Wiederansiedlung im Saarland: Ein
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Wiederansiedlung im Saarland: Ein
NERZ 17. Jahrgang 46. Ausgabe NEWS 1/2015 März 2015 Liebe Leserinnen, liebe Leser, nachdem 2013 nur eine Ausgabe der NerzNews erschien, sind wir sie Ihnen/Euch in 2014 gänzlich schuldig geblieben. Für dies Ausbleiben bittet die Redaktion um Entschuldigung! Grund dafür war zum einen das Auslaufen des Wiederansiedlungsprojektes im Saarland, das Mitte 2014 mit den letzten Arbeiten offiziell endete. In der letzten Projektphase erfolgten nur noch abschließende Maßnahmen, so dass wir uns entschlossen, den Abschlussbericht abzuwarten und diese Ausgabe ganz einem Überblick über das Gesamtprojekt zu widmen. Zum anderen stand 2014 im Zeichen diverser Bemühungen um weitere Möglichkeiten, endlich den seit langem dringlich benötigten Stationsneubau zu realisieren (vgl. bereits Kurzbericht in Ausgabe 1/2013). Wir bitten außerdem um Beachtung der beiliegenden Einladung zu Hauptversammlung 2015. Alle Mitglieder und Kooperationspartner erhielten bereits eine gesonderte Einladung. Wiederansiedlung im Saarland: Ein Abschlussbericht von Ina Klaumann & Christian Seebass (EuroNerz e.V.) 1. Einleitung In den Jahren 2006 bis 2014 führten EuroNerz e. V., der Zweckverband Natura Ill-Theel (MarpingenBerschweiler) und der Zoo Neunkirchen in Kooperation mit dem NABU Saarland e.V. (Lebach) und seinen Ortsgruppen ein Pilotprojekt zur Wiederansiedlung des Europäischen Nerzes im FFH-Gebiet „Täler der Ill und ihrer Nebenbäche“ durch. Wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt durch Dr. Elisabeth Peters (Univ. Osnabrück), die Finanzierung erfolgte über das Land Saarland mit Fördermitteln der Saarland Sporttoto GmbH sowie durch die HIT Umwelt- und Naturschutz Stiftungs-GmbH (Zülpich). Das Ziel des Projektes war der Aufbau einer überlebensfähigen Population des Europäischen Nerzes im Einzugsgebiet der Ill (Saarland), die sich ausgehend vom saarländischen Kerngebiet in angrenzende Regionen Deutschlands sowie grenzübergreifend nach Luxemburg und Frankreich ausbreiten kann. Die Ansiedlung des Nerzes im Saarland sollte damit zur Erhaltung einer der am stärksten vom Aussterben bedrohten Säugetierarten Europas und zur Sicherung der biologischen Vielfalt beitragen. Wissenschaftliche Begleitforschung Darüber hinaus sollte die Chance der Wiederansiedlung auch genutzt werden, um für die Erhaltungszucht wichtige, bislang aber unbekannte Verhaltensweisen des Nerzes zu untersuchen, u. a. wie sich bei freilebenden Nerzen nach Aufwachsen der Jungtiere die „Familien“ auflösen. Intensive Arbeiten im Feld nahmen bei diesem Projekt daher eine wichtige Rolle ein. Internationaler Austausch erfolgte durch Arbeitsbesuche von Dr. Vadim Sidorovich (Minsk, Weißrussland; Experte für die Erfassung von Wildtierarten durch Spuren und Beobachtung) sowie von Herr Pablo García (Univ. Salamanca, Spanien; Experte für den Einsatz von Haar-Klebefallen). Das Team: Viele helfende Hände Mit Ilona Behrmann, Frauke Krüger und Ina Klaumann organisierten insgesamt 3 Teamleiterinnen die Feldarbeiten während der 8-jährigen Laufzeit des Projektes und leiteten jeweils ein Team von 3-4 Praktikanten/innen. Insgesamt 58 Studierende bzw. Absolventen überwiegend von spanischen Universitäten arbeiteten so im Projekt mit, jeweils durch Mobilitätsförderprogramme finanziert und für sechs Monate entsandt. Darüber hinaus entstanden im Rahmen der Begleitforschung und der Feldarbeiten 4 Abschlussarbeiten von Studierenden der Universitäten Hamburg, Vechta, Münster und Trier. Die Senderimplantationen und tierärztliche Betreuung übernahmen die Veterinäre/innen Dr. Heike Weber (Tierpark Nordhorn), Dr. Carina Johann (Zoo Neunkirchen) und Dr. Gerd Küneke (Illingen). Abschlussbericht zur Wiederansiedlung im Saarland Fortsetzung von Seite 1 2. Das Projektgebiet: naturnahe Gewässerufer, Bibervorkommen Das Kerngebiet liegt im saarländischen Prims-Blies-Hügelland. Das dichte Gewässernetz aus Bachläufen und Fischteichen dieser Region bietet den angesiedelten Nerzen zahlreiche Ausbreitungskorridore auch über die Grenzen des Saarlandes hinaus. Seit 2005 ist das Naturschutzgebiet „Täler der Ill und ihrer Nebenbäche“ ausgewiesen (s. Karte). Das Projektgebiet erstreckt sich über eine Gewässerlänge von 140 km bzw. eine Fläche von ca. 1000 Hektar. Es zeichnet sich durch intensive Renaturierungen der Gewässerufer aus, die der Zweckverband Natura Ill-Theel mit dem Ziel der Wiederherstellung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässer-AueSystems durchführte. Neben technischen Baumaßnahmen wurde der Biber als natürlicher Landschaftsgestalter der Flussauen erfolgreich wiederangesiedelt. Durch seine Bauaktivitäten entlang der Gewässer schafft der Biber dynamische Biotope, die dem Europäischen Nerz als Nahrungs- und Lebensraum bereitstehen. Faunistische Untersuchungen im Auftrag des Zweckverbandes Natura IllTheel belegten ein ausreichendes und ausgewogenes Nahrungsspektrum für den Europäischen Nerz. Aufgrund der gesicherten Rückzugsräume als Folge der Renaturierungen wurde das Gebiet als für den Europäischen Nerz geeigneter Lebensraum bewertet. Adressen/Hinweise 1.Vorsitzender Wolfgang Festl, Borgloher Str. 13, 49176 Hilter 0170/4333738 [email protected] 2. Vorsitzender Christian Seebass, Kleine Gildewart 3, 49074 Osnabrück 0541/42611 [email protected] Schatzmeisterin Dr. Claudia Bodenstein, Kleine Gildewart 3, 49074 Osnabrück 0541/42611 [email protected] Schriftführerin Birgit Strunk, Warnemünder Str. 10, 49090 Osnabrück 0541/67756 Fax 0541/6853675 [email protected] ___________________________________________________ Das Projektgebiet im Saarland (Quellen: http://dmaps.com/m/europa/germany/allemagne/allemagne34.gif, http://dmaps.com/m/europa/germany/sarre/sarre56.gif, ZV Natura Ill-Theel) Internet: www.euronerz.de ___________________________________________________ Vereinstreffen Mitglieder und Interessierte treffen sich ein- bis zweimal pro Monat. Für eine Aufnahme in den Emailverteiler bitten wir um Nachricht an: christian.seebass@ euronerz.de ___________________________________________________ Bank: Sparkasse Osnabrück IBAN: DE17 2655 0105 0000 0178 30 BIC: NOLADE22XXX ___________________________________________________ V.i.S.d.P.: Christian Seebass Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln nicht notwendigerweise die Meinung des Vereinsvorstandes wider. ___________________________________________________ Neue Mitglieder: Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Hofheim e.V. Tiergarten Mönchengladbach Gewässerrandstreifenschutz (li.) und Dammbau durch den Biber (re.) im Projektgebiet (Fotos: R. Denné) Gisela Lehmeier, Berlin Abschlussbericht zur Wiederansiedlung im Saarland 3. Die Gründertiere Alle im Laufe dieses Projektes angesiedelten Nerze stammten aus der Erhaltungszucht des Vereins EuroNerz e.V. Die zur Ansiedlung gekommenen Würfe wurden überwiegend in den Mitglieds-Tierparks und –Zoos geboren und aufgezogen, die damit unmittelbar am Projekt beteiligt waren. Das „Training“ Da es sich um in Menschenhand geborene Tiere handelte, wurde vor der Ansiedlung eine 7-14tägige Trainingsphase in Gehegen vor Ort durchgeführt, um sie zu akklimatisieren und auf die zukünftigen Umweltbedingungen vorzubereiten. Außerdem sollten die Tiere für den Fang lebender Beutetiere sensibilisiert werden. Individuelle Markierung der Nerze Alle Gründertiere erhielten zur individuellen Erkennung einen Mikrochip injiziert. Ausgewählte Tiere wurden darüber hinaus für das Monitoring und die Begleitforschung mit implantierten Radiotelemetrie-Sendern ausgestattet. In den Jahren 2006 bis 2009 erfolgte die Sendermarkierung vor Training und Ansiedlung. Ab 2010 wurden im Gegensatz dazu ausgewachsene Jungtiere im Herbst ihres Geburtsjahres ohne Sender angesiedelt, die sich über Winter im Gebiet etablieren sollten. Im darauffolgenden zeitigen Frühjahr wurden solche Nerze mit Hilfe von Lebendfallen erneut gefangen, mit Sendern markiert und nach der Heilungsphase wieder am Fangplatz entlassen. Senderimplantation (Foto: H. Weber) 4. Die Ansiedlung Für die Ansiedlung wurden verschiedene Methoden getestet: Da angesiedelte Tiere noch nicht in ihrer Umgebung verwurzelt sind aber Ortkenntnis für sie sehr wichtig ist, beginnen sie oft bald nach ihrer Freisetzung mit weiten Erkundungen und verlassen dabei teils sogar das Gebiet. Dadurch erhöht sich ihr Sterblichkeitsrisiko ganz erheblich. Zu Beginn des Projektes (bis 2009) wurden daher vorwiegend jeweils im Frühling trächtige Fähen allein oder zusammen mit ihren Paarungspartnern entlassen (Paare bzw. Gruppen aus 1 Rüden mit 2 Fähen). Während des Trainings waren Paare gemeinsam im Gehege, für Dreiergruppen wurden aneinander angrenzende Einzelgehege genutzt, so dass der Kontakt erhalten blieb. Zusätzlich wurden im Sommer Mutterfähen gemeinsam mit ihren nahezu ausgewachsenen Würfen freigesetzt. In allen 3 Fällen ist zu erwarten, dass die Tiere zunächst einmal wegen des nahenden Wurftermins, wegen ihres Paarungspartners bzw. der Jungtiere im Gebiet bleiben. Alle diese Ansiedlungen erfolgten unmittelbar aus den Trainingsgehegen, die den Tieren auch weiterhin als möglicher Rückzugsraum zur Verfügung standen. Neue Methoden: Ansiedlung im Herbst und künstliche Höhlen Im Herbst 2009 wurde erstmals eine weitere Methode erprobt, die in den Folgejahren dann ausschließlich eingesetzt wurde: Ausgewachsene Jungtiere wurden im Alter von 4-5 Monaten angesiedelt, also im Herbst ihres Geburtsjahres. Auch bei solchen Tieren ist zu erwarten, dass sie stark motiviert sind, sich schnell ein „Revier“ zu suchen, in dem sie den kommenden Winter verbringen. Das Training erfolgte nach wie vor in den Gehegen, in der Regel noch als Wurfgeschwister-Gruppe. Anschließend wurden die Nerze einzeln oder als Geschwisterpaar in zuvor aus am Ort vorhandenem Material konstruierten Uferhöhlen bzw. in speziell angefertigten Boxen aus Holz im Ansiedlungsgebiet entlassen. Diese künstlichen Höhlen sollten, ähnlich wie die Ansiedlungen aus den Gehegen, bei den Nerzen eine Art „Heimat-Effekt“ erzeugen, eine bekannte Anlaufstelle, die ihnen zusätzlich sichere Zuflucht vor möglichen Attacken durch Füchse und andere Prädatoren bietet. Die Idee zu dieser Ansiedlungsmethode entstand während des Arbeitsbesuchs von Dr. Vadim Sidorovich. Auf diese Weise wurden in den Jahren von 2006 bis 2013 insgesamt 162 Nerze angesiedelt. Abschlussbericht zur Wiederansiedlung im Saarland Trainingsgehege (li.), künstliche Uferhöhle (mi.) und Ansiedlungsbox (re.; Fotos: H. Weber, I. Klaumann) Anzahl der angesiedelten Nerze pro Jahr tragende Rüden Fähen mit Wurf Fähen 2006 12 2 13 2007 7 5 9 2008 11 9 6 2009 3 0 0 2010 3 1 0 2011 0 0 0 2012 0 0 0 2013 0 0 0 36 17 28 Ausgewachsene Jungfähen 0 0 0 4 2 10 6 14 36 Ausgewachsene Jungrüden 0 0 0 14 2 12 11 6 45 Summe 27 21 26 21 8 22 17 20 162 5. Das Monitoring Das Monitoring hatte zusammen mit der wissenschaftlichen Begleitforschung in diesem Pilotprojekt eine besondere Bedeutung. Oft wurden an einem Standort mehrere Methoden eingesetzt (z. B. Lebendfalle, Haar-Klebefalle und Wildkamera), um alle Methoden miteinander vergleichen zu können. Lebendfallen Der Wiederfang hat den Vorteil, dass man unmittelbar den Gesundheitszustand der angesiedelten Tiere (Gewicht, eventuelle Verletzungen etc.) kontrollieren und so individuelle Informationen bekommen kann, ob sie die Tiere in der neuen Situation zurechtfinden. Nachteilig ist der große materielle, personelle und zeitliche Aufwand. Durch die mindestens zwei Kontrollen in 24 h kann zudem Unruhe entstehen, da das Gelände entsprechend viel betreten wird. Im Projekt wurden zum einen Holzkastenfallen verwendet, die den Tieren Sicht- und Witterungsschutz boten, aber auch entsprechen schwer waren. Drahtkastenfallen (Fa. Trap Man, GB) sind leichter und einfacher zu handhaben, mussten aber zum Schutz der Tiere verblendet werden. Beide Fallentypen wurden unmittelbar an den Gewässerufern aufgestellt, teilweise auch auf speziellen Flößen auf dem Wasser. Als Köder wurde überwiegend Fisch eingesetzt. Die Fallenstandorte und deren Abstand orientierten sich an vermuteten Nerzvorkommen aufgrund von Hinweisen und vorangegangenen Ansiedlungen. Der Lebendfang wurde jeweils in der Zeit zwischen Mai bis Juli eingeschränkt oder ganz ausgesetzt, um mögliche Würfe nicht zu gefährden. Holz- (li.) und Drahtkastenfalle (mi.). Rechts: Eine jungtierführende Fähe wurde durch ein beködertes Fallenfloß und eine Wildkamera überwacht (Fotos: I. Klaumann, Wildkamera Cuddeback® Capture). Abschlussbericht zur Wiederansiedlung im Saarland Ergebnisse Lebendfallen Der Aufwand des Fallenfangs zeigt sich darin, dass 24.878 Fallennächten insgesamt 272 Fänge von Nerzen gegenüberstehen (z. B.: 50 Fallennächte = 25 Fallen für 2 Nächte fängig – oder auch 2 Fallen für 25 Nächte). Für Nerze allgemein ergab sich damit eine durchschnittliche Erfolgsrate von 1 Fang in 91 Fallennächten. Gab es keinerlei vorherige Hinweise auf ein Nerzvorkommen, verschlechtert sich die Erfolgsrate auf 1 Fang in 803 Fallennächten. Vergleichbare Untersuchungen an freilebenden Nerzen in Nordspanien und Frankreich berichten von Erfolgsraten zwischen 1:107 bis 1:1339. Es zeigte sich, dass es kaum möglich war, die Nerze in die Fallen zu locken. Das bedeutete, sie hatten es in der Regel nicht „nötig“, sich z. B. aus Hunger den Köder aus der Falle zu holen. Wildkamerafotos belegten, dass Fallen teils nur untersucht aber nicht betreten wurden und manche Nerze es lernten, von innen die Falle wieder zu öffnen und zu entkommen. Alle gefangenen Nerze zeigten sich in einer guten körperlichen Verfassung und waren offenkundig in der Lage, sich selbstständig zu ernähren. Der Rüde M626 („Malandrin“), der über ein Jahr lang beobachtet werden konnte, wurde im Laufe der Zeit 25 Mal gefangen. Im Durchschnitt ging ein Nerz jedoch nur 5,8 Mal in die Falle. Entsprechend der Ansiedlung von ausgewachsenen Jungtieren im Herbst war ab 2009 der Fangerfolg im Spätherbst am höchsten und sank kontinuierlich ab, je länger die Ansiedlung zurücklag. In den Sommermonaten hing eine wieder erhöhte Erfolgsrate damit zusammen, dass durch die Radiotelemetrie der Aufenthalt von Nerzen bekannt wurde. Radiotelemetrie Insgesamt erhielten 63 Nerze Senderimplantate der Firma Microtes Wildlife Engeneering (NL). Mit Hilfe von Empfangsgeräten und Antennen konnten die Bewegungen diese Tiere verfolgt und Informationen zu Wanderverhalten, Aktivitätszeiten, Habitatwahl und Interaktionen gesammelt werden. Senderimplantate haben im Vergleich zu den üblichen Halsbandsendern den Nachteil einer geringeren Reichweite (bis ca. 400 m, abhängig vom Gelände), sind für Nerze aber erfahrungsgemäß die beste Wahl. Mit der Technik und dem personellen und zeitlichen Aufwand im Gelände ist die Radiotelemetrie sehr kostenintensiv. Zugleich ist sie aber die einzige Methode, die es bei so kleinen Tierarten wie dem Nerz ermöglicht, individuelle Informationen über Bewegungsmuster und Verhalten zu sammeln. Ergebnisse Radiotelemetrie 24 der 63 Nerze (12 Rüden, 12 Fähen) konnten über mehr als 60 Tage verfolgt werden. Die Aktionsräume erstreckten sich ausschließlich entlang der Gewässerläufe und wurden deshalb in Kilometern (Gewässerlänge) berechnet, nicht in Quadratkilometern. Allgemein waren die Rüden aktiver als die Fähen und legten größere Laufstrecken zurück. Für die Rüden lagen die Aktionsräume zwischen ca. 0,9 und 32 km, für die Fähen zwischen ca. 0,3 und 17 km. Teils hohe zurückgelegte Distanzen (bis zu 18 km in einer Nacht bei M806) stellten die Nachverfolgung und das Wiederauffinden von Nerzen, zu denen der Kontakt verloren ging, aufgrund der geringen Reichweite der Sender vor Probleme. Vereinzelt wurden Wanderbewegungen über Wasserscheiden in benachbarte Gewässer registriert. So verließ Fähe F216 zwei Monate nach der gemeinsamen Ansiedlung mit M223 und F218 das ursprüngliche Gebiet am Alsbach und wanderte vermutlich über den Bergrücken in das Gewässersystem der Theel ab (s. Karte). Der Rüde M390 überquerte nachweislich zweimal die Wasserscheide zwischen den Systemen Alsbach/Ill und Blies. Auch Rüde M806 hat vermutlich bei seinen Wanderungen zwischen Ill und Theel Abkürzungen abseits der Gewässer gewählt. Bei zwei jungtierführenden Fähen konnte die Entwicklung der Aktionsräume vom Zeitpunkt der Ansiedlung (vor der Geburt der Jungtiere) bis zur Auflösung der Familie verfolgt werden. In beiden Fällen schränkte sich der Aktionsraum der Fähe zunächst erheblich ein. Abschlussbericht zur Wiederansiedlung im Saarland Nach 15 bzw. 20 Tagen erfolgte der erste Umzug, indem die Mütter die Jungtiere einzeln zu einem neuen Neststandort trugen. Mit zunehmendem Alter der Jungtiere erweiterte sich der Aktionsraum der Fähen stetig, bis die Jungtiere im Alter von ca. 10 Wochen ihre Mütter auf den Jagdausflügen begleiteten. Bei Nerzen unterschiedlichen Geschlechts überlappten sich die Aktionsräume häufig, z. B. bei angesiedelten Paaren sowie bei Geschwistern bzw. möglichen Paarungspartnern. So umschloss z. B. der Aktionsraum des Rüden M626, der zweimal besendert und insgesamt über 505 Tage beobachtet werden konnte, den der Fähe F629. Innerhalb eines Geschlechts wurden Überlappungen bei der Ansiedlung ausgewachsener Jungtiere im Herbst beobachtet, da diese Individuen den Winter auf engerem Raum verbrachten. Mit Beginn der Paarungszeit erhöhte sich die Aktivität der Rüden und die Aktionsräume dehnten sich aus. Lediglich in einem Fall konnte während dieser Phase noch eine Überlappung der Aktionsräume von zwei Rüden beobachtet werden. Die Sendermarkierung ermöglichte häufig auch den Sichtkontakt zu den Tieren, die teilweise bei der Beutejagd beobachtet werden konnten. Neben Fischen und Amphibien war die Wanderratte eine häufige Beutetierart. Auch die tagsüber genutzten Unterschlupfe konnten so identifiziert werden. Sie lagen nahezu alle unmittelbar am Gewässer. Es wurden meist bereits vorhandene Baue von Ratten oder Bisamen übernommen. In einigen Fällen nutzten Nerze vorübergehend verlassene Biberburgen, in einem Fall auch eine Höhlung unter freigespülten Baumwurzeln. Auch menschliche Bauten wie Kanalisationsrohre, Gartenhütten, Tierställe oder Garagen wurden von den Nerzen kurz- oder längerfristig als Unterschlupf gewählt. Wildkameras Ab dem Jahr 2009 ergänzten digitale Wildkameras (Weißlichtblitz, Modelle Cuddeback® Capture und Attack) das Monitoring. Diese Methode ist ebenfalls kostenintensiv, erfordert aber deutlich weniger Zeit und Personal. Nachteilig kann es sein, dass keine individuellen Nachweise möglich sind, da die Fotos für sich genommen erst einmal nur die Anwesenheit einer Tierart belegen. Die Wildkameras wurden entlang der Gewässer eingesetzt und regelmäßig beködert, mit Lebendfallen kombiniert, an Ansiedlungsstandorten sowie auch separat. Ergebnisse Wildkameras Die Wildkameras erbrachten insbesondere unmittelbar nach Ansiedlungen zuverlässige Informationen über die Verbreitung der Tiere und die Annahme der künstlichen Höhlen und Ansiedlungsboxen. Je länger die Ansiedlung zurücklag, desto mehr reduzierte sich, analog zum Fallenfang, auch die Anzahl der Fotonachweise. Dennoch gaben sie Hinweise auf die Präsenz von nicht sendermarkierten Nerzen aber auch von möglichen Konkurrenten und Beutegreifern (s. Tabelle). Auch Verletzungen oder ein Reproduktionserfolg konnten festgestellt werden (vgl. Fotos). Darüber hinaus lieferten die Wildkameras Informationen zum Beutespektrum und den Aktivitätszeiten der Nerze und ermöglichten Rückschlüsse auf die Effizienz der Lebendfallen sowie der Haar-Klebefallen. Unter insgesamt 10.299 Tierfotos gelangen 1620 Nerznachweise. Der Iltis als ein möglicher Konkurrent aufgrund teilweise ähnlicher Lebensräume wurde auf 906 Fotos erfasst. An Beutegreifern, die dem Nerz gefährlich werden können, waren Hauskatzen und der Fuchs am häufigsten an den Gewässern präsent. Die mit 3486 Fotos am häufigsten nachgewiesene Wanderratte war für die Nerze eine attraktive Beutetierart. Mehrfach wurden sendermarkierte Individuen bei der Jagd und beim Verzehr von Ratten beobachtet. Abschlussbericht zur Wiederansiedlung im Saarland Vielseitige Informationen: Fähe F494 mit 4 Jungen (o. l.), F494 mit Verletzung am linken Hinterlauf (o. r.); 2 Junge der Fähe F494 nach deren vermutlichen Tod (m. l.); Nerz am Bau (Schwanzspitze) mit erlegter Ratte (m. r.); zwei mögliche Konkurrenten und/oder Beutegreifer auf einem Bild: Fuchs und Iltis (u. l.); Nerz schlüpft in eine künstliche Uferhöhle (u. r.; Fotos: Wildkamera Cuddeback® Capture bzw. Attack). Haar-Klebefallen Ebenfalls 2009 wurden Haar-Klebefallen zu Testzwecken in das Monitoring integriert. Dieses einfache Modell aus Drahtgitter, bespannt mit doppelseitigem Klebeband, wurde beködert und bodennah an Bäumen befestigt. Tiere, die am Köder interessiert waren, mussten etwas „arbeiten“ und dabei das Klebeband berühren, an dem sie abgestreifte Haare hinterließen. Die Fallen wurden wöchentlich eingesammelt und die Haare lichtmikroskopisch bestimmt. Dabei wird die innere Struktur des Haares betrachtet, aber auch das Muster auf der Außenseite, das am besten in einem „Negativabdruck“ zu sehen ist, der mit farbigem Nagellack auf einem Objektträger hergestellt wird. Vorteil ist die kostengünstige Einsetzbarkeit zur Überwachung eines größeren Gebietes. Nachteilig ist wiederum, dass nur die Präsenz der Tierart festzustellen ist, ohne individuelle Informationen. Außerdem ist eine intensive Einarbeitung nötig, da die Haarbestimmung nur mit viel Erfahrung zügig und sicher erfolgen kann. Aufbau der Haar-Klebefalle (li.), Bestimmung per Lichtmikroskop (mi.) und Nerz an einer Haar-Klebefalle im Gelände (re.; Fotos: I. Klaumann, Wildkamera Cuddeback® Capture) Abschlussbericht zur Wiederansiedlung im Saarland Ergebnisse Haar-Klebefallen Haar-Klebefallen wurden zunächst hauptsächlich ergänzend im Monitoring eingesetzt. Ab 2011 wurden dann intensive Fangaktionen durchgeführt, bei der sukzessive Ill, Theel und Prims komplett sowie Abschnitte von Saar und Blies und deren Zuflüssen bearbeitet wurden. Insgesamt wurden 297 HaarKlebefallenstandorte eingerichtet und 1584 Fangwochen bzw. 11046 Fallennächte ausgewertet. An 909 Fallen wurden Haare gefunden. Häufig war die Artbestimmung nicht eindeutig möglich und die Haare konnten nur der Gruppe Raubsäuger zugeordnet werden. An 10 Monitoring-Standorten wurden die Haar-Klebefallen mit Wildkameras überwacht und in 1198 Fällen (= Foto bzw. Haarfund) verglichen. In 167 Fällen war das Ergebnis gleich (Haare = Fotos), in 404 Fällen wurde kein Haar der durch die Wildkamera erfassten Tierart gefunden und in 534 Fällen wurden durch Haarfunde bestimmte Tierarten nicht auch auf einem Foto bestätigt. Bei 93 Haarfunden war keine Bestimmung möglich. 6. Zusammenfassende Ergebnisse 91 der entlassenen Nerze konnten mindestens einmal nach Ansiedlung nachgewiesen werden. Die mittlere Beobachtungsdauer lag bei 56 Tagen (0 bis max. 505); für sendermarkierte Nerze lag sie höher als für nicht besenderte. In Bezug auf die Ansiedlung erreichten im Frühjahr tragende Fähen und im Herbst ausgewachsene Jungrüden die höchste durchschnittliche Beobachtungsdauer. Zwischen den Ansiedlungen aus Gehegen bzw. Höhlen/Boxen ergaben sich dahingehend nur geringe Unterschiede. Die durch Funde nachzuweisende Mortalität war innerhalb zwei Monaten nach Ansiedlung mit 13,9 % am höchsten, danach stieg die Rate geringer an, auf 20,6 % nach mehr als 360 Tagen. Von den insgesamt 34 Totfunden erfolgten 29 durch Ortung des Senders. Verluste traten am häufigsten durch Beutegreifer (vermutlich mehrheitlich Füchse) und den Straßenverkehr auf. In 12 Fällen konnte die Todesursache nicht geklärt werden, größtenteils durch eine bereits stärkere Verwesung. Von 33 tragend angesiedelten Fähen haben mindestens sechs im Freiland einen Wurf geboren (mind. 15 Jungtiere). Eine in 2008 unmarkiert gefangene Jungfähe war mit größter Wahrscheinlichkeit Resultat einer Verpaarung im Freiland. Als Eltern kamen die 2007 angesiedelten Tiere F399 und M433 in Frage. Im Fazit sind über den Erfolg der Ansiedlungen nur bedingt Aussagen möglich. Die Eignung des Gebietes belegten (1) die im Lauf der Projektjahre von mind. 22 Nerzen ausgebildeten Aktionsräume, (2) die gute Konstitution wiedergefangener Nerze sowie (3) der Nachweis erfolgreicher Jungtieraufzucht. Die Nutzung menschlicher Siedlungen (Kanalisation, Holzhaufen etc.) zeigte, dass die Nerze, wie andere Wildtiere auch, in gutem Maß opportunistisch handelten, sich aber zugleich artgemäß verhielten. Das Hauptproblem für die Erfolgsbewertung bleibt der hohe Anteil von Nerzen mit unbekanntem Verbleib. Dies liegt zum einen daran, dass nur kleine und zudem implantierte Sendermodelle verwendet werden konnten, und sich Nerze bodennah und oft schnell durchs Gelände bewegen. Bei einer Empfangsreichweite von max. 400 m waren selbst Routineortungen aufwendig. Wanderte ein Nerz auch nur um wenige Kilometer ab, war die Nachsuche sehr schwierig. Zum anderen wurden auch Lebendfallen nur unregelmäßig angenommen. So wurde die Fähe F733 erstmals nach 209 Tagen unmittelbar an ihrem Ansiedlungsort per Fallenfang nachgewiesen; zuvor fehlte jeder Hinweis auf ihre Anwesenheit. Diese Tatsache kann als positives Zeichen gewertet werden, da sich die angesiedelten Tiere offensichtlich autark versorgen konnten. Zudem wird die Möglichkeit bekräftigt, dass sich durchaus mehr Nerze im Gebiet aufhalten konnten, die jedoch durch das bestehende Monitoring nicht erfasst wurden. 7. Ausblick Während des Arbeitsbesuchs 2009 schätzte der Säugetierexperte Dr. V. Sidorovich, dass für einen Erfolg kontinuierliche Ansiedlungen über einen Zeitraum von mindestens 10 Jahren notwendig seien. Eine Fortsetzung des Projektes wäre daher wünschenswert. Als effektivstes Monitoring stellte sich eine Kombination aus Wildkamera und Lebendfalle heraus. Die Radiotelemetrie lieferte zudem wertvolle Raum-Zeit-Informationen über die Tiere. Um Verluste durch Abwanderung zu vermeiden, sollten nur bereits etablierte Individuen mit Sendern versehen werden. Ergänzend zum bisherigen Monitoring könnten stationäre Mikrochip-Lesegeräte getestet werden, die allerdings mit hohen Kosten und Diebstahlrisiko verbunden sind. Das Monitoring mit Haar-Klebefallen sollte aufgrund des Potentials einer kostengünstigen, großflächig einsetzbaren Alternative auf jeden Fall genauer erprobt werden, z. B. im Rahmen einer Doktorarbeit. Dabei sollten auch andere Modelle (z. B. Röhren) und Klebemittel (z. B. „Mouseglue“) getestet und ggf. an die Zielart Nerz angepasst werden.