DIVERSITY Ausbilder Handbuch - Fokus
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DIVERSITY Ausbilder Handbuch - Fokus
MODULAR TRAINING SYSTEM FOR HANDICAPPED IN PROVIDING ATTENDANT SUPPORT Leonardo da Vinci Pilot Projekt DIVERSITY Ausbilder Handbuch ZIEL Das Modul soll die TeilnehmerInnen befähigen, das Konzept Diversity zu verstehen. Die TeilnehmerInnen sollen lernen, von ihrer eigenen Betroffenheit zu abstrahieren, aber dennoch auf der Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen und der Auseinandersetzung damit, Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen und Lebensbedingungen zu beraten und sie zu befähigen, ihre eigenen Lösungswege zu entwickeln. Der Lohn für die Anpassung ist, dass jeder dich mag, außer du selbst.“ - Rita M a e B r o w n , Romanschriftstellerin DIVERSITY Inhalt Voraussetzungen................................................................................................ 4 Übergeordnetes Ziel ........................................................................................... 4 Ziele.................................................................................................................... 4 I. Das Konzept Diversity ................................................................................. 5 Instruktionen für die Trainer: ........................................................................... 5 Zugrundeliegende Regeln: .............................................................................. 6 Übung: „Diversity awareness“ – sich der Unterschiede bewusst werden ........ 7 Filme: .............................................................................................................. 8 Zur Erinnerung ................................................................................................ 9 Impulsreferat: .................................................................................................. 9 Menschenbild und Annahmen:...................................................................... 13 Test ............................................................................................................... 14 II. Diversity Training....................................................................................... 15 Eingangsatemübung: .................................................................................... 15 Übungen zur Körpersprache ......................................................................... 16 Zwei Simulationsspiele: mit Unterschieden klarkommen............................... 16 A. Handianer und Deutsche:...................................................................... 16 B. Autobahnbau – Resilianer und Katonaner............................................. 25 Input: Gesprächstechniken:........................................................................... 29 Sich der eigenen Erfahrungen bewusst werden (z.B. von Behinderung) ...... 31 III. Diversity Management ........................................................................... 33 Impulsreferat ................................................................................................. 33 Diversity Management Training..................................................................... 36 Zur Erinnerung .............................................................................................. 38 Gruppenarbeit: .............................................................................................. 39 IV. Beispiele von Gleichstellungsgesetzen .................................................. 39 Impulsreferat: ................................................................................................ 39 Zur Erinnerung .............................................................................................. 40 Beispiele internationaler Gesetze.................................................................. 41 Artikel 13 Amsterdamer Vertrag .................................................................... 41 Gender Mainstreaming.................................................................................. 42 Zur Erinnerung .............................................................................................. 44 Test ............................................................................................................... 45 V. Konzepte von Empowerment..................................................................... 45 Impulsreferat: ................................................................................................ 46 Gruppenarbeit: .............................................................................................. 48 Zur Erinnerung: ............................................................................................. 50 Psychiatrische Intervention in der Gemeinde ................................................ 51 2 Zur Erinnerung .............................................................................................. 52 Test ............................................................................................................... 53 Bibliographie .................................................................................................. 54 Weiterführende Literatur ............................................................................. 54 Links ................................................................................................................ 56 3 Voraussetzungen Die TeilnehmerInnen sollten Vorkenntnisse in Beratungsarbeit, Gesprächsführung, Beziehungsarbeit und Grundlagen in Recht besitzen. Übergeordnetes Ziel Das Modul soll die TeilnehmerInnen befähigen, das Konzept Diversity zu verstehen. Die TeilnehmerInnen sollen lernen, von ihrer eigenen Betroffenheit zu abstrahieren, aber dennoch auf der Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen und der Auseinandersetzung damit, Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen und Lebensbedingungen zu beraten und sie zu befähigen, ihre eigenen Lösungswege zu entwickeln. Ziele Nach einer erfolgreichen Teilnahme an diesem Modul sollen die TeilnehmerInnen 1. die unterschiedlichen Dimensionen des Konzeptes Diversity kennen. 2. etwas über die ethischen Prinzipien und Annahmen des Konzeptes wissen. 3. sich mit ihrer eigenen Lebensgeschichte und ihren eigenen Erfahrungen auseinandergesetzt haben und von ihren eigenen Erfahrungen abstrahieren können. 4. sensibilisiert sein für die vielfältigsten Unterschiede bei Menschen. 5. Gesprächsführungstechniken kennen gelernt haben, in denen sie vielfältige Lebensentwürfe wahrnehmen und damit arbeiten können und befähigt werden, das Gegenüber bei eigenen Lösungswegen zu unterstützen. 6. Diversity Trainingsmethoden kennen. 7. wissen, was unter Diversity Management zu verstehen ist. 8. Grundlagen über Antidiskriminierungsgesetze und relevante rechtliche Bestimmungen besitzen. 9. das Konzept Empowerment kennen gelernt haben. 4 I. Das Konzept Diversity Das Konzept Diversity Praxis: - grundlegende Kommunikationsregeln - Übungen: „Wahrnehmung von Diversity“ - Filmbeispiele - Arbeitsgruppen: Diskussion des Menschenbildes Theorie: - Diversity - Menschenbild und damit verbundene Annahmen Anforderungen an Ausstattung: mehrere Räume Beamer, Laptop evtl. Overhead-Projektor DVD Spieler Flipchart Metaplan, verschieden farbige Karten verschieden farbige Stifte, Zeitschriften, Scheren, Kleber 285 Minuten (4 Stunden, 45 Minuten) gesamt 240 Minuten 30 Minuten 90 Minuten 90 Minuten 30 Minuten 45 Minuten 25 Minuten 20 Minuten Anleitungen für die Ausbilder: Es ist ratsam, dass dieses Modul von einem Team von Trainern (oder mindestens zwei Trainern) angeboten wird, die unterschiedliche Fähigkeiten und Hintergründe besitzen (unterschiedliches Geschlecht, Alter, Kultur, Behinderung...). Sich mit dem Konzept Diversity zu beschäftigen, heißt nicht nur, sich inhaltlich mit den Unterschieden zwischen Menschen zu beschäftigen, sondern auch, dass den TeilnehmerInnen unterschiedliche Zugangsweisen ermöglicht werden sollten und zwar sowohl durch Methodenvielfalt als auch durch die Arbeit mit Unterschieden der TeilnehmerInnen und der Ausbilder. Dies basiert auf der Annahme, dass TeilnehmerInnen und Ausbilder sich in ihren Lernstilen, Bedürfnissen, Stärken und Fähigkeiten unterscheiden und dass Lernmethoden dafür geeignet sein sollten, diesen Unterschieden gerecht zu werden. 5 Grundsätzliche Überlegungen: • TeilnehmerInnen sollten die Möglichkeit haben, in kleinen Gruppen oder zu zweit zu arbeiten. • Die TeilnehmerInnen sollten unterschiedliche Möglichkeiten zum Schreiben nutzen können: Stift und Papier, Computer, Internet, Buntund Filzstifte etc. Es sollte erlaubt sein, auch Bilder zu malen oder Photos aus Zeitschriften zu benutzen statt nur geschriebener Worte. • Die TeilnehmerInnen können dafür Anregungen bekommen (z.B. durch Merkblätter zur Benutzung möglicher Materialien). • Es ist hilfreich, TeilnehmerInnen erzählen zu lassen, anstatt dass Gedanken aufgeschrieben werden. • Die TeilnehmerInnen sollten genug Zeit haben. • Die TeilnehmerInnen sollen ihre eigenen Standards und Beurteilungskriterien erarbeiten dürfen. • Weiterführende Aufgaben oder Hausaufgaben wie zum Beispiel Internetrecherche, Interviews und das Recherchieren von Literatur, Filmmaterial und Fachbüchern sollen den TeilnehmerInnen gründlich erklärt werden. • Die TeilnehmerInnen sollten sich bei jeder Aufgabe entscheiden können wie sie arbeiten wollen, z.B. ob alleine oder mit einem Partner, ob am Schreibtisch oder auf den Boden sitzend, ob sie einen Text lesen oder ihn hören. • Biete die TeilnehmerInnen unterschiedliche Zugänge zu den Inhalten der Texte – sie können Texte zusammenfassen, szenisch darstellen oder einander interviewen, um andere Sichtweisen und Interpretationen zu erfahren. Das Modul beginnt damit, grundlegende Kommunikationsregeln der Ausbildungsgruppe zu diskutieren und zu verabreden: Die Gruppe kann diese Regeln diskutieren und ergänzen. Die Regeln können auf farbigen Karten sichtbar fixiert werden (Wandzeitung, Metaplan o.ä.). Zugrundeliegende Regeln: Bitte keine Urteile fällen und Richtig-Falsch-Aussagen vermeiden. 6 Benutze die Ich-Form, um deine eigene Sichtweise zu gewinnen. Bleibe bei deinen Gefühlen, keine detailreichen Tatsachengeschichten. Höre gut zu. Stimme nicht zu oder widerspreche nicht, bevor dein Gegenüber den Satz beendet hat. Das was in der Gruppe ausgesprochen wird, bleibt in der Gruppe. Veröffentliche Deine Bewertungen, Vermutungen und (Vor)Urteile, damit sie für dich und andere sichtbar werden. Verlangsame das Tempo; innovative und kreative Kommunikation ist langsam. Übung: „Diversity awareness“ – sich der Unterschiede bewusst werden 1. Es werden Gruppen von drei oder vier TeilnehmerInnen gebildet. Jede Teilnehmerin1 schreibt ihre Überlegungen und Erwartungen über eine andere Teilnehmerin auf ein Blatt Papier. Was glaubst du von deinem Gegenüber: wie ist ihr Name, ihr Alter, ihre Nationalität, ihre Konfession, ihr familiärer Hintergrund, ihre berufliche Ausbildung, was arbeitet sie? Dann stellt jede Teilnehmerin ihr Gegenüber vor. „Darf ich euch Petra vorstellen? Sie ist 54 Jahre alt und kommt aus Pakistan. Sie lebt...“ Anschließend stellt „Petra“ sich mit ihrem echten Namen, Alter usw. vor. Auswertung: Mit dieser Übung können eigene Vorurteile und Bewertungen entlarvt werden. Es wird sichtbar, dass Realität nicht „objektiv“ ist, sondern eine Konstruktion. Wir benutzen Klischees, um Menschen einzuordnen. Je weiter weg sich jemand von uns befindet, desto mehr Klischees benutzen wir. Es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein, bewusst zu sein, dass unser Denken permanent unsere Realität produziert. 2. Die TeilnehmerInnen bekommen die Aufgabe, sich im Raum aufzustellen nach bestimmten Kriterien wie: Alter (bildet eine Linie durch den Raum, am einen Ende die Jüngste, am anderen Ende der Älteste) Geschlecht 7 Ethnizität/Nationalität religiösem Glauben sexueller Orientierung Behinderung oder/und Kriterien wie Größe, Augenfarbe, Geburtsort.... Welche weiteren Unterscheidungsmöglichkeiten fallen den TeilnehmerInnen ein (Sportlichkeit, Bildungsabschluss, geschiedene Eltern etc.)? Welche Bilder ergeben sich? Wie einheitlich/uneinheitlich sind die Zuordnungen? Welche Gruppen sind groß, welche klein? Gibt es immer eindeutige Zuordnungen? Bitte Fotos machen und die unterschiedlichen Gruppen fotografisch festhalten. Was war überraschend, was nicht? Was glauben die TeilnehmerInnen was gesellschaftlich relevant ist? Ist die Frage beispielsweise nach sexueller Orientierung für einzelne TeilnehmerInnen unangenehm? Arbeitet mit Werbungsanzeigen aus Zeitschriften und diskutiert folgende Fragen: Welche Kriterien stellen bestimmte Zugangsfilter dar z.B. bei Stellenbeschreibungen, die implizit oder explizit bestimmte Gruppen bevorzugen? Die TeilnehmerInnen bitte immer wieder an die verabredeten Kommunikationsregeln erinnern. Filme: Zur Einführung können mehrere Filmausschnitte gezeigt werden, die unterschiedliche Lebensentwürfe zeigen. Zum Beispiel: Ein Dokumentarfilm über zwei Lesben, die einen Schrotthandel haben und die unheimlich glücklich darüber sind, schwere Sachen zu tragen. Dieses Paar ist absolut wunderbar, um viele Vorurteile zu entlarven. Den Film “Beautiful Mind”. Eine Dokumentation über Steven Hawking. Den Film “Kick it like Beckham”. 1 Hier wird der Einfachheit halber nur eine Form gewählt und zwar die weibliche. Mitgemeint 8 Den Film “Camille Claudel”. Den Film “Benny and Joon”. Die unterschiedliche Eindrücke sollen im Anschluss diskutiert werden orientiert an den Fragen oben. Sammelt die Ergebnisse dieser Fragen und der Diskussion der Filme. Schreibt die Konsequenzen und Resultate auf den Flipchart oder den Metaplan. Zur Erinnerung • Menschen können nach verschiedenen Kriterien unterschieden werden. • Es gibt sichtbare/offensichtliche und nicht sichtbare Unterschiede. • Es gibt Unterschiede die man nicht erwartet. • Wir haben alle Vorurteile und Vorannahmen über Menschen, denen wir zum ersten Mal begegnen. • Wir benutzen Klischees um Menschen zu klassifizieren. • Die Realität ist nicht objektiv, sie ist eine Konstruktion. • Die Übungen schaffen ein Bewußtsein für Diversity. Impulsreferat: Deine Präsentation sollte spannend sein und verschiedene Medien verwenden, z.B. Flipchart, PowerPoint, Fotos. Nach einer kurzen Pause sollten den TeilnehmerInnen die Gelegenheit gegeben werden, Fragen zu stellen. Anschließend folgt Gruppenarbeit. Stelle sicher, dass die TeilnehmerInnen deine Präsentation verstanden haben. Das Thema Diversity ermöglicht im wahrsten Sinne des Wortes vielfältige Zugänge und unterschiedliche Sichtweisen. Diversity meint die Unterschiedlichkeit, die aus der Vielfalt von Menschen entsteht, die alle einzigartig sind. Außerdem beschreibt es eine Denkhaltung, die durch ein erhöhtes Bewusstsein für die vielfältigen sind selbstverständlich auch männliche Teilnehmer. 9 Unterschiede und ihren Einfluß auf unser Miteinander gekennzeichnet ist. Dabei spielen Werte und Einstellungen gegenüber Differenz und der Umgang mit „anderen“ eine Rolle, also wie tolerant, respektvoll und wertschätzend Menschen mit den Unterschieden anderer umgehen und inwiefern sie diese einbeziehen. Diversity in diesem Sinne thematisiert Individualität nicht als das Trennende, sondern sieht Unterschiedlichkeit als etwas Verbindendes. Dazu muss Vielfalt allerdings zunächst erkannt werden, bevor sie anerkannt und als Chance genutzt werden kann. Das bedeutet, dass Einstellungen und Gefühle bewusst werden müssen. Ein besonderes Anliegen besteht darin, verbreitete Stereotype und die damit vielfach verbundenen Vorurteile, die häufig zu Diskriminierungen führen, abzubauen, damit durch eine Geisteshaltung von Offenheit die Voraussetzung für Teilhabe und Partizipation geschaffen wird. Dieser Ansatz von Wertschätzung von Unterschiedlichkeit stellt somit Fragen an menschliche Grundhaltungen: „Welche fundamentale Einstellung habe ich zu Unterschiedlichkeit? Wie gehe ich auf Menschen zu, die „anders“ sind? Wie offen bin ich für andere Sichtweisen und für Anregungen anderer?“ und wie kann darüber hinaus ein respekt- und verständnisvoller Umgang gegenüber dieser an/erkannten Vielfalt gewährleistet und etabliert werden. Er geht somit über reine „Toleranz“ hinaus, vielmehr müssen bestehende Denk- und Verhaltensweisen bewusst gemacht, überdacht und gegebenenfalls geändert werden. Diversity unterstützt das Grundverständnis für Chancengleichheit. Das Ziel ist nicht die Gleichbehandlung, sondern die Berücksichtigung von Unterschieden, um gleiche faire Ausgangsbedingungen herzustellen. Dabei soll jegliche Art von Bevorzugung abgebaut werden (positive Diskriminierung). Seit der erstmaligen Erwähnung vor ungefähr 15 Jahren (siehe auch III. „Diversity Management“), hat sich der Rahmen für Diversity von den ursprünglichen Kerndimensionen „Geschlecht“ und „Ethnizität“ erheblich erweitert und umfasst im Prinzip sämtliche denkbaren Unterschiede zwischen Menschen. Allerdings gibt es sechs sogenannte „Kerndimensionen von Diversity“: 10 1. Gender (soziales/biologisches Geschlecht): Frauen, Männer, Transgender-Personen 2. Ethnizität / Rasse / kulturelle Herkunft 3. Alter: Menschen aller Generationen – von jung bis alt 4. Behinderungen: Menschen mit oder ohne physische, psychische oder geistige Behinderung 5. Religion, Glaube 6. sexuelle Orientierung: heterosexuell, homosexuell, bisexuell, asexuell. Diese Kategorien stellen biologische und soziale Faktoren dar, die Menschen von Natur aus gegeben sind, ihre Lebenswelten erheblich prägen und/oder praktisch nicht veränderbar sind (besonders 2., 3. und 4.). Diese Faktoren werden ebenso im Artikel 13 des EU-Vertrages (Amsterdamer Vertrag), in der entworfenen europäischen Menschenrechtscharta sowie in den Antidiskriminierungsrichtlinien der EU genannt als besonders schützenswerte Dimensionen (siehe IV. Beispiele von Gleichstellungsgesetzen). Sie stehen nicht separat nebeneinander, sondern greifen ineinander und überlagern sich. Weiterhin verändern viele Dimensionen ihre Bedeutung im Kontext anderer Dimensionen, z.B. Alter oder sexuelle Orientierung in verschiedenen Kulturen. Darüber hinaus können weitere Dimensionen differenziert werden, beispielsweise: • persönliche Situation (Familienstand, persönliche Wahrnehmung, soziale Umgebung und sozio-ökonomischer Hintergrund, persönliche Erfahrungen und Hintergründe, Denkart, Lebensziele, Mobilität), • Bildung und Ausbildung • Arbeitsplatz (Arbeitsbedingungen, Vergütungsmodelle, Berufsmodelle, Unternehmensphilosophie, Arbeitsorganisation, Arbeitszeiten, Arbeitsgebiet, Standort, Lerntyp, Berufsziele, Teamverhalten, soziale und/oder methodologische Kompetenzen, Denk- und Arbeitsstil, Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit, Hierarchie) • physische Charakteristiken 11 • Besonderheiten der nationalen Herkunft (ausgehend von der jeweiligen Geschichte und Kultur z.B. Irland: Religion; Belgien und Schweiz: Sprache; Ungarn: Roma und Sinti) • gesellschaftliche Bedingungen (demografischer Wandel, veränderte Beziehungen zwischen Menschen, individueller Wertewandel, allgemeine Differenzierung und Individualisierung, rechtliche Entwicklungen) Ein weiteres Unterscheidungskriterium besteht in der (zumindest scheinbaren) Sichtbarkeit (wie Ethnie, Geschlecht und Alter) bzw. der subtileren Wahrnehmbarkeit (wie Nationalität) und den kaum sichtbaren Unterschieden (wie Persönlichkeit, kulturelle Werte, sexuelle Orientierung, Bildung etc.). Diversity im Sinne von Vielfalt thematisiert also verschiedene Faktoren von Unterschiedlichkeit. Noch einmal: ein besonderes Risiko ist dabei der Wunsch nach einer Reduzierung von Komplexität: wenn nur einige wenige Unterscheidungsfaktoren bei gleichzeitiger Betonung von Unterschiedlichkeit im Sinne von trennendem Anderssein ausgewählt werden, entstehen klassische Feindbilder zwischen denjenigen, die der Norm entsprechen, also „normal“ sind und denen, die sich unterscheiden. Beachtung finden dann beispielsweise im Diversity Management bei bestimmten Unternehmen nur einzelne Kerndimensionen wie Geschlecht, Kultur, eventuell noch Alter und Behinderung; sexuelle Orientierung oder Religion dagegen werden u.U. nicht berücksichtigt. Zur Erinnerung • ‘Diversity’ bedeutet eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Unterschiedlichkeit des menschlichen Lebens. • Dies beinhaltet die Wahrnehmung von Einstellungen und Gefühlen: wie gestalten sich Beziehungen zu Menschen, die irgendwie „anders“ sind? • Ein Ziel ist der Abbau von weitverbreiteten Stereotypen und Vorurteilen sowie der Förderung eines respektvollen und verständnisvollen 12 Umgangs mit Differenz. Das Ziel davon ist, eine gleiche und faire Ausgangsposition für alle zu sichern und nicht alle gleich zu behandeln. • Diversity hat sechs Kerndimensionen: Gender, Ethnizität, Alter, Behinderung, Religion und sexuelle Orientierung. • Es können weitere Dimensionen beschrieben werden: persönliche Situation, Bildung, Arbeit, physiologische Eigenschaften und gesellschaftliche Bedingungen. Menschenbild und Annahmen: Dies ist der Versuch, Annahmen und das damit verbundene Menschenbild zu skizzieren, wobei diese Aufzählung nicht als vollständige und abgeschlossene zu betrachten ist. Es geht davon aus, dass jeder Mensch einzigartig ist und jeder unterschiedliche Bedürfnisse hat. Menschen sich frei entfalten und selbst verwirklichen wollen und sollen. Menschen ihr volles Potential entwickeln sollen. keine Person von der Gemeinschaft ausgeschlossen und diskriminiert werden soll. man sich respektvoll gegenüber allen anderen Menschen zu verhalten hat. dies die Lebensqualität steigert, indem für Einzelne wichtige Belange unterstützt werden, wie z.B.: Fähigkeiten, Interessen und Möglichkeiten. jeder Mensch selbstkritisch die eigenen Reaktionen und die des Gegenübers überprüfen soll. jeder Mensch die Fähigkeit zur Empathie besitzt. die eigenen Erfahrungen genutzt werden können, um aufgrund dieser Kenntnisse einen guten/besseren Zugang zu den Erfahrungen des Gegenübers zu erhalten. Geduld für langsame Veränderung und schwierige Situationen notwendig ist. es jeden Menschen betrifft, der sich mit seiner Meinung, Überzeugung und Erwartung gegenüber anderen auseinander setzt und einen positiven Umgang mit Andersartigkeit erreichen will.2 2 Diversity nach den Seiten der „Society for Human Resource Management“ (SHRM) http:// www.shrm.org/diversity/definingdiversity.asp ) 13 es umfassend genug ist, um jeden mit einzuschließen und genügend viele Dimensionen zu berücksichtigen. jeder Mensch zu bestimmten Zeiten Täter und zu manchen Zeiten Opfer von Diskriminierung und Stereotypisierung ist. Wichtig ist es, sich darüber bewußt zu werden. Menschen verhalten sich ethnozentrisch – sie sehen die Welt durch ihr eigenes begrenztes Blickfeld und beurteilen ihr Umfeld anhand dessen, was ihnen vertraut ist. Menschen sich sträuben gegen Veränderung und sich ständig bemühen um einen Zustand von Homogenität. Menschen Beruhigung und Vertrauen in Ähnlichkeit finden. Sie tendieren dazu, die Gesellschaft derer zu suchen, die ihnen möglichst ähnlich sind. es schwierig für Menschen ist, Macht zu teilen; die Geschichte belegt, dass dies selten freiwillig und ohne Grund geschieht. Gruppenarbeit Besprecht und ergänzt zusammen die Liste, stimmt ihr mit allen Punkten überein? Test Fragen: 1. Beschreibe einige wesentliche Merkmale des Konzeptes „Diversity“. 2. Benenne die sechs Kerndimensionen von Diversity. 3. Nenne zehn weitere Aspekte. 4. Was ist Deiner Einschätzung nach sozial relevant? 5. Wie hast Du die Gruppenarbeit persönlich erfahren und welche Erkenntnisse und Ergebnisse hat diese Arbeit für Dich? 6. Welche zehn grundlegenden Aspekte des oben skizzierten Menschenbildes sind für Dich wichtig? 14 Die Bewertungskriterien für diesen Abschnitt orientieren sich nicht allein an dem Wissenszuwachs, sondern an der Bemühung des Einzelnen sich dem Konzept Diversity anzunähern. II. Diversity Training Diversity Training 375 Minuten (6 Stunden, 15 Minuten) gesamt 345 Minuten 15 Minuten 30 Minuten 60 Minuten Praxis: - Eingangsatemübung - Körperspracheübung - Simulation: Handianer und Deutsche oder Resilianer und Katonaner - Gruppenarbeit: Sich der eigenen Erfahrungen bewusst 120 Minuten werden - Rollenspiel 120 Minuten Theorie: 30 Minuten - Gesprächstechniken 30 Minuten Anforderungen an Ausstattung: mehrere Räume Scheren, Lineale, Filzstifte, Pinseln, Farben, Schablonen, Wachsstifte, Kreide, Fingerfarben, Zeitungen und Zeitschriften, mehrere postergroße Blätter Papier oder Pappe (mindestens A3) Beamer, Laptop evtl. Overhead-Projektor Videokamera oder Audiorekorder Flipchart Metaplan, verschiedene farbige Karten Ziel des Diversitytrainings ist es, das Bewußtsein für Unterschiede und die Dimensionen von Diversity zu schulen. Kernpunkt bildet dabei die Beziehung zwischen UnterstützerIn/BetreuerIn und KlientIn. Eingeübt werden deswegen Beratungssequenzen. Eingangsatemübung: Unterstütze die TeilnehmerInnen in ihrer Motivation. Starte mit Auflockerung: alle laufen quer durch den Raum. Stelle sicher, dass auch Gehandicappte an 15 dieser Übung teilnehmen können. Das Ziel von dieser Übung ist, das die TeilnehmerInnen zuerst ein Bewusstsein ihrer selbst erlangen. Dies ist eine Übung zur Koordination und Synchronisation von Körper, Atem und Denken. Dies ermöglicht den TeilnehmerInnen, sich ganz auf die Situation einzustellen und ihre Präsenz zu stärken. Atmen ist ein natürliches, überaus wirksames Mittel, Ablenkung zu verhindern. Die TeilnehmerInnen schließen die Augen und zählen in Gedanken etwa einmal in der Sekunde und beobachten die Zeitdauer des Ein- und Ausatmens. Dabei soll auf die Struktur des Atmens und die Körperempfindungen geachtet werden, die es hervorruft. Dann soll jeder Atemzug ausgedehnt werden, bis sie zum gleichmäßigen ruhigen Einund Ausatmen etwa sechs bis acht Sekunden benötigen. Die Gedanken sollen dabei kommen und gehen, ohne auf sie zu achten. Übungen zur Körpersprache Was sind die verschiedenen Elemente der Körpersprache? Zum Beispiel: Augenkontakt, Körperhaltung, eingenommener Raum, Gestik, Mimik. Diskutiert folgende Fragen zusammen oder in kleineren Gruppen: - Welche kulturellen Unterschiede gibt es in der Körpersprache? - Wie wird Körpersprache durch Behinderung beeinflusst oder verändert? Zwei Simulationsspiele: mit Unterschieden klarkommen A. Handianer und Deutsche: Ziele: • Sensibilisierung für interkulturelle Begegnungen (Thematisieren von Kultur, Kulturstandards, kulturspezifischer Kommunikation) • Trainieren von Empathie • Üben von Ambiguitätstoleranz • Ausübung von Rollendistanz Eine Einführung in das Spiel: Es wird das Aufeinandertreffen zweier kulturell verschiedener Gruppen simuliert, die sich kennenlernen und gemeinsam etwas erarbeiten sollen 16 (Plakat). Beiden Gruppen werden vor der Simulation bestimmte Eigenschaften zugewiesen, an die sie sich im Spiel halten sollen. Entgegengesetzte Vorstellungen und Arbeitspraktiken sowie Kommunikationsbarrieren simulieren die Probleme, die beim Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen entstehen können. Das Vorenthalten von Informationen bezüglich der anderen Gruppe soll einem oft mangelhaften oder nur stereotypisierten Wissen über andere Kulturen in der Realität entsprechen. Unter diesen erschwerten Bedingungen eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu leisten, trainiert Empathie und Ambiguitätstoleranz, soll aber auch Spaß machen und einen gewissen Aha-Effekt bei den TeilnehmerInnen auslösen. Eine optionale dritte Gruppe kann als Beobachtergruppe fungieren, um die interkulturelle Begegnung zu analysieren und Problemfelder zu reflektieren. Im anschließenden Plenum sollten die aufgetretenen Missverständnisse und Unsicherheiten gemeinsam thematisiert und erklärt werden, und schließlich auf den alltäglichen Umgang mit Ausländern/fremden Kulturen ausgeweitet und angewandt werden. Spielzeit: circa 60 Minuten: 10-15Minuten zur Vorbereitung, 20-25 Minuten für die Simulation und 20-25 Minuten für die Auswertung/Diskussion. Die Spielzeit ist eine Minimalangabe. Wenn mehr Zeit zur Verfügung steht, können die einzelnen Phasen verlängert werden. Sowohl in der Vorbereitungsphase (besseres Einstudieren der Kultur), aber vor allem in der Auswertungsphase bietet sich eine längere Zeitspanne an, damit die Thematik ausreichend vertieft und ein effizienter Wissenstransfer auf reale Situationen erreicht werden kann. Vorbereitung: • Gruppeneinteilung überlegen und genauen Zeitrahmen abstecken (siehe Spielbedingungen). • Raum mit ausreichend großer Arbeitsfläche (großer Tisch) auswählen, 2 oder 3 voneinander getrennte Aufenthaltsmöglichkeiten für die Gruppen in der Vorbereitungsphase (Phase 1) organisieren. 17 • Materialien in genügender Anzahl besorgen und verdeckt bereitstellen. Gruppe 1: Scheren, Lineal, Marker, Pinsel, Farben, Schablonen Gruppe 2: bunte Wachsstift, bunte Malkreide, Fingerfarben Zeitungen/Zeitschriften (zum Ausschneiden/Reißen), Bogen Papier/Pappe als Plakat (DIN A 3) • Gruppenanweisungen in benötigter Zahl kopieren und nach Einleitung austeilen. • Bei Videoaufzeichnung: Kamera auf Funktion testen und evtl. Einstellungen ausprobieren, Gerät zum Abspielen bereitstellen. Es ist manchmal sehr hilfreich zu hören, welche Erwartungen die TeilnehmerInnen von ihren Projektpartnern hatten. Da kann es sehr interessant sein, Ausschnitte von Videoaufnahmen aus der Vorbereitungsphase zu zeigen. Die Simulation selber sollte in ihrer Gesamtheit gefilmt werden. Wenn das Filmmaterial zusammen mit den Gruppen analysiert wird, ist es spannend zu beobachten, wie die Körpersprache neu verhandelt wird während der Verhandlungen. Versucht herauszufinden, wer aktiver in diesem Prozess ist (und warum). Durchführung: Nach ein paar einführenden Worten werden die Teilnehmer in 2 bzw. 3 Gruppen eingeteilt, maximale Teilnehmerzahl ist 7 Personen pro Gruppe. Die Gruppen 1 und 2 erhalten nur die für sie vorgesehenen Anweisungsblätter (s.u.), sie dürfen die Anweisungen der anderen nicht erfahren. Die Gruppe 3 erhält neben ihrer eigenen Anweisung die Spielbeschreibungen der beiden anderen Gruppen. Phase 1: Die Teilnehmer haben 10 - 15 min Zeit, sich mit den Aufgabenstellungen vertraut zu machen und erste Vorbereitungen zu treffen. Phase 2: Die Gruppe der Deutschen und der Handianer treffen aufeinander (ggf. unter Beobachtung durch Gruppe 3 oder einer Videokamera). Für die Begrüßung und Erfüllung der Aufgabe werden mindestens 20 min Zeit gegeben (ggf. verlängern). Das Spiel wird abgebrochen, wenn die Aufgabe gelöst wurde bzw. sich abzeichnet, dass eine Lösung nicht erreicht werden kann. 18 Phase 3: Jetzt wird die Reflektions- und Diskussionsrunde begonnen, in der die Simulation gemeinsam ausgewertet wird. Diese letzte Phase erfordert eine besonders gründliche Vorbereitung seitens der TrainerInnen (siehe Auswertung, Anhang, Linkliste...). Auswertung: Die Auswertung stellt einen sehr wichtigen Teil der Simulation dar und darf nicht unterschätzt werden. Die TrainerInnen sollten das Gespräch so leiten, dass ein Praxisbezug der Simulation für die TeilnehmerInnen erkennbar wird und bleibt. Die Übung hatte Erfolg, wenn die TeilnehmerInnen das Erfahrene und Gelernte auch verinnerlichen und in einer realen Situation darauf zurückgreifen können. Befragt die TeilnehmerInnen der Simulation (Gruppe 1 und 2) nach ihren Empfindungen und Gedanken während der Simulation. Lasst Gruppe 3 ihre Beobachtungen aus der Außenseiterperspektive vorstellen. Ermutigt die TeilnehmerInnen frei zu sprechen und auch Misserfolge zu nennen. Sucht gemeinsam nach den Gründen für Erfolge und Missverständnisse. Orientiert euch dabei an den Fragen der Beobachtergruppe. Die Diskussion sollte folgende Themenfelder abdecken und in Beziehung zueinander setzen: 1. Kultur • Ausmaß und Regeln für den Körperkontakt unterscheiden sich kulturell sehr stark. • Kontaktkulturen sind wie hier Handianer, oder auch Araber, Lateinamerikaner, Südeuropäer u.a. • Kultur manifestiert sich in Denkweisen (z.B. ästhetisches Empfinden) und Arbeitsweisen (_ Handianer: Wertschätzung der Hände als Arbeitsmittel, Ablehnen von Werkzeugen). 2. Kommunikation Kommunikation vollzieht sich nicht nur verbal, sondern auch nonverbal (Mimik, Gestik...), paraverbal (Intonation, Lautstärke...) und extraverbal (Kommunikationsumfeld). 19 Kommunikation ist kulturspezifisch (hier z. B. Bedeutung der Hände in der Kommunikation). Sprachgebrauch vermittelt eigenkulturelle Standards (hier z.B. nur positive Aussagen um Konflikte zu vermeiden). Erfolgreiche Kommunikation setzt einen gemeinsamen „Code“ zwischen Sender und Empfänger voraus. 3. Begegnung von verschiedenen Kulturen (interkulturell) • Beim Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen kann die Kommunikation und Zusammenarbeit gestört sein. Das Finden einer gemeinsamen Verständigungsebene (Code) kann durch Empathie und Metakommunikation erreicht werden. • Empathie bedeutet Einfühlungsvermögen hinsichtlich fremder Denk- und Handelsweisen. • Metakommunikation bedeutet das Thematisieren von Kommunikation, z.B. „Wie meint ihr das?“. • Erwartungen bezüglich der anderen Kultur entsprechen oft nicht der vorgefundenen Situation. Die dadurch entstehende Desorientierung und Frustration erfordern ein hohes Maß an Ambiguitätstoleranz und Flexibilität. • Ambiguitätstoleranz ist die Fähigkeit, eine widersprüchliche Situation aushalten zu können. • Flexibilität ist die Bereitschaft Neues zu lernen bzw. sich auf ungewohnte Situationen einzustellen. • Bei erfolgreicher interkultureller Kommunikation und Zusammenarbeit, wenn also ein Kompromiss zur Annäherung der Kulturen führt, dann entsteht etwas „Neues“, ein Synergieeffekt und eine Bereicherung für beide Seiten. Hinweise für die TrainerInnen: • Die Gruppen: Bei der Einteilung der TeilnehmerInnen in die Gruppen darauf achten, dass besonders kreative sowie dominante Persönlichkeiten gleichmäßig auf die Gruppen verteilt sind. 20 • Die Zeit: Ein gewisser Zeitdruck muss da sein, da er implizit in der Aufgabenstellung der Deutschen enthalten ist. Zeichnet sich ein Ergebnis ab, kann der gesteckte Rahmen ggf. ausgedehnt werden. • Das Plakat: Idealerweise ist das entstandene Plakat ein Kompromiss, der beide Gruppen zufrieden stellt. Die Qualität des Endergebnisses ist nebensächlich, der Weg dahin zählt. Wenn es einen Ausgleich/ Balance in der Zusammenarbeit gab, dann ist man damit dem Ziel näher, ein positives Umgehen mit fremden Kulturen zu verstehen und erlernen, und eine negative Haltung abzubauen. Die TeilnehmerInnen sollen die gestellte Aufgabe ernst nehmen, jedoch muss deutlich werden, dass das Ergebnis nicht bewertet wird. • Das Fremde: Es ist wahrscheinlich, dass die ungewohnten Verhaltensweisen (Begrüßung) allgemeine Erheiterung oder sogar Albernheit verursachen. Es empfiehlt sich daher, zu Beginn des Spieles (und eventuell im Spiel) auf die notwendige Ernsthaftigkeit hinzuweisen • Der Spielfluss: Die Trainer sollten immer präsent sein, um eventuelle Fragen zu beantworten oder hinweisend einzugreifen, wenn das Spiel ins Stocken gerät. Gründe für ein „Festfahren“ oder „Schiefgehen“ des Spiels müssen in der Auswertung thematisiert werden. Das gilt auch für den Fall, dass das Spiel nicht ernst genommen wird. Die Wirkung der Übungen auf die TeilnehmerInnensollte ständig beobachtet, Gruppenprozesse genau wahrgenommen werden. • Rollendistanz: Es wird unter Umständen schwer festzustellen sein, ob eine eventuelle Einigung aufgrund tatsächlicher Kompromissfindung oder aufgrund mangelnder Rollendistanz (TeilnehmerInnen fallen aus ihrer kulturellen Rolle und vergessen Handlungsanweisungen) zustande kommt. Dies müsste ggf. in der Auswertung berücksichtigt werden. • Die Auswertung: Ist der wichtigste Teil der Simulation, für den unbedingt ausreichend Zeit eingeplant werden muss und welcher in direktem Anschluss an die Simulation stattfinden sollte, um Eindrücke und angestaute Gefühle unmittelbar zu verarbeiten. 21 • Eine Videoanalyse hilft bestimmte Situationen nochmals genau nachzuvollziehen und „Knackpunkte“ der Interaktion herauszustellen. Die TeilnehmerInnen können sich selbst erfahren, eigene Verhaltensweisen und Reaktionen beobachten und überprüfen. Diese sollten im Kontext erklärt, verstanden, aber nicht als falsch beurteilt werden. Anweisungsblatt Gruppe 1 (Die Deutschen) Wer ihr seid: Ihr seid die Vertreter einer deutschen Ausbildungsgruppe und erwartet den Besuch einer Ausbildungsgruppe aus Handland. Auf der Suche nach einer Partnerschaft hattet ihr Kontakt mit einem handianischen Institut aufgenommen und sie nach Deutschland eingeladen, um die Freundschaft mit einem Fest zu feiern. Ihr seid sehr neugierig, die fremden Gäste kennenzulernen, da sie von so weit herkommen und man so wenig über die handianische Kultur weiß. Ihr habt lediglich gehört, dass die Handianer anders kommunizieren und arbeiten als ihr. Was ihr vorhabt: Das geplante Fest soll ein großes interkulturelles Event werden, zu dem ihr die ganze Umgebung einladet. Mit einem Plakat, das ihr gemeinsam mit den Handianern gestalten werdet, wollt ihr Werbung dafür machen. Diese gemeinsame Arbeit soll gleichzeitig der Beginn einer fruchtbaren und langjährigen Zusammenarbeit sein. Arbeitshinweise: Aus Kostengründen (Druck und Vervielfältigung) habt ihr euch zum Ziel gesetzt, nicht mehr als zwei Farben zu verwenden, am Besten ist natürlich schwarzweiß. Ihr mögt gerade Linien, exakte Formen und vor allem Übersichtlichkeit, um die Inhalte klar zu vermitteln. Wählt eure Arbeitsmaterialien nach diesen Gesichtspunkten aus! Aufgabenstellung: 22 Überlegt euch, was ihr auf dem Plakat darstellen und wie ihr dies umsetzen wollt. Danach begrüßt ihr eure Gäste und erzählt von eurem Vorhaben. Beginnt möglichst zügig mit der Arbeit am Plakat, da es noch heute vervielfältigt und verteilt werden soll. Denkt immer daran, dass es ein gemeinsames Projekt ist, mit dem am Ende alle zufrieden sein sollten. Bezieht also eure Gäste mit ein und versucht, eure Ideen gemeinsam umzusetzen. Anweisungsblatt Gruppe 2 (Handianer) Wer ihr seid: Ihr seid eine Gruppe von Auszubildenden aus Handland. Die Handianer sind ein stolzes, traditionsreiches Volk, sehr naturverbunden. Sie vertrauen voll auf die Kraft ihrer Hände. Die Hände sind der wichtigste Teil ihres Körpers und ihr Arbeits- und Kommunikationsmittel. Was ihr vorhabt: Ihr seid zu Gast bei eurer Partnerinstitut in Deutschland, um den vor kurzen beschlossenen Freundschaftsaustausch mit einem Fest zu feiern. Ihr habt gehört, dass ihr dafür mit den Deutschen etwas erarbeiten sollt. Vielmehr freut ihr euch jedoch darauf, die neuen Freunde kennenzulernen, denn ihr habt tausend Fragen über die fremde Kultur im Kopf. Wie ihr euch begrüßt: Wenn ihr eine Person kennen lernt, begrüßt ihr zuerst und ausgiebig ihre Hände. Verschränkt eure Finger mit den ihren und betrachtet beide Hände ganz genau. Erst nach ausgiebiger Betrachtung schaut ihr dem Gegenüber ins Gesicht und sprecht mit ihm. Wie ihr kommuniziert: Wenn ihr euch untereinander oder mit anderen unterhaltet, berührt ihr eure Gesprächspartner stets mit den Händen, egal wo (Arm, Schulter, Kopf), und bekräftigt so das Gesagte. Da ihr sehr harmonisch und konfliktscheu seid, macht ihr grundsätzlich nur positive/bejahende Aussagen. Wörter wie NEIN, KEIN, NICHT sind tabu. Um eine negative Antwort auszudrücken, stimmt ihr dem Gesagten zu, entzieht aber eure Hände und legt sie euch auf 23 den Mund und nehmt so dem Gesagten die Bedeutung. Wie ihr arbeitet: Ihr seid sehr kreativ und verspielt. Ihr arbeitet ausschließlich mit den Händen, ihr benutzt keine Werkzeuge oder Hilfsmittel. Ihr liebt das Bunte, je mehr Farben, desto mehr Ausdrucksstärke. Gerade Formen findet ihr langweilig und nichtssagend, ihr mögt geschwungene Linien, runde Formen und Schnörkel. Aufgabenstellung: Einigt euch auf einige Verhaltensweisen/Reaktionen, um die oben beschriebenen Eigenheiten eurer Kultur darzustellen. Übt in den nächsten 15 min euer Verhalten in der Gruppe. Versucht, euch die Kultur und Ihre Verhaltens- und Arbeitsweisen zu verinnerlichen und für den gesamten Verlauf des Spieles beizubehalten. Konzentriert euch, damit euch die Tabuwörter nicht aus Versehen „rausrutschen“. Anweisungsblätter Gruppe 3 (BeobachterInnen) Ihr seid eine neutrale Gruppe von BeobachterInnen, die bei einer interkulturellen Begegnung von Handianern und Deutschen zugegen sind. Was ihr macht: Phase 1: Informiert euch, anhand der Gruppenanweisungen, über die kulturellen Unterschiede zwischen den Deutschen und den Handianern. Diskutiert und überlegt gemeinsam, wie das Treffen der beiden Gruppen aussehen könnte. Orientiert euch an den nachstehenden Fragen des Analysebogens und macht euch Stichpunkte. Phase 2: Beobachtet das Treffen der beiden Gruppen und die einzelnen Reaktionen ganz genau. Achtet auch auf Details und haltet sie auf dem Analysebogen fest. Phase 3: Dies ist die Auswertungsphase, in der ihr als Beobachter und Experten eine entscheidende Rolle spielt. Teilt den anderen Gruppen eure Beobachtungen mit und wertet sie gemeinsam aus. 24 Analysebogen der Beobachtergruppe und für die Auswertungsphase (ganze Gruppe) Phase 1: 1. Welche gegensätzlichen kulturellen Eigenschaften besitzen die Gruppen? 2. Wie stellt ihr euch das Treffen der beiden Gruppen vor, welche Konflikte könnte es geben? 3. Wie werden die Gruppenmitglieder damit umgehen? 4. Wie könnte man die Konflikte vermeiden bzw. entstehende Probleme lösen? Phase 2: 1. Wie verläuft die Begrüßung der beiden Gruppen? Fühlen sie sich wohl oder gibt es Probleme? 2. Wie funktioniert die Kommunikation zwischen den Deutschen und den Handianern? Gibt es Missverständnisse und wenn ja, wie geht man mit ihnen um? 3. Wie klappt die Zusammenarbeit im Projekt? Bringen sich beide Seiten gleich ein? 4. Werden Kompromisse gefunden? Wenn ja, wie einigt man sich? Wenn nein, warum kommt es zu keiner Einigung? 5. Verläuft das Treffen insgesamt gut oder eher weniger gut? Gibt es Auf- und Abphasen? 6. Wie könnte man mögliche Probleme besser lösen? 7. Was habt Ihr noch beobachtet? 8. Welche Erkenntnisse lassen sich von dem Spiel für wirkliche Treffen zwischen verschiedenen Kulturen ableiten? B. Autobahnbau – Resilianer und Katonaner Ziele: Ziel dieses Rollenspiels ist es, anhand zweier unterschiedlicher Kulturen, die aufeinander treffen, Lösungsmechanismen für Konfliktsituationen zu entwickeln. Derartige Konfliktsituationen sind im Alltag sehr vielfältig. Deshalb kann dieses Rollenspiel auch nur ein Beispiel für Konfliktsituationen bieten. 25 Um Konflikte lösen zu können, müssen zunächst die Unterschiede der anderen Kultur erkannt werden, bevor im Zusammenspiel beider Kulturen der Konflikte aufgelöst wird. Ein Konflikt ist allerdings nicht behoben, wenn eine Gruppe eine Lösung festlegt und die andere sich in diese Vorgabe fügen muss, sondern Konflikte können nur gelöst werden, wenn beide Kulturen Teile ihres eigenen Selbstverständnisses einbringen konnten. Informationen: Das Rollenspiel basiert auf der Tatsache, dass zwei Gruppen unterschiedlicher Kulturen aufeinandertreffen. Sie haben zwar ein gemeinsames Ziel – vom Bau der Autobahn zu profitieren – aber wissen ansonsten recht wenig von einander. Bereits im Kontext sind eine Reihe Konfliktpotentiale eingebaut – das wesentlichste ist hier das unterschiedliche Selbstverständnis der beiden Gruppen. Dieser Konflikt in Kombination mit einem „Kolonialkonflikt“ schwingt unterschwellig immer mit. In den typischen Verhaltensweisen finden sich weitere, viel offensichtlicher Konfliktpotentiale, etwa die verschiedenen Vertragsabschlussmodalitäten oder Arten der Gesprächsführung. Vorbereitung und Spieldauer: Pro Gruppe sollten nicht mehr als 3-5 Personen ausgewählt werden. Die Mitspieler bekommen in getrennten Räumen die jeweils für sie vorgesehenen Aufgabenblätter. Sie sollten etwa 10-15 Minuten Zeit bekommen, damit sie sich in ihre Rollen hineinversetzen und Absprachen für die nachfolgende Verhandlung treffen können. Die anderen TeilnehmerInnen sind BeobachterInnen. Sie bereiten sich anhand des Anweisungsblattes für BeobachterInnen von dem Spiel „Handianer und Deutsche“ vor und beobachtwen das Treffen genau. Danach werden die beiden Gruppen zusammengeführt und die Verhandlungen können beginnen. Sie sollten nicht länger als 10-15 Minuten dauern. Wenn eine gute, für alle befriedigende Lösung eher erreicht wird, ist das Spiel beendet. Auswertung: siehe Abschnitt Auswertung bei der Simulation „Handianer und Deutsche“ 26 Arbeitsblatt für Gruppe 1 (Resilianer) Kontext und Zielstellung: Ihr seid eine Gruppe von Resilianer, die man ausgewählt hat wichtige Verhandlungen für euer Land zu führen. Euer Land Resilien war früher von den Katonen besetzt, die das Land benutzten und ausbeuteten. Seit 10 Jahren aber ist Resilien unabhängig und durch einen Pakt in seinen Rechten auf ewig geschützt. In den 10 Jahren haben ihr als Bewohner Resiliens viel Selbstbewusstsein entwickelt. Ihr seid stolz auf euer Land und seine unberührte Natur und habt gelernt eure eigene Bedürfnisse zu verteidigen. Aber die negativen Erfahrungen der Abhängigkeit habt ihr noch nicht vergessen, deshalb seid ihr sehr vorsichtig und misstrauisch im Umgang mit Fremden, insbesondere mit den Katonen. Der Präsident der Katonen hat nun über einen Botschafter um eine Verhandlung mit euch gebeten, um ein Anliegen vortragen zu können. Ihr wisst bisher, dass die Katonen eine Straße zu einem befreundeten Land bauen wollen, um ihren Handel anzukurbeln. Diese Straße müsste aber durch Resilien führen, ansonsten würden zu lange Wege dieses Vorhaben erheblich beeinträchtigen. Ihr erwartet die Gäste aus Katona um 12 Uhr. Dem Autobahnbau steht ihr mit gespaltenen Gefühlen gegenüber, denn ihr wollt eure wunderschöne Natur nicht zerstören. Ihr seid aber auch auf Hilfe und Unterstützung des größeren Katonas angewiesen. Ihr wäret deshalb unter der Bedingung bereit einzuwilligen, dass ihr von den Katonen eine angemessene materielle Entschädigung bekommen und die Katonen auf jeden Fall eurem Land noch mindestens 1 Jahr Zeit geben sich zu erholen, bevor sie mit dem Autobahnbau beginnen. Eure Aufgabe ist es einen solchen Kompromiss mit den Katonen auszuhandeln und ihn schriftlich festzuhalten. Typische Verhaltensmuster der Resilianer: • Ihr seid in Verhandlungen zurückhaltend, aber bestimmt. • Ihr stellt keine Forderungen, erwartet aber faire Angebote. • Ihr redet eher leise und auf eine förmliche Art und Weise. 27 • Ihr verbeugt euch in Gesprächen häufig, das signalisiert eure Bereitschaft zur Kameradschaft, jedoch keine Unterwürfigkeit. • Direkten Körperkontakt meidet ihr (niemand darf euch zu nahe treten). • Verträge sollten auf jeden Fall in schriftlicher, beidseitig signierter Form festgehalten werden, unter Anwesenheit von mind. zwei Zeugen aus dem Volk. Dies dient der Sicherheit aller. • Dabei sollte genau festgelegt werden, welche Rechte und Pflichten jeder Vertragspartner hat bzw. welche Leistung und Gegenleistung erbracht werden soll. Arbeitsblatt für Gruppe 2 (Katonen) Kontext und Zielstellung: Als Mitglieder einer Gruppe von Katonen kommt ihr aus einem Land, das früher sehr mächtig war und sich mehrere Länder unterworfen hatte. Allerdings mussten die Katonen vor 10 Jahren aufgrund eines Vertrages, der bei den Katonen als der “Drossel-Pakt” bekannt ist, diese Länder wieder abtreten. Seitdem schwindet der Wohlstand eures Lands von Jahr zu Jahr mehr. Nun habt ihr die Chance mit einem seit kurzem befreundeten Land ein Handelsabkommen zu schließen, was allerdings den Bau einer Autobahn nötig macht. Diese Autobahn müsste aus wirtschaftlichen Gründen durch das Land Resilien führen, eines der Länder, das früher zu eurem Herrschaftsbereich gehörte. Ihr glaubt, dass es keine großen Schwierigkeiten geben wird, die Erlaubnis für das Vorhaben von den Resilianern zu bekommen. Ihr habt deshalb auch nicht über Gegenleistungen nachgedacht, weil ihr es gewohnt seid, dass die Resilianer keine Widerstand leisten. Ihr kommt mit eurer Gruppe in der resilianischen Botschaft an, wo um 12 Uhr die Verhandlungen mit den Gastgebern stattfinden sollen. Euch ist es wichtig, die Verhandlungen schnell abzuwickeln, weil ihr den Autobahnbau so schnell wie möglich beginnen wollt., damit der wirtschaftliche Verfall eures Landes bald beendet ist und es euch und eurem Land wieder so gut geht wie früher. Eure Aufgabe ist es, die Verhandlungen so schnell wie möglich zum Abschluss zu bringen, wobei ihr so wenig wie möglich Geld ausgeben wollt. Typische Verhaltensmuster der Katonen: 28 • Ihr gebt euch in Verhandlungen sehr selbstbewusst. • Bei euch ist es üblich, sehr akzentuiert zu sprechen. • Bei Gesprächen klopft ihr eurem Gegenüber manchmal gönnerhaft auf die Schulter, um eure Überlegenheit deutlich zu machen. • Dabei tretet ihr sehr nah an den anderen heran. • Verträge in schriftlicher Form erachtetet ihr nicht für notwendig, euch genügt die bloße mündliche Einwilligung der Vertragspartner. • Euer Interesse an den Resilianern ist rein wirtschaftlich, ihr legt keinen Wert auf. • Kameradschaft mit euren Verhandlungspartnern. Input: Gesprächstechniken: Carl R. Rogers (1902-1987) war ein US-amerikanischer Psychologe und Jugend-Psychotherapeut. Seine von einem humanistischen Menschenbild geprägten Arbeiten wirken in viele Bereiche der angewandten Psychologie, Soziologie, Pädagogik, Sozialen Arbeit, Seelsorge und Medizin hinein. Insbesondere geht auf ihn die Entwicklung der Gesprächstherapie zurück. Rogers legt besonderen Wert auf Begegnung im voll-menschlichen Sinn - d. h. unter Einschluss der emotionalen Ebene, der nonverbalen Äußerungen, des gegenseitigen prinzipiellen Wohlwollens. Rogers war nicht nur selbst gefragter Psychotherapeut, sondern gründete und erlebte viele Encounter-Gruppen, schrieb motivierende Bücher, hielt Vorträge und vieles mehr. Anders als viele andere Psychotherapeuten sah Rogers von Grund an das Gute im Menschen. Dieser von ihm geschaffene klientenzentrierte Ansatz ist heute u.a. sowohl fester Bestandteil der Gesprächsführung im Rahmen von Therapiegesprächen, als auch in der generellen Gesprächsführung der alltäglichen pädagogischen Arbeit mit Klienten. Grundprinzipien sind: 1. positive Wertschätzung sowie emotionale Wärme (Akzeptanz) andauernde positive Einstellung, unbeeinflusst vom jeweiligen Verhalten des/r KlientIn 29 2. Verbalisierung emotionaler Erlebnisinhalte konkret und einfach verstehbar 3. Echtheit und Selbstkongruenz (besonders wichtig bei Selbstbetroffenheit) zwischen Gefühl des Beraters und Wahrnehmung und Ausdruck soll Kongruenz bestehen Praktische Übungen und Demonstration von Techniken: die Fähigkeit zuzuhören Unter aktivem Zuhören wird die gefühlsbetonte Reaktion eines Gesprächspartners auf die Botschaft eines Sprechers verstanden. Die Ziele beim Einsatz des aktiven Zuhörens sind vielschichtig: es soll gegenseitiges Vertrauen aufgebaut und ein würdigender Umgang gefördert und Missverständnisse vermieden werden. die Fähigkeit Dinge zusammenzufassen Gefühle spiegeln Verstärken/Schweigen Paraphrasieren Paraphrasierung ist eine Frageform, bei der die Botschaft verkürzt auf den affektiven Anteil (die emotionale Bedeutung) für eine kurze Bestätigung durch das Gegenüber gegengefragt wird. Beispiel: „Habe ich Sie richtig verstanden, dass es Ihnen vor allem darum geht, möglichst schnell eine Lösung zu finden und Sie darum sehr unter Druck stehen?“ offene und geschlossene Fragen offene Fragen: bezeichnet solche Fragen, die dem Gegenüber eine freie Assoziation innerhalb seiner Antwort erlauben. Sie begrenzen den Gesprächspartner nicht, sondern fordern ihn auf, sich inhaltlich oder persönlich zu beteiligen. Sie beginnen mit: wie..., was..., warum..., womit...., wodurch.... Hierbei erhalten Dimensionen der offenen Gesprächsführung wie Empathie, Wertschätzung und Fokussieren eine herausragende Bedeutung für das Gelingen der Befragung. Geschlossene Fragen: sind solche, auf die das Gegenüber entweder mit Ja oder Nein antworten kann. Einige Beispiele für geschlossene Fragen, die nur mit Ja oder Nein beantwortet werden können: 30 Haben Sie heute schon etwas für den Abend geplant? Sehen wir uns dann beim Eingang? Darf ich Sie abholen? Lernen am Modell Unter Modelllernen versteht man generell das Beobachtungslernen. Das bedeutet, dass man das Verhalten anderer Personen wahrnimmt und auf sein eigenes Verhalten projiziert und anwendet. Dabei muss man aber hinzufügen, dass nicht nur Personen, sondern auch Medien aller Art diese Wirkung auf uns haben. Zusätzlich kann es hierbei auch zu hemmenden Wirkungen kommen, z.B. wenn uns das Verhalten anderer missfällt und wir auf keinen Fall so agieren möchten. Es lassen sich drei Formen des Modelllernens unterscheiden: Aufbau neuer Verhaltensweisen: Verhaltensweisen, die sich nicht im Repertoire der Person befinden werden erlernt. Modifikation bestehender Verhaltensweisen: Hemmung/Enthemmung bei negativen/positiven Verhaltenskonsequenzen. Schaffung diskriminativer Hinweisreize: Modellverhalten als Hinweisreiz, der Auftreten bereits erlernten Verhalten erleichtert. Denke über Beispiele und Übungen nach, dies bildet die Grundlage der folgenden Übung. Sich der eigenen Erfahrungen bewusst werden (z.B. von Behinderung) Gruppenarbeit: Siehst Du Dich selbst als behindert (oder psychisch erkrankt, ...) an? Wie sieht Deine Behinderung aus? Beschreibe Deine anfänglichen Gefühle beim ersten Bewusstwerden der Behinderung. Beschreibe erste Reaktionen. Höre Deinem Partner, Deiner Partnerin aufmerksam zu ohne Feedback zu geben. Welche Gefühle rufen die Schilderungen der anderen in Dir hervor? Welche Reaktionen zeigen/zeigten Mitmenschen Deiner Behinderung gegenüber? Inwiefern gleichen sie Deinen oder unterscheiden sich davon? Beschrifte 20-30 Karten mit Gefühlsausdrücken. Inwiefern lassen sich die jeweiligen Begriffe auf die momentane Situation beziehen? 31 Was bedeutet für Dich die Anerkennung und die Integration der Behinderung? Wie sieht das konkret aus? Versuchst Du „geheilt“ zu sein oder einfach mit der Behinderung zu leben? Stelle eine Hierarchie der Behinderungsarten auf. Welche behinderungsbedingten Einschränkungen und Verhaltensweisen lösen in Dir Unbehagen aus? Warum? Rollenspiel mit einer/m PartnerIn um Möglichkeiten zu finden, damit umzugehen. Zunächst nimmst Du die Rolle des „Anderen“ ein, dann wird getauscht. Gesprächsübung: Voraussetzung ist, dass der Unterstützer Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und ein gutes Selbstwertgefühl besitzt. Er soll sich seiner eigenen Vorerfahrungen bewusst sein, aber auch in der Lage sein, von ihnen zu abstrahieren. Das Ziel ist es, nicht auf dem schnellsten Wege zu einer Lösung zu kommen oder eine Lösung vorzuschlagen, dass der Klient befähigt werden soll, eigene Lösungswege zu finden. Eine TeilnehmerIn schildert eine eigene Situation – der Unterstützer hört mit Einfühlungsvermögen zu: Der Unterstützer: • muss eine differenzierte Selbst- und Fremdwahrnehmung haben. • die emotionale Ebene mit all ihren Aspekten umfassend berücksichtigen, wobei er die eigenen Gefühle von denen des Gegenübers trennen können muss. • muss sich klar sein über die Grenzen der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen. • kann verschiedene Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. • verfügt über fachliches Wissen. • ermöglicht seinem Gegenüber den Zugang zu entsprechenden relevanten Informationen. 32 Die Übungssequenz soll auf Video oder Tonband aufgenommen werden, die TeilnehmerInnen und der Trainer verbessern und geben Hinweise, Sequenz wird erneut gespielt. III. Diversity Management Diversity Management Theorie: - Diversity Management Praxis: -Gruppenarbeit: Erarbeitung eines DiversityManagementplans für eine spezifische Institution Anforderungen an Ausstattung: mehrere Räume Beamer, Laptop evtl. Overhead-Projektor Flipchart 150 Minuten (2 Stunden 30 Minuten gesamt 60 Minuten 60 Minuten 90Minuten 90 Minuten Impulsreferat In den USA sind Unternehmen seit den 60er Jahren gesetzlich verpflichtet, Bewerber nicht aufgrund von Ethnie, Herkunft, Religion oder Geschlecht zu diskriminieren und Mitarbeiter außerdem vor Diskriminierung am Arbeitsplatz zu schützen. Diese Antidiskriminierungsgesetzgebung brachte manchen Unternehmen millionenschwere Klagen ein (z.B. Coca-Cola). US-amerikanische Unternehmen suchten daraufhin nach neuen Wegen zur effektiveren Integration von Frauen und ethnischen Minderheiten. Allerdings zog diese frühere Fokussierung auf bestimmte Gruppen und auf das Anderssein Vorwürfe von „Bevorzugung“ und „Ausgrenzung“ nach sich. Dies machte eine Verbreiterung des Themas notwendig, zumal damals neue Prognosen zur Entwicklung der Arbeitsmärkte vorgelegt worden waren. Heute praktizieren in den USA bereits mehr als drei Viertel der 500 führenden Unternehmen Diversity Management (DM). DM steht außerdem im Zusammenhang mit weltweiten Veränderungsprozessen: 33 1. Internationalisierung und Globalisierung: Freizügigkeit von Waren, Unternehmenszusammenschlüsse und –übernahmen, Wettbewerbsdruck 2. Demografischer Wandel: • Alterung der Gesellschaft, Rückgang des Arbeitskräfteangebots, • erhöhter Anteil an erwerbstätigen Frauen, • erhöhter Ausländeranteil durch das novellierte Staatsbürgerschaftsrecht, Einbürgerungen von aus Aus- und Übersiedlern, insgesamt wachsende ethnisch-kulturelle Vielfalt in der Bevölkerung, • gestiegenes Selbstbewusstsein von Schwulen und Lesben, öffentlichere Wahrnehmung von Transgender, • angesichts des technischen Fortschritts wirken sich Behinderungen immer seltener als „Verhinderung“ aus, die Antidiskriminierungsgesetze schließen auch Menschen mit einem Behinderungsgrad von weniger als 50% ein, • die großen christlichen Kirchen verlieren an Zulauf, durch Globalisierung und Migration leben immer mehr Menschen mit immer mehr unterschiedlichen religiösen Glaubensprägungen in Deutschland, die Gruppe der Atheisten stellt einen wachsenden Anteil an der Bevölkerung dar 3. Individualisierung: • Werte- und Einstellungswandel (von Gehorsam und Unterordnung zu Selbstständigkeit und freiem Willen, auch im Bereich Arbeit: Wunsch nach Mitsprachemöglichkeiten) • sinkende Haushaltsgrößen • neue Lebens- und Wohnformen • steigende Zahl der Alleinlebenden Als Instrument der Unternehmensführung beschreibt „Diversity Management“ die Gesamtheit der Maßnahmen die dazu führen, dass Unterschiede in und von 34 einer Organisation anerkannt, wertgeschätzt und als positive Beiträge zum Erfolg genutzt werden. Es geht also darum, durch die gezielte interne und externe Berücksichtigung sowie die bewusste Einbeziehung und Förderung aller unterschiedlichen Beteiligten und der damit erzielten höheren Zufriedenheit zur Steigerung des Erfolges und des Ertrages eines Unternehmens oder einer Organisation beizutragen. Damit unterscheidet sich DM von Gleichstellungsansätzen (durch gezielte Maßnahmen bestehende Ausgrenzung bzw. Diskriminierung auflösen), denn es verfolgt das Ziel, Menschen mit all ihren Unterschieden zu berücksichtigen, also nicht so zu tun, als seien sie gleich. Und es stellt das Individuum in den Vordergrund, was bedeuten kann, dass sich ehemals getrennte Adressaten (z.B. Männer und Frauen) als Gruppen auflösen und vielmehr das Engagement und die Qualifikationen aller MitarbeiterInnen gleichermaßen anerkannt werden. Der Leitgedanke „Diversity und Einschluss“ beschreibt die ganzheitliche Einbettung und feste Verankerung in allen Bereichen und Aspekten des Unternehmens und stellt ein Führungsinstrument dar. Vor allem internationale Unternehmen wenden dies an, um eine optimale Nutzung vielfältiger Qualifikationen sowie unterschiedlicher Arbeits- und Absatzmarktsegmente zu erreichen. D.h. dieser Ansatz ist v.a. ein wirtschaftlicher und kein sozialer. Diversity-Management geht von drei Grundannahmen aus: Diversity als Vielfalt innerhalb des Personals ist in jedem Unternehmen vorhanden und muss gemanagt werden. Wird Diversity nicht gemanagt, dann führt dies zu ökonomischen Nachteilen für das Unternehmen. Es geht also darum, die vorhandene Vielfalt nicht zu beseitigen, zu uniformieren, sondern die Vielfalt zu integrieren. Dies steigert die Motivation der MitarbeiterInnen und damit die Produktivität. Im Unternehmen erfolgt eine gleichberechtigte Einbeziehung aller Personen bzw. Gruppen, weil alle relevant für den Erfolg sind. Dies ist sowohl für das Unternehmen von Vorteil als auch für jeden einzelnen Arbeitnehmer. Ungleiche Arbeitnehmer haben ein Recht auf eine ungleiche Behandlung im positiven Sinn. Dies impliziert, dass niemand diskriminiert werden darf. 35 Diskriminierungen von Minderheiten bringen ökonomische Nachteile, deshalb müssen sie vermieden werden. Diversity Management Training Vorüberlegungen: • Diversity Training ist in erster Linie ein Training für das Bewusstsein und die Aufmerksamkeit. • Verwende verschiedene Strategien auf unterschiedliche Ebenen an: Deine Zielgruppe ist vielfältig und Deine Strategie sollte dies widerspiegeln. • Es ist wichtig, verschiedene Kommunikationsformen (Zeitung, Seminare, Unterstützung von Netzwerken…) zu nutzen, um den Dialog zwischen unterschiedlichen Gruppen zu fördern und zu intensivieren. Verfolge eine Strategie der intensiven Kommunikation und Einbeziehung. • Kommunikation erreicht immer nur eine bestimmte Zielgruppe – wende Dich an verschiedene Zielgruppen und benutze dafür unterschiedliche Motive, Botschaften und Werkzeuge. Mit Diversity-Strategien sollen strukturelle, politische oder kulturelle Veränderungen innerhalb von Arbeitsorganisationen verwaltet werden. Sie richten sich an unterschiedliche Akteure der Organisation, um neue Denkmodelle zu initiieren, neue Erfahrungen zu ermöglichen und die Entwicklung von neuen Verhaltensweisen zu fördern. Sie wirken auf unterschiedlichen Ebenen: 1. rationales Denken (spricht unser bewusstes Denken an, um eine auf Fakten basierende Entscheidung für Diversity herbeizuführen): fördert die Diskussion über das Für und Wider von Diversity, 2. emotionale Erfahrung (spricht unsere Emotionen an und initiiert eine auf Gefühlen basierende Veränderung unserer Einstellungen durch Austausch und das Reflektieren von positiven Erfahrungen mit dem Anderssein. Veränderte Einstellungen und Verhaltensweisen führen zu einer größeren Zufriedenheit und zum Erfolg im Umgang mit Anderen.): 36 Diversity Training, dass auf den Erfahrungen von Anderssein und dem Umgang mit Anderen basiert, Foren für den Austausch von persönlichen Erfahrungen, die Erstellung von individuellen Aktionsplänen, die Moderation von Versammlungen, Interaktionen und 3. Ergebnisorientiertes Verhalten (gerichtet auf die Handlungen und Aktivitäten von Menschen, mit klaren Anweisungen hinsichtlich der Implementierung von Diversity Richtlinien. Ein geordneter Veränderungsprozess bietet den Beteiligten positive persönliche Erfahrungen und eine klare Vorstellung von den Vorteilen, Anerkennung sowie die Vermeidung von Strafmaßnahmen. Dies begünstigt eine anhaltende Veränderung von Verhaltensweisen): die Analyse von Erwartungen, die Gestaltung von Richtlinien sowie die öffentliche Anerkennung von exemplarischem Verhalten und Engagement, wodurch Diversity zu einer lebendigen und alltäglichen Praxis wird; die Erschaffung von Preisen und anderen Anerkennungsmodellen sowie die Integration von Diversity Strategien in unterschiedlichen Verwaltungsmodellen. Um Prozesse, Strukturen und Inhalte zu optimieren, werden Diversity Strategien zusammen mit Change Management Modellen gezielt in unterschiedlichen Teilen der Organisation eingesetzt: 4. Erhöhte Aufmerksamkeit (Erkennen der unterschiedlichen Aspekte und individuellen Bedeutungen von Diversity, Erkennung des spezifischen, organisatorischen und kulturellen Kontextes von Diversity und seine Einbettung darin sowie die Hervorhebung von Verbesserungspotentialen): Diskussionen am Runden Tisch oder Workshops, Präsentation von Beispielen für die erfolgreiche Implementierung von Diversity Management, die Förderung von einem umfassenden Verständnis von Diversity in allen internen und externen Veröffentlichungen der Organisation. 5. Wahrnehmung von Möglichkeiten (Akzeptanz für das Vorhandensein von Verbesserungspotentialen schaffen, Aufklärung bzgl. der Auswirkungen von Diversity bezogenen Veränderungen auf eine Organisation, insbesondere des rationalen und emotionalen Nutzens von Diversity), 37 6. Entscheidung zum Handeln (die persönliche Verpflichtung zum Handeln und die Entscheidung Verantwortung für Diversity zu übernehmen, individuelle Beiträge zur Verbesserung zu identifizieren, eine Plattform für die Implementierung von Maßnahmen im Rahmen von DM bieten) und 7. Nachhaltigkeit der Veränderungen sichern (die feste Einbettung erreichter Ergebnisse in die Strukturen und Prozesse der Organisation, die Übertragung von Diversity bezogenen Werten und Verhaltensweisen in das alltägliche, professionelle, persönliche und soziale Leben der Beteiligten): Evaluation, Überprüfung von Diversity, Integration von Diversity in allen Kommunikationsmedien und Werkzeugen des Unternehmens, die Entwicklung von Kriterien und Messwerkzeugen. In der betrieblichen Praxis soll dies sichergestellt werden beispielsweise durch: • betriebliches Sozialwesen • Kinderbetreuung • interkulturelles Training • Gesundheitsmanagement • flexible Arbeitszeitgestaltung (Teilzeit, Jobsharing sowie flexible Pensionspläne, Frührente etc.) • Pflege von Angehörigen • Sabbatjahre Zur Erinnerung • Diversity Management steht im Zusammenhang weltweiter Veränderungsprozesse wie Internationalisierung und Globalisierung, Individualisierungstendenzen und demografischer Wandel. • Als Führungsinstrument beschreibt „Diversity Management“ die Gesamtheit der Maßnahmen, die dazu führen, dass Unterschiede in und von einer Organisation anerkannt, wertgeschätzt und als positive Beiträge zum Erfolg genutzt werden. 38 • Anstatt Unterschiede zu negieren, sichert DM durch Integration und Förderung die Vielfältigkeit des Personals. Dies trägt zu einer höheren Zufriedenheit der Mitarbeiter und steigert den Erfolg des Unternehmens bzw. der Organisation. • DM zielt auf die optimierte Nutzung von Qualifikationen und den Zugang zu Absatzmärkten. • Diversity Strategien initiieren neue Denkmodelle, ermöglichen neue Erfahrungen und verändern Verhaltensweisen. • Obwohl anders akzentuiert als Gleichstellungsstrategien (mit spezifischen Antidiskriminierungsmaßnahmen), richten sich DM Strategien implizit gegen jegliche Form von Diskriminierung. Gruppenarbeit: Beschreibe die Struktur einer bestimmten Organisation. Skizziere einen Diversity Management Plan für diese Organisation. IV. Beispiele von Gleichstellungsgesetzen Beispiele von Gleichstellungsgesetzen Theorie: - Antidiskriminierungsrichtlinien - Beispiele von Gesetzen, die sich mit Gleichstellung befassen Anforderungen an Ausstattung: Beamer, Laptop evtl. Overhead-Projektor Flipchart 60 Minuten (1 Stunde) gesamt 60 Minuten 30 Minuten 30 Minuten Impulsreferat: Deine Präsentation sollte spannend sein und unterschiedliche Medien verwenden (z.B. Flipchart, Power-point-Präsentation, Fotos usw.). Ermögliche Pausen und Nachfragen, unterbreche für Gruppenarbeit, versichere dich, dass die TeilnehmerInnen deine Präsentation verstanden haben. 39 2002 und 2003 verabschiedete die Europäische Union drei Antidiskriminierungsrichtlinien, die auf nationaler Ebene in allen 25 EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt werden müssen. Die Richtlinien umfassen die sechs Kerndimensionen von Diversity und verbieten direkte und indirekte Diskriminierung und Belästigung. Direkte Diskriminierung ist die ungleiche und nachteilige Behandlung einer Person aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Religion oder ihren Glaubens, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung (verglichen mit der Behandlung anderer in ähnlichen Situationen). Indirekte Diskriminierung findet statt, wenn eine scheinbar neutrale Regel, Praxis oder Richtlinie sich aufgrund von Merkmalen wie der ethnischen Herkunft, Religion oder Glauben, Behinderung, Alter oder sexuelle Orientierung zum Nachteil von Menschen auswirkt, es sei denn, dass diese Praxis sich durch ein legitimes Ziel objektiv rechtfertigen läßt. Auf nationalstaatlicher Ebene sind die meisten dieser Regeln ein juristisches Novum und selbst viele Experten aus Human Resources-, Diversity- und Rechtsabteilungen verstehen alle Implikationen der neuen Gesetze noch nicht. Die meisten EU Länder sind noch dabei, die Richtlinien zu implementieren, ein Prozess, der von der EU beobachtet und evaluiert wird. In einigen europäischen Ländern, die nicht der EU angehören (z.B. in Norwegen und der Schweiz), existieren bereits ähnliche Gesetze die Diversityund Diskriminierungsfragen betreffen, aber im Verlauf der europäischen Integration wird eine Angleichung der Gesetze erwartet. Zur Erinnerung • In 2002 und 2003 wurden drei Antidiskriminierungsrichtlinien von der EU verabschiedet. • Sie berücksichtigen alle sechs Kerndimensionen von Diversity. • Die 25 EU-Mitgliedsstaaten sind dazu verpflichtet, diese Richtlinien in ihrer nationalen Gesetzgebung zu implementieren. 40 • Direkte Diskriminierung findet dann statt, wenn eine Person schlechter behandelt wird als eine andere in einer vergleichbaren Situation. • Indirekte Diskriminierung findet dann statt, wenn Personen durch scheinbar neutrale Regeln, Praktiken oder Richtlinien benachteiligt werden. • Die meisten Länder sind noch dabei, die Richtlinien umzusetzen. Beispiele internationaler Gesetze Artikel 13 Amsterdamer Vertrag Zur Umsetzung des Artikel 13 wurden am 29. Juni 2000 bzw. am 27. November 2000 drei wichtige Instrumente von der Europäischen Kommission und vom (Minister-)Rat der Europäischen Union genehmigt. Sie sollen helfen, Diskriminierungen auf Basis von Ethnie oder ethnischem Hintergrund, Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung zu bekämpfen und zu verhindern: 1. die Richtlinie 2000/43/EG zum Verbot von Diskriminierung aus Gründen der ethnischen Herkunft in einem breiten Spektrum von zivilrechtlichen Bereichen: Beschäftigung, Bildung, Bereitstellung von Gütern und Dienstleitungen sowie Sozialschutz. 2. die Richtlinie 200/78/EG zum Verbot von Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf, die Diskriminierungen aus Gründen der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung untersagt. 3. ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Bekämpfung von Diskriminierungen (Beschluss 2000/750/EG), das die Umsetzung der Richtlinien unterstützen und ergänzen soll. Hierfür werden Informationsund Erfahrungsaustausch sowie die Verbreitung bewährter Verfahren in legislativen wie auch in nicht legislativen Bereichen gefördert. Die Umsetzung von 1. und 2. wird in Deutschland in mehreren Schritten erfolgen und nicht in einem umfassenden Artikelgesetz. Das Lebenspartnerschaftsgesetz, Änderungen des Mietrechts in Bezug auf barrierefreien Wohnraum und das Gleichstellungsgesetz für behinderte 41 Menschen sind bereits in Kraft getreten. Ein Gesetz zur Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes ist verabschiedet worden, während das geplante Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft vorerst zugunsten einer Selbstverpflichtungserklärung zurückgestellt worden ist. Bezug nehmend auf das geplante arbeitsrechtliche Antidiskriminierungsgesetz soll neben den arbeitsrechtlichen Inhalten der Richtlinie 2000/43/EG (Rasse/ethnische Herkunft) die so genannte Rahmenrichtlinie 2000/78/EG umgesetzt werden, die sich auf den Bereich Beschäftigung und Beruf beschränkt. Das arbeitsrechtliche Antidiskriminierungsgesetz wird dabei auch Regelungen zu Diskriminierungen wegen der Religion, Weltanschauung, Rasse und ethnischen Herkunft enthalten. Dabei ist ein Detail für das deutsche Rechtssystem ungewöhnlich: die Beweislast in strittigen Diskriminierungsfällen wird umgekehrt. Organisationen müssen künftig nachweisen, dass sie nicht diskriminiert haben. Zukünftig muss der betroffene Arbeitnehmer die Umstände, die eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung vermuten lassen, lediglich glaubhaft machen. Eine entsprechende Regelung kennt das deutsche Recht bereits seit der Umsetzung der Richtlinie über die Beweislast bei der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (97/80/EG). §611aI Satz 3BGB regelt die Beweislastumkehr bei geschlechtsbezogener Diskriminierung. Die bisherige Erfahrung zeigt erstaunlicherweise aber, dass die Inanspruchnahme der Gerichte aufgrund dieser Regelung gering ist. Da die oben genannten Richtlinien wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen zur Vermeidung von Diskriminierung verlangen, ist damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Richtlinienumsetzung entsprechende Schadensersatzansprüche zugunsten der Geschädigten statuieren wird. Gender Mainstreaming3 Gender Mainstreaming wurde in den Amsterdamer Vertrag von 1996 als politisches Ziel der EU Länder festgeschrieben. In einem Kabinettsbeschluss vom 23. Juni 1999 hat die Bundesregierung sich grundsätzlich zu der 42 Gleichstellung von Frauen und Männer bekannt und beschloss, dieses durch Gender Mainstreaming Strategien zu fördern. Nach Paragraph 2 der am 26. Juli 2000 beschlossenen gemeinsamen Verfahrensrichtlinien der Bundesministerien sind alle Abteilungen dazu angehalten, diesen Strategien in allen politischen, normativen und administrativen Maßnahmen der Bundesregierung zu folgen. Die Strategie des Gender Mainstreaming als Mittel der Bundespolitik ist auch in Paragraph 2 des Bundesgleichstellungsgesetzes fest verankert. Um diese Vorgaben zu implementieren, hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hierzu ein relevantes Konzept von der interministeriellen Arbeitsgruppe zu Gender Mainstreaming (IMA) entwickeln lassen: • Alle Ministerien organisieren die Weiterbildung und Sensibilisierung ihres Personals (einschließlich des Führungspersonals) eigenverantwortlich. • In allen Ministerien wird die Anwendung von Gender Mainstreaming mit einem Pilotprojekt erprobt. • Strukturen und Instrumente für die Implementierung von Gender Mainstreaming in der Verwaltungspraxis werden aufgebaut. • Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist zuständig für die Koordinierung und Ausführung der Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Gender Mainstreaming und seiner Implementierung innerhalb der Bundesregierung. Ende 2003 war die Pilotphase fast abgeschlossen. Die in den Pilotprojekten gesammelten Erfahrungen und Ergebnisse wurden in ein elektronisches Manual zusammengefaßt, das sogenannte „Wissensnetzwerk – Gender Mainstreaming für die Bundesverwaltung“. Art. 3 GG: “Gleichheit vor dem Gesetz“: „(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (...) (3) Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ 3 vergleiche www.gender-mainstreaming.net 43 BGB §611: Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeitsverhältnissen „Grundsätze für die Gleichbehandlung der Betriebsangehörigen“ (§75 BetrVG): In den Unternehmen spielen Betriebsvereinbarungen zunehmend eine größere Rolle. Immer mehr Organisationen verpflichten sich selbst zu mehr Chancengleichheit oder Fairness am Arbeitsplatz. Viele dieser Vereinbarungen haben einen bindenden Charakter. Grundsätzliche Überlegungen: Es wird differenziert zwischen Gleichbehandlung, Gleichstellung und Chancengleichheit. Diskutiere die Unterschiede. Wie könnte eine politische Stellungnahme zu diesem Thema aussehen? (Da in Deutschland die staatspolitischen Rahmenbedingungen für Diversity alles andere als ideal sind, ist dies grundsätzlich notwendig.) Zur Erinnerung • Für die Implementierung von Artikel 13 des Amsterdamer Vertrags gibt es drei Instrumente: die Direktriven 2000/43/EG, 2000/78/EG und 2000/750/EG. • Die Beweislast in strittigen Diskriminierungsfällen wird umgekehrt, künftig müssen betroffene ArbeitnehmerInnen die Umstände der Diskriminierung lediglich glaubhaft machen. Organisationen werden beweisen müssen, dass ihre Praktiken keine Diskriminierung darstellen. • Gender Mainstreaming fand 1996 Eingang in die Gesetzgebung. Die Bundesregierung bekennt sich grundsätzlich zu der Gleichstellung von Frauen und Männern und hat beschlossen, dieses durch die Gender Mainstreaming Strategie zu fördern. • In Deutschland ist das Prinzip der Chancengleichheit in mehreren Gesetzen verankert: * Art. 3 des Grundgesetzes * BGB § 611 44 * § 75 BetrVG. Es wird unterschieden zwischen Gleichbehandlung, Gleichstellung und Chancengleichheit. In dieser Einheit können TeilnehmerInnen auch zusätzliche Aufgaben übernehmen wie z.B. Internet- und Hintergrundrecherchen, Interviews Betriebsbesichtigungen oder Besuche in relevanten Institutionen. Test Fragen: 1. Beschreibe den Unterschied zwischen direkter und indirekter Diskriminierung. 2. Erzähl etwas über die Inhalte von Artikel 13 des Amsterdamer Vertrags. 3. Was bedeutet “Beweislastumkehr” in diesem Zusammenhang? 4. Welche anderen relevanten Gesetze kennst Du? 5. Diskutiere die Unterschiede zwischen Gleichbehandlung, Gleichstellung und Chancengleichheit. Welche Schwierigkeiten könnte es bei der Berücksichtigung dieser Unterschiede bzw. ihrer Verankerung in Gesetzen geben? V. Konzepte von Empowerment Konzepte von Empowerment Theorie: - Empowerment Praxis: - Gruppenarbeit: Aussagen über Empowerment Anforderungen an Ausstattung: Beamer, Laptop evtl. Overhead Flipchart Metaplan, farbige Karten 90 Minuten (1 Stunde 30 Minuten) gesamt 60 Minuten 60 Minuten 30 Minuten 30 Minuten 45 Impulsreferat: Der Begriff stammt aus dem Englischen und bedeutet Ermächtigung bzw. Selbstermächtigung. Gemeint ist, dass Betroffene Entscheidungsmacht über ihr eigenes Leben gewinnen bzw. wieder gewinnen. Empowerment steht „für einen Prozess, in dem die Betroffenen ihr Leben in die eigene Hand nehmen, sich dabei ihrer eigenen Fähigkeit bewusst werden, eigene Kräfte entwickeln und soziale Ressourcen nutzen.“4 Es gibt drei Ebenen des Empowerment: • individuelle : Personen übernehmen aus einer Situation der Machtlosigkeit, Demoralisierung, Resignation ihr Leben wieder in die Hände • gruppenbezogene: neue Fähigkeiten durch Mitarbeit in einer Organisation ausbilden, Meinungen und Kompetenzen mit anderen austauschen • strukturelle: bezieht sich auf Rahmenbedingungen, soziapolitisches Handeln In den häufig beschriebenen Phasen , Schritten oder Etappen des Empowerment werden Ebenen der Formierung und Mobilisierung beschrieben, die letztendlich in gesellschafts- bzw. sozialpolitischen Bewegungen münden. Behinderung der Eigenmacht wird in dem Konzept der „Erlernten Hilflosigkeit“ von Martin E.P. Seligman, Steven F. Maier von 1967 deutlich: Versuch mit Hunden: 1.a. Käfig mit Stromstößen 1.b. Käfig mit Stromstößen und Ausweichmöglichkeit 2. Gruppe a in Käfig b – Hilflosigkeit, keine Versuche zu entkommen Die Folge ist nach Seligman erlernte Hilflosigkeit: • Erlernte Hilflosigkeit ist ein Zustand negativer Erwartungen, die auf der Einsicht beruhen, Probleme seien mit den vorhandenen Denk- und Handlungsmöglichkeiten nicht zu lösen. • 4 Ein Zustand der eintritt, wenn Ereignisse nicht kontrollierbar sind Theunissen, G., Plaute, W. (1995): Empowerment und Heilpädagogik: Freiburg im Breisgau 46 • Ein Gefühl , eine Erfahrung, keine Entscheidungsgewalt und Kontrolle über Lebensereignisse zu haben. Daraus entwickeln sich vier Defizite: • Motivation: Verminderte Leistungsbereitschaft, Erwartung, dass aktives Handeln keinen Einfluss auf Handlungsergebnis hat • Kognition: Auswirkung auf spätere Lernprozesse, dass es keinen Zusammenhang zwischen Verhalten und Handlungsergebnissen gibt • Emotion: Hoffnungslosigkeit, Traurigkeit, Angst, da das eigene Handeln ergebnislos erscheint, Gefühl des Ausgeliefertseins • Selbstwert: negatives Selbstbild Erlernte Hilflosigkeit zeigt viele Parallelen zu Phänomenen, die Krankheitsverläufen zugeschrieben werden. Auch tendenziell entmündigende Betreuung unterstützt diesen Prozess. Untersuchung zum Wiedererstarken von Schizophrenie aus Sicht der Psychiatrieerfahrenen5 von Psychiatrieerfahrenen am Häufigsten genannte Faktoren, die den Prozess des Wiedererstarkens beeinflusst haben: - 74 % eigene Entscheidung, dass es besser gehen soll - 64 % einen Umgang mit der Krankheit finden - 61 % der negative Einfluss von Professionellen - 54 % Selbsthilfestrukturen - 54 % Freunde, die einen akzeptieren - 54 % negative Aspekte von Medikamenten - 61 % berichteten, dass ihre Erfahrungen mit Professionellen nicht nur negativ, sondern sogar nachteilig für ihren Genesungs-/Wiedererstarkensprozess gewesen sei. Auch wenn viele Befragte positive Begegnungen mit einzelnen Professionellen hatten, war der allgemeine Eindruck schlecht. 5 Tooth,B., Kalyanansundaram, V., Glover,H. (1997): Recovery From Schizophrenia: A Consumer Perspective 47 Empowerment – eine Definition aus Betroffenensicht6 • Hoffnung • Zugang zu Informationen, Ressourcen und Finanzmitteln haben • ein Spektrum an Wahlmöglichkeiten haben; die Fähigkeit und Möglichkeit eigene Entscheidungen zu treffen das Gefühl zu haben, als Individuum etwas bewegen zu können • –Hoffnung ist ein elementarer Bestandteil des Lebens • mit der eigenen Stimme reden • die eigene Identität neu und selbst definieren • das Verhältnis zur institutionellen Macht neu definieren • Wut erkennen und äußern können – keine Umdefinition als Dekompensation • ein positives Selbstbild entwickeln und die Stigmatisierung überwinden • Veränderungen im eigenen Leben und im Umfeld zu bewirken – bewirkt ein Mensch Veränderungen, stärkt er oder sie dadurch das Gefühl, über Kompetenz und Kontrolle zu verfügen • sich nicht allein fühlen, sondern als Teil einer Gruppe • Coming out bezüglich der eigenen Krankheit, selbstbewusster Umgang mit dem So-Sein ein fortlaufende Prozess der Stärkung der Eigenmacht • Gruppenarbeit: Diskutiert die Aussagen und ergänzt sie wenn notwendig. Empowerment in der Psychiatrie (knüpft an das Verständnis von Gesundheit und Krankheit an): • Auflösung der Expertenherrschaft der Professionellen: o der Betreuer wird zum Begleiter, „Berater und Förderer eines zunehmenden Emanzipations- und Partizipationsprozesses“ 7 6 aus: Knuf, A., Seibert, U. (Hg.) (2001); Selbstbefähigung fördern, Empowerment und psychiatrische Arbeit; Bonn, S. 18 f. und Rede von Peter Lehmannn 7 Knuf, A., Seibert, U.: Selbstbefähigung fördern 48 • Einflussnahme der Psychiatrieerfahrenen auf Behandlungs- und Versorgungsstrukturen • Hoffnung o Ein wichtiges Element auf dem Weg der Gesundung/des Wiedererstarkens ist Hoffnung/Glauben, dass es mir besser gehen kann. Dies kann auch von anderen vermittelt werden, wenn die Person selbst (derzeit) nicht an sich glauben kann. Die therapeutische Bedeutung von Hoffnung lässt sich wie folgt beschreiben: „ Hoffnung erhält aufrecht, auch in Phasen von akuten Krisen. Sie entwickelt in sich ihre Potentiale. In dem sie die Sphäre des Möglichen öffnet, legt sie den Grundstein für den Beginn der Veränderung.“8 • Stärkung: o Entdecken, Bewusstwerden und Entwickeln der eigenen Ressourcen o Gefühl der Identität o Sinn und Aufgabe im Leben • Bedingungen fördern, die es Menschen ermöglicht, Kontrolle über die Gestaltung des eigenen Lebens und der eigenen sozialen Lebenswelt zu erlangen • Psychiatrieerfahrene sind ExpertInnen in eigener Sache o Auch in Phasen der Belastung werden die Betroffenen als kompetente Akteure wahrgenommen, die über das Vermögen verfügen, ihre Lebenszusammenhänge (Ziele, Entscheidungen...) in eigener Regie zu gestalten • Organisierung von/in Gruppen: o Selbsthilfegruppen und –verbände o Psychoseseminare o Arbeitskreise (Nutzerarbeitskreis...) o Expertenpartnerschaft • 8 Entwicklung einer anerkannten gesellschaftlichen Rolle Lightburn, A. / Session,P. (Hg.): Community based clinical practice; London im Druck 49 • Integration in die Gemeinde • Bürger sein „Geld und Rechte, darauf kommt es an, daran misst sich ein echter Fortschritt. Dagegen sind alles andere nur Worte.“ (Peter Lehmann) Die Kernfrage lautet, hat die Person mehr oder weniger Macht durch meine Interventionen. Zur Erinnerung: • Empowerment meint, dass Individuen Entscheidungsmacht über ihr eigenes Leben gewinnen oder wieder gewinnen, sich ihrer Fähigkeiten bewusst werden und soziale Ressourcen nutzen. Leitperspektive ist die selbstbestimmte Bewältigung und Gestaltung des eigenen Lebens. • Es gibt drei Ebenen des Empowerment: die individuelle, die gruppenbezogene und die strukturelle. • Aufgrund erlernter Hilflosigkeit wird Eigenmacht behindert. Erlernte Hilflosigkeit ist ein Zustand negativer Erwartungen, die auf der Einsicht beruhen, Probleme seien mit den vorhandenen Denk- und Handlungsmöglichkeiten nicht zu lösen, Ereignisse nicht kontrollierbar und Entscheidungsgewalt über Lebensereignisse nicht vorhanden. • Das Konzept von Empowerment beinhaltet Zugang zu Informationen. Ressourcen und Finanzmitteln, Hoffnung zu haben und ein Spektrum an Wahlmöglichkeiten, die Möglichkeit, als Individuum etwas bewegen und die eigene Identität neu und selbst definieren zu können, mit der eigenen Stimme zu reden, ein positives Selbstbild zu entwickeln und sich nicht alleine zu fühlen, sondern zu einer Gruppe zugehörig. • Empowerment knüpft an das Verständnis von Gesundheit und Krankheit an: Auflösung der Expertenherrschaft der Professionellen und Verstärkung von Einfluss und Kontrolle. Das meint, dass NutzerInnen Experten ihres eigenen Lebens sind. 50 • Hoffnung ist ein wichtiges Element auf dem Weg der Gesundung, es legt den Grundstein für den Beginn von Veränderung. • Wichtig ist die Organisierung von/in Gruppen, z.B. in Selbsthilfegruppen und –verbänden, Arbeitskreisen und Expertenpartnerschaften. Psychiatrische Intervention in der Gemeinde Ist Gemeinde der Locus oder der Focus des Handelns ? Gemeindeorientiertes Handeln umfasst: • Einbeziehung des „natürlichen“ sozialen Umfeldes einer Person • Entwicklung von Beziehungen in einem Gemeinwesen • Unterstützung bei der Entwicklung einer wertgeschätzten Rolle als Mitbürger • Arbeit mit Mitgliedern des Gemeinwesens zur Bekämpfung von Stigma und dem eingeschränkten Zugang zu Ressourcen • Entwicklung multipler Verbindungen zu und zwischen den Mitgliedern einer Gemeinde • Empowerment, Unterstützung von Wiedererstarken beinhaltet, einen Sinn im eigenen Handeln zu erkennen, einen Sinn in der Zugehörigkeit zu einer Gruppe • Gemeindeorientierte Arbeit kann nicht von einem Büro aus gemacht werden; um den elementaren Bedürfnisse eines Menschen zu antworten, ist es wichtig, ihnen in ihrem Revier und in ihrer Sprache zu begegnen und Angebote zu machen, die unmittelbar als bedeutsam für den Lebenskontext angesehen werden können • Arbeit ist die Brücke, über die jemand von einem schwer psychisch Kranken zu einem zunehmend kompetenten, intakten Menschen werden kann. 10 Prinzipien gemeindeorientierter, bemächtigender Arbeit9 9 nach Davidsen, Larry u.a.: Recovery Guides, an emerging model of community based care for adults with psychiatric disabilities; in Lightburn, A./ Session,P. : Community based clinicalpractice; London im Druck 51 1. Recovery- (Genesungs-/Wiedererstarkens-) Orientierung 2. Fähigkeitsorientierung 3. Gemeindeorientierung 4. personenzentriert 5. Gegenseitigkeit der Beziehung 6. Kulturrelevanz 7. Orientierung am individuellen Lebenskontext 8. Beziehungsarbeit 9. Optimierung der natürlichen Unterstützung 10. Es ist dein Job “The reality in which the practice of rehabilitation takes place is made up of the sum of places, times, and relationships which constitute daily life. These include the moments and periods which divide up everyday life, the spaces of the house and neighbourhood and banal everyday relationships. We could say that Rehabilitation is the practice of the obvious, the relearning of the banal, the enhancing of the rhythm which exists between objects and the body which moves among them, the respect for the relationship between internal and social time, the integration of memory and project, the acquisition of the measure of psychological and physical distances, the conquest of the awareness of rights and the right to awareness.” (B.Saraceno). Zur Erinnerung • Gemeindeorientiertes Handeln umfasst: Einbeziehung des “natürlichen” sozialen Umfeldes, die Entwicklung von Beziehungen in einem Gemeinwesen und die Arbeit mit Diensten in der Gemeinde. Um eine Person zu unterstützen, ist es wichtig, ihr in ihrem Revier und in ihrer Sprache zu begegnen und Angebote zu machen, die unmittelbar als bedeutsam für den Lebenskontext angesehen werden können. • Gemeindeorientierte Hilfe, Empowerment beinhaltet den Fokus auf den Menschen, ist orientiert auf Gesundung und Wiedererstarken und die Gegenseitigkeit von Beziehungen. 52 Hausaufgabe: Bereite Besuche von unterschiedlichen Diensten vor (z.B. von Diensten der Gemeindepsychiatrie, von Selbsthilfegruppen etc.). Bereite Interviews vor. Test Fragen: 1. Erzähle uns etwas über das Konzept Empowerment. 2. Welche unterschiedlichen Ebenen gibt es diesbezüglich? 3. Was ist mit erlernter Hilflosigkeit gemeint? Und was sind die Konsequenzen von so einer Herangehensweise? 4. Kannst du uns etwas über deine Meinung und/oder deine Erfahrung von Hoffnung erzählen? 5. Welche Selbsthilfegruppen kennst du? 6. Was sind die Implikationen von gemeindeorientierter Hilfe? 53 Bibliographie Essed, P. 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