Weitere Infos zu Skoliose
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Skoliose Zusammenfassung Skoliose ist eine dauerhafte, nicht mehr aktiv aufrichtbare seitliche Verbiegung der Wirbelsäule mit einer Drehung der einzelnen Wirbelkörper. Per Definition spricht man erst ab einer Krümmungsstärke von 10 Grad nach COBB und gleichzeitigem Vorliegen einer Wirbelkörper-Rotation von einer Skoliose. Alles was darunter liegt hat keinen besonderen Krankheitswert; liegt in der Norm. Die skoliotische Wirbelsäule bildet in der Regel mehrere, einander gegenläufige Bögen aus, die sich kompensieren, um das Körpergleichgewicht aufrecht zu erhalten. In etwa 80% aller Fälle ist die Entstehungsursache unbekannt. Diese Skoliosen werden als idiopathisch bezeichnet. Die Skoliose zählt zu den Wachstumsdeformitäten. Sie entsteht und verschlechtert sich insbesondere während der Jugend in Zeiten verstärkten Körperwachstums. Bei progredientem (fortschreitendem) Verlauf sind Skoliosen dringend behandlungsbedürftig. Je nach Ausmaß der Verkrümmung kommen hierfür Physiotherapie nach Schroth oder Vojta, Korsett-Versorgung und als letzte Maßnahme eine Wirbelsäulenversteifende Operation in Frage. Definition Skoliose (griech. skolios = krumm) ist eine Seitverbiegung der Wirbelsäule in frontaler Ebene bei gleichzeitigem Vorliegen einer Verdrehung (Rotation, Torsion) der Wirbelkörper, welche von den Betroffenen aktiv nicht mehr vollständig aufgerichtet werden kann (Teilfixierung). Per Definition spricht man erst ab einer Verkrümmung von 10 Grad nach COBB von einer Skoliose. Krümmungen unter 10 Grad und/oder Krümmungen ohne ein gleichzeitiges Vorliegen einer Wirbelsäulenrotation sowie Fehlstellungen, die aktiv noch vollkommen aufrichtbar sind, werden als skoliotische Fehlhaltung oder skoliotische Haltungsschwäche bezeichnet. Hierbei handelt es sich lediglich um Wirbelsäulenassymmetrien ohne besonderen Krankheitswert, die als in der Norm liegend betrachtet werden können. Nicht zu verwechseln ist die skoliotische Verkrümmung mit den normalen physiologischen Kurven der Wirbelsäule (Brustwirbelsäulen-Kyphose, Lendenwirbelsäulen-Lordose ...), die bei seitlicher Betrachtung zu sehen sind. Eine skoliotische Seitverbiegung geht ab eines bestimmten Ausmaßes immer auch mit einer Rotation der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte einher (Ausnahmen existieren unter den sekundären Skoliose Formen). Der jeweils am stärksten rotierte Wirbel liegt etwa auf Höhe des Bogenscheitels (Bogenmitte) und wird daher auch als Scheitelwirbel bezeichnet. Die beiden am stärksten zueinander geneigten Wirbel ober- und unterhalb eines Bogens werden als Neutralwirbel bezeichnet. Die rückseitig gelegenen Elemente der Wirbel drehen sich immer zur konkaven (inneren) Seite des Bogens, so dass die Dornfortsätze in Richtung der gedachten Ideallinie der Wirbelsäule zeigen. Die Wirbelkörpervorderseiten drehen zur konvexen (äußeren) Seite des Bogens. Da die Rippen mit den Wirbelkörpern verbunden sind und sich mit ihnen drehen, entsteht im Brustwirbelsäulenbereich an der Konvexseite der Krümmung ein Rippenbuckel, auf der Gegenseite (Konkavseite) ein Rippental. Die skoliotische Wirbelsäule bildet meist 3 oder 4 Bögen aus, die einander gegenläufig sind und sich kompensieren, so dass ein skoliotisches Gleichgewicht entsteht. Man unterscheidet zwischen den Hauptkrümmungsbögen und den darüber und darunter befindlichen Ausgleichskrümmungen. Die Hauptkrümmungen sind die Krümmungen stärksten Ausmaßes. Sie sind durch strukturelle Veränderungen gekennzeichnet, welche sich durch eine Teilfixierung des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts und durch Verlust der vollständigen Aufrichtbarkeit bemerkbar machen. Die Ausgleichskrümmungen sind kleineren Ausmaßes und haben funktionellen Charakter. Sie kompensieren die Hauptkrümmungen, um das Körpergleichgewicht aufrecht zu erhalten. Sie sind nicht fixiert und bei Beseitigung der Hauptkrümmung/en oder Aufhebung des skoliotischen Gleichgewichts vollständig aufrichtbar (Bending-Aufnahme). Analog dieser Definition unterscheidet man auch die sog. strukturelle Skoliose von der funktionellen Skoliose. Bei der funktionellen Skoliose kommt es durch eine Beinlängendifferenz oder einer anderen Zwangshaltung (z.B. aufgrund von Schmerzen) zu einer Seitverbiegung der Wirbelsäule. Diese Verbiegung verschwindet nach Beseitigung des auslösenden Faktors (Ausgleich der Beinlängendifferenz, Behandlung der Grunderkrankung) und ist somit keine echte Skoliose. Das Krümmungsmuster ist bei jedem Patienten unterschiedlich. Je nach Lage der Hauptkrümmung/en können Skoliosen jedoch grob in vier Gruppen unterteilt werden: • • • • Thorakale Skoliose: Hauptkrümmungsbogen im Brustwirbelsäulenbereich Lumbale Skoliose: Hauptkrümmungsbogen im Lendenwirbelsäulenbereich Thorakolumbale Skoliose: Hauptkrümmungsbogen im Übergangsbereich von Brust- und Lendenwirbelsäule Doppel-S-Skoliose (engl. Double-Major): Zwei Hauptkrümmungsbögen in Brust- und Lendenwirbelsäule Häufigkeit Die Angaben über die Häufigkeit der Skoliose in der Bevölkerung variieren sehr stark (0,13 % - 13 %), was darauf zurückzuführen ist, dass der Übergang von der skoliotischer Fehlhaltung zur Skoliose ein fließender ist und bei den durchgeführten Studien unterschiedliche Definitionsgrenzen angewandt wurden. Durchschnittlich wird eine Häufigkeit von 3 - 4 % Prozent angenommen. Schätzungen zufolge sind in Deutschland 400.000 Menschen von Skoliose betroffen. In etwa 80% aller Fälle ist die Ursache unbekannt (idiopathisch). Ursachen Idiopathische Skoliose Etwa 80% aller Skoliosen sind idiopathischen Ursprungs, d.h. ihre Ursache ist nicht bekannt (griech. idios = eigen, pathos = Leiden, idiopathisch = selbstständiges Leiden, ohne erkennbare Ursache entstanden). Die idiopathische Skoliose bildet sich vor allem in Zeiten starken Wirbelsäulenwachstums aus ihrer Vorstufe, der skoliotischen Fehlhaltung, heraus, und verschlechtert sich während des Wachstums mit steigender Gradzahl zunehmend schnell, weshalb die idiopathische Skoliose auch als eine Wachstumsdeformität bezeichnet wird. Von der idiopathischen Form der Skoliose sind bei Verbiegungen ab 15 Grad nach COBB Mädchen etwa viermal so häufig betroffen wie Jungen. Die idiopathische Form der Skoliose tritt oft familiärer gehäuft auf. Ein Vererbungsmechanismus ist jedoch nicht erkennbar. Das Risiko eine idiopathische Skoliose zu entwickeln beträgt 7%, wenn eine Skoliose bei einem Verwandten ersten Grades vorliegt, 3,7 % bei einem Verwandten zweiten Grades und 1,6% bei einem Verwandten dritten Grades. Liegt gleichzeitig bei einem Geschwister- und Elternteil eine Skoliose vor, liegt das Risiko als Mädchen, selbst eine leichte Skoliose von 10 bis 20 Grad zu entwickeln, bei 42%, als Junge bei 7%. Für Skoliosen größer als 20 Grad beträgt es für Mädchen 11%, für Jungen 3%. Es werden eine Vielzahl möglicher Ursachen diskutiert, darunter Bindegewebsschwäche, hormonelle Ungleichgewichte, ungleichmäßige nervliche Erregung des Rückenmarks, die zu einem asymmetrischen Muskel- und Wirbelsäulenwachstum führen oder bereits während der Geburt erworbene Fehlstellungen des Kopfgelenkes (Kiss-Syndrom). Von allen vermuteten Auslösern kommt jedoch bisher keiner als alleinige Ursache in Frage, weshalb davon ausgegangen wird, dass die Entstehung der idiopathischen Skoliose multifaktoriell ist, d.h. mehrere Faktoren dazu beitragen. Idiopathische Skoliosen werden nach dem Zeitpunkt ihres Erstauftretens wie folgt eingeteilt: • • • infantile Skoliosen: 0 - 3 Jahren juvenile Skoliosen: 4 - 9 Jahren adoleszente Skoliosen: 10 - 18 Jahren Die Adoleszentenskoliose macht mit 80% den weitaus größten Teil der idiopathischen Skoliosen aus. Sekundäre Skoliosen Eine Skoliose, deren Ursache bekannt ist und die auf eine andere Erkrankung oder Abnormität zurückzuführen ist, wird als sekundäre Skoliose bezeichnet. Etwa 20% aller Skoliosen fallen unter diese Kategorie. Eigenschaften, Verlauf und Therapiemöglichkeiten unterscheiden sich oft stark von denen der idiopathischen Skoliose, in vielen Fällen sind sie jedoch auch nahezu oder vollkommen identisch. Letzteres ist insbesondere der Fall, wenn der Auslöser nicht-veränderlich ist (z.B. Halb- oder Blockwirbel) und selbst keine Progredienz (Fortschreiten) verursacht. Das Fortschreiten der Skoliose erfolgt dann nach den gleichen Mechanismen, wie bei der idiopathischen Skoliose. Die sekundären Formen der Skoliose müssen - je nach Krankheitsbild - nicht immer mit einer Rotation einhergehen. • • • • • • • • • Kongenitale Skoliose (Fehlbildungsskoliose) - angeborene Skoliosen durch vorgeburtliche Entwicklungsstörungen, wie Fehlbildungen von Wirbeln (Halb- und Blockwirbel) und Rippen Myo- und Neuropathische Skoliose - durch Erkrankungen, die mit einer Schädigung von Muskulatur und Nervensystems einhergehen (z.B. Friedreichsche Ataxie, Poliomyelitis, Muskeldystrophie, angeborene Muskelhypotonie, Muskelatrophie, Arthrogryposis multiplex congenita, Charcot-Marie-Tooth-Krankheit, Meningomyelocele, Infantile Zerebralparese, Neurofibromatose von Recklinghausen, traumatische oder neoplastische Lähmung) Mesenchymale Skoliose - durch Erkrankungen des Bindegewebes (z.B. Marfan-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom, Osteochondrodysplasien, Arachnodaktylie) und durch schwere Narbenbildung Metabolische Skoliose - durch Erkrankungen des Knochenstoffwechsels (z.B. jugendliche Osteoporose, Rachitis, Glasknochenkrankheit) Radiogene Skoliose - als Folge einer Strahlentherapie im Kindesalter Posttraumatische Skoliose - durch schwere Gewalteinwirkung oder Amputationen (z.B. bei Unfällen, Tumoroperationen) Statische Skoliose - z.B. durch unterschiedliche Beinlängen Entzündliche Skoliose - durch schwere Entzündungen im Bereich der Wirbelkörper Degenerative Skoliose - durch Bandscheibenverschleiß im Erwachsenenalter Äußere Symptome Da gering gradige Skoliosen selten mit Schmerzen verbunden sind, werden sie meist nur zufällig entdeckt. Äußere Zeichen sind: • • • • • • • • ungleich hohe Schultern ungleich hohe Hüften, heraustehende (prominente) Hüfte, Verdrehung des Beckens gegen den Rumpf ungleichmäßige Taillendreiecke Rippenbuckel, Lendenwulst (einseitig stark ausgeprägte Lendenmuskulatur) seitlicher Rumpfüberhang (Abweichung aus dem Lot) prominentes (heraustehenes) Schulterblatt schräge Kopfhaltung nicht gerader Verlauf der Dornfortsatzreihe Vorneigetest Beugt sich der Patient mit durchgestreckten Knien und locker hängen gelassenen Armen nach vorne, bilden sich ausgeprägtere Niveauunterschiede im Bereich des Rückens. Dieser Test wird standardmäßig zum Skoliosescreening eingesetzt. Ist Ihr Kind skoliosegefährdet? Die Früherkennung ist nicht schwer. Wir verweisen auf einen einfachen Test, der ohne jeden technischen Aufwand von allen Eltern vorgenommen werden kann. Folgendes ist dabei zu tun: • • • Das Kind beugt den nackten Oberkörper nach vorne. Die Eltern betrachten erst von vorne und dann von hinten aus den Rücken des Kindes und achten darauf, ob der Rücken beiderseits der Wirbelsäule gleich hoch ist. Wenn sich eine Rückenhälfte wölbt (Lendenwulst oder Rippenbuckel) wobei die andere meist besonders flach erscheint Rippental) -, besteht der Verdacht auf eine Verdrehung der Wirbelsäule und damit auf eine Skoliose. In diesem Fall sollte das Kind unverzüglich einem Orthopäden bzw. dem Kinderarzt vorgestellt werden. Um die Erkennung einer Skoliose fotografisch besser darzustellen, haben wir die folgenden Abbildungen einer Skoliose von lumbal 38° und thorakal 56° ausgesucht. Therapie Skoliose ist keine Erkrankung im eigentlichen Sinne. Der Begriff beschreibt lediglich eine abnorme Verbiegung der Wirbelsäule. Da die Skoliose jedoch chronisch ist, progredient (fortschreitend) verlaufen kann und unbehandelt im schlimmsten Falle zu einer verringerten Lebenserwartung führt, wird die Skoliose aus therapeutischer Sicht zu den chronischen Erkrankungen gezählt. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich jedoch um leichte Skoliosen, die weder progredient sind noch Schmerzen verursachen und daher auch keiner Behandlung bedürfen. Oft werden diese leichten unproblematischen Formen überhaupt gar nicht erst diagnostiziert. Da die idiopathisch Skoliose eine Wirbelsäulendeformität darstellt, konzentrieren sich Skoliosebehandlungsmethoden in erster Linie auf das Verlangsamen oder Stoppen einer Progredienz bzw. Korrektur der Verkrümmung und weniger auf Schmerzreduktion, wobei letztere jedoch auch als Folge des ersteren eintreten kann. Behandlungsmöglichkeiten Zu den Behandlungsmöglichkeiten der idiopathischen Skoliose zählen: • • • Physiotherapie – dreidimensionale Skoliosetherapie nach Schroth Korsett-Behandlung - Chêneau-Korsett Operation (Spondylodese) Indikationsbereiche • • • Unter 10 Grad: Hier wird noch nicht von einer Skoliose gesprochen. Verbiegungen dieses Ausmaßes sind nicht behandlungsbedürftig. Da diese jedoch die Vorstufe einer Skoliose sein können, sollten vor der Pubertät halbjährliche und während der Pubertät viertel- bis halbjährliche Routinekontrollen stattfinden, um frühzeitig erkennen zu können, wenn eine solche Verbiegung behandlungsbedürftig wird. 10 bis 20 Grad: Bei Kindern und Jugendlichen ambulante Physiotheapie mit einem täglichen Übungsprogramm zu Hause. Selbst bei leichten Verschlechterungen ist dann jedoch eine stationäre Intensivrehabilitation nach Schroth zu empfehlen. Bei Kindern mit Verkrümmungen ab 15 Grad und schlechter Prognose ist unter Umständen auch eine Nachtkorsettversorgung angebracht, um dadurch ein drohende ganztags Korsett-Versorgung zu vermeiden. Nach Wachstumsabschluss schreiten diese Verkrümmungen bis zu den Wechseljahren nicht fort und bedürfen daher in der Regel keiner Behandlung. Bei gleichzeitigem Auftreten hartnäckigen Schmerzen kann jedoch ambulante und oder stationäre Physiotherapie nach Schroth hilfreich sein. 20 bis 30 Grad: Vor der Pubertät Korsett-Versorgung, ambulante und stationäre Physiotherapie. Nach Auftreten der Reifezeichen bei Verschlechterungen von 5 Grad oder mehr ebenfalls noch Korsettversorgung. Ansonsten bis zum vollkommenen Wachstumsabschluss weiterhin Physiotherapie. Im Erwachsenenalter meist nicht behandlungsbedürftig (siehe auch bei 10 bis 20 Grad). • • 30 bis 60 Grad: Vor der Pubertät sehr dringend Behandlungsbedürftig um eine Operation zu vermeiden. Therapie mit einem maximal korrigierenden Korsett (angefertigt von einer auf Skoliosetherapie spezialisierten Orthopädietechnik), sowie wiederholte stationäre Rehabilitationsmaßnahmen, ambulante Physiotherapie und intensives Heimprogramm. Nach Auftreten der Reifezeichen weiterhin Korsetttherapie. Korsettversorgung so lange wie möglich bis zum 18. oder 19. Lebensjahr ganztags, im Anschluss daran bis zum 21. Lebensjahr möglichst noch nachts. Damit die Behandlung nicht vorzeitig abgebrochen wird, kann psychologische Begleitung empfehlenswert sein. Im Erwachsenenalter können Verkrümmungen diesen Grades weiter fortschreiten und bleiben daher krankengymnastisch behandlungsbedürftig. Hierzu sind neben ambulanter und häuslicher Krankengymnastik auch wiederholte stationäre Rehabilitationsmaßnahmen erforderlich. Einer Progression kann auch mit einer Nachtkorsettversorgung entgegengewirkt werden. Über 60 Grad: Die Obergrenze für Korsett-Versorgungen im Jugendlichenalter mit der Zielsetzung einer deutlichen Krümmungsaufrichtung und Operationsvermeidung liegt bei den leistungsfähigsten Korsetten sowie günstigen Voraussetzungen seitens des Patientens bei etwa 60 Grad. Mit steigender Gradzahl schwinden nicht nur die Chancen, die Verbiegung noch korrigieren zu können, es steigt auch das Risiko, dass sich die Skoliose trotz Korsett-Therapie weiter verschlechtert. Wenn durch die Korsetttherapie keine Krümmungsaufrichtung mehr erreicht werden kann, ist es insbesondere bei jüngeren Patienten das Ziel, die Krümmung möglichst stabil zu halten, um die Operation möglichst lange herauszögern und noch viel Wirbelsäulenwachstum zulassen zu können. Tägliche Physiotherapie und stationäre Rehabilitationsmaßnahmen sind natürlich unerlässlich. Die Entscheidung zu einer Skolioseoperation muß absolut individuell gestellt werden und kann nicht an einem Skoliosewinkel festgelegt werden. Bei erwachsenen Skoliosepatienten besteht oft keine dringende Op-Indikation, da sich die Skoliosen hier oftmals nur sehr langsam verschlechtern. Es kann bei Krümmungswinkeln unter 70° zunächst konservativ therapiert werden. Nur bei Einschränkungen der Herz-Lungenfunktion, Schmerzen oder einer deutlichen Verschlechterung der Skoliose sollte eine OP erfolgen. Entscheidend ist aber hier auch die Lage der Hauptkrümmung. Risikofaktoren Die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß einer Krümmungszunahme während des Wachstums und nach Wachstumsabschluß ist abhängig von einer Vielzahl von Faktoren, maßgeblich darunter der Krümmungswinkel und die Wirbelsäulenrotation, sowie das Alter des Patienten. Je stärker die Verbiegung, die Rotation und je jünger der Patient (je größer das Restwachstum), umso größer ist auch die Wahrscheinlichkeit einer Verschlechterung. In der Pubertät ist die Gefahr einer raschen Krümmungszunahme durch die Wachstumsschübe am größten. In diese Zeitspanne fällt auch das Auftreten der adoleszenten Skoliose, die 80% der idiopathischen Skoliosen ausmacht. Während früh aufgetretene Skoliosen unbehandelt über 120 Grad erreichen können, überschreitet die spät aufgetretene Form der idiopathischen Adoleszenten Skoliose 90 Grad so gut wie nie und zieht damit keine schwer wiegenden Beeinträchtigungen der Herz-Kreislauf-Systems nach sich. Bei Kindern können sich Krümmungen unter 15° zwar auch spontan zurückbilden, dies betrifft allerdings nur 8 bis 10% der Patienten. Verschlechterungswahrscheinlichkeit Die Verschlechterungswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von der Gradzahl beträgt bei Jugendlichen vor der Pubertät (10 bis 12 Jahren): Unter 20°: 25% 20° - 29°: 60% 30° - 60°: 90% Über 60°: 100% Während der Hauptwachstumsschübe kann sich eine Skoliose innerhalb nur eines halben Jahres um über 40 Grad verschlechtern! bei Patienten mit abgeschlossenen Skelettwachstum: Unter 20°: 0% 20° - 29°: 10% (bis max. 0,5° pro Jahr) 30° - 60°: 30% (bis max. 1° pro Jahr) Über 60°: 70% (bis max. 1° pro Jahr) Als Risikofaktor für eine Progredienz im Erwachsenenalter gilt auch eine Wirbelsäulenrotation von über 30°. Verlauf Der Verlauf der Skoliose ist individuell verschieden. Behandlungsbedürftige Skoliosen verlaufen chronisch progredient. Wird hier einer Krümmungszunahme nicht rechtzeitig entgegengewirkt, können sie zu einem zunehmenden ästhetischen, psychosozialen und körperlichen Problem werden, welches bis zur Behinderung, Erwerbsunfähigkeit und/oder Operationsnotwendigkeit führen kann. Längeres Bestehen der Wirbelsäulenverkrümmung führt zur Versteifung der betroffenen Wirbelsäulenbereiche und zu strukturellen Veränderungen der Wirbelkörper. Die Verdrehung der Wirbelsäule und des Rumpfes kann zu dem für Skoliose typischen Rippenbuckel und Lendenwulst führen, der oft als kosmetisch unschön empfunden wird, was psychische Probleme zur Folge haben kann. Es kann zu Schmerzzuständen im Bereich der Wirbelsäule kommen. Bei schweren Thorakalskoliosen (in der Regel nicht unter 70 Grad) führt die Deformation und Verkürzung des Rumpfes zu einer Verkleinerung des Brust- und Bauchraumes, was Funktionseinschränkungen innerer Organe nach sich ziehen kann. Folgen können eine Minderung der Vitalkapazität und Rechtsherzüberlastung sein (Cor pulmonale). In extremen Fällen können auch Nieren, Magen und Darm in Mitleidenschaft gezogen werden. Lungen- und Herzfunktion werden durch lumbale Krümmungen nicht in Mitleidenschaft gezogen. Prophylaxe Da die Ursache der meisten Skoliose-Fälle ungeklärt ist, kann man ihr auch kaum vorbeugen. Eine Behandlung kann erst dann erfolgen, wenn eine Wirbelsäulenverbiegung festgestellt wurde, so dass das Hauptaugenmerk auf der möglichst frühzeitigen Erkennung der Skoliose bereits in ihren Anfängen liegt. Familien in denen bereits Fälle idiopathischer Skoliose aufgetreten sind, sollten wegen der oft auftretenden familiären Häufung ihre Kinder regelmäßig nach den ersten Anzeichen einer Skoliose untersuchen (Adam’s Vorneigetest) bis diese vollkommen ausgewachsen sind. Um der Herausbildung einer infantilen Skoliose zu begegnen, sollten bereits Neugeborene auf das Vorliegen einer Wirbelsäulendeformität oder eines Schiefhalses untersucht werden.