Göttinger Tango-Info - Ulrike und Eckart Haerter

Transcription

Göttinger Tango-Info - Ulrike und Eckart Haerter
Wiedersehen mit Buenos Aires
Göttinger Tango-Info
von Ulrike & Eckart Haerter
1989
1999
2009
20 Jahre Tango Argentino in Göttingen mit Ulrike und Eckart Haerter
Dieses Tangotanzpaar aus Plastik entdeckte ich in der Calle Corrientes in Buenos
Aires...
Info Nr. 34
Oktober 2009
Buenos Aires wieder zu sehen, war wunderbar. Wieder in diese geradezu animalische Urbanität
einzutauchen. „Siempre existirá Buenos Aires“, Buenos Aires wird immer bestehen, sagt der
argentinische Dichter Alberto Perrone in einem seiner Gedichte. Und damit meint er nicht allein die
physische Existenz seiner Heimatstadt, sondern das ganze Ambiente, den Geist des Tangos, der von
hier die Welt umweht. Buenos Aires ist und wird immer sein. Die entspannte Selbstverständlichkeit
einer Weltstadt, die diese Bezeichnung verdient. Für mich hat sich hier kaum etwas verändert. Etliche
Wolkenkratzer sind hinzugekommen und haben die Skyline spektakulärer gemacht. Aber wie früher
wurde mir in den engen Strassen wie der Esmeralda oder der Maipú von röhrenden Bussen schwarzer
Dieselqualm um den
Kopf geblasen. Und
ich kann nur sagen,
ich habe es genossen!
Ich bin durch die
aufgerissenen
Bürgersteige
gestolpert und habe
liebevolle
Gefühle
dabei
entwickelt.
Die anfangs hochsommerlichen
Temperaturen
sackten von einem
Tag auf den anderen
auf fast winterliche
ab.
„Polarfrühling
fast
im
ganzen
Land“, sagten sie im
Fernsehen. Aber was
macht einem Kälte
aus, wenn man in Die Strasse Corrientes, Ecke Rodríguez Peña in Buenos Aires. Strassennamen, die
Buenos Aires sein in berühmten Tangos verewigt sind.
kann. Unser Lieblingscafé, das Petit Paris, war geschlossen. Hoffentlich nur zur Renovierung. Aber es
sah nicht gut aus. Das hat mich geschmerzt. Buenos Aires ist sich also treu geblieben. Bild l.inks ein
typischer Bürgersteig.
Was sich geändert hat, ist der
Tango. Wer regelmässig das
Göttinger Tango-Info liest,
weiss, dass ich seit Jahren für
die Pflege des traditionellen
Tangos eintrete. Mittelfristig
sicher mit demselben Erfolg
wie Don Quijotes Kampf mit
den Windmühlen. Ich bin aber
davon
überzeugt,
dass
irgendwann in der Zukunft der
alte Tango der 40er Jahre als etwas ganz Neues auferstehen wird, und dass es den Leuten wie
Schuppen von den Augen fallen wird. Im Augenblick ist alles aus den Fugen. In der Strasse Suipacha
war früher Flabella praktisch der Tangoschuhladen der Welt. Flabella gibt es immer noch. Klein und
unscheinbar als einen von mehreren glitzernden Tangoschuhläden. Die Auslagen dieser Geschäfte
sehen aus wie die Preise einer Schiessbude auf dem Rummelplatz.
Nichts zeigt besser, was zur Zeit mit dem Tango passiert, als diese Schuhmode. Das blinkt und funkelt
in allen Bonbonfarben. Wie kann man denn noch den wahren Tango tanzen, wenn man sich dabei
karnevalsmässig verkleidet. Und diese Geschmack-
losigkeiten gibt es nicht nur bei den Frauenschuhen, sondern auch bei den Männern! In der
Papierausgabe dieses Infos leider nur schwarz-weiss zu sehen. Der Herrenschuh ganz rechts ist in blau
und gold gehalten. Wie eine Christbaumkugel. Das Schönste kommt aber noch. In einem, der
Schaufenster hing ein Werbeplakat mit einem Tangotanzpaar. Die Frau darauf war Pilar Alvarez, eine
der besten Tangotänzerinnen weltweit. Und die trug ein ganz klassisches Paar schwarze vorn
geschlossene Tangotanzschuhe. Augenfälliger kann man den derzeitigen Trend nicht ad absurdum
führen. Verwundert es, liebe Leserinnen und Leser, dass ich in Buenos Aires keine Milonga
aufgesucht habe und eine Show natürlich auch nicht? Den Tango erlebe ich ja sowieso auf meine
eigene Weise. Denn der Tango ist eine Daseinsform (wie Ferrer sagt) und nicht Tanzschuhkitsch oder
bestimmte Tanzfiguren.
So habe ich mit dem eingangs zitierten Dichter Alberto Perrone über das Oktoberheft 2010 des
Göttinger Tango-Infos gesprochen. Darin wird Perrone mit einigen seiner Tangogedichte vorgestellt.
Das Heft soll als Sonderheft zur Frankfurter Buchmesse im Oktober 2010 erscheinen, wo Argentinien
Ehrengast ist. Allerdings kam bei unseren Treffen in typischen Restaurants mit gutem Essen und
gutem Wein der „Dienst“ dann doch ein wenig zu kurz. Zudem wurde mir peinlich vor Augen geführt,
wie grauenhaft schlecht mein gesprochenes Spanisch ist. Schriftlich habe ich ja Zeit zum Nachdenken
(und nachschlagen), mündlich nicht… Da merkt man dann deutlich das Fehlen der Praxis.
Die weltklasse Tangotänzerin Pilar Alvarez mit Tanzpartner auf einem Plakat, das ich im September
2009 im Schaufenster eines Tangoschuhgeschäfts in der Calle Suipacha fand. Darauf trägt die
Tänzerin klassische schwarze, vorn geschlossene Tangotanzschuhe.
Impressum
Die allergrösste Freude war mir aber das Wiedersehen mit Acho Manzi, dem Sohn des Dichters
Homero Manzi, dessen Tangowerk wir in Deutschland massgeblich bekannt gemacht haben. Wir
konnten nicht viel mehr als einen sehr herzhaften Abrazo (Umarmung) austauschen, denn der Anlass
war ein grosser Event. Die Vorpremiere für besonders geladene Gäste des Films Poeta en la Tormenta
(Dichter im Sturm), der die Lebensgeschichte von Homero Manzi zum Inhalt hat. Dass ich hier in
Buenos Aires dabei sein durfte, gehört zu den besonderen Erlebnissen in meinem Tanguerodasein. Und
als wir den Kinosaal verliessen, bewahrheitete sich einmal mehr die Erkenntnis, dass die Tangowelt
klein ist. Denn wie es der Zufall wollte, stand dort mit Mikrofon und einem Kameramann der
Chefredakteur von Sólo Tango, dem Tangofernsehsender von Buenos Aires, der Ulrike und mich schon
in Montevideo und Sevilla beim Auftritt gefilmt und interviewt hatte. Jetzt befragte er verschiedene
Menschen nach ihren Eindrücken von dem Manzifilm. So durfte auch ich Zeugnis ablegen, wie sehr
mich der Film beeindruckt und bewegt hat. Und dann schauten die beiden Tangoexperten, mit denen
ich zusammen gesessen hatte, doch ein bisschen überrascht, als der Deutsche plötzlich, obwohl erst seit
einem Tag in Buenos Aires, mit dem Chef von Sólo Tango eine Umarmung austauschte. Das war nun
mein erster Aufenthalt in Buenos Aires und Montevideo ohne Tanz. Sehr kurz, sehr arbeitsam und
trotzdem sehr intensiv im Fokus des Tangogeschehens. Demnächst mehr.
Göttinger Tango-Info
von Ulrike & Eckart Haerter
Copyright © Eckart Haerter
ISSN 1864-9653 (Printausgabe)
ISSN 1864-9661 (Internetausgabe)
Verantwortlich für den Inhalt: Eckart Haerter
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37073 Göttingen
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E-Mail: [email protected]
Website: http://www.haerter-tango.info
Fotos © Eckart Haerter