Wenn es für die Armarterie eng wird
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Wenn es für die Armarterie eng wird
Telefon: (089) 53 06-425 [email protected] Telefax: (089) 53 06-86 61 Münchner Merkur Nr. 120 | Montag, 27. Mai 2013 MEINE SPRECHSTUNDE Prof. Dr. Christian Stief Als Chefarzt im Münchner Klinikum Großhadern erlebe ich jeden Tag, wie wichtig medizinische Aufklärung ist. Meine Kollegen und ich (www.facebook.de/UrologieLMU) möchten den Lesern daher jeden Montag ein Thema vorstellen, das für ihre Gesundheit von Bedeutung ist. Im Zentrum der heutigen Seite steht das Thoracic-outlet-Syndrom (TOS), ein Engpass-Syndrom im oberen Brustkorb. Der Experte des Beitrags ist Prof. Thomas Koeppel. Er ist Chefarzt der Gefäßchirurgie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München in Großhadern. Stichwort: Engpass-Syndrom Vor allem bei älteren Menschen finden sich oft Ablagerungen in Blutgefäßen, die diese immer weiter verengen – und den Blutfluss dadurch behindern. Der kann jedoch auch gestört werden, wenn ein Gefäß von außen her eingeengt wird und dadurch unter Druck gerät. Die Auswirkungen davon sind dann nicht selten an anderer Stelle des Körpers zu spüren, die von dem Gefäß versorgt werden. Dazu gehören Schmerzen und ein taubes Gefühl, die Haut ist oft blass. Werden Gefäße oder auch Nerven von außen abgedrückt, spricht man von einem EngpassSyndrom. Ein solches kann in verschiedenen Bereichen des Körpers auftreten. Eines davon ist das Thoracic-outlet-Syndrom (TOS), bei dem die Engstelle im Bereich des oberen Brustkorbs liegt. Auch am KarpaltunnelSyndrom ist ein Engpass schuld. Dabei wird ein Nerv im Bereich der Handwurzel eingeschnürt. Beim Impingement-Syndrom in der Schulter geraten ebenfalls oft Nerven und Gefäße unter Druck. ae Leben 19 .................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. Wenn es für die Armarterie eng wird Schmerzt es in der Hand, kann die Ursache ganz woanders liegen – zum Beispiel daran, dass ein Blutgefäß am Schlüsselbein unter Druck gerät. An einem solchen Engpass-Syndrom litt auch Alina Heldt. Eine Operation hat der 25-jährigen Münchnerin geholfen. VON ANDREA EPPNER Die Münchner noch schöner machen: Das ist Alina Heldts Beruf. Die 25-Jährige zaubert ihnen mit flinken Fingern flotte Frisuren und frische Farbe aufs Haupt. Ihre Hände sind dabei immer in Bewegung. Mal lassen sie die Schere durchs Haar fliegen, dann schwingen sie wieder die Bürste, massieren Schaumfestiger ins Haar und führen den Föhn – und das den ganzen Arbeitstag lang. Die Hände sind das wichtigste Arbeitsgerät der jungen Friseurin. Doch ausgerechnet die ließen sie vor gut zwei Jahren plötzlich im Stich. „Ich hatte Schmerzen in der linken Hand“, sagt Alina Heldt. Sie ging zum Orthopäden, erzählte ihm von ihren Beschwerden. Der habe nur einen kurzen Blick auf die Hand geworfen, dann stand für ihn fest: Das ist eine Sehnenscheidenentzündung. Der Arzt verordnete Schmerzmittel und riet ihr, die Hand fürs Erste ruhig zu halten. Die junge Frau hielt sich daran. „Erst wurde es tatsächlich etwas besser“, erzählt Alina Heldt. Ein Jahr lang hatte sie sogar weitgehend Ruhe. Doch dann kamen die Beschwerden erneut. Wieder sollte der Orthopäde helfen, wieder diagnostizierte er eine Sehnenscheidenentzündung, verordnete Ruhe. So ging das nicht nur ein Mal. „Das kam immer mal wieder“, sagt Alina Heldt. In der Arbeit fiel sie dann jedes Mal aus. „Ich bin froh, dass ich so eine verständnisvolle Chefin habe“, sagt sie. Bei den wiederkehrenden Schmerzen sollte es nicht bleiben. Hinzu kam ein merkwürdiges Gefühl. Ein bisschen so, als sei die Hand eingeschlafen. „Sie hat sich fremd ange- Arm abwinkeln, hochziehen, Puls tasten: Prof. Thomas Koeppel zeigt bei seiner Patientin Alina Heldt (25), wie der Provokationstest funktioniert. Lässt sich der Puls dabei kaum mehr spüren, ist das ein Hinweis auf ein Engpass-Syndrom. BOD fühlt und tat bei jeder Bewegung weh.“ Die junge Frau wunderte sich auch, warum der kleine und der Mittelfinger so komisch blass aussahen und sich kalt anfühlten. Sie entschloss sich daher, zu einem Gefäßmediziner zu gehen. Der versuchte den Puls an der Hand zu tasten. „Doch da war keiner“, sagt Alina Heldt. Er schickte sie in die Klinik, wo Ärzte seinen Verdacht bestätigen. „Arterieller Gefäßverschluss“ lautete die Diagnose. Doch es ist Freitag. „Es hieß, ich müsste ohnhin bis Montag warten und wurde heimgeschickt“, sagt sie. Das erzählte sie später auch ihrer Chefin. Die machte sich Sorgen, fragte ihren Mann um Rat, der selbst Anästhesist ist. Der habe gedrängt, sofort zu handeln, sagt Alina Heldt. Sie folgte dem Rat und fuhr erneut in das Krankenhaus. Wieder wurde untersucht, bald stand fest: Sie muss operiert werden. Damit hatte die junge Frau überhaupt nicht gerechnet. „Das war echt schrecklich“, sagt sie. „Es war meine erste Operation, ich war sehr nervös.“ Sie bekam eine Teilnarkose, die Ärzte öffneten die im Bereich der Ellenbeuge ver- die Beschwerden in der Hand verschwunden. Alina Heldt durfte nach Hause. Doch ein Gefäßverschluss bei einer so jungen Patientin ist äußerst untypisch. Die Ursache hierfür war vollkommen unklar, Risikofaktoren lagen nicht vor. Alina Heldt raucht nicht, sie ist normalgewichtig und „Im schlimmsten Fall droht der Verlust der Hand“, sagt Experte Prof. Thomas Koeppel. schlossene Armarterie, nachdem sie diese abgeklemmt hatten. Dann entfernten sie Blutgerinnsel, die das Gefäß verstopft hatten und vernähten dieses. Danach konnte das Blut wieder durchfließen. „Das war gar nicht schlimm“, sagt Alina Heldt. „Schwupp war alles vorbei.“ Durch die Operation war die Gefahr erst mal gebannt, dazu auch noch recht sportlich. Darüber unterhielt sich der Anästhesist auch mit einem Kollegen im Uniklinikum – ein großer Zufall. Denn der hatte einen Verdacht: Vielleicht ist ein Rippe schuld, die weiter oben auf die Armarterie drückt und diese immer wieder verschließt. Mediziner sprechen vom „Thoracic-outlet-Syndrom“ (TOS), einem Engpass-Syndrom im Bereich des oberen Brustkorbs. Dieses ist ausgesprochen selten. Alina Heldt hatte darum Glück, dass überhaupt ein Arzt an die Möglichkeit dachte. „Das war meine Rettung“, sagt sie. Denn weitere Untersuchungen im Uniklinikum sollten den Verdacht bestätigen. Dazu gehört etwa ein Provokationstest, bei dem der Arm seitlich nach außen gedreht, angehoben und im rechten Winkel abgebogen wird – so wie es Prof. Thomas Koeppel, Chefarzt der Gefäßchirurgie im Klinikum Großhadern, auf dem Foto zeigt. Lässt sich in dieser Haltung kein Puls mehr am Handgelenk tasten, ist das ein klarer Hinweis, dass die Armarterie in dieser Position abgedrückt wird. Das bestätigte eine Ultraschall-Untersuchung und eine Angiografie, also eine Darstellung der Gefäße. Röntgenaufnahmen und eine Computertomografie vervollständigten die Diagnostik. Bei Alina Heldt zeigte sich, dass erste und zweite Rippe verwachsen waren. Zum Brustbein hin hatte sich daran eine Art knöcherner Dorn gebildet – und der drückte bei bestimmten Bewegungen auf die Armarterie. Diese versuchten Betroffene meist zu vermeiden, sagt Koeppel. Im Schlaf lässt sich das aber nicht steuern, manchmal hebt der Patient seinen Arm und dreht ihn nach oben außen. „Dann wachen Sie auf und der Arm fühlt sich taub an“, sagt er. Im Extremfall können sich im Bereich des abgedrückten Gefäßes Blutgerinnsel ausbilden. Bei Alina Heldt haben solche Blutgerinnsel zum Verschluss der Armarterie geführt. Hinter der Engstelle können sich Gerinnsel bilden, die vom Blut mitgerissen werden und an anderer Stelle hängen bleiben können, etwa in den feineren Gefäßen der Hand. Sind die verstopft, fließt kein Blut mehr, das Gewebe stirbt ab. „Im schlimmsten Fall droht dann der Verlust der Hand“, sagt Koeppel. Damit das nicht passiert, sollte bei Alina Heldt eine zweite Operation die Ursache des Gefäßverschlusses beseitigen: Der Dorn und eine Rippe wurden entfernt, diesmal unter Vollnarkose. Koeppel nahm den Eingriff selbst vor. Um zu der Rippe zu gelangen, wurde durch einen bogenförmigen Schnitt am unteren Ende der Achselhöhle operiert. Das erspart Patienten später eine auffällige Narbe. Alina Heldt ist froh darüber. Noch mehr aber, dass sie sich überhaupt für die OP entschieden hat. Denn zuvor hatte sie sich im Internet informiert, war bei einem Forum gelandet, in dem Patienten ihre Erfahrungen austauschten. „Einer schrieb, er hätte sich drei Wochen lang nicht bewegen können – das waren Horrorszenarien!“, sagt die junge Frau. Sie zögerte, vertraute dann doch den Ärzten – und hat es nicht bereut. Auch weil sie weiß, dass sie die Schmerzen und das taube Gefühl nun endgültig los ist. Bald wird sie auch wieder im Friseursalon stehen – und den Münchnern neue Trendfrisuren zaubern. Physiotherapie und Operation: Hilfe bei eingeklemmten Gefäßen Dass eine Erkrankung recht selten ist, hilft den Betroffenen wenig. Oft macht es sogar alles nur noch schlimmer. Denn nicht selten dauert es dann besonders lang, bis endlich die richtige Diagnose gestellt wird. Patienten gehen von einem Arzt zum anderen. Doch die verordnete Therapie will einfach nicht helfen. So ergeht es oft auch Patienten, die am Thoracic-outlet-Syndrom (TOS) leiden. Das Leiden ist äußerst selten. Selbst viele Ärzte haben noch nie einen TOS-Patienten gesehen. Betroffene plagen sich darum oft viele Jahre mit ihren Beschwerden. Sie haben häufig Schmerzen in der Hand, manchmal auch im Arm und im Schulter- und Nackenbereich. Die Hand fühlt sich taub und kalt an, ist blass. Ein wenig so, als sei sie eingeschlafen. Die Beschwerden treten vor allem auf, wenn der Patient den Arm hebt, etwa beim Arbeiten über Kopf. Der Arm ermüdet dabei schnell. Manchmal bereitet selbst Autofahren Probleme – weil die Hände das Steuer halten und die Arme darum leicht angehoben sind. Schuld ist eine Engstelle im oberen Bereich des Brustkorbs, des Thorax. Daher hat das Syndrom auch seinen Namen. Bei den Patienten wer- den dann Nerven und Blutgefäße an der Durchtrittstelle („outlet“) vom Brustraum zum Arm eingeengt. Bei manchen Menschen ist hier sehr wenig Platz, was viele Ursachen haben kann. So können Vernarbungen nach einem Unfall zu einem Engpass führen. Auch die übermäßig trainierten Muskeln eines Bodybuilders oder Fehlstellungen können Nerven und Gefäßen den nötigen Raum nehmen. Bei manchen sitzt am obersten Halswirbel eine zusätzliche Rippe Häufiger finden Ärzte bei Betroffenen jedoch anatomische Besonderheiten. So haben manche eine zusätzliche Rippe, die am obersten Halswirbel ansetzt und bei einigen zudem mit der ersten Rippe verwachsen ist. Durch diese Halsrippe werden Nerven und Gefäße weiter bauchwärts gedrängt – und dadurch leicht zwischen erster Rippe und Schlüsselbein eingeklemmt. Manchmal ist der Raum dazwischen aber auch ungewöhnlich eng, etwa weil dort zusätzliche Bänder oder Muskeln vorhanden sind. Ein Engpass kann also an verschiedenen Stellen des oberen Die Pfeile zeigen eine zusätzliche Rippe am Halswirbel. Gut durchblutet ist dieses Gefäß nur in normaler Haltung. Beim Heben des Arms ist kein Blutfluss mehr zu sehen. FKN (3) Brustkorbs entstehen. Betroffen sind in erster Linie junge Menschen, meist wird die Diagnose bei 20- bis 50-Jährigen gestellt. Frauen trifft es etwas häufiger als Männer. Dennoch ist das Syndrom insgesamt sehr selten. Verlässliche Zahlen dazu gibt es allerdings kaum. Der wichtigste Schritt zur richtigen Diagnose besteht daher darin, überhaupt an die Möglichkeit eines TOS zu denken. Hat der Arzt erst einmal den Verdacht, wird er diesen zunächst mit einer klinischen Untersuchung prüfen. Dazu gehören einfache Provokationstests wie etwa der AER-Test. Die Abkürzung steht für Abduktion, Elevation und Rotation. Dabei wird der Arm im Ellenbogen im rechten Winkel gebeugt, gehoben und nach außen gedreht. Gibt es einen Engpass, wird der dadurch noch verstärkt und schnürt die Armarterie ab. Der Puls am Handgelenk ist dann nicht mehr zu spüren. Um die Diagnose zu sichern, untersucht der Arzt die Gefäße zunächst mit Ultraschall (Duplexsonografie). Mit einer Angiografie lassen sich Gefäße und Blutfluss genauer darstellen. Röntgenaufnahmen zeigen die Lage der Knochen. Eine Computeroder Magnetresonanztomografie dient vor allem dazu, eine Tumorerkrankung als Ursache auszuschließen. Hat sich die Diagnose be- stätigt und ist die Engstelle gefunden, richtet sich die Therapie danach, ob nur Nerven und/oder Blutgefäße eingeklemmt werden. Sind nur die Nerven betroffen, versucht man die Beschwerden zunächst mit konservativen Methoden in den Griff zu bekommen. „Mit einer Physiotherapie ist das gut behandelbar“, sagt Prof. Thomas Koeppel, Chefarzt der Gefäßchirurgie im Klinikum Großhadern. Diese muss allerdings regelmäßig durchgeführt werden. Erst wenn auch nach drei bis sechs Monaten noch immer keine Besserung eingetreten ist, sollte man über eine Operation nachdenken, bei der das störende Gewebe entfernt wird. „Früher war die Hemmschwelle für einen Eingriff dann viel niedriger“, sagt Koeppel. Werden auch oder in erster Linie Blutgefäße eingeengt, ist man deutlich weniger zurückhaltend. Denn dies verringert nicht nur die Durchblutung von Arm und Hand. Der veränderte Blutfluss fördert auch die Bildung von Gerinnseln, die dann feinere Gefäße in der Hand verstopfen, also zu einer Thrombose führen können. Die Gefäßwände können Schaden nehmen und sich auch erweitern. Wenn Knochen auf Blutgefäße drücken, rät Koeppel daher zu einer Operation. Auch bei Patienten, die wie Handwerker, Musiker oder Sportler besonders darauf angewiesen sind, ihren Arm gebrauchen zu können, wird der Arzt eher zu einem Eingriff raten. Je nach Ursache des Engpasses wird dabei zum Beispiel ein überzähliger Halswirbel, die erste Rippe und/oder störende Muskel- oder Bindegewebe entfernt. Wird der Eingriff von erfahrenen Medizinern vorgenommen, ist das Risiko für Komplikationen sehr gering. Möglich sind etwa Verletzungen von Nerven, Gefäßen oder seltener auch des Pleuraraums, der zwischen Lunge und Brustwand liegt. Norma- lerweise herrscht darin ein Unterdruck, der die Lungenflügel gleichsam an die Brustwand saugt. Eine Verletzung des Pleuraraums lässt die Lunge in sich zusammenfallen – die Atmung funktioniert nicht mehr. Eine vorsorgliche Thoraxdrainage verhindert das. Dabei wird ein Schlauch in den Pleuraspalt geführt und von außen ein Sog erzeugt. Dieser erhält den Unterdruck im Pleuraraum aufrecht. Drückt Knochen auf Gefäße, rät der Experte zur Operation Für den Eingriff muss der Patient nur für wenige Tage in der Klinik bleiben. Danach muss er den Arm zunächst einige Wochen schonen, ehe eine Physiotherapie startet. Nicht nur Arterien, sondern auch Venen können durch einen Engpass abgeschnürt werden. Ärzte sprechen vom Thoracic-inlet-Syndrom, weil das Blut in diesen Gefäßen in umgekehrter Richtung fließt. Klappt das wegen einer Engstelle nicht, schwellen Arm und Hände an, die Venen treten hervor. Leserfragen an Prof. Koeppel: [email protected]