해리의 모피(독일언어문학회 제출용)
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Struktur und Menschenbild einer naturalistischen Komödie Der Biberpelz Roh, Yeong-Don* I In Frau Wolff erblickt man die große Leistung des jungen Hauptmann in der Dramen- und Theatergeschichte, die vorwiegend auf seiner bewundernswerten Menschengestaltung beruht. Anders als in Vor Sonnenaufgang und in Rose Bernd, wo die Leidenswege und Niedergänge der Töchter innerhalb des kleinbürgerlichen Familienmilieus dargestellt werden, steht in diesem Stück eine Mutter im Mittelpunkt des Geschehens. In der Literaturgeschichtsschreibung ist es üblich geworden, bei dieser Frau gern von der “Mutter Wolff[en]” zu sprechen. Dieser Frau kommt eine aktive Rolle und entscheidende Funktion sowohl für die dramatische Handlung als auch für die Möglichkeit des Vorwärtskommens ihrer Familie zu. Die Diebskomödie endet mit keinem dramatischen Finale, sondern mit einem “Schluß, der keiner ist”. Bei der zeitgenössischen Kritik am Schluß des Dramas geht es weniger um dramaturgische Strukturfragen als um die Moral, da das Stück nicht mit dem Sieg der Gerechtigkeit endet, sondern mit dem Triumph der stehlenden Frau Wolff.1) Die Aufdeckung des Diebstahls und die entsprechende Genugtuung bleibt aus. Der Amtsvorsteher von Wehrhahn, der ihre Diebstähle hätte aufspüren müssen, bescheinigt ihr hingegen am Ende die “ehrliche Haut”. (CA I 542) Hauptmann bringt in der Fortsetzung der Diebskomödie, im Roten Hahn (1901), noch deutlicher die Triebfeder für Frau Wolffs Handeln zum Ausdruck, die eigentlich die Angst vor Deklassierung ihrer Familie und gleichzeitig die Sorge um materielle Sicherheit ist. Das zeigt sich schon deutlich in der Anfangsszene, wenn die inzwischen verwitwete und mit dem Schuster Fielitz wieder verheiratete Frau Wolff ihrem Mann * Chung-Ang Universität 1) Vgl. Reinhard Dithmar, Komik und Moral. Das Lustspiel im Unterricht am Beispiel von Gerhart Hauptmanns Diebskomödie Der Biberpelz, in: DU 20 (1968) H. 3, S. 31f. 310 독일언어문학 제11집 Vorwürfe macht: “Da mißten mir alle mitnander verhungern. Mit der Flickschusterei, das wär’ aso was!” (CA II 13)2) An anderer Stelle reizt sie ihren zweiten Mann mit ähnlichen Argumenten wie ihren ersten: ”Das ha ich mer o uff der Stelle gesagt, und baun kust Geld, das is ni zu ändern. Unse paar Fennige lang’n da ni.” (CA II 26) Bis zum Schluß läßt sich ihr Streben erkennen: “Ma langt... Ma langt... Ma langt immer so.” (CA II 73) Frau Wolff ist fleißig, energisch, tüchtig, im Grunde gutmütig und mütterlich. Sie stellt sich selbst als eine Mutter mit Besonnenheit heraus. Ihr mütterlicher Rat an Leontine in Der rote Hahn (1901) zeugt von ihrer Gutmütigkeit: “Hauptsache is: immer bleib uf’m Posten. Der Mann is ni beese. A meent’s ganz gut. Sei spars’m! Du weeßt, wie genau daß a is! Und halt’n sei bissel Gelumpe zusamm.! Und halt’n sei kleenes Mäderle gutt. A hat ja ooch gegen dein Jung’n nischt.” (CA II 63) Sie genießt im ganzen Ort hohes Ansehen. Das resultiert nicht allein aus ihrem Fleiß und ihrer Tüchtigkeit, wie ihr der Amtsvorsteher bestätigt - sie arbeite mindestens für zwei -, sondern auch aus positiven Tugenden und naturhafter Mütterlichkeit, die sie immer den Leuten zeigt, die zu ihr kommen3) wie Mitteldorf (CA I 502), Dr. Fleischer (CA I 521) und Herr Krüger (CA I 527). Frau Wolff ist im Grunde ihres Wesens eine Mutter und bleibt in allem, was sie tut, dem Mütterlichen verbunden. Das zeigt sich deutlich, als Dr. Fleischer mit seinem Kind zu Besuch kommt. Als eine gute und rechtschaffene Mutter warnt sie Dr. Fleischer vor Wehrhahn, der mit Hilfe des Denunzianten Motes, der falsche Zeugen zu gewinnen sucht, einen Majestätsbeleidigungsprozeß gegen Fleischer einleiten will. Beim Spiel mit dem Jungen erinnert sie sich mit aufrichtigem Mutterschmerz an ihr eigenes frühgestorbenes Kind: “Ma macht’n ja doch nich wieder lebendig. - Ja sehen Se - das sind so Lebenssachen.” (CA I 522) Diese Szene zeigt, daß Frau Wolff eine einfühlsame Natur hat. Ihre Diebstähle können auch nur dadurch erfolgreich sein, daß der Amtsvorsteher von Wehrhahn ihnen einerseits “weniger Bedeutung beimißt” und stattdessen dem Sozialisten Dr. Fleischer nachsetzt,4) andererseits aber Frau Wolff sich den Ruf einer 2) Sämtliche Werke, hg. v. Hans Egon Hass, fortgeführt v. M. Machatzke u. W. Bungies (ab Bd. 10), 11 Bde., Frankfurt/M, Berlin, (Wien): Propyläen 1962. (Centanar-Ausgabe zum 100. Geburtstag des Dichters, 15. Nov. 1962) Die folgenden Belegstellen aus der Centanar-Ausgabe sind durch die Abkürzung CA vor der Bandzahl und Seitenangabe gekennzeichnet. 3) Vgl. R. Dithmar, Komik und Moral, S. 26. 4) Vgl. Richard Weber, Gerhart Hauptmann: Biberpelz, in: Reinhard Dithmar/Barbara Kochan/Detlef C. Kochan (Hg.), Von Lessing bis Kroetz. Einführung in die Struktur und Menschenbild einer naturalistischen Komödie 311 gutmütigen, grundehrlichen und vor allem mütterlichen Waschfrau erworben hat. Mit ihren starken weiblichen Instinkten greift sie aber der Tendenz der Zeit voraus, die in der Proletarisierung aller kleinbürgerlichen Familien, die den sozialen Aufstieg ins Bürgertum nicht erreichen, besteht. Sie hat nur eines im Sinn: sie will hinaus aus den kümmerlichen Umständen und eine behaglichere und angesehene bürgerliche Lebensform erreichen: Ihre Töchter sollen es einmal besser haben, sie sollen in der “Beletage” wohnen und beim Theater “Farure” machen. (CA I 488) Julius Wolff, ihr Mann, hat als Schiffszimmermann keine feste Arbeit. Er hat sogar im Winter gar keinen oder nur geringen Verdienst. Neben unregelmäßigen Tätigkeiten als Zimmermann arbeitet er auch als Fährmann, worauf seine Arbeitsgeräte, nämlich “Ruder Schiffereigerät” (CA I 485), und “Schiffszimmergerät” (CA I 487) hinweisen. Da die wirtschaftliche Umwälzung immer mehr Männer kleinbürgerlicher Schichten in abhängige Stellung zwingt und ihrer Existenz die sichere Grundlage entzieht, zwingt sie auch die Frau zu arbeiten und mit ihrem Erwerb den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. Mutter Wolff arbeitet zunächst als Waschfrau beim Rentier Krüger und Amtsvorsteher Wehrhahn. Ihre Tochter Leontine arbeitet als Dienstmädchen beim Rentier Krüger. Sie bringt aber nur das Elend des Dienstmädchens zum Ausdruck: “...um zwanzich Daler uffs janze Jahr? Denn soll ick mir ooch noch die Poten verfrieren? Und nich ma satt Katoffel und Häring?!” (CA I 486) Für Mann und Kinder schindet und rackert sich Frau Wolff den ganzen Tag. Sie weiß aber, daß sie mit der Arbeit ihrer ehrlichen Hände, die sie und ihr Mann durchaus leisten, nie mehr als den knappen Lebensunterhalt schaffen könnte. Frau Wolff spricht ihre eigene Ideen unerschrocken aus, sich und die ihrigen in dieser Welt vorwärts zu bringen. In ihren Augen bedeutet das hauptsächlich, ein Stück Land und ein Haus zu besitzen: “Sein immer noch sibzig. Ma kommt halt uff die Art gar nich rech weiter. So fufzig - sechzig Taler uff eemal, wenn ma die uff eemal so hinleg’n kennte. Da wär’ doch d’r Grund und Boden bezahlt. Da könnt’ ma so hundert bis zwee wieder uffnehmen und vielleicht a paar hibsche Stub’n uffbaun. An Sommergast kenn mer doch so nich uffnehmen: und Sommergäste, die bringen’s hauptsächlich.” (CA I 500) Um es abzuzahlen und wirklich besitzen zu können, braucht man also “uff eemal” viel Geld. Doch alle ihre Beschäftigungen als Waschfrau reichen nicht aus, ihr Ziel zu erreichen. Deshalb wirft Frau Wolff ihrem Mann vor: “Mit dem bissel arbeiten wirscht Dramenanalyse. Kursmodelle und sozialgeschichtliche Materialien für den Unterricht, Kronberg/Ts. 1975, S. 77. 312 독일언어문학 제11집 de weit komm.” (CA I 501) Sie rechnet fest damit, daß man den Mut haben und Werte aufs Spiel setzen muß, wenn man wirtschaftlich vorwärts kommen will. Diese Kühnheit hat Frau Wolff: “Wer halt nich wagt, der gewinnt ooch nich.” (CA II 501) Für Frau Wolff ist die Möglichkeit zum ökonomischen und sozialen Aufstieg ins Bürgertum vorhanden. Diese Waschfrau versucht nun mit allen Mitteln das für ihren Zweck notwendige Geld zu beschaffen,5) denn “wenn du erscht reich bist, Julian, und kannst in der Eklipage sitzen, da fragt dich kee Mensch nich, wo de’s her hast.” (CA I 501) Ihr Mann legt Schlingen, in denen er ab und zu einen Rehbock fängt, und dann verkauft die geschäftstüchtige Frau Wolff ihn an den Schiffer Wulkow. Überdies begeht sie sogar Diebstähle und entwendet Knüppelholz und einen Biberpelzmantel beim Rentier Krüger. Sie legt Rechenschaft über ihre Diebstähle mit einem ihr eigenen Sinn für Gerechtigkeit ab. Stehlen ist auch für sie ein Verbrechen, aber so ein bißchen Wildern und Mausen bei Leuten, denen es auf eine Fuhre Knüppelholz und einen Biberpelz nicht weiter ankommen kann, da läßt sie mit sich reden. Einem, der genügend hat, etwas wegzunehmen, erscheint ihr nicht unrecht. Es trifft ja sogar den Rentier Krüger, der ihre Tochter Leontine ausbeutet. Den schwerfälligen Julian beschwichtigt sie mit ihrer eigenen gerechten Gesinnung: “Ja, wenn ma’s von armen Leiten nähme!” (CA I 501) Damit findet ihre doppelte Anlage, als Diebin auf der einen und eine Frau von Herz und echter Mütterlichkeit auf der anderen Seite, ihren Grund in den gesellschaftlichen Vorgängen. Und ihre Diebstähle erhalten beinahe etwas Sympathisches, jedenfalls wecken sie Verständnis, wenn nicht sogar Mitleid. Im Hinblick auf die Frage der Gerechtigkeit und Moral in dem Drama weist Gerhard Kaiser allerdings darauf hin, daß “diese Norm, für die die Wolffen steht, nicht eine der Moral und der Idee” ist, sondern “eine Norm des vitalen, bedenkenlosen, gesunden Lebens”.6) Hans Joachim Schrimpf bezeichnet die Haltung Wolffens als “vormoralisch”. Denn es geht hier “um vitalen Aufstand gegen die Gesellschaft”, um “immoralische[n] Ausbruch aus einer sonst für immer hoffnungslosen sozialen Situation”. Damit erscheinen Diebstahl und Betrug in Der Biberpelz als “Akte der Notwehr im Vitalkampf gegen soziale Ungerechtigkeit und fragwürdige 5) Vgl. Hermann Barnstorff, Die soziale, politische und wirtschaftliche Zeitkritik im Werke Gerhart Hauptmanns, Jena 1938, S. 88 Barnstorff sagt von Mutter Wolff: Sie ist “ein Symbol aller Zeiten. Nicht durch Umsturz, sondern durch schlaue Ausnutzung des Gegebenen erreichen die niederen Klassen einen Aufstieg.” (Zitat, S. 89) 6) Gerhard Kaiser, Die Tragikomödien Gerhart Hauptmanns, in: H. J. Schrimpf (Hg.), Gerhart Hauptmann, S. 365. Struktur und Menschenbild einer naturalistischen Komödie 313 Eigentumsverhältnisse”.7) II Es handelt sich auch hier nicht um Einmaliges. Obwohl die Gefahr des Diebstahls ihr schon bewußt ist, treibt sie weiter dieses waghalsige Spiel. Die Wiederholung ihrer Diebstähle lenkt die Aufmerksamkeit darauf, daß ihr im sozialen Aufstiegskampf offenbar kein anderes Mittel zur Verfügung steht.8) Dieser Aufstiegskampf ist bei Frau Wolff ebenso wie die Entscheidung für den Aufstand bei Luise Hilse in Die Weber - nicht politisch motiviert und bezieht sich nur auf den individuellen Aufstieg und nicht auf eine allgemeine gesellschaftliche Verbesserung. Sie setzt wenig Zutrauen und Hoffnung auf die Mitwelt. Wie Brechts Mutter Courage kennt sie die Praktiken des verderbten Systems und kann sie zu ihrem Vorteil gebrauchen.9) Die Diebstähle in Hauptmanns naturalistischen Werken kommen uns nicht verabscheuenswürdig vor, da die Diebe meistens von der sozialen Not getrieben werden. Sie verschärfen wohl eher das soziale Moment, da echte Armut und Not zum Diebstahl verleiten. Wir erinnern an die Baumertschen Kinder in Die Weber (1892), die Holz stehlen gehen (CA I 359), und an die Mägde auf Krauses Gut in Vor Sonnenaufgang (1889), die Milch mitgehen lassen. (CA I 43) Bei der Waschfrau handelt es sich 7) H. J. Schrimpf, Das unerreichte Soziale: Die Komödien. Gerhart Hauptmanns Der Biberpelz und Der rote Hahn, in: H. J. Schrimpf (Hg.), Gerhart Hauptmann, S. 403. 8) Für Fritz Martini steht aber fest: Die Wiederholung bekräftigt die Einheit der Natur der Frau Wolff. (Fritz Martini, Gerhart Hauptmanns Der Biberpelz. Gedanken zum Bautypus einer naturalistischen Komödie, in: R. v. Heydebrand u. K. G. Just (Hg.), Wissenschaft als Dialog. Stuttgart 1969, S. 93) Zur Wiederholungsstruktur vgl. H. Scheuer, Gerhart Hauptmann, Der Biberpelz, Grundlagen und Gedanken zum Verständnis des Dramas, Frankfurt a. M. 1986, S. 40f und Wolfgang Trautwein, Gerhart Hauptmann: Der Biberpelz. Eine Komödie im Naturalismus, in: Interpretationen Dramen des Naturalismus, Stuttgart 1988 (RUB 8412), S. 193f. 9) Eberhard Hilscher, Gerhart Hauptmann, Berlin 1969, S. 168 nennt Mutter Wolff “keine echte Gegenspielerin des Amtsvorstehers Wehrhahn. Sie gehört letztlich wie Brechts Mutter Courage - unmittelbar zu dem verderbten System, dessen Praktiken sie kennt und zu ihrem Vorteil gebrauchen möchte.” Vgl. dazu noch Herbert W. Reichert, Hauptmanns Frau Wolff und Brechts Mutter Courage (1961), in: Hans Joachim Schrimpf (Hg.), Gerhart Hauptmann. Wege der Forschung Band CCVII, Darmstadt 1976, S. 289f. 314 독일언어문학 제11집 allerdings nicht um Armutsdiebstähle. Im Vergleich mit anderen Verbrechern wird sie von ihrem ehrgeizigen Aufstiegsstreben geleitet. Aber dennoch gewinnt Frau Wolff auch Sympathie, einerseits weil sie trotz ihrer kriminellen Energie im Grunde eine Frau mit Herz und Mütterlichkeit ist, andererseits weil auch sie ein Opfer des Aufstiegskampf in den großen wirtschaftlichen und sozialen Umwandlungen der wilhelminischen Epoche ist. Es ist klar, daß die zeitkritische Intention deutlich in der spöttischen Darstellung des willkürlichen preußischen Obrigkeitsstaates, der vor allem durch den aufgeblasenen Amtsvorsteher Wehrhahn repräsentiert wird, enthalten ist. Noch deutlicher tritt die gesellschaftliche Tendenz des Stückes in der Darstellung des Zerstörungsprozesses der kleinbürgerlichen Familie hervor, in welchem sich die ursprünglich herzensgute und mütterliche Natur so entwickeln und verhalten kann. Im Biberpelz wird das Stehlen weder als kriminelle Angewohnheit noch als Charakterdefekt, sondern als ein allerdings bedauernswerter Akt der Notwehr beurteilt. Damit wird der Beweggrund des menschlichen Handelns von den äußeren Lebensverhältnissen gelenkt. Es ist nicht mehr die Charakteranlage des Menschen, sondern das soziale Milieu, das für sein Tun verantwortlich zu machen ist, weil die Entwicklung des Charakters durch die Macht des Milieus beeinflußt wird. Schon zweieinhalb Jahre vor der Entstehung des Biberpelz kommt Hauptmann die Idee zu einem Drama über die ehrgeizige Mutterfigur in einer untergehenden Kleinbürgerfamilie. Am 13. Mai 1890 schreibt er über die real existierende Waschfrau Heinze, das Vorbild der Frau Wolff: “Frau Heinze offen bekennend, daß sie herrschen muß über den Mann.” (GH Nk. 1889-1891, 243) Darunter steht auch noch folgender Zusatz: “Paul Ernsts Proletarierweib. (>>Frauenfrage und soziale Frage<<)” Der Hinweis gilt Paul Ernst und dessen Aufsatz in der Zeitschrift Freie Bühne von 1890, in dem Ernst die deutsche Frauenbewegung als eine Arbeiterinnenbewegung beschreibt. Aus diesen Notizen verstehen wir Hauptmanns Interesse an sozialen Fragen der kleinbürgerlichen Schicht und seine spezielle Einstellung zu der unnatürlichen Entwicklung einer weiblichen Natur, die angesichts des Daseinskampfes in einer tüchtigen, grundehrlichen und auch mütterlichen Waschfrau, die erkennbar mit Paul Ernsts “Proletarier-Weib” zu tun hat, sichtbar wird. Hauptmann stellt mit Frau Wolff jedoch keine Proletarierin dar, sondern eine kleinbürgerliche Frau. Obwohl sie auch fast vollständig mit ihrer Beschäftigung als Wasch- und Hausfrau ausgelastet ist und die noch bleibende Zeit für Wildereien und Diebstähle nutzt, sieht sie nie müde aus. Den Grund dafür kann man darin erblicken, daß sie einerseits von Natur gesund und Struktur und Menschenbild einer naturalistischen Komödie 315 optimistisch ist, andererseits daß ihre Arbeit nicht so schwer ist wie die einer Proletarierin bzw. ihr noch mehr Selbständigkeit und Entscheidungsfreiheit läßt. Keineswegs erweist sie sich als eine klassenbewußte Anklägerin noch als eine Kämpfende gegen die sozialen Verhältnisse. Sie will nur die ökonomische Situation ihrer Familie verbessern. Zugleich bemüht sie sich immer wieder um eine bürgerliche Lebensform. Sie ist daher immer auf ihren guten Ruf sowie auf Bildung bedacht, weil sie weiß, daß beim Bürgertum Reichtum nicht alles ist: man muß auch “Bildung”, die einen sehr ehrbaren Eindruck macht, vorzeigen können: “de Bildung is heutzutage de Hauptsache.” (CA I 488) Sie hält sich selbst auch für eine gebildete Frau und versucht, ihre dialektgefärbte Sprache mit Fremdwörtern - statt Kompetenz “Konferenz”, statt Denunziant “Tenuntiat” etc. -, zu dekorieren.10) Wenn auch Frau Wolff unmittelbar keine ethischen Bedenken und Gewissensbisse bei ihren verbrecherischen Taten empfindet, treibt sie aber gewiß diese Dieberei mit erkennbarem, moralischem Bewußtsein. Aus diesem Grund verteidigt sie sich immer wieder: “Mir tun nischt Beeses” oder “Mir sein keene Diebe” (CA I 520). Zwar müßten wir moralische Bedenken wegen der Lügen und Diebstähle haben, aber es stellt sich doch zugleich Sympathie11) für die naturhafte Mütterlichkeit und den Lebenswillen dieser tüchtigen, ehrgeizigen Diebin ein, denn Hauptmann hat es so erscheinen lassen, daß ihre Lebensumstände ihr gar keine legale Möglichkeit erlaubt, sich und die ihrigen zu versorgen. III Angesichts weiblicher Überlegenheit hat Oskar Seidlin mit seiner Matriarchat-These darauf aufmerksam gemacht, daß im Doppeldrama Biberpelz - Roter Hahn sich Aufstieg und Fall des Matriarchats verbildlicht. Er entdeckt den Gegensatz von männlichem und weiblichem Prinzip als die verbindende Struktur von Biberpelz und Roter Hahn: das Weibliche werde gesund und vital, das Männliche krank, unterhöhlt dargestellt. Es sind 10) Vgl. R. Dithmar, Komik und Moral, S. 27; vgl. ähnlich noch bei R. Weber, Gerhart Hauptmann: Biberpelz, S. 77 und Jürgen Jacobs, Hauptmann Der Biberpelz und Der Rote Hahn, in: Walter Hinck (Hg.), Die deutsche Komödie. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Düsseldorf 1977, S. 195. 11) Vgl. ebd., S. 403. Daß der Mutter Wolff trotz Diebstahl und Lüge die Sympathien erhalten bleiben, hängt auch nach Jürgen Jacobs damit zusammen, daß “ihr das Stück den Amtsvorsteher von Wehrhahn als Gegenspieler zuordnet”. (J. Jacobs, Hauptmann Der Biberpelz und Der rote Hahn, S. 196) 316 독일언어문학 제11집 noch zahlreiche Hinweise, auf die Seidlin seine Deutung stützt: Auf der Liste der Dramatis Personae des Biberpelz stehe Mutter Wolff in der Mitte, dann folge Julius Wolff, ihr Mann; der naturnahen Charakteranlage der Wolffen, die nur stiehlt, was als natürlicher Anspruch erscheint, trete ein militanter Gockel namens Wehrhahn als Vertreter des Staates entgegen; Hauptmann gehe soweit, daß er im Umkreis der Frau Wolff nur Töchtergeburten zulassen kann.12) Klaus D. Post geht daran, im Frühwerk Hauptmanns dessen Rezeption des Bachofenschen Muttermythos zu belegen. Posts Darlegung basiert auf der Annahme, daß Hauptmann in früheren Jahren gründlich Bachofen studiert hat. Hauptmanns Äußerungen in späterer Zeit zufolge hielt Post es für möglich, daß der Dichter Bachofen schon in den 80er Jahren zur Kenntnis genommen habe.13) Demgegenüber weist Peter Sprengel darauf hin, daß Hauptmann die soziale Konstruktion des Mutterrechts in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts aus zweiter Hand kennenlernt und erstmals im April 1919 Bachofens Mutterrecht liest. Indem Sprengel Posts Deutung einer direkten Beeinflussung Hauptmanns durch das Mutterrecht Bachofens schon in den 80er Jahren zurückweist, betont er Seidlins Interpretation des Doppeldramas Der Biberpelz - Der rote Hahn, die nicht von einer Bachofen-Kenntnis ausgeht. Letztlich faßt Sprengel Hauptmanns Verbindung seiner Notiz “Paul Ernsts Proletarierweib” mit dem matriarchalischen Anspruch der Frau Heinze als “ein ökonomisch produziertes Mutterrecht” in der Waschfrau, die den größten Anteil am Unterhalt ihrer Familie hat, auf: “die proletarische Version des Matriarchats.”14) Die Gestaltung der vitalen, gesunden Mutter in Kontrast zu der der kranken Männer dürfte aber vielmehr mit dem zeitgenössischen Bild von der Schwäche der Männer als mit Hauptmanns Anlehnung an die Matriarchats-These zu tun haben. In der naturalistischen Dichtung werden die kleinbürgerlichen Männer sowohl auf intellektueller als auch gefühlsmäßiger Ebene als unfähig dargestellt, adäquat auf die Veränderungen, die durch die Folgen der Industrialisierung im Bereich der Arbeit und ihres sozialen Umfeldes hervorgerufen werden, zu reagieren, wie z.B. die Väter in Hermann Sudermanns Die Ehre, Arno Holz und Johannes Schlafs Die Familie Selicke und Schlafs 12) Vgl. Oskar Seidlin, Urmythos irgendwo um Berlin, Zu Gerhart Hauptmanns Doppeldrama der Mutter Wolffen, in: Deutsche Vierteljahrschrift 43 (1969), S. 113f 13) Vgl. Klaus D. Post: Gerhart Hauptmann, Bahnwärter Thiel. Text, Materialien, Kommentar, München 1979, S. 109f. 14) Peter Sprengel, Die Wirklichkeit der Mythen. Untersuchungen zum Werk Gerhart Hauptmanns aufgrund des handschriftlichen Nachlasses, Berlin 1982, S. 176f. Struktur und Menschenbild einer naturalistischen Komödie 317 Meister Oelze. Wenn wir die Reihe der Männergestalten des Naturalismus durchgehen, stellen wir immer wieder einen Grundzug fest: Unsicherheit und Ratlosigkeit. Anders als im bürgerlichen Familiendrama im 18. und 19. Jahrhundert, in dem sich neben der geforderten Gefühlsentfaltung und Sentimentalisierung der Familie15) in Wirklichkeit noch die starke väterliche Autorität behauptete, geben sich die Männer im Naturalismus gegenüber der Härte des modernen Lebens zumeist ihrer Betroffenheit und Hilflosigkeit hin. Die unsicher schwankenden, autoritätsverlierenden oder reizbaren Männer tauchen auch immer wieder in den naturalistischen Werken Hauptmanns auf. Ein charakteristisches Merkmal der bürgerlichen Familie im Frühkapitalismus war “die von der väterlichen Autorität bestimmte Unterordnung der übrigen Familienmitglieder, die sich aus der besonderen ökonomischen Stellung des Vaters herleitete”.16) Diese häusliche Machtstellung sowie die Autorität des Vaters hing im wesentlichen von der Rolle als Ernährer ab, worauf Horkheimer hinweist: “Die Idealisierung der väterlichen Autorität, als gehe sie aus göttlichem Ratschluss, aus der Natur der Dinge oder aus der Vernunft hervor, erweist sich bei näherer Prüfung als Verklärung einer wirtschaftlich bedingten Einrichtung.”17) Eine entscheidende Schwächung des Patriarchalismus ist damit in der Abgabe familiärer Produktionsfunktionen, wie sie z.B. im Handwerk üblich waren, zu beobachten. Durch die Auflösung dieser Produktionseinheit unter dem entfalteten Kapitalismus verliert der Hausvater seine Stellung als Leiter der Arbeitsorganisation und damit die wohl stärkste institutionelle Stütze seiner Autoritätsposition. Das Erscheinungsbild der Zeit wie Autoritätsverlust und Schwäche der Männer ist als eine unvermeidliche Folgeerscheinung dessen zu betrachten, was vor allem aus der Veränderung der wirtschaftlichen Struktur 15) Vgl. Michael Mitterauer/Reinhard Sieder, Vom Patriarchat zur Partnerschaft: Zum Strukturwandel der Familie, 4. Aufl. München: Beck 1991, S.78f. Vom wirtschaftlichen und sozialgeschichtlichen Aspekt her stellt Mitterauer fest, daß “die zunehmende Dauerhaftigkeit gleichbleibender Familienkonstellationen jenen Wandlungsprozeß wesentlich gefördert hat, den man mit Stichworten wie Intimisierung, Emotionalisierung oder Sentimentalisierung des Familienlebens zu charakterisieren versucht.” Der Beginn dieser Veränderung wird im Allgemeinen im 18. Jahrhundert angesetzt. (Zitat, S. 79) 16) R. Weber, Gerhart Hauptmann: Biberpelz, S. 77. 17) Max Horkheimer/Erich Fromm/Herbert Marcuse, Studien über Autorität und Familie. Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialforschung, Paris 1936, S. 71. 318 독일언어문학 제11집 resultiert. Überdies hat die zunehmende Integration der Frau in den Arbeitsprozeß die ökonomische Begründung des Vaters für seinen Autoritätsanspruch geschwächt. Je mehr Frauen einem Beruf nachgehen und dadurch imstande sind, ihrerseits auch Ernährer der Familie in dem früher ausschließlich dem Manne zugesprochenen Sinne zu sein, um so unsicherer wird die Begründung der väterlichen Autorität auf die Eigenschaften des Mannes als Ernährer.18) Als ein Beispiel für den Prototyp des naturalistischen, autoritätsverlierenden und befangenen Vaters kann Julius Wolff gelten. Es charakterisiert ihn, daß er sehr leicht wütend und ebenso leicht zu betrügen ist, er wirkt beschränkt. An ihm zeigt sich, wie der Begriff der Männlichkeit vielfache Veränderungen erfahren hat. Angesichts der Schwäche ihres Mannes übernimmt Frau Wolff nicht allein die ökonomisch führende Rolle, sondern auch leitet über das Wirtschaftliche hinaus die ganze Familie. Dennoch ist es zugleich zu beobachten, daß Frau Wolff in jedem Akt und jeder Szene immer jene ‘autoritätsstärkende Züge’ der Frau in der bürgerlichen Familie trägt, indem sie die Autorität ihres Mannes unterstreicht. Obwohl sie durch ihre Arbeit und Diebstähle den größten Teil zum Lebensunterhalt ihrer Familie beiträgt und ihre Familie verwaltet, ist in ihrer Haltung eine gewisse Konsequenz bürgerlicher Anschauungen über die Rolle der Frau ausgeprägt. Danach besteht die Überlegenheit des Mannes immer noch, obwohl sie nur als eine äußere, scheinbare anzusehen ist, als Folge der Verinnerlichung des patriarchalischen Wertsystems, das den Mann zum Oberhaupt der Familie erklärt und ihm größere Macht zubilligt. Frau Wolff gibt sich auch dadurch den Anschein einer angepaßten Frau, daß sie (scheinbar) gehorsam ihrem Mann Folge leistet. Dies zeigt sich z.B. beim Handel mit Wulkow um den gewilderten Rehbock, indem Frau Wolff sich auf die Autorität ihres Mannes berufend achtzehn Taler verlangt. (CA I 494) Und während des Verhörs durch Wehrhahn beschwört sie, daß es allein Sache ihres Mannes sei, Leontine wieder zur Arbeit zu schicken oder nicht: “Mei Mann hat sich’s halt in a Kopp gesetzt. Er will se halt eemal durchaus nich mehr fortlassen. Un wenn sich mei Mann amal was in a Kopp setzt... Ihr Männer seid halt zu schrecklich jähzornig.” (CA I 513) Als Leser bzw. Zuschauer wissen wir schon, daß sich Julius nichts gegen ihren Willen “in a Kopp” setzen kann, und daß Frau Wolff sich durch die Betonung der männlichen Autorität allein aus den peinlichen Umständen ziehen will.19) Aber der tiefere 18) Vgl. R. Weber, Gerhart Hauptmann: Biberpelz, S. 77f. Struktur und Menschenbild einer naturalistischen Komödie 319 Grund dafür, daß sie sich immer auf die männliche Autorität beruft, liegt darin, daß sie nicht offen gegen die bürgerlichen Normen verstoßen will. Mit der vorgegebenen Achtung der männlichen Autorität fügt sie sich in das bürgerliche Familien- und Gesellschaftssystem ein. Das Ansehen, das Frau Wolff in ihrer Umgebung genießt, beruht freilich einerseits darauf, daß sie nicht nur fleißig und tüchtig ist und eine naturhafte Mütterlichkeit repräsentiert, andererseits aber auch darauf, daß sie “sich der männlich geprägten herrschenden Gesellschaftsform anpaßt.”20) Am Ende schwört Wehrhahn auf sie und bescheinigt ihr, daß sie “eine ehrliche Haut” (CA I 542) sei. Nicht allein Wehrhahn, sondern alle Männer, wie z.B. Krüger und Fleischer, haben immer die beste Meinung von Frau Wolff und sehen sie als eine ehrliche Frau an. IV Ihre Bemühung, den Anschein der bürgerlichen Anständigkeit zu bewahren, gelingt nach außen hin so gut, daß ihr Ruf als eine fleißige, pflichtbewußte und ehrliche Frau gewahrt bleibt. Ihrer Familie gegenüber funktioniert es jedoch nicht, obwohl sie jedesmal versucht, ihre Diebstähle zu umschreiben: Der Rehbock wäre sicher im Wald von den Raben gefressen worden (CA I 490), das Holz hätte vielleicht ein anderer geholt (CA I 491), der Pelz ist ein Gegenstand, den der reiche Nachbar nicht unbedingt brauche. Ja, sie “stiehlt” nicht, sie “stibietzt”, “klaut”, oder “maust” nur die Sachen der Leute, die in ihrem Reichtum dabei “noch lange nich ärmer” (CA I 501) werden. Mutter Wolff, die aus ihren Töchtern etwas Höheres machen will, versucht, die beiden Töchtern nicht in ihre fortgesetzten Diebstähle Einblick gewinnen zu lassen. Aber ihre jüngste Tochter Adelheid durchschaut die Mutter recht schnell, und “weeß wo et [das Holz] her is!” (CA I 519) Mutter Wolff wird daher sehr aufgebracht, als Adelheid das Knüppelholz als “stibietzt” bezeichnet. (CA I 520) So sehr Frau Wolff also nach außen als vorbildliche Frau und gute Mutter erscheint, liegt aber auch eine Gefahr für die Familie in ihrer Rolle. Dadurch, daß sie in ehrgeizigem Streben unmoralisch alle Mittel geltend macht und damit ihr widerspruchsvolles Wesen entfaltet, gefährdet sie sogar die wesentliche Sozialisation und Erziehung ihrer Töchter. Überdies wird durch ihre lange Abwesenheit aufgrund ihrer 19) Vgl. R. Dithmar, Komik und Moral, S. 28f. 20) R. Weber, Gerhart Hauptmann: Biberpelz, S. 80. 320 독일언어문학 제11집 Mitarbeit bei den kriminellen Delikten ein wesentlicher Aspekt des Mütterlichen vernachlässigt: Die Betreuung der Familie im Haus und die Gewährleistung eines emotionalen Klimas, das für den Zusammenhalt der Familie so wichtig wäre. Deshalb steht sie trotz all ihrer Anstrengungen um materielle Sicherheit doch hilflos der inneren Auflösung ihrer Familie gegenüber. Mit dem Auftritt der beiden Töchter wird vor allem die Frage nach der Pflicht der Eltern gegenüber den Kindern gestellt. Da über Leontine als Dienstmädchen keine schützende und treusorgende Hand gehalten wird, kennt sie auch kaum das Gefühl der Geborgenheit sowie eine innige Verbundenheit mit ihrer Familie. Sie wird schon von ihrer Mutter als nicht mehr dazugehörig betrachtet.21) Als sie von ihrem Dienst beim Rentier Krüger wegläuft, begegnet ihr Frau Wolff abgestumpft: “Was willst’n du hier? [...] Was willst du denn nu zu Hause, Mädel?” (CA I 485) Wenn auch Adelheid den “Konfirmantenunterricht” besucht und die “Bibelspriche” (CA I 520) auswendig lernt, ist sie doch über alle Diebstähle ihrer Mutter orientiert. Sie nimmt dies als Selbstverständlichkeit hin und übt eine bewußt falsche Aussage in bezug auf den Diebstahl des Biberpelzes vor dem Amtsvorsteher ein. (CA I 532) Nach dem mütterlichen Vorbild bildet sie ihre Schlagfertigkeit und Fähigkeit zur Lüge in raffinierter Art und Weise aus, um einen kleinen Vorteil zu erlangen. Was Mutter Wolff von Bildung versteht, beschränkt sich auf das Abfragen der Schularbeiten und Auswendiglernen von Bibelsprüchen. Die väterliche Erziehung und deren Durchsetzung kommt hier primär in der Androhung und Realisierung von körperlicher Gewalt vor. Mutter Wolff übernimmt diese Drohungen in ihre Erziehung22): “Nu kommt Papa, jetzt nimm dich in Obacht!” (CA I 487), oder “Nu mach und geh schlafen, nauf in de Kammer, daß Papa nich etwan doch noch’n Krach macht.” (CA I 491) Der Vater, der “eben keen Bildung gelernt”, von Bildung “ouch keene Spur” (CA I 488) hat, erweist sich als unfähig zur Erziehung seiner Töchter und tritt selbst kaum in Erscheinung bei Erziehungsfragen, so daß Adelheid respektlos von ihm sagen kann: “Papa spricht immer so unjebildet.” (CA I 491) Angesichts der ökonomischen und sozialen Unsicherheit wird besonders die kleinbürgerliche Familie der Wolffs weder zum Zufluchtsort, wo Behagen und Schutz geboten wird, noch zum Kraftfeld seelischer Natur, im Rahmen dessen die sozial-kulturelle Persönlichkeit sich entfalten kann.23) Es fehlt solcher verunsicherten 21) Vgl. ebd., S. 75. 22) Vgl. ebd., S. 75 u. S. 79 Struktur und Menschenbild einer naturalistischen Komödie 321 Familie an der notwendigen seelischen Harmonie. Intime Gefühlsentfaltung, zärtliche Liebe und Tugend, die zur bürgerlichen Familienideologie gehören, kommen in ihrer Familie kaum zum Vorschein. Wie Richard Weber gezeigt hat, beschränkt sich die familiäre Beziehung der Familie Wolff nur noch auf die existenzielle Sicherung ihrer Mitglieder. Müde und abgespannt kommt Julius Wolff spät abends von der Arbeit nach Hause, so daß er nur noch nach Essen und Ruhe verlangt. Überdies hat sich die Tochter Leontine als Dienstmädchen verdingt und ist damit aus dem Familienverband ausgeschlossen. Später nach der Schulzeit soll Adelheid, die sich schon im Alter von vierzehn Jahren bei den älteren Leuten aufhält, auch als Dienstmädchen arbeiten. Das Wunschbild nach dem behaglichen, anständigen Familienleben wird durch die wirtschaftliche und soziale Not zerstört.24) Literaturverzeichnis Sämtliche Werke, hg. v. Hans Egon Hass, fortgeführt v. M. Machatzke u. W. Bungies (ab Bd. 10), 11 Bde., Frankfurt/M, Berlin, (Wien): Propyläen 1962. (Centanar-Ausgabe zum 100. Geburtstag des Dichters, 15. Nov. 1962) Barnstorff, Hermann: Die soziale, politische und wirtschaftliche Zeitkritik im Werke Gerhart Hauptmanns. Jena 1938 Dithmar, Reinhard: Komik und Moral. Das Lustspiel im Unterricht am Beispiel von Gerhart Hauptmanns Diebskomödie Der Biberpelz. In: DU 20 (1968) H. 3, S. 22-34 Hilscher, Eberhard: Gerhart Hauptmann. Berlin 1969 Horkheimer, Max/Fromm, Erich/Marcuse, Herbert: Studien über Autorität und Familie. Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialforschung, Paris 1936 Jacobs, Jürgen: Hauptmann Der Biberpelz und Der Rote Hahn. In: Walter Hinck (Hg.), Die deutsche Komödie. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Düsseldorf 1977, S. 195-212 Kaiser, Gerhard: Die Tragikomödien Gerhart Hauptmanns. In: H. J. Schrimpf (Hg.), Gerhart Hauptmann. Wege der Forschung. Band CCVII, Darmstadt 1976, S. 360-384 König, Rene: Soziologische Orientierungen. Vorträge und Aufsätze. Köln, Berlin 1965 23) Vgl. Rene König, Soziologische Orientierungen. Vorträge und Aufsätze, Köln, Berlin 1965, S. 109f. 24) Vgl. R. Weber, Gerhart Hauptmann: Biberpelz, S. 74f. 322 독일언어문학 제11집 Martini, Fritz: Gerhart Hauptmanns Der Biberpelz. Gedanken zum Bautypus einer naturalistischen Komödie. In: R. v. Heydebrand u. K. G. Just (Hg.), Wissenschaft als Dialog, Stuttgart 1969, S. 83-111 Mitterauer, Michael/Sieder, Reinhard: Vom Patriarchat zur Partnerschaft: Zum Strukturwandel der Familie. 4. Aufl. München: Beck 1991 Reichert, Herbert W.: Hauptmanns Frau Wolff und Brechts Mutter Courage (1961). In: Hans Joachim Schrimpf (Hg.), Gerhart Hauptmann. Wege der Forschung. Band CCVII, Darmstadt 1976, S. 289-300 Post, Klaus D.: Gerhart Hauptmann, Bahnwärter Thiel. Text, Materialien, Kommentar, München 1979 Schrimpf, Hans Joachim: Das unerreichte Soziale: Die Komödien. Gerhart Hauptmanns Der Biberpelz und Der rote Hahn. In: Das deutsche Lustspiel, Bd. 2, Hg. v. H. J. Steffen, Göttingen 1969, S. 25-60 Scheuer, Helmut: Gerhart Hauptmann, Der Biberpelz, Grundlagen und Gedanken zum Verständnis des Dramas. Frankfurt a. M. 1986 Seidlin, Oskar: Urmythos irgendwo um Berlin, Zu Gerhart Hauptmanns Doppeldrama der Mutter Wolffen. In: Deutsche Vierteljahrschrift 43 (1969), S. 126-146 Sprengel, Peter: Die Wirklichkeit der Mythen. Untersuchungen zum Werk Gerhart Hauptmanns aufgrund des handschriftlichen Nachlasses, Berlin 1982 Trautwein, Wolfgang: Gerhart Hauptmann: Der Biberpelz. Eine Komödie im Naturalismus. In: Interpretationen. Dramen des Naturalismus, Stuttgart 1988 (RUB 8412), S. 179-212 Weber, Richard: Gerhart Hauptmann: Biberpelz. In: Reinhard Dithmar/Barbara Kochan/Detlef C. Kochan (Hg.), Von Lessing bis Kroetz. Einführung in die Dramenanalyse. Kursmodelle und sozialgeschichtliche Materialien für den Unterricht. Kronberg/Ts. 1975, S. 68-87 Struktur und Menschenbild einer naturalistischen Komödie 323 국문요약 게르하르트 하우프트만의 『해리의 모피』 노 영 돈 오늘날까지도 독일 연극 무대에 상연되어지는 하우프트만의 대표적 자연주의 드라마인 『해리의 모피 Der Biberpelz』는 기존 드라마의 형식에서 벗어나는 4막극이라는 드라마 구 성상의 문제에서 뿐만 아니라 하우프트만의 뛰어난 인물 형상화, 그리고 드라마에서의 정의 와 도덕성의 결여라는 문제로 문학사에서 자주 토론되어지고 있다. 작품의 초연 당시 4막이 끝나고 마지막 막이 오르기를 기다렸던 관객들과 비평가들의 비판과 분노는 드라마 구성에 대한 비판이라기 보단 오히려 볼프부인의 절도 행각이 밝혀지지 않고 따라서 그에 상응해서 치루어져야 하는 대가도 결여된 채 오히려 “신실한 사람 eine ehrliche Haut” (CA I 542)이 라고 인정까지 받게 되는 작품에서의 도덕성에 대한 비판인 것이다. 당시 비평가들의 표현처럼 진정한 드라마적인 결말이 아니라, 종결 아닌 종결로 끝나는 이 작품의 도덕과 정의의 문제와 관련해서 카이저Gerhard Kaiser는 볼프부인에게 존재하는 규범은 도덕과 이념의 규범이 아니라 생명력 있고, 건강한 삶의 규범이라고 지적하고 있다. 슈림프Hans Joachim Schrimpf는 볼프부인의 행동을 도덕이전의 문제라고 보고 있다. 왜냐 하면 여기에서는 절망적인 사회적 상황 속에서의 비도덕적인 탈출방법이, 즉 불공평한 사회 에 대한 생명력 넘치는 원초적 저항이 문제가 되기 때문이다. 볼프부인의 절도 행각은 프롤레타리아화 되어가는 소시민 가정에서 무능해진 남편을 대 신한 생존투쟁의 한 방편이며, 불공평한 소유관계에 대한 방어인 것이다. 그녀는 세탁부로, 남편은 목수로, 큰 딸은 하녀로 일하지만 그들의 정직한 노동만으로는 그들 가족이 프롤레 타리아로 전락될 수 밖에 없다는 것을 그녀는 알고 있는 것이다. 작품에서의 여성인물의 우월성과 남성적인 요소들과 여성적인 요소들의 상반과 대립구조 를 관찰하면서 자이들린Oskar Seidlin은 모계사회의 논제로 작품의 해석을 가하고 있으나, 병약하고 권위를 상실한 남성들을 건강하고 생명력 넘치는 여성들에 대비해서 형상화한 것 은 모계사회의 논제에 토대를 두고 있다기 보다는 오히려 급속한 산업화의 과정 속에서 경 제력을 상실하고 가정과 사회 모든 영역에서 불안정해지고 무기력하게 나타나는 시대적 남 성상에 근거를 두고 있는 것이다. 작품에서의 율리우스 볼프나 홀쯔A. Holz와 슐라프J. Schlaf의 『젤리케 가족 Die Familie Selicke』, 주더만H. Sudermann의 『명예 Die Ehre』, 슐라프의『마이스터 욀체 Meister Oelze』등의 자연주의 작품들에 등장하는 권위를 상실한, 무능력한 아버지들의 초상 역시 시대적 남성상의 반영인 것이다. 작품의 1막에서는 밀렵과 땔감을, 3막에서는 해리의 모피를 훔치는 볼프부인의 절도 행각 324 독일언어문학 제11집 이, 그리고 2막과 4막에서는 그에 대한 조사와 심문이 진행되는 반복구조를 지닌다. 즉 볼프 부인의 도적질이 일회적 사건으로 끝나는 것이 아니라 이처럼 반복되어지는 것은 마티니F. Martini가 지적하고 있는 것처럼 볼프부인의 타고난 성품의 일치를 강조시켜주기 위한 것은 아니다. 볼프부인은 도적질의 위험을 충분히 인식하고 있으며, 그러면서도 계속해서 그 일을 할 수 밖에 없는 것은 그녀의 가족이 몰락되는 것을 막을 만한 다른 방법과 가능성이 그녀 에겐 없기 때문이라는 상황의 절박성을 강조해 준다. 우리는 볼프부인의 거짓말과 도적질에 도덕적인 의구심을 갖게 되지만 그러나 동시에 그 녀의 타고난 모성적인 성품과 그녀 자신과 가족들을 돌봐 줄 어떤 정당한 방법의 가능성이 허락되지 않은 삶의 조건들 가운데서 드러나는 억세고 부지런한 그녀의 삶의 의지에 동정을 갖게되는 것이다.