INHALT - Michael Imhof Verlag
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INHALT Hans-Jörg Czech, Nicole Tiedemann-Bischop Zur Einführung 7 AUFSÄTZE 11 Franklin Kopitzsch Caspar Voght: Aufklärer, Reformer und „Meister der Geselligkeit“ 13 Susanne Geese, Kerstin Petermann Der gute Ton. Caspar Voght im Bild und in seinen Brieffreundschaften 29 Frank Hatje, Ariane Smith Beziehungen, Netzwerke, Geselligkeiten in Hamburg und Altona Caspar Voght in den Tagebüchern des Ferdinand Beneke und den Briefen der Sophie Reimarus 49 Dirk Brietzke Armut, Arbeit und Disziplin. Caspar Voghts Beitrag zur Reform des Armenwesens 65 Hannes Stekl Ein gescheiterter Reformversuch. Caspar Voght und das Wiener Armenwesen um 1800 77 Elke Katharina Wittich Johann August Arens, das Landhaus Voght und die Freiheit vor den Toren der Stadt 85 Verena Fink Caspar Voght – ein Freund des Bibliophilen Rückschlüsse aus dem 1839 versteigerten Büchernachlass von Caspar Voght 101 Nicole Tiedemann-Bischop Ich, Caspar. Das Bildnis des Caspar Voght von Jean Laurent Mosnier 111 Iris Fleßenkämper „Hands to Work and Pens to Paper“ Ökonomische Aufklärung und landwirtschaftliche Erneuerung im Schottland des 18. Jahrhunderts 123 Katrin Schmersahl Gärten als Orte sozialer und politischer Utopien Caspar Voghts Flottbeker Ornamented Farm im Kontext der zeitgenössischen Gartenkultur 137 Reinhard Schwarze Baron Caspar von Voghts erster Brief an Johann Heinrich von Thünen 149 KATALOG 157 Literaturverzeichnis Dank und Leihgeber Bildnachweis 226 239 240 CASPAR VOGHT: AUFKLÄRER, REFORMER UND „MEISTER DER GESELLIGKEIT“ D ie kürzeste Würdigung Caspar Voghts hat der Historiker Percy Ernst Schramm 1969 gegeben: „Kaufmann großen Stils, als Reorganisator des Hamburgischen Armenwesens auch vom Ausland konsultiert, schuf in Klein-Flottbek ein Musterbeispiel für Parkpflege und Landwirtschaft.“1 Unter den Hamburger Aufklärern war Voght der vielseitigste, weltoffenste und auch der mit dem größten Selbstbewusstsein. Keiner von ihnen kannte Europa so gut wie der weitgereiste Voght, keinem von ihnen war so eine lange Zeit „tätigen Lebens“2 vergönnt. Der Altonaer Verleger Piter Poel, Weggefährte und Freund Voghts, hat dies treffend zu würdigen vermocht: „Wenige Menschen unserer Gegend haben das Leben in so mannigfaltigen Verhältnissen und in dessen geistigen und fein sinnlichen Genüssen so vollständig kennen gelernt wie er. An Höfen und in allen Zerstreuungen der großen Welt, im Umgang mit Künstlern, Gelehrten und Schöngeistern aller Nationen, in voller Thätigkeit des Geschäftsmannes, und wiederum in ländlicher Abgeschiedenheit allein mit der Natur und seinen Büchern, oder im engen Kreise mit seinen vertrauten Freunden, gab er sich immer ganz der Gegenwart hin, und stimmte sein Inneres völlig nach der jedesmaligen äußeren Lage. Kaum giebt es eine Wissenschaft, die er nicht mit Eifer eine Zeitlang getrieben, und kaum eine der Liebhabereien unbeschäftigter Leute, Reiten, Tanzen, Spielen, Jagen, die nicht, so wie er successive darauf verfallen, bei ihm zu einer vorübergehenden Leidenschaft geworden wäre. Aber bei allem Wechsel der Lebensweise, der Studien und der Zerstreuungen, behielt er doch immer ein Ziel gemeinnütziger Thätigkeit im Auge, das er so lange es ihm erreichbar schien, mit aller Anstrengung des Geistes verfolgte.“3 Voghts Vater, der ebenfalls Caspar hieß, stammte aus einer Pastorenfamilie im Bremischen, hatte sich im Hamburger Handelshaus Jencquel in der Lehrzeit bewährt und führte sechzehn Jahre die Lissabonner Filiale, heiratete nach der Rückkehr Elisabeth Jencquel, die Tochter des Prinzipals und Senators. Auch der ältere Voght wurde später in den Senat gewählt. Sein Sohn kam früh durch ausgedehnte Lektüre, zunächst der antiken und französischen Klassiker, dann auch und vor allem der zeitgenössischen deutschen Literatur, sowie durch Theaterbesuche in Kontakt mit Bildung und Kultur. Während der Lehrzeit hörte er außerdem Vorlesungen so bedeutender Aufklärer wie Johann Georg Büsch und Hermann Samuel Reimarus. Mit Georg Heinrich Sieveking, der im Handelshaus Voght die Kaufmannschaft erlernte, mit Johann Martin Hudtwalcker und Peter Ochs4, dem nachmaligen Baseler Staatsmann und Geschichtsschreiber, gründete er um 1767 eine „Gesellschaft fünfzehnjähriger Jünglinge“ und um 1770 die erste Hamburger Lesegesellschaft.5 Friedrich Gottlieb Klopstock und Gotthold Ephraim Lessing gehörten zu ihren Idolen; 1766 wallfahrten die Freunde vor Kontorbeginn zum Grab der ersten Frau Klopstocks, Meta, geborene Moller, an der Christianskirche in Ottensen, verfassten GrabCaspar Voght: Aufklärer, Reformer und „Meister der Geselligkeit“ 13 schriften, hefteten sie mit Blumen an das Grab und erschienen um 9 Uhr im Kontor in der Stadt. Im Rückblick erinnerte sich der alte Voght gern an diese von Aufklärung und Empfindsamkeit geprägten, lebensbestimmenden Jahre: „Nicht beschreiben kann ich die Gefühle, welche die Geistesbefreyung der Zeit allgemein verbreitete. Ihnen ähnelte späterhin das allgemeine Mitgefühl während der ersten Jahre der französischen Revolution.“6 Diese Impulse wirkten lebenslang auf Voght ein, bestimmten sein Denken, Handeln und Fühlen. Neben Klopstock und Lessing ist Jean-Jacques Rousseau als weiterer Impulsgeber und Kraftquell zu nennen.7 Von 1772 bis 1775 unternahm der junge Voght eine für einen Kaufmannssohn ungewöhnliche Fahrt durch große Teile Europas, die Elemente von Bildungs- und Geschäftsreisen mit denen einer Kavaliersreise, der Grand Tour, verband. Sie führte ihn in die Niederlande, nach England und Frankreich, nach Spanien und in die Schweiz, nach Italien, in den Vatikan zu Papst Pius VI. und bis nach Neapel, zum Vesuv und nach Pompeji. Über Oberitalien, Österreich, Böhmen, Sachsen und Preußen ging es nach Hamburg zurück. Voght lernte Kontore, Höfe, Salons und Theater kennen, wurde mit Geistesgrößen wie Albrecht von Haller und Voltaire bekannt. In Paris stiftete er mit dem Straßburger Johann Türkheim eine „Société des Philantropes“. In der Mitgliederliste der Straßburger „Société des Philantropes“ von 1777 wird er als „Gaspard Voght, Citoyen de Hambourg“ mit der Nummer 10 genannt, gefolgt von „Pierre Ochs, Citoyen de Bâle“, seinem Hamburger Jugendfreund.8 1776 wurden Sieveking und Voght Mitglieder der „Hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe“, der „Patriotischen Gesellschaft von 1765“, die zum Mittelpunkt der patriotisch-gemeinnützigen, nahezu alle Lebensbereiche umfassenden Reformbewegung der Stadt wurde.9 Gern verkehrte der zum Weltmann gewordene junge Voght in den Kreisen der in Hamburg akkreditierten Diplomaten, im Salon der Gräfin Charlotte Sophie von Bentinck am Jungfernstieg und in den Häusern der französisch-reformierten Kaufleute His, Ochs und Boué.10 In der Spielzeit von 1780/81 übernahm Voght mit dem Postdirektor Bostel und dem Agenten Peter Greve die Direktion des Hamburger Theaters.11 William Shakespeares „Komödie der Irrungen“, „Viel Lärm um nichts“ und „Der Widerspenstigen Zähmung“ , französische Opern wurden aufgeführt, am 28. Februar 1781 brillierte Friedrich Ludwig Schröder als Albrecht in „Agnes Bernauerin“, einem neuen Schauspiel, das Joseph Anton Graf von Törring geschrieben hatte. „Das Publikum von der Kraft, Wahrheit und Schönheit seines Spiels hingerissen, rief nach der Vorstellung wie aus einem Munde: Schröder! Er mußte hervor und ward mächtiglich beklatscht. Das erste Beispiel des Hervorrufs eines Schauspielers in Hamburg.“12 Als Schröder zu Ostern 1781 nach Wien wechselte, trugen sich Voght und Sieveking in sein Stammbuch ein, beide mit Klopstock-Zitaten. Voght verband seine freundschaftliche Verehrung mit Auszügen aus den Gedichten „Das neue Jahrhundert“ („O Freyheit!/Silberton dem Ohr!“) und „Der Zürchersee“.13 Voght war es zu verdanken, dass am 9. März 1781 eine Trauerfeier im Theater für den am 15. Februar 1781 verstorbenen Gotthold Ephraim Lessing (Abb. 1) stattfinden konnte.14 Voght gelang es, die Bedenken des Senats zu überwinden, allerdings beschloss dieser, „daß davon keine Notiz zu nehmen“ sei,15 was bedeutete, dass die Stadtoberen dem freien Geist keine Reverenz erwiesen und die hamburgische Presse nicht über die Ehrung berichten durfte. Auf Lessing hatte Voght große Hoffnungen gesetzt und mit ihm am 9. August 1780 einen Vertrag geschlossen, der den Wolfenbütteler Bibliothekar verpflichtete, jährlich zwei Schauspiele zu verfertigen und diese der Hamburger Bühne für ein halbes Jahr zum alleinigen Gebrauch zu überlassen.16 In seiner „Hamburgischen Theater-Geschichte“ hat Johann Friedrich Schütze auch Voghts Bemühen, dem Theater größere Anerkennung und Resonanz zu verschaffen, gewürdigt. Voght „hatte nemlich einen sehr guten Gedanken, 14 Kopitzsch den wir hier als neu und nachahmungswehrt anführen dürfen. Er hatte verschiedene der angesehensten Hamburgischen Familien, mit welchen er in Verbindung stand, zu dem Versprechen beredet: alle Mitwochabend (ungeachtet ihrer Spielparthien und mit Ausschluß andrer Modeergötzungen) sich im Schauspielhause einzufinden. Dagegen versprach er ihnen, dafür zu sorgen, daß an den Mitwochabenden beliebte, gute, auch die neuesten Stücke vorzugsweise gegeben werden sollten. Dies bewirkte Anhänglichkeit an das Schauspiel, wenigstens für diesen Abend, und selbst in Sommermonaten. Dies gab Logenreihen, gefüllt mit angesehenen Männern, schönen und geputzten Frauen und Jungfrauen, ein volles Parterre, deren Besucher wo nicht der theatralischen Ausstellungen, doch der Logenausstellungen halber sich einfanden. Genug, das Haus war am Mitwochabend gefüllt, und eine sehr gute Absicht, das Publikum an sein Schauspiel zu reizen, ward dadurch nicht wenig befördert.“17 Voght fand auch in der von Klopstock und Büsch gegründeten, von aufgeklärten und empfindsamen Hamburgerinnen geprägten Lesegesellschaft einen ihn anziehenden Kreis, der ihn als Vorleser zu schätzen wusste.18 Gern gesehener Gast war er am „Theetisch“ der Familie Reimarus, des Arztes Johann Albert Heinrich, seiner Schwester Elise und seiner Frau Sophie.19 Sein Freund Sieveking heiratete 1782 Johanna Margaretha („Hannchen“) Reimarus. (Abb. 2 und 3) Ihr Landsitz in Neumühlen wurde neben den gastfreundlichen Häusern von Büsch und Reimarus zu einem der geselligen Mittelpunkte an der Niederelbe.20 Nach dem Tod des Vaters führten Voght und Sieveking gemeinsam das „Handlungshaus Caspar Voght & Co.“, seit 1788 firmierte es als „Voght & Sieveking“. Georg Heinrich Sievekings Nachfahr und Biograph, der Ökonom und Historiker Heinrich Sieveking, hat das Auf und Ab der Firma, ihre weitgespannten europäischen, asiatischen und amerikanischen Handelsbeziehungen ausführlich nachgezeichnet.21 Die Freunde erkannten und nutzten die Möglichkeiten des direkten Handels mit den unabhängig gewordenen Vereinigten Staaten von Nordamerika. „Die Aussichten des Hamburger Handels umspannten damals die ganze Welt. Für eine Zeit lang schien das Monopol der Kolonialmächte gebrochen. ‚Ich war der erste Hamburger Kaufmann‘, meinte Voght später, ‚der aus Mocca Kaffee, aus Baltimore Toback, aus Surinam Kaffee, aus Afrika Gummi holte‘“.22 Doch auf Dauer befriedigte das kaufmännische Geschäft Voght nicht, 1793 trat er aus der Firma aus, gründete eine neue und konzentrierte sich fortan auf den Handel Caspar Voght: Aufklärer, Reformer und „Meister der Geselligkeit“ Abb. 1 Gotthold Ephraim Lessing, Kupferstich von Bause nach Anton Graff, 1772, SHMH Hamburg Museum 15 Abb. 2 Georg Heinrich Sieveking, Gemälde von Johann Ernst Heinsius, 1782/84, Privatbesitz Abb. 3 Johanna Margaretha Sieveking, Gemälde von Johann Ernst Heinsius, 1782/84, Privatbesitz 16 mit Nordamerika.23 Enge Verbindungen hatte er mit Baltimore, Charleston und Alexandria.24 1799 gab er sein Unternehmen auf. Seit 1785 hatte er begonnen, im holsteinischen Flottbek westlich von Altona Land zu erwerben.25 Als Kind und junger Mann hatte er den väterlichen Garten im französischen Stil in Hamm geliebt, „den schönsten Garten um Hamburg“.26 „Wer an den alten Bäumen und den Wiesen des Jenischparks sich erfreut“, schrieb Heinrich Sieveking um 1940, „sollte manchmal sich erinnern, daß diesen Park ein Liebender geschaffen. Zu Ehren der von ihm schwärmerisch angebeteten Frau Pauli, geborenen Poel, verwandelte der Hamburger Caspar Voght die sumpfigen Wiesen einiger Bauernhufen in dies Kleinod der Landschaft.“27 Voght selbst erinnerte sich im Alter an diese Zeit der Liebe zu Magdalena (Manon) Pauli: „Wohl zwey Jahre dauerte dieses glückliche Leben. Es fiel in die Zeit des frühen Besitzes Flottbecks, meiner ersten Verschönerungen, des Glücks was ich da nun reich verbreitete. Durch sie, für sie war alles. Jeder Punkt vom hohen Elbufer, wo die Natur uns hoch entzückt hatte, erhielt sein Monument – jeder Ort, der durch ihr Wort, ihren Blick mir heilig geworden war. Heimlich und unzugänglich war der Ort, wo der seelenerhebenden Liebe, den Umarmungen des Amor und der Psyche, ein Altar stand.“28 (Abb. 4) Neben den Anfängen der Flottbeker „Verschönerungen“ übernahm Voght erste Ämter in der kaufmännischen und städtischen Selbstverwaltung, engagierte sich in der Patriotischen Gesellschaft und gehörte mit Johann Kopitzsch Georg Büsch, Johann Arnold Günther und Nicolaus Matsen zu den Initiatoren und Organisatoren der Allgemeinen Armenanstalt von 1788. Diese Männer befassten sich mit den Ursachen von Armut und Bettelei, sahen sie nicht in Laster und Müßiggang, sondern in konkreten strukturellen und konjunkturellen Bedingungen begründet, erkannten auch den Armen Menschenrechte und Menschenwürde zu. Mit ihren Prinzipien Arbeit statt Almosen, Erziehung und Bildung der Kinder der Armen, Versorgung der alten und kranken Armen, mit ihrer Selbstverwaltung durch die Bürger, mit ihrer Transparenz und „Publicität“, der genauen Rechenschaftslegung über Einnahmen und Ausgaben, wurde die Hamburger Armenreform zu einem weithin beachteten Erfolgsmodell der Sozialreform. Die Armen wurden regelmäßig aufgesucht, Kontrollen, Ordnung und Disziplin gehörten zum Programm. Begünstigt durch eine Hochkonjunktur, konnten im ersten Jahrzehnt beachtliche Erfolge erzielt werden. Wirtschaftliche und politische Krisen führten seit 1799 zu Einschränkungen und zum Niedergang. Das umfassende Programm konnte nicht mehr umgesetzt werden. Dennoch gehört die Hamburger Armenreform zu den großen Leistungen der praktisch-gemeinnützigen Reformbewegung der Aufklärung.29 Begeistert begrüßten Sieveking, Voght und ihre Freunde die Französische Revolution. Am 14. Juli 1790 veranstaltete Sieveking in Harvestehude ein Freiheitsfest, an dem auch Klopstock und Voght teilnahmen.30 Während Caspar Voght: Aufklärer, Reformer und „Meister der Geselligkeit“ Abb. 4 Magdalena Pauli, um 1820, Focke-Museum – Bremer Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte 17 CASPAR VOGHT – WELTBÜRGER VOR DEN TOREN HAMBURGS CASPAR VOGHT IN KLEIN FLOTTBEK D1 Caspar Voght (Abb. S. 10) Jean Laurent Mosnier (1743–1808), 1801 Aquarell von Jacob Gensler von 1837 z.B. sieht man den bereits gebrechlichen Baron mit Spazierstock in Begleitung seines Sekretärs (Abb. S. 38). Öl/Lwd., 129 x 99 cm AM, Inv. Nr. 1929-505 siehe Aufsätze von Susanne Geese/ Kerstin Petermann und Nicole Tiedemann-Bischop D3 Tafelervice aus dem Besitz von Caspar Voght Berlin, Königliche Porzellanmanufaktur, 1803 Porzellan, bemalt und vergoldet AM, Inv. Nr. 1957-107a–m, 1957-114a+b, D2 Spazierstock 1961-92a+b um 1830 Holz, Elfenbein, L. 85,3 cm AM, Inv. Nr. 2013-7 Der Spazierstock stammt vermutlich aus dem Besitz Caspar Voghts. Auf dem D3 Im Winter 1802/03 weilte Caspar Voght auf Wunsch des Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen fünf Monate in Berlin. In dieser Zeit erarbeitete Voght Reformvorschläge zur Organisation des Armenwesens in Berlin. Der preußische König bat ihn, in seinem Anerkennungsschreiben vom 28. März 1803, verdienstvollen Männern und Armenfreunden bei der Umsetzung der Reformpläne „mit Ihrem einsichtsvollen Rat“ beizustehen. Als Dank für Voghts vorzügliche Arbeit verehrte ihm der preußische König das kostbare Tafelservice. Zeitgleich gab der König das Service bei der KPM als Geschenk in Auftrag. Aus den Akten des KPM-Archivs geht hervor, dass dem König für die Bestellung ein Musterteller vorgelegt worden ist, nach dessen Vorbild das Tafelservice ausgeführt wurde. Die Auslieferung des Services ist noch für das Rechnungsjahr 1803 belegt. Der ursprüngliche Umfang ist nicht bekannt, D2 Caspar Voght – Weltbürger vor den Toren Hamburgs 159 allerdings wurden laut Rechnung der KPM Hauptkasse für die Fracht von fünf Kisten Porzellan für den Dänischen Etatsrat Baron von Voght nach Hamburg 19 Reichsthaler verausgabt (Quelle: SPSG, KPM-Archiv (Land Berlin), Aktensammlung). Das heute noch aus 81 Teilen bestehende klassizistische Tafelservice aus Tellern, Deckeldosen, Schüsseln und Schalen mit Vergoldung und teilweise aufwändig durchbrochenem Rand ist bemalt mit dem Dekormotiv der blauen Ackerwinde, das um 1800 entwickelt wurde. Botanisch sehr getreu und in feinen Farbabstufungen sind die blühenden Windenranken auf dem Porzellan wiedergegeben. Das Monogramm „FWR“ – Friedrich Wilhelm Rex – weist es als Geschenk des preußischen Königs aus. Die Ackerwinde als Dekor könnte als Hommage des Königs an Voght und seine ornamented farm gedeutet werden. Andrea Borck auf die Teufelsbrücke war ein beliebtes Motiv der Künstler und bevorzugter Aufenthaltsort der zahlreichen Ausflügler im Flottbeker Park. D5 Bibliothekstisch D4 Tasse mit Ansicht von Flottbek um 1820/30 um 1830 Mahagonifurnier, wohl auf Nadelholz, Porzellan, farbige Emailmalerei, Gold- 76 x 122,5 x 92,5 cm auflage AM, Inv. Nr. 1932-798 Die Tische waren mit „kostbaren Kupferwerken, mit Reisebeschreibungen, Handzeichnungen und Malereien junger, von ihm beschäftigter Künstler bedeckt“. Ein „gutes Mineralien Cabinet“ hatte Voght während seines Aufenthaltes in London 1794 erworben. Welche Mineralien dieses umfasste, ist nicht bekannt. Die gezeigte Auswahl vereint Mineralien aus verschiedenen, von Voght bereisten Regionen. im Goldrand unten bez. „Flottbeck bey Literatur: Voght 1964, S. 20 (Brief an J. M. Hamburg“ AM, Inv. Nr. 1991-251a, b Der Kupferstich „Ansicht von Flottbeck bei Hamburg" von J.V. Veith nach Anton Radl (Kat. Nr. 155) diente dem Porzellanmaler dieser Sammeltasse als Vorbild. Das Tal der Flottbek mit Blick D6 Armlehnstuhl Sieveking, London 23.2.1794); Neuer Ne- um 1840 krolog 1841, S. 325 Mahagonifurnier auf Nadelholz, mit Ahornadern, 84 x 59 x 47 cm AM, Inv. Nr. 1970-324 D9 Friedrich Gottlieb Klopstock (1727–1803) (Abb. S. 52) Johann Heinrich Wilhelm Tischbein D7 Erdglobus (1751–1829), 1802 Newton & Son, um 1851 Aquarell, 36 x 29 cm wohl Mahagoni, Untergestell schwarz AM, Inv. Nr. 1934-125 gebeizt und lackiert, Papier, H. 47 cm, Dm. 43 cm AM, Inv. Nr. AB 13788 D8 Mineraliensammlung Mineralogisches Museum der Universität Hamburg Voght besaß eine Mineraliensammlung und eine Sammlung physikalischer Instrumente, zu denen eine kleine Elektrisiermaschine gehörte, wie Wilhelm von Humboldt nach einem Besuch in Flottbek berichtete. Die Sammlungen und weitere Kunstsachen bewahrte Voght in Glasschränken in seiner Bibliothek auf. Von dem Aquarell gibt es eine Wiederholung, die 2010 im Kunsthandel auftauchte. Dieser Tuschzeichnung ist eine Widmung mit einem Vers aus dem Messias, Klopstocks gerühmtem Epos, an einen unbekannten Freund und die Jahreszahl 1802 beigegeben. Sie bezieht sich vermutlich auf ein heute verlorenes Ausgangsgemälde. Eine leicht veränderte Variante – mit anderer Blickrichtung und anderem Oberkörper – zeigen das Gemälde im Klopstockhaus in Quedlinburg und mehrere Repliken, u. a. eine im Hamburg Museum. Klopstock, der seit 1770 in Hamburg lebte, zählte zu den verehrtesten Dichtern seiner Zeit. Zusammen mit Johann Georg Büsch gründete er eine Lesegesellschaft, die sich laut ihrer Statuten jeden Donnerstag um halb fünf Uhr traf, „um [...] deutsche Schriften, die der Deklamation fähig u. würdig sind“ und von einer der Damen ausgewählt wurden, unter dem Bild der Teone vorlesen zu lassen. Das Gemälde der Teone von Johann Heinrich Tischbein d.Ä., das dieser der Gesellschaft schenkte, befindet sich heute in der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek. Auch Caspar Voght, der schon in jungen Jahren mit seinen Freunden Georg Heinrich Sieveking und Michael Hudtwalcker einen Leseklub („Lesebibliothek“) gegründet, den empfindsamen Dichter Klopstock verehrt und sich mit seinen Freunden am Grab von Meta Klopstock getroffen hatte, nahm häufig an diesen Treffen teil. Sehr schnell scheint man dort jedoch mehr dem Kartenspiel als dem Lesen zugeneigt gewesen zu sein. Lesegesellschaften waren wichtige Sozietäten der Aufklärung, das Lesen von Literatur aller Wissensgebiete Voraussetzung für aufklärerisches Handeln. Für Voght bedeutete das Lesen in jungen Jahren eine „Geistesbefreyung“. D11 Stuhl Ende 18. Jh. Mahagoni mit Ahornadern und -rosette, Rosshaarbezug H. 98 cm, B. 50 cm, T. 49 cm AM, Inv. Nr. 1937-559 D12 Stuhl England oder Frankreich, Ende 18. Jh. Mahagoni mit Buchenzargen, Rosshaarbezug H. 95 cm, B. 54 cm, T. 51 cm AM, Inv. Nr. 1954-38 D13 Stampfmühle bei Itzehoe Louis Gurlitt (1812–1897), um 1830 Öl/Lwd., 98 x 78 cm AM, Inv. Nr. 1996-24 D14 Teeservice um 1820 Steingut mit Aufglasurmalerei und Vergoldung Teekanne, H. 15 cm, L. 28,3 cm, B. 12 cm Zwei Tassen mit Untertassen, H. ca. 6 cm, B. 9 cm, Dm. (Tasse) 6,5 cm, Dm. (Untertasse) 13,9 cm AM, Inv. Nr. 1977-223,1; 1977-223,8–9 und Literatur: Klopstock Briefe, Bd. 2, S. 789; 13–14; 1961-92a+b Kopitzsch 1990, S. 404ff.; Voght 2001, S. 30 D15 Kaffeekanne mit Réchaud D10 Tisch Johann Huess, Hamburg, um 1790 um 1800 Silber, H. 24 cm, B. ca. 22 cm Mahagoni mit Messingauflage AM, Inv. Nr. 1666 H. 77,8 cm, Dm. der Platte 71,5 cm AM, Inv. Nr. 1943-60 D4 160 Katalog Caspar Voght – Weltbürger vor den Toren Hamburgs 161 D17 Teedose Johann Joachim Burgwardt (1747–1797), Itzehoe, um 1760–70 Silber, H. 13,2 cm, B. 7,7 cm AM, Inv. Nr. 1981-207 D18 Teekanne Friedrich Löwenhagen, Altona, 1815 Silber, H. 20 cm, B. 30 cm AM, Inv. Nr. 1330 D19 Schachspiel Figurensatz Römer gegen Orientalen D18 D19 (ca. 1770–1843), Kiel, um 1820 D20 Spielkartenpresse Unterkleid rekonstruiert. gesetzten Webkanten. Handgesäumt, bemaltes Zinn Mitte 19. Jh. AM, Inv. Nr. 1963-213 mit angeknüpften Fransen. Offizin Peter Heinrich Löwe D14 verziert mit Spielkarten in Perlstickerei AM, Inv. Nr. 1939-13 AM, Inv. Nr. AB 14344 AM, Inv. Nr. 1932-26 D16 Kaffeekanne mit Sahnekännchen an den Böden graviert: „C.W. / 1815“ Literatur: Ausst. Kat. Hamburg 2005, D22 Shawl Ehlert Hilgen, Altona (Christian Wohlers) Nr. 87 1800–1815 D23 Gehrock Ernst Martin Wilhelm Bielenberg, Hamburg AM, Inv. Nr. 1987-246,1 und 246,4 D21 Chemise à la Grèque Sergé 2 lie 1, lancé um 1800 um 1810 Kette und Grundschuss: Maulbeerseide, Toile Gaze, Kette und Schuss: Baumwolle, blau Kette und Schuss: Leinen, halbgebleicht gebleicht Lancierschuss: Maulbeerseide, gelb, Handgenäht, mit leinenbezogenen Holz- Silber, H. 21,5 bzw. 13 cm D15 162 Katalog Leinenstickereien: Platt-, Schnur- und gelbgrün, weiß, rosa, lachs, rostrot knöpfen Knötchenstich Abgepasst gewebtes Kaschmirtuch mit lan- AM, Inv. Nr. Psi 602 Ajourstickerei: Zuggrund cierten Palmettenbordüren und farbig ab- D16 Caspar Voght – Weltbürger vor den Toren Hamburgs 163