Diese Neuorientierung hat durch die in der PISA-Studie aufgedeckten Defizite im Schulbereich Auftrieb erhalten. Die Frage nach dem Bildungsauftrag von Schule und Universität bewegt weite Kreise der Öffentlichkeit. Der Neuhumanismus hat das Bildungsideal in Deutschland für mehr als ein Jahrhundert maßgeblich geprägt. Diese mit dem Namen Wilhelm von Humboldt verbundene BilBielefelder Universitätszeitung 213/2003 dungsidee ist durch zwei Überzeugungen geprägt. Erstens dient Bildung der Entfaltung der Kräfte des Einzelnen. Praktische Anforderungen oder die Herausforderungen des Berufslebens haben hier keinen Platz. Vielmehr soll sich der heranwachsende Mensch zunächst zu einer vollentwickelten Persönlichkeit bilden. Zwei- tens soll diese Entfaltung der persönlichen Kräfte am besten durch das Studium einer großen, einer klassischen Kultur befördert werden. Daraus stammt die Betonung der Antike und der griechischen und lateinischen Sprache. Obwohl sich die Bildungskonzeptionen der in der Ringvorlesung Vortragenden in vielerlei Hinsicht unterschieden, verpflichteten sich doch die meisten auf diese Vorstellung der allgemeinen Bildung als Persönlichkeitsbildung und als Entfaltung von Fähigkeiten. Der Altphilologe Manfred Fuhrmann (Konstanz) kam dabei auch der zweiten genannten Überzeugung am nächsten. Für Fuhrmann ist Bildung eine Form des Bewahrens der Tradition. Dabei kommt insbesondere antiken Stoffen ein besonderer Bildungswert zu. Sie schärfen den Blick 61 Bildung im Umbruch auf die Gegenwart, indem sie die Einnahme einer andersartigen, mit der heutigen konstrastierenden Perspektive ermöglichen, und sie vermitteln am besten politische und kulturelle Grundorientierungen. Darüber hinaus setzte sich Fuhrmann für das Festhalten an einem historisch und literarisch geprägten Kanon von Bildungsgütern ein und wehrte sich gegen die Fixierung auf inhaltlich unbestimmt bleibende Qualifikationen und Kompetenzen. Auch der Philosoph Andreas Cesana (Mainz) verpflichtete sich auf einen humanistisch geprägten Bildungsbegriff, sah aber in der Fähigkeit zur Durchdringung von Streitfragen der Gegenwart die herausragende Bildungsleistung. Viele dieser Fragen werden durch die Wissenschaft aufgeworfen, können aber nicht in ihrem Rahmen beantwortet werden. So stellen die modernen Biowissenschaften den Menschen vor ethische Herausforderungen, bei deren Bewältigung sie andererseits kaum Hilfestellung leisten. Zur Orientierung bedarf es vielmehr der Bildung, die ihrerseits aus der Weitung des Horizonts erwächst, wie sie sich aus der Beschäftigung insbesondere mit literarischen und philosophischen Inhalten ergibt. In diesem kulturwissenschaftlich geprägten Bildungsbegriff spielen die Naturwissenschaften offenbar keine Rolle. Tatsächlich sind die Naturwissenschaften typischerweise aus ganz anderen Gründen Teil des schulischen Fächerkanons. Sie sollen den praktischen Bedürfnissen des Lebens und der Berufswelt dienen. Dagegen setzte der Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer (Konstanz) nachdrücklich die These vom Bildungswert der Naturwissenschaften. Diese „andere“, eben naturwissenschaftliche Bildung bildet die Grundlage für ein Verständnis sowohl der technisch erzeugten wie der natürlichen Umwelt des Menschen. Überdies sind die Naturwissenschaften aber auch Teil der allgemeinen Kulturentwicklung. Dies zeigt sich zum Beispiel in der ungefähr gleichzeitigen Auflösung traditioneller Vorstellungen von Raum und Zeit in der Relativitätstheorie und in der Kunst des Kubismus. Die Naturwis62 senschaften beleuchten daher nicht allein das Verhältnis von Mensch und Welt, sondern werfen auch ein neues Licht auf die Geistesgeschichte. Die meisten Vortragenden der Reihe distanzierten sich von der PISAStudie. Die in dieser getesteten Kompetenzen wiesen keinen Bezug zur Bildung auf. Dagegen verteidigte der Erziehungswissenschaftler Klaus-Jürgen Tillmann (Bielefeld) deren Aussagekraft. Tillmann, der als Mitglied des nationalen PISA-Konsortiums an der Durchführung der Studie beteiligt war, gab ohne weiteres zu, dass die dabei gemessenen Fähigkeiten zum Erfassen von Texten und zur Anwendung von Rechenmethoden auf Alltagsprobleme nicht Bildung ausmachen. Sie bildeten gleichwohl eine wesentliche Voraussetzung für deren Erwerb. Gegenstand der PISA-Studie sind Kompetenzen, die von besonderen Lehrplänen unabhängig und zum Bestehen der Herausforderungen des Alltagslebens erforderlich sind. Grundlegender noch als die Streitfrage, ob sich Schüler eher bei Goethe oder bei Einstein, besser bei Bismarck oder bei Darwin auskennen sollen, ist das Verlangen, dass sie einen Fahrplan lesen oder sich die zentralen Aussagen von Gebrauchstexten erschließen können sollten. Den Abschluss der Vortragsreihe bildete der Bielefelder Emeritus Hartmut von Hentig, auf den nicht allein die Konzeptionen von Laborschule und Oberstufen-Kolleg zurückgehen, sondern der darüber hinaus seit den 1960er Jahren eine Vielzahl von Reformanstößen für die Schulpädagogik und die Erziehungswissenschaft insgesamt gegeben hat. Für von Hentig wird Bildung unter anderem durch drei Forderungen bestimmt. Erstens stellt Bildung ein Gesamtbild bereit. Sie erschöpft sich nicht in der Kenntnis von Einzelheiten, noch auch in verstreuten Fähigkeiten. Vielmehr setzt Bildung solche Einzelstücke in Beziehung zueinander und verwebt sie zu einer Ganzheit. Zweitens entsteht Bildung im Ausgang von den Problemen des Lebens. Insbesondere dürfen daher die schulischen Inhalte nicht durch eine rigide Systematik festgelegt sein. Vielmehr muss das Leben in die Schule gebracht werden. Drittens geht es bei Bildung wesentlich um Kompetenzen; Inhalte sind demgegenüber nachrangig. Hatte Fuhrmann geltend gemacht, dass Kompetenzen ohne Inhalte leere Abstraktionen bleiben, fürchtete von Hentig umgekehrt, dass Inhalte ohne Kompetenzen zu einem lebensfernen Kanon erstarren. Für von Hentig ist Bildung vielmehr durch die Ausbildung von Kompetenzen auf drei Ebenen bestimmt, nämlich die Entwicklung der Kräfte des Einzelnen (die persönliche Bildung), die Fähigkeit zu einem Leben in der geschichtlichen Welt und der arbeitsteiligen Gesellschaft (die praktische Bildung) und das Vermögen zur Teilnahme an den gesellschaftlichen Prozessen (die politische Bildung). Die Vortragsreihe war durch vielfältige inhaltliche Gegensätze geprägt. Argumentiert wurde für und gegen einen festen Kanon von Bildungsinhalten, für und gegen den Bildungswert der Naturwissenschaften, für und gegen die Aussagekraft der PISA-Ergebnisse. Diese kontrastive Anlage enthielt das Angebot an die Zuhörer, sich selbst eine Meinung zur Frage „Bildung im Umbruch?“ zu bilden. Fasst man mit Cesana Bildung als Hilfe bei der Orientierung in Streitfragen der Gegenwart auf, so befasste sich die Reihe nicht allein mit Bildung, sondern stellte auch ein Forum für die persönliche Weiterbildung bereit. Martin Carrier „PISA lesen“ (BUZ) Kritik an der Methodik und den Ergebnissen der PISA-Studie zur Lesekompetenz hat Professor Bernd Switalla von der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld geübt. Die auch weiterhin lesenswerte Kritik ist im vergangenen Jahr in „UniversitasOnline“ auf der Website des Hirzelverlags unter dem Titel „PISA lesen. Implikationen der Lesekompetenz“ veröffentlicht worden. (www.hirzel.de und von dort aus UniversitasOnline 2002 anklicken.) Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Schulprojekte Max-Planck-Institut für Bildungsforschung Bielefelder Laborschule stellt sich dem PISA-Test (BUZ) Die international-vergleichende Schulleistungs-Studie PISA hat deutlich gemacht, welch große Kompetenzdefizite viele deutsche Schülerinnen und Schüler in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften aufweisen. In der öffentlichen Diskussion werden seitdem vielfältige Reformforderungen erhoben – von der frühen Förderung der Fünfjährigen über die Einrichtung von mehr Ganztagsschulen bis hin zum Abschaffen des Sitzenbleibens. Wie aber schneidet eine Schule bei PISA ab, die die meisten dieser Reformkonzepte längst verwirklicht hat? Diese Frage lässt sich nun anhand der von Hartmut von Hentig 1974 in Bielefeld gegründeten Labor- Mitarbeiter des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung stellten die Ergebnisse der mit dem PISA-Instrumentarium getesteten Laborschule vor; links auf dem Bild Hartmut von Hentig, rechts Schulleiterin Susanne Thurn und daneben Klaus-Jürgen Tillmann. schule – einer Versuchsschule des Landes Nordrhein-Westfalen an der Universität Bielefeld – beantworten: Die Forscher des Berliner MaxPlanck-Instituts für Bildungsforschung (MPI) haben im Mai 2002 alle 15-jährigen Schülerinnen und Schüler der Bielefelder Laborschule mit dem PISA-Instrumentarium getestet. Die Ergebnisse sind unlängst vom Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung veröffentlicht worden: „Kompetenzerwerb und Persönlichkeitsentwickung: Eine Untersuchung an der Laborschule Bielefeld im Rahmen von PISA“. Die Ergebnisse finden sich unter: www.uni-bielefeld.de/Universitaet/Einrichtungen/Pressestelle/dok umente/laborschule_pisa2.html. Schulleiterin Dr. Susanne Thurn und Prof. Dr. Klaus Jürgen-Tillmann, Wissenschaftlicher Leiter der Laborschule, haben zu den Ergebnissen des Max-Planck-Instituts Stellung genommen: „Starke Werthaltungen, hohe Verantwortungsbereitschaft, gute Fachleistungen“. Die Stellungnahme findet sich unter: www.unibielefeld.de/Universitaet/Einrichtungen/Pressestelle/dokumente/laborschule_pisa1.html. Eine Projektgruppe des Oberstufen-Kollegs arbeitete im südamerikanischen Ecuador „Entwicklungshilfe“ lernen – für sich und andere „Entwicklungszusammenarbeit und Umweltschutz“ war das Thema, auf das sich eine Projektgruppe von elf Kollegiatinnen und Kollegiaten des Bielefelder Oberstufen-Kollegs über ein Jahr lang vorbereitet hatte. Nach der Theorie kam die Praxis: Eine sechswöchige Reise nach Ecuador, die eigenes Lernen mit der Hilfe für andere verband. Zusammen mit einer Kooperative wurde in einem armen Dorf ein großes Gewächshaus aus Bambus errichtet; an einer Partneruniversität baute die Gruppe Solaröfen, und eine landeskundliche Reise führte zum Abschluss in den Amazonas-Dschungel. Projekte als offene, realitätsnahe Lernanlässe gelten potenziell als besonders ertragreich. In Reisen kommt noch der Abstand vom gewohnten Alltag dazu, wodurch Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 In Daular, einem armen Dorf in der Umgebung von Guayaquil, halfen Kollegiaten am Aufbau eines 500 Quadratmeter großen Gewächshauses aus Bambus und lernten die Realität und die Schwierigkeiten dörflicher Selbstorganisation und lokaler Entwicklungsprojekte unmitttelbar kennen. Herausforderungen entstehen, die zu Lernanlässen für neue Muster des Verhaltens und der Kommunikation werden, das ernsthafte Ausprobieren neuer Rollen und das Hinein- wachsen in neue Aufgaben ermöglichen. Solche Lerngelegenheiten sind aufwendig, führen aber in Dimensionen des Lernens, die im „normalen“ Unterricht nicht erreich63 Schulprojekte bar sind. Eine Versuchsschule wie das Oberstufen-Kolleg hat die Chance, im Rahmen seiner vielfältigen Lerngelegenheiten und Unterrichtsarten auch solche Projekte mit Ernstcharakter systematisch zu entwickeln und zu erproben. Erfolgreiche Entwicklungsprojekte können nur in Zusammenarbeit mit solide verankerten Partnern vor Ort gelingen: Das Colegio Aleman Humboldt in Guayaquil, eine der renommiertesten Schulen in Ecuador, suchte einen Projektpartner für ein Umweltprojekt. Dank früherer Kontakte und umfangreicher Erfahrung des Oberstufen-Kollegs mit umweltbezogenen Projekten konnte eine Zusammenarbeit sehr schnell hergestellt werden. Die Escuela Politecnica del Litoral (ESPOL), ebenfalls in Guayaquil, mit der uns schon seit Jahren eine offizielle Partnerschaft verbindet, entwickelt Bildungsprogramme und eine Ausstellung angepasster Technologien für die ländliche Bevölkerung und bat dafür um unsere Mithilfe. Bei einem Empfang im Rektorat der Partneruniversität ESPOL konnte nebenbei die Planung eines Vorhabens vorangetrieben werden, dessen Finanzierung inzwischen durch Mittel des Deutschen Die Escuela Politecnica del Litoral hatte das Oberstufen-Kolleg gebeten, für einen Wissenschafts- und Technikpark Parabol-Solaröfen zu konstruieren, mit denen in den sonnenreichen Gegenden Ecuadors Brennholz gespart werden kann. Aus mitgebrachten Teilen wurden die Geräte gemeinsam mit Studierenden und Lehrenden der Partneruniversität aufgebaut und in einer feierlichen Zeremonie dem Wissenschaftspark übergeben. Akademischen Austauschdienestes gesichert wurde: Darin werden in den kommenden Jahren innovative Lehr- und Lernverfahren sowie Module einer naturwissenschaftlichen Grundbildung für die Studieneingangsphase und die Oberstufe zusammen mit einer weiteren Partneruniversität aus Chile entwickelt. Bei einem Besuch der Bielefelder Kollegiaten in der Deutschen Botschaft in Quito machte Botschafter Sepp Jürgen Wölker deutlich, dass aufgrund instabiler staatlicher Rahmenbedingungen Projekte der „großen Entwicklungshilfe“ in Ecuador kaum Chancen auf Erfolg hätten. Insofern seien Projekte, wie die des Oberstufen-Kollegs, die von unten ansetzten und die Fähigkeit zur Selbstorganisation in den Menschen stärken, derzeit wohl die erfolgversprechendste Möglichkeit sinnvoller Hilfe. Von Experten der Deutschen Botschaft ist das mit Hilfe des Oberstufen-Kollegs gebaute Gewächshaus als überaus gelungen eingeschätzt worden, so dass bei ähnlichen Projekten finanzielle Unterstützung signalisiert worden ist. Im Übrigen konnten die Arbeiten der Kollegiatinnen und Kollegiaten vor Ort mit finanzieller Hilfe des Konkreten Friedensdienstes, einer Organisation der Carl Duisberg Gesellschaft, realisiert werden. 64 Nach dem Abschluss unserer Projektarbeiten verblieb noch etwas Zeit, die wir für eine landeskundliche Reise nutzten. Ein Besuch der Hauptstadt Quito bot die Möglichkeit, etwas von der Kultur und kolonialen Vergangenheit des Landes kennen zu lernen. Eine Reise in das Amazonas-Tiefland verband Herausforderung und Abenteuer mit dem persönlichen Kennenlernen des großen Umweltthemas „Regenwald“. Je nach Phase der Reise fanden sich somit die Kollegiatinnen und Kollegiaten in ganz verschiedenen Rollen wieder: Während der Zeit des Gewächshausbaus waren sie Dorfmitglieder und Arbeiter unter einfachsten Bedingungen; als „höhere Söhne und Töchter“ führten sie ein Leben der Mittel- und oberen Schicht des Landes in der Phase, als sie in den Familien der Gasteltern der Deutschen Schule lebten, und im letzten Teil der Reise sahen sie das Land aus der Perspektive von Touristen. Die praktische und gedankliche Auseinandersetzung mit diesen verschiedenen Rollen erwies sich ebenfalls als hoch lehrreich – wann hat man sonst schon Gelegenheit, so etwas auszuprobieren? Gottfried Strobl Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Schulprojekte Gesellschaft für Exilforschung / Oberstufen-Kolleg Echolos? Klangwelten verfolgter Musikerinnen in der NS-Zeit „Haben Sie schon einmal eine Komponistin gesehen?“ So und ähnlich lauteten diffamierende und diskriminierende Polemiken von Musikkritikern in den Dreißiger und Vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, wenn es darum ging, das Werk einer Komponistin zu besprechen. Diese Zeiten sind längst vorbei, und doch erntet man auch heute noch einen fragenden Blick, wenn sich eine Tagung drei Tage lang mit den Klangwelten von Musikerinnen in der NS-Zeit auseinandersetzt. Zu groß sind die Kenntnislücken, zu schwer ist das Gewicht des Verlustes von Leben und Werk von Musikerinnen in der NS-Zeit und im Exil. Ende des vergangenen Jahres fand im Oberstufen-Kolleg die 12. Jahrestagung der Arbeitsgruppe Frauen im Exil der Gesellschaft für Exilforschung in Zusammenarbeit mit dem Oberstufen-Kolleg und dem Orpheus Trust, Wien, statt. Von Dr. AnnaChristine Rhode-Jüchtern und Dr. Maria Kublitz-Kramer (OberstufenKolleg) sowie Dr. Inge Hansen-Schaberg und Renate Wall vorbereitet und durchgeführt, gehörten neben einer Vielzahl von Fachreferaten zwei hochkarätige Abendveranstaltungen sowie ein ebenso hochkarätiges Gesprächskonzert zum Tagungsprogramm. Der Bielefelder Künstler Jürgen Heckmanns begleitete die Tagung mit der Installation „Erinnern und Vergessen“. Die amerikanische Komponistin Pia Gilbert, in Deutschland trotz ihrer deutschen Geburt so gut wie unbekannt, in den Vereinigten Staaten jedoch eine bekannte Vertreterin der experimentellen Moderne, eröffnete die Tagung mit einem Grußwort per Video. Eine entwickelte Synopse der Geschichte von Musikerinnen in der NS-Zeit und im Exil ist nicht in Sicht. Die Tagung setzte deshalb innerhalb des prinzipiell bekannten Terrains der strukturellen Verfolgung in der NSZeit neben der theoretischen Besichtigung der „Leerstellen“ innerhalb der musikwissenschaftlichen Exilforschung den Fokus auf Komponistinnen, Musikwissenschaftlerinnen, Virtuosinnen, Musikpädagoginnen, Kabarettistinnen, die ab 1933 in Deutschland verfolgt wurden. Fallgeschichten ermöglichten die konkrete Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Spurensuche. Sie standen im Sinne eines erweiterten Exilbegriffs als Beispiel für das uns noch heute unbegreiflich erscheinende Musikleben in Frauenkonzentrationslagern, wie es Dr. Gabriele Knapp am Beispiel des Musiklebens innerhalb des KZ Ravensbrück vorstellte. Sie standen als individuelle Fallgeschichten für die Mischung von Individuellem und Gesellschaftlichem, von persönlichem Schicksal und gesellschaftlicher Ausgrenzung und Verfolgung, wie der niederländische Forscher Wilhelm de Vries an der Verfolgung der polnisch-französischen Pianistin und Cembalistin Wanda Landowska und des Raubes ihrer wertvollen Instrumentensammlung und Bibliothek ausführte. Fallgeschichten standen aber auch für den Perspektivwechsel, der den Blick auf die neue Kultur richtete, kulturelle Akkulturation in das aufnehmende Asylland leistete, wie Dr. Barbara von der Lühe am Schicksal der deutschsprachigen Musikpädagoginnen in Palästina, Israel, nachwies. Die Tagung war um eine Form der Aufarbeitung von Geschichtsschreibung bemüht, die im Besonderen das Allgemeine deutlich machte, die scheinbar Unvereinbares nebeneinander stehen ließ und damit auf Bruchstücke einer zerstörten Kultur hinwies, die innerhalb der allgemeinen Geschichtsschreibung noch ephemer ist. Volker Kühn, Autor und Regisseur, präsentierte mit Schauspielern vom Deutschen Theater am Allerheiligen-Freitag das Kabarett „Zores haben wir genug. Galgenhumor am Abgrund. Kabarettistisches aus dem Jüdischen Kulturbund“. Mitveranstalter waren „Lektüren und Lektionen“ der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft sowie der Fachkonferenz Deutsch am Oberstufen-Kolleg. Gefördert wurde die Veranstaltung durch die Theater- und Konzertfreunde, die Universitätsgesellschaft und die Kommission für Kunst und Kultur der Universität Bielefeld. Eine harmlose Verkleidung der Texte innerhalb der Kleinkunstbühnen im Jüdischen Kulturbund war notwendig, wollten sie die NSZensur passieren. Und dennoch erreichten die bis heute fast unbekannt gebliebenen Texte das zahlreich erschienene Publikum. Zum Beispiel das Lied vom „Grundstück auf Abbruch zu verkaufen“, und oben aus dem Abbruchhaus in Düsseldorf guckt Heinrich Heine und sagt: Und grüßt mir noch die Loreley, und sagt ihr, sie kann sich die Haare abschneiden. Als im November 1937 die SA durch die Straßen in Deutschland grölte und auch die physische Verfolgung schon längst begonnen hatte, spielten im „Kabarett der Komiker“ 65 Schulprojekte Max Ehrlich, Willy Rosen, Fritz Tachauer, Dora Gerson (Foto). Sie und fast alle anderen wurden in Auschwitz ermordet. Im KZ Westerbork, einem so genannten Durchgangslager, waren sie zuvor noch aufgetreten. Die zweite Abendveranstaltung galt den Klangwelten verfolgter und exilierter Musikerinnen. Denn anders als bei den männlichen Exilkomponisten sind deren Werke bis heute kaum auf Tonträgern zu hören. Das Ensemble Horizonte (Leitung und Moderation: Jörg Mittmann) ist eine feste und verlässliche Größe im Bereich der zeitgenössischen Musik. Hochsensibel und zugleich routiniert brachten sie die in Deutschland bisher meist ungehörten Werke zu Gehör. Und so stand in diesem durch die Hanns-BiseggerStiftung geförderten Konzert eine Doppelfuge des 16jährigen Wunderkindes Charlotte Schlesinger von 1925, nebst der (Ur?)Aufführung ihrer gerade als Handschrift neu gefundenen Lieder von 1931, neben experimentellen Kompositionen der in den Vereinigten Staaten berühmten Exil-Komponistinnen Ursula Mamlok und Pia Gilbert. Pia Gilbert lehrt noch heute in hohem Alter an der Julliard School in New York. Das zweite Konzert war eine große pianistische Leistung der Detmolder Künstlerin Babette Dorn(Venetien), die zugleich als Forscherin über das Werk von Ilse Fromm-Michaels berichtete. Diese hatte sich geweigert, sich von ihrem jüdischen Mann zu trennen, und ihre große Karriere als Komponistin und Pianistin kam ab 1933 vollständig zum Erliegen. Nach dem Krieg wurde sie zwar hochgeehrt, aber ihr Werk blieb im Schatten der NS-Zeit bis zum heutigen Tag. Das Fazit der Tagung: Die Erinnerung an die Kultur, die in Deutschland fast vergessen war und die uns doch unmittelbar erreicht, wenn wir sie nur wieder erwecken, macht deutlich, wie wichtig es ist, Teile unseres kulturellen Netzwerkes des 20. Jahrhunderts behutsam wiederherzustellen. Anna-Christine Rhode-Jüchtern 66 Staatsarchiv Detmold: Neue Datenbank aufgebaut Zwangsarbeiter in Lippe Das war ein ganzes Stück Arbeit, an dem Natalia Wotzke mitgearbeitet hat. Die junge Frau aus Extertal (gebürtig aus Kirgisien) hat dabei mit geholfen, beim Staatsarchiv in Detmold eine Datenbank aufzubauen, in der sämtliche Aufenthalte von Zwangsarbeitern erfasst sind, die während des Zweiten Weltkrieges in Lippe eingesetzt waren. „Man soll es nicht glauben, aber bei den ermittelten Aufenthaltsnachweisen sind rund 21 000 Datensätze erfasst worden,“ so Landrat Friedel Heuwinkel bei der Vorstellung der Arbeitsergebnisse im Detmolder Kreishaus. Das Projekt wurde aus Mitteln des Kreises Lippe und der Universität Bielefeld sowie als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme durch das Arbeitsamt Detmold finanziert. „Das zusammen mit der Universität Bielefeld initiierte Projekt wird von großem Nutzen für aktuelle Ermittlungen von Aufenthaltsnachweisen ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern sein,“ sagte Professor Lothar Albertin. Diese neue Datenbank werde darüber hinaus als Grundlage für die angestrebte wissenschaftliche Aufarbeitung des Einsatzes von Zwangsarbeitern in Lippe dienen. Für diese Arbeit waren in den einschlägigen Materialien des Detmolder Staatsarchivs sämtliche Erwähnungen von Zwangsarbeitern zu ermitteln. „Das konnten Akten unterschiedlichster Behörden, wie der NSDAP-Kreisleitung in Lippe, die Strafakten des Amtsgerichts Detmold oder die Gefangenenbücher sein, aber auch handschriftliche Notizen haben hier als Quellen gedient,“ erläuterte Dr. Wolfgang Bender vom Detmolder Staatsarchivs. Auch in den Stadtarchiven von Bad Salzuflen, Blomberg, Lage und Lemgo waren die Historiker für die Datenbank tätig. Wer weitere Informationen haben möchte, kann sich wenden an das Nordrhein-Westfälische Staatsarchiv Detmold unter der Telefonnummer 05231/766-155 (Dr. Hansjörg Riechert) und 766-204 (Dr. Wolfgang Bender). Natalia Wotzke aus Extertal (2. von links) erstellte die Datenbank über Zwangsarbeiter in Lippe; es bedanken sich bei ihr (von links): Dr. Harald Hiltl, Landrat Friedel Heuwinkel und Lothar Albertin. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Absolventen Erziehungswissenschaft Lehrerforschung (BUZ) Die Kommission Schulforschung und Didaktik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft veranstaltet in Bielefeld vom 24. bis zum 26. März in Zusammenarbeit mit der Bielefelder Laborschule und dem Oberstufen-Kolleg ihre diesjährige Theorietagung zum Thema „Lehrer/innenforschung“ in Bielefeld. Die Tagung wird am Montag, 24. März, um 14.00 Uhr im Oberstufen-Kolleg von den Schulleitern Jupp Asdonk und Susanne Thurn sowie Sybille Rahm, Vorsitzende der Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, eröffnet. Ab 14.30 Uhr folgen die Vorträge von Hartmut von Hentig „Das Konzept des forschenden Lehrens – reconsidered“ und von Michael Schratz „‘Research as a basis for teaching‘ – Der Beitrag von Lawrence Stenhouse zur Lehrer/ innenforschung“. Wissenschaftsjournalismus Als gemeinsames Projekt starten Volkswagen-Stiftung, BertelsmannStiftung und die BASF-Aktiengesellschaft das „Qualifizierungsprogramm Wissenschaftsjournalismus”. Das Projekt will die Ausbildung von Wissenschaftsjournalisten fördern und Wissenschaftlern den Umgang mit den Medien erleichtern. Die Projektpartner planen den Aufbau eines neuen Studiengangs für den journalistischen Nachwuchs sowie Weiterbildungsseminare für bereits etablierte Journalistinnen und Journalisten. Daneben sollen Medientrainings für Wissenschaftler entwickelt werden. Das Qualifizierungsprogramm ist auf fünf Jahre angelegt und soll dazu beitragen, die Qualität der wissenschaftlichen Berichterstattung in den Medien zu steigern, insbesondere auch in den Regional- und Publikumsmedien. Mehr im Internet unter www. volkswagenstiftung.de/pressenews/ presse03/27022003.htm. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Knapp 30 Studierende konnten bei der Abschlussfeier des 3. Jahrgangs „Europa Intensiv“ ihre Zertifikate in Empfang nehmen. Die Studierenden haben sich zwei Semester lang neben ihrem Regelstudium für den Arbeitsmarkt Europa fit gemacht und während der vorlesungsfreien Zeit ein Praktikum in einem europaweit agierenden Unternehmen absolviert. Das Programm vermittelt in komprimierter Form spezifische Kenntnisse und Fertigkeiten, die für einen sich öffnenden Arbeitsmarkt in Europa notwendig sind. Hierzu wird zum einen Wissen in den relevanten Bereichen der Rechtswissenschaft (Europäisches Recht, Rechtsvergleich, Verfassungssysteme), der Wirtschaftswissenschaften (z.B. Außenwirtschaftspolitik, EU-Binnenmarkt), Geisteswissenschaften (wie Geschichte der Europäischen Integration) und der Soziologie (z.B. Organe und Institutionen der EU) vertieft. Zum anderen werden der berufsbezogene Einsatz von Fremdsprachen (Englisch, Französisch) und andere Techniken der interkulturellen Kommunikation geschult, wie etwa Verhandlungsführung und Verhandlungsanalyse. Erfolgreich abgeschlossen haben: Marcus Anlauf, Marc Biedermann, Marion Bolten, Svenja Brinkmeier, Tanja Irmgard Cremer, Stefanie Ernst, Jana Görlach, Claudia Honerlage, Esther Janosi, Kim-Simone Janutta, Susane Kerfien, Almut Kersting, Martin Klein, Javier Martìnez Torres, Stephanie Müller, Mirjam Nasdala, Daniel Noll, Daniela Opitz, Christian Otto, Kaja Otto, Hendrik Rehsöft, Hanno Schaper, Karolina Strzeszewski, Thilo Stucke, Renate Vieweger, Wiebke Wellenbrink und Arnd Wiebusch. Die Zertifikate überreichte Prorektor Christoph Gusy. Im Rahmen einer Feierstunde hat der Dekan der Fakultät für Physik der Universität Bielefeld, Frithjof Karsch (l.), die Diplom- und Promotionsurkunden an insgesamt 30 Absolventinnen und Absolventen des Jahrgangs 2002 (im übrigen der 30. Jahrgang seit Gründung der Fakultät im Jahre 1972) überreicht. Das Foto zeigt die Diplomierten Martin Streek, Michael Seniuch, Lars Fromme, Marc Sacher, Dirk Brinkmann, Wibke Hellmich, Wilco Bartels, Arvid Requate, Olaf Leonhard und die Promovierten Günther Schlegel, Oliver Preuß, Axel Woelke sowie Roman Grzeszik. 67 Absolventen-Netzwerk Ehemalige im Interview Mitglieder des Absolventen-Netzwerks stellen sich vor Die Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld hat die Absolventinnen und Absolventen des Wintersemesters 2002/2003 feierlich verabschiedet und die besten Diplomarbeiten prämiert. Den Fakultätspreis für die beste theoretische Arbeit erhielt Christian Mersch (r.) für seine Arbeit „Patente und Publikationen. Zur globalen Kommunikation technologischen und wissenschaftlichen Wissens“. Den Preis für eine hervorragende empirische Arbeit konnte Patrick Brähler (2.v.r.) entgegennehmen, und zwar für die Untersuchung zur Teilzeitbeschäftigung in Italien „Part-time employment in Italy: A case study on the character of part-time employment in the Italian labour market and on the relevance of part-time employment for the individual worker“. Professor Elmar Lange wies bei der Vergabe darauf hin, dass die Fakultät ihre Preisträger und ihre hervorragenden Absolventen nicht nur einfach mit den Urkunden und den Preisgeldern entlässt, sondern sie auch weiterhin über wissenschaftliche Hilfskraftstellen oder Promotionsstipendien fördert“. Die Universität Bielefeld hat im Auditorium maximum die Lehramtsstudierenden, die Ende des Jahres 2002 ihr Examen bestanden haben, feierlich verabschiedet und ihnen die Examenszeugnisse überreicht. Prorektor Christoph Gusy und der Leiter des Staatlichen Prüfungsamtes Dr. Gerhard Kallweit konnten im Anschluss an den Festvortrag von Professorin Gisela Lück zum Thema „Naturwissenschaftliche Bildung in den Kinderschuhen“ von rund 255 Lehramtsabsolventen sechs künftige Lehrer ehren, die mit Auszeichnung bestanden haben. Es sind dies (von links) Jens Rybak, Sonja Folker, Miriam van Bebber, Vera Fraune, Gunnar Ueding und Antje Krah. Im Anschluss an die Abschlussfeier, die von Matthias Kemper und Thomas und Angelika Schneidewind musikalisch umrahmt wurde, hatten die Universität und die Westfälisch-Lippische Universitätsgesellschaft die Lehramtsabsolventen und deren Freunde und Familienangehörige zu einem Empfang eingeladen. 68 Im Rahmen der Interviewreihe des Absolventen-Netzwerks stellt sich dieses Mal Gregor Faßbender-Menzel (Foto) vor. Er hat an der Universität Bielefeld Volkswirtschaft studiert und schloss sein Studium 1993 mit dem Diplom-Volkswirt ab. Zur Zeit ist Faßbender-Menzel als Senior-Berater bei der ergo Unternehmenskommunikation GmbH & Co. KG in Köln tätig. ? Herr Faßbender-Menzel, können Sie kurz Ihren beruflichen Werdegang skizzieren? Eigentlich wollte ich Wirtschaftsjournalist werden. Leider hat das nach dem Studium nicht so reibungslos geklappt, weil Volontariate seinerzeit Mangelware waren. Ich habe dann als Redakteur bei einer schweizerisch-deutschen Verlagsgruppe begonnen und mich mit Themen des beruflichen Ein- und Aufstiegs beschäftigt. Mein damaliger Arbeitgeber war und ist auch heute noch Veranstalter des Absolventen-Kongresses in Köln. Innerhalb des Hauses wechselte ich in das Kongressmanagement und hatte in dieser Funktion das erste Mal mit Presseund Öffentlichkeitsarbeit zu tun. Das war der entscheidende Moment für meine weitere berufliche Entwicklung. Ich erkannte: Das ist genau das, was du in Zukunft machen willst. Die Wahl meines zweiten Jobs stand somit ganz im Zeichen der Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Absolventen-Netzwerk Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ich wechselte in die Frankfurter Zentrale der Dresdner Bank. Dort sammelte ich in den folgenden fünf Jahren Know-how in verschiedenen Bereichen der Unternehmens-PR: als Pressereferent für PrivatkundenThemen, als PR-Verantwortlicher in einem Direktbank-Projekt sowie als Leiter Kommunikation in einer Niederlassung mit über 80 Filialen. Während der Projektphase habe ich mit einer PR-Agentur zusammengearbeitet, die die Bank bei ihrer Positionierung unterstützte. Deren Arbeitsweise als Dienstleister und Berater hat mich so sehr beeindruckt, dass ich im Jahr 2000 selbst auf die Agenturseite gewechselt bin. Heute arbeite ich als SeniorBerater in einer Kommunikationsagentur für Public Relations, Customer Relations und Investor Relations und leite dort ein Team, das überwiegend Finanzdienstleister wie Banken, Versicherungen und Fondsgesellschaften betreut. Zu meinen Kunden zählen beispielsweise die WestLB, der Arbeitgeberverband des Bankgewerbes, den wir vor allem bei den Tarifverhandlungen betreuen, sowie verschiedene Direct Broker. ? Inwieweit befähigte Sie Ihr Studium für Ihre jetzige Tätigkeit? Ganz klar, ich arbeite nicht als Volkswirt. Und doch profitiere ich fast täglich von dem Grundlagenwissen, das mir das wirtschaftswissenschaftliche Studium vermittelt hat. Das liegt ganz bestimmt auch an meinem Kundenkreis, der sich mal mittelbar, mal unmittelbar mit Kapitalmärkten beschäftigt. Wenn ich Texte zur Auswirkung von Notenbankentscheidungen auf Staatsanleihen produziere oder Konzernlageberichte schreibe, hilft mir das Studium enorm. Allerdings hoffe ich, dass jeder, der eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen hat, ebenfalls eine Bilanz von der Gewinn- und Verlustrechnung unterscheiden kann. Viel bedeutender für meinen Beruf sind kommunikative FähigkeiBielefelder Universitätszeitung 213/2003 erstellen, dass Journalisten sie eins zu eins übernehmen. ? Wie sehen sie die Chancen für Nicht-Wirtschaftswissenschaftler im PR-Bereich? ten wie redaktionelle Schreibe und Präsentationstechniken. Diese habe ich sicherlich nicht im Studium erworben, obwohl rückblickend die Seminare eine ganz gute Gelegenheit geboten hätten, das zu trainieren. Neben dem fachlichen und thematischen Know-how machen diese Soft Skills den wesentlichen Teil der so genannten Berater-Persönlichkeit aus. ? Wie haben Sie sich die kommunikativen Fähigkeiten, die flotte Schreibe und die Präsentationstechniken erarbeitet? Ich habe während des Studiums regelmäßig redaktionelle Praktika bei Zeitungen und beim Hörfunk gemacht. Dort habe ich gelernt, Fakten auf das Wesentliche einzudampfen und kurze, verständliche Sätze zu schreiben. Das befähigt mich heute, Pressemitteilungen so zu In der PR-Branche ist es wie in vielen anderen Berufen auch: Ohne Studium geht kaum noch etwas. Das Studienfach spielt allerdings eine untergeordnete Rolle. In unserer Agentur arbeiten Juristen, Historiker, Regionalwissenschaftler, Germanisten – allerdings kaum Kommunikationswissenschaftler. Wer in die PR will, sollte idealerweise ein Fachwissen mitbringen, dass die Richtung vorgibt. In meinen Fall führte mich Volkswirtschaftslehre zu Finanzdienstleistern. Wer Naturwissenschaften studiert hat, wechselt vielleicht zu einem Biotech-Unternehmen. Unverzichtbar ist jedoch eine durch Veröffentlichungen belegbare Medienaffinität. ? Worauf sollten Studierende aus Ihrer Sicht bei der Planung des beruflichen Einstiegs achten? Das Studium bietet das ideale Umfeld, sein kommunikatives Talent unter Beweis zu stellen. Mein Rat lautet: Schreiben, schreiben, schreiben und als Persönlichkeit reifen. Wer erst nach Studienende entdeckt: „Ich könnte ja mal PR-Berater werden“, hat kaum Chancen. Denn weder die Unternehmen noch die Agenturen können es sich erlauben, in aller Breite auszubilden. 69 Personalien Von Faßbender-Menzel zu Ende gedacht: Das Absolventen-Netzwerk bietet ... die Brücke zu einem bedeutenden Lebensabschnitt. Das Beste an meinem Studium waren ... die Momente, in denen die Vorlesungen Bezug auf aktuelle wirtschaftliche Ereignisse genommen haben. Lieber vergessen würde ich ... die Ökonometrie. Mein Ziel während des Studiums war ... zügig fertig zu werden, um das Erlernte anzuwenden. Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen in NRW Bielefelder Wissenschaftlerinnen erhalten Lise-Meitner-Stipendium (BUZ) Das Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen hat 24 junge Wissenschaftlerinnen bei ihrer Habilitation mit Stipendien aus dem ‚Lise-Meitner-Programm’ zur Förderung des weiblichen Nachwuchses in der Wissenschaft unterstützt. Gleich zwei Nachwuchswissenschaftlerinnen der Universität Bielefeld konnten die Auswahlkommission mit ihren Habilitationsvorhaben überzeugen: Dr. Simona Slanicka, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie, sowie Dr. Tatjana Pasurek von der Fakultät für Mathematik. „Figuren der Illegitimität: Adelige Bastarde im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit“ lautet das Thema der Habilitationsarbeit von Dr. Simona Slanicka. Anhand verschiedener Adelshäuser will die Wissenschaftlerin die politisch-strukturellen sowie die kultur- und geschlechter- Mit dem Absolventen-Netzwerk nach Hamburg Das Absolventen-Netzwerk der Universität Bielefeld wird am 28. Juni eine eintägige Tour nach Hamburg anbieten. Mitglieder und an einer Mitgliedschaft Interessierte sind herzlich eingeladen, den aktiven Kreis von Bielefelder Absolventen in Hamburg mit der Bahn ab Bielefeld einen Tag lang zu besuchen. Thomas Römer, engagiertes Mitglied in Hamburg, wird die Bielefelder durch die Hafenstadt führen. Das genaue Programm steht noch nicht fest. Interessierte melden sich bitte unter: [email protected] oder schauen demnächst auf die Homepage des Absolventen-Netzwerks unter Aktuelles. Kontakt zum Absolventen-Netzwerk: www.uni-bielefeld.de/absolv. 70 Inzwischen haben die Parlamentarischen Abende der Universität Bielefeld schon eine gewisse Tradition. Seit mehr als zehn Jahren werden einmal im Jahr die Europa-, Bundestags- und Landtagsabgeordneten zu informellen Gesprächen mit Rektorat und Dekanen in das Internationale Begegnungszentrum der Universität eingeladen. Dabei wird bewusst auf eine feste Tagesordnung verzichtet. Statt dessen wird auf lockere Atmosphäre und persönliches Kennenlernen gesetzt. Das wurde diesmal besonders groß geschrieben, denn erstmals besuchte auch Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft in ihrer neuen Funktion die Universität. Rektor Dieter Timmermann freute sich in seiner Begrüßung über die gute Resonanz auf seine Einladung und dankte den Abgeordneten für die inzwischen jahrzehntelange parteiübergreifend vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Universität Bielefeld. In diesem Zusammenhang wies er auch auf die großen Anstrengungen der Universität zur Einführung konsekutiver Studiengänge hin und ging besonders auf den Modellversuch zur konsekutiven Lehrerbildung ein. Dann wurde es, wie so oft, ein langer Parlamentarischer Abend. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Personalien geschichtlichen Funktionen der Illegitimen in diesen höfischen Gesellschaftsformationen untersuchen; denn mehrere europäische Adelshäuser weisen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit eine ungewöhnliche hohe Anzahl von illegitimen Kindern auf, teilweise mehr als 50 Prozent. Offenbar waren männliche illegitime Kinder keineswegs verpönt, sondern erwünscht, weil sie als besonders loyale Interessenvertreter eingesetzt werden konnten. Die Forschung spricht bei diesen besonderen Familienstrukturen von eigentlichen „Bastardokratien“. Simona Slanicka (Foto unten) wurde 1967 in Prag geboren und studierte Allgemeine Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit sowie Französische Literatur- und Sprachwissenschaft an der Universität Basel und an der Sorbonne in Paris. Nach der Promotion in Basel und Auslandsstipendien in Paris und am Graduiertenkolleg „Sozialgeschichte von Schichten, Gruppen, Klassen und Eliten“ der Universität Bielefeld arbeitet sie seit 2000 als Assistentin in der Abteilung Geschichtswissenschaft der Universität Bielefeld. Dr. Tatjana Pasurek (Foto oben rechts) wurde 1961 in Kiev geboren. Sie studierte Mathematik an der Staatlichen Universität Kiev, promovierte dort und war danach als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kiever Institut für Mathematik tätig. Von 1994 bis 1996 erhielt sie ein Forschungsstipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung und arbeitete an der Universität Bielefeld Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Prof. Dr. Maria Blettner, Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld, erhielt einen Ruf auf eine Professur für Biometrie, Epidemiologie und Informatik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. am Forschungszentrum „BiBos“. Nach einem Aufenthalt als Gastwissenschaftlerin am Sonderforschungsbereich „Diskrete Strukturen in der Mathematik“ an der Universität Bielefeld und einem Forschungsstipendium der Volkswagen-Stiftung ist sie seit 1998 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für Mathematik der Universität Bielefeld innerhalb des DFGSchwerpunkts „Interagierende stochastische Systeme hoher Komplexität“. Ihre geplante Habilitation trägt den Titel „Gibbsmaße auf Pfadräumen und euklidischer Zugang zur quantenstatistischen Mechanik“. Ziel des Forschungsvorhabens ist die Entwicklung exakter mathematischer Methoden für das Studium von Quantengittersystemen und ihrer Gleichgewichtszustände. Solche Systeme werden in der modernen statistischen Physik vor allem als Modelle für Quantenkristalle betrachtet und sehr intensiv untersucht. Das ‚Lise-Meitner-Programm’ ist ein „wichtiger Baustein erfolgreicher Frauenförderung im Wissenschaftsland Nordrhein-Westfalen“, mit dem die Landesregierung die Habilitationsbereitschaft von Frauen steigern will. „Auf das Qualifikations- und Kreativitätspotenzial von Frauen in Forschung und Lehre können wir nicht verzichten“, erklärte NRW-Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft anlässlich der Vergabe der Stipendien. „Bessere Chancen für Frauen in Spitzenpositionen sind ein wichtiger Beitrag zur Qualitätssicherung, Leistungssteigerung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschulen.“ Prof. Dr. Claudia von Braunmühl vertritt auch im kommenden Sommersemester die Professur für „Entwicklungssoziologie und Entwicklungspolitik“ an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Claudia von Braunmühl, Jahrgang 1944, studierte Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin. Von 1968 bis 1979 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Gesellschaftswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main tätig, 1976/77 als Gastprofessorin am Department of Politics der University of Edinburgh und von 1980 bis 1984 als Beauftragte des Deutschen Entwicklungsdienstes in Jamaika. Seit 1984 ist Claudia von Braunmühl unabhängige entwicklungspolitische Gutachterin und lehrt vor allem in Berlin. Seit 1996 ist sie Honorarprofessorin für Internationale Politik am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften an der FU Berlin. Prof. Dr. Siegmar-Walter Breckle, Fakultät für Biologie und Vorsitzender des Arbeitskreises Umweltschutz (AKU) der Universität Bielefeld, feierte am 27. Februar seinen 65. Geburtstag. Mit Ablauf des Wintersemesters 2002/2003 ist der Ökologe Breckle emeritiert worden. Zuvor gab Breckle in einem 71 Personalien Abschiedsvortrag im Ökologischen Kolloquium einen „Rückblick und Ausblick in ökologische und geobotanische Fragestellungen“. Außerdem ist er als Vorsitzender des Arbeitskreises Umweltschutz zurückgetreten. In der letztmalig von Breckle geleiteten 60. Sitzung des AKU bedankten sich die Mitglieder des Arbeitskreises sowie Rektor Dieter Timmermann für die langjährige „kompetente und engagierte Tätigkeit bei der Umsetzung des Umweltschutzes an der Universität Bielefeld“. Dr. Christian Büschges, früher Universität Köln, ist zum Professor für Allgemeine Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Iberischen und Lateinamerikanischen Geschichte an der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld Anfang des Wintersemesters 2002/2003 ernannt worden. Büschges, 1965 im nordrhein-westfälischen Dülken (jetzt Viersen) geboren, studierte ab 1986 Iberische und Lateinamerikanische Geschichte, Deutsche Philologie sowie Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Köln und zudem 1988/89 Spanische und Hispanoamerikanische Geschichte und Literatur in Sevilla. Nach Forschungsaufenthalten in Berlin, Madrid, Sevilla, Quito und Bogotá wurde Büschges in Köln 1995 mit der Arbeit „Familie, Ehre und Macht. Konzept und soziale Wirklichkeit des Adels in der Stadt Quito während der späten Kolonialzeit (1765-1822)“ promoviert und war danach als wissenschaftlicher 72 Mitarbeiter an der Universität Köln tätig. Christian Büschges ist ein Historiker der jüngeren Generation, dessen wissenschaftliches Oeuvre bereits jetzt durch außerordentliche Breite besticht und der in seinen Forschungen sowohl in lateinamerikanischer als auch iberischer Geschichte ausgewiesen ist. Nach seiner Dissertation hat Büschges in seiner Habilitationsschrift die Ausprägung spanischer Herrschaft in drei unterschiedlichen und auf zwei Kontinenten liegenden Städten – Sevilla, Neapel, Mexiko – verglichen. Zeitlich umfassen seine Forschungen das 17., das 18. und das beginnende 19. Jahrhundert, so dass er in seinen Arbeiten eine zentrale Epoche des Niedergangs des spanischen Reiches und auch der Herausbildung der modernen Staatlichkeit in südamerikanischen Gesellschaften auf politik-, sozial- und kulturgeschichtlicher Ebene behandelt. Prof. Juan Félix Burotto P., Rechtsanwalt und Professor für Sozial- und Rechtswissenschaft an der chilenischen Universität de Los Lagos in Puerto Montt und dort im Rektorat zuständig für die Kommunikation und Weiterentwicklung der Universität, hielt sich bis Ende Februar an der Universität Bielefeld und insbesondere am Oberstufen-Kolleg auf. In gemeinsamen Veranstaltungen mit dem Oberstufen-Kolleg und dem Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung hielt er Vorträge über Menschenrechtsfragen. Burotto P., der eine engere Zusammenarbeit mit der Universität Bielefeld und dem Oberstufen-Kol- leg anstrebt, arbeitet auf dem Gebiet der Menschenrechte, Ethik und Macht im Zeitalter der Globalisierung, das er speziell aus einer Perspektive des Südens beleuchtet. Zudem ist Burotto P. Direktor der Studiengänge „Bürgersicherheit und Menschenrechte“ sowie „Kulturwissenschaften“. Als Kolumnist veröffentlichte der chilenische Wissenschaftler, der außerdem Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Concepción ist, in einer Zeitung seiner Heimatstadt seine Eindrücke aus Deutschland, das er zum ersten Mal bereist hat. Prof. Dr. F. Albert Cotton, Texas A & M University, erhielt vor zwanzig Jahren seine erste Ehrendoktorwürde von der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld. Gleichzeitig war dies die erste Ehrendoktorwürde, die die Fakultät für Chemie vergeben hat. Danach folgten weltweit weitere zwanzig Universitäten, die ihn mit einem Ehrendoktor auszeichneten. Cotton, dem höchste Ehrun- gen zuteil wurden (darunter die U.S. Medal of Science und der Wolf Prize), besuchte im November die Universität Bielefeld und hielt auf Einladung der Gesellschaft Deutscher Chemiker einen Vortrag über den „Intellektuellen und ästhetischen Charme der Moleküle“. Chemikern und Chemiestudenten ist Cotton bekannt durch mehrere epochale Bücher, darunter auch das Standardwerk „Grundlagen der Anorganischen Chemie“, das die Bielefelder Chemiker Achim Müller und Ekkehard Diemann aus dem Amerikanischen übersetzt haben. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Personalien Prof. Dr. Herbert Dawid ist zum Professor für Volkswirtschaftslehre (Wirtschaftspolitik) an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld ernannt worden. Dawid wurde 1969 in Wien geboren und studierte an der Technischen Universität Wien Wirt- schaftsmathematik. Nach der Promotion 1995 war er als Universitätsassistent an der TU Wien und Universität Wien tätig, wo er sich 1999 habilitierte und zum Außerordentlichen Universitätsprofessor ernannt wurde. Von 1999 bis 2002 lehrte er als Associate Professor an der University of Southern California in Los Angeles. Er erhielt mehrere internationale und nationale Forschungspreise, unter anderem den Figdor-Preis der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der alle zwei Jahre an einen Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler unter 40 verliehen wird. Herbert Dawid hat neben einem Buch knapp 40 Artikel zumeist in internationalen Fachjournalen publiziert und mehrere Sammelwerke herausgegeben. Sein Forschungsinteresse konzentrierte sich dabei auf die Analyse der Dynamik wirtschaftlicher Prozesse insbesondere unter Berücksichtigung von beschränkt rationalem und trägem Verhalten der Wirtschaftssubjekte. In seinen gegenwärtigen Arbeiten beschäftigt er sich generell mit der Frage, welche Auswirkungen verschiedene industriepolitische Maßnahmen auf die Industrieentwicklung haben und welche Maßnahmen aus einer solchen dynamischen Sicht empfohlen werden können. Konkret analysiert er zur Zeit die Auswirkungen von Marktstruktur Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 und industriepolitischen Rahmenbedingungen auf Produkt- und Prozessinnovationsanreize von Unternehmen. In einem weiteren Projekt mit der Austrian Power Clearing and Settlement untersucht er Probleme des Marktdesigns bei liberalisierten Strommärkten. Um der komplexen Interaktion von heterogenen Wirtschaftssubjekten auf realen Märkten gerecht zu werden, greift Dawid in seinen Arbeiten immer wieder auf agenten-basierte Simulationen zurück, in denen Methoden aus der Computational Intelligence-Literatur für die Modellierung des Verhaltens einzelner Marktteilnehmer verwendet werden. Die Behandlung aktueller industriepolitischer Fragestellungen mittels eines Modell-basierten dynamischen Ansatzes sieht Herbert Dawid auch als die primäre Herausforderung für seine zukünftigen wissenschaftlichen Arbeiten. Dr. Olaf Delgado-Friedrichs hat sich an der Fakultät für Mathematik der Universität Bielefeld habilitiert und erhielt die Lehrbefugnis für Mathematik. Dr. Werner Efing, Geschäftsführer des Unternehmerverbandes der Metallindustrie Bielefeld, ist als Nachfolger von Margrit HartingKohlhase zum Vorsitzenden des Kuratoriums der Westfälisch-Lippischen Universitätsgesellschaft gewählt worden. Efing setzt sich seit langem intensiv für die Beziehungen zwischen regionaler Wirtschaft und Universität ein. Dr. Rolf Ehnert, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld, ist mit einem Ehrenkolloquium vom Fach Deutsch als Fremdsprache in den Ruhestand verabschiedet worden. Rolf Ehnert, geboren 1939, gilt als Mitbegründer des akademischen Ausbildungsfaches Deutsch als Fremdsprache (DaF) in den deutschsprachigen Ländern. Ehnert studierte Germanistik, Romanistik, Pädagogik, Philosophie und Kunst in Tübingen, Paris, Poitiers und Finnland und arbeitete viele Jahre als Dozent und Lektor in Frankreich, Italien, Finnland und China. 1975 kam er an die Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld und setzte sich hier für die Etablierung des grundständigen Studiengangs Deutsch als Fremdsprache ein. Die Universität Bielefeld richtete zusammen mit München als erste Universität einen Magisterstudiengang DaF ein. In zahlreichen Verbänden und Institutionen hat Ehnert im Laufe der Jahre das Fach Deutsch als Fremdsprache vertreten und weiterentwickelt. Ahmed Ali Elattar ist mit der Arbeit „Werden die Erkenntnisse der Sportmedizin und Trainingslehre in der Rehabilitation genutzt?“ an der Abteilung Sportwissenschaft der Universität Bielefeld promoviert worden. Die Dissertation untersucht die Rehabilitation als einen wichtigen Teil der modernen Sportmedizin in Deutschland und Ägypten. Trotz der enormen Entwicklung der Sportmedizin – so das Fazit – besteht speziell nach orthopädischen Operationen immer noch ein Defizit in der praktischen Anwendung der Erkenntnisse der Rehabilitations- Programme in beiden Ländern. Dr. Elattar hat sich im Bereich Sportmedizin auf die Rehabilitation nach Operationen von Schultergelenken spezialisiert. Bevor er nach Bielefeld kam, um zu promovieren, hat er sich in Köln an der Deutschen Sporthochschule mit den Bereichen Physiotherapie – deren Ursprung im alten Ägypten liegt (7000 v.Chr.) –, Rehabilitation, Erste Hilfe und Sporttherapie befasst. Praktische Erfahrungen sammelte er in verschiedenen Kliniken in Bonn und Köln, 73 Personalien indem er Rehabilitationspatienten nach Sportverletzungen betreute. In seiner Doktorarbeit befasste sich Elattar insbesondere mit einem Wassertherapieprogramm, einer speziellen Form der Rehabilitation nach Schulteroperationen. In der praktischen Anwendung zeigten sich sehr gute Ergebnisse hinsichtlich des Wohlbefindens und einer schnellen Verbesserung des Gesundheitszustandes der Patienten. Die Doktorarbeit von Ahmed Ali Elattar (Mitte), der sich künftig mit der Rehabilitation nach Herz-Kreislauf-Krankheiten befassen will, wurde von Prof. Dr. Elke Zimmermann (l.) und Dr. Reinhard von Piechowski (r.) betreut. Prof. Dr. Hans-Dieter Evers, Professor emeritus für Entwicklungsplanung und Entwicklungspolitik an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld, wurde ab Februar 2003 für ein Semester als Visiting Professor of Management an die School of Business der Singapore Management University berufen. Er wird dort eine Lehrveranstaltung zum Thema „Knowledge Governance“ anbieten und an einem gemeinsamen Forschungsprojekt über Wis- sensmanagement in großen Organisationen arbeiten. Evers gehörte vor seiner Emeritierung im Jahre 2001 dem geschäftsführenden Direktorium des Instituts für Weltgesellschaft an und leitet seither mit Peter Weingart ein DFG-Forschungsprojekt „Globalisierung des Wissens“. Prof. Dr. Peter Finke, Fakultät für Linguistik und Literaturwissen74 schaft und Gregory-Bateson-Professor für Kulturökologie an der Privatuniversität Witten-Herdecke, feierte im November vergangenen Jahres seinen 60. Geburtstag. In Bielefeld ist Finke unter anderem als Mitbe- ges eine Festschrift herausgegeben, die unter dem Titel „Die Vielfalt der Wechselwirkung“ im Europäischen Verlag der Wissenschaften Peter Lang erschienen ist. Unter den Autoren sind u.a. die Physiker Hans-Peter Dürr (München), Fritjof Capra (Berkeley) und Ervin Laszlo (Pisa), die Linguisten András Kertész (Debrecen), Siegfried Kanngießer (Osnabrück), Alwin Fill (Graz) und Adam Makkai (Chicago). Finke erwidert auf alle Beiträge in einem ausführlichen Nachwort. Prof. Dr. Friedrich Götze, Fakultät für Mathematik der Universität Bielefeld, hat den Ruf auf eine Professur für das Fachgebiet Mathematische Statistik an der HumboldtUniversität zu Berlin abgelehnt. gründer und Mitveranstalter des „Forums Offene Wissenschaft“ und dadurch bekannt geworden, dass er von 1982 bis 1995 Vorsitzender der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft war, deren Beirat er noch heute leitet. Finke, der aus Göttingen stammt, hat nach Studien in Heidelberg und Oxford 1976 in seiner Heimatstadt promoviert und sich 1979 in Bielefeld habilitiert. 1982 wurde er Professor für Wissenschaftstheorie an der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft. In den letzten zwanzig Jahren hat sich Finke – Präsident des Deutschen Verbandes der Naturforschenden Gesellschaften, Mitbegründer des Berliner kulturökologischen Salons und Vorstandsmitglied der Heidelberger Vereinigung für Neue Ökonomie – vor allem auf die Weiterentwicklung der in Europa noch wenig bekannten neuen Kulturökologie in der Nachfolge von Batesons „ecology of mind“ konzentriert. Seine „Theorie kultureller Ökosysteme“ verbindet natur- mit geisteswissenschaftlichem Denken und beschreibt Kultur in völlig neuer Form mit den Mitteln der Evolutionstheorie und der Ökologie. Zwei ehemalige Doktoranden, die Kulturökologin Nilgün Yüce und der Wissenschaftsforscher Peter Plöger, haben aus Anlass seines Geburtsta- Dr. Heiko Hausendorf, Privatdozent an der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld, hat einen Ruf an die Technische Universität Chemnitz und einen Ruf an die Universität Bayreuth erhalten und den Ruf nach Bayreuth angenommen. Er ist dort zum Professor für Germanistische Linguistik ernannt worden. Prof. Dr. Reinhold Hedtke, früher Pädagogische Hochschule Weingarten, ist zum Professor für Didaktik der Sozialwissenschaften und Wirtschaftssoziologie an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld ernannt worden. Reinhold Hedtke, 1953 in Lengerich/Westfalen geboren, studierte in Münster und Bielefeld Sozialwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Personalien Geschichte. Parallel zu seiner Tätigkeit als Lehrer promovierte er 1995 an der Universität Bielefeld mit einer Untersuchung über umweltpolitische Strategien von Einzelhandelsbetrieben. Gegenwärtig arbeitet er an der Neubegründung einer Theorie der Didaktik der Sozialwissenschaften, insbesondere am Problem der fachdidaktischen Integration der drei Bezugsdisziplinen Soziologie, Politikwissenschaft und Ökonomik. Sein wirtschaftssoziologischer Forschungsschwerpunkt ist die Entwicklung einer empirisch fundierten soziologischen Theorie des Marktes, die die traditionelle Arbeitsteilung von Wirtschaftssoziologie und Ökonomik revidiert. Reinhold Hedtke ist Gründer und Mitherausgeber der online und seit 2003 auch gedruckt erscheinenden „Zeitschrift für Sozialwissenschaften und ihre Didaktik“ sowie des fachdidaktischen Internetportals www.sowi-online.de, das sich auf wissenschaftliche Dienstleistungen und den Theorie-PraxisDiskurs konzentriert. Er bereitet den Aufbau eines Internetportals zur Wirtschaftssoziologie vor. Michael Heesing ist neuer Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe. Der 1952 in Bielefeld geborene Jurist studierte an der Universität Bielefeld noch nach der damals experimentellen Einstufigen Juristenausbildung und kam danach 1980 zur Handwerkskammer OWL. Prof. Dr. Johannes Hellermann, früher Universität Münster, ist zu Beginn des Wintersemesters 2002/2003 zum Professor für Öffentliches Recht an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld ernannt worden. Hellermann, 1957 in Unna geboren, studierte Rechtswissenschaft und daneben Soziologie zunächst an der Universität Bielefeld, dann an der Universität Freiburg im Breisgau. Nach seinen juristischen Staatsprüfungen arbeitete er von 1983 bis 1989 am Institut für Öffentliches Recht der Universität Freiburg bei Bundesverfassungsrichter (i.R.) Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Ernst-Wolfgang Böckenförde. Von 1991 bis 1998 war Hellermann – der 1992 in Freiburg promoviert wurde – am Lehrstuhl von Joachim Wieland an der Bielefelder Fakultät für Rechtswissenschaft tätig, an der er sich 1998 habilitierte und die Venia legendi für die Fachgebiete Verfassungs- und Verwaltungsrecht einschließlich deutsches und europäisches Wirtschaftsrecht erhielt. Nach Rufen an die Universität Göttingen und Münster nahm er, bevor er jetzt nach Bielefeld kam, Anfang 2000 den Ruf an die Universität Münster an. geboren. Er studierte in Marburg, Königsberg, Berlin und in Frankfurt am Main Mathematik, Physik und Erdkunde. Zunächst arbeitete er von 1945 bis 1946 als Lehrer in Duisburg, unterrichtete dann an der Pädagogischen Akademie in Wuppertal und war seit 1957 als Professor in Bielefeld tätig, wo er bis zum Wintersemester 1976/77 an der Abteilung Bielefeld der Pädagogischen Hochschule Westfalen-Lippe (die 1980 in die Universität Bielefeld integriert wurde) lehrte. Dr. Dietmar Kuck, Akademischer Direktor und Privatdozent an der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld, ist die Bezeichnung außerplanmäßiger Professor verliehen worden. Kuck gehört zu den ersten Assistenten, die seit 1973 als Doktoranden am Aufbau der Bielefelder Fakultät für Chemie beteiligt waren. Nach seiner Habilitation im Jahre 1995 an der Universität Paderborn über ein Thema der Synthetischen Organischen Chemie (Ent- Dr. Barbara Hölscher hat sich an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld habilitiert und erhielt die Lehrbefugnis für Soziologie, insbesondere Mediensoziologie. Dr. Petra Josting, Privatdozentin an der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld, hat den Ruf auf eine Professur für Germanistik, Medien- und Literaturdidaktik an der Universität Essen angenommen. Dr. Bernhard Jung hat sich an der Technischen Fakultät der Universität Bielefeld habilitiert und erhielt die Lehrbefähigung für Wissensbasierte Systeme. Prof. Dr. Horst Karaschewski, Emeritus an der Fakultät für Mathematik der Universität Bielefeld, ist am 13. Januar im Alter von fast 91 Jahren gestorben. Karaschewski, früher tätig an der Pädagogischen Akademie Bielefeld, wurde am 26. Januar 1912 in Eglau/Westpreußen wicklung neuartiger Vielring-Strukturen) lehrte er dort selbständig bis zum Sommersemester 2000 und ab 1999 auch regelmäßig an der Universität Bielefeld. Im Jahre 2000 erfolgte die Umhabilitierung an die Universität Bielefeld. Seine Forschungsarbeiten über die Chemie organischer Ionen in der Gasphase wurden 1988 mit dem MattauchHerzog-Förderpreis für Massenspektrometrie ausgezeichnet. Kuck war von 1995 bis 1998 Stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Massenspektrometrie. Seit 2001 ist er Mitglied im Vorstand 75 Personalien der Deutschen Gesellschaft für Massenspektrometrie (DGMS), seit 1997 Vorsitzender einer Wissenschaftlichen Jury der DGMS. Neben seinen Forschungs- und Lehraktivitäten engagiert sich Kuck insbesondere bei den Kontakten der Universität Bielefeld zu Schülerinnen und Schülern, die sich für das Fach Chemie interessieren. Dr. Franz Merkl hat sich an der Fakultät für Mathematik der Universität Bielefeld habilitiert und erhielt die Lehrbefugnis für Mathematik. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Achim Müller, Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld, vollendete am 14. Februar sein 65. Lebensjahr und ist mit Ende des Wintersemesters emeritiert worden. Müller, in Detmold geboren, studierte in Göttingen Chemie und Physik. Zum Doktor der Naturwissenschaften wurde er 1965 promoviert. Schon zwei Jahre später habilitierte er sich mit einer Arbeit aus der Theorie der Molekülschwingungen. 1971 nahm Müller einen Ruf an die Universität Dortmund an, und 1977 folgte er dem Ruf auf eine Professur für Anorganische Chemie an der Universität Bielefeld. Hier waren zunächst die Schwerpunkte seiner Forschungen die PolysulfidoKomplexe der Übergangsmetalle, damit verbunden Studien zur katalytischen Entschwefelung von Erdöl (HDS-Katalyse) und zu biologisch relevanten Sulfido-Komplexen, wie sie beispielweise bei der biologischen Fixierung von Di-Stickstoff eine wichtige Rolle spielen. Auf beiden Gebieten hat er binnen kurzer Zeit internationales Ansehen erlangen können. „Der letzte Abschnitt seiner experimentellen Forschungen“ – so 76 heißt es in einer jüngst erschienenen Würdigung Müllers in den Nachrichten aus der Chemie –, „umfasst die Chemie der Polyoxometallate. Das beginnt mit anionischen Käfigen, die Anionen enthalten, die zudem einen dirigierenden Einfluss auf die äußere Form des Käfigs haben. Anion im Anion? Das war für manchen schlecht vorstellbar, aber alle Fehlerquellen waren systematisch ausgeschlossen worden. Ein ähnliches Problem gab es, als dann das schon über zweihundert Jahre bekannte ‚Molybdänblau‘ kristallisiert und seine Struktur bestimmt werden konnte. Das darin enthaltene ‚Bielefelder Riesenrad‘ mit 154 Molybdänatomen warf viele Fragen auf: Wieviele reduzierte Zentren, wieviele Protonierungen, welche Ladung hat das Anion? Die klassische Analytik war zu ungenau und konnte nur bedingt weiterhelfen. Es bedurfte schon großer Geduld und eines unerschütterlichen Willens zur Lösung des Problems. Man hat inzwischen gelernt, mit solchen Riesenrädern umzugehen: Sie lassen sich verändern, man kann sie stapeln oder verknüpfen und Reaktionen an ihnen machen. Ein weiterer Strukturtyp ist hinzugetreten, die Keplerate, fullerenähnliche Riesenkugeln mit ähnlichen Strukturmotiven wie in den Riesenrädern. Auch sie lassen sich verknüpfen, öffnen, füllen und wieder verschließen, sogar wie ein Fußball in die Gasphase ‚schießen‘. Größer geworden sind sie auch: Der Rekord steht jetzt bei 368 Mo-Atomen. Der vorläufige Höhepunkt auf diesem Sektor der supramolekularen Systeme ist wohl der unlängst publizierte Nanoschwamm, ein Keplerat mit zwanzig Poren, die jede ein Guanidinium-Ion aufnehmen können, wobei sich die nichtkristalline Struktur des ‚Nanotropfens‘ der 100 Wassermoleküle im Inneren des Käfigs ordnet und (hinsichtlich der Position der Sauerstoff-Atome) schalenartig platonische und archimedische Körper bildet. Auch Kationen können in diese Nanotropfen eingeschleust werden. Nicht nur, dass dieser Nanoschwamm ein interessantes Modell für die Signaltrans- duktion an Zellmembranen sein kann, die Strukturbildung des Nanotropfens kann auch ein Modell für die Bereiche höherer Ordnung in flüssigem Wasser (flickering clusters) und für die Realstruktur von Elektrolytlösungen sein. Da ist sicher noch einiges zu erwarten, fundamental Wichtiges, glaubt Müller selbst. Diese Erfolgsstory wäre nicht vollständig, würde man die Arbeiten zur Wissenschaftstheorie und philosophischen Problemen der Chemie unerwähnt lassen. Hier dokumentiert er eine Sicht der Dinge, wie sie für ihn bei allen Streifzügen durch die Chemie und ihren Nachbarwissenschaften maßgeblich gewesen ist. Unverkennbar auch der philosophische Unterbau aus der Theoretischen Physik. Die manchmal etwas modisch eingesetzten Begriffe Komplexität und Emergenz bekommen bei ihm eine an seinen supramolekularen Systemen demonstrierbare reale Bedeutung. Über seine Verbindungen ist weltweit berichtet worden, in Wissenschaftsjournalen wie NATURE und SCIENCE, aber auch im SPIEGEL, in der SZ, FAZ und NZZ, TIMES of INDIA, EL PAIS und so weiter. Eine wirkliche Popularisierung von Wissenschaft.“ Prof. Dr. Eberhard Neumann, Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld, erhielt von der Universität Bukarest, Rumänien, den Titel eines Professor honoris causa in Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der Physikalischen und Biophysikalischen Chemie sowie in Anerkennung seiner Verdienste um die deutschBielefelder Universitätszeitung 213/2003 Personalien rumänische Zusammenarbeit in der Wissenschaft. habilitiert und erhielt die Lehrbefähigung für das Fach Betriebswirtschaftslehre. Prof. Dr. Winfried Schmitz, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld, erhielt einen Ruf an die Universität Bonn. Karl-Heinz Ott, freier Autor und Dramaturg aus Freiburg und Preisträger des Hölderlin Förderpreises der Stadt Homburg, leitete im Wintersemester 2002/2003 das Blockseminar „Autobiographisches Schreiben“. Das Seminar, das die Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld im Rahmen des Workshops „Kreatives Schreiben“ veranstaltete und das für Studierende aller Fakultäten geöffnet war, ist mit finanzieller Unterstützung durch die Kulturstiftung der Westfälischen Provinzial-Versicherungen durchgeführt worden. Prof. Dr. Michael Röckner, Fakultät für Mathematik der Universität Bielefeld, zählt nach Science Watch zu den am meisten zitierten Mathematikern. Gemeinsam mit Albert Cohen von der Universität Paris liegt Röckner mit 572 Zitationen unter den ersten 25 auf Rang 17. Science Watch hatte in Vol. 13, No. 3/2002 eine Übersicht über die Forschung in Mathematik und Statistik der letzten zehn Jahre veröffentlicht und die am meisten zitierten wissenschaftlichen Institutionen und Autoren in eine Rangliste gebracht. Berücksichtigt man nur die Mathematiker auf der Liste, ist Röckner zusammen mit Cohen auf dem 3. Platz. Dr. Marlies Rogalski hat sich an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Marlies Schöning, seit 1. Dezember 1981 Regierungsangestellte in der Bibliothek der Universität Bielefeld, ist am 11. Januar 2003 im Alter von 59 Jahren gestorben. Die Universität trauert um eine allseits geschätzte Kollegin und Mitarbeiterin. Dr. Gert Schubring, Institut für Didaktik der Mathematik, hat sich an der Fakultät für Mathematik der Universität Bielefeld mit der Arbeit „Konflikte zwischen Generalisierung, Strenge und Anschaulichkeit – Zur Entwicklung der Grundbegriffe der Analysis im 18. und 19. Jahrhundert“ in Geschichte der Mathematik habilitiert. Burkhard Schwenker, der an der Universität Bielefeld Mathematik und Betriebswirtschaftslehre studierte, ist neuer Chef der Beratungsgesellschaft Roland Berger Strategy Consultants GmbH, München. Schwenker, bisher Mitglied der Geschäftsführung, wird ab Juli 2003 die internationale Geschäftsleitung als Sprecher führen. Dr. Michael Seidel, Geschäftsführer und Leitender Arzt des Stiftungsbereichs Behindertenhilfe der von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, ist von der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft der Universität Bielefeld die Bezeichnung eines Honorarprofessors verliehen worden. Seidel, der 1994 von der Medizinischen Fakultät der Universität Münster im Rahmen einer Umhabilitation die Venia legendi für das Fach Neurologie / Psychiatrie erhielt, lehrt seit 1992 an der Abteilung Psychologie der Universität Bielefeld. Seinen Lehrauftrag für Psychopathologie innerhalb des Hauptstudiengangs Psychologie führt er inzwischen zehn Jahre sehr erfolgreich durch. Seine Veranstaltungen sind überaus nachgefragt und finden bei den Studierenden großen Anklang. Aufgrund seiner Tätigkeit im Behindertenbereich Bethel, seiner medizinischen Ausbildung und Ausbildung im Bereich Psychiatrie und Psychopathologie bildet der neue Honorarprofessor eine ideale Ergänzung der Lehre in der Abteilung Psychologie. Seine Lehrtätigkeit und seine wissenschaftliche Ausrichtung – in der die Hilfe für Menschen mit geistiger Behinderung im Vordergrund steht – inspirieren nicht nur die Studierenden, sondern auch die Lehrenden der Abteilung Psychologie. Prof. Dr. Michael Spieß, früher University of Nottingham, Großbritannien, ist Anfang Februar zum Professor für Mathematik – Algebra, Zahlentheorie an der Fakultät für Mathematik der Universität Bielefeld ernannt worden. Spieß, 1964 in Bremen geboren, studierte an der Technischen Universität Berlin und an der FU Berlin Mathematik. 1993 wurde er in Regensburg mit der Arbeit über „Artin – Verdier Dualität für arithmetische Flächen“ promoviert und wurde hierfür mit dem OBAG-Preis ausgezeichnet. In den Jahren 1994 und 1995 ging Spieß mit einem Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft an das Institute for Advanced Study nach Princeton. Danach arbeitete er vier Jahre als Assistent an der Universität Regensburg. 1999 folgt Michael Spieß, dessen letzte Forschungsarbeiten über „p-adische L-Funktio77 Personalien 78 nen“ für Mathematiker am beeindruckendsten sind und einen entscheidenden Fortschritt auf diesem Gebiet darstellen, einem Ruf auf eine Professur an die University of Nottingham, bevor er jetzt an die Universität Bielefeld kam. Rhythmik. Diese unabhängig vom Licht/Dunkel-Übergang mit annähernd 24-stündiger Phase gesteuerten physiologischen und molekulargenetischen Prozesse betreffen sowohl die Entwicklung der Pflanzen als auch die Anpassung an Stressfaktoren. Staiger hat mit dem RNA-Bindeprotein AtGRP7 ein Element des circadian regulierten Rückkopplungskreises identifizert und in transgenen Pflanzen weiter zu charakterisieren begonnen. In laufenden Arbeiten geht es um die Identifizierung von Änderungen im Stoffwechsel („metabolic profiling“) und der Genexpression („genomics“), die bei der Überexpression oder Unterexpression von AtGRP7 auftreten und Hinweise auf den Regelmechanismus liefern sollen. Gerichtsbarkeit, Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht. Unter Berücksichtigung der äußerst umfangreichen Diskussion über den Ermessensbegriff im Verwaltungsrecht setzt sich Barbara Stickelbrock mit „einem der letzten weißen Flecken auf der nationalen Landkarte des Zivilprozessrechts“ auseinander und gelangt zu Ergebnissen, die auch unmittelbare Praxisrelevanz haben. Dies lässt sich dadurch ablesen, dass der Gesetzgeber in der 2002 in Kraft getretenen Zivilprozessrechtsreform beispielswiese die „Kann-Vorschrift“ für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung um Regelungen ergänzt hat, nach denen die Wiedereröffnung in bestimmten Fällen angeordnet werden muss. Dr. Dorothee Staiger, früher ETH Zürich, ist zu Beginn des Wintersemesters 2002/2003 zur Professorin für Planzliche Zellphysiologie an der Fakultät für Biologie der Universität Bielefeld ernannt worden. Dorothee Staiger, 1960 in Stuttgart geboren, studierte Biochemie an der Universität Tübingen und schloss dort ihr Studium als Diplom-Biochemikerin mit einer thematischen Ausrichtung auf die Fächer Molekularbiologie der Pflanzen, pflanzliche Zellphysiologie und Biochemie ab. Als Stipendiatin der Fritz ThyssenStiftung fertigte sie ihre Promotionsarbeit am Max Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln an und wurde dort 1989 promoviert. 1990 wechselte sie ans Institut für Pflanzenwissenschaften der ETH Zürich und habilitierte sich dort im Jahr 2000 mit der Schrift „A role for RNA-binding proteins in the circadian system of Arabidopsis thaliana“. Ihr Forschungsgebiet der Molekularbiologie und Genregulation der circadianen Rhythmik von Arabidopsis ist hochaktuell. Circadiane Rhythmik wurde von der Zeitschrift Science zu einem der vielversprechendsten Forschungsgebiete des angehenden Jahrtausends gekürt. Dorothee Staiger konzentriert sich in ihren Arbeiten auf die Identifizierung von Steuerungskomponenten der circadianen Dr. Barbara Stickelbrock, früher Universität Köln, ist im Januar zur Professorin für Bürgerliches Recht an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld ernannt worden. Stickelbrock, 1965 in Nettetal-Breyell im Keis Viersen geboren, studierte Rechtswissenschaft an der Universität Köln. Dort wurde sie 1996 mit der auch als Buch erschienen Arbeit „Die Kollision von Prozeßmaximen im Scheidungsverbundverfahren“ promoviert und arbeitete danach am Institut für Verfahrensrecht der Universität Köln. Mit der Habilitationsschrift „Inhalt und Grenzen richterlichen Ermessens im Zivilprozeß“ habilitierte sich Prof. Dr. Dieter Timmermann, Rektor der Universität Bielefeld, ist zum stellvertretenden Vorsitzenden der Landesrektoren-Konferenz (LRK) Nordrhein-Westfalen gewählt worden (ab 1. April). Neuer LRKVorsitzender ist der Münsteraner Rektor Jürgen Schmidt. Stickelbrock und erhielt die Venia legendi für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht mit freiwilliger Prof. Dr. Hans Vestner, Emeritus an der Fakultät für Pädagogik der Universität Bielefeld, ist am 3. Januar im Alter von 81 Jahren in seiner fränkischen Heimat in Zirndorf gestorben. Vestner war als Professor für „Allgemeine Didaktik und Schulpädagogik“ zuerst an der Pädagogischen Hochschule, später an der Universität Bielefeld tätig. Hans Vestner genoss in beiden Hochschulen, in den Fachkollegien der Lehrerbildung und bei den Studierenden sehr hohes Ansehen, da es ihm in besonderer Weise gelang, grundlegende Bedingungen des Lehrens und Lernens auf sehr konkrete Problemstellungen der Schulen zu beziehen. Er hat aus diesem Ansatz neue Einsichten in schulisches Lehren und Lernen gefunden und diese dann bis in die alltägliche Konkretisierung im Unterricht ausgearbeitet. Besonders bekannt geworden ist seine „Direkte Hinführung zur Buchstabenschrift“, für die er außer dem grundsätzlich neuen Ansatz vom Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Personalien Prozess des Lesenlernens auch eine Sammlung von Arbeitsmaterialien und Hilfen entwickelt hat. Mit diesem Vorstoß gelang es Vestner, den jahrzehntealten „Grabenkrieg“ zwischen den „Synthetikern“ und „Ganzheitlern“ im Erstlesunterricht zu überwinden – sehr zum Nutzen für das Verständnis vom Schulanfang und seine Gestaltung insgesamt. Gerade diese Arbeiten haben in Deutschland ein weites Echo gefunden, und ihr Grundansatz wurde in eine Reihe von Leselehrgängen aufgenommen. Alle diejenigen, die mit Hans Vestner in der Hochschule oder in der Schule zu tun hatten, erinnern sich dankbar an seine sehr anregende, immer besonnenfreundliche und zugleich beharrliche Art zu diskutieren. Dr. Bernd Weißhaar ist im Januar zum Professor für Genomforschung an der Fakultät für Biologie der Universität Bielefeld ernannt worden. Weißhaar, 1961 in Bergneustadt geboren, studierte Biochemie, organische Chemie und Genetik an der Universität Köln. Nach seiner Promotion 1988 arbeitete Weißhaar – unterbrochen von einem Forschungsaufenthalt an der Division of Biochemistry and Molecular Biology der Universität Glasgow – bis zu seiner Berufung nach Bielefeld am Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung. Mit der Habilitationsschrift „DNA-bindende Proteine der bZIP-Klasse in Pflanzen“ habilitierte sich Weißhaar 1995 an der Universität Köln. Abschied von dem letzten noch aktiven Lehrenden aus der Gründungszeit der Universität Otthein Rammstedt hat mit dem Klassiker Simmel noch genug zu tun (BUZ) Er hat sich nie in den Vordergrund gespielt, aber nicht nur aus der Fakultät für Soziologie, sondern aus der Universität als Ganzer ist er nur schwer wegzudenken: Am 29. Januar hielt Professor Otthein Rammstedt seine Abschiedsvorlesung zum Thema „Klassiker im Fluchtpunkt der Soziologie“. Damit scheidet ein echtes „Urgestein“ der Universität, nämlich der letzte Lehrende aus ihrer Gründungszeit, aus dem aktiven Dienst aus. Schon 1968 gehörte Rammstedt als „Mittelbauer“ zur so genannten Fachbereichskommission Soziologie und bereits 1969 dem Senat der Universität an. Zuvor war er Assistent von Niklas Luhmann an der Dortmunder Sozialforschungsstelle. 1980 wurde er auf eine Professur für Soziologie, insbesondere Soziologiegeschichte und Sozialphilosophie berufen. In seiner Laudatio wies sein Schüler Dr. Volkhard Krech von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft Heidelberg sowohl auf das breite Spektrum von Rammstedts Forschungsinteressen wie auf dessen „nachgerade seismographische Sensibilität für gesellschaftliche Probleme und Veränderungen“ hin. Letzteres gilt etwa für sein 1974, also in der Zeit der RAF, erschienenes Buch „Gewaltverhältnisse und die Ohnmacht der Kritik“, mit dem er unter Beweis stellte, dass „soziologische Analyse, Zeitdiagnose und gesellschaftspolitische Stellungnahme sehr wohl miteinander zu vereinbaren sind“. Rammstedt versuchte eine Synthese aus den Denktraditionen der Frankfurter Schule und Luhmannscher Systemtheorie, „eine Synthese, die einerseits auf einer Theorie der funktionalen Differenzierung beruht und andererseits deren Folgen für die individuelle Existenz in den Blick nimmt“. Wichtiger Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit war das Thema „Soziale Bewegung“, zu dem 1978 als „klassischer Text der Bewegungsforschung“ eine Monographie erschien. Schon in seiner Dissertation hatte er sich mit der Bewegung der Täufer in Münster auseinandergesetzt. 1986 erschien seine vielbeachtete wissenschaftsgeschichtliche Studie zur Soziologie in der NS-Zeit mit dem geradezu Dr. Jan Wenzelburger hat sich an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld habilitiert und erhielt die Lehrbefugnis für das Fach Volkswirtschaftslehre. Prof. Dr. Elke Wild, Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft der Universität Bielefeld, hat den Ruf auf eine Professur für Schulpädagogik / Schul- und Unterrichtsforschung im Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin abgelehnt. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 79 Personalien sprechenden Titel „Deutsche Soziologie 1933-1945. Die Normalität einer Anpassung“. Lange bevor dies zum gängigen soziologischen Thema wurde, hatte er sich auch mit Fragen der Risikoforschung beschäftigt. Dass Georg Simmel inzwischen zu den Klassikern des Faches gezählt wird, ist ebenfalls maßgeblich Rammstedt zu verdanken. Nach der Wiederveröffentlichung ausgewählter Simmel-Texte in vorangegangenen Jahrzehnten ist er seit 1989 Herausgeber der bei Suhrkamp erscheinenden großen Gesamtausgabe. Otthein Rammstedt hat als akademischer Bürger zahlreiche Ämter in der Selbstverwaltung bis zum Dekan ausgeübt, sich aber auch in öffentlichen Diskussionen zu Wort gemeldet. Manchem dürften seine pointierten Rundfunkkommentare zum Zeitgeschehen noch in bester Erinnerung sein. Schüler und Kollegen gaben aus Anlass der Emeritierung eine Festschrift mit dem echt Simmelschen Titel „Mélanges“ heraus, die zu Rammstedts Überraschung im Rahmen der Abschiedsvorlesung überreicht wurde. Krech strich nicht zuletzt dessen „köstlichen Humor und die Fähigkeit zur selbstironischen Distanznahme“ heraus und beendete die Laudatio ganz in diesem Sinne: „Ganz wörtlich genommen ist ein Emerit ein Ausgedienter, für das katholische Kirchenrecht ein altersbedingt dienstunfähig gewordener Geistlicher und für das Beamtenrecht ein von seiner Lehrverpflichtung entbundener Hochschulprofessor. Was will uns das alles sagen? Nachdem ich bereits Hegel bemüht habe, soll jetzt auch Kant zu seinem Recht kommen: Dass Otthein Rammstedt nicht dienstunfähig ist, wissen wir; dass seine Entbindung von den Verpflichtungen eines Hochschullehrers nicht mit seinem Rückzug ins Private einhergeht, wollen wir; und dass der Professorentypus, den er verkörpert, nicht ausgedient hat, können wir nur hoffen – für uns und für die Zukunft der Universität!“ 80 Erster Ehrendoktor der Fakultät für Pädagogik 90 Jahre alt Pädagogisches Forum mit Chaim Seeligmann (BUZ) Die „Zukunft der Kibbuz-Erziehung im Spiegel der Biographie – Chaim Seeligmann zum 90. Geburtstag“ hieß ein Pädagogisches Forum, das die Fakultät für Pädagogik der Universität Bielefeld im Januar zu Ehren des israelischen Pädagogen und Historikers und des Ehrendoktors der Universität Bielefeld veranstaltete. Seeligmann erhielt 1990 den ersten von der Fakultät für Pädagogik vergebenen Ehrendoktor für seine wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der historischen Pädagogik und seine Verdienste um die deutsch-jüdische Verständigung. Chaim Seeligmann, in Karlsruhe geboren, engagierte sich früh in der zionistischen Jugendbewegung. 1935 emigrierte er nach Palästina und baute unter schwierigsten Bedingungen den Kibbuz „Givat Brenner“ auf, in dem er heute noch lebt. Er war Lehrer an einer Kibbuzschule und wurde nach dem Sechstagekrieg als Dozent und Forscher nach Yad Tabenkin berufen, ein Institut der Kibbuzbewegung, in dem sowohl historische und pädagogische Forschung wie auch Erwachsenenbildung betrieben wird. Von hier aus nahm er Kontakt zur Universität Bielefeld auf. Zahlreiche Studierende der Fakultät für Pädagogik lernten daraufhin im Rahmen ihrer Lehrforschungsprojekte das Leben im Kibbuz kennen. Gleichzeitig kam es zu einem intensiven Dozentenaustausch. Seeligmann lehrte mehrfach in Bielefeld – nicht nur an der Fakultät für Pädagogik, sondern auch am Bielefelder Oberstufen-Kolleg und an der Laborschule. Das Pädagogische Forum wurde im Wesentlichen von den mit Seeligmann seinerzeit kooperierenden Bielefelder Pädagogen Harm Paschen, Theodor Schulze sowie Wolfgang Melzer (jetzt TU Dresden) und Heinz Sünker (jetzt Universität Wuppertal) gestaltet und reflektierte Geschichte, Gegenwart und Zukunft der KibbuzErziehung im Lichte der Biographie Chaim Seeligmanns, der gerade im Urfeld-Verlag seine Autobiographie „Es war nicht nur ein Traum“ veröffentlicht hat. „Du lebst, so lange Du lernst“, so kann das Motto der Lebensgeschichte von Chaim Seeligmann – hier auf dem Foto zusammen mit Pädagogik-Dekanin Katharina Gröning – lauten. Ein Motto, das der Bielefelder Pädagoge Theodor Schulze für seine Laudatio zur Verleihung der Ehrendoktorwürde an Chaim Seeligmann durch die Fakultät für Pädagogik am 28. November 1990 verwendete und jetzt im Pädagogischen Forum zu Ehren des Jubilars erneut aufgriff. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Personalien Reinhart Koselleck erhält Historikerpreis der Stadt Münster (SMS) Er hat Europa an der Schwelle zur Moderne beschrieben und Grundlagenwerke über die preußischen Reformen veröffentlicht. Er hat die Sprache der Historiker erforscht und damit nutzbar gemacht zum Begreifen weiterer Zusammenhänge. Er sucht gesprächsbereit und streitbar immer wieder den öffentlichen Diskurs und gilt als der bedeutendste deutsche Begriffshistoriker: Reinhart Koselleck, emeritierter Professor für Theorie der Geschichte an der Universität Bielefeld, wird für sein umfassendes Werk mit dem Historikerpreis der Stadt Münster geehrt. Durch seine grundlegenden Studien zur Begriffsgeschichte und zur historischen Semantik habe Koselleck „seine Zeitgenossen für die geschichtliche Bedingtheit und die Instrumentalisierbarkeit von politischer Sprache sensibilisiert“, begründete die Jury unter Vorsitz von Oberbürgermeister Dr. Berthold Tillmann ihre Wahl. Als Autor habe Koselleck entscheidenden Anteil an einer neuen Begründung der Geisteswissenschaften, von der Literaturwissenschaft bis zur Philosophie. Als streitbarer Bürger habe er sich durch engagierte Wortmeldungen in die Tradition politischer Aufklärung gestellt. Die Auszeichnung ist dotiert mit 12 500 Euro und wird am 18. Juli 2003 im historischen Rathaus zu Münster überreicht. Reinhard Koselleck, am 23. April 1923 in Görlitz geboren, wurde für sein Werk im In- und Ausland vielfach ausgezeichnet. 1989 erhielt er den Preis des Historischen Kollegs, 1999 würdigte ihn die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung mit dem Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa. Die Stadt Münster vergab den Historikerpreis – gestiftet 1978 zum 330. Jahrestag des Westfälischen Friedens – erstmals 1981 – damals an Gordon A. Craig (USA). Die weiteren Preisträger: Thomas Nipperdey (1984), Hans-Peter Schwarz (1988), Jacques Le Goff (1993) und Konrad Repgen (1998). Strukturwandel im deutschen Hochschuldienstrecht Erste Juniorprofessuren an der Universität Bielefeld (BUZ) Die eigenständige Forschung und Lehre schon zu einem frühen Zeitpunkt der wissenschaftlichen Laufbahn steht bei der Etablierung von Juniorprofessuren an deutschen Hochschulen im Mittelpunkt. Die Einrichtung der Juniorprofessuren – ein Kernpunkt der Reform des Hochschuldienstrechtes der Bundesregierung – stellt einen deutlichen Strukturwandel im deutschen Hochschuldienstrecht dar. Die bisherigen Verhältnisse an den Universitäten sind dadurch gekennzeichnet, dass erst mit der Berufung Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 auf eine Professur, die durchschnittlich erst um das 40. Lebensjahr erfolgt, die Möglichkeit zu völlig selbstständiger Tätigkeit in Forschung und Lehre eingeräumt wird. Durch die Einführung der Juniorprofessur soll dem wissenschaftlichen Nachwuchs bereits mit Anfang 30 erstmals die Möglichkeit zu eigenverantwortlicher Forschung und Lehre eingeräumt werden. 117 Juniorprofessorinnen und -Juniorprofessoren traten an neun nordrhein-westfälischen Hochschulen mit Beginn des Wintersemesters 2002/2003 ihren Dienst an. An der Bielefelder Universität sind zwei Juniorprofessorinnen und vier Juniorprofessoren berufen worden. Die Juniorprofessorinnen und -professoren sind aufgrund einer öffentlichen Ausschreibung in einem Auswahlverfahren unter Einbeziehung externer Gutachten ausgewählt worden. Die Besetzung der Juniorprofessuren ist durch die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiierte „Vorgriffsförderung“ ermöglicht worden, so dass schon vor Umsetzung der Hochschuldienstrechtsreform durch das Land Nordrhein-Westfalen Juniorprofessuren besetzt werden konnten. Allerdings erfolgte die Einstellung der Nachwuchswissenschaftler zunächst als wissenschaftliche Assistenten (C1), da die beamtenrechtliche Ernennung zum Juniorprofessor oder zur Juniorprofessorin erst nach Einführung dieser Personalkategorie in NRW möglich ist. Für die Nachwuchswissenschaftler stellt das Bundesministerium eine Fördersumme von bis zu 75 000 Euro € je Stelle als Erstausstattung zur Verfügung. Dadurch soll den Nachwuchswissenschaftlern im Vorgriff auf die Einführung der Juniorprofessur bereits die Möglichkeit zu selbstständiger Forschung und Lehre gegeben werden. Sie sollen dann, sobald das neue Hochschuldienstrecht in Nordrhein-Westfalen in Kraft getreten ist, in das Amt einer Juniorprofessorin oder eines Juniorprofessors übergeleitet werden. Juniorprofessoren werden zunächst für drei Jahre ernannt. Nach erfolgreicher Evaluierung folgt eine Verlängerung um weitere drei Jahre. An der Fakultät für Gesundheits81 Personalien wissenschaften arbeitet Dr. Gabriele Berg in der Arbeitsgruppe „Epidemiologie und Medizinische Statistik“ als neue Juniorprofessorin. Sie findet die Idee der Juniorprofessur gut, möglichst früh selbstständig zu forschen und zu lehren. Auf dem Gebiet der Forschung ändert sich für sie nicht sehr viel, hier hatte sie auch zuvor große Freiräume. Doch bei den eigenen Lehrveranstaltungen, die sie im kommenden Sommersemester anbietet, betritt sie Neuland. Unsicher ist Gabriele Berg hinsichtlich der Akzeptanz der Juniorprofessur in der scientific community. So hat sie sich noch nicht endgültig entschieden, ob sie auf ihre Habilitation verzichtet: „Die Frage ist, habe ich den Mut, sie nicht zu schreiben.“ Gabriele Berg wurde 1967 in Siegen geboren und studierte zunächst Oecotrophologie an der Universität Bonn und erhielt 1994 ihr Diplom. Noch während ihres Studiums war sie zwei Mal in Brasilien und schrieb dort an der Fakultät für „Public Health“ der Universidade de Sao Paulo eine Diplomarbeit über Anämieprävention bei Kindern im öffentlichen Gesundheitswesen. Außerdem arbeitete sie im Forschungsprojekt „Energieverbrauch von Kindern“ mit. 1997 promovierte Gabriele Berg an der Universität Ulm, wo sie auch ein Aufbaustudium der Gesundheitswissenschaften absolvierte, und war danach im Diabetes-Forschungsinstitut an der Universität Düsseldorf tätig. Seit 1999 arbeitet sie in der Arbeitsgruppe 82 „Epidemiologie und Medizinische Statistik“ der Fakultät für Gesundheitswissenschaften in Bielefeld. Ihre Forschungsschwerpunkte sind der Bereich der Umweltepidemiologie und Gesundheitsrisiken durch Hochfrequenzstrahlen. Dr. Bernd Clausen besetzt die Juniorprofessur für Musik in der Abteilung Kunst und Musik der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld. Nach seinem Examen in Schulmusik und Deutsch wechselte er Ende der 90er Jahre als Dozent für Deutsch und deutsche Kultur an die Universität Muroran/Hokkaido (Japan). 2001 promovierte er an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover mit der Dissertation „Das Fremde als Grenze – Außereuropäische Musik im Diskurs des 18. Jahrhunderts und der gegenwärtigen Musikpädagogik“. Der Bearbeitung seines musikkulturellen Forschungsgebietes auf der Grenze von Musikwissenschaft und Musikpädagogik sind auch seine weiteren Veröffentlichungen in musikpädagogischen Publikationen verpflichtet. Die heute so wichtige Frage des Umgangs mit Menschen anderer Kulturen und deren ästhetischen Handlungsprodukten und die damit einhergehende kulturelle Selbstvergewisserung wird von Clausen immer wieder facettenreich dargestellt. Clausen, dessen Auslandserfahrungen der Internationalisierung des Studiums entgegenkommen, war zudem längere Zeit Chorleiter an den Universitäten in Hannover und in Hildesheim. Dr. Rafael Kurtz besetzt eine Juniorprofessur für Neurophysiologie in der Fakultät für Biologie. Für ihn, der die Abschaffung der Habilitation für sinnvoll hält, ändert sich durch die Juniorprofessur eher graduell etwas. Im Bereich Forschung konnte er auch bisher schon eigenständig arbeiten, und mehr Lehrverpflichtung übernimmt Kurtz gerne, denn Lehre als Vermittlung von aktueller Forschung bereitet ihm viel Freude. Rafael Kurtz, Jahrgang 1968, studierte an der Universität Bielefeld Biologie sowie im Nebenfach Psychologie und erhielt 1997 sein Diplom. Im Anschluss arbeitete er am Lehrstuhl für Neurobiologie der Universität Bielefeld und promovierte dort 2001 mit der Dissertation „Ca2+-vermittelte Signalgebung in visuellen Neuronen der Fliege“. Seine Doktorarbeit behandelt grundlegende Aspekte der zellulären Mechanismen visueller Informationsverarbeitung. In Kooperation mit dem Lehrstuhl für Angewandte Laserphysik befasst sich Kurtz damit, ein neuartiges dort entwickeltes bildgebendes Verfahren auf das Nervensystem anzuwenden, um so in bislang noch unbekannte Dimensionen der zellulären Informationsverarbeitung voranzustoßen. Die Idee der Juniorprofessur findet Dr. Tim Nattkemper, der an der Technischen Fakultät für das Fach Angewandte Neuroinformatik beruBielefelder Universitätszeitung 213/2003 Personalien fen wurde, gut und sinnvoll. Allerdings hält er die Ausgestaltung für nicht ausgereift und befürchtet Akzeptanzprobleme. Tim Nattkemper, Jahrgang 1968, studierte an der Universität Bielefeld zunächst Mathematik und wechselte nach dem Vordiplom zum Studiengang Naturwissenschaftliche Informatik mit Schwerpunkten Mustererkennung, Neuroinformatik, Künstliche Intelligenz sowie Physikalische Chemie im naturwissenschaftlichen Bereich. Nach dem Abschluss des Studiums 1997 war er Stipendiat im DFG-Graduiertenkolleg Strukturbildungsprozesse und promovierte im Jahr 2000 an der Technischen Fakultät. Anschließend war er wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Bielefelder Arbeitsgruppe Neuroinformatik, in der er seine Forschungsarbeiten auf weitere Themenfelder im Bereich biomedizinischer Bildverarbeitung ausdehnte. Dabei war er maßgeblich an der Konzeption und Beantragung eines großen BMBFVerbundprojekts mit Kooperationspartnern aus Industrie und mehreren Universitäten beteiligt, in dessen Fokus die Erarbeitung ultrasensitiver einzelzellgestützter Analysetechnologien für die Erkennung und Entschlüsselung räumlicher ProteomMuster steht. Die Entwicklung adaptiver Bildverarbeitungsverfahren zu diesem Zweck bildet einen wichtigen Schwerpunkt der Forschungsarbeiten von Nattkemper. In jüngerer Zeit hat Nattkemper seine Forschungsaktivitäten auf weitere wichtige Themenfelder der Bioinformatik und der biomedizinischen Bildverarbeitung ausgedehnt. Dr. Sebastian Thies besetzt in der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft die Juniorprofessur für Hispanistische Literaturwissenschaft und Medienwissenschaft. Sebastian Thies, 1968 in Osnabrück geboren, studierte an der Universität Osnabrück Literaturwissenschaften (zunächst Amerikanistik/Romanistik, danach in Münster im Zweitstudium Romanische Philologie: Spanisch). Bevor er seine Magisterarbeit „Der historische Roman in der mexikaniBielefelder Universitätszeitung 213/2003 schen Gegenwartsliteratur“ 1995 abschloss, nahm Thies ein längeres Auslandsstudium an der Universidad Nacional Autónoma de México auf. Mit einem Forschungsstipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes ging er 1997/98 an das Colegio de México und wurde danach im Jahr 2000 an der Universität Osnabrück mit der Dissertation „Das Geschichtskonzept in der mexikanischen Gegenwartsliteratur zwischen Memoria und Alterität“ promoviert. Schwerpunkte seiner Forschung sind derzeit die frühen postkolonialen Diskursformationen in der lateinamerikanischen Avantgarde und die Thematik "interkulturelle Medienarbeit im lateinamerikanischen Exil. Zudem gehört auch die Beschäftigung mit dem lateinamerikanischen Film und Fernsehen zu seinen engeren Interessensgebieten. Er hält die Juniorprofessur grundsätzlich für einen guten Weg: „Man hat Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten, die man als Hochschulassistent nicht hat.“ Dr. Christiane Werner besetzt in der Fakultät für Biologie die Juniorprofessur Ökophysiologie der Pflanzen. Christiane Werner, 1969 in Köln geboren, studierte Biologie an der Universität Köln. Während ihres Studiums absolvierte sie im Rahmen des ERASMUS-Programms einen Auslandsaufenthalt an der Universität Lissabon. Die dort geknüpften Kontakte führten dazu, dass sie auch die experimentellen Arbeiten zu ihrer Diplomarbeit zum Gaswechsel und Wasserhaushalt von Korkeichen in Portugal durchführte. Nach ihrem Diplom 1995 wechselte sie 1996 an die Universität Bielefeld und begann am Lehrstuhl für Experimentelle Ökologie und Ökosystembiologie der Fakultät für Biologie ihre Promotion. Die experimentellen Arbeiten führten sie erneut nach Portugal. Im Jahr 2000 reichte sie ihre Dissertation mit dem Titel „Evaluation of structural and functional adaptations of Mediterranean macchia species to drought stress with emphasis on the effects of photoinhibition on wholeplant carbon gain – a modelling approach“ ein. Ihre Doktorarbeit wurde noch im selben Jahr mit dem Dissertationspreis der WestfälischLippischen Universitätsgesellschaft ausgezeichnet. Im Anschluss an ihre Promotion übernahm Christiane Werner eine Postdoktorandenstelle im europäischen Projekt „Network for Ecophysiology in Closing Terrestrial Carbon Budget“ an der Universität Lissabon. Im Oktober 2001 kehrte sie an die Universität Bielefeld zurück und arbeitet seitdem als wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Experimentelle Ökologie und Ökosystembiologie. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Stressanpassung mediterraner Pflanzen und in diesem Zusammenhang in der quantitativen Beschreibung der Photoinhibition. Für Christiane Werner ist der frühe Einstieg in die eigenständige Forschung, der sich auch in Veröffentlichungen niederschlägt, der richtige Weg. Problematisch sieht sie die derzeit unklare Rechtslage, zum Beispiel hinsichtlich der Prüfungsberechtigung der Juniorprofessoren. 83 Personalien Am Empfang der Universitätsgesellschaft zu Ehren Helmut Steiners nahmen auch der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Marianne von Weizsäcker teil. Sie kamen nach Bielefeld, um Steiner als stellvertretendem Vorsitzenden und Schatzmeister der Marianne von Weizsäcker-Stiftung, die sich für die Integration ehemaliger Drogenabhängiger einsetzt, zu danken. Dass ein Schatzmeister alles in Ordnung halten müsse, sei selbstverständlich, sagte von Weizsäcker. Bei dem Leid, das Drogen über Menschen bringt, auch ein „menschlicher Schatzmeister“ zu sein, das habe er so noch nicht erlebt. Durch seine helfende Tätigkeit in aller Welt könne Steiner als Wohltäter der Menschheit bezeichnet werden. Das Foto zeigt (von links): Oberbürgermeister Eberhard David, Richard von Weizsäcker, Helmut Steiner und Regierungspräsident Andreas Wiebe. ihre für die Universität bestimmten Fördersummen deutlich angestiegen sind. Darüber hinaus engagiert er sich in zahlreichen weiteren mit der Universität verbundenen Organisationen. Steiner ist Gründungsmitglied und Schatzmeister des Absolventen-Netzwerkes, Vorsitzender des „Vereins der Freunde und Förderer des Zentrums für interdisziplinäre Forschung“ und Vorstandsmitglied des „Vereins zur Förderung von Kunst und Kultur an der Universität Bielefeld“ sowie Kuratoriumsmitglied der Bielefelder Sektion von AIESEC, einer internationalen Vereinigung von Studierenden der Wirtschaftswissenschaften. Helmut Steiners Lehrtätigkeit beschränkt sich nicht auf die Universität Bielefeld. Er war Lehrbeauftragter der Kirchlichen Hochschule Bethel und engagierte sich – wie auch Professor Klaus-Peter Kistner in seiner Laudatio auf Helmut Steiner hinwies – nach der Wende insbesondere als Gastdozent an Hochschulen des ehemaligen „Ostblocks“ in Polen, Russland, der Mongolei und Ein „menschlicher Schatzmeister“ und „Wohltäter der Menscheit“ Helmut Steiner engagiert sich seit Gründungszeit für die Universität 84 (BUZ) Der langjährige Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Bielefeld, Helmut Steiner, Honorarprofessor der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld und Ehrendoktor der Moskauer Akademie für Volkswirtschaft, feierte am 9. Februar seinen 75. Geburtstag. Seit 1979 hatte er als Lehrbeauftragter und seit 1994 als Honorarprofessor über 47 (!) Semester Lehrveranstaltungen an der Universität Bielefeld abgehalten. Am 14. Februar verabschiedete ihn nun die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften mit einem Kolloquium zum Thema „Wirtschaft und Hochschule“. Zudem gab die Westfälisch-Lippische Universitätsgesellschaft zu Ehren des Jubilars einen Empfang, an dem auch der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Marianne von Weizsäcker teilnahmen. Der ehemalige Vorsitzende der Universitätsgesellschaft Gerd Seidensticker im Gespräch mit Thomas Niehoff, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (v.l.). Steiners zahlreiche Aktivitäten im Zusammenhang mit der Universität sind allerdings weitaus vielfältiger und gehen bis in deren Gründungszeit zurück. Von 1969 bis 1979 war er stellvertretender Vorsitzender des Studentenwerks Bielefeld. Eine in Usbekistan. Für sein gesellschaftliches Engagement in zahlreichen Ehrenämtern erhielt Steiner 1999 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Darüber hinaus ist er Träger der Goldenen Ehrennadel der IHK und anderer Auszeichungen. wichtige Rolle spielt er in der Westfälisch-Lippischen Universitätsgesellschaft, deren Geschäftsführer er seit 1991 ist. Seinen Aktivitäten ist es maßgeblich zu verdanken, dass die Universitätsgesellschaft in den letzten Jahren weiter gewachsen ist und Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Personalien Beim Empfang der WestfälischLippischen Universitätsgesellschaft nannte der Vorstandsvorsitzende Ortwin Goldbeck Helmut Steiner ein lebendes Beispiel für ehrenamtliche Tätigkeit. Was Steiner anfasse, „das macht er ganz und mit vollem Engagement“. Hierauf wies auch Rektor Dieter Timmermann hin und dankte Steiner für die bleibenden Verdienste bei der Bewusstseinsbildung und der Integration der Universität in die Stadt und die Region: „Alle Funktionen, die Sie über die Lehrtätigkeit hinaus wahrnehmen, haben Sie ehrenamtlich übernommen. Daher – Zum Abschluss des Kolloquiums zu Ehren von Helmut Steiner moderierte der Bielefelder Wirtschaftswissenschaftler Professor Fred G. Becker die Podiumsdiskussion „Wirtschaft und Hochschule: Nur Gerede, kaum Taten?“. Es diskutierten Gabriele Behler (Mitglied des Landtags), Ortwin Goldbeck (Goldbeck GmbH), Professor Helmut Jahnke (Fakultät für Wirtschaftswissenschaften), Dr. Wolfgang Sonnabend (Personalleiter, arvato Bertelsmann) und Hans-Georg Vogt (Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Bielefeld). Die Bielefelder Wirtschaftswissenschaftler Hermann Jahnke und Rolf Jürgen König im Gespräch mit Richard von Weizsäcker (v.l.). so glaube ich – kann ich ohne Einschränkung behaupten, dass Sie ein Vorbild an leidenschaftlichem Enga- gement und für die ehrenamtliche Betätigung in der Bürgergesellschaft sind, das Schule machen sollte. Dieses Engagement und die dahinterstehende Einstellung kommen in Ihrem persönlichen Lebensmotto klar zum Ausdruck. Es lautet nämlich: ‚Fange nie an aufzuhören, höre nie auf anzufangen!‘“. Ortwin Goldbeck und Rektor Dieter Timmermann sowie Klaus-Peter Kistner (v.l.), der in seiner Laudatio das Wirken Helmut Steiners in der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld und in zahlreichen ausländischen Hochschulen würdigte. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Dienstjubiläen 25 Jahre im Öffentlichen Dienst (BUZ) In den vergangenen Monaten konnten an der Universität Bielefeld mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf ein Vierteljahrhundert im Öffentlichen Dienst zurückblikken. Es sind dies: Dieter Block, Hans-Joachim Dath, Edmund Hasenheit, Joachim Herzberg, Wilfried Rüßkamp und Helmut Wolf (alle Dezernat IV, Technische Betriebsverwaltung); Erhard Lükewille (Foto, Fakultät für Chemie); Marion Matz (Foto, Fakultät für Mathematik); Karla Schneider (Fakultät für Physik). 85 Termine Notarrecht der Universität Bielefeld. Weitere Informationen im Internet unter www.kompaktkurs.de/soldan-tagung/index.html. 7.5.2003, Universität Bielefeld, Sportbereich, Tag des Schulsports – eine Fortbildungsveranstaltung für Sportlehrerinnen und Sportlehrer. Veranstalter: Abteilung Sportwissenschaft der Universität Bielefeld. Kontakt: Elisabeth Sahre, E-Mail: [email protected]. Für seinen Verbesserungsvorschlag zur Einsparung von Trinkwasser ist der Installateur der Technischen Betriebsverwaltung der Universität Bielefeld Wilfried Rüßkamp vom Ministerium für Wissenschaft und Forschung ausgezeichnet worden. Im Rahmen des „Ideenmanagement NRW“ wurde sein Vorschlag mit 400 Euro prämiert; die Urkunde überreichte Kanzler Hans-Jürgen Simm. Für die Qualitätskontrolle im Schwimmbad des Zentrums für interdisziplinäre Forschung ist das Wasser bisher an einer Mess-Sonde vorbei in den Abfluss geleitet worden. Wilfried Rüßkamp hatte die Idee, dieses Messwasser mit Hilfe einer kleinen Pumpanlage wieder in das Schwimmbecken zurückzuführen. „Dieser Umbau brachte eine erhebliche Einsparung an Frischwasser und Abwassergebühren. Außerdem werden weniger Chemikalien verbraucht, dies bedeutet eine geringere Umweltbelastung“, lobt Manfred Böhme, Technischer Direktor der Universität Bielefeld. Mittlerweile haben mehrere Universitäten in Nordrhein-Westfalen den Vorschlag Rüßkamps umgesetzt und konnten dadurch ebenfalls erhebliche Einsparungen erzielen. Wer interessante Ideen und Verbesserungsvorschläge hat, kann sich an Wolfgang Hiemer, Dezernat Z, wenden. Das Foto zeigt (v.l.): Wolfgang Hiemer, Heiko Eujen, Wilfried Rüßkamp, Hans-Jürgen Simm und Manfred Böhme. Terminkalender 17.3.2003, 20.00 Uhr, Volkshochschule Bielefeld, Murnau-Saal, VHS-Veranstaltungsreihe „Lehren aus PISA“, Prof. Dr. Rainer Dollase, Universität Bielefeld: Unterricht in heterogenen Lerngruppen. Wie wichtig ist das Lehrverhalten für Integration? 2.4.2003, 13.00 Uhr, Bildungsmesse 2003 in Nürnberg, Vortrag von Prof. Dr. Eiko Jürgens, Fakultät für Pädagogik der Universität Bielefeld: Vertrauenskultur und Lernidentitätsentwicklung im Zusammenhang schulischer Leistungserziehung. 86 3.4.2003, 14.15 Uhr, Bildungsmesse 2003 in Nürnberg, Vortrag von Dr. Felix Winter, OberstufenKolleg an der Universität Bielefeld: Neue Wege der Leistungsbeurteilung – das Portfolio. 25.4.2003, 10.00 Uhr, Zentrum für interdisziplinäre Forschung, Institut für Anwalts- und Notarrecht der Universität Bielefeld, 5. Soldan-Tagung zur anwaltsorientierten Juristenausbildung: Die inhaltliche Neuausrichtung des rechtswissenschaftlichen Studiums: Berufsfeldbezug, Schlüsselqualifikationen, Schwerpunktausbildung, Leistungskontrollen. Tagungsleitung: Prof. Dr. Stephan Barton, Prof. Dr. Fritz Jost, Direktoren des Instituts für Anwalts- und 8.5.2003, Universität Bielefeld, Girls‘ Day – Mädchen Zukunftstag in der Universität Bielefeld. Der bundesweite Aktionstag soll jungen Mädchen im Alter von 10 bis 15 Jahren die Berufswelt näher bringen und die Augen auch für technische Berufe öffnen. In der Universität Bielefeld werden Studentinnen der Biologie, der Chemie, der Physik und der Informatik den Mädchen ihre Ausbildung in der Universität präsentieren und die möglichen Berufsperspektiven aufzeigen. Zudem öffnen das teutolab Chemie und das teutolab Physik ihre Türen und laden die Mädchen zum Experimentieren ein. Kontakt: Andrea Huck, Fakultät für Physik, Telefon 0521/106-5255. 14.5.2003, Universität Bielefeld, Sportbereich, Deutsche Hochschulmeisterschaft im Herren-Fußball. Das Fußballer-Team der Universität Bielefeld richtet als deutscher Vizemeister die Vorrunde für Nordrhein-Westfalen aus und will sich für die Zwischenrunde qualifizieren. Leitung: Dr. Hans Danner. 30.5.-1.6.2003, Universität Bielefeld, 12th European Workshop on General Equilibrium Theory. Veranstalter: Institut für Mathematische Wirtschaftsforschung (IMW), in Kooperation mit der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und der Bielefeld Graduate School of Economics and Management (BiGSEM). Kontakt: Prof. Dr. Walter Trockel, IMW, Telefon 0521/106-5644. Internet: www.wiwi.uni-bielefeld.de/ ~imw/get/. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Termine/Sport Mathematik-Didaktik Laufwettbewerb im Juni Hochschulrektorenkonferenz Unwahrscheinliche Wahrscheinlichkeiten Finnbahn-Meeting Hochschulsport mehr fördern (BUZ) Das Seminar für Didaktik der Mathematik der Universität Bielefeld bietet im kommenden Sommersemester die folgenden Veranstaltungen an. 29. April, Dr. Wolfgang Löding, Hamburg: Orientierung auf der Erdkugel – eine sinnhafte und offene Lernsituation für den Mathematikunterricht in Klasse 10. 27. Mai, Rainer Altmann, Dortmund: Selbstlernen im Mathematikunterricht der Sekundarstufe II. Beispiele aus der Praxis. 24. Juni, Winrich Rentz, Bielefeld: Das (Un-)Behagen an der Mathematik in der Kultur. 29. Juli, Prof. Dr. Walter Krämer, Dortmund: Unwahrscheinliche Wahrscheinlichkeiten. (Der Besuch dieses Vortrags ist auch Schülerinnen und Schülern besonders zu empfehlen.) Die Vorträge finden jeweils um 17.15 Uhr im Raum V2-205 der Universität Bielefeld statt. (BUZ) Das diesjährige FinnbahnMeeting der Universität Bielefeld findet nicht – wie bisher üblich am letzten Mittwoch im Mai –, sondern am 4. Juni statt. Das Lauftreffen auf der 500 Meter langen Rundumstrecke der Finnbahn organisiert die Abteilung Sportwissenschaft zum 21. Mal, wobei Mann- und Frauschaften 20 Runden, also 10 000 Meter, zurücklegen müssen. Sport-Ranking (BUZ) In der Punktewertung des Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverbandes (ADH) liegt die Universität Bielefeld mit 95 Punkten inzwischen auf Platz 13 von 87 gewerteten Hochschulen in der Bundesrepublik. Den ersten Platz des ADH-Ranking nimmt die Wettkampfgemeinschaft der Münchener Hochschulen vor der Deutschen Sporthochschule Köln ein. Die Universität Bielefeld liegt einen Platz hinter der Wettkampfgemeinschaft Münster (98 Punkte), einem Hochschulstandort mit langer Wettkampftradition und mehr als doppelt so vielen Studierenden wie die Bielefelder Hochschule. Die Universität Köln mit rund 60 000 Studierenden rangiert mit 108 Punkten auf dem achten Platz. Hochschulmeisterschaften Hallenhandball (BUZ) Vom 27. bis 29. Juni finden in der Universität Bielefeld die Deutschen Hochschulmeisterschaften im Hallenhandball statt, und zwar die Endrunde für Damen und Herren. Aktueller Hochschulmeister im Hallenhandball für Herren ist das Studententeam der Universität Bielefeld. Die Handballerinnen der Universität Bielefeld sind nach ihrem zweimaligen Titelgewinn aktuell Vizemeister. Die beiden Sportevents sind Teil des Programms „2003 Jahr des Hochschulsports NRW“. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Hallen-Leichtathletik Adrian Schürmann holt Bronze (BUZ) Bei den Internationalen Deutschen Hochschulmeisterschaften in Frankfurt Mitte Januar lief der Bielefelder Sportstudent Adrian Schürmann über 400 Meter in 49.95 Sekunden auf den dritten Platz und holte somit die Bronzemedaille. In der Olympischen Staffel belegte das Team der Universität Bielefeld mit Alexander Hennemann, Heinz-Werner Prieß, Dennis Salmon und Adrian Schürmann in 3.40.95 Minuten einen achtbaren sechsten Platz. (HRK) Auf die Notwendigkeit, den Hochschulsport zu fördern, aber auch Aufgaben und Organisationsstrukturen des Hochschulsports teilweise neu zu bestimmen, hat das Plenum der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) Mitte Februar in Bonn hingewiesen. Dies sei angesichts der veränderten gesellschaftlichen Rolle des Sports und des zunehmenden Wettbewerbs im Hochschulbereich notwendig. Der Hochschulsport ist gesetzlich verankerte Aufgabe der Hochschulen. Die Plenarversammlung betont in einer Empfehlung, dass der Hochschulsport bereits jetzt einen essentiellen Beitrag zur Leistungsfähigkeit der Hochschulen als Ganzes leiste. Leistungsmotivation und Persönlichkeitsbildung würden durch ihn nachhaltig gestärkt. Seine Leistungen sollten in der Zukunft unter mehreren Gesichtspunkten ausgebaut werden: • Leistungen für den Breiten- wie Spitzensport sollen im Wettbewerb als profilbildendes Element gezielt eingesetzt werden, • die Förderung der Internationalität soll bei der Konzeption von hochschulsportlichen Angeboten eine besondere Rolle spielen, • die Leistungssportler in der Studie- rendenschaft sollen durch flexiblere Studiengestaltung gefördert werden, • angesichts der stark gestiegenen kommerziellen Angebote sollten die Organisationsformen des Hochschulsports angepasst werden. 87 Kunst/Musik/Kultur Hochschulorchester Bielefeld Michael Hoyers Einstudierung hat „musikalisch schöne Früchte getragen“ (BUZ) Auf eines seiner gelungensten Konzerte blickt das Bielefelder Hochschulorchester zurück, das am 3. Februar im Audimax der Universität Bielefeld die Euryanthe-Ouvertüre von Weber, Honeggers Cellokonzert und die zweite Sinfonie von Johannes Brahms aufführte. Zufrieden mit dem Ergebnis war nicht nur der stets kritische Leiter des Orchesters, Dr. Michael Hoyer. Auch das zahlreich erschienene Publikum bekundete seine Anerkennung durch anhaltenden Beifall, und selbst Michael Beughold, überaus anspruchsvoller Rezensent der Neuen Westfälischen, bescheinigte dem Orchester „ein einnehmend (!) gutes Zeugnis seiner Leistungsfähigkeit“. Zu lesen, dass Hoyers Einstudierung „musikalisch schöne Früchte getragen“ habe, mag viele Orchestermu- Für die Orchestermitglieder, die sich auch an der Arbeitsphase des kommenden Sommersemesters beteiligen wollen, zeichnet sich das nächste Übepensum bereits ab. Notenfressen ist angesagt, und diesmal kommt keine CD zu Hilfe und nichts, was der routinierte Konzertbesucher so im Ohr zu haben pflegt. Entlegene Spätromantik hat Hoyer das Programm betitelt, und die Namen der Komponisten muss man erst einmal buchstabieren: Von Otakar Ostrcil stammt das Hauptwerk, verlangen und überdies die studienbedingte Fluktuation ausgeglichen werden muss, hofft das Hochschulorchester, neue Mitglieder für seine Arbeit gewinnen zu können. Violinen, Bratschen, Celli, Kontrabässe sind in größerer Zahl willkommen, darüber hinaus sind in Oboen, Fagotten, Hörnern und Trompeten vakante Positionen zu besetzen. Interessenten werden freundlich gebeten, möglichst frühzeitig mit dem Dirigenten (Telefon 05206/8337) oder mit der Konzertmeisterin, Dorothea Kraus (Telefon 0521/5214386), Kontakt aufzunehmen. Probenbeginn ist Mittwoch, der 23. April, um 19.30, Probenort der Musiksaal T0-260 in der Universität Bielefeld. Kulturtermine 19.3.2003, 20.30 Uhr, Bunker Ulmenwall, Poetry Slam. Mikrofon frei für Schreiberlinge und Wortakrobaten. In Zusammenarbeit mit texteratur.de, Buchladen Eulenspiegel und Hertz 87.9, Campusradio für Bielefeld. Die Auftritte dürfen höchstens acht Minuten dauern. Am Ende entscheidet das Publikum mit seinem Applaus darüber, wer die beste Poetin oder der beste Wortakrobat des Abends wird. siker entschädigen, die ein Semester lang mit ihrem Instrument gerungen haben, um ihm nicht nur (was bei Brahms schon schwierig genug ist) die richtigen Töne, sondern zudem den richtigen Ton abzugewinnen und damit ihrem Dirigenten doch einmal mehr als sein berüchtigtes „ganz brauchbar“ zu entlocken. „Zum Teil klang das wirklich wie Musik“, soll er irgendwann anerkennend gesagt haben – aber auch Peter Weiss lässt seinen Hölderlin ja in Bezug auf die Sprache konstatieren: „Nie kann es ganz gelingen, dass ihr die Worte klingen, wenn man’s nicht wieder, wieder, wieder übt.“ 88 ein Variationenzyklus unter der Überschrift Kreuzweg, von Zdenek Fibich die sinfonische Dichtung Am Abend. Fibich verstand sich als Anhänger Schumanns, Ostrcil betätigte sich Anfang des 20. Jahrhunderts in Prag dirigentisch als Vorkämpfer der Moderne, suchte als Komponist jedoch die Tradition nicht zu revolutionieren, sondern zu verändern. Schließlich gibt es noch ein Hornkonzert aus der Feder des Vaters von Richard Strauss, dessen Solopart vom ersten Hornisten des Orchesters, Sven Pohlmann, ausgeführt wird. Da alle Werke große Besetzung 22.3.2003, 19.30 Uhr, Stadttheater Bielefeld, Opern-Premiere, Leoš Janácek: Jenufa. Inszenierung: Aron Stiehl. Musikalische Leitung: Peter Kuhn. Choreographie: Philip Lansdale. Bühne und Kostüme: Karen Fries. Weitere Vorstellungen: 26. und 29. März, 2., 8. und 15. April, 2., 11. und 22. Mai 2003. 23.3.2003, 11.30 Uhr, Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF), Eröffung der Ausstellung „Neue Bilder“ von Ulrich Linke, Bielefeld. Die Ausstellung (mit Unterstützung durch die Westfälisch-Lippische Universitätsgesellschaft) ist bis zum 19. April im Foyer des ZiF zu sehen. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Kunst/Musik/Kultur William Shakespeare Ein Sommernachtstraum In der Inszenierung von Michael Heicks ist jetzt William Shakespeares Komödie „Ein Sommernachtstraum“ im Bielefelder Stadttheater zu sehen. Die Bühnengeschichte dieses gut vierhundert Jahre alten Stückes ist kürzer als man vermutet, und man sah in ihm bis vor wenigen Jahrzehnten eher ein poetisches Märchenspiel für Erwachsene. Von großem Einfluss auf die Aufführungsgeschichte seit den siebziger Jahren war schließlich die Interpretation von Jan Kott, der die dunkle Nachtseite, die negative Romantik des Stückes entdeckte. Für Kott ist der „Sommernachtstraum“ das erotischte von allen ShakespeareStücken, aber in wohl keinem seiner Werke sei die Erotik so brutal wie hier. Im Athener Wald herrscht nicht nur die ersehnte Freiheit der Liebe und der Leidenschaften, sondern vor allem das Chaos der Gefühle und Triebe. Die nächsten Termine von Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ im Bielefelder Stadttheater: 14., 21., 23., 25., 27. und 28. März, 6., 10. und 23. April. Kartentelefon: 0521/51 54 54. Foto: Wolfgang Zurborn. In einer magischen Nacht beherrschen Liebe und Begierde die Welt der Menschen und das Reich der Elfen. Herzog Theseus will die Amazonenkönigin Hippolyta heiraten. An ihrem Hochzeitstag soll sich das Schicksal der jungen Hermia entscheiden, die Lysander liebt, aber dem Demetrius versprochen ist. Demetrius wird seinerseits von der in ihn verliebten Helena verfolgt. Die jungen Paare fliehen in den Wald, in dem Handwerker ein Stück für Theseus‘ Hochzeit proben. Hier regieren Elfenkönig Oberon und seine Gattin Titania. In einer unheimlichen Mondnacht wird sich Titania in den eselsköpfigen Weber Zettel verlieben, und unter den jungen Liebespaaren wird Chaos und Verzweiflung ausbrechen. Urheber dieser LiebesIrrungen und -Wirrungen ist Oberons Gehilfe Puck. Bei Tagesanbruch ist der alptraumhafte Spuk beendet, und drei Paare feiern Hochzeit bei Hofe. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 89 Kunst/Musik/Kultur Kulturtermine 2.4.2003, 20.00 Uhr, Audi Max der Universität Bielefeld, Kabarett: Gerhard Polt & die Biermösl Blosn. Die Jura-Band spielte auf, als die Fachschaft der Bielefelder Fakultät für Rechtswissenschaft zur Semesterabschlussparty einlud. Das Zusammenspiel(en) von „Studis“ und „Profs“ ließ sich – wie die Reaktion des Publikums im vollen AudiMin zeigte – trefflich hören: von modernem Pop über harten Rock ‚n‘ Roll bis zu sanften Beatles-Songs, sogar ein Blues und ein auf den Verfasser des juristischen Abkürzungsverzeichnisses Hildebert Kirchner komponierter Hip Hop. Ein begeisterter Fan fasste schriftlich seinen Eindruck wie folgt zusammen: „Während ‚Drumcomputer‘ alias Professor Hatje den Takt angab und Professor ‚Wolle‘ Schild sich die Seele aus dem Leib schrie, verliehen die Gitarristen Sven ‚Lord Shamrock‘ und der ‚Neue‘ Christian und der ‚Alte‘ Christian am Bass der musikalischen Darbietung Nachdruck. Eine gewisse Harmonie stellt sich durch Marcel am Saxophon und ‚Basti an den Tasten’ glücklicherweise ein. Wie immer fand die Rockgöre der Band, Kathrin, den richtigen Ton und heizte dem Publikum gehörig ein. Als Gäste traten Frau Professprin ‚Nancy Sinatra‘ Harzer-Friehe, Herr Professor ‚The Voice‘ SchulteNölke als gesangliche Unterstützung auf, während Herr Professor ‚Clayderman‘ Staudinger am Keyboard allen zeigte, was Jazz und Blues wirklich sind. Am Bass gab sich Herr ‚J.P.‘ Terhechte, wissenschaftlicher Mitarbeiter, für einige Songs die Ehre. Nach diesem großartigen Konzert weiß jeder: ‚Hey, hey, my, my, Rock ‚n‘ Roll can never die!‘ (Neil Young).“ 9.4.2003, 19.00 Uhr, Kunsthalle Bielefeld, Philosophisches Gespräch zu Adam Fuss (dessen Ausstellung „Fotogramme von Leben und Tod“ bis zum 11. Mai in der Kunsthalle Bielefeld zu sehen sind) mit Prof. Dr. Rüdiger Bittner, Universität Bielefeld, zum Austausch darüber, was die Werke von Adam Fuss zeigen und wovon sie reden, indem sie es gerade nicht zeigen. Das mögen philosophische Dinge sein; aber auf das Fach kommt es nicht an. 24.4.-29.5.2003, Universitätsbibliothek Bielefeld, C1, Ausstellung: Keramik zwischen Kunst und Handwerk. Das Künstlerehepaar Marie Margarethe und Friedrich Hudler. Eröffnung: 24. April, 18.00 Uhr. Öffnungszeiten: Mo-Fr 8.00 bis 22.00 Uhr. 26.4.2003, 18.00-2.00 Uhr, Bielefeld Marketing GmbH, Nachtansichten, Zweite Bielefelder Nacht der Museen, Kirchen und Galerien: Unternehmen Sie einen nächtlichen Streifzug durch Bielefeld und erleben Sie zum Beispiel die Kunsthalle zu ungewohnter Stunde mit Führungen, Musik, Tanz, Fotoexperimenten, Speisen und Getränken. Weitere Museen: Bielefelder Kunstverein/ Museum Waldhof, Historische Sammlung Bethel, Historisches Museum, Museum Huelsmann, Museum Osthusschule, Museum Wäschefabrik, NaturkundeMuseum. Welche Begegnungen der Bielefelder ART erwarten den Besucher während der acht Stunden in den Schüler und Schülerinnen des Leistungskurses Kunst der Jahrgangsstufe 13 des Friedrich von Bodelschwingh-Gymnasiums zeigen in ihrer Abschlussausstellung „Die Sonne scheint auch grün“ bis zum 15. März im Foyer des Zentrums für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld, in welch unterschiedlichem Licht die Welt, die Wirklichkeit und die Kunst betrachtet, reflektiert und neu erfunden werden kann. Ein Schwerpunkt der mit Unterstützung durch die Universitätsgesellschaft gezeigten Ausstellung sind freie Arbeiten aus den Bereichen Malerei, Plastik, Objektplastik, Druckgraphik, Collage, Film, Photographie; der zweite eine individuelle Auseinandersetzung mit einem Zitat Rimbauds. 90 Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Kunst/Musik/Kultur Museen, Kirchen und Galerien? Abwechslungsreich und spannend wird es: Geisterstunden mit Derwischen und Orixás, A-capella- Gesang, Zaubereien, Disco, Geschichten und Märchen, Schüttelreime, Lesungen, Gespräche, Schlangenspuk, Wäschewaschen wie zu Omas Zeiten, Vorführungen, Konzerte, Performances, Scherenschnitte und und und. Programm und Karten im Vorverkauf ab Ende März erhältlich. Informationen im Internet: www.nachtansichten.de. Unter der musikalischen Leitung von Michele Rovetta und in der Inszenierung von Stefan Huber ist jetzt im Bielefelder Stadttheater Ralph Benatzkys Operette „Im Weißen Rössl“ zu sehen. Seit der Uraufführung im November 1930 in Berlin ist das „Weiße Rössl“ die mit Abstand am häufigsten besungene Pension im Salzkammergut. Das populäre Singspiel wurde mehrfach verfilmt, am erfolgreichsten 1960 mit Peter Alexander und Waltraud Haas in den Hauptrollen, und in unzähligen Varianten an Theatern in aller Welt inszeniert. Das Theater Bielefeld präsentiert eine Fassung mit elf Schauspielern und einem siebenköpfigen Salon-Orchester. Es inszeniert – erstmalig in Bielefeld – Stefan Huber, der zuletzt in Bern sehr erfolgreich das Musical „Singin‘ in the Rain“ und die Komödie „Arsen und Spitzenhäubchen“ auf die Bühne gebracht hat. Die nächsten Termine im Stadttheater: 19. und 30. April, 4. Mai (15.00 Uhr) 9., 14. und 24. Mai, 17. Juni (weitere Vorstellungen in Planung). Kartentelefon: 0521/51 54 54. Foto: Wolfgang Zurborn. Vor zehn Jahren installierte Peter Sommer, Professor im Fachbereich Kunst der Universität Bielefeld, zum 25-jährigen Jubiläum des Zentrums für interdisziplinäre Forschung die erste orts- und architekturbezogene Zeitskulptur aus einem Kubikmeter Tonerde im Außenbereich des Haupteingangs. Diese zeitlich begrenzte Skulptur im öffentlichen Raum ermöglichte eine Langzeitbeobachtung: Ein Jahr lang konnte man verfolgen, wie sich der Erdblock durch Witterungseinflüsse ständig veränderte. Seitdem benutzten alljährlich nationale und internationale Künstlerinnen und Künstler den vorgegebenen Betonquader für die Gestaltung ihrer Zeitskulptur. In seiner neuen Ausstellung zeigt Peter Sommer vom 11. Mai bis zum 22. Juni Zeitskulpturen, Objekte und Zeichnungen unter dem Thema Wasserzeichen. Das Erleben von Wasser, seine Wahrnehmung und seine Nutzung gehören quasi zur Visitenkarte einer Kultur. Somit ist die Ausstellung auch ein Beitrag zum „Jahr des Wassers“. Eröffnung der Ausstellung im ZiF am 11. Mai um 11.30 Uhr. ZiF-Öffnungszeiten: Mo-Di 8-16 Uhr, Mi-Fr 8-15.30 Uhr. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Einen echten Klassiker, nämlich Oscar Wildes „The Importance of Being Earnest“, hatte die English Drama Group der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld im Wintersemester 2002/2003 eingeübt. Für die Studierenden und Regisseur Martin Winks haben sich die Proben gelohnt: Sie spielten Ende Januar, Anfang Februar im Auditorium minimum vor stets vollen Reihen und ernteten dabei rauschenden Beifall. Für den langjährigen Leiter und Initiator der English Drama Group Martin Winks war es die letzte Produktion, bevor er sich in den Ruhestand verabschiedete. Doch der Fortbestand der Englischen Theatergruppe an der Universität Bielefeld ist gesichert. 91 Kunst/Musik/Kultur 30.4.2003, 19.00 Uhr, Kunsthalle Bielefeld, Gespräch zu Adam Fuss und Emanuel Raab mit Prof. Dr. Martin Deppner, Fachhochschule Bielefeld. Die Ausstellungen von Adam Fuss („Fotogramme von Leben und Tod“) und von Emanuel Raab („Nachtland“, Studiengalerie) sind bis zum 11. Mai in der Kunsthalle zu sehen. Die Ausstellungen öffnen Blickfelder für ästhetische Expeditionen, die Bekanntes in unbekanntes Terrain entrücken. Deppner will erkunden, „wohin der Weg ins Zwischenreich der Wahrnehmung von konkreten Nacht-Orten und abstrakten Lichtspuren führt“. 10.7.2003, 20.00 Uhr, RudolfOetker-Halle Bielefeld, Universitätschor Bielefeld, Carl Orff: Carmina Burana, Leitung: Professor Werner Hümmeke. Die nächsten Vorstellungen von Woody Allens Komödie „Spiel’s nochmal, Sam“ im Theater am Alten Markt: 24. bis 27. April, 16., 17., 22. und 25. Juli (weitere Vorstellungen in Planung). Komödie von Woody Allen Spiel‘s nochmal, Sam „Es war eine autobiographische Geschichte eines Verliebten mit ungeheuren Komplexen. Die Anhäufung von Themen, die mich faszinierten, Sex, Ehebruch, neurotische Liebe, Angst. Dennoch ist es eine Komödie im strengsten Sinne des Wortes“, so charakterisiert Woody Allen sein Stück „Spiel’s nochmal, Sam“, das jetzt weiterhin im Bielefelder Theater am Alten Markt in der Inszenierung von Murat Yeginer zu sehen ist. Mit der Komödie gelang Woody Allen 1969 sein größter BroadwayErfolg. Am Brodhurst Theatre in New York wurde es mehr als 450 Mal mit Allen selbst und Diane Keaton in den Hauptrollen gespielt. Bis heute gilt es als Allens beste Arbeit für das Theater, und als einziges seiner neun Theaterstücke wurde es auch von Herb Ross mit Allen und 92 Keaton verfilmt. Mit dem notorischen Cineasten Allan Felix schuf Woody Allen gleichzeitig den Vorläufer seines legendären „Stadtneurotikers“, für den er 1977 mit drei Oscars ausgezeichnet wurde. Völlig deprimiert sitzt Allan Felix in seiner neuen Behausung, einem alten Filmatelier, nachdem ihn seine Frau Nancy aus „unbefriedigter Lachlust“ verlassen hat. Wie konnte er auch nur den eindeutigen Hinweis missdeuten, als sie neben ihm im Bett lag und das Branchenbuch nach einem geeigneten Scheidungsanwalt durchforstete? Was hätte nur sein großes Vorbild Humphrey Bogart an seiner Stelle getan? Und wie um alles in der Welt konnte Bogart nur Ingrid Bergmann am Ende von Casablanca verlassen, ohne eine einzige Träne zu verdrükken, obwohl er sie doch so sehr liebte? Aber Bogart erträgt es nicht länger, das Elend seines größten Fans mitanzusehen. Für kurze Zeit verlässt er seine Heimat, die Filmleinwand, und beschließt, Allan in Sachen Frauen ein wenig unter die Arme zu greifen. Deutscher Akademischer Austauschdienst (Hg.): Sprachkurse an Hochschulen in Europa 2003. W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld 2003. 14,90 Euro. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) informiert mit diesem Band über das Sprachenkursangebot des ganzen Jahres im Ausland. Ob nun Englisch in London, Dänisch in Kopenhagen oder Litauisch in Vilnins, das neue Verzeichnis des DAAD liefert auf mehr als 400 Seiten detaillierte Angaben zu Themen, Teilnahmevoraussetzungen, Terminen, Gebühren, Unterkunftsmöglichkeiten und Auskunftsstellen von fast 300 Veranstaltern in 29 Ländern. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Publikationen Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (Hg.): ARD Jahrbuch 2002. 50 Jahre Fernsehen in der ARD. Hamburg 2002. Uschi Baaken, Lydia Plöger (Hg.): Gender Mainstreaming. Konzepte und Strategien zur Implementierung an Hochschulen. Kleine Verlag, Bielefeld 2002. (Die Gleichstellungspolitik an Hochschulen hat in den letzten Jahrzehnten viel verändert, ist in ihren Effekten jedoch hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Dies erfordert eine veränderte Sichtweise von Gleichstellungspolitik und die Auseinandersetzung mit neuen Handlungsstrategien und möglichkeiten. In den derzeitigen gleichstellungspolitischen Debatten wird der Gender MainstreamingAnsatz als sinnvolle Erweiterung der bisherigen Frauenförderpolitik angesehen. Die Beiträge des Bandes thematisieren die aktuelle Diskussion zur Umsetzung von Gender Mainstreaming in Organisationen. Die Umsetzung und Gestaltung von Gender Mainstreaming an Hochschulen steht dabei im Mittelpunkt. Der Band beinhaltet sowohl theoretisch-rechtliche als auch Beiträge, die sich mit Konzepten zur Implementierung von Gender Mainstreaming auf nationaler und internationaler Ebene auseinandersetzen.) Anja Baumhoff, Christiane Keim, Birgit Thiemann, Christina Threuter: Plädoyers für eine „interessengeleitete“ Kunst (Geschichte). Festschrift für Irene Below. In: Frauen-Kunst-Wissenschaft, Halbjahreszeitschrift, Heft 34, Dezember 2002, Jonas Verlag für Kunst und Literatur, Marburg 2002. (Die vorliegende Ausgabe ist der seit 1974 am Bielefelder Oberstufen-Kolleg lehrenden Kunsthistorikerin Irene Below als Festschrift zu ihrem 60. Geburtstag gewidmet. „Damit soll“ – so heißt es im Editorial der Zeitschrift – „eine Kollegin gewürdigt werden, der wir, die Redakteurinnen des Heftes, uns auf jeweils besondere Weise verbunden fühlen. Außerdem wird mit dieBielefelder Universitätszeitung 213/2003 sem Heft auch an die Anfänge der Zeitschrift erinnert: FrauenKunstWissenschaft wurde 1987 als Mitteilungsorgan der neu geschaffenen Sektion Frauenforschung im Ulmer Verein ins Leben gerufen und hat sich seither immer auch als ein Diskussionsforum für VertreterInnen der verschiedenen Felder der Frauen- und Geschlechterstudien verstanden. Nicht nur in ihren Ämtern als Sprecherin der Gesamtsektion (von 1987-94) und auch Sprecherin der AG Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts (1989-98), sondern auch darüber hinaus hat Irene Below die Entwicklung der feministischen Forschung in Deutschland engagiert vorangetrieben und kritisch kommentiert. Bereits auf der 1. Kunsthistorikerinnentagung 1982 in Marburg gehörte sie zu den Referentinnen. Auf dieser ohnehin schon unerhörten Veranstaltung fiel ihr Beitrag noch zusätzlich aus dem Rahmen. Irene Below berichtete darin über ihre (vermeintlich) ganz persönlichen Erfahrungen, die sie erkennen ließen, dass ‘Männerkunst’ und ‘Männerkunstgeschichte’ ihre Sache nicht sein kann. Im Tagungsband schreibt sie, es gäbe keine ‘richtige’, sondern vielmehr ‘verschiedene interessengeleitete Formen der Beschäftigung mit Kunst’. Mit dieser Erkenntnis definiert sie eine Sichtweise, die sie bis heute vertritt: Auf ihre freimütigen Worte konnte und kann man/frau sich stets ebenso verlassen wie auf ihre solidarische Unterstützung. Die im Heft versammelten Beiträge wollen einige der beruflichen und intellektuellen Positionen Irene Belows beleuchten“.) Heinrich-Böll-Stiftung und Feministisches Institut (Hg.): feminist_spaces. Frauen im Netz. 15 Euro, Ulrike Helmer Verlag, König- 93 Publikationen stein/Taunus, 2002. (Welche Möglichkeiten und Räume für Frauen, für feministische Erkenntnisse, Kommunikation und Diskussion bietet das Internet? Wie und von wem werden diese neuen Räume genutzt? Welche neuen Möglichkeiten beinhaltet e-Learning? Lässt sich Feminismus – netzbasiert – neu bestimmen? Wie kann das Internet der Verbesserung der globalen Kommunikation dienen? Der Band mit Beiträgen von Wendy Harcourt, Manuel Castells, Gillian Youngs, Mercy Wambui, Helga Braun u. a. erkundet diese neuen Chancen und Risiken der virtuellen Kommunikation.) Wolfgang Braungart (Hg.): Kitsch. Faszination und Herausforderung des Banalen und Trivialen. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2002. (Die Publikation dokumentiert die Beiträge zu einem interdisziplinären Kolloquium über Faszination und Herausforderung des Kitsches, das im Dezember 1999 im Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld stattgefunden hat.) Hans Brinkmann, Omar Garcia, Andreas Gruschka, Gero Leonhardt, Rudolf zur Lippe: Die Einheit von Forschung und Lehre: Über die Zukunft der Universität. Büchse der Pandora Verlags-GmbH, Wetzlar 2002. Der elfte Band der Denkschrift ‚Perspektiven der Forschung und ihrer Förderung‘ will diesen Erwartungen Rechnung tragen. Ausgerichtet auf die Jahre 2002 bis 2006 gibt das Werk einen Überblick über das Konzept der Forschungsförderung durch die DFG und stellt zugleich eine Sammlung wissenschaftlicher Beiträge vor, die exemplarisch neue Forschungsfelder beschreiben. Die hier versammelten Texte zeigen anschaulich das Spektrum der künftigen Aufgaben, die vor allem im Zeichen zunehmender internationaler Vernetzung, interdisziplinärer Kooperation und effektiver Nachwuchsförderung stehen“, heißt es im Vorwort von DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnacker.) Deutsche Forschungsgemeinschaft (Hg.): Geochemical Processes: Conceptual Models for Reactive Transport in Soil and Groundwater. WILEYVCH Verlag, Weinheim 2002. Bernd Fahrholz (Hg.): Freiheit und Demokratie. 25 Jahre nach dem „Deutschen Herbst“: Herausforderungen und Verpflichtungen für Bürger und Staat in einer freiheitlichen Demokratie. Gedenkveranstaltung für die Opfer des Terrorjahres 1977. Hoffmann und Campe, Hamburg 2002. Deutscher Entwicklungsdienst (Hg.): Statusbericht 2002. Bonn 2002. Deutsche Forschungsgemeinschaft (Hg.): Perspektiven der Forschung und ihrer Förderung. Aufgaben und Finanzierung 2002-2006. WILEY VCH Verlag, Weinheim 2002. („Das Bewusstsein für verteilte Aufgaben und die internationale Vergleichbarkeit nicht nur der Forschung, sondern auch ihrer Förderung, haben in der jüngeren Vergangenheit stark zugenommen. In diesem Kontext wachsen auch die Erwartungen an die Deutsche Forschungsgemeinschaft, über ihre Ziele, Verfahren, Pläne und Strategien mit Blick in die Zukunft zu berichten. 94 Gerhard Franke, Hans Klöne, Martin Maschke, Heinrich Möhl- mann (Hg.): Der Minden-Ravensberger 2003 – Das Jahrbuch in Ostwestfalen. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2002. (In diesem Jahr erscheint „Der Minden-Ravensberger“ zum 75. Mal. „Obwohl die Vertreter mehrfach wechselten, blieb die Kernidee einer regional orientierten Publikation erhalten, die mit einer auf die Interessen im Minden-Ravensberger Raum abgestimmten Mischung von heimatund naturkundlichen, literarischen und niederdeutschen Beiträgen informieren und zugleich auch unterhalten will“, heißt es im Vorwort von Regierungspräsident Andreas Wiebe. Mit einem Beitrag von Norma Langohr über die Gedächtnisambulanz an der Universität Bielefeld.) Goethe-Institut Inter Nationes (Hg.): Jahrbuch 2001/2002. München 2002. Ina Grau, Jörg Doll: Attachment and Equity. In: Bielefelder Arbeiten zur Sozialpsychologie Nr. 204, Bielefeld 2002. Hochschul-Informations-System (Hg.): Public Private Partnership. Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Hannover 2002. Dieter Metzing (Hg.): Sprachen in Europa. Sprachpolitik, Sprachkontakt, Sprachkultur, Sprachentwicklung, Sprachtypologie. Bielefelder Schriften zur Linguistik und Literaturwissenschaft. Aisthesis Verlag, Bielefeld 2003. (Der Europarat und die europäische Union erklärten das Jahr 2001 zum “Europäischen Jahr der Sprachen“: um die sprachliche und kulturelle Vielgestaltigkeit Europas stärker ins Bewusstsein zu rükken, um zur aktiven Teilnahme an Europas Mehrsprachigkeit einzuladen, um Sprachkontakte und Sprachenlernen zu fördern. Der herausragenden Rolle der Mehrsprachigkeit in Europa trägt die „Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen“ Rechnung: sie ist die sprachpolitische Basis der EuroBielefelder Universitätszeitung 213/2003 Publikationen te Lernorte der Wissensgesellschaft“ im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung genauer nachgegangen. Die Ergebnisse wurden publiziert unter dem Titel „Lernort Erlebniswelt. Neue Formen informeller Bildung in der Wissensgesellschaft“. Die Forschungsergebnisse werden in diesem Reader diskutiert. Es diskutieren Betreiber wie Planer von Erlebniswelten aus mehren Ländern Europas mit Zoopädagogen und Erziehungswissenschaftlern, mit Journalisten sowie Vertretern der für die Schulen zuständigen Kultusministerien.) päischen Union. Die Autoren dieses Bandes haben das Europäische Jahr der Sprachen zum Anlass genommen, um, ausgehend von ihrem jeweiligen Arbeitsgebiet, in die Sprachensituation in Europa und – am Rande Europas – in der Türkei einzuführen und um über Aspekte wie Sprachpolitik, Sprachkontakt, Sprachkultur, Sprachentwicklung und Sprachtypologie das Interesse für Sprachen und für Mehrsprachigkeit zu fördern. Mehrsprachigkeit, die immer wieder neu zu entwickeln und zu tradieren ist, braucht vor allem eines: das Engagement der Sprecher der Sprachen Europas.) Wolfgang Nahrstedt, Dieter Brinkmann, Heike Theile, Guido Böcken (Hg.): Lernen in Erlebniswelten. Perspektiven für Politik, Management und Wissenschaft. Proceedings einer Fachtagung. Bielefeld 2002. (Lernen war in Erlebniswelten von Anbeginn möglich. Doch die Freizeitgesellschaft legte den Akzent auf Erholung, die Erlebnisgesellschaft auf Unterhaltung. Die Wissensgesellschaft setzt neue Maßstäbe. Wissen wird in. Wissen ist jedoch an Lernen gebunden. Informelles selbstgesteuertes Lernen wird (wieder) entdeckt. Lernförderung wird zum Thema. „Edutainment“ entwickelt sich zum Markenzeichen und Qualitätsmaßstab auch für Freizeiterlebniswelten. Zur kritischen Frage wird dann, ‚wieviel Education drin ist, wo Edutainment drauf steht‘. Dieser Frage ist das Forschungsvorhaben „ErlebnisorientierBielefelder Universitätszeitung 213/2003 Wolfgang Nahrstedt, Dieter Brinkmann, Heike Theile, Guido Röcken: Lernort Erlebniswelt. Neue Formen informeller Bildung in der Wissensgesellschaft. Bielefeld 2002. (Ein wichtiges Ziel der Bildungsarbeit besteht in der Realisierung des lebenslangen Lernens aller und der Effektivierung der Lern- und Bildungsprozesse zum Nutzen des Einzelnen und der gesamten Gesellschaft. Um dies erreichen zu können, sind zum Teil tiefgreifende Veränderungen in den traditionellen Bildungsangeboten und -einrichtungen erforderlich. So erweitern erlebnisorientierte Lernorte den traditionellen Bildungsraum. Mit dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt „Erlebnisorientierte Lernorte der Wissensgesellschaft“ hat das Institut für Freizeitwissenschaft und Kulturarbeit e.V. (IFKA) Bielefeld versucht, diese neue „Wirklichkeit der Weiterbildung“ genauer zu erfassen und zu bewerten. Zu den wichtigen Ergebnissen des Projekts gehört der Nachweis, dass in diesen Einrichtungen durchaus Anregungen zum Lernen gegeben werden und dass hier Lernen in vielfältigen Formen stattfindet. Erlebnisorientierte Lernorte können einen wichtigen Beitrag zur Vermittlung des global verfügbaren Wissens an ihre Besucher, insbesondere an die junge Generation, leisten. Das Lernen beginnt hier in der Regel informell und bleibt dominant selbstgesteuert. Informelle Bildung 95 Publikationen und Kompetenzentwicklung enthalten jedoch durchaus die Möglichkeit der Weiterentwicklung in qualifiziertere Formen.) Reiner Niketta: „11. September 2001: War was?“ Konstruktion einer Skala zur Messung der Angst vor terroristischen Bedrohungen. In: Bielefelder Arbeiten zur Sozialpsychologie Nr. 205, Bielefeld 2003. Uta Oelke, Marion Menke: Gemeinsame Pflegeausbildung. Modellversuch und Curriculum für die theoretische Ausbildung in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege. Herausgegeben vom DiVC Essen. Verlag Hans Huber, Bern, Göttingen, Toronto, Seattle, 2002. („Getrennt oder gemeinsam?“, so lautet die Gretchenfrage, wenn es um die Ausbildung in den Pflegeberufen geht. Gute Argumente, Orientierungs- und Entscheidungshilfen zur Beantwortung der Frage, wie eine gemeinsame Ausbildung konzipiert, organisiert und durchgeführt werden könnte, bietet dieses Curriculum. Es basiert auf dem ersten deutschen Modellversuch „Gemeinsame (Grund-) Ausbildung in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege“. Das Curriculum wurde in enger Zusammenarbeit von Lehrenden und Wissenschaftlerinnen entwickelt, umgesetzt und evaluiert. Es informiert über Schlüsselqualifikationen als Bildungsziele; Lernbereiche, die im Sinne von Lernfeldern aufgegliedert sind; fächerübergreifende, erfahrungsorientiert ausgerichtete Lerneinheiten.) Rolf Rosenbrock, Doris Schaeffer (Hg.): Die Normalisierung von Aids. Politik, Prävention, Krankenversorgung. Ergebnisse sozialwissenschaftlicher Aidsforschung, Band 23. Edition Sigma, Berlin 2002. (Das Erschrecken, das HIV und Aids vor ungefähr 20 Jahren auslösten, führte zu hoher Bereitschaft zu handeln, und zwar politisch anders zu handeln als bei anderen Krankheiten: Eine völlig neuartige, auf Selbsthilfe gegründete Präventionsstrate96 gie, Innovationen im Hinblick auf Integration und Arbeitsteilung in der Krankenversorgung sowie ein Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik sind die spektakulärsten Ergebnisse dieses Ausnahmestatus von HIV/Aids. Dieser Band analysiert Entstehung, Inhalte, Umsetzungsprobleme und Entwicklungsverläufe sozialer Innovationen aus der Aidsprävention und -Krankenversorgung. Es wird deutlich, wie viel die Gesundheitspolitik, verstanden als Management von Gesundheitsrisiken vor und nach ihrem Eintritt, von den Ergebnissen des Ausnahmestatus von HIV/Aids noch zu lernen hat.) Heinrich Rüthing: Landwehren und Warten im Paderborner und Corveyer Land. Heimatkundliche Schriftenreihe 33/2002, Volksbank Paderborn, W.V. Westfalia-Druck, Paderborn 2002. Chaim Seeligmann: Es war nicht nur ein Traum. Autobiographische und kibbuzgeschichtliche Skiz- zen. Verlag Urfeld, Bad Tölz 2002. (Chaim Seeligmann, geboren 1912 in Karlsruhe, ist Historiker und Pädagoge, Lehrer und Forscher am YadTabenkin-Institut der Vereinigten Kibbuzbewegung in Efal bei Tel Aviv. Seeligmann, Ehrendoktor der Fakultät für Pädagogik der Universität Bielefeld, schloss sich als Schüler der zionistischen Jugendbewegung an, lernte als Erster in seiner assimilierten Familie Hebräisch und wanderte Ende 1935 nach Palästina aus. 1936 kam Chaim Seeligmann in den wenige Jahre zuvor gegründeten Kibbuz Givat Brenner. Als einer der Letzten der Gründergeneration blickt er in den vorliegenden autobiographischen und kibbuzgeschichtlichen Skizzen zurück: auf das deutschgroßbürgerliche Milieu seiner Kindheit und Jugend, auf die unvorstellbar harten Lebensbedingungen der Anfangszeit in Erez Israel und auf die verschiedensten Aufgaben im eigenen Kibbuz und in der zentralen Kibbuzbewegung, besonders die Tätigkeit als Sendbote in Frankreich und die Arbeit als Erzieher und Forscher. Viele Jahre später, 1985, begegnete er, der Agnostiker, der Katholischen Integrierten Gemeinde. Seither verbindet ihn mit ihren Mitgliedern die Frage nach freiwillig verwirklichter Gemeinschaft angesichts der furchtbaren Erfahrungen des zwanzigsten Jahrhunderts. Ihnen vertraute er die Veröffentlichung seiner Erinnerungen an. Darin berichtet er auch über die gemeinsame, in der Behutsamkeit einer Freundschaft gewachsene Geschichte, die zur Bildung des „Urfelder Kreises“ geführt hat.) Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Publikationen Joerg E. Staufenbiel: Berufsplanung für den Management-Nachwuchs. Start 2003. Staufenbiel-Institut für Studien- und Berufsplanung GmbH, Köln 2002. (Der KarriereRatgeber enthält alle relevanten Infos und Tipps, wie der Jobeinstieg gelingen kann – von der Studienplanung über Bewerbungsstrategien bis zu Einstiegsgehältern und Aufstiegschancen. Das Buch informiert über den Arbeitsmarkt für Akademiker, über neue Trends in einzelnen Branchen und über Existenzgründung.) Universität Bielefeld (Hg.): Betriebliche Gesundheitsförderung. Programm 2003. Universität Bielefeld (Hg.): Abfallbroschüre der Universität Bielefeld. Stand: Januar 2003. Volkswagen-Stiftung (Hg.): Zukunft stiften. Zur Rolle privater Wissenschaftsförderung in Deutschland und im zusammenwachsenden Europa. Symposium der Volkswagen-Stiftung im März 2002 in Berlin. Georg Olms Verlag, Hildesheim, Zürich, New York, 2002. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 „Vielen Dank. Gute Nacht“. Mit diesen Worten verabschiedeten die Literaturwissenschaftler Jörg Drews und Klaus Ramm gemeinsam die Zuhörer und Zuschauer der Lesung des 25. Bielefelder Colloquiums Neue Poesie (BCNP). Heulen, Beifall. Das war’s. Seither, seit dem 3. Mai 2002, ist das BCNP Geschichte, Literaturgeschichte. Es begann 1978 mit einer Umfrage: Siegfried J. Schmidt wollte unter der Veranstaltungsnummer „OZ 2342 Literarische Produktionsvariablen“ im Bielefelder Zentrum für interdisziplinäre Forschung erfahren, welche Entwicklungstendenzen und Beschreibungsmöglichkeiten bei experimentellen Literaturen zu beobachten sind und wie sich das kreative Potenzial experimenteller und traditioneller Autorinnen und Autoren unterscheidet. Hartmut Geerken erinnerte sich 1997: „Die Umfrage ging daneben. Es war ein Fragebogen mit völlig irrwitzigen Fragen. Eine zum Beispiel erkundigte sich nach der Wassertemperatur, mit der Dichter baden im Unterschied zu Otto Normalverbraucher.“ Einigen der Eingeladenen, unter ihnen Ernst Jandl, Helmut Heißenbüttel und Franz Mon etwa, war das zu einfältig. Franz Mon beispielsweise reiste ab. Doch dann kam er immer wieder zurück nach Bielefeld. Die spontan angesetzte Lesung in der völlig überfüllten Kunsthalle hatte einen Virus bei den Poeten gesetzt, den Helmut Heißenbüttel 1987 so charakterisierte: „Das Colloquium ist für Eingeweihte und für Provinz, ganz krass gesagt, eine Gruppe, die international ist, aber in der Provinz tagt.“ Nun kann man wenigstens den akustisch vernehmbaren Poeten noch einmal nachlauschen. Herausgegeben von Ulrich Schmidt und Michael Vogt ist im Aisthesis Verlag unter dem Titel „ausSicht abSicht einSicht“ zum Preise von €16 Euro eine Doppel-CD erschienen mit einem Querschnitt aus 25 Jahren Neue Poesie. 97 Publikationen Steigendes Durchschnittsalter führt zu höherem Krankenstand Die Geschichte von Josef und Winfried Schmitz / Mutiger Schritt auf dem Weg zur Hochschulautonomie Fehlzeiten-Report 2002 Muss der Dekan einer um Theologie erweiterten Fakultät jetzt Josef heißen? (BUZ) Sinkende Geburtenraten und die zunehmende Lebenserwartung werden die Arbeitswelt in den kommenden Jahren entscheidend verändern. Das Durchschnittsalter der Erwerbstätigen steigt kontinuierlich. Dies wird auch Auswirkungen auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten haben. Viele Betriebe sind auf diese Entwicklung nicht ausreichend vorbereitet. Das ist eines der Ergebnisse des Fehlzeiten-Report 2002, der vom Wissenschaftlichen Institut der AOK in Zusammenarbeit mit der Universität Bielefeld herausgegeben wird. Der Report zeigt, mit welchen Veränderungen zu rechnen ist und was die Unternehmen tun können, um angesichts der veränderten Rahmenbedingungen ihre Innovationsund Leistungsfähigkeit zu erhalten. Konzepte, Handlungsanleitungen und praktische Lösungsansätze werden vorgestellt. Das Spektrum ist vielfältig. Gesundheitsgerechte Arbeitsplatzgestaltung gehört ebenso dazu wie innerbetriebliche Qualifizierungsmaßnahmen und flexible Arbeitszeitmodelle. Beispiele erfolgreicher Programme und Strategien aus dem europäischen Ausland runden das Bild ab. Bernhard Badura, Henner Schellschmidt, Christian Vetter (Hg.): Fehlzeiten-Report 2002. Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York 2003. 98 (BUZ) In der Nummer 212 der „Bielefelder Universitätszeitung“ vom 19. November 2002 wurde in der Rubrik „Personalien“ der Dekan der neuerdings um das Fach Theologie erweiterten Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie als „Josef Schmitz“ vorgestellt. Einen Wissenschaftler dieses Namens gibt es an der Universität zwar auch, aber der arbeitet seit Jahren an der Fakultät für Biologie. Der Althistoriker Schmitz hörte bisher auf den Vornamen „Winfried“, und den beschlich nun der furchtbare Verdacht, hinter der Namensänderung könnte mehr stecken, als nur ein Versehen ... Am 22. November wandte er sich in der Annahme, vom Rektorat umgetauft worden zu sein, daher an den Prorektor für Struktur, Planung und Bauangelegenheiten, Wolfgang Krohn, mit dem Hinweis, sich nicht erinnern zu können, „dass es bei all unseren Planungen zur Integration der Evangelischen und der Katholischen Theologie in die Fakultät für Geschichtswissenschaft und Philosophie jemals die Rede davon war, dass es eine Vorbedingung für die Aufnahme der Theologien ist, dass der Dekan einen gut theologischen Vornamen tragen muss“. Eine solche Umbenennung sei schon deshalb nicht erforderlich, weil der 675 bei Exeter geborene Missionar der Friesen und Thüringer Winfrid anlässlich der Missionserlaubnis durch Papst Gregor II. 719 den Namen des heiligen Bonifatius angenommen habe, und er (Schmitz) „durch die Umbenennung in Bonifatius im theologischen Sinne geadelt“ sei. Des Dekans Befürchtungen wurden durch Krohns Antwort an den lieben Herrn Kollegen Josef W. Schmitz vom 29. November mehr als bestätigt. Anlass der vom Rektorat vorgenommenen Nomination sei die der Universität vom Ministerium zugestandene erweiterte Autonomie, in deren Rahmen man „Vorschläge zur Namensumwidmung einzureichen“ hatte, „um dem Ministerium den sinnhaften Umgang mit dem neuen Element der Profilbildung zu belegen“. Das Rektorat habe dabei sogar zu bedenken gegeben, dass damit „möglicherweise in Persönlichkeitsrechte Betroffener eingegriffen würde“. Ein ministerielles Gutachten habe aber darauf hingewiesen, dass es zur Blütezeit der akademischen Kultur in der Renaissance üblich gewesen sei, „sich dem Amt und den Aufgaben angemessene Vornamen zu wählen. Herr Kleinmann aus Siena (Piccolomini) wählte den Helden Äneas und den Propheten Bartolomäus, woraus Ennea Silvio Bartolomeo Piccolomini wurde. Das ist wahre Autonomie.“ Die Universität solle hieran anknüpfen, „jedoch an die Stelle der individuellen Willkür die corporate identity setzen“. So sei die Wahl auf ihn als Dekan und Historiker in Erwartung „Ihrer besonderen Kooperationswilligkeit“ gefallen. Da das Rektorat aber immer auf Ausgleich bedacht sei, „haben wir im Ministerium mit dem Vorschlag Erfolg gehabt, Ihnen das Recht zu gewähren, zumindest in abgekürzter Form den abgelegten Namen an den neuen anzuhängen. Wir möchten Sie bitten, diesen Kompromiss nicht durch prinzipalistische Einwände zu gefährden, sondern ihn im Geiste der pragmatischen Haltung unserer Universität durch Nichtstun zu unterstützen.“ Dazu konnte sich der Betroffene aber dann doch nicht so recht durchringen. Am 12. Dezember heißt es in seiner Replik, er könne den Namen „Josef W.“ schon deshalb nicht akzeptieren, weil dieser „nur eine Assoziation zulässt, nämlich Josef W. Stalin. Ich sehe daher bei dem Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 Aus der Universität Namen ‚Josef W.‘ keine Möglichkeit, kreten Einbettungen abstrahiert wer- schaften. Trotzdem habe das Rektozwischen dem jüdisch-christlichen den, aber man könne in ihnen durch- rat angesichts des Widerstandes seiNamen Joseph und einem marxi- aus die Perspektiven einer modernen ne Entscheidung aufgeweicht und stisch-leninistischen Diktator eine Geschichtswissenschaft mit Brücken- auch wegen des Imageproblems der dem Dekan angemessene Identität schlag zu den Naturwissenschaften Stalinassoziation eine unauffälligere erwogen, zu finden. Auch dem Rektorat dürfte erkennen. Die Übergänge der Che- Namensmodernisierung kaum daran gelegen sein, dass der mie zur synthetischen, der Biologie um ebenfalls einen AutonomiegeDekan einer Fakultät der Bielefelder zur rekombinanten Gentechnologie winn zu erreichen. Sein ursprünglicher Name sei Universität mit einem diktatorischen und ohnehin der Physik in die verRegime identifiziert wird.“ Trotz der schiedensten Technologien haben wieder ins Spiel gekommen: „Außer Frage steht die Friedensvon Ministerium und pflicht des Dekans angeRektorat angestrebten sichts des Kräftefeldes Stärkung der Position einer Fakultät oben an. Als des Dekans werde mit Winfried Frieden gewineiner solchen Namensnen. Aber nicht Frieden gebung ein falsches Zeium jeden Preis.“ chen gesetzt. InzwiViele Situationen des schen liege auch eine in FakultätsangelegenheiAnfrage der Fakultät ten notwendigen kommuvor, ob er angesichts der nikativen Managements vom Rektorat dekretiererforderten die Konstrukten Umbenennung bei tion von win-win-Strateder Weihnachtsfeier der gien: „Mit allgemeiner Fakultät (erstmals mit Erleichterung wurde Theologen) nicht den daher der Vorschlag verJosef spielen wolle. Er abschiedet, Ihnen die habe allerdings BedenFührung des Namens ken, der Rolle gewachWinwinfried zu genehmisen zu sein, und werde gen.“ Darüber hinaus sich lieber mit seiner habe das Rektorat Familie „um die Krippe beschlossen, zur besseren versammeln, um an der Erforschung des Neulands Seite von Maria und der institutionellen Autodem Jesuskind – wenn nomik „ein interdisziplinäsie denn noch so heißen res Forschungsinstitut für und nicht inzwischen vom Rektorat umbe- Dekan Winfried Schmitz: „Auch dem Rektorat dürfte kaum daran Eunonymik zu gründen nannt wurden – das gelegen sein, dass der Dekan einer Fakultät der Bielefelder Uni- und Sie als fachkundig versität mit einem diktatorischen Regime identifiziert wird.“ Betroffenen mit dem AufWeihnachtsfest zu bau zu beauftragen“. feiern.“ Danach herrschte einige Prorektor Krohn gab für den bewiesen, wie geschichtsmächtig die Rest des Jahres Ruhe, meldete sich Suche nach der inneren Verbindung Wochen gespannte Stille. Doch am aber schon am 4. Januar wieder mit von Realitätsbeschreibung und -kon- 17. Februar endlich teilte der Dekan der Einlassung zu Wort, er habe mit struktion ist. Stalin hat der mit, „dass ich dieses ehrenvolle Amt Freude wahrgenommen, „dass Sie Geschichtswissenschaft durch den übernehmen werde, auch wenn das hinsichtlich der Rechtmäßigkeit und Einsatz moderner Technologien beim Rektorat mir damit eine ungeheure Relevanz der institutionellen Verschwinden und Erfinden von Verantwortung überträgt“. Es zeichNamensgebung keine grundsätz- Dokumenten, bei der Normierung ne sich allerdings ab, dass ein erstes lichen Einwände mehr erheben“. Sei- und Lizenzierung von Fakten den Ergebnis des Forschungsinstituts für zu einer konstruktiven Eunonymik darin liegen könnte, allen ne Ablehnung des gewählten Weg Namens sei einziges Thema der jähr- Geschichtsschreibung gewiesen und Mitgliedern des Rektorats nahe zu lichen Klausursitzung des Rektorats diesen wiederum in das quasi-tech- legen, den Vornamen „Winfried“ vom 19. Dezember gewesen. Hier nologische Machen von Geschichte anzunehmen, um so als „Freunde seien insbesondere „Stalins entschie- münden lassen.“ Ein Paradigmen- des Friedens“ die zukünftigen dene und praktische Leistungen bei wechsel zu einer technologisch-kon- Geschicke der Universität zu bestimdem so genannten „Umschreiben struktiven Wissenschaft bringe die men. Seitdem herrscht gespannte der Geschichte“ herausgehoben Geschichtswissenschaft auf gleiche Stille von Seiten der Hochschulleiworden. „Zwar muss von deren kon- Augenhöhe mit den Naturwissen- tung. Bielefelder Universitätszeitung 213/2003 99
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