1 Vortrag von Norbert Glante, Mitglied des Europäischen
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1 Vortrag von Norbert Glante, Mitglied des Europäischen
Vortrag von Norbert Glante, Mitglied des Europäischen Parlaments, in Osno Lubuskie Titel: "Europa bauen - die Chancen gemeinsam nutzen. Polen und Deutschland am Vorabend der EU-Erweiterung". Es gilt das gesprochene Wort. Sehr geehrte Damen und Herren, zuerst möchte ich mich für Ihre Einladung bedanken. In der letzten Woche, gab es eine in der Geschichte der EU einmalige Sitzung des Parlaments in Straßburg! Das EP hat der Erweiterung der EU um 10 Länder, darunter Polen, mit übergroßer Mehrheit zugestimmt. Diese Entscheidung ist historisch einmalig! Einmalig auf Grund der Anzahl der aufzunehmenden Länder, aber vor allem einmalig, weil diese Entscheidung die Teilung Europas beseitigt! Seite Ende 2002 ist der Weg offen für eine Europäische Union, die am 1. Mai 2004 zehn Mitglieder mehr zählen wird: Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik, Ungarn und Zypern. Morgen am 16. April werden die Verträge in Athen unterzeichnet werden. Den wichtigsten Schritt müssen sie, das polnische Volk aber am 8. Juni diesen Jahres selbst tun, sie müssen eine Mehrheit bei der Volksabstimmung erreichen! Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn ich - neben meiner Arbeit im Parlament auch dank dieser Veranstaltung die Überzeugung vom gemeinsamen Schicksal der E uropäischen Union und Polen, und genauer vom gemeinsamen Schicksal unserer Regionen, verstä rken könnte. 1 Meine Damen und Herren, lassen sie mich jetzt auf die speziellen Fragen zu Brandenburg und Polen eingehen. Brandenburg und Polen haben eine gemeinsame Grenze von rund 250 km Länge. Diese ist in vielerlei Hinsicht eine recht schwierige Grenze, denn sie trennt nicht nur Polen und Brandenburg. Entstanden durch einen von Deutschen angezettelten Krieg, der die Vernichtung Polens zum Ziel hatte, bitter bezahlt auf polnischer und deutscher Seite mit Millionen von Toten und mit dem Elend der Vertreibung, mit dem lähmenden Gift des Ressentiments, teilweise bis heute auf beiden Seiten der Oder-Neiße -Grenze noch virulent, und befördert vom mangelnden Wissen über den jeweiligen Nachbarn auf der a nderen Oderseite. Stereotype und Vorurteile bestimmen noch immer viel zu sehr das gegenseitige Bild. Die verbreitete Ungewissheit über die Chancen und Risiken, die der EUBeitritt Polens mit sich bringen wird, verstärkt zudem die Unsicherheit in der Bevölkerung und vergrößert die Abneigung und die Ängste auf beiden Seiten. Bestenfalls vergrößert sie das Desinteresse und die Gleichgültigkeit. Chance ergreifen, Chance nutzen! Am 8. Juni haben Sie die Gelegenheit, die Chance einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union zu ergreifen. Die Europäische Union bedeutet nicht nur eine Reihe von Gesetzen und Normen. Sie ist auch Frieden, Freiheit, Lebensqualität, Sozialstandards, wirtschaftlicher Binne nmarkt und eine stabile Währung. Polen bemüht sich seit Jahren, sich an die europäischen Gesetze und Normen anzupassen und hat es praktisch geschafft. Jetzt ist es Zeit für Polen, auch von den Vorteilen der Mitgliedschaft zu profitieren: In der Union bekommt Polen das vollständige Mitsprache- und Mitbestimmungsrecht über die Zukunft Europas! Wenn Ihre Mitbürger und Sie die Chance der Erweiterung ergriffen haben werden, werden Sie Vorort die mit der Erweiterung geschaffenen Chancen nutzen müssen – nur dann werden daraus positive Fakten für unsere Regionen. Die Erweiterung stellt zweifellos eine Chance für unsere beiden Regionen dar: neue wirtschaftliche Perspektiven, die Möglichkeit einer intensiveren wissenschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit. Mit der Erweiterung fallen restliche Handelsbeschränkungen, und die Zahl möglicher 2 Verbraucher in unmittelbarer Nähe steigt schlagartig an. Damit entsteht die Möglichkeit, durch grenzüberschreitende Kooperationen zu wachsen und sich weiterzuentwickeln. Deshalb müssen wir Vorort alles tun, um diese historische Chance wahrzunehmen – im doppelten Sinne der Bedeutung dieses Wortes. Aus Chancen positive Ergebnisse machen! Eine positive Einstellung gegenüber der Erweiterung und gegenüber dem Nachbarn ist bei der Nutzung der Chancen, die damit verbunden sind, entscheidend. Ich denke, dass wir unsere grenznahe Position als Vorteil betrachten müssen. Erstens: die Möglichkeit des direkten Menschenkontakts, der für jede Art von Beziehungen sehr hilfreich ist. Zweitens: Im Bereich der Wirtschaft haben Ostdeutsche und Polen ähnliche Erfahrungen gemacht: kommunistische Vergangenheit und die nötigen Anpassungen an den Weltmarkt nach dem Fall des eisernen Vorhangs. Ich bin davon überzeugt: Die wirksamste Methode, sich über die benachbarte Kultur zu informieren und Verständnis für sein Gegenüber zu entwickeln, ist es, persönliche Erfa hrungen mit dem Nachbarn und dessen Bräuchen und Gepflogenheiten zu sammeln. Hierfür muss die Möglichkeit des gegenseitigen Austausches gegeben sein. Da insbesondere offene Grenzen eine wichtige Voraussetzung dafür bilden, dass Menschen schneller und einfacher zusammenkommen können, erweist sich die derzeitige Situation für eine Zusammenarbeit in der polnisch-brandenburgischen Grenzregion immer noch als schwierig. Oder und Neiße bilden nicht nur die Trennungslinie zwischen unseren Städten und zwei Ländern, sondern sie sind auch ein natürliches Hindernis für einen Informationsfluss, der die Nachbarn übereinander aufklärt. Die härteste Sprachgrenze Europas tut hier ein Übriges. Die Sprachbarrieren zu überwinden dürfte die Aufgabe von Generationen sein. Damit kann man nicht früh genug beginnen. Hier möchte ich die Haltung der polnischen Eltern in den Grenzstädten ausdrücklich begrüßen: Im grenznahen Raum kann auf deutscher Seite die Zahl der zur Verfügung stehenden Kita-Plätze in deutschen Einrichtungen die Nachfrage polnischer Eltern in der Regel bei weitem nicht befriedigen. Im Gegenteil kann ich nur bedauern, dass es ein deutliches Zeichen von Desinteresse der deutschen Seite ist, wenn die in Polen für deutsche Kinder angebotenen Plätze nur zu einem sehr 3 geringen Teil von deutschen Eltern in Anspruch genommen werden. „Die Deutschen auf der anderen Seite der Grenze scheinen nichts von ihrer Zukunft wissen zu wollen!“ diesem Satz einer polnischen Erzieherin ist dann nur schwer zu widersprechen. Was die Wirtschaft angeht, haben ostdeutsche und polnische Unternehmer ähnliche Situationen erlebt. Ich denke, dass diese Erlebnisse Gemeinsamkeiten sind, auf die bessere Wirtschaftsbeziehungen gebaut werden können. Wir, ostdeutsche und polnische Bürger, haben aus der Zeit des „Eisernen Vorhangs“ eine gemeinsame Vergangenheit. Es gibt durchaus ähnliche Erfahrungen, sei es im Alltags- oder im Geschäftsleben, auch wenn wir unsere realsozialistische Vergangenheit negativ empfinden. Gleichwohl haben polnische und ostdeutsche Unternehmer mehr gemeinsam, als ihnen vielfach bewusst ist. Wer noch vor der Wende eine Firma gegründet hat, hat die Schwierigkeiten mit der sozialistischen Bürokratie bestimmt nicht vergessen. Nach der Wende haben wir äußerste Anpassungsfähigkeit gezeigt unter den Spielregeln des internationalen Wettbewerbsdruck mit allen Folgen für den Arbeitsmarkt und soziale Sicherheit. Die Aufregung aber auch die Angst, die mit der Öffnung zum Weltmarkt verbunden sind, kennen wir auf beiden Seiten: neue Marktchancen, aber auch neue Konkurrenten. Während die Brandenburger sich mit der Erweiterung der Europäischen Union vor einer massiven Einwanderung fürchten und auf die Verschiebung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit bestanden, befürchten Sie, dass ausländische (vornehmlich deutsche) Bürger ihre Landflächen billig kaufen und forderten Ihrerseits ebenfalls Übergangsfristen ein. Ängste trennen, aber sie können auch verbinden. Diese Gemeinsamkeiten sollten es erleichtern, einen eigenen Weg für gemeinsame Geschäftsbeziehungen in unseren Regionen zu finden. Auf dem Weg zu Euroregionen Ich weiß, dass noch sehr viel Wasser die Oder hinunter fließen wird, bis wir zu einem völlig normalen Miteinander an der bisherigen Grenze kommen. Ich bin aber davon überzeugt, dass nur eine positive Einstellung uns ermöglichen wird, die Chancen der Erweiterung in positive Ergebnisse zu verwandeln. 4 Ich freue mich auf die Zeit, in der die Grenze als eine entfernte Erinnerung verbleiben wird und unsere Regionen als Euroregion zusammengewachsen sein werden! Besonders freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit polnischen Kollegen im Parlament - die in 14 Tagen beginnen wird! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Norbert Glante, Mitglied des Europäischen Parlaments – SPE-Fraktion 5