Grabschänder Bush

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Ressort: Kultur
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Datum und Zeit: 10.09.2009 - 10:05
09.09.2009
09:29 Uhr
Klage gegen die Yale University
Grabschänder Bush
Der ehemalige US-Justizminister Ramsey Clark verklagt die Yale University.
Er fordert die Herausgabe eines alten Indianerschädels. Einer der Vorfahren
des Ex-Präsidenten war der Grabräuber.
Von Claus Biegert
Menschenrechtsanwalt Ramsey Clark setzt sich für das Recht der Bösen und
Dämonisierten ein. (Foto: AP)
Ramsey Clark sitzt in einem Ohrensessel, ein Buch auf den Knien. Neben ihm
ragen Bücherstapel bis zu den Armlehnen. Durchs offene Fenster dringen die
Geräusche der Stadt New York, das Zirpen der Zikaden, Verkehr,
Polizeisirenen. Eine Brise trägt den Duft von geröstetem Kaffee ins
Wohnzimmer des Apartments in Greenwich Village. Ein solches Bild der Muße
ist selten in seinem Leben. 81 Jahre ist er inzwischen alt.
Von Fidel Castro bis Saddam Hussein
Unter Lyndon B. Johnson war er Justizminister der Vereinigten Staaten von
Amerika. Zuvor war er als Staatsanwalt und Staatssekretär im
Justizministerum eine Schlüssefigur der Bürgerrechtsära. Er überwachte das
Ende der Rassentrennung an den Schulen in den Südstaaten und den Schutz
von Martin Luther Kings Märschen von Selma nach Montgomery. Seit seinem
Abschied von Washington 1969 ist er Menschenrechtler und Anwalt.
Die Fälle, die er als Anwalt aufgriff, waren schon immer Fälle, die andere nicht
anrührten, um ihren Ruf nicht zu beschädigen. Clark wurde mit ihnen zu einer
Schlüsselfigur der amerikanischenLinken. In der bürgerlichen Mitte galt er bald
als Radikaler, denn zu seinen Mandanten zählten viele, die Amerika als
Staatsfeinde betrachtet, und einige, die Angst und Schrecken in der Welt
verbreiteten: Kubas Staatsoberhaupt Fidel Castro, der indianische Gefangene
Leonard Peltier, Kurdenführer Abdullah Özalan, Diktatoren wie Charles Taylor
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aus Liberia, Serbenführer Slobodan Milosevic und Iraks Präsident Saddam
Hussein.
Auf das Böse angesprochen, sagt er schlicht: "Einen Großteil meines Lebens
habe ich damit verbracht, gehasste und gefürchtete Personen zu verteidigen."
Clark spricht leise, der Akzent des Texaners wirkt exotisch in New York. "Wie
übel auch die Vergehen eines Täters sein mögen, wir müssen dafür sorgen,
dass auch auf jene ein fairer Prozess wartet, die wir am meisten
verabscheuen und fürchten. Das gehört zur Integrität und Redlichkeit eines
gesellschaftlichen Systems, das sich Demokratie nennt."
Eigentlich selbst ein Staatsfeind
1992 gründete Clark im Vorfeld des damaligen Golfkrieges das "International
Action Center" IAC, eine Aktionsgruppe, die inzwischen Büros in Washington,
New York, San Fancisco und Boston unterhält. Das IAC kümmerte sich seit
seiner Gründung um so ziemlich alle wunden Punkte der amerikanischen Politik
- um den Irak, Haiti, den Nahen Osten, Kuba, Serbien, um Uranmunition,
politische Gefangene und Rassismus. Nach den Anschlägen des 11.
Septembers 2001 wird das New Yorker Büro des IAC zu einem der
wichtigsten Zentren der neuen Friedensbewegung, weil es nur wenige Meter
vom Union Square entfernt liegt, an dem sich die New Yorker in den Tagen
nach den Anschlägen zu spontanen Trauerfeiern ud Demonstrationen
versammeln.
Letztes Jahr wurde Clark für seine Arbeit mit dem Human Rights Award der
Vereinten Nationen ausgezeichnet. Im Internet hagelte es dazu Angriffe. Er
wurde verhöhnt , senil sei er, geistig verwirrt, eigentlich selbst ein Staatsfeind.
Clark zitiert aus dem Buch vor ihm. Es ist die Geschichte von Geronimo, jenem
Apachenkrieger, der die US-Armee in einem zähen Guerillakrieg aufrieb. Der
Bücherstapel rechts neben ihm besteht aus Literatur zur Geschichte der
Apachen sowie der Indianerkriege und Umsiedelungen gegen Ende des 19.
Jahrhunderts. Er hat Werk um Werk durchforstet, um sich zu wappnen für
seinen neuen Fall. Es geht um Grabschändung, um Geheimorden und um
Großvater Bush.
Monument Valley Die Mühen der Ebene
Zu seinen Lebzeiten war auch Geronimo einer, der Angst und Schrecken
verbreitete. "Er galt als Terrorist", sagt Clark. Als Anwalt interessiert ihn die
Entwicklung einer gefürchteten Figur zu analysieren - und das Problem der
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Dämonisierung: "Sobald man Menschen zu Dämonen erklärt, kann niemand
mehr ein gutes Wort über sie sagen." Das macht dann einen fairen Prozess oft
unmöglich.
Geronimo, der eigentlich Goyathlay (der Gähnende) hieß, gehörte zum Stamm
der Bedonkohe, einem Zweig der Apachen. Im Sommer 1850, Goyathlay war
gerade 21 Jahre alt, schlugen die Bedonkohe, angeführt von ihrem Häuptling
Mangas Coloradas, ihr Lager in den Casas Grandes in der mexikanischen
Provinz Chihuahua auf.
Exemplarisches Kapitel in der Geschichte des Guerillakriegs
Um Handel zu treiben ritten die Männer in die nahe Siedlung Janos. Ihre
Vorräte und Waffen ließen sie dabei unter Obhut ihrer Familien und einiger
Krieger zurück. Auf dem Heimweg kamen ihnen ein paar abgehetzte Frauen
mit ihren Kindern entgegen, die vor Entsetzen kaum sprechen konnten: Ein
Trupp mexikanischer Soldaten hatte das Lager der Bedonkohe überfallen und
fast alle getötet. Goyathlay fand unter den Toten seine Mutter, seine Frau
Alope und seine drei kleinen Kinder. In seiner Autobiographie, die er kurz vor
seinem Tode diktierte, sagte er dazu: "Ich betete nicht. Ich sah keinen Sinn
mehr im Leben. Ich schwor Rache."
Er war jetzt Geronimo auf dem Kriegspfad. Er kämpfte gegen den Landraub
durch die Goldsucher, und mit jedem Angriff des Militärs wuchs sein Hass.
1885 verlor er seine zweite Familie, nur ein Sohn überlebte. Was folgte, gilt
heute als exemplarisches Kapitel in der Geschichte des Guerillakriegs: Mit nur
35 kampffähigen Kriegern, acht Jugendlichen und 101 Frauen mit Kleinkindern,
ohne jegliche Versorgungsbasis, hielt er 5000 US-Soldaten samt ihrer 500
indianischen Scouts in Schach. Das war ein Viertel der damaligen US-Armee,
dazu kamen noch rund 3000 Soldaten auf mexikanischer Seite.
Der Wilde war gezähmt, sein Widerstand gebrochen
Er tauchte auf wie ein Geist und war im nächsten Moment wieder mit der
Landschaft verschmolzen, meldeten damals die Gazetten. Nach achtzehn
Monaten ergab er sich. 1909 starb er in Fort Sill im Bundesstaat Oklahoma an
Lungenentzündung. "Er gab dem Sprichwort Recht, nachdem nur ein toter
Indianer ein guter Indianer ist", kommentierte die New York Times seinen Tod.
Am Ende seines Lebens trug er Anzug und Zylinder, steuerte für Fotografen
einen Cadillac, bekannte sich zu Jesus Christus und marschierte in Präsident
Teddy Roosevelts Parade. Der Wilde war gezähmt, sein Widerstand
gebrochen.
Jetzt lebt der Widerstand wieder auf. Geronimos Erben, die von Ramsey
Clark vertreten werden, wollen die Gebeine ihres Helden im Quellgebiet des
Gila River begraben. Ein US-Gesetz hilft ihnen dabei: Der Native American
Graves Protection and Repatriation Act (NAGPRA) von 1990 soll die
sterblichen Relikte von Ureinwohnern, wie sie bis heute vor allem in den
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Sammlungen von völkerkundlichen Museen lagern, wieder in den Schoss ihrer
Stämme zurück bringen.
Im Fall des Apachenkriegers aber gibt es ein Problem: Geronimos Schädel ist
weder in einem Grab, noch in einem Museum. Wie aus der Anklageschrift
1:09-cv-00303 hervorgeht, liegt der Totenkopf auf dem Altar der
Geheimgesellschaft "Skulls and Bones"(Schädel und Knochen) in einem
fensterlosen, von Gerüchten umrankten Bau, genannt "The Tomb"(Die
Grabkammer) auf dem Campus der Yale University in New Haven im
Bundesstaat Connecticut.
Wie kommt der Schädel des Apachen dorthin? Wenn man den Zeugnissen von
"Skulls and Bones" glauben darf, dann weilten 1918 vier Studenten der EliteUniversität Yale zu einem Artillerie-Training in Fort Sill in Oklahoma. Vor ihrer
Rückkehr an die Ostküste plünderten die vier ein Grab, zu dem sie eine
Eisentür aufbrechen mussten. Daraus brachten sie einen Schädel, zwei
Oberschenkelknochen und ein Sattelhorn mit. Eine Festschrift von 1933, zum
100. Geburtstag der Geheimverbindung, brüstet sich mit der Tat und ordnet
Knochen und Grabbeigaben Geronimo zu.
Eine Handvoll Kinderknochen
Was heute Abscheu erregen würde, war damals ein Kavaliersdelikt, unter
Archäologen und Anthropologen sogar üblich. Als Mangas Coloradas, der
Häuptling der Bedonkohe, 1863 in Gefangenschaft gefoltert und anschließend
von Soldaten erschossen wurde, trennte man noch am gleichen Tag den Kopf
vom Rumpf und kochte ihn.
Lesen Sie auf Seite 2, was die Männer des Bush-Clans mit dem
Verschwinden der Knochen zu tun haben.
Den gesäuberten Schädel ließ der befehlshabende Offizier umgehend zu
einem Anthropologen nach Boston schicken, der nach dem Vermessen
erstaunt feststellte, dass das Hirnvolumen des Indianers das des
Lexikonautors Daniel Webster überragte. Der große Schädel des Mangas
Coloradas gilt heute als verschollen. Das letzte Mal wurde er im Umfeld des
staatlichen Museums Smithonian Institution gesehen. Dort wird der Besitz
abgestritten.
Den Fall Mangas Coloradas kennt kaum einer. Geronimo kennt jeder. Seine
Porträts hingen in den sechziger Jahren in Studentenwohnungen neben Che
und Dylan. Seine Aura wird durch die vier Grabräuber aus Yale noch
mysteriöser, denn einer von ihnen war Prescott Bush, Vater des CIA-Direktors
und späteren Präsidenten George Bush, und Großvater des letzten
Präsidenten George W. Bush. Alle drei Bushs waren Mitglieder der "Skulls and
Bones".
Ein bauchiges Glas mit Knochen auf dem Konferenztisch
Eine gewisse Genugtuung ist nicht zu überhören, wenn Ramsey Clark die drei
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Generationen "Bonesmen" in der Familie Bush aufzählt. Wahrscheinlich wäre
die Tat ohne Aufsehen geblieben, hätte nicht in den achtziger Jahren der
Stammesvorsitzende der San Carlos Apachen in Arizona, Ned Anderson, sich
um die Rückführung der sterblichen Reste Geronimos aus Oklahoma in die
Heimat der Bedonkohe bemüht. Kaum ging der Plan durch die örtliche Presse,
meldete sich bei Anderson per Telefon ein anonymer Informant.
Der mysteriöse Anrufer dirigierte ihn zu einem Postamt in der Stadt Tempe
Anderson fand dort ein Kuvert mit einem Foto aus dem Inneren des "Tomb"
auf dem ein Schädel, Beinknochen und Zaumzeug eines Pferdes zu sehen
waren. Als nächstes folgte eine Einladung nach New York. Ob der Informant
damit zu tun hatte, ist unklar. 1986 flog Anderson an die Ostküste.
In einem Hochhaus, so erzählt er, sei er von zwei Mitgliedern der "Skulls and
Bones" empfangen worden: Jonathan Bush, Bruder des damaligen
Präsidenten und Endicott Peabody Davidson, dem Anwalt des Geheimordens.
Auf dem Konferenztisch ein bauchiges Glas mit Knochen. Dies seien die
umstrittenen Objekte, sagte man ihm, und schob ihm einen Vertrag zu. Er
sollte, erinnert sich Anderson, unterschreiben, dass es sich um die Knochen
eines 10jährigen Jungen handelte, die der Orden an ihn zurück gebe.
Anderson unterschrieb nicht. Man trennte sich ohne Einigung.
"Zu dieser Zeit, klang alles noch sehr phantastisch", sagt Ramsey Clark. Was
die Erben Geronimos dann auf den Plan rief und zu Clark Kontakt aufnehmen
ließ, war eine Begebenheit im Herbst 2005: Der Journalist Marc Wortman
stieß bei Recherchen in der Bibliothek der Yale University auf einen Brief,
geschrieben von Bonesman Winter Mead am 7. Juni 1918 an Bonesman
Frederick Trubee Davidson. Darin finden sich die Zeilen: "Der Schädel von
Geronimo dem Schrecklichen, exhumiert aus dem Grab in Fort Sill ist jetzt
sicher
verwahrt
im Inneren des
T.,
zusammen mit
seinen
Oberschenkelknochen, Zaumzeug und Sattelhorn." Das war der fehlende
Beweis. Der Adressat des entdeckten Briefes entpuppte sich als Vater jenes
"Skulls and Bones"-Anwalts, der 1986 in New York den Stammesvorsitzenden
Ned Anderson mit einer Handvoll Kinderknochen zufrieden stellen wollte.
Knochenmänner hüllen sich in Schweigen
Kaum hatte Harlyn Geronimo zusammen mit 18 Verwandten und Mitstreitern
Ramsey Clark für den Fall gewonnen, meldeten sich Zweifler und Gegner.
Wer vor allem die Identität Geronimos anzweifelt, ist David Miller, eremitierter
Historiker der Cameron University in Oklahoma, unweit von Fort Sill.
Geronimos Grab, so Miller, sei auf dem alten Soldatenfriedhof gewesen, nur
mit einem Holzkreuz versehen. Als Grab mit Eisentür identifizierte Miller das
Grab des Kiowa-Häuptlings Kicking Bird. Die Universität Yale und ihre
Knochenmänner hüllen sich dagegen in Schweigen.
Ungeachtet der Diskussion über die Echtheit der sterblichen Reste ist
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inzwischen zusätzlich ein Familienstreit entbrannt. Während Harlyn und seine
Mitkläger ihre Blutverwandtschaft auf Lenna, eine Tochter Geronimos aus
einer späteren Verbindung zurückführen, beruft sich der neue Kläger Lariat
Geronimo auf die Linie von Geronimos Sohn Robert. Lariat stellt sich hinter die
Apachen von Fort Sill und will Schädel und Gebeine wieder nach Oklahoma
bringen lassen. Dorthin, wo die Touristen das Grab des legendären Apachen
suchen.
"Como siempre - das alte Lied", meint Ramsey Clark traurig: "Indianer gegen
Indianer und die US-Armee." Ihm geht es bei diesem Fall vor allem um die
Achtung, die die Vereinigten Staaten gegenüber ihren Ureinwohnern fehlen
lassen. Sollte Geronimo je in seiner Heimat im Quellgebiet des Gila River
seine endgültige Ruhe finden, und sollte je der Plan in Erfüllung gehen, aus der
Landschaft den Geronimo Apache Naturschutzpark entstehen zu lassen, dann
wäre das in seinen Augen "ein Symbol für die Welt, den Krieg gegen die Natur
zu beenden und seine indigene Bevölkerung zu achten." Er hat das Träumen
nicht verlernt. Gleichzeitig gibt er sich keinen Illusionen hin. Dazu kennt er das
Land, dem er mal in vorderster Front diente, nur zu gut.
(SZ vom 09.09.2009/jebe)
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