Handbuch pdf - Das medizinisch diagnostische Laboratorium in
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Handbuch pdf - Das medizinisch diagnostische Laboratorium in
03.10.2006 15:29 Uhr Seite 1 VORGEHEN BEI GASTROENTERITISAUSBRÜCHEN DURCH NOROVIRUS Landwirtschaft Die sichere Basis für Ihre Lebensmittel Lebensmittel Sichere Lebensmittel, auf denen draufsteht was drin ist Veterinärmedizin Sichere tierische Lebensmittel und Schutz vor ansteckenden Tierkrankheiten und Zoonosen Humanmedizin Schutz vor Infektionskrankheiten PharmMed Sichere und wirksame Medikamente Kompetenzzentren Das Labor, dem die Labors vertrauen Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH. Spargelfeldstraße 191, 1226 Wien, Tel.: 050 555-0, www.ages.at Vorgehen bei GASTROENTERITIS-AUSBRÜCHEN DURCH NOROVIRUS Norovirus Titel 2 IN KRANKENHÄUSERN UND EINRICHTUNGEN DER STATIONÄREN PFLEGE HUMANMEDIZIN Vorgehen bei GASTROENTERITIS-AUSBRÜCHEN DURCH NOROVIRUS in Krankenhäusern und Einrichtungen der stationären Pflege verfasst von AGES – Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit in Zusammenarbeit mit BMGF – Bundesministerium für Gesundheit und Frauen 2006 VORWORT Maria Rauch-Kallat Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Norovirus ist ein von Mensch zu Mensch leicht übertragbarer Erreger von Erbrechen und Durchfall. Die Erkrankungen können das ganze Jahr über auftreten, wobei eine saisonale Häufung in den Wintermonaten zu beobachten ist. Das Virus wird sowohl über den Stuhl als auch über Erbrochenes ausgeschieden. Die Übertragung erfolgt entweder direkt von Mensch zu Mensch oder indirekt über verunreinigte Flächen, Gegenstände, Nahrungsmittel oder Wasser. Norovirus gilt in Europa als die häufigste Ursache von lebensmittelbedingten Gastroenteritis-Ausbrüchen in Gemeinschaftseinrichtungen. Betroffen sind Alten- und Pflegeheime, Schulen, Universitäten, Krankenhäuser sowie Fabriken und Betriebe. Das erste Mal wurde dieser Erreger bereits 1972 durch elektronenmikroskopische Untersuchungen nachgewiesen. Damals entdeckte man ein Virus in einer Stuhlprobe, welche von einem Gastroenteritis-Ausbruch aus dem Jahre 1968 in der amerikanischen Stadt Norwalk stammte. Nach seinem Herkunftsort wurde der Erreger ursprünglich Norwalkvirus genannt. Heute wird er als Norovirus bezeichnet. Erst seit wenigen Jahren erlauben nun neue Labortechniken den verlässlichen Nachweis dieses Erregers. Die Etablierung dieser molekularbiologischen Nachweismethoden an der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) hat für das öffentliche Gesundheitswesen die Voraussetzungen für Ausbruchserkennung und damit die Basis für zielgerichtete Krankheitsverhütung geschaffen. 2 In Österreich galt die Norovirus-Infektion bislang nicht als anzeigepflichtige Erkrankung. Mit der Einführung der Anzeigepflicht für „virale Lebensmittelvergiftungen“ im Rahmen der Änderung des Epidemiegesetzes ermöglichen wir die Bekämpfung und Prävention von Norovirus-Infektionen durch Sanitätsbehörden. Mit der vorliegenden Leitlinie „Vorgehen bei Gastroenteritis-Ausbrüchen durch Norovirus in Krankenhäusern und Einrichtungen der stationären Pflege“ soll ein weiterer Baustein in unserem Bemühen um Hintanhaltung vermeidbarer Infektionen in Krankenhäusern und in Pflegeeinrichtungen gesetzt werden. Letztendlich soll die Standardisierung des Vorgehens bei Norovirus-Ausbrüchen im Spital und in Einrichtungen der stationären Pflege auch als Beitrag zur Qualitätssicherung im medizinischen Bereich gesehen werden. Als Gesundheitsministerin bedanke ich mich sehr herzlich bei den Autorinnen und Autoren, die mit ihrem Beitrag am Gelingen dieser Informationsbroschüre mitgewirkt haben. Maria Rauch-Kallat Bundesministerin für Gesundheit und Frauen 3 LISTE DER AUTOREN Dr. med. Daniela Schmid MSc AGES - Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH Institut für medizinische Mikrobiologie und Hygiene Kompetenzzentrum Infektionsepidemiologie A-1096 Wien, Währingerstraße 25a Tel.: +43 (0) 50 555-37304 Mobil: +43 (0) 664 839 80 66 E-Mail: [email protected] Mag. Dr. rer. nat. Ingeborg Lederer AGES - Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH Institut für medizinische Mikrobiologie und Hygiene Referenzzentrale für Norovirus der AGES A-8010 Graz, Beethovenstraße 6 Tel.: +43 (0) 316 32 1643-204 E-mail: [email protected] Dr. med. Peter Lachner AGES - Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH Institut für medizinische Mikrobiologie und Hygiene A-1096 Wien, Währingerstraße 25a Tel.: +43 (0) 50555-37210 E-mail: [email protected] Univ. Prof. Dr. med. Günther Wewalka AGES - Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH Institut für medizinische Mikrobiologie und Hygiene A-1096 Wien, Währingerstraße 25a Tel.: +43 (0) 50 555-373 E-mail: [email protected] DGKS Irmgard Croce – Hygienefachkraft, Krankenhaushygiene, KH Barmherzige Brüder A-1021 Wien, Große Mohrengasse 9 Tel.: +43 (0) 1 21121 0 E-mail: [email protected] 4 DGKS Grete Sumann – Hygienefachkraft, Allgemeines und orthopädisches LKH-Stolzalpe Steirmärkische Krankenanstalten GmbH A-8852, Stolzalpe 38 Tel.: +43 (0) 3532 2424 0 E-mail: [email protected] DGKS Christine Ecker, MAS (master of advanced studies), MBA Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes A-1180 Wien, Mollgasse 3a Tel.: +43 (0) 1 478 27 10 E-mail: [email protected] MR Dr. med. Hubert Hrabcik Sektionschef Gesundheitswesen, Generaldirektor Öffentliche Gesundheit Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, BMGF A-1030 Wien, Radetzkystraße 2 Tel.: +43 (0) 1 711 00-4719 E-Mail: [email protected] Univ. Prof. Dr. med. Franz Allerberger MPH AGES - Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH Kompetenzzentrum Infektionsepidemiologie A-1096 Wien, Währingerstraße 25a Tel.: +43 (0) 505 55-35500 Mobil: +43 (0) 664 839 80 29 E-mail: [email protected] 5 Ko-Autorenschaft für ausgewählte Kapitel Desinfektionsmittel PD Dr. rer. nat. Dr. med. habil. Friedrich von Rheinbaben Institut für Mikrobiologie und Virologie Universität Witten-Herdecke D-58448 Witten, Stockumer Straße 10, Deutschland Tel.: +49 (0) 2302 669-128 Fax: +49 (0) 2302 669-220 E-mail: [email protected] Ecolab GmbH & Co OHG Reisholzer Werftstraße 38 – 42 D-40589 Düsseldorf Tel.: +49 (0) 211-9893-699 Fax: +49 (0) 211-9893-624 Dipl.-Ing. Michael Ch. Richter Sprecher der Branchengruppe „Desinfektion“ der AUSTROMED, AUSTROMED - Vereinigung der Medizinprodukte-Unternehmen Österreich A-1130 Wien, Bossigasse 24/7 Tel.: +43 (0) 1 877 70 12 E-mail: [email protected] PD Dr. med. Günter Kampf Institut für Hygiene und Umweltmedizin Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald D-17489 Greifswald, Walther-Rathenau-Str. 49a, Deutschland Bode Chemie GmbH & Co. KG Scientific Affairs D-22525 Hamburg, Melanchthonstr. 27, Deutschland Tel.: +49 (0) 40-54006-0 E-mail: [email protected] 6 Biologie und Infektionsepidemiologie der Noroviren PD Dr. E. Schreier, Dir. u. Prof. Molekulare Epidemiologie viraler Erreger Robert-Koch-Institut NRZ / RRL (WHO-EURO) für Poliomyelitis und Enteroviren, Konsiliarlabor für Norovirus, Konsiliarlabor für Rotavirus D-13353 Berlin, Nordufer 20, Deutschland Tel.: +49 (0) 1888 754-0 (Zentrale) E-mail: [email protected] 7 INHALTSVERZEICHNIS I. 13 14 19 Biologie und Infektionsepidemiologie der Noroviren 24 1. Vorkommen 24 2. Taxonomie, Mikrobiologie und Molekularbiologie 24 3. Diagnostik 27 4. Reservoir 28 5. Stabilität in der Umwelt 28 6. Übertragung (Transmission) des Erregers 29 7. Physiopathologie und das Krankheitsbild der NV-Infektion 32 8. Immunität 32 II. Bedeutung der Norovirus-Infektion für das öffentliche Gesundheitswesen 36 2. Internationale Bedeutung von Norovirus-Infektionen 39 3. Epidemiologie und Kosten von Norovirus-Ausbrüchen in gesundheitsversorgenden Einrichtungen 40 Gastroenteritis durch Norovirus in gesundheitsversorgenden Einrichtungen 45 1. Infektionsepidemiologischer Hintergrund 1.1. Infektionsepidemiologische Norovirus-relevante Faktoren 1.2. Mögliche Formen von Norovirus-Ausbrüchen 45 45 47 2. Das Erkennen eines Norovirus-Ausbruchs 2.1. Falldefinition, Ausbruchsdefinition 2.2. Bedeutung des „epidemiologic Profiling“ 2.3. Schrittweises Vorgehen in der Abklärung einer institutionellen Gastroenteritis-Häufung 53 54 57 Maßnahmen bei Ausbrüchen in Krankenhäusern und Einrichtungen der stationären Pflege 1. Umgang mit Norovirus-Erkrankten 1.1. Isolierungsmaßnahmen und Hygienemaßnahmen 1.2. Transporte von Patienten innerhalb der betroffenen Einrichtung 1.3. Aufnahmesperre im betroffenen Bereich der Einrichtung 1.4. Diagnostik 8 36 1. Bedeutung der Norovirus-Infektion in Österreich – die Meldepflicht III. IV. Zusammenfassung Methodologie der Leitlinienentwicklung Definitionen / Glossar 58 66 67 68 70 71 71 2. Management des Personals 2.1. Personalbewegungen und personalbezogene Maßnahmen 2.2. Umgang mit dem Norovirus-erkrankten Personal 72 72 73 3. Management der Besucher 74 4. Maßnahmen zur Unterbrechung der Übertragungskette 4.1. Händehygiene 4.1.1 Tragen von nicht sterilen Einmalhandschuhen 4.1.2. Wann soll eine hygienische Händedesinfektion durchgeführt werden? 4.1.3. Hygienische Händedesinfektion – Händedesinfektionsmittel 4.1.4. Hygienisch korrektes Händewaschen 4.1.5. Kontaminationsfreies Händetrocknen 4.2. Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken 4.3. Tragen von Schutzkittel /-schürze 4.4. Reinigung und Desinfektion 4.4.1. Begriffsbestimmung 4.4.2. Reinigung und Desinfektion von Flächen, Gegenständen, Instrumenten 4.4.3. Reinigung und Desinfektion von Textilien 4.5. Entsorgung von Erbrochenem / diarrhoischem Stuhl 4.6. Entsorgung von Erbrochenem / diarrhoischem Stuhl im Küchenbereich 4.7. Durchführung einer umfassenden Abschlussreinigung und Schlussdesinfektion 76 76 77 77 78 80 81 82 83 84 84 85 87 88 89 90 5. Unterbindung der Ausbreitung von NV-Ausbrüchen auf andere Gemeinschaftseinrichtungen 93 6. Kommunikation 6.1. Medien 6.2. Patienten / Heimbewohner und das Personal 6.3. Besucher 95 95 95 95 7. Verhinderung und Kontrolle der Einschleppung von Norovirus in die gesundheitsversorgende Einrichtung 96 8. Checkliste 97 V. Empfehlungen zur Gewinnung von Untersuchungsmaterial für den Nachweis von Noroviren 1. Stuhlproben 2. Proben von Erbrochenem 103 103 103 9 Literaturverzeichnis 104 Appendices 110 Appendix 1 Tabelle 5: essentielle Maßnahmen zur Eindämmung eines institutionellen Gastroenteritis-Ausbruch durch Norovirus und Empfehlungskategorien 111 Appendix 2 Verfahren zur Flächen-, Instrumenten- und hygienischen Händedesinfektion Tabelle 6a: Verfahren zur Flächendesinfektion mit viruzider Wirkung Tabelle 6b: Verfahren zur Instrumentendesinfektion mit viruzider Wirkung Tabelle 7: Verfahren zur hygienischen Händedesinfektion mit alkoholischen Mitteln mit viruzider Wirkung 112 Appendix 3 Norovirus-Ausbruch – Fallliste 116 Appendix 4 Informationsblatt für Patienten, Heimbewohner und Besucher 117 Appendix 5 Ausbruchsinformationstafel für Besucher 118 Appendix 6 Einsendeschein für labordiagnostische Untersuchungen von Patientenproben 119 Appendix 7 Quellen-Leitlinien 120 113 114 115 Tabellen im Text 10 Tabelle 1: Definition der Empfehlungskategorien 1, 2 und 3 17 Tabelle 2: Händetrocknung nach Händewaschen 81 Tabelle 3: Vorgangsweise bei der Entsorgung von Erbrochenem und diarrhöischem Stuhl 88 Tabelle 4: Vorgangsweise bei Verunreinigung des Küchenbereichs durch Erbrochenes oder Stuhl 89 Abbildungen im Text Abbildung 1 Elektronenmikroskopische Darstellung humaner Noroviren; 25 Abbildung 2 Einteilung der Noroviren in Genogruppen (GG) und Genotypen 26 Abbildung 3 Schematische Darstellung der Übertragungswege von Noroviren 31 Abbildung 4 Typische Ausbruchskurve eines lebensmittelbedingten Punktquellen-Ausbruchs 48 Abbildung 5 Ausbruchskurve eines kontinuierlich-gemeinsamen Quellen-Ausbruchs 49 Abbildung 6 Ausbruchskurve eines propagierten Quellen-Ausbruchs 50 Abbildung 7 Ausbruchskurve eines gemischten Quellen-Ausbruchs 51 Abbildung 8 Flussdiagramm für die Abklärung von Gastroenteritis-Häufungen in gesundheitsversogenden Einrichtungen 58 11 ZIELORIENTIERUNG o Maßnahmen zur Eindämmung und Prävention von institutionellen Gastroenteritis-Ausbrüchen durch Norovirus. o Maßnahmen zur Prävention der inter-institutionellen Verbreitung von Gastroenteritis-Ausbrüchen durch Norovirus. ANWENDERZIELGRUPPEN o Ärzte und Pflegepersonal von gesundheitsversorgenden Einrichtungen (Krankenhäuser, Einrichtungen der stationären Pflege) o Krankenhaushygieniker, hygienebeauftragte Ärzte und Hygienefachkräfte o Amtsärzte o Beherbergungsbetreiber o Schul-, Internats- und Heimleiter VERSORGUNGSSEKTOR UND NUTZNIEßER o Krankenhäuser, Einrichtungen der stationären Pflege Empfehlungen dieser Leitlinie sind gegebenenfalls auch anwendbar für andere Gemeinschaftseinrichtungen: 12 o Seniorenresidenzen o Schulen, Internate, Kinderheime, Kindergärten o Beherbergungsbetriebe ZUSAMMENFASSUNG Noroviren verursachen sowohl vereinzelte (sporadische) Infektionen als auch Ausbrüche und gelten als die häufigste Ursache für Ausbrüche von Gastroenteritis in Gemeinschaftseinrichtungen wie z. B. Krankenhäusern, Einrichtungen der stationären Pflege, Seniorenresidenzen, Beherbergungsbetrieben oder Schulen, Internaten und Kinderheimen (institutionelle Ausbrüche). Alle Altersgruppen können betroffen sein, wobei bei älteren Menschen die Norovirus-Infektion schwerwiegender und in Einzelfällen auch tödlich verlaufen kann. Derzeit gilt der Mensch als einzig gesichertes Erregerreservoir. Der Erreger wird sowohl direkt von Mensch zu Mensch durch Kontakt mit Norovirus beinhaltendem Stuhl oder Erbrochenem als auch indirekt über mit Norovirus kontaminierte Gegenstände, Oberflächen, Lebensmittel und Wasser übertragen. Eine weite Virus-Dissemination mit ausgedehnter Umgebungskontamination wird durch die Aerosolisierung von virushaltigem Erbrochenem ermöglicht. Häufige und enge Kontakte zwischen Patienten und dem Personal sowie die Vulnerabilität der exponierten Personen in Krankenhäusern und Einrichtungen der stationären Pflege stellen ideale Bedingungen dar für eine rasche und schwer beherrschbare Ausbreitung von Norovirus-bedingten Gastroenteritis-Ausbrüchen in diesen Einrichtungen. Hohe Befallsraten unter dem Personal führen zu Personalengpässen in der Patientenversorgung und können Abteilungsschließungen, im Extremfall Krankenhausschließungen mit enormen wirtschaftlichen Auswirkungen für die betroffene Einrichtung zur Folge haben. In Krankenhäusern und anderen gesundheitsversorgenden Einrichtungen ist es daher von besonderer Bedeutung, Norovirus-bedingte Gastroenteritis-Ausbrüche zu verhindern, wenn dies nicht möglich ist, frühzeitig zu erkennen und die Infektionsverbreitung mit dem raschen Umsetzen von adäquaten Maßnahmen prompt zu beherrschen. Die Maßnahmen für eine rasche Ausbruchseindämmung inkludieren vermehrte hygienische Händedesinfektion angewandt von Personal, NorovirusErkrankten und dem Besucher, konsequentes Tragen von Einmalhandschuhen bei jeder möglichen Exposition gegenüber Norovirus, vermehrte Routinedesinfektion zusätzlich zur konsequenten gezielten Flächendesinfektion, Einsatz von adäquaten Hände- und Flächendesinfektionsmitteln, Einzel- oder Kohortenisolierung sowie Kohortenpflege der Norovirus-Erkrankten, drastische Einschränkung von Transfer der Patienten und von Personalwechsel zwischen Stationen und Abteilungen, Arbeitsverbot des erkrankten Personals bis 48 Stunden nach Sistieren der Gastroenteritisbeschwerden, Einschränkung der Patientenbesuche und abschließende Reinigung und Desinfektion der betroffenen Bereiche. Dieses Handbuch erläutert Maßnahmen zur Verhinderung und zur Eindämmung von Norovirus-Ausbrüchen in Krankenhäusern und Einrichtungen der stationären Pflege (z. B. Hospiz, Altenheim mit Pflegestation, Rehabilitationszentrum) sowie 13 Maßnahmen zur Unterbindung von inter-institutioneller NV-Ausbruchsausbreitung. Die Maßnahmen sind im Anlassfall auch für andere Gemeinschaftseinrichtungen wie z. B. Seniorenresidenzen, Kinderheime, Internate und Beherbergungsbetriebe anwendbar. Ziel der vorliegenden Leitlinie ist es auch, die der Autorengruppe bekannten lokalen Maßnahmenempfehlungskataloge für NV-Ausbrüche österreichweit zu harmonisieren. METHODOLOGIE DER LEITLINIENENTWICKLUNG Formulierung der Schlüsselfrage Vorgehen bei Gastroenteritis-Ausbrüchen durch Norovirus in Krankenhäusern und Einrichtungen der stationären Pflege In Anbetracht der verfügbaren Leitlinienliteratur zur Schlüsselfrage wurde auf eine De Novo-Leitlinienentwicklung verzichtet und stattdessen eine Adaptierung existierender evidenzbasierter Leitlinien bzw. Empfehlungskataloge angestrebt. Identifizierung der Quellen-Leitlinien/-Empfehlungen Folgende Suchbegriffe bzw. Schlagworte wurden eingesetzt: viral foodborne illness, viral gastrointestinal infection, gastroenteritis, diarrhea, winter-vomiting disease, norwalk-like virus, norovirus, calicivirus, NorovirusErkrankung elderly care facility, health care facility, health care setting, hospital, nursing home, residential facility, Einrichtungen der stationären Pflege guidance, guide, prevention, management, control, combat, intervention, hygienic measure(s), hand hygiene, cleaning, disinfection, Hygienemaßnahmen, Händehygiene, Reinigung, Desinfektion In Anbetracht der verfügbaren Leitlinienliteratur zur der gewählten Fragestellung wurde auf eine De Novo-Leitlinienentwicklung verzichtet und stattdessen eine Adaptierung existierender evidenzbasierter Leitlinien bzw. Empfehlungskataloge angestrebt. Zur Identifizierung der geeigneten Leitlinien bzw. Empfehlungskataloge wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt. 14 Suchstrategie Die Literaturrecherche erfolgte in folgenden Datenbanken mit Fokus auf LeitlinienDatenbanken: o „online”-Literaturquellen von medizinischen Leitlinien: (1) Evidence-based medicine, clinical guidelines (1.1.) bmj.com Collected Resources: Guidelines (1.2.) Cochrane Collaboration Newsletters (1.3.) Effective Health Care (1.4.) eMJA: Clinical Guidelines (Medical Journal of Australia) (1.5.) Guidelines available on eCMAJ (Canadian Medical Association Journal) (2) Practice Guidelines from the Infectious Disease Society of America (IDSA) (3) The CDC Prevention Guideline Database (4) National Guideline Clearinghouse, Agency for Healthcare Research and Quality (5) AGREE, Appraisal of Guidelines Research and Evaluation (5.1.) Scottish Intercollegiate Guidelines Network (SIGN) (5.2.) Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) (5.3.) Centre for Health Services Research, University of Newcastle-upon-Tyne (5.4.) Swiss Medical Association (5.5.) Australian National Health and Medical Research Council (NHMRC) (5.6.) Finnish Medical Society Duodecim (5.7.) New Zealand Guidelines Group (NZGG) o „online“-Literaturquellen von systematischen Übersichtsarbeiten (= systematic reviews) auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten: (1) Clinical Evidence, British Medical Journal (2) Cochrane Database of Systematic Reviews, Cochrane Collaboration (3) Database of Abstracts of Reviews of Effectiveness (DARE), National Health Service (UK) Centre for Reviews and Dissemination (4) ACP Journal Club, American College of Physicians (5) Bandolier, University of Oxford o Medizinische Literatursuchmaschinen: (1) PubMed, National Library of Medicine (2) SUMSearch, University of Texas Health Science Centre Die Suche wurde computerunterstützt durchgeführt. 15 Auswahl der Quellen-Leitlinien Einschlusskriterien „manual“, „guide“, verfasst von nationalen Gesundheitsbehörden oder von nationalen Behörden für Infektionsüberwachung und -kontrolle (z.B. CDC1, HPA2, NDSC3), „practice guidelines“, „evidence-based recommendations“, „systematic reviews“ (systematische Übersichtsarbeiten), Maßnahmenkatalog, Empfehlungskatalog erstellt von nationalen Behörden für Infektionsüberwachung und -kontrolle (z. B. RKI 4), „consensus statements“. Leitlinien, die zusätzlich Maßnahmenempfehlungen für Norovirus-Ausbrüche in anderen Einrichtungen als Krankenhäusern und Einrichtungen der stationären Pflege beinhalteten, wurden nicht ausgeschlossen. Es wurde ausschließlich Literatur in deutscher oder englischer Sprache mit Publikationsdatum von 1990 bis 2005 berücksichtigt. Ausschlusskriterien Primärliteratur (z. B.: Beobachtungsstudien, Interventionsstudien) wurde ausgeschlossen. Die ausgewählten Leitlinien (bzw. Richtlinien im Falle Deutschlands) und Empfehlungsmanuale wurden einer kritischen Bewertung unter Verwendung von „Standardproforma für eine kritische Beurteilung von Leitlinien / Empfehlungen“ unterzogen (AGREE Instruments 5 ). Leitlinien und Empfehlungsmanuale, die den Qualitätsanforderungen nicht entsprachen, wurden ausgeschlossen (betreffend QuellenLeitlinien siehe Appendix 7). Folgende der Autorengruppe bekannte lokale Empfehlungskataloge für NV-Aus brüche in Gesundheitseinrichtungen wurden eingesehen: ✔ Noroviren (2005). Hygienerichtlinie Individualhygiene. Klinische Abteilung für Krankenhaushygiene, AKH Wien. ✔ Hygienemaßnahmen bei Gastroenteritis/Brechdurchfällen. Verdacht auf Norwalkvirus „Norovirus“ (2005). In Hygiene-Ordner, 4.3. Hygieneplan bei Verdacht auf Gastroenteritis (viral). Krankenhaushygiene, Donauspital, Wien. 1 2 3 4 5 16 Centers for Disease Control. Atlanta, USA Health Protection Agency, London, UK National Disease Surveillance Centre, Republic of Ireland Robert Koch Institut AGREE criteria for appraisal of clinical guidelines. Einteilung der Empfehlungskategorien Die Maßnahmenempfehlungen sind in die Kategorien: Kategorie 1, Kategorie 2, Kategorie 3 (siehe Tabelle 1) eingestuft. Die Einstufung wurde weitgehend von den Quellen-Leitlinien übernommen (siehe Appendix 7). Die Empfehlungskategorien reflektieren die Stärke der Empfehlung, die auf dem Grad der wissenschaftlichen Evidenz basiert. Von der Leitlinien-Autorengruppe wurden die Empfehlungskategorien definiert in Anlehnung an die Kategoriedefinitionen, wie sie von der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des RKI 4, der US-amerikanischen HICPAC 6 und der britischen PHLS 7 Viral Gastroenteritis Working Group verwendet werden. Tabelle 1: Definition der Empfehlungskategorien 1, 2, und 3 Kategorie 1 Nachdrückliche Empfehlung Die Empfehlungen basieren auf gut konzipierten experimentellen oder epidemiologischen Studien. Kategorie 2 Die Empfehlungen werden von Experten des entsprechenden Bereichs und aufgrund eines Konsensbeschlusses der Leitlinien-Autorengruppe als effektiv angesehen und basieren auf gut begründeten Hinweisen für deren Wirksamkeit. Eine Einteilung der entsprechenden Empfehlung in die Kategorie 2 kann auch dann erfolgen, wenn wissenschaftliche Studien möglicherweise hierzu noch nicht durchgeführt wurden Kategorie 3 Keine Empfehlung /ungelöste Frage bei Maßnahmen über deren Wirksamkeit nur unzureichende Hinweise vorliegen oder bislang kein Konsens besteht. 6 7 HICPAC: Healthcare Infection Control Practices Advisory Committee PHLS: Public Health Laboratory Service 17 Experten Dr. Mag. Ingeborg Lederer Institut für medizinische Mikrobiologie und Hygiene, AGES, Graz, Österreich AGES-Referenzlabor für Norovirus PD Dr. rer. nat. Dr. med. habil. Friedrich von Rheinbaben Institut für Mikrobiologie und Virologie, Universität Witten / Herdecke D-58448 Witten, Deutschland PD Dr. med. Günter Kampf Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald D-17489 Greifswald, Deutschland Dipl.-Ing. Michael Ch. Richter Sprecher der Branchengruppe „Desinfektion“ der Austromed – Vereinigung der Medizinprodukte-Unternehmen Österreich A-1130 Wien, Österreich PD Dr. E. Schreier NRZ und RRL (WHO-EURO) für Poliomyelitis und Enteroviren Konsiliarlabor für Norovirus; Konsiliarlabor für Rotavirus Robert-Koch-Institut, Berlin, Deutschland Überprüfung der Anwendung (Praktikabilität) Dieses Handbuch kam in einer Pilotphase in einer Ausbruchssituation in einem Krankenhaus in Österreich zur Anwendung und bewährte sich gut in der Praxis. Aktualisierung Es ist beschlossen, dass dieses Handbuch in einem 2-Jahres Intervall auf Aktualität überprüft wird. 18 Definitionen / Glossar Aerosol Aerosole sind kleine, in der Luft schwebende Partikeln mit einem Durchmesser von etwa einem Nanometer bis zu mehreren Mikrometern. Medianwert Statistischer Wert, bei dem 50 % der Beobachtungen unter bzw. über diesem Wert liegen. Sensitivität Wahrscheinlichkeit, ein positives Ergebnis auch als solches zu erkennen. Spezifität Wahrscheinlichkeit, ein negatives Ergebnis auch als solches zu erkennen. Erregerreservoir Ort, wo der Erreger optimale Bedingungen zum Überleben und zur Vermehrung vorfindet Exposition, exponiert Aussetzung, ausgesetzt sein z.B. Krankheitserregern oder Allergenen Kontamination Verschmutzung; Verunreinigung von Räumen, Wasser, Lebensmitteln, Gegenständen, Flächen oder Hände durch Mikroorganismen oder chemische Stoffe Transmissionsroute Übertragungsweg Transmissionskette / Transmissionszyklus Beschreibt die Übertragung des Erregers von seinem Reservoir (Mensch, Vertebratentier, Non-Vertebratentier, Umwelt wie Wasser, Erde, Luft, etc.) zum empfänglichen Wirt. Person-zu-Person(en)Transmissionskette/-zyklus Die Person-zu-Person(en)- Transmissionskette kann entweder über eine direkte oder indirekte Transmissionsroute von Mensch zu Mensch erfolgen. Transmissionsmodus Übertragungsart 19 Direkte Person-zu-Person(en)Transmissionsroute erfolgt via folgende Übertragungs arten: o Faecal-oral (Direktkontakt) o Vomitus-oral (Direktkontakt) o Venerisch (Geschlechtsverkehr) o Tröpfchen (> 10 µm) o Direktkontakt mit Sekreten (z. B.: Speichel, respiratorisches Sekret, Wundsekret) o Direktkontakt mit Haut, Schleimhaut, Blut, Urin Der Mensch ist Reservoir und Infektionsquelle. 20 Indirekte Person-zu-Person(en)Transmissionsroute erfolgt via Vehikel (vehikulärer Transmissionsmodus) wie z. B. durch Gegenstände (z. B. medizinische Instrumente), Oberflächen, Hände, Staub, Erde, Luft (aerogen via Aerosole, feinste Tröpfchen ≤ 10 µm), Lebensmittel, Wasser, etc., welche den Erreger auf den empfänglichen Menschen übertragen, nachdem das Vehikel durch Se- bzw. Exkret vom infizierten Menschen oder Erregerträger (Carrier) mit dem Erreger verunreinigt wurde. Der Mensch ist Reservoir, das Vehikel die Infektionsquelle. Transmissionsrisiko Das Transmissionsrisiko ist das Risiko, eine Infektion von einem infektiösen Kontakt (= Kontakt mit einer infektiösen Person) bzw. von einer Exposition gegenüber Erregervehikeln zu akquirieren. Das Transmissionsrisiko variiert mit dem Übertragungsmodus. Das Transmissionsrisiko steigt mit der übertragenen Dosis des Erregers. Die übertragbare Erregerdosis kann bestimmt sein von Dauer und Intensität des infektiösen Kontaktes oder von der Menge der aufgenommenen kontaminierten Lebensmittel. Synonyma: Übertragungsrisiko Infektionsdosis Unter der Infektionsdosis versteht man jene Dosis an Erregern, die für die Verursachung einer Infektion erforderlich ist. Gesundheitsversorgende Einrichtung Gesundheitseinrichtung Krankenhaus, Einrichtung der stationären Pflege (z. B. Hospiz, Pflegeheim, Altenheim mit Pflegestation, Rehabilitationszentrum) Unbelebtes Umfeld Alle den Patienten und das Personal umgebenden Flächen, die mit Händen, Haut, Schleimhaut oder Wunden des Patienten oder des Personals direkt berührt oder durch Se- und Exkrete bzw. aerogen (via Tröpfchen, Aerosole) verunreinigt werden und von denen sich indirekt über Hände, Gegenstände oder über Staub und Flüssigkeit via Aerosole Mikroorganismen ablösen und auf den Patienten oder infektionsrelevante Flächen oder Instrumente (z. B. im OP) übertragen werden können. Feuchte Reinigung Unter feuchter Reinigung wird ein mechanischer Prozess zur Entfernung von Verunreinigung (z. B. Staub, chemische Substanzen, Mikroorganismen, organische Substanzen) unter Verwendung von Wasser mit Zusatz von Detergentien oder enzymatischen Produkten verstanden, ohne dass bestimmungsgemäß eine Abtötung / Inaktivierung von Mikroorganismen stattfindet oder beabsichtigt ist. 21 Desinfektion Abtötung oder Inaktivierung von Krankheitserregern durch physikalische und chemische Verfahren oder Mittel. Ziel der Desinfektion ist nicht die Eliminierung nicht infektionsrelevanter Umweltkeime, sondern die Verminderung der Anzahl pathogener oder fakultativpathogener Mikroorganismen. Die desinfizierende Wirksamkeit von chemischen Mittel ist abhängig von den Wirkstoffgruppen und wird insbesondere durch Konzentration und Einwirkungszeit des Desinfektionsmittels bestimmt. Routinemäßige Desinfektion Routinemäßige Desinfektion hat den Zweck, die Verbreitung von Krankheitserregern während der Pflege und Behandlung einzuschränken und erstreckt sich auf Flächen, von denen zu vermuten oder anzunehmen ist, dass sie mit erregerhaltigem Material kontaminiert wurden, ohne dass dies im Einzelfall erkennbar oder sichtbar ist. Synonyma: laufende Desinfektion, prophylaktische Desinfektion Gezielte Desinfektion Gezielte Desinfektionsmaßnahmen sind solche o bei erkennbarer Kontamination z. B. verunreinigtes Patientenumfeld, o bei Auftreten spezieller Erreger wie Noroviren, o bei verunreinigter Toilettenanlage z. B. durch Erbrochenes wie häufig der Fall bei Norovirus-Infektion, o bei Ausbruch sowie o Schlussdesinfektionen wie unmittelbar vor Wiedereröffnung von Stationen. 22 Detergens Ein Reinigungsmittel, das nicht notwendigerweise antimikrobielle Eigenschaften hat. Reinigungsmittel sind zusammengesetzt aus hydrophilen und lipophilen Komponenten und können unterteilt werden in vier Typen: o anionische o kationische o amphoterische o nicht-ionische Detergentien Scheuerwischdesinfektion Ein-Stufen-Desinfektionsprozess, wobei gleichzeitig Reinigung und Desinfektion von Oberflächen oder ähnlichen Bereichen durchgeführt wird. Isolierzimmer das Isolierzimmer hat in der Regel einen Vorraum mit Schleusenfunktion und eine eigene Sanitärzelle, und ist durch Schleuse und lüftungstechnischen Maßnahmen vom übrigen Krankenhausbereich getrennt. Patienten-Isolierungszimmer das/die Zimmer, wo der / die NVErkrankte(n) untergebracht ist(sind), wird im Text als Patienten-Isolierungszimmer bezeichnet, ungeachtet der Tatsache, ob es den Anforderungen eines Isolierzimmers entspricht. 23 I BIOLOGIE UND INFEKTIONSEPIDEMIOLOGIE DER NOROVIREN 1. VORKOMMEN Noroviren (NV) sind weltweit verbreitet und für den Großteil der nicht bakteriell bedingten Durchfallerkrankungen verantwortlich. Bei Säuglingen und Kleinkindern stellen Noroviren nach den Rotaviren die zweithäufigste Ursache akuter Gastroenteritiden dar. Die Viren verursachen sowohl sporadische Infektionen als auch GastroenteritisAusbrüche, welche durch die explosionsartige Verbreitung des Erregers charakterisiert sind. Mehr als 96 % aller nicht bakteriell bedingten Gastroenteritis-Ausbrüche werden durch Noroviren verursacht. Innerhalb der letzten 5 Jahre wurde eine Zunahme an Ausbrüchen in Ländern mit Noroviren-Surveillance beobachtet (in Europa sowie auch in Nordamerika) (1). NV-Infektionen können das ganze Jahr über auftreten, wobei eine saisonale Häufung in den Wintermonaten zu beobachten ist. Die in den Wintermonaten beobachtete hohe Anzahl an institutionellen Ausbrüchen reflektiert die erhöhte Inzidenz an NV-Infektionen in der Population während dieser Jahreszeit. Die am häufigsten betroffen Einrichtungen sind: Krankenhäuser, Altenheime, Einrichtungen der stationären Pflege, Kinderheime, Schulen, Kindergärten, Hotels, Kreuzfahrtschiffe und Militäreinrichtungen. 2. TAXONOMIE, MIKROBIOLOGIE UND MOLEKULARBIOLOGIE Noroviren (NV) werden der Familie der Caliciviridae zugeordnet. Sie wurden ursprünglich 1972 durch immunelektronenmikroskopische Untersuchungen nachgewiesen. Dabei entdeckte man 27 nm große Partikel in einem infektiösen Stuhlfiltrat, welches von einem Gastroenteritis-Ausbruch aus dem Jahre 1968 in der Stadt Norwalk (Ohio/USA) stammte. Das Isolat dieses Ausbruchs wurde nach seinem Herkunftsort Norwalk Virus genannt. 24 Abb.1: Elektronenmikroskopische Darstellung humaner Noroviren; Negativkontrastierung mit 1 % Uranylacetat; Balken = 100 nm. (Aufnahme: A. Kurth, Robert Koch-Institut, Berlin) Alle bisher identifizierten genetischen Varianten dieser Viren wurden ebenfalls nach ihrem Fundort benannt (z. B. Mexiko, Southampton, Hawaii) und werden unter den Noroviren (früher Norwalk-like-Viren) zusammengefasst. NV sind nackte Einzelstrang-RNA Viren positiver Polarität. Das Fehlen einer Hüllmembran ist verantwortlich für ihre hohe Umweltresistenz. Der Partikeldurchmesser beträgt ca. 30 nm. Das Kapsidprotein bildet 90 Dimere, welche sich zum NV-Kapsid zusammenlagern und das virale Genom umgeben. Das Genom der Noroviren enthält drei offene Leserahmen (ORFs). Der erste ORF (ORF1) kodiert die Nichtstrukturproteine wie Helikase, Protease und RNA-abhängige RNA-Polymerase. Der zweite ORF (ORF2) kodiert das Kapsidprotein. Man unterscheidet innerhalb des Kapsidproteins zwischen drei verschiedenen Domänen, wobei die hochkonservierte shell (S)-Domäne das strukturelle Grundgerüst des Kapsidproteins bildet. Die hypervariable P2-Subdomäne und die moderat konservierte P1-Subdomäne spielen bei der Wirtszellerkennung der NV eine Rolle. Im dritten ORF (ORF3) am 3´-Ende des Genoms ist die Information für ein basisches Protein gespeichert, welches nach bisheriger Kenntnis als Adapter zwischen Kapsid und viraler DNA fungiert. Noroviren zeigen eine hohe Genomvariabilität. Die Vielfalt genetischer Varianten entsteht einerseits durch Mutationen (antigenic drift) während der Synthese neuer Virus-RNA, andererseits auch durch Rekombinationsereignisse (antigenic shift) zwischen differenten Genotypen (intertypische Rekombination) oder zwischen differenten Subtypen einer Genotypgruppe (intratypische Rekombination). 25 Aufgrund der Unterschiede bestimmter Regionen in ORF1 bzw. ORF2 werden Noroviren derzeit in fünf Genogruppen (GG) eingeteilt [Abb.2]. GGIII (Jena Virus) und V (Maus Virus) sind nicht humanpathogen. Innerhalb der GGI, GGII und GGIV erfolgt eine Einteilung in Genotypen. Innerhalb der Genotypen lassen sich noch genetische Varianten unterscheiden: (2, 3, 4). Abb. 2: Einteilung der Noroviren in Genogruppen (GG) und Genotypen. In Ländern mit NV-Surveillance wurde das Auftreten neuer Genotyp-Varianten innerhalb der letzten Jahre für die Zunahme an Ausbrüchen und die hohen Inzidenzen verantwortlich gemacht. In Deutschland zum Beispiel hat die Beobachtung der vergangenen vier NV-Saisonen (2001 / 2002 – 2004 / 2005) gezeigt, dass es zunächst in der Saison 2002 / 2003 zu einem deutlichen Anstieg der NV- Infektionen kam (n = 72.329); es wurden im Vergleich zum Vorjahr mehr als fünfmal so viele Fälle registriert. Diese Häufung der Erkrankungsfälle, die auch in anderen europäischen Staaten beobachtet wurde, wurde mit der Zirkulation einer neuen Genotyp-Variante (GGII.4, genannt Grimsby-like Virus) in Verbindung gebracht (5,6). Inwieweit Virulenz bzw. Umweltresistenz der Viren oder die Immunität in der Bevölkerung dabei eine Rolle spielten, ist derzeit noch unklar. In der Saison 2003 / 2004 reduzierte sich die Fallzahl um mehr als die Hälfte (n = 29.919). Die Ergebnisse der molekularen Typisierung der NV-Stämme ließen erkennen, dass der neue Virusstamm nur noch vereinzelt auftrat; es war ein Kozirkulieren differenter Genotypen der GGI und GGII zu beobachten. 2004 / 2005 wurde in Deutschland wieder ein bedeutender Anstieg der NV-Infektionen registriert. Es gibt Hinweise, dass sich innerhalb dieser Saison wieder eine neue Variante des Genotyps GGII.4 mit der Bezeichnung Jam(boree)-II.4 in Europa ausgebreitet hat (4). 26 3. DIAGNOSTIK Für den direkten Nachweis von NV kommen die Elektronenmikroskopie (EM) und der Nachweis über virales Antigen (Antigen EIA) bzw. Nukleinsäure (Amplifikation durch RT-PCR) in Frage. Wichtige Aspekte bei der Auswahl einer Methode für die Diagnostik sind Sensitivität und Spezifität; des Weiteren muss sich die Methode auch für den Routinebetrieb eignen. Hinsichtlich Sensitivität sollten sich aufgrund der in der Regel hohen Noroviruslast in Stuhlproben akut Erkrankter (meist >106 Viruspartikel pro Gramm Stuhl) prinzipiell alle drei erwähnten Methoden eignen. Molekulare Techniken ermöglichen den Nachweis viraler RNA nach reverser Transkription mittels Polymerasekettenreaktion (RT-PCR, in der Regel durchgeführt als monoplex oder multiplex realTime RT-PCR); aufgrund der hohen Sensitivität und Spezifität dieser Methode gilt sie als Goldstandard (Nachweisgrenze: ≥102 RNA Kopien / ml). In der AGES wird die Diagnostik von Noroviren mittels RealTime RT-PCR und Elektronenmikroskopie durchgeführt. Die Elektronenmikroskopie gestattet in Kombination mit molekularen Techniken die Suche nach neuen genetischen Varianten; die Sensitivität der Elektronenmikroskopie ist im Vergleich zur RT-PCR jedoch geringer (Nachweisgrenze: ≥105 – 107 Viruspartikel / ml). Aufgrund der technischen Anforderungen dieser Nachweismethode ist sie nicht für Routinediagnostik geeignet. In Österreich stehen für die Routinediagnostik nach unserem Wissensstand derzeit zwei kommerziell erhältliche NV-Antigen-ELISAs zur Verfügung: IDEIATM–Norovirus von DakoCytomation und der RIDASCREEN®–Norovirus von r-Biopharm. Diese Antigen-ELISAs wurden mehrfach in verschiedenen Laboratorien durch den Vergleich mit Ergebnissen der RT-PCR hinsichtlich Sensitivität und Spezifität getestet (7–10). Derzeit können diese Assays nicht als alleinige Methode in der NV-Diagnostik empfohlen werden. Vor allem bei Einzeluntersuchungen und kritischen Fragestellungen sollte der Nachweis des Erregers zumindest unterstützend mittels RT-PCR erfolgen. Die molekulare Typisierung der Noroviren spielt in der Primärdiagnostik keine bedeutende Rolle, vielmehr dient sie der Aufklärung von Infektketten, Übertragungswegen und dem Erkennen neuer Virusvarianten. Da es derzeit kein Zellkultursystem zur Vermehrung der Noroviren gibt, erfolgt eine Typisierung fast ausschließlich auf genetischer Ebene durch Nukleinsäuresequenzanalysen differenter Genomregionen, primär in der Polymerase- und Kapsidregion (3). 27 4. RESERVOIR Haupt-Erregerreservoir ist der Mensch (GGI, GGII, GGIV). Bei Tieren wurden bisher im Schwein, Kalb (Jenavirus, JV) und der Maus (MNV) Noroviren nachgewiesen (GGII, GGIII und GGV). 5. STABILITÄT IN DER UMWELT Ein weiterer Grund für die weitläufige Verbreitung von Noroviren ist ihre hohe Stabilität gegenüber verschiedenen Umwelteinflüssen. Es gibt kein geeignetes Tiermodell oder Zellkultursystem zur Virusanzucht, daher sind Untersuchungen zur Stabilität der Noroviren nur beschränkt durchführbar. In Laborversuchen wird das feline Calicivirus (FCV) als surrogate virus für das Norovirus verwendet. Nicht zuletzt wegen der geringen Infektionsdosis bei Noroviren wird von der Autorengruppe empfohlen, bis auf weiteres „viruzide“ Desinfektionsmittel einzusetzen (siehe Appendix 2, Tabelle 6a / b, 7). Ein Bericht über zwei Teppichleger, die 12 Tage nach Ende eines NV-Ausbruches, nachdem sie den kontaminierten Teppich entfernt hatten, an einer NV-Gastroenteritis erkrankten, gibt Hinweis auf die Überlebensdauer von NV in der unbelebten Umwelt (11). Im Kapitel IV dieser Leitlinie werden die Maßnahmen zur Ausbruchsbeherrschung unter Berücksichtigung der hohen Umweltresistenz von Noroviren detailliert ausgeführt (12). 28 6. ÜBERTRAGUNG (TRANSMISSION) DES ERREGERS Risiko der Transmission (= Transmissionseffizienz) Das Risiko, eine Infektion von einem infektiösen Kontakt (= Kontakt mit einer infektiösen Person) bzw. von einer Exposition gegenüber mit Norovirus kontaminierter Umgebung (z. B.: Wasser, Lebensmittel) zu akquirieren, ist aufgrund der niedrigen Infektionsdosis (10 – 100 Viruspartikel) sehr hoch (Abb. 3). Zudem variiert das Transmissionsrisiko mit dem Übertragungsmodus (siehe unten). Transmissionskette • Mensch-zu-Mensch Transmissionskette Bei Norovirus-Ausbrüchen ist meistens mehr als eine Übertragungsart involviert, wodurch sich die NV-Ausbrüche häufig als so genannte gemischte Ausbrüche präsentieren (13, 14): der Ausbruch beginnt als Punktquellen-Ausbruch, z. B. bedingt durch ein mit Norovirus kontaminiertes Lebensmittel oder einen NVErkrankten, kann sich als verlängerter (prolongierter) gemeinsamer QuellenAusbruch (15, 16), z. B. verursacht durch Umweltkontamination mit NV, fortsetzen und als propagierter Quellen-Ausbruch, in dem sich der Erreger von Person zu Person ausbreitet, enden. o Direkte Transmissionsroute (14, 16 – 18) o Faecal-oraler, vomitus-oraler Übertragungsmodus Noroviren werden über den Stuhl und über Erbrochenes ausgeschieden. Der direkte Kontakt mit Stuhl oder Erbrochenem von NV-Erkrankten ist eine häufige Übertragungsart. o Indirekte Transmissionsroute Neben der direkten Mensch-zu-Mensch-Transmissionsroute sind die indirekten Übertragungsrouten über Vehikel wie Lebensmittel, Wasser, Luft (aerosolassoziierte Übertragung), Hände von Bedeutung, sowie Gegenstände und Umgebungsoberflächen (Teppiche, Leintücher, Krankenbett, Türschnalle, etc.), die mit Stuhl oder Erbrochenem von NV-Infizierten kontaminiert sind. 29 o lebensmittelassoziierter Übertragungsmodus Es können bei der Kontamination von Lebensmitteln mit Noroviren 3 Arten unterschieden werden: o Primär kontaminierte Lebensmittel, z. B. Schalentiere Schalentiere sind in der Lage, Noroviren aus fäkal verunreinigtem Meerwasser zu filtrieren und diese zu akkumulieren. In einigen Ländern soll der Verzehr roher Muscheln (z. B. Austern) eine häufige Ursache von NV-Ausbrüchen sein (19, 20). o o Direkte Kontamination von Lebensmitteln durch Norovirus ausscheidende Personen o Sekundäre Kontamination von z. B. Obst, Gemüse durch Waschen oder Bewässern mit NV-haltigem Wasser. wasserassoziierter Übertragungsmodus Infektionen durch Norovirus-haltiges Wasser aus Verteilungsnetzen sind ausführlich belegt. Solche Ereignisse sind meistens mit Störfällen in Trinkwasserversorgungs- oder Abwasserentsorgungssystemen assoziiert (21 – 23). Auch Brunnenwasser, Fluss- und Teichwasser sowie Wasser von Swimmingpools wurden als Quellen wasserbedingter NV-Ausbrüche beschrieben. Zwischen 2001 und 2002 wurden von 19 US-Staaten insgesamt 19 trinkwasserassoziierte Ausbrüche an die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in Atlanta gemeldet; die 5 virusbedingten Ausbrüche waren alle auf Norovirus zurück zu führen. In Österreich kam es im Mai 2005 zum ersten beschriebenen NV-Ausbruch assoziiert mit Norovirus verunreinigtem Abwasser (24). o umweltassoziierter Übertragungsmodus Erbrechen und Durchfall von NV-Erkrankten verursachen häufig weitläufige Umweltkontaminationen mit Noroviren, welche zusammen mit der hohen Resistenz von Noroviren gegenüber Umwelteinflüssen zu einer Verlängerung von Norovirus-Ausbrüchen führen können. Noroviren werden von kontaminierten Gegenständen (z. B. medizinischen Instrumenten) und Oberflächen über Hände und Aerosole (z. B. gebildet bei Reinigung von mit Norovirus verunreinigten Umgebungsflächen) abgelöst und damit auf den Menschen übertragen. 30 • zoonotische Transmissionskette Eine Übertragung von animalen Caliciviren vom Tier auf den Menschen kann derzeit nicht ausgeschlossen werden. Abb. 3: Schematische Darstellung der Übertragungswege von Noroviren: 31 7. PHYSIOPATHOLOGIE UND KRANKHEITSBILD DER NV-INFEKTION Noroviren vermehren sich nach der Magenpassage im oberen Dünndarm und verursachen intestinale Mikroläsionen, die zu Dehydrierung und Elektrolytentgleisungen führen können. Das Virus wird sowohl über den Stuhl als auch über Erbrochenes in zum Teil hoher Konzentration ausgeschieden (10 6 – 8 Viruspartikel / g Stuhl). Die Inkubationszeit beträgt 15 – 48 Stunden. Die Ansteckungsfähigkeit besteht vorwiegend während der akuten Phase und mindestens bis zu 48 Stunden nach Sistieren der klinischen Symptome. Die Erkrankung ist in der Regel selbstlimitierend. Die Erkrankung beginnt meist mit heftigem Erbrechen und Durchfall; auch Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Myalgien und Mattigkeit können als Symptome auftreten. Die Körpertemperatur kann erhöht sein, jedoch kommt es nur in Ausnahmefällen zu hohem Fieber. Die klinischen Symptome dauern etwa 12 bis 60 Stunden, von manchen Autoren wird die Erkrankungsdauer mit 12 – 72 Stunden angegeben. Bei Norovirus-Infektionen sind leichtere oder asymptomatische Verläufe bekannt. Vereinzelt, besonders bei älteren Personen und bei Säuglingen, kann beim Auftreten einer starken Exsikkose und metabolischen Alkalose eine Hospitalisierung notwendig sein. Es sind Fälle von chronischer Diarrhöe bei immunsupprimierten Patienten nach Transplantationen beschrieben, die durch Noroviren verursacht wurden. Todesfälle durch Dehydrierung in Zusammenhang mit NV-Infektionen sind sehr selten und beschränken sich durchwegs auf bestimmte Risikogruppen (z. B. ältere Personen, immunsuppremierte Personen). Die Behandlung einer NV-Infektion erfolgt symptomatisch durch Ausgleich des Elektrolyt- und Flüssigkeitsverlustes. In der Regel reicht eine ambulante Behandlung aus. 8. IMMUNITÄT Obwohl in der Bevölkerung altersabhängig eine hohe Seroprävalenz gegen Noroviren vorliegt, scheint es dennoch keine lang andauernde protektive Immunität gegen diese Erreger zu geben. Inwieweit die hohe genetische Variabilität insbesondere im Kontext neutralisierender Antikörper eine Rolle spielt, kann derzeit nicht beantwortet werden, da ein Neutralisationsassay nicht zur Verfügung steht. Sicherlich hinterlässt die Erkrankung eine partielle Immunität, jedoch sind wiederholte Erkrankungen mit dem gleichen Genotyp durchaus möglich. Bei bestimmten Personen kommt es hingegen trotz Exposition zu keiner Erkrankung. Es hat den Anschein, dass die Infektion durch NV eine genetische Disposition voraussetzt (25). 32 Literatur 1 Anonymous (2003). RKI, Robert Koch-Institut. Erkrankungen durch Norwalkähnliche Viren (Noroviren). Epidemiologisches Bulletin; 6:39 – 41 2 Huston A. M., Atmar R. L., Estes M. K (2004). Norovirus disease: changing epidemiology and host susceptibility factors. Trends in Microbiology; 12 (6) 3 Schreier E (2003). Gastrointestinale Infektionen durch Noroviren (Norwalk-likeViren). Mikrobiologe 13. Jg. 4 Koch J, Schneider T, Stark K, Schreier E (2006). Norovirusinfektionen in Deutschland, Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut, Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 49, Nr. 3, S. 296 – 309 5 Höhne M, Schreier E (2006). Detection of Norovirus genogroup I and II by multiplex real-time RT-PCR using a 3’-minor groove binder-DNA probe. BMC Infectious Diseases 6 Anonymous (2004). RKI, Robert Koch Institut. Erkrankungen durch Noroviren in Deutschland in saisonaler Darstellung von 2001 bis 2004. Epidemiologisches Bulletin; 36: 295 – 302 7 Lopman B. et al. (2004). Increase in viral gastroenteritis outbreaks in Europe and epidemic spread of new norovirus variant. Lancet; 363(9410):682 – 8 8 Cheesbrough JS, Barkess-Jones L, Brown DW (1997). Possible prolonged environmental survival of small round structured viruses. J Hosp Infect; 35(4):325 – 6 9 Burton-MacLeod JA, Kane EM, Beard RS et al. (2004). Evaluation and comparison of two commercial enzyme-linked immunosorbent assay kits for detection of antigenically diverse human noroviruses in stool samples. J Clin Microbiol 42:2587 – 2595 10 Richards AF, Lopman B, Gunn A et al. (2003). Evaluation of a commercial ELISA for detecting Norwalk-like virus antigen in faeces. J Clin Virol; 26:109 – 115 11 Dimitriadis A, Bruggink LD, Marshall JA (2006). Evaluation of the Dako IDEIA norovirus EIA assay for detection of norovirus using faecal specimens from Australian gastroenteritis outbreaks. Pathology; 38(2):157 – 65 33 34 12 Rabenau HF, Sturmer M, Buxbaum S et al. (2003). Laboratory diagnosis of norovirus: which method is the best ? Intervirology; 46:232 – 238 13 Chadwick PR, Beards G, Brown D, Caul EO, Cheesbrough J, Clarke I, Curry A, O’Brien S, Quigley K, Sellwood J, Westmoreland D (2000). Management of hospital outbreaks of gastro-enteritis due to small roundstructured viruses. J Hosp Infect; 45(1):1 – 10 14 Rainer Fretz-Männel. Epidemiology and Public Health Significance of Norovirus in Switzerland. Inauguraldissertation zur Erlangung der Würde eines Doktors in Philosophie, Univerität Basel, 2004 http://pages.unibas.ch/diss/2004/DissB_7160.pdf 15 Cheesbrough JS, Green J, Gallimore CI, Wright PA, Brown DW. (2000). Widespread environmental contamination with Norwalklike viruses (NLV) detected in a prolonged hotel outbreak of gastroenteritis. Epidemiol Infect; 125:93 – 98 16 Evans MR, Meldrum R, Lane W, Gardner D, Ribeiro CD, Gallimore CI, Westmoreland D (2002). An outbreak of viral gastroenteritis following environmental contamination at a concert hall. Epidemiol Infect; 129:355 – 360 17 Lopman BA, Brown DW, Koopmans M (2002). Human caliciviruses in Europe. J Clin Virol; 24:137 – 160 18 Lopman BA, Adak GK, Reacher MH, Brown DW (2003). Two epidemiologic patterns of Norovirus outbreaks: surveillance in England and Wales, 1992 – 2000. Emerg Infect Dis; 9:71 – 77 19 Fretz R, Schmid H, Kayser U, Svoboda P, Tanner M, Baumgartner A (2003). Outbreak of gastroenteritis due to Norovirus infection associated with pilgrimage. Eur J Clin Microbiol Infect Dis; 22:625 – 627 20 Höhne, M., Schreier, E. (2003). Lebensmittelbedingte Virusinfektionen. Hans Marseille Verlag GmbH München, internist. prax; 43:221 – 232 21 Anonymous (2003). Risk Profile Norwalk-like virus in Mollusco (raw). Institute of Environmental Science and Research Limited Christchurch Science Centre 22 Boccia D, Tozzi AE, Cotter B, Rizzo C, Russo T, Buttinelli G, Caprioli A, Marziano ML, Ruggeri FM (2002). Waterborne outbreak of Norwalk-like virus gastroenteritis at a tourist resort, Italy. Emerg Infect Dis; 8(6):563 – 568 23 Carrique-Mas J, Andersson Y, Petersen B, Hedlund KO, Sjogren N, Giesecke J. (2003). A norwalk-like virus waterborne community outbreak in a Swedish village during peak holiday season. Epidemiol Infect; 131(1): 737 – 44. 24 Hedberg CW, Osterholm MT (1993). Outbreaks of food-borne and waterborne viral gastroenteritis. Clin Microbiol Rev; 6(3): 199 – 210. 25 Schmid D, Lederer I, Much P, Pichler A-M, Allerberger F (2005). Outbreak of norovirus infection associated with contaminated flood water, Salzburg. Euro surveillance weekly; 10 (6). 26 Hutson AM, Atmar RL, Graham DY, Estes MK (2002) Norwalk virus infection and disease is associated with ABO histo-blood group type. J Infect Dis; 185:1335 – 1337. 35 II. BEDEUTUNG DER NOROVIRUS-INFEKTION FÜR DAS ÖFFENTLICHE GESUNDHEITSWESEN 1. BEDEUTUNG DER NOROVIRUS-INFEKTION IN ÖSTERREICH – DIE MELDEPFLICHT NV-Infektionen waren bis 24. Juli 2006 in Österreich nicht meldepflichtig, daher gibt es bislang keine zuverlässige flächendeckende epidemiologische Überwachung mit der Möglichkeit einer Surveillance-Datenanalyse. Im Rahmen einer Novelle des Epidemiegesetzes wurden alle „viralen Lebensmittelvergiftungen“ zu anzeigepflichtigen Krankheiten erklärt. Die Daten über NV-Infektionen in Österreich beschränken sich auf regionale Untersuchungen und Ausbruchabklärungen. 2003 wurden am Institut für medizinische Mikrobiologie und Hygiene, IMED AGES Graz 194 Stuhlproben aus der Routinediagnostik, in welchen keine bakteriellen Durchfallserreger nachgewiesen werden konnten, auf Norovirus untersucht. Es wurde in 13 % der untersuchten Proben Norovirus der Genogruppe II nachgewiesen, davon stammte der Großteil von Ausbruchsfällen. Die bisher in Österreich registrierten Ausbrüche betrafen hauptsächlich Seniorenresidenzen und gesundheitsversorgende Einrichtungen (Krankenhäuser und Einrichtungen der stationären Pflege), es waren aber auch Schulen, Hotels, Jugendherbergen, Firmen und ein Flussschiff betroffen (1 – 6). NV-Erkrankungen treten im gesamten Jahresverlauf mit einem ausgeprägten saisonalen Gipfel in den Monaten von Oktober bis April auf. Die Relevanz der Überwachung von NV-Infektionen wird durch die hohe Inzidenz dieser Erkrankung, welche in Ländern mit NV-Surveillance beobachtet wurde, verdeutlicht. Nachstehende Auflistung zeigt die Inzidenzdaten für Deutschland. Es ist anzunehmen, dass die Inzidenz innerhalb der letzten Jahre in Österreich vergleichbare Werte gezeigt hat: Inzidenz der NV-Infektion in Deutschland von Saison 2001 bis 2005: o Saison 2001 / 2002: 17,5 / 100 000 o Saison 2002 / 2003: 87,6 / 100 000 o Saison 2003 / 2004: 36,3 / 100 000 o Saison 2004 / 2005: 75,4 / 100 000 36 Die Zusammenarbeit der AGES mit dem Robert Koch Institut in Berlin (Fachgebiet »Molekulare Epidemiologie Viraler Erreger«) ermöglicht die molekularbiologische Charakterisierung der zirkulierenden Virusstämme in Österreich und damit Untersuchungen zur Verbreitung bestimmter Genotypen. Diese Genomanalysen ermöglichen gezielte Überwachungsmaßnahmen für das wandelbare Spektrum der Noroviren (6). Die hohen Befallsraten in Gemeinschaftseinrichtungen stellen eine besondere Herausforderung für das Personal und für die Aufrechterhaltung geordneter Betriebsabläufe dar. Es kann zu massiven infrastrukturellen und logistischen Problemen in den betroffenen Institutionen kommen. Zur Eindämmung eines Ausbruchs und zum Schutz der Infektionsgefährdeten ist ein systematisches Hygienemanagement unerlässlich (7). Nachfolgende Tabelle fasst Strategien der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) zur Kontrolle der NV-Infektionen in Österreich zusammen: Kontrolle von NV-Infektionen in Österreich o Diagnostik von Noroviren mittels RT-PCR und Elektronenmikroskopie o Weiterentwicklung molekularer Methoden für Diagnostik von Noroviren (Forschungsprojekt der AGES: „Molekulare Diagnostik von Noroviren“) o Typisierung und phylogenetische Analysen der Noroviren in Österreich o Systematische Aufklärung von Norovirus-Ausbrüchen o Etablierung der österreichischen Leitlinie: „Vorgehen bei Gastroenteritis-Ausbrüchen durch Norovirus in Krankenhäusern und Einrichtungen der stationären Pflege“ Aktualisierung in einem 2 Jahresintervall geplant 37 Literatur 38 1 Schmid D, Lederer I, Pichler A-M, Berghold C, Schreier E, F Allerberger (2005). An outbreak of Norovirus infection affecting an Austrian nursing home and a hospital. Wiener Klinische Wochenschrift; 117(23 – 24):802 – 8 2 Lederer I, Schmid D, Pichler A-M, Dapra R, Kraler P, Blassnig A, LucknerHornischer A, Berghold C, Allerberger F (2005). Outbreak of norovirus infections associated with consuming food from a catering company, Austria. Euro surveillance weekly; 10 (10) 3 Schmid D, Lederer I, Much P, Pichler A-M, Allerberger F (2005). Outbreak of norovirus infection associated with contaminated flood water, Salzburg. Euro surveillance weekly; 10 (6) 4 Lederer I, Gränz A, Schreier E, Richter S, Berghold C, Allerberger F (2004). Nachweis von Noroviren im Rahmen der sanitätsbehördlichen Abklärung eines Ausbruchs von akuter Gastroenteritis in einem Seniorenheim. Mitteilungen der Sanitätsverwaltung; 16 – 19 5 Lederer I, Kornschober C, Strauss R, Richter S, Schreier E, Wischnewski N, Kiss R, Krischka C, Weninger J, Hauser H, Schlager S, Pignitter S, Reichl B, Heuberger S, Berghold C, Allerberger F (2003). Noroviren-Ausbruch in einer Schule im Burgenland; Mitteilungen der Sanitätsverwaltung; 3 – 9 6 Lederer I. Noroviren als Auslöser akuter Gastroenteritiden (2004). 1. Jahresbericht zum Steirischen Seuchenalarmplan. 7 Anonymous (2004). RKI, Robert Koch Institut. Erkrankungen durch Noroviren in Deutschland in saisonaler Darstellung von 2001 bis 2004. Epidemiologisches Bulletin; 36: 295 – 302 2. INTERNATIONALE BEDEUTUNG VON NOROVIRUS-INFEKTIONEN Der Mensch als Hauptreservoir begründet das weltweite Vorkommen des Virus. In Deutschland wurde die Norovirus-Infektion 2001 zur meldepflichtigen Krankheit erklärt. In den Saisonen 2001 / 2002, 2002 / 2003 und 2003 / 2004 wurden 1-Jahres-Inzidenzen von 17,5, 87,6 und 36,6 pro 100 000 Personen erhoben (1). In England und Wales besteht seit 1995 ein Meldesystem für labordiagnostisch bestätigte Norovirus-Infektionen, geführt vom Public Health Laboratory Service, Communicable Disease Surveillance Centre. Zwischen 1995 bis 2002 wurden um die 18.000 Norovirus-Infektionen gemeldet (2, 3). Eine prospektive populationsbasierende Kohortenstudie ergab 1999 in den Niederlanden eine Inzidenzrate der infektiösen Gastroenteritis von 283 Fällen pro 1.000 Personenjahre. Davon waren 21 % viraler Ursache. Das Norovirus war mit 11 % das häufigste virale Agens (4). Die tatsächliche Häufigkeit der durch Norovirus verursachten Gastroenteritiden ist auch in den Ländern mit Norovirus-Meldepflicht nicht genau bekannt. Viele Erkrankte suchen keinen Arzt auf; von vielen Ärzten wird bei Gastroenteritis-Fällen keine labordiagnostische Abklärung durchgeführt; in vielen Labors werden diarrhöische Stuhlproben nicht routinemäßig auf Norovirus untersucht. Man muss derzeit davon ausgehen, dass die über die Meldepflicht erhaltenen Daten zu Norovirus-Erkrankung nur einen geringen Anteil der tatsächlichen Zahl der NV-Erkrankungen darstellen. Das Potential der Noroviren, Ausbrüche zu verursachen, ist sehr groß. Dieser Umstand ist durch die geringe Infektionsdosis, durch die große Umweltstabilität der NV und die Vielfältigkeit der Transmissionswege begründet. In den europäischen Industriestaaten gelten Noroviren als die häufigste Ursache von Ausbrüchen nicht bakterieller Gastroenteritiden (2, 3, 5 – 9). Eine Datenanalyse von 10 europäischen Meldesystemen innerhalb des Netzwerkes Foodborne Viruses in Europe ergab, dass um die 85 % aller nicht bakteriellen Gastroenteritis-Ausbrüche zwischen 1995 und 2000 durch Noroviren verursacht wurden. In Dänemark, England und Wales, Finnland, Frankreich und Schweden waren über 95 % der nicht bakteriellen Gastroenteritis-Ausbrüche auf Noroviren zurückzuführen. In den Niederlanden waren ca. 84 % der nicht bakteriellen Ausbrüche Norovirus-bedingt. 39 Im deutschsprachigen Teil der Schweiz waren zwischen 2001 und 2003 73 Norovirus-Ausbrüche registriert worden (5). In Deutschland wurden in der Saison 2001 / 2002 650 Norovirus-Ausbrüche und in der Saison 2002/2003 2.569 übermittelt (1). In den Vereinigten Staaten sind 96 % aller nicht bakteriellen Gastroenteritiden auf Norovirus zurückzuführen (10). Norovirus-Infektionen treten im gesamten Jahresverlauf sporadisch auf, zeigen jedoch einen saisonalen Gipfel in den Herbst- und Wintermonaten. Aus England und Wales wurde für das Jahr 2002 ein Gipfel in den Sommermonaten berichtet. Eine mögliche Erklärung dafür könnte das Auftreten einer neuen Virusvariante sein (1, 18). 3. EPIDEMIOLOGIE UND KOSTEN VON NOROVIRUSAUSBRÜCHEN IN GESUNDHEITSVERSORGENDEN EINRICHTUNGEN Norovirus ist die häufigste Ursache für Ausbrüche von Gastroenteritiden in Gemeinschaftseinrichtungen wie z.B. Schulen, Internaten, Seniorenresidenzen und gesundheitsversorgenden Einrichtungen. In diesen Einrichtungen ist die jahreszeitliche Schwankung mit dem Gipfel der Ausbrüche von Dezember bis Februar stark ausgeprägt. Hospitalisierte Patienten, Bewohner von Pflegeheimen und Seniorenresidenzen stellen eine Risikopopulation für den Erwerb von infektiöser Gastroenteritis dar. Diese Personen leiden oft an Erkrankungen, die zur Beeinträchtigung ihres Abwehrsystems führen und sie neigen zu komplizierten Verläufen der gastro-intestinalen Infektion. In Pflegeheimen und in internistischen, insbesondere geriatrischen Krankenhausabteilungen kann das gehäufte Auftreten von Stuhlinkontinenz und eingeschränkter kognitiver Leistung die Beherrschung von Norovirus-Ausbrüchen deutlich erschweren. Von den 348 Gastroenteritis-Ausbrüchen durch Noroviren, die den amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention zwischen 1996 und 2000 gemeldet wurden, traten ca. 30 % in Pflegeheimen und Krankenhäusern, 12 % in Schulen und Tagesheimen, 10 % in Beherbergungsbetrieben und 40 % in Restaurants auf (Rest = 9 %) (11). 40 In Neuseeland wurden 2002 26 Norovirus-Ausbrüche in gesundheitsversorgenden Einrichtungen (69 % in Alten- und Pflegeheimen, 31 % in Krankenhäusern) mit insgesamt 850 Fällen und 2004 29 Ausbrüche (55 % in Alten- und Pflegeheimen, 45 % in Krankenhäusern) mit 1.349 Fällen über das nationale Überwachungssystem (national EpiSurv) erfasst (12 – 14). Von 1992 bis 2000 fanden von 1877 Norovirus-Ausbrüchen in England und Wales 70 % in gesundheitsversorgenden Einrichtungen statt (davon 40 % in Krankenhäusern und 39 % in Pflegeheimen) (15). Diese Ausbrüche waren im Vergleich zu Norovirus-Ausbrüchen in Schulen, Restaurants und Hotels mit einer verlängerten Dauer, einer signifikant höheren Sterberate und höherem ökonomischen Schaden assoziiert. Eine landesweit durchgeführte Untersuchung von Gastroenteritis-Ausbrüchen in den Niederlanden im Jahr 2001 erhob Norovirus mit 54 % der 281 untersuchten Ausbrüche als häufigstes Ausbruchspathogen (16). Das irische Disease Surveillance Centre berichtete 2002 von 171 Gastroenteritis-Ausbrüchen in Irland, wovon 90 % durch Noroviren verursacht wurden. Davon waren 70 % in Krankenhäusern oder Alten- und Pflegeheimen lokalisiert (9). Auch in Deutschland ereignete sich der Großteil der seit Einführung der Meldepflicht (2001) beobachteten NorovirusAusbrüche in Krankenhäusern sowie Pflege- und Altenheimen (78 %) (1). Die hohe Befallsrate unter den Heimbewohnern bzw. Patienten (50 – 70 %) von gesundheitsversorgenden Einrichtungen bei Ausbrüchen von Norovirus-Gastroenteritis führt zu einem zusätzlichen Arbeitsaufwand für das Personal. Durch die ebenfalls beträchtliche Befallsrate beim Personal sind aber die Personalressourcen während eines solchen Ausbruchs meistens deutlich eingeschränkt. Die Fortsetzung einer adäquaten Patientenversorgung kann oft nicht mehr gewährleistet werden. Es kommt zur Aufnahmesperre auf den betroffenen Stationen, und gelegentlich müssen Abteilungen oder Krankenhäuser durch die Personalkrankenstände vorübergehend gesperrt werden (17, 18). Daten über Kostenanalysen von NV-Ausbrüchen in gesundheitsversorgenden Einrichtungen sind nur spärlich verfügbar. Bei einem Krankenhausausbruch in Australien 1995 in einem 280-Betten-Krankenhaus erkrankten Mitarbeiter und Patienten. Die Kosten, die durch Krankenstände der Mitarbeiter und durch die 2-wöchige Stationssperre anfielen, wurden auf 7.600 AU$ (ca. 4.700 €) bzw. auf ca. 10.600 AU$ (ca. 6.550 €) geschätzt (19). 2003 analysierte eine Schweizer Arbeitsgruppe den Kostenaufwand eines NV-Ausbruchs, der in einem 960-Betten-Krankenhaus auf 2 benachbarten internistischen Stationen auftrat. Der Ausbruch umfasste 16 Fälle unter den Patienten (attackrate: 13,9 %) und 29 Fälle unter dem Personal (attack-rate: 29,5 %) und dauerte 2 Wochen an. Aufgrund der Bettensperre war während der Ausbruchsperiode die Bettenauslastung der beiden Stationen im Vergleich zu den beiden Jahren zuvor signifikant reduziert (um 13,5 Betten/Tag). Der damit verbundene Einkommensverlust wurde auf $ 37.968 geschätzt. Zusätzliche Kosten fielen durch den erhöhten 41 Pflegeaufwand für die Patientenfälle ($ 10.300) und durch die zusätzlichen mikrobiologischen Untersuchungen ($ 2.707) an. Den Produktivitätsverlust durch die vermehrten Krankenstände des Personals schätzte man auf $ 12.807. Durch den zusätzlichen Arbeitsaufwand des Personals der Krankenhaushygiene fielen weitere Kosten von $ 1.408 an (20). 2004 wurde eine systematische Beurteilung von Gastroenteritis-Ausbrüchen in geschlossenen gesundheitsversorgenden Einrichtungen in England mit Einschätzung der ökonomischen Belastung durchgeführt. Dafür wurden zwischen 2002 und 2003 mittels aktiver Surveillance von Gastroenteritis-Ausbrüchen 3 Krankenhäuser im Distrikt Avon in England überwacht. Dieser Distrikt gilt als repräsentativ für Gesamtengland hinsichtlich Demographie und Gesundheitsversorgung. Es wurden 227 Gastroenteritis-Ausbrüche erfasst. In 70 % der Ausbrüche kam es zur Aufnahmesperre an den von dem Ausbruch betroffenen Stationen. Dies resultierte in 5.443 verlorenen Bettentagen (0,5 % der Akut-Bettentage). Der durch die eingeschränkte Bettenauslastung und den Produktivitätsverlust als Folge der Krankenstände des Personals bedingte Einnahmenverlust wurde auf 1,01 Millionen U.S.$ pro 1.000 Betten geschätzt. Bei 63 % der 227 beobachteten Ausbrüche war Norovirus als das kausative Agens nachgewiesen worden (21). 42 Literatur 1 Robert Koch Institut (2004). Erkrankungen durch Noroviren in Deutschland in saisonaler Darstellung von 2001 – 2004. Epidemiologisches Bulletin 3; 36: 295 – 300 2 Dedman D, Laurichesse H, Caul EO, Wall PG (1998). Surveillance of small round structured virus (SRSV) infection in England and Wales, 1990 – 1995. Epidemiol. Infect; 1212:139 – 49 3 Anonymous (2003). Norovirus outbreaks peak in 2002: England and Wales. L. Public Health Med; 25:179 – 180 4 de Wit MAS, Koopmans MPG, Kortbeek LM (2001). Sensor, a population-based cohort study on gastroenteritis in the Netherlands, incidence and etiology. 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Guidelines for the management of Norovirus outbreaks in hospitals and elderly care institution, Newsealand; available in PDF format from the Auckland Regional Public Health Service website: www.arphs.govt.nz (Stand März 2006) 15 Lopman A, Adak G, Reacher M, Brown D (2003). Two Epidemiologic Patterns of Norovirus Outbreaks: Surveillance in England and Wales, 1992 – 2000. Emerg Infect Dis; 9(1):71 – 7 16 van Duynhoven YT, de Jager CM, Kortbeek LM, Vennema H, Koopmans MP, et al (2005). A one-year intensified study of outbreaks of gastroenteritis in The Netherlands. Epidemiol Infect; 133(1):9 – 21. 17 Thornton A C., Jennings-Conklin K S, McCormick M (2004). Norovirus: Agents in Outbreaks of Acute Gastroenteritis. Disaster Manage Response; 2:4 – 9 18 Khanna N, GOldenberger D, Graber P et al. (2003). Gastroenteritis outbreak with norovirus in a Swiss university hospital with a newly identified strain. J Hos Inf; 55:131 – 136 19 Russo PL, Spelman DW, Harrington GA et al. (1997). Hospital outbreak of Norwal-like virus. Infect Control Hosp Epidemiol; 18:576 – 579 20 Zingg W, Clombo C, Jucker T, Bossart W, Ruef C (2005). Impact of an outbreak of norovirus infection on hospital resources. Infect Control Hosp Epidemiol; 26(3):263 – 7 21 Ben A. Lopman, Mark H. Reacher, et al. (2004) Epidemiology and Cost of Nosocomial Gastroenteritis, Avon, England, 2002 – 2003. Emerg Inf Dis; 10, 1827 – 1834 III GASTROENTERITIS DURCH NOROVIRUS IN GESUNDHEITSVERSORGENDEN EINRICHTUNGEN 1. INFEKTIONSEPIDEMIOLOGISCHER HINTERGRUND 1.1. Infektionsepidemiologische Norovirus-relevante Faktoren o Bedingungen, die eine Entstehung und weitläufige Verbreitung eines NV-Ausbruchs in gesundheitsversorgenden Einrichtungen begünstigen (1 – 4): o Hohe Umweltresistenz des Virus o Hohe Viruskonzentration im Stuhl und im Erbrochenem der akut Erkrankten (ca. 106 Viruspartikel / ml) o Häufige und enge Kontakte zwischen Heimbewohnern und Personal bzw. zwischen Patienten und Personal (kongregierte Umgebungsbedingungen) o Gehäuftes Auftreten von Erbrechen bei Norovirus-Erkrankten mit Aerosolbildung aus virushaltigem Erbrochenen begünstigt eine weitläufige Verbreitung des Virus o Niedrige Infektionsdosis o Die Norovirus-exponierte Personengruppe weist in der Regel ein höheres Infektionsrisiko als die Allgemeinbevölkerung auf: bereits erkrankte Personen, ältere Personen, immungeschwächte Personen, etc. (= empfängliche Personengruppe) o Durch Neuaufnahme von Personen mit Komorbiditäten kommt es zur kontinuierlichen Erneuerung der empfänglichen Personengruppe o Bewegung der Patienten zwischen den Stationen, Untersuchungsräumen und Aufenthaltsräumen, Verlegungen der Patienten zu anderen Versorgungseinrichtungen o Fluktuation des Personals zwischen den Krankenzimmern, Stationen, Abteilungen, sowie Untersuchungs- und Aufenthaltsräumen: durch Personalfluktuation trägt das Personal zur weitläufigen Verbreitung des Virus innerhalb der Einrichtung bei. o Unzureichende Händedesinfektion im betroffenen Bereich o Unzureichende Reinigung und Flächendesinfektion im betroffenen Bereich o Mangelnde Raumkapazität für eine Isolierung von Norovirus-Erkrankten o Mangelnde Hygienedisziplin der Besucher von NV-Erkrankten 45 o o 46 Potentielle Eintrittswege von Noroviren in die gesundheitsversorgende Einrichtung o Der NV-Erkrankte (aus der Allgemeinbevölkerung oder von anderen Gemeinschaftseinrichtungen kommend), der stationär aufgenommen wird: der Erreger wird mit Stuhl und mit Erbrochenem ausgeschieden; die Kommunikabilität (Ansteckungsfähigkeit) beginnt mit der Manifestation der Symptome [manchmal auch einige (max. 6) Std. davor] und hält bis circa 48 Std. nach Sistieren der Beschwerden an. o Der NV-infektiöse Besucher einer gesundheitsversorgenden Einrichtung o Das NV-infektiöse gesundheitsversorgende Personal zu frühe Wiederbeschäftigung (d. h. vor Ablauf von 48 Std. nach Sistieren der Beschwerden) des mit Norovirus infizierten Personals o Das NV-infektiöse Küchenpersonal einer gesundheitsversorgenden Einrichtung: Mangelnde Küchenhygiene und frühzeitige Wiederbeschäftigung (vor Ablauf von 48 Std. nach Sistieren der Beschwerden) des mit Norovirus infizierten Küchenpersonals Potentielle Norovirus-Ausbruchsquellen in der gesundheitsversorgenden Einrichtung o Der NV-Erkrankte Krankenhauspatient, Pflegeheimbewohner, Personal, Besucher; z. B. schwallartiges Erbrechen von NV-Erkrankten in der Gegenwart anderer Patienten oder des Personals verursacht häufig einen institutionellen Ausbruch. o Mit Norovirus verunreinigtes Wasser (Trinkwasser/Abwasser) tritt in gesundheitsversorgenden Einrichtungen als Ausbruchsquelle selten auf, spielt mehr eine Rolle bei Ausbrüchen in der Allgemeinbevölkerung. o Mit Norovirus verunreinigte Nahrungsmittel NV wird durch kurzzeitiges Erhitzen auf über 90 °C inaktiviert. Lebensmittel, die keinem Erhitzungsvorgang unterzogen werden (z. B. Rohkost, Früchte, Austern) und die durch Kontakt mit infektiösen Lebensmittelverkäufern oder Küchenpersonal der gesundheitsversorgenden Einrichtung bzw. durch Kontakt mit Novorvirus-kontaminierter Umgebung mit Norovirus verunreinigt werden, sind potentielle Ausbruchsquellen. o Mit Norovirus verunreinigte Umgebung Kontaktflächen oder Gegenstände von Norovirus-Erkrankten, wie z. B. Nachttische, Türklinken, Vorhänge, Teppiche, Krankenbetten, Leintücher, sind als Quellen prolongierter Norovirus-Ausbrüche in gesundheitsversorgenden Einrichtungen beschrieben. 1.2. Mögliche Formen eines Norovirus-Ausbruchs (5 – 9) Die graphische Darstellung der Fälle nach deren Krankheitsbeginn auf der horizontalen Zeitskala und die Markierung der Anzahl der Fälle auf der vertikalen y-Achse ergibt die Epidemiekurve. Eine Epidemiekurve ermöglicht einen Überblick über den zeitlichen Verlauf der Ereignisse und gibt Hinweise auf die Art des Ausbruchs (= Ausbruchsverbreitungsmodus; siehe unten), den möglichen Expositionszeitpunkt (-periode), Inkubationszeitraum, das serielle Intervall (mittlerer Zeitraum zwischen zwei auf einander folgenden Fallgenerationen in einem sich von Person zu Person verbreitenden Ausbruch) und gegebenenfalls auf den Erreger. o Gemeinsamer Quellen-Ausbruch Punktquellen-Ausbruch Definition: Es liegt ein punktueller Infektionsherd vor. Die Ausbruchsfälle werden durch einen gemeinsamen Herd verursacht, der nur zu einem Zeitpunkt bzw. in einem kurzen Zeitraum aktiv ist. Das bedeutet, dass alle Ausbruchsfälle zur gleichen Zeit und am gleichen Ort gegenüber einer Infektionsquelle exponiert waren. Die Epidemiekurve zeichnet sich durch einen raschen Anstieg und einen graduellen Abstieg in der Anzahl der Neuerkrankten aus. Mögliche punktuelle Infektionsquellen in NV-Ausbrüchen: ✔ NV-Erkrankungsfall: Die mit Norovirus infizierte Person verursacht durch projektiles Erbrechen eine Übertragung von virushaltigen Tröpfchen oder von aerosolisierten Viruspartikeln auf die exponierten Infektionsgefährdeten. ✔ Lebensmittel: Lebensmittel kontaminiert durch Erbrochenes oder Stuhl von einem NV-Erkrankungsfall (= lebensmittelbedingter NV-Ausbruch) ✔ Wasser (Trinkwasser, Abwasser): Wasser kontaminiert durch Erbrochenes oder Stuhl von einem NV-Erkrankungsfall (= wasserbedingter NV-Ausbruch). 47 Abb. 4: Typische Ausbruchskurve eines lebensmittelbedingten Punktquellen-Ausbruchs Steiler Kurvenanstieg und langsamer Kurvenabfall; die Weite der Kurve entspricht der mittleren Inkubationszeit. Prolongierter Quellen-Ausbruch Definition: Es liegt ein gemeinsamer über einen längeren Zeitraum bestehender Infektionsherd vor. Der prolongierte Quellenausbruch ist durch eine kontinuierlich-gemeinsame oder intermittierend-gemeinsame Infektionsquelle verursacht. Die Ausbruchsfälle werden durch einen gemeinsamen Herd verursacht, der über einen verlängerten Zeitraum kontinuierlich oder intermittierend aktiv ist. Bei kontinuierlicher Quelle zeichnet sich die Epidemiekurve anfänglich durch einen raschen Anstieg aus, gefolgt von einer Plateauphase mit einem anschließenden Abstieg in der Anzahl der Neuerkrankten. Es treten so lange Fälle auf, bis der Infektionsherd beseitigt wurde. 48 Abb. 5: Typische Ausbruchskurve eines kontinuierlich-gemeinsamen Quellen-Ausbruchs Abrupter Kurvenbeginn, Plateauphase gefolgt von einem graduellen Abfall der Anzahl der Neuerkrankten; die Weite der Kurve ist größer als die mittlere Inkubationszeit Prolongierte Quellen in NV-Ausbrüchen ✔ Die über eine längere Zeit erhältlichen mit Norovirus verunreinigten Lebensmittel, z. B. Trockenfrüchte, Marmelade. ✔ Das kontinuierlich mit Norovirus verunreinigte Trinkwasser ✔ Das mit NV verunreinigte unbelebte Umfeld: Patientenkontaktflächen, Gegenstände (Türklinken, Wände, Teppiche, Vorhänge etc.), Medizingeräte von NV-Erkrankten. 49 Abb. 6: Ausbruchskurve eines propagierten Quellen-Ausbruchs Die Kurve zeigt im klassischen Fall ein Auftreten von Fällen in einem zeitlichen wellenförmigen Verlauf. o Nicht gemeinsamer Quellen-Ausbruchs Propagierter Quellenausbruch Definition: Es liegt kein gemeinsamer Infektionsherd vor. Der Infektionsherd (= Infektionsquelle) breitet sich von empfänglicher Person zu empfängliche/r / n Person / en innerhalb einer Transmissions- (Übertragungs-) kette aus. Die Epidemiekurve zeigt im klassischen Fall das Auftreten von Fällen mit einem zeitlich wellenförmigen Verlauf. Die Wellen der Epidemiekurve reflektieren die Anzahl der sukzessiven Fallgenerationen. Das Intervall zwischen den „peaks“ entspricht dem mittleren seriellen Intervall: Das mittlere serielle Intervall ist die mittlere Zeitperiode zwischen zwei homologen Phasen einer Infektion zweier aufeinander folgender Infektionsfälle einer Übertragungskette. Dieses Intervall kann kürzer oder länger als die Inkubationszeit sein. Dies ist wichtig, wenn es gilt, die Fälle eines propagierten Ausbruchs als Primärfälle oder Folgefälle (Sekundärfälle, Tertiärfälle, usw.) einzustufen. 50 o Gemischter Quellen-Ausbruch Bei institutionellen Norovirus-Ausbrüchen ist häufig eine Kombination von einem initial gemeinsamen Quellenausbruch (punktuelle oder prolongierte Quelle) mit einem propagierten Quellenausbruch in Folge zu beobachten. Punktquellen-Ausbruch z. B. durch mit NV verunreinigtes Lebensmittel Prolongierter Quellen-Ausbruch z. B. durch mit NV verunreinigte Umgebungsoberflächen Propagierter Quellen-Ausbruch ein sich von Person zu Person ausbreitender Infektionsherd Abb. 7: Ausbruchskurve eines gemischten Quellen-Ausbruchs Initial punktförmige Ausbruchquelle gefolgt von einer propagierter Quellen-Ausbreitung 51 Literatur 1 Lopman BA, Brown DW, Koopmans M (2002). Human caliciviruses in Europe. J Clin Virol; 24: 137 – 160 2 Anonymous (2005). RKI-Ratgeber Infektionskrankheiten – Merkblätter für Ärzte. Erkrankungen durch Noroviren. Epidemiologisches Bulletin 2005 3 Anonymous (2004). National Guidelines on The Management of Outbreaks of Norovirus Infection in Healthcare Settings. Viral Gastroenteritis Subcommittee of the Scientific Advisory Committee of the National Disease Surveillance Centre (NDSC), Republic of Ireland; ISBN 0-9540177-4-9 4 Chadwick R, Beards G., Brown D, Caul EO (2000). Report of the Public Health Laboratory Service viral gastro enteritis working group. Management of hospital outbreaks of gastro-enteritis due to small round structured viruses. J of Hospital Infection, 5:1 – 10 5 Lopman BA, Adak Gk, Reacher MH et al. (2002). Two epidemiological patterns of Norovirus outbreaks: Surveillance in England and Wales, 1992 – 2000. Emerg Infect Dis;9:71 – 77 6 Krämer A, Reintjes R. Infektionsepidemiologie. Methoden, moderne Surveillance, mathematische Modelle, Global Public Health. Springer Verlag Berlin Heidelberg 2003, ISBN 3-540-42764-3 7 Anonymous (2001). U.S. Department of Health and Human Services. CDC, Atlanta, Georgia. “Norwalk-Like Viruses”. Public Health Consequences and Outbreak Management. MMWR; 50:1 – 18 8 Anonymous (2004). Guidelines for the management of Norovirus outbreaks in hospitals and elderly care institution, Newsealand; available in PDF format from the Auckland Regional Public Health Service website: www.arphs.govt.nz (Stand März 2006) 9 Anonymous. (2000). 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Die klinische Falldefinition einer akuten Gastroenteritis (1 – 3): geeignet zur Auffindung von Gastroenteritisfällen in Gesundheitseinrichtung o Drei oder mehr wässrige Stühle innerhalb von 24 Std. oder o Dreimaliges oder mehrmaliges Erbrechen innerhalb von 24 Std. oder o Durchfall oder Erbrechen mit mind. zwei zusätzlichen Symptomen wie Übelkeit, Fieber, Bauchschmerzen, Bauchkrämpfe, schleimiger oder blutiger Stuhl Ausschluss von Personen mit anhaltendem Durchfall Personen mit Durchfall wegen Laxantieneinnahme Ein Gastroenteritis-Ausbruch ist im Allgemeinen definiert durch das Auftreten von zwei oder mehr als zwei in einem epidemiologischen Zusammenhang (betrifft Zeit, Ort, Person) stehenden Fällen, die die klinische Falldefinition der akuten Gastroenteritis erfüllen. Die Definition für einen Gastroenteritis-Ausbruch in einer gesundheitsversorgende Einrichtungen lautet: Die Anzahl der Fälle akuter Gastroenteritis (Personen, die die klinische Falldefinition der Gastroenteritis erfüllen) in einem Krankenhaus oder einer Einrichtung der stationären Pflege übersteigt die in dieser Zeitperiode in diesen besagten Einrichtungen erwartete Anzahl an Gastroenteritis-Fällen 53 2.1. Falldefinition, Ausbruchsdefinition Falldefinition der Norovirus-Infektion (4 – 9) Bei klinischem Verdacht auf akute infektiöse Gastroenteritis kann bei Vorliegen bestimmter klinischer und / oder epidemiologischer Kriterien Norovirus als das wahrscheinliche, ursächliche Agens der Gastroenteritis vermutet werden. (1a) Klinisch vermuteter Fall (= klinisch wahrscheinliche / suspekte NV-Infektion) bei folgenden klinischen Kriterien o Perakuter Erkrankungsbeginn o Erbrechen dominiert Beschwerdebild, häufig tritt schwallartiges Erbrechen auf* o Wässriger Durchfall o Erkrankungsdauer zwischen 12 Std. und 60 Std. o Kurze Rekonvaleszenz o Fieber tritt nur selten auf (> Patienten mit Erbrechen als mit Fieber!) * Besonders die Intensität des explosionsartigen Erbrechens kennzeichnet klinisch eine NVInfektion und unterscheidet die NV-Gastroenteritis von anderen gastroenteritischen Erkrankungen viraler oder bakterieller Genese. (1b) Klinisch-epidemiologisch vermuteter Fall (= klinisch-epidemiologisch wahrscheinliche NV-Infektion) bei 1a-Kriterien und folgenden epidemiologischen Kriterien o epidemiologischer Zusammenhang mit einem labordiagnostisch bestätigten NV-Infektionsfall ODER o 54 Verzehr eines Lebensmittels, in dessen Resten Norovirus labordiagnostisch nachgewiesen wurde. Bei labordiagnostischem Nachweis von Noroviren [via Nukleinsäurenachweis (RT-PCR), Antigennachweis (ELISA), elektronenmikroskopischer Nachweis] liegt eine bestätigte NV-Infektion vor. (2) Klinisch-labordiagnostisch bestätigter Fall (= klinisch-labordiagnostisch bestätigte NV-Infektion) o die klinischen Definitionskriterien einer NV-Gastroenteritis sind erfüllt (s. o.) UND o (3) der labordiagnostische Nachweis einer NV-Infektion ist erbracht Labordiagnostisch bestätigter Fall (= labordiagnostisch bestätigte NV-Infektion) o der labordiagnostische Nachweis einer NV-Infektion wurde erbracht ABER o die klinischen Definitionskriterien einer NV-Gastroenteritis sind nicht erfüllt. Hierunter fallen auch asymptomatische Infektionen. 55 Definition des Norovirus-Ausbruchs Kriterien für einen institutionellen Gastroenteritis-Ausbruch durch Norovirus Noroviren können bereits vor der mikrobiologischen Identifikation als ursächliches Agens eines Gastoenteritis-Ausbruchs vermutet werden. Kaplan et al. bestimmten 4 Kriterien – die epidemiologisch-klinischen Profilmerkmale – als typisch für einen NV-bedingten GastroenteritisAusbruch (5 – 8). Die 4 Merkmale sind: o Die mikrobiologischen Untersuchungen der Stuhlproben der Gastroenteritis-Ausbruchsfälle sind negativ für bakterielle Durchfallserreger (Salmonellen, Shigellen, E. coli, Yersinien, C. difficile) o Die durchschnittliche Erkrankungsdauer liegt bei 12 – 60 Std. o Erbrechen tritt in mindestens 50 % der Fälle auf o Die mediane Inkubationszeit liegt bei 15 – 48 Std. o Suspekter Norovirus-Ausbruch Mindestens drei der vier Merkmale sind erfüllt o Bestätigter Norovirus-Ausbruch Kriterien eines suspekten Norovirus-Ausbruchs sind erfüllt und in mindestens 3 Ausbruchsfällen konnte Norovirus in Stuhl- oder Vomitusproben nachgewiesen werden (9, 10). Weitere typische Charakteristika eines NV-Ausbruchs in gesundheitsversorgenden Einrichtungen: 56 o explosiver Beginn des Ausbruchs o hohe Befallsrate: bei ≥ 50 % der Exponierten o hohe Erkrankungsrate des Personals o Sekundärfälle (13, 14). 2.2. Bedeutung des „epidemiologic profiling“ Die Bedeutung der epidemiologisch-klinischen Profilerstellung („epidemiologic profiling“) liegt in der Möglichkeit der frühzeitigen Erkennung eines durch Norovirus verursachten Gastroenteritis-Ausbruchs, unabhängig von der mikrobiologischen Abklärung. Dadurch ist eine frühzeitige Implementierung von geeigneten Maßnahmen zur Verhinderung der intra- und interinstitutionellen Ausbreitung der Infektion möglich (11, 12). Akutes Auftreten von schwallartigem Erbrechen bei ≥ 2 Personen (Patienten/Heimbewohner oder Personal) muss sofort den dringenden Verdacht auf einen Norovirus-Ausbruch generieren. Vorsichtsmaßnahmen zur Verhütung einer Verbreitung innerhalb und zwischen gesundheitsversorgenden Einrichtungen sind bereits bei Ausbruchsverdacht zu implementieren. 57 2.3. Schrittweises Vorgehen in der Abklärung einer institutionellen Gastroenteritis-Häufung Abb. 8: Flussdiagramm für die Abklärung von Gastroenteritis-Häufungen in gesundheitsversorgenden Einrichtungen 58 Häufung von Fällen von Gastroenteritis in gesundheitsversorgender Einrichtung Zuständige Bezirksverwaltungsbehörde wird verständigt NEIN Keine weiteren Aktionen erforderlich UNKLAR Setze Suche nach Personen mit Gastroenteritis fort JA (A) Ist es ein echter Ausbruch? Gewinnung von Stuhlproben zur mikrobiologischen Untersuchung auf bakterielle Durchfallserreger: Salmonellen, Shigellen, E. coli,Yersinien, C. difficile (B) Ausbruchsuntersuchungen starten Deskriptiv-epidemiologische Untersuchung (US) Einleitende Untersuchungen: durch Hygienefachkraft, hygienebeauftragten Arzt/Krankenhaushygieniker, zuständiger BVB, ggf. unterstützt durch AGES Abt. CC Infektionsepidemiologie Folgende Informationen erheben: – # der Ausbruchsfälle bei Pflegeheimbewohnern, Krankenhauspatienten und Personal (Falldefinition!) – Erkrankungsbeginn (wenn möglich auch Tageszeit) – Verteilung der Beschwerden (Erbrechen, Durchfall, Fieber) – Dauer der Erkrankung – Örtliche Verteilung innerhalb der Einrichtung – Hospitalisationsrate/Todesrate Erstelle die Ausbruchskurve und bestimme den Typ des Ausbruchs – Stuhlproben von Durchfalls-Patienten negativ für bakterielle Durchfallserreger – Erkrankungsdauer: 12 – 60 h – Schwallartiges Erbrechen bei mind. 50 % der Erkrankten – Inkubationszeit: 15 – 48 h (falls eruierbar) Weitere Charakteristika: – Perakuter Beginn des Ausbruchs, – Hohe Befallsrate – Betroffen sind Heimbewohner/Spitalspatienten + Personal. Setze geeignete KONTROLLMASSNAHMEN Überwache die Ausbruchskontrollmaßnahmen NEIN JA Liegen epidemiologisch-klinische Kriterien eines NV-Ausbruchs vor ? Setze Suche nach Ausbruchsursache fort Weitere Vorgehensweise bei nicht Norovirus-bedingten Gastroenteritis-Ausbrüchen werden von dieser Leitlinie nicht abgehandelt. (C) Fortsetzung der Ausbruchsabklärung Komplementäre Untersuchungen • Virologische Untersuchung von Patienten-Stuhlproben, von – falls möglich – Proben von verdächtigen Trinkwasser, Abwasser, Lebensmitteln und Proben von unbelebtem Umfeld. Gegebenenfalls analytisch-epidemiologische US • Versuch der Identifikation von: – Viruseinbringung (in die Einrichtung) – Initiale Ausbruchsquelle, Infektionsquellen – Transmissionsdynamik – Verbreitungsmodi innerhalb, ggf. zw. institutionellen Einrichtungen Dokumentiere Zeitpunkt der Ausbruchs-Eindämmung Finale Evaluation, Defizitanalyse Dokumentation aller Maßnahmen, Abläufe 59 Erklärung des Flussdiagramms (8 – 16) (A) Ist es ein tatsächlicher Ausbruch? Norovirus-Ausbrüche können während des ganzen Jahres auftreten, kommen aber in gesundheitsversorgenden Einrichtungen am häufigsten in den Wintermonaten und zu Beginn des Frühlings vor. Norovirus-Ausbrüche in Krankenhäusern und Einrichtungen der stationären Pflege sowie in Seniorenresidenzen treten oft zeitgleich mit einer erhöhten Aktivität von Norovirus-Infektionen in der Allgemeinbevölkerung auf. Gastroenteritis unterschiedlicher Genese (auch andere als Infektionsgenese) ist in gesundheitsversorgenden Einrichtungen eine häufige Erkrankung, insbesondere bei älteren Personen. In gesundheitsversorgenden Einrichtungen kann ein gehäuftes Auftreten von Gastroenteritis zum Ausbruch erklärt werden, wenn die Anzahl der Fälle von Gastroenteritis (Personen, die die klinische Falldefinition der Gastroenteritis erfüllen, siehe Kap. II, 2) die erwartete Anzahl an Gastroenteritis-Fällen zu diesem Zeitpunkt in der bestimmten Gemeinschaftseinrichtung übersteigt. Die Möglichkeit einer zufälligen Häufung ist zu bedenken. Zum Ausschluss eines Pseudoausbruchs kann es notwendig sein, für bestimmte Zeit (z. B. eine Woche) eine verstärkte Surveillance von akuter Gastroenteritis durchzuführen. (B) Einleitende Ausbruchsuntersuchungen o Deskriptiv-epidemiologische Untersuchung Die einleitenden Ausbruchsuntersuchungen sollten von der Hygienefachkraft (gg. dem hygienebeauftragten Arzt oder dem Krankenhaushygieniker) und der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde durchgeführt werden. Das Kompetenzzentrum Infektionsepidemiologie der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) bietet bei Anforderung beratende Assistenz in der Ausbruchsabklärung auch vor Ort an. 60 Ziele der deskriptiv-epidemiologischen Untersuchung o Unterscheidung zwischen Norovirus und anderen Durchfallerregern als wahrscheinliche Ursache des Gastoenteritis-Ausbruchs auf Basis des klinisch-epidemiologischen Profils des Ausbruchs; siehe dafür typische Kriterien für NV bedingten Gastroenteritis-Ausbruch nach Kaplan et al. (7, 8). o Generierung von Hypothesen über Ausbruchsquelle, Transmissionsvehikel und Infektionsquelle (z. B. lebensmittelbedingte Ausbruchsauslösung gefolgt von Mensch-zu-Mensch-Übertragung). o Rasche Implementierung adäquater Kontrollmaßnahmen zur Eindämmung des NV-Ausbruchs (siehe Kap. IV). Vorgehensweise der deskriptiv-epidemiologischen Untersuchung o Fallsuche, Fallidentifikation gemäß Falldefinition (siehe App. 3; Fallliste) o Erhebung der Anzahl der Ausbruchsfälle und Bestimmung der „Befallsrate des Ausbruchs“; letzteres nur möglich, wenn Risikogruppe bekannt ist o Erhebung des Erkrankungsbeginns (wenn möglich auch Uhrzeit) o Erstellung der „Epidemie-(Ausbruchs)kurve“ o Bestimmung des Ausbruchsverbreitungsmodus mittels Interpretation der Ausbruchskurve o Gemeinsamer Quellen-Ausbruch (punktuell, prolongiert) oder o Propagierter Quellen-Ausbruch oder Gemischter Quellen-Ausbruch o Bestimmung der regionalen Verteilung der Fälle innerhalb der Einrichtung (z. B. Abteilung, Station, Patientenzimmer, Betriebsküche, Krankenhaustransport, etc.) o Erhebung von Expositionsanamnese der Fälle in den 24 – 48 Std. vor Erkrankungsbeginn (Exposition zu Wasser, Lebensmitteln, unbelebtem Umfeld, Erkrankungsfällen) o Häufigkeitsverteilung der Beschwerden (Erbrechen, Durchfall, Fieber) o Durchschnittliche Dauer der Erkrankung o Erkrankungsausgang (geheilt, verstorben) 61 (C) Fortsetzung der Ausbruchsabklärung o Komplementäre (= ergänzende) Untersuchungen o Analytisch-epidemiologische Untersuchung (Testung der Hypothese) Die komplementären Untersuchungen umfassen Norovirus-spezifische Testung von Patientenstuhlproben, falls angebracht von Proben verdächtigen Trinkwassers, Abwassers sowie Lebensmittelproben und Proben des unbelebten Umfelds. Ziel dabei ist es, den mikrobiologischen Beweis für die verdächtigte Ausbruchsursache, das Übertragungsvehikel und die Infektionsquelle zu erlangen. Mikrobiologische Untersuchungen auf Noroviren werden an der nationalen Referenzzentrale durchgeführt: AGES-Institut für medizinische Mikrobiologie und Hygiene, Beethovenstrasse 6, 8010 Graz. Die epidemiologisch-analytische Untersuchung wird zur Testung der durch deskriptiv-epidemiologische Untersuchungen generierten Hypothesen über die Viruseinbringung in die Einrichtung, die Ausbruchsquelle(n), die Infektionsquellen und den Verbreitungsmodus innerhalb der und gegebenenfalls zwischen den Einrichtungen durchgeführt. 62 Zusammenfassung: Abklärung und Beherrschung von NV-GastroenteritisHäufungen in gesundheitsversorgenden Einrichtungen Abklärung 1. Erkennen eines Noroviren-Ausbruchs 2. Einberufung eines Ausbruchsteams 3. Deskriptiv-epidemiologische Untersuchungen: Beurteilung der aktuellen Situation, aktive Fallsuche anhand der Falldefinition(en), Identifizierung von gemeinsamen Verbindungen, Generierung von Hypothesen über Ausbruchsquelle, Übertragungsketten, etc. 4. Komplementäre Untersuchungen: virologische Untersuchungen von suspekten Fällen, ggf. von inkriminierter Umgebung, Lebensmitteln oder Wasser 5. Ggf. analytisch-epidemiologische Testung der Hypothese Intervention 6. Implementierung geeigneter Kontrollmaßnahmen: Entfernung der initialen Ausbruchsquelle (falls noch vorhanden), Unterbrechung der Übertragungsketten (Entfernung oder Kontrolle von Infektionsquellen und Übertragungsvehikeln), Abschlussreinigung, Schlussdesinfektion Evaluation 7. Abschließende Evaluation Defizitanalyse und Dokumentation von Maßnahmen und Abläufen 63 Literatur 1 Lopman BA., Reacher MH, Vipond IB, Hill D, Perry C, Halladay T, Brown D W, Edmunds JW, Sarangi J (2004). Epidemiology and Cost of Nosocomial Gastroenteritis, Avon, England, 2002 – 2003. Emerging Infectious Diseases; 10: 1827 – 1834 2 Rockx B, de Wit M, Vennema H, et al (2002). Natural history of human calicivirus infection: a prospective cohort study. Clin Infect Dis; 35:246 – 53 3 Anonymous (2004). National Guidelines on The Management of Outbreaks of Norovirus Infection in Healthcare Settings. Viral Gastroenteritis Subcommittee of the Scientific Advisory Committee of the National Disease Surveillance Centre (NDSC), Republic of Ireland; ISBN 0-9540177-4-9 4 Graham DY, Jiang X, Tanaka T et al. (1994). Norwalk virus infection of volunteers: new insights based on improved assays. J. Infect Dis; 170:34 – 43 5 Lopman BA, Brown DW, Koopmans M (2002). Human caliciviruses in Europe. J Clin Virol. 2002 Apr;24(3):137 – 60 6 Fretz R, Svoboda P, Schmid H, Baumgartner A (2003). Durch Noroviren verursachte akute Gastroenteritis – eine Übersicht. Bull BAG, 46:828 – 833 7 Kaplan JE, Feldman R, Campbell DS, Lookabaugh C, Gary GW (1982). The frequency of a Norwalk-like pattern of illness in outbreaks of acute gastroenteritis. Am J Public Health; 72:1329 – 1332 8 Turcios RM, Widdowson M-A, Sulka A, Glass RI (2003). Reassessment of Kaplan’s criteria in identifying foodborne Norovirus outbreaks – United States, 1998 – 2000. Poster presentation, 41st annual meeting of IDSA, Oct. 9 – 12, San Diego 9 Koch J, Schneider T, Stark K, Schreier E (2006). Norovirusinfektionen in Deutschland. Robert Koch-Institut, Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 49:3, 296 10 Anonymous (2004). Investigation and Management of Norovirus Outbreaks in Long Term Care Facilities. Colorado Department of Public Health and Environment. Communicable Disease Epidemiology Program; available on (Stand 2005) http://www.cdphe.state.co.us/hf/download/Norovirus_guidelines.pdf 64 11 Hall JA, Goulding JS, Bean NH, Tauxe RV, Hedberg CW (2001). Epidemiologic profiling: evaluating foodborne outbreaks for which no pathogen was isolated by routine laboratory testing: United States, 1982 – 9. Epidemiol Infect; 127(3):381 – 387 12 Schneider T, Mankertz J, Jansen A, Schreier E, Zeitz M (2005). Norovirusinfektion – häufigste Ursache akuter Gastroenteritidien in den Wintermonaten Deutsches Ärzteblatt 38; A2551 – A2556 13 Chadwick R, Beards G, Brown D, Caul EO (2000). Report of the Public Health Laboratory Service viral gastro enteritis working group. Management of hospital outbreaks of gastro-enteritis due to small round structured viruses. J of Hospital Infection, 2000, 5: 1 – 10 14 Anonymous (2005. Noroviren. Biologische Merkmale, Epidemiologie, Klinik, Prävention. Empfehlungen zum Ausbruchs-Management. Bundesamt für Gesundheit, Bern, Schweiz. www.bag.admin.ch 15 Anonymous (2001). U.S. Department of Health and Human Services. CDC, Atlanta, Georgia. “Norwalk-Like Viruses”. Public Health Consequences and Outbreak Management. MMWR; 50:1 – 18 16 Anonymous (2004). Guidelines for the Management of Norovirus Outbreaks in Hospitals and Elderly Care Institutions, 2004. New Zealand 65 IV MASSNAHMEN BEI AUSBRÜCHEN IN KRANKENHÄUSERN UND EINRICHTUNGEN DER STATIONÄREN PFLEGE Wird bei einem Gastroenteritis-Ausbruch Norovirus als Ursache vermutet, sind unverzüglich spezifische Maßnahmen zur Ausbruchs-Kontrolle und -Eindämmung zu setzen, wobei das Ergebnis der mikrobiologischen Untersuchungen dafür nicht abgewartet werden soll. Implementierung von Kontroll-Maßnahmen Alle Krankenhäuser Österreichs und auch einige Einrichtungen der stationären Pflege in Österreich verfügen über Hygienefachkräfte und hygienebeauftragte Ärzte bzw. Krankenhaushygieniker. Das hat im Falle eines Ausbruchs – insbesondere bei einer hoch kontagiösen Infektionskrankheit wie der Norovirus-Gastroenteritis – den Vorteil, dass Personal, welches in infektionspräventiven Maßnahmen geschult ist, bereits vor Ort zur Verfügung steht. Krankenhäuser, zum Teil auch Einrichtungen der stationären Pflege, haben einen hohen Patientendurchsatz, welcher zur steten Erneuerung der Personengruppe Infektionsgefährdeter innerhalb der Einrichtung führt. Dieser Umstand erschwert eine rasche Ausbruchskontrolle in gesundheitsversorgenden Einrichtungen. Bei Ausbrüchen in Einrichtungen der stationären Pflege oder in Seniorenresidenzen ist für die Kommunikation mit den umliegenden Akutkrankenhäusern die Unterstützung durch die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde besonders hilfreich. Im Prinzip lassen sich beim NV-Ausbruch in einer gesundheitsversorgenden Einrichtung drei Schnittstellen definieren, an denen die Norovirus-Übertragung und -Verbreitung stattfindet und an denen die Kontrollmaßnahmen zu implementieren sind: 66 o Einbringung von Noroviren in die gesundheitsversorgende Einrichtung o Ausbreitung der Noroviren innerhalb des Bereiches, wo der Indexfall aufgetreten ist o Verbreitung der Noroviren von der „Indexstation“ zu anderen Stationen und Abteilungen / Bereichen innerhalb der gesundheitsversorgenden Einrichtung (intrainstitutionelle Ausbreitung) und darüber hinaus zu anderen Gemeinschaftseinrichtungen wie anderes Krankenhaus, Einrichtung der stationären Pflege oder Seniorenresidenz (interinstitutionelle Ausbreitung). Kontrollmaßnahmen lassen sich wie folgt einteilen: 1. Umgang mit dem Norovirus-Erkrankten 8 2. Management des Personals 3. Management der Besucher 4. Maßnahmen zur Unterbrechung der Infektions- / Übertragungskette 4.1. Händehygiene 4.2. Tragen von Mund-Nasen-Schutz 4.3. Tragen von Schutzschürze bzw. Schutzkittel 4.4. Reinigung und Desinfektion 4.5. Entsorgung von Erbrochenem und diarrhöischem Stuhl 4.6. Entsorgung von Erbrochenem und diarrhöischem Stuhl im Küchenbereich 4.7. Durchführung einer umfassenden Abschlussreinigung und Schlussdesinfektion 5. Unterbindung der Ausbreitung von NV-Ausbrüchen von der betroffenen gesundheitsversorgenden Einrichtung auf andere Gemeinschaftseinrichtungen (Verhinderung interinstitutioneller Verbreitung) 1. UMGANG MIT NOROVIRUS-ERKRANKTEN Ziel der spezifischen Betreuung von NV-Erkrankten in einem Krankenhaus oder einer Einrichtung der stationären Pflege ist es, die Übertragungskette so rasch als möglich zu unterbrechen, um somit weitere Fälle (sekundäre bzw. tertiäre Fälle) unter den Krankenhauspatienten/Heimbewohnern und dem Personal zu verhindern. Das heißt, es gilt die Verbreitung von Noroviren innerhalb des bereits betroffenen Bereiches aufzuhalten und die Ausbreitung auf nicht betroffene Bereiche zu verhindern. Dafür muss das Risiko eines direkten oder indirekten Kontaktes zwischen NV-Erkrankten und infektionsgefährdeten Krankenhauspatienten / Heimbewohnern, Personal und Besuchern auf ein Minimum reduziert werden (1). 8 Der „Norovirus-Erkrankte“ in der gesundheitsversorgenden Einrichtung inkludiert: die Krankenhaus-Neuaufnahme, den Krankenhaus-Patienten, den Patienten / Bewohner der Einrichtung der stationären Pflege 67 1.1. Isolierungsmaßnahmen und Hygienemaßnahmen Einzelisolierung oder Kohortenisolierung ✔ Die Person, die mit klinisch suspekter NV-Infektion (siehe 2.1. Falldefinition: klinisch vermuteter Fall) zur Aufnahme kommt, sollte in einem Einzelzimmer isoliert werden, bis eine NV-Infektion ausgeschlossen wurde (siehe „Diagnostik“). Handelt es sich um mehrere Verdachtsfälle, die aufgenommen werden, bietet sich eine Kohortenisolierung an (präventive Quellenisolierung). ✔ Ein Patient eines Mehrbettzimmers, der im Rahmen seines Aufenthaltes in der gesundheitsversorgenden Einrichtung das Krankheitsbild einer suspekten NV-Infektion entwickelt, sollte in ein Einzelzimmer verlegt werden. ✔ Die exponierten Zimmergenossen müssen als potentiell infiziert angesehen werden. Die Zimmergenossen sollten bis 48 Std. nach Isolierung des Indexfalles auf die für NV-Infektion typischen Beschwerden beobachtet werden und in dieser Zeitperiode keinesfalls innerhalb der Einrichtung oder in andere Gemeinschaftseinrichtungen verlegt werden. Neuaufnahmen in ein solches Zimmer sollten erst nach Abschlussreinigung und Schlussdesinfektion erfolgen. Die Zimmergenossen, die innerhalb des besagten Beobachtungszeitraumes typische Beschwerden einer Norovirus-Infektion entwickeln (siehe 2.1. Falldefinition), sollten isoliert werden [Einzelzimmer oder Kohorten-(Gruppen)isolierung mit dem Indexfall]. ✔ Für NV-Erkrankte sollten eigene Sanitäranlagen – Einzeltoiletten, Einzelnachtstühle oder, im Fall einer Kohortenisolierung, eine gemeinsame Toilette – zur Verfügung gestellt werden. Hygienemaßnahmen betrifft Patienten-Isolierungszimmer 68 o Untersuchungs-, Pflege- und Arzneiutensilien aller Berufsgruppen müssen für die gesamte Dauer der Isolierung im Zimmer verbleiben. o Untersuchungsutensilien [z. B. Blutdruckapparat, Stethoskop, Fieberthermometer (keine Rektalmessung) etc.] und Pflegeuntensilien sind ausschließlich patientenbezogen zu verwenden und soweit möglich unmittelbar nach jeder Nutzung einer Wischdesinfektion zu unterziehen. o Im Patienten-Isolierungszimmer sollten Matratzen mit vollständig umschließendem wischdesinfizierbaren Bezug oder mit einem thermisch aufzubereitenden Bezug verwendet werden. o Patienten-Leib- und Bettwäsche ist täglich zu wechseln; betreff Wäschewiederaufbereitung siehe Kap. IV, 4.4.3. Reinigung und Desinfektion von Textilien. o Wäsche ist gesondert in einem Wäschesack im Patienten-Isolierungszimmer zu sammeln. Die Wäsche sollte in den Wäschesack vorsichtig abgeworfen werden und beim ordnungsgemäßen Verschließen des Wäschesacks sollte darauf geachtet werden, dass die Wäsche so wenig als möglich gestaucht wird (Gefahr der Aerosolbildung!). Bei feuchter Wäsche ist der Wäschesammelsack in einem durchsichtigen, flüssigkeitsdichten Plastiksack zu transportieren. o Abfälle werden im Patienten-Isolierungszimmer gesondert gesammelt und entsprechend ÖNORM S 2104 als Abfälle entsorgt, die nur innerhalb des medizinischen Bereiches eine Infektions- oder Verletzungsgefahr darstellen können, jedoch nicht wie gefährliche Abfälle entsorgt werden müssen. o Waschschüsseln sind ausschließlich patientenbezogen zu verwenden; Waschschüsseln, Leibschüssel, Urinflaschen und Sauger sind unmittelbar nach jeder Nutzung einem thermischen Desinfektionsverfahren zuzuführen; ersatzweise kann eine Scheuer-Wisch-Desinfektion (Desinfektionsmittel siehe Appendix 2) erfolgen. o Geschirr kann in der Regel wie üblich der reinigenden thermischen Desinfektion zugeführt werden (Geschirrspüler). o Schutzkleidung (Einweghandschuhe, Schutzschürze und Schutzkittel, MundNasen-Schutzmaske) sollte vor dem Patienten-Isolierungszimmer bzw. in der Schleuse bereitgestellt sein. o Das Vorhandensein von ausreichender Menge an adäquaten Hände- und Flächendesinfektionsmitteln im betroffenen Bereich ist zu gewährleisten. o NV-Erkrankte sollten in der adäquaten Händehygiene [hygienische Händedesinfektion (Einwirkzeit!), bedarfsentsprechendes hygienisch korrektes Händewaschen sowie kontaminationsfreies Händetrocknen] unterwiesen werden, welche nach jedem Stuhlgang oder Erbrechen, sowie nach jedem Kontakt mit möglicherweise mit Norovirus kontaminiertem Umfeld durchzuführen ist (siehe dafür auch 4.1.2.). 69 1.2. Transporte von Patienten innerhalb der betroffenen Einrichtung 70 ✔ Transporte und Verlegungen von Norovirus-Erkrankten von betroffenen Bereichen zu anderen, nicht betroffenen Bereichen wie Stationen, Abteilungen oder Untersuchungsräumen innerhalb der Einrichtung sollten bis 48 Stunden nach Genesung des Brechdurchfalls auf essentielle Anlässe – wie interne und externe Diagnosemaßnahmen und medizinisch nicht aufschiebbare Maßnahmen – beschränkt werden. ✔ Bei nicht aufschiebbaren Transporten und Verlegungen von NV-erkrankten Patienten sollte eine frühzeitige Verständigung der „Empfängerstation“ über die Infektionsgefahr erfolgen, sodass rechtzeitig entsprechende Vorkehrungen wie Installierung von Räumlichkeiten für Patientenisolierung, Bereitstellung von Schutzkleidung und adäquatem Desinfektionsmittel, getroffenen werden können. ✔ Patienten verlassen den betroffenen Bereich nur nach Abstimmung mit dem zuständigen Arzt oder Rücksprache mit der stationsführenden Gesundenpflegefachkraft. ✔ Wenn möglich sollten generell Verlegungen von nicht-NV-erkrankten Patienten vom betroffenen Bereich in andere, nicht betroffene Bereiche frühestens 72 Stunden nach Auftreten des letzten NV-Erkrankungsfalles erfolgen (mit Ausnahme von unaufschiebbaren Anlässen). 1.3. Aufnahmesperre im betroffenen Bereich der Einrichtung ✔ ✔ Aufnahmesperren für die Station bzw. gesamte Abteilung (gegebenenfalls für das gesamte Krankenhaus) sollten in folgenden Situationen in Betracht gezogen werden: o Weiteres Auftreten von Norovirus-Erkrankten trotz vollständiger Implementierung der Ausbruchskontrollmaßnahmen. o Wenn unter den Neuaufnahmen eine hohe Anzahl an Personen mit Grundkrankheiten zu erwarten ist, die die Umsetzung der Kontrollmaßnahmen erschweren (Zuweisungen von Geriatriezentren, Pflegeheimen, neurologischen oder pädiatrischen Abteilungen, etc.) o Das hohe Personaldefizit durch Krankenstände als Folge von NorovirusInfektionen erschwert die Umsetzung der Kontrollmaßnahmen oder es kann eine adäquate Patientenbetreuung bei dem erhöhten Pflegeaufwand für die Norovirus-Erkrankten nicht mehr gewährleistet werden. Die Aufhebung der Aufnahmesperre der betroffenen Station / Abteilung (gegebenenfalls des betroffenen Krankenhauses) sollte zumindest nicht vor Ablauf von 72 Stunden nach Auftreten des letzten NV-Erkrankungsfalls erfolgen. Vor Wiedereröffnung hat eine ausführliche Abschlussreinigung und Schlussdesinfektion zu erfolgen (siehe Kap. IV, 4.7.). 1.4. Diagnostik Einsendung von Stuhlproben von NV-Verdachtsfällen an das Referenzlabor (von max. 5 Fällen pro betroffener Station) (siehe Kap. V.). 71 2. MANAGEMENT DES PERSONALS 2.1 Personalbewegungen und personalbezogene Maßnahmen ✔ Kohortenpflege der Norovirus-Erkrankten: Durch Zuordnung von Pflegepersonalgruppen zu Norovirus-Erkrankten und Vermeidung von Interimsvertretungen zwischen betroffenen und nicht betroffenen Bereichen kann während eines Ausbruchs die Exposition des Personals auf ein Minimum eingeschränkt werden. Wenn aus Personalgründen eine Kohortenpflege nicht durchführbar ist, dann soll für die regelmäßigen pflegerischen Tätigkeiten (Patienten-Grundpflege) der betroffene Bereich immer erst nach dem nicht betroffenen Bereich aufgesucht werden. ✔ Deutlich sichtbare Kennzeichnung für den betroffenen Bereich und Zugangsbeschränkung für stationsfremdes Personal. ✔ Stations- bzw. abteilungsfremdes Personal sollte sich vor Betreten des betroffenen Bereiches bei der stationsführenden Pflegefachkraft melden, in den speziellen Erfordernissen der Hygienemaßnahmen unterwiesen werden und Schutzkleidung anlegen (siehe dafür 4.1. – 4.3.). ✔ Konsiliarärzte sollten die betroffenen Bereiche immer erst nach den nicht betroffenen Bereich visitieren. Idealerweise ist Heilpersonal wie Diätologe, Physiotherapeut, Krankengymnastiker, etc. ebenfalls ausschließlich dem betroffenen Bereich zugeordnet (ist das aus Personalgründen nicht möglich, dann Vorgangsweise wie bei Konsiliarärzten). 72 ✔ Mitarbeiter betroffener Bereiche nutzen nach Möglichkeit speziell für sie reservierte Sozialbereiche und Toiletten. ✔ Nicht zwingend erforderliches Personal (z. B. Praktikanten) sollte den betroffenen Bereich nicht betreten. ✔ Das gesundheitsversorgende Personal und Reinigungspersonal trägt im Patienten-Isolierungszimmer bei jedem möglichen Kontakt mit dem NVErkrankten, dessen Bett sowie dessen manuell erreichbarer Umgebung und dessen Exkreten Einweghandschuhe und Schutzkittel bzw. Schutzschürze. ✔ Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes wird für den Umgang mit NorovirusErkrankten mit heftigem Erbrechen oder heftigem Durchfall empfohlen. 2.2 Umgang mit dem Norovirus-erkrankten Personal Der Verlust an Personalressource als Folge der Ausbreitung einer NV-Infektion kann zu einer beträchtlichen Arbeitsbelastung für das verbleibende Personal führen. Im Extremfall müssen Stationen gesperrt werden, da eine adäquate Patientenversorgung nicht mehr gewährleistet werden kann. Trotzdem ist das Arbeitsverbot für erkranktes Personal eine unverzichtbare Maßnahme für die Ausbruchsbeherrschung. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Virusbestandteile bis zu 2 – 3 Wochen nach Infektion im Stuhl ausgeschieden werden. Die infektionsepidemiologische Bedeutung dieser „Langzeit-Virusausscheidung“ ist derzeit noch unklar. Daher ist es nach heutigem Wissensstand nicht erforderlich, einen negativen mikrobiologischen Laborbefund als Voraussetzung für eine erneute Arbeitszulassung einzufordern (2, 3). ✔ Das Personal soll schon den Verdacht auf eine Norovirus-Infektion den Vorgesetzten melden. ✔ Das Personal soll darüber informiert werden, dass Erbrechen durch NV-Infektion oft sehr kurzfristig einsetzt und daher bei Einsetzen von Übelkeit der Arbeitsbereich sofort verlassen werden muss. ✔ Ein Arbeitsverbot soll für das erkrankte Personal bis mindestens 48 Std. nach Sistieren der Brechdurchfälle gelten; Händedesinfektion mit adäquatem Händedesinfektionsmittel (siehe Tabelle 7) sollte von betroffenem Personal noch bis 3 Wochen nach Krankheitsende nach jedem Toilettengang durchgeführt werden (4). ✔ Ratsam ist es, eine Dokumentation über das erkrankte Personal zu führen; zu erhebende relevante Daten sind: demographische Details, Art der Beschwerden, Erkrankungsbeginn und erneuter Arbeitsbeginn. ✔ Patienten / Heimbewohner, die Kontakt mit erkranktem Personal hatten, müssen als potentiell infiziert angesehen werden. Diese exponierten Personen sollten bis 48 Std. nach Kontakt mit dem NV-erkranktem Personal auf die für NV-Infektion typischen Beschwerden beobachtet werden und in dieser Zeitperiode keinesfalls innerhalb der Einrichtung oder in andere Gemeinschaftseinrichtungen verlegt werden (für weitere Vorgehensweise siehe Kap. IV, 1.1.) ✔ Das erkrankte Personal sollte zu Hause sowohl die Händedesinfektion als auch die Flächenreinigung / -desinfektion (wie Toilettenanlagen und sämtliche mit Erbrochenem / Durchfall verunreinigten Bereiche) anwenden, um einer „Haushaltstransmission“ vorzubeugen (Händedesinfektionsmittel und Flächendesinfektionsmittel siehe Kap. IV, 4 bzw. Tabellen 6, 7). 73 3. MANAGEMENT DER BESUCHER ✔ Information der Besucher über gehäuftes Auftreten von Brechdurchfällen (siehe Appendix 5). ✔ Besucher von Norovirus-Erkrankten sollten explizit auf die mögliche Menschzu-Mensch-Übertragung von Noroviren hingewiesen werden (siehe Appendix 4). ✔ Unterweisung der Besucher in den erforderlichen spezifischen Hygienevorschriften im betroffenen Bereich – insbesondere im Patienten-Isolierungszimmer. Ein Mitglied des dem Patienten-Isolierungszimmer zugeordneten Personals sollte während des Besuches die Einhaltung der Hygienemaßnahmen kontrollieren (wie Tragen der Schutzkleidung) und insbesondere darauf achten, dass vor Verlassen des Patienten-Isolierungszimmers eine adäquate Händedesinfektion durchgeführt wird. Diese direkte Aufsicht macht eine Einschränkung der Besuchszeit notwendig. 74 ✔ Besucher von NV-Erkrankten sollten in den darauf folgenden 2 Tagen Besuche in anderen Krankenhäusern oder sonstigen Einrichtungen der stationären Pflege wenn möglich unterlassen. ✔ Besucher sollten darauf hingewiesen werden, dass bei Auftreten von gastrointestinalen Beschwerden in deren Haushalten weitere Besuche in der gesundheitsversorgenden Einrichtung unterbleiben sollten (zumindest für 48 Std. nach Sistieren der Symptome). ✔ Kindern von NV-Erkrankten sollte vom Besuch generell abgeraten werden. Literatur 1 Anonymous (2005). RKI-Ratgeber Infektionskrankheiten – Merkblätter für Ärzte. Erkrankungen durch Noroviren. Epidemiologisches Bulletin 2005 2 Okhysen PC, Jiang X, Ye L, et al (1995). Viral shedding and fecal IgA response after Norwalk virus infection. J Infect Dis; 171:566 – 569 3 Rockx B, De Wit M, Vennema H Vinje J, De Bruin E, Van Duynhoven YKoopmans M. (2002). Natural history of human calicivirus infection: a prospective cohort study. Clin Infect Dis; 35:246 – 53 4 Jansen A, Beyer A, Brandt C, Höhne M, Schreier E, Schulzke J, Zeitz M, Schneider T. (2004). Die Norovirus-Epidemie in Berlin – Klinik, Epidemiologie und Prävention. Z Gastroenterol; 42:311 – 316 75 4. MASSNAHMEN ZUR UNTERBRECHUNG DER ÜBERTRAGUNGSKETTE 4.1. Händehygiene 4.2. Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken 4.3. Tragen von Schutzkittel/-schürze 4.4. Reinigung und Desinfektion 4.5. Entsorgung von Erbrochenem / diarrhoischem Stuhl 4.6. Entsorgung von Erbrochenem / diarrhoischem Stuhl im Küchenbereich 4.7. Durchführung einer umfassenden Abschlussreinigung und Schlussdesinfektion 4.1. Händehygiene Die Hände des Personals stellen ein wichtiges NV-Übertragungsvehikel bzw. eine häufige NV-Kontaminationsquelle dar, insbesondere in prolongierten und ausgedehnten institutionellen Ausbrüchen. Deshalb gilt die rigorose Einhaltung der Händehygiene als eine der wichtigsten Ausbruchskontrollmaßnahmen. Als Händehygiene werden in diesem Zusammenhang die Maßnahmen zum Schutz vor der händeassoziierten Übertragung bzw. Verbreitung von Noroviren auf den Infektionsgefährdeten und auf die Umgebung bezeichnet. Händehygienische Maßnahmen relevant im NV-Ausbruch o Tragen von nicht sterilen Einweghandschuhen o Hygienische Händedesinfektion o Hygienisch korrektes Händewaschen, kontaminationsfreies Händetrocknen Wegen der geringeren Keimzahlreduktion stellt das Händewaschen im NVAusbruch keine Alternative zur hygienischen Handedesinfektion dar (1–9). Wird zusätzlich zur hygienischen Handedesinfektion ein Händewaschen zur Reinigung erforderlich bzw. gewünscht, so ist diese, außer in Fallen sichtbarer Verunreinigung, nach der Handedesinfektion durchzuführen (1– 4). 76 4.1.1. Das Tragen von nicht sterilen Einweghandschuhen o Bei vorhersehbarer oder wahrscheinlicher Norovirus-Exposition wie bei Kontakt mit Norovirus-Patienten wahrend der Pflege sowie Versorgung und bei Kontakt mit dessen unbelebtem Umfeld, sowie auch bei Entsorgung von dessen Erbrochenem oder Stuhl oder Bett- und Leibwäsche etc., sind nicht sterile EinmalSchutzhandschuhe anzulegen. o Nach Beendigung der Tätigkeit sind die Einmalhandschuhe abzulegen und eine hygienische Händedesinfektion unbedingt durchzuführen, da Handschuhe keinen absolut sicheren Schutz vor einer Händekontamination bieten (Perforation, Kontamination beim Ablegen). o Die Kontamination der Umgebung durch bereits verunreinigte Handschuhe ist zu verhindern: Entsorgung der Einweghandschuhe als Abfall nach ÖNORM S 2104. Die Begrüßung „Händeschütteln“ ist in der Ausbruchsituation im betroffenen Bereich auf jeden Fall zu unterlassen. 4.1.2. Wann soll eine hygienische Händedesinfektion durchgeführt werden? Die Händedesinfektion (bei Bedarf zusätzliches Händewaschen/Händetrocknen) sollte nach allen Tätigkeiten erfolgen, die mit einem erhöhten Risiko für eine Kontamination der Hände mit Norovirus assoziiert sind (= „vermehrte/ intensivierte Händedesinfektion“) o unabhängig davon, ob Einmalhandschuhe korrekt getragen wurden o nach jedem Kontakt mit NV-Erkrankten (wie z. B. bei Pflege oder ärztlicher Versorgung), mit deren unbelebtem Umfeld: patientenbezogene Gegenstande (Hygieneartikel, Untersuchungs-, Pflegeutensilien, etc.), Patientenkontaktflächen o mit deren Bekleidung, Schmutzwäsche, Waschlappen, Leintücher o o 77 o nach Kontakt mit möglicherweise virushaltigen Exkreten (Stuhl oder Erbrochenem von NV-Erkrankten) o nach Umgang mit oder Berührung von sichtbar oder wahrscheinlich kontaminierten Textilien des betroffenen Bereiches: Vorhange, Tischdecken, Teppiche, Stuhlbezuge o nach Reinigung / Desinfektion von Sanitäranlagen des betroffenen Bereiches o nach Reinigung / Desinfektion von Flächen und Gegenständen, die mit Stuhl oder Erbrochenem von Norovirus-Erkrankten sichtbar oder wahrscheinlich verunreinigt waren o nach Umgang mit Reinigungsutensilien, welche in der mit Noroviren verunreinigten Umgebung eingesetzt wurden o nach Ausziehen der Einmalhandschuhe oder anderer Schutzbekleidung nach Tätigkeiten im Patienten-Isolierungszimmer oder in anderen (potentiell) kontaminierten Bereichen o vor Verlassen des vom NV-Ausbruch betroffenen Bereiches (z. B. Patienten-Isolierungszimmer, Station, Abteilung) o darüber hinaus bei jeder groben Händekontamination mit Ausscheidungen von NV-Erkrankten nach dem erforderlichen hygienisch korrekten Händewaschen o vor Umgang mit Lebensmitteln wie Essenszubereitung oder Essensverteilung im betroffenen Bereich 4.1.3. Hygienische Händedesinfektion – Händedesinfektionsmittel Uberprüfungen der viruziden Wirksamkeit von Präparaten zur hygienischen Händedesinfektion erfolgen im quantitativen Suspensionsversuch sowie auch an der künstlich kontaminierten Hand (i.e. Fingerkuppentest 9) (10). Da humane Noroviren in Tiermodellen oder Zellkulturen nicht vermehrt werden können, sind Wirksamkeitsprüfungen an humanen Noroviren selbst nicht durchführbar. 9 78 Fingerkuppentest nach der Standardtestmethode der American Society for Testing and Materials (ASTM Standard E 1838-02) Feline Caliciviren (FCV) wurden häufig als das Ersatz-(Surrogat)virus für humane Noroviren in der Wirksamkeitsprüfung von Desinfektionspräparaten eingesetzt. Es wurde die Wirksamkeit verschiedener reiner Alkohole in unterschiedlicher Konzentration an FCV im Suspensionsversuch und Fingerkuppenversuch untersucht (11). Äthanol und 1-Propanol zeigten die beste Wirksamkeit, wobei in den Versuchen mit kontaminierten Fingerspitzen sowie auch in den Suspensionsversuchen 70 %-Lösungen wirksamer waren als die 90 %-Lösungen. Die Versuche wurden ohne Eiweis- (Rinderserumalbumin) oder Serumbelastung (fötales Kälberserum) durchgeführt. Es liegen auch Ergebnisse von Versuchen mit klinisch relevanter Belastung (5 % Stuhlsuspension) vor. Hier zeigte sich ein Präparat mit 95 % Äthanol besser wirksam als andere mit 80 % bzw. 75 % Äthanol (12). Auch erwies sich ein Präparat mit 95 % Äthanol im Vergleich zu 70 % Äthanol bzw. 70 % 1-Propanol als besser wirksam (12). Diese experimentell erworbenen Erkenntnisse decken sich mit epidemiologischen Hinweisen, dass Ausbruche mit Noroviren durch die Verwendung von Präparaten mit 95 %igem Äthanol (als Teil eines Maßnahmenpaketes zur NV-Ausbruchsbeherrschung) erfolgreich begrenzt werden konnten (13 – 15). Der Anteil der jeweiligen Einzelmaßnahmen für das Zustandekommen dieses Erfolges ist nicht näher beschrieben. Für humane Noroviren werden als Händedesinfektionsmittel von der Autorengruppe Präparate empfohlen, die nach ihrem Wissenstand (Septmeber 2006) mindestens eine nachweisliche Wirksamkeit unter angemessener Belastung (z. B. „dirty conditions“ nach Europäischen Normen) gegen Polio- und Adenoviren haben (gemäß EN 14476) (Tabelle 7). Eine Testung mit Serum als einziger Belastung ist nicht empfehlenswert, wie Ergebnisse einer multivariaten Analyse verschiedener Arten von Belastung verdeutlichen (12). ✔ Die Desinfektion sollte ausschließlich auf trockenen Händen erfolgen. ✔ In Fällen grober Verunreinigung sollte hygienisch korrektes Händewaschen vor der hygienischen Händedesinfektion erfolgen. ✔ Alkoholische Desinfektionsmittel: Händedesinfektionsmittel mit geprüfter Wirksamkeit gegen unbehüllte Viren (zumindest gegen Poliound Adenoviren) sind empfohlen. (siehe Tabelle 7; Händedesinfektionsmittel mit Angaben zu Handelsnamen, Einwirkzeit, Hersteller) 79 Durchführung der hygienischen Handedesinfektion: Die hygienische Händedesinfektion ist so durchzuführen, dass die Kontaminationsflora noch auf den Händen weitgehend abgetötet wird. Das Händedesinfektionsmittel soll kontaminationsfrei (Ellbogentechnik/Assistenz) dem Desinfektions-(Wand-/Bett)-Spender entnommen werden (Portionsgröße ca. 3 ml). Die Hände werden mit der Lösung mittels adäquater Technik 10 eingerieben und während der vorgeschriebenen Einwirkungszeit (Einwirkungszeit siehe Angaben des Herstellers bzw. Tabelle 7) feucht gehalten (bei Bedarf entsprechend weitere Portionen entnehmen). Wird zusätzlich zur hygienischen Händedesinfektion Händewaschen zur Reinigung erforderlich od. gewünscht, darf dem auf den Händen verteilten Desinfektionsmittel Wasser erst nach Ablauf der für die Desinfektion vorgesehenen Einwirkungszeit zugesetzt werden. Wird zusätzlich zur hygienischen Händedesinfektion ein Händewaschen zur Reinigung erforderlich bzw. gewünscht, so ist diese im Allgemeinen nach der Händedesinfektion durchzuführen. Bei grober Verunreinigung sollte das Händewaschen vor der Händedesinfektion erfolgen. 4.1.4. Hygienisch korrektes Händewaschen Durchführung des hygienisch korrekten Händewaschens (6, 16) o Händewaschen bei Waschbecken mit kontaminationsfreier Bedienungsmöglichkeit der Wasserarmaturen (falls vorhanden) o Falls erforderlich, Hände mit Einweghandtuch vorreinigen; das benutzte Einweghandtuch kontaminationsfrei entsorgen gemäß ÖNORM S 2104 o Wasserarmatur ohne Kontakt mit den beschmutzten Händen öffnen o Für das Zureichen von Einwegtüchern und das Öffnen bzw. Schließen der Wasserarmatur ist eine assistierende Person wünschenswert o Die Hände werden zunächst vorsichtig abgespült (Hände dabei tiefer als Ellenbögen!), dann erfolgt die Entnahme von Seifenlotion aus dem Wandspender mittels Ellenbogentechnik (keine Verwendung von Fest- bzw. Stückseife) 10 80 siehe Quelle: www.meduniwien.ac.at / krankenhaushygiene o Hände werden mit Seifenlotion unter Anwendung der geeigneten Händewaschtechnik 11 gewaschen. Es ist sicherzustellen, dass die Umgebung sowie die Kleidung nicht bespritzt werden. o Um Hautreizungen auszuschließen, ist die Waschlotion mit Wasser vollständig von der Haut abzuspülen. o Die Hände sind unmittelbar im Anschluss an das Händewaschen vollständig zu trocknen (siehe unten 4.1.5.). o Gegebenfalls müssen (potentiell) kontaminierte Bereiche des Waschbeckens bzw. dessen Umfeld und die Wasserarmatur einer anschließenden WischDesinfektion unterzogen werden. 4.1.5. Kontaminationsfreies Händetrocknen Nasse Hände übertragen Mikroorganismen effizienter als trockene Hände (7). Es sind vorzugsweise Einwegtücher wie Einmal-Papierhandtücher oder Einmal-Textilhandtücher bzw. Textilhandtuchrollen zur einmaligen Benutzung (geeigneter Rollhandtuchautomat erforderlich) einzusetzen, da bei mehrmaliger Benutzung von Handtüchern diese zur Kontaminationsquelle werden können. Jedenfalls sind keine Gemeinschaftshandtücher zu verwenden. Tabelle 2: Händetrocknung nach Händewaschen; geeignete Vorgehensweise (17, 18) 11 Trocknungsmethode Empfohlene Vorgangsweise Trocknungszeit Kommentare EinmalTextilhandtuch Reibe die nassen Hände nacheinander in zwei Handtuchabschnitten für jeweils 10 sek. trocken 20 sek. Reiben im Handtuchabschnitt 1 soll den Großteil des Wassers entfernen, Reiben im Abschnitt 2 die vollständige Trocknung erzielen EinmalPapierhandtuch Reibe die nassen Hände nacheinander in 2 EinmalPapierhandtücher für jeweils 10 sek. trocken 20 sek. Reiben im Handtuch 1 soll den Großteil des Wassers entfernen, Reiben im Handtuch 2 die vollständige Trocknung erzielen siehe Quelle: www.meduniwien.ac.at / krankenhaushygiene 81 4.2. Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken Der Mund-Nasen-Schutz dient der Vorbeugung der Aufnahme virushaltiger Aerosole oder Tröpfchen. Obwohl bis vor kurzem Mund-Nasenschutz nicht empfohlen wurde, wird neuerdings das Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken jenen Mitarbeitern empfohlen (19, 20), die 82 o Kontakt zu (potentiell) erbrechenden oder diarrhöischen NV-Erkrankten haben o mit der Beseitigung von Ausscheidungen von NV-Erkrankten oder o mit der Reinigung / Desinfektion des Umfeldes von NV-Erkrankten beschäftigt sind. 4.3. Tragen von Schutzkittel/ -schürzen o Tragen von Schutzkitteln (= langarmige, nach hinten schließende Überkitteln mit Arm- und Halsbündchen) ist bei Tätigkeiten in der manuell erreichbaren Patientenumgebung und bei allen pflegerischen, diagnostischen und therapeutischen Tätigkeiten am NV-Erkrankten empfohlen. o Nicht kontaminierte Schutzkittel verbleiben für die Dauer der Schicht dem NV-Erkrankten zugeordnet. Im (Zweifels-) Fall einer möglichen Kontamination ist der benutzte, wiederaufbereitbare Schutzkittel unmittelbar nach Nutzung in den Wäschesammler des Patienten-Isolierungszimmer abzuwerfen (betreff TextilWiederaufbereitung, siehe Kap. IV, 4.4.3.) Ein Einmalschutzkittel ist unmittelbar nach der Nutzung in den Abfallsammler des Patienten-Isolierungszimmer zu werfen und nach ÖNORM S 2104 zu entsorgen. o Einwegkunststoffschürzen sind unmittelbar nach der Nutzung in den Abfallsammler des Patienten-Isolierungszimmer zu werfen und nach ÖNORM S 2104 zu entsorgen (19 – 22). 83 4.4. Reinigung und Desinfektion 4.4.1. Begriffsbestimmung Hausreinigung und Desinfektion des unbelebten Umfeldes im Krankenhaus und anderen gesundheitsversorgenden Einrichtungen dienen sowohl der Sauberkeit als auch der Infektionsverhütung bzw. Eindämmung institutioneller Ausbrüche wie auch jener durch Noroviren (23). Unter Reinigung wird der Prozess der Entfernung von Verunreinigungen (z. B. Staub, chemische Substanzen, Mikroorganismen, organische Substanzen) meist unter Verwendung von Wasser mit reinigungsverstärkenden Zusätzen (wie Detergentien oder enzymatischen Produkten) verstanden, ohne dass bestimmungsgemäß eine Abtötung / Inaktivierung von Mikroorganismen stattfindet bzw. beabsichtigt ist. Ziel der Desinfektion ist definitionsgemäß die Verminderung der Anzahl pathogener oder fakultativ pathogener Mikroorganismen. Im Hinblick auf Häufigkeit und Umfang der Desinfektion wird zwischen routinemäßiger und gezielter Desinfektion unterschieden. Die routinemäßige Desinfektion wird auch als „laufende Desinfektion“, „prophylaktische Desinfektion“ oder „Desinfektion am Krankenbett“ bezeichnet. Diese erstreckt sich auf Flächen, von denen zu vermuten oder anzunehmen ist, dass diese mit erregerhaltigem Material kontaminiert werden können, ohne dass dies im Einzelfall erkennbar oder sichtbar ist. Gezielte Desinfektionsmaßnahmen sind solche bei: ✔ Erkennbarer Kontamination Erkennbare Kontaminationen von Flächen können durch Faeces, Vomitus, und andere Ex- und Sekrete verursacht sein. ✔ Schlussdesinfektion Die Schlussdesinfektion erfolgt in Bereichen / Räumen, die zur Pflege oder Behandlung eines infizierten bzw. mit Erregern kolonisierten Patienten dienten. Durch die Desinfektion soll der Bereich / Raum so wiederaufbereitet werden, dass keine Infektionsgefährdung für nachkommende Patienten besteht. ✔ Ausbruchsituationen In Ausbruchsituationen dient die gezielte Desinfektion der Verhütung der Ausbruchsausbreitung; sie entspricht einer „vermehrt eingesetzten“ prophylaktischen Desinfektion. ✔ 84 Auftreten spezieller Erreger wie Noroviren 4.4.2. Reinigung und Desinfektion von Flächen, Gegenständen, Instrumenten NV sind sehr umweltresistent: durch Säure und Äther werden sie nicht inaktiviert. Es liegen Ergebnisse von Untersuchungen über die Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln und -verfahren mit felinen Caliciviren (FCV) vor. Kurzkettige Alkohole, vor allem Äthanol in Konzentrationen zwischen 50 – 70 % zeigen bei Raumtemperatur und einer Einwirkzeit von 10 min. gegenüber Caliciviren keine Wirkung. 5 %iges Formaldehyd und 1 – 2 %iges Glutardialdehyd sind gegen FCV bei Raumtemperatur innerhalb von 10 min. wirksam. In der Untersuchung von Doultree et al konnten FCV bei 56 °C nach 60 min. bei 70 °C nach 5 min. und bei 100 °C nach 1 min. komplett inaktiviert werden (23 – 25). Im Gegensatz zu felinen Caliciviren lässt sich das humane Norovirus in Zellkulturen nicht vermehren und kann daher für Wirksamkeitsprüfungen von Desinfektionsmitteln und -verfahren nicht verwendet werden. Wegen der Unterschiedlichkeit im Feinbau der humanen NV und der felinen Caliciviren, der hohen zu erwartenden Norovirus Konzentration in Patientenmaterialien, die in einem FCV-Testverfahren nicht berücksichtigt werden kann und wegen deutlicher Unterschiede in der Sensitivität gegenüber inaktivierenden Einflüssen, hat das FCV als Testvirus für NV keine allgemeine Anerkennung gefunden. Für humane Noroviren werden von der Leitlinien-Autorengruppe als Flächenund Instrumentendesinfektionsmittel jene Präparate empfohlen, die nach ihrem Wissenstand (September 2006) zumindest gegen Polioviren und Adenoviren (gemäß EN 14476) geprüft wirksam sind (siehe Tabelle 6a/ 6b). Es eignen sich Präparate auf der Basis von Natriumhypochlorit (Chlorverbindungen), Aldehyden oder Sauerstoffabspalter (wie Perverbindungen) (26): meistens kommen für die Flächendesinfektion Präparate auf Aldehydbasis zur Anwendung. Es ist zu bedenken, dass Sauerstoffabspalter einen beachtlichen Eiweißfehler zeigen, d.h. in Gegenwart von Blut können sie eine erheblich reduzierte virusinaktivierende Wirkung zeigen (25). 85 86 o Patientenkontaktflächen wie patientennahe Oberflächen (von Nachttisch, Bettgestell, Trapez etc.) und patientennahe Gegenstände (Nachttischlampe etc.) sowie auch Fußboden, Waschbecken, Wasserhahn etc. sollen zumindest 1x täglich, Türschnallen (innen / außen) vom PatientenIsolierungszimmer mehrmals täglich einer Wisch-Desinfektion unterzogen werden. o Patientenbezogene Gegenstände wie z. B. Waschschüsseln, Leibschüssel, Urinflaschen sind unmittelbar nach jeder Nutzung einem thermischen Desinfektionsverfahren zuzuführen; Untersuchungsutensilien wie z. B. Blutdruckapparat, Stethoskop und Pflegeartikel sind soweit möglich nach Nutzung einer Wischdesinfektion zu unterziehen. o Der den NV-Erkrankten zugeordnete Sanitärbereich [Toilettendeckel, -sitzrahmen, Armaturen, Handläufe, Fußboden, Türschnalle (außen und innen), Toilettenpapier-Halterungsvorrichtung, etc.] soll mindestens 2x täglich einer Wisch-Desinfektion unterzogen werden; bei sichtbarer Kontamination ist eine gezielte Reinigung mit anschließender Desinfektion durchzuführen (siehe Kap. IV, 4.5.). o Im gesamten betroffenen Bereich (d. h. über Patienten-Isolierungszimmer hinaus) gilt die Empfehlung zur erhöhten Frequenz der Routinedesinfektion (Türschnallen, Handläufe, Bedienerelemente sollten mehrmals täglich desinfiziert werden!). o Bei Verunreinigung mit Erbrochenem oder Stuhl von NV-Erkrankten soll unmittelbar nach dem Ereignis die Reinigung / Desinfektion (Eintrocknung vermeiden!) (siehe Details unter 4.5.) erfolgen. o Verwendung von Flächendesinfektionsmitteln mit geprüfter Wirksamkeit gegen unbehüllte Viren (zumindest gegen Polio- und Adenoviren). Für eine effektive Flächendesinfektion ist die Einhaltung der für wirksam erachtete Relation von Gebrauchskonzentration und Einwirkzeit erforderlich (Tab. 6a / b). o Reinigungstextiltücher sind jeweils für ein Zimmer zu verwenden und nach Gebrauch einem desinfizierenden Waschverfahren zu unterziehen (siehe dazu Kap. IV, 4.4.3.). 4.4.3. Reinigung und Desinfektion von Textilien Textilien o Bett- und Leibwäsche soll vorsichtig in dem Schmutzwäschesack im PatientenIsolierungszimmer abgeworfen und dieser geschlossen (ggf. in einem durchsichtigen, flüssigkeitsdichten Plastiksack) transportiert werden; die kontaminierte Wäsche soll entweder einem chemo-thermischen (bei ≥ 60 °C) oder einem thermischen Desinfektionswaschverfahren (bei ≥ 90 °C) unterzogen werden. o Pölster, Tischtücher, Vorhänge wie Bett- und Leibwäsche aufbereiten nach Vorgangsweise wie oben beschrieben. o Textilien, die mit max. 30 °C waschbar sind, vor dem Waschvorgang in adäquates Desinfektionsmittel einlegen o Teppiche o sichtbare Verunreinigung mit heißem Wasser und Detergenz unter Zuhilfenahme von Papiereinwegtüchern entfernen (Einwegtuch kontaminationsfrei entsorgen), danach entweder eine chemische Desinfektion oder Dampfreinigung durchführen. o Natriumhypochlorit ist zur Desinfektion von Teppichen bzw. Textileinrichtungs-Gegenständen nicht immer geeignet. Es bedarf einer langen Einwirkungszeit und viele Textilien und Teppiche sind nicht bleichungsresistent. o Dampfreinigung ist für hitzeresistente Teppiche bzw. Textilien geeignet. o Vom Einsatz von Staubsaugern (Vakuumreinigung) wird abgeraten (21, 22). 87 4.5. Entsorgung von Erbrochenem und diarrhöischem Stuhl Tabelle 3: Vorgangsweise bei der Entsorgung von Erbrochenem und diarrhöischem Stuhl zum Schutz jener, die die Reinigung durchführen, und zur Verhinderung von Erregerdissemination. Nicht zwingend erforderliches Personal soll sich unverzüglich aus dem verunreinigten Bereich entfernten. Anzahl der Personen, die für den Reinigungs- / Desinfektionsprozess eingesetzt werden, soll auf ein Minimum beschränkt sein; im Idealfall sollte besonders geschultes Reinigungspersonal bereit stehen. Tragen von nicht sterilen Schutzhandschuhen, Schutzkitteln / -schürzen, MundNasen-Schutz. Überständige Flüssigkeit von Stuhl oder Erbrochenem zuerst mit Einweg-Tüchern mit hoher Flüssigkeitsaufnahmefähigkeit entfernen (vermeide Wischen wegen Verbreitungsgefahr und Gefahr der Aerosolbildung!), verbleibendes organisches Material (Stuhl bzw. Erbrochenes) mit einem in geeignetem Flächendesinfektionsmittel (siehe Tabelle 6a) getränkten Einwegtuch aufnehmen. Die Tücher gemäß ÖNORM S 2104 entsorgen. Verschmutzter Bereich wird mit heißem Wasser plus reinigungsverstärkenden Zusätzen (z. B. Detergenzien oder enzymatische Produkte) vollständig gereinigt. Nach der Reinigung soll der Bereich mit geeignetem Flächendesinfektionsmittel unter Einhaltung der Konzentrations-Zeit-Relation desinfiziert (Tab. 6a) werden. Mit den verwendeten Feuchtwischbezügen und Reinigungstextiltücher wie mit kontaminierter Wäsche verfahren. Bei mit Ausscheidungen verschmutzten Teppichen, Vorhängen, Tischtüchern, Bett- und Leibwäsche vorgehen wie unter 4.4.3. beschrieben; gewählte Verfahren sollen materialverträglich sein Handelt es sich bei dem verunreinigten Bereich nicht um Patienten-Isolierungszimmer, sondern um allgemein zugängliche Räume (z. B. Sozialraum, Aufzug, Stiegenhaus etc.) müssen sämtliche Oberflächen und Einrichtungsgegenstände einer desinfizierenden Reinigung unterzogen werden. Nach Beendigung der Reinigungs- und Desinfektionstätigkeit ist die Schutzbekleidung abzulegen und eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen, erforderlichenfalls (z. B. bei sichtbarer Verunreinigung) auch ein Händewaschen vor der Händedesinfektion vorzunehmen. 88 4.6. Entsorgung von Erbrochenem und diarrhöischem Stuhl im Küchenbereich Potentiell inifzierte oder an Norovirus erkrankte Mitarbeiter dürfen die Küche nicht betreten (bis 48 Std. nach infektiöser Exposition bzw. bis 48 Std. nach Ende der Beschwerden der Gastroenteritis). Kommt es dennoch zu Erbrechen oder Durchfall in diesem Bereich, wird folgende Vorgehensweise empfohlen: Tabelle 4: Vorgangsweise bei Verunreinigung des Küchenbereichs durch Erbrochenes oder Stuhl. Vorgangsweise wie zuvor in Tabelle 3 beschrieben. Bei Desinfektion der Oberflächen sollen auch die vertikalen Oberflächen mit berücksichtigt werden. Alle sichtbar durch Stuhl oder Erbrochenes verunreinigten Lebensmittel, alle wahrscheinlich kontaminierten Lebensmittel, alle Lebensmittel, die von an NV-Infektion erkrankten Küchenmitarbeitern angefasst wurden, müssen entsprechend ÖNORM S 2104 als Abfälle entsorgt werden. Das Ereignis eines Erbrechens oder Durchfalls mit wahrscheinlicher Kontamination von Lebensmitteln mit Norovirus muss dem verantwortlichen Küchenleiter unverzüglich berichtet werden. 89 4.7. Durchführung einer umfassenden Abschlussreinigung und Schlussdesinfektion Nach welchem Zeitraum im Anschluss an den zuletzt aufgetretenen NV-Erkrankungsfall ist mit keinem weiteren Fall zu rechnen? 72 Std. nach Genesung des zuletzt erkrankten Patienten Der ideale Zeitpunkt für Abschlussreinigung und Schlussdesinfektion ist 72 Std. nach Genesung des zuletzt erkrankten Falles 12. Falls diese Empfehlung aus logistischen Gründen nicht umsetzbar ist: Abschlussreinigung und Schlussdesinfektion sollte zumindest nicht früher als 72 Std. nach Erkrankungsbeginn des zuletzt aufgetretenen Falles durchgeführt werden 13. 90 12 Berechnung durch folgende Maßzahlen: max. Zeitraum der Infektiosität über Ende der Beschwerden hinaus: bis 48 h; häufigste Inkubationsperiode: 24 h: 48 h + 24 h = 72 h nach Genesung 13 Berechnung durch folgende Maßzahlen: Zeitraum höchster Virusausscheidung nach Infektion entspricht typischer Dauer der Beschwerden: 48 h; häufigste Inkubationsperiode: 24 h: 48 h + 24 h = 72 h nach Erkrankungsbeginn Literatur Siehe auch Quellen-Leitlinien Appendix 9 1 Cookson B, Teare L, May D (2001). Draft hand hygiene standards. Journal of Hospital Infection; 49:153 2 Girou E, Loyeau S, Legrand P (2002). Efficacy of hand rubbing with alcohol based solution versus standard hand washing with antiseptic soap: randomised clinical trial. British Medical Journal; 325:362 – 365 3 Parienti J, Thibon P, Heller R (2002). Hand-rubbing with an aqueous alcoholic solution versus traditional surgical hand scrubbing and 30-day surgical site infection rates. A randomised equivalence study. Journal of the American Medical Association; 288:722 – 727 4 Jansen A, Beyer A, Brandt C, Höhne M, Schreier E, Schulzke J, Zeitz M, Schneider T (2004). Die Norovirus-Epidemie in Berlin – Klinik, Epidemiologie und Pr.vention. Z Gastroenterol; 42: 311 – 316 5 Rotter ML (2001). Arguments for alcoholic hand disinfection. J Hosp Infect; 48 Suppl A:S 4 – 8 6 Aspöck Ch. Allgemeine Hygienemaßnahmen. In: Flamm H, Rotter M, eds. Angewandte Hygiene in Krankenhaus und Arztpraxis. Wien: Wilhelm Maudrich, 1999 7 Jernigan J A, Lowry BS, Hayden FG, Kyger SA, Conway BP, Groschel DH, Farr BM (1993). Adenovirus type 8 epidemic keratoconjunctivitis in an eye clinic: risk factors and control. J. Infect Dis; 167:1307 – 1313 8 Kampf G, Kramer A (2004). Epidemiologic Background of Hand Hygiene and Evaluation of the Most Important Agents for Scrubs and Rubs. Clinical microbiology Reviews; 17 (4):863 – 893 9 Samadi A. R., Huq MI, Ahmed QS (1983). Detection of rotavirus in handwashings of attendants of children with diarrhoea. Br. Med. J; 286:188 10 Anonymous (2002). American Society for Testing Materials (ASTM). A standard test for determining the virus-eliminating effectivenesss of liquid handwash agents using the fingerpads of adult panelists. Designation: E-1838-02. West Conshohocken, PA: ASTM: 2002. 11 Gehrke C, Steinmann J, Goroncy-Bermes P (2004). Inactivation of feline calicivirus, a surrogate of norovirus (formerly Norwalk-like viruses), by different types of alcohol in vitro and in vivo. J Hosp Infect; 56:49 – 55 12 Kampf G, Grotheer D, Steinmann J (2005). Efficacy of three ethanol-based hand rubs against feline calicivirus, a surrogate for norovirus. J Hosp Infect; 60(2):144 – 149 91 13 Khanna N, Goldenberger D, Graber P, Battegay M, Widmer AF (2003). Gastroenteritis outbreak with norovirus in a Swiss university hospital with a newly identifed virus strain. J Hosp Infect; 55(2):131 – 136 14 Simon A, Schildgen O, Eis-Hubinger A, Hasan C, Bode U, Buderus S, Engelhart S, Fleischhack G (2006) Norovirus outbreak in a pediatric oncology unit. Scand J Gastroenterol; 41(6):693 – 699 15 Schmid D, Lederer I, Pichler AM, Berghold C, Schreier E, Allerberger F., 2005 An outbreak of Norovirus infection affecting an Austrian nursing home and a hospital. Wien Klin Wochenschr; 117(23 – 24):802 – 808 16 Teare L, Cookson B, Stone S, Stanwell-Smith R, French G, Gould D, Jenner EA, Jeanes A, May D, Pallett A, Schweiger M, Scott G (2001). Handwashing: answering questions and pursuing compliance. J Hosp Infect; 48 (3):244 – 5 17 Patrick D, Findon G, Miller T (1997). Residual moisture determines the level of touch-contact associated bacterial transfer following hand washing. Epidemiology and Infection; 119:319 – 325 18 Miller T, Patrick D (2001). Hand Decontamination: a comparative analysis of hand washing practices. Epidemiology and Infection; submitted for publication. 19 Anonymous (2001). Norwalk-Like Viruses. Public Health Consequences and Outbreak management. CDC MMWR; 50: RR-9 20 Anonymous (2005). RKI-Ratgeber Infektionskrankheiten – Merkblätter für Ärzte. Erkrankungen durch Noroviren. Robert Koch Institut Berlin 21 Anonymous (2002). Informationen zum Management von Ausbrüchen durch Norwalk-ähnliche Viren. Robert Koch Institut. Epi Bull; 47:396 – 397 22 Anonymous (2003) Noroviren. Biologische Merkmale, Epidemiologie, Klinik, Prävention, Empfehlungen zum Ausbruchs-Management. Bundesamt für Gesundheit 3003 Bern (Schweiz) www.bag.admin.ch 23 Anonymous (2004). Anforderungen an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen. Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut (RKI). Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch-Gesundheitsschutz; 47:51 – 56 24 Doultree JC, Druce JD, Birch CJ, Bowden DS, Marshall JA (1999). Inactivation of feline calicivirus, a Norwalk virus surrogate. J Hosp Infect; 41:51 – 57 25 Rheinbaben F, Wolff MH (2002). Handbuch der viruswirksamen Desinfektionen. Berlin, Heidelberg, New York: Springer 26 Scott FW (1980) Virucidal disinfectants and feline viruses. Am J Vet Res; 41:410 – 414 92 5. UNTERBINDUNG DER AUSBREITUNG VON NV-AUSBRÜCHEN AUF ANDERE GEMEINSCHAFTSEINRICHTUNGEN Verhinderung interinstitutioneller Ausbreitung (1 – 4) ✔ Verlegungen bzw. Entlassungen von Norovirus-Erkrankten in andere Gemeinschaftseinrichtungen (anderes Krankenhaus, Seniorenresidenz, Pflegeheim, Hospiz) sollten bis 48 Stunden nach Sistieren des Brechdurchfalls auf essentielle Anlässe – wie externe, medizinisch nicht aufschiebbare Maßnahmen – beschränkt werden. ✔ Bei nicht aufschiebbaren Transporten und Verlegungen von NV-Erkrankten sollte eine frühzeitige Verständigung der „Empfängereinrichtung“ über die Infektionsgefahr erfolgen, sodass rechtzeitig entsprechende Vorkehrungen wie Einrichtung von Patienten-Isolierungszimmern, Bereitstellung von Schutzkleidung und adäquaten Desinfektionsmitteln, getroffen werden können. ✔ Entlassungen oder Verlegungen aus betroffenen Abteilungen in andere Gemeinschaftseinrichtungen (z. B. Rehabilitations-Kliniken, Seniorenresidenzen, Pflegeheime) sollten erst 72 Stunden nach Auftreten des letzten Erkrankungsfalles erfolgen (siehe Kap. 1.2.). Hiervon ausgenommen sind Patienten, die nach einer Norovirus bedingten Gastroenteritis bereits > 48 Std. genesen sind (siehe oben). ✔ Besucher von Norovirus-Infektionsfällen sollten angehalten werden, in den folgenden 2 Tagen Besuche von Personen in anderen gesundheitsversorgenden Einrichtungen zu unterlassen. 93 Literatur 94 1 Anonymous (2004). Viral Gastroenteritis Subcommittee of the Scientific Advisory Committee of the National Disease Surveillance Centre. National Guidelines on The Management of Outbreaks of Norovirus Infection in Healthcare Settings 2 Chadwick R, Beards G, Brown D, Caul EO (2000). Report of the Public Health Laboratory Service viral gastro enteritis working group. Management of hospital outbreaks of gastro-enteritis due to small round structured viruses. J of Hospital Infection; 5:1 – 10 3 Anonymous (2002). U.S. Department of Health and Human Services. CDC, “Norwalk-Like Viruses”. Public Health Consequences and Outbreak Management. MMWR; 50:1 – 18 4 Anonymous (2004). Guidelines for the Management of Norovirus Outbreaks in Hospitals and Elderly Care Institutions, New Zealand 6. KOMMUNIKATION Sind all jene Personen, die informiert sein sollten, über den institutionellen Gastroenteritis-Ausbruch durch Norovirus unterrichtet? 6.1. Die Medien Ausbrüche in gesundheitsversorgenden Einrichtungen erregen manchmal öffentliches Aufsehen. Im ungünstigsten Fall sind bereits vor den Gesundheitsbehörden die Medien durch Bekannte und Verwandte von Patienten / Heimbewohnern oder Personal der betroffenen Einrichtung informiert. Pressesprecher: Es ist in Absprache mit dem/der verantwortlichen LeiterIn der betroffenen gesundheitsversorgenden Einrichtung und in Abhängigkeit vom Ausmaß des Ausbruchs zu entscheiden, ob ein Pressesprecher notwendig ist. 6.2. Patienten / Heimbewohner und das Personal Diese Personengruppen – auch jene außerhalb der vom Ausbruch direkt betroffenen Station / Abteilung – sollten unbedingt über den Ausbruch informiert werden: Sie haben ein erhöhtes Risiko, eine NV-Infektion zu erwerben, stellen aber gleichzeitig ein Risiko dar, den Ausbruch weiter zu verbreiten (innerhalb und außerhalb der Einrichtung). Daher müssen diese Personen über die geeigneten Maßnahmen zur Prävention von Infektionsakquirierung und Infektionsverbreitung unterrichtet werden, siehe dazu Informationsblatt (Appendix 5; Informationsblatt). 6.3. Besucher Alle Besucher der betroffenen gesundheitsversorgenden Einrichtung müssen über das Vorliegen des Norovirus-Ausbruchs unterrichtet werden – wenn möglich bereits am Eingang der Einrichtung, sodass diese frühzeitig darüber entscheiden können, ob sie sich dem erhöhten Infektionsrisiko aussetzen. Besucher, die Patienten-Isolierungszimmer betreten, sollten eine adäquate Einschulung über die notwendigen Hygienemaßnahmen (wie Händedesinfektion) bzw. über die erforderlichen Kontrollmaßnahmen (siehe „Management der Besucher“) im betroffenen Bereich erhalten. 95 7. VERHINDERUNG UND KONTROLLE DER EINSCHLEPPUNG VON NOROVIRUS IN DIE GESUNDHEITSVERSORGENDE EINRICHTUNG Noroviren werden durch Hospitalisierung von NV-Erkrankten, durch mit Norovirus infiziertes Personal (gesundheitsversorgendes Personal, Küchenpersonal, Reinigungspersonal etc.), durch infizierte Besucher und durch kontaminierte Lebensmittel in gesundheitsversorgende Einrichtungen eingebracht (1, 2). o Ein Einschleppen von Norovirus-Infektionen in Bereiche der stationären Versorgung oder Pflege kann nicht sicher verhindert werden. o Wichtig ist daher eine frühzeitige Identifizierung von Personen mit Beschwerden, die eine Norovirus-Infektion vermuten lassen und gegebenenfalls die umgehende Einleitung geeigneter Maßnahmen: o Personen, die bei Aufnahme in die gesundheitsversorgende Einrichtung ein Beschwerdebild zeigen, welches eine Norovirus-Infektion vermuten lässt, sollten bis zum Ausschluss einer Norovirus-Infektion (siehe „Diagnostik“) in ein Einzelzimmer gelegt werden. o Personal mit Durchfall oder Erbrechen in der Situation eines Norovirus-Ausbruchs ist vom Dienst freizustellen und nicht vor 48 Std. nach Sistieren der Beschwerden wieder zum Dienst zuzulassen. o Bei Verdacht auf lebensmittelassoziierten Norovirus-Ausbruch sind mittels epidemiologischer und, wenn möglich, mikrobiologischer Untersuchungen die Infektionsquellen und die Kontaminationsquelle(n) zu identifizieren, um eine lebensmittelassoziierte Streuung der Noroviren zu unterbinden. Literatur 96 1 Albers MK (2004). An unwanted visitor. Aggressive infection control strategies are needed to shorten the hospital visit of the easily spread norovirus. Can Nurse; 100(9):21 – 6 2 Chadwick PR, McCann R (1994). Transmission of a small round structured virus by vomiting during a hospital outbreak of gastroenteritis. J Hosp Infect; 26(4):251 – 9 8. CHECKLISTE zur Eindämmung von NV-Ausbrüchen in Krankenhäusern / Einrichtungen der stationären Pflege und Unterbindung der Ausbreitung auf andere gesundheitsversorgende Einrichtungen NV-Erkrankter o Einzelisolierung oder Kohorten-(Gruppen)isolierung von NV-Erkrankten (= wahrscheinlicher NV-Infektionsfall; bestätigter NV-Infektionsfall); gilt für Neuaufnahmen und für Personen, die sich bereits in stationärer Betreuung befinden. o Für NV-Erkrankte eigene Sanitäranlagen zur Verfügung stellen o Es sollte eine Unterweisung der NV-Erkrankten in der hygienischen Händedesinfektion und Händewaschen erfolgen: wann, wie, womit. o Der Einsatz eines Norovirus-Informationsblattes für NV-Erkrankte ist ratsam (Appendix 4; Informationsblatt für NV-Erkrankte, Personal, Besucher) o Transfer / Verlegungen von NV-Erkrankten zu nicht betroffenen Bereichen innerhalb der Einrichtung bis 48 Std. nach Genesung des Erkrankten auf Ausnahmen beschränken. Ausnahmen sind z. B. medizinische Notfälle, die einen Transfer zu anderen Stationen / Untersuchungsräumen notwendig machen. o Für mikrobiologische Untersuchungen Gewinnung von Stuhlproben von mindestens 3 (maximal 5) wahrscheinlichen NV-Infektionsfällen pro Station 97 Personal Personalbewegung o Kohortenpflege von NV-Erkrankten: Strikte Zuordnung des Pflegepersonals zu den Patienten-Isolierungszimmern; womöglich keine Interimsvertretungen zwischen betroffenen und nicht betroffenen Bereichen; o wenn aus Personalgründen eine Kohortenpflege nicht umsetzbar ist, dann Grundpflege der NV-Erkrankten immer nach Beendigung der pflegerischen Tätigkeit im nicht betroffenen Bereich. o Vorübergehender Abzug von nicht zwingend erforderlichem Personal aus dem vom Ausbruch betroffenen Bereich o Deutlich sichtbare Kennzeichnung der betroffene Bereiche und Zugangsbeschränkung für stationsfremdes Personal o Visiten der betroffenen Bereiche durch Konsiliarpersonal (wie Konsiliararzt, Heilpersonal etc.) immer nach Beendigung der Visiten im nicht betroffenen Bereich. Hygienemaßnahmen 98 o Tragen von Einmalhandschuhen / Schutzkittel, -schürze bei Kontakt mit NV-Erkrankten, deren Ausscheidungen und unbelebtem Umfeld. o Zusätzlich Mund-Nasen-Schutz bei Kontakt mit (potentiell) erbrechenden / diarrhöischen NV-Erkrankten und bei Entsorgung (Reinigung / Desinfektion) von Erbrochenem / Stuhl. o Intensivierte hygienische Händedesinfektion (= Händedesinfektion häufiger als üblich); bei stark bzw. sichtbar verunreinigten Händen zusätzliches hygienisch korrektes Händewaschen vor hygienischer Händedesinfektion durchführen. Indikation für hygienische Händedesinfektion auch dann, wenn Einmalhandschuhe korrekt getragen wurden ✔ nach jedem Kontakt mit einem NV-Erkrankten sowie mit dessen unbelebtem Umfeld ✔ nach Kontakt mit möglicherweise virushaltigen Ausscheidungen von NV-Erkrankten ✔ nach Berührung von oder Umgang mit möglicherweise kontaminierter Bett- und Leibwäsche von NV-Erkrankten ✔ nach Umgang mit Textilien des Patienten-Isolierungszimmers: Vorhänge, Tischdecken, Teppiche ✔ nach Reinigung / Desinfektion von Sanitärenanlagen des betroffenen Bereiches ✔ nach Reinigung / Desinfektion von wahrscheinlich mit Noroviren kontaminierten Flächen und Gegenständen ✔ nach Umgang mit im betroffenen Bereich eingesetzten Reinigungsutensilien ✔ nach Ausziehen der Schutzbekleidung ✔ vor Verlassen der Patienten-Isolierungszimmer ✔ vor Verlassen des vom Ausbruch betroffenen Bereiches ✔ vor dem Umgang mit Lebensmitteln und Trinkwasser wie bei Essenszubereitung, Essensverteilung im betroffenen Bereich o Im Patienten-Isolierungszimmer für Händedesinfektionsmitteln Verwendung von Bettspendern oder Spendern auf Pflegewagen. o Händedesinfektionsmittel mit viruzider Wirkung geprüft nach EN 14476, am österreichischen Markt erhältlich: siehe Tabelle 7 o Unterweisung von stations- / abteilungsfremdem Personal in den speziellen Hygienemaßnahmen (Händedesinfektion, Anlegen der Schutzkleidung etc.). 99 NV-erkranktes Personal o Personal sollte bereits im Verdachtsfall einer NV-Infektion beim Dienstvorgesetzten Meldung erstatten o Ein Arbeitsverbot sollte für das an Norovirus-Infektion erkrankte Personal bis 48 Std. nach Sistieren der Brechdurchfälle gelten; die adäquate Händedesinfektion nach jedem Toilettengang sollte noch 2 bis 3 Wochen nach Krankheitsende fortgesetzt werden. o Deutlich sichtbare Zugangsbeschränkung zu dem betroffenen Bereich für Besucher o Information der Besucher über den Ausbruch und die Infektionsgefahr im betroffenen Bereich (Appendix 4; Ausbruchs-Informationstafel für Besucher) o Unterweisung der Besucher in den erforderlichen speziellen Hygienemaßnahmen; Besucher Wichtig: Nach Ablegen der Schutzhandschuhe, vor Verlassen des Patienten-Isolierungszimmer Durchführung einer hygienischen Händedesinfektion. Diese Maßnahme sollte nach Möglichkeit kontrolliert werden. 100 o Besucher von NV-Erkrankten sollten innerhalb der folgenden 2 Tage Besuche in anderen Krankenhäusern oder Gemeinschaftseinrichtungen wenn möglich unterlassen. o Wenn möglich, Besuche von Kindern unterbinden Reinigung und Desinfektion o Scheuerwischdesinfektion von NV-Patientenkontaktflächen und patientennahen Gegenständen im Patienten-Isolierungszimmer mindestens 1x täglich (Desinfektionsverfahren siehe Appendix 2). o Sämtliche Untersuchungsutensilien, Pflege- und Arzneiartikel ausschließlich patientenbezogen verwenden; soweit möglich unmittelbar nach Nutzung wisch-desinfizieren (Desinfektionsverfahren siehe Appendix 2). o Waschschüsseln, Leibschüssel und Urinflaschen unmittelbar nach jeder Nutzung thermisch desinfizieren; ersatzweise scheuer-wischdesinfizieren. o Reinigung / Desinfektion von Sanitärbereichen (inkl. Armaturen, Griffe, Spülung, Waschbecken, Toilettendeckel und -sitzrahmen, Fußboden) der NV-Erkrankten: mindestens 2x täglich; bedarfsentsprechend öfter. o Desinfektion von Türschnallen, Handgriffen mehrmals täglich. o Reinigung / Desinfektion bei sichtbarer Verunreinigung durch Erbrochenes oder Stuhl von NV-Erkrankten ehestmöglich: Verhinderung der Antrocknung! o Patienten / Heimbewohner eigene Lebensmittel aus dem betroffenen Bereich entfernen, entsorgen (gemäß ÖNORM S 2104), verbieten o Geschirr aus dem betroffenen Bereich in Containern der thermisch desinfizierenden Aufbereitung zuführen. o Bett- und Leibwäsche im Patienten-Isolierungszimmer sammeln, in einem geschlossenen Wäschesack (ggf. zusätzlich in einem flüssigkeitsdichten Plastiksack) transportieren und mit einem desinfizierenden chemo-thermischen (≥ 60 °C) oder thermischen (90 °C) Waschverfahren wieder aufbereiten. o Wahrscheinlich / sichtbar mit Ausscheidungen von NV-Erkrankten verunreinigte Abfälle entsprechend ÖNORM S 2104 als Abfälle entsorgen, die nur innerhalb des medizinischen Bereiches eine Infektions- oder Verletzungsgefahr darstellen können, jedoch nicht wie gefährliche Abfälle entsorgt werden müssen. 101 Organisation / Logistik o KH-Patienten / Heimbewohner des betroffenen Bereichs über erhöhtes Brechdurchfallrisiko informieren (siehe Appendix 5). o Bei Auftreten von NV-Erkrankung in einem Mehrbettzimmer keine neuen Patienten mehr in dieses Zimmer (ausgenommen weitere NV-Erkrankte) legen; erst nach Schlussdesinfektion sind Neuaufnahmen in diesem Zimmer wieder möglich. o Exponierte Zimmergenossen/Bettnachbarn für 48 Std. nach Isolierung des Indexfalles auf typische Symptome einer NV-Infektion beobachten; bei Auftreten von Brechdurchfall diese mit dem Indexfall isolieren. o Generell empfiehlt sich Beschränkung der Aufnahme von neuen Patienten in die betroffene Einrichtung; diese Entscheidung ist vom verantwortlichen Leiter der Einrichtung zu treffen. Eine Aufnahmesperre für Station, gegebenenfalls Abteilung, ist empfehlenswert in folgenden Situationen: (1) Ausbruch trotz aller Kontrollmaßnahmen nicht beherrschbar, (2) Personalreduktion logistisch nicht mehr tragbar, (3) unter den Neuaufnahmen ist ein hoher Anteil an Patienten zu erwarten, die eine effektive Umsetzung der Ausbruchskontrollmaßnahmen erschweren (geriatrische, neurologische, pädiatrische Patienten). 102 o Wiedereröffnung für Neuaufnahmen frühestens 72 Std. nach Auftreten des letzten Erkrankungsfalles; vor Neuaufnahme umfassende Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen des Bereiches (Schlussdesinfektion). o Verlegungen / Entlassungen von nicht NV-erkrankten Patienten aus betroffenem Bereich in andere Gemeinschaftseinrichtungen frühestens 72 Std. nach Auftreten des letzten Erkrankungsfalles (mit Ausnahme von medizinisch unaufschiebbaren Anlässen). o Verlegungen / Entlassungen von NV-erkrankten Patienten in Seniorenresidenzen bzw. andere Gemeinschaftseinrichtungen erst 48 Std. nach Genesung vom Brechdurchfall (entspricht der Zeitperiode der maximalen Infektiosität nach Genesung). o Bei nicht aufschiebbaren Verlegungen von NV-erkrankten Patienten frühzeitige Vorinformation über die Infektionsgefahr, so dass Empfängerstation bzw. Empfängerinstitution entsprechende Vorkehrungsmaßnahmen ergreifen kann. V. EMPFEHLUNGEN ZUR GEWINNUNG VON UNTERSUCHUNGSMATERIAL FÜR DEN NACHWEIS VON NOROVIREN Zur Untersuchung auf Noroviren eignen sich Stuhl oder Erbrochenes der erkrankten Person. Für gewöhnlich werden zur Diagnose von Noroviren Stuhlproben analysiert. Die Proben sollten sobald wie möglich ins Labor gesandt werden. Im Falle eines Ausbruchs ist es ökonomisch sinnvoll, nicht mehr als 5 Stühle von akut Erkrankten pro betroffener Station zu untersuchen. Sobald die Diagnose das Vorliegen einer Norovirus-Infektion bestätigt hat, sind keine weiteren Untersuchungen erforderlich (Appendix 6; Einsendeschein für labordiagnostische Untersuchungen). 1. STUHLPROBEN Zusätzlich zur NV-Diagnostik sollte eine Standard-Stuhldiagnostik durchgeführt werden, um andere Gastroenteritis-Erreger wie Rotaviren oder bakterielle Pathogene auszuschließen. Idealerweise sollten die Stuhlproben während der Symptomphase entnommen werden, da die Viruslast der Stuhlprobe in dieser Infektionsphase am höchsten ist. Noroviren werden in der Regel über mehrere Tage, meistens nicht länger als 2 – 3 Wochen ausgeschieden, längere Ausscheidungen sind eher die Ausnahme. Die Stuhlgefäße sollten zumindest bis zu einem Drittel befüllt werden. Das befüllte Gefäß muss für einen sicheren Transport in einem Übergefäß aufbewahrt werden. Wenn eine kurzzeitige Lagerung der Stühle notwendig ist (z. B. während dem Sammeln der Proben bei einem Ausbruch), sollten die Gefäße gekühlt gelagert werden. Während des kurzzeitigen Transportes ist eine Kühlung nicht erforderlich. 2. PROBEN VON ERBROCHENEM Prinzipiell gelten für Erbrochenes dieselben Anweisungen bezüglich Transport und Lagerung wie für die Stuhlproben. Als Untersuchungsmaterial für die Diagnose von Noroviren werden Stühle bevorzugt. 103 LITERATURVERZEICHNIS Albers MK (2004). An unwanted visitor. 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Mund-Nasen-Schutzmaske 2 Reduktion des Personals im betroffenen Bereich auf das unbedingt notwendige 2 NV-erkranktes Personal bis 48 Std. nach Genesung vom Dienst freistellen 2 Vermehrte Durchführung der hygienischen Händedesinfektion: nach allen Tätigkeiten assoziiert mit erhöhtem Risiko für eine NV-Kontamination der Hände; gilt für Personal, NV-Erkrankte und Besucher 1 Anwendung von Verfahren zur hygienischen Händedesinfektion mit alkoholischen Mitteln mit geprüfter viruzider Wirkung gemäß EN 14476; siehe Tabelle 7 1 Entsorgung von patienteneigenen Lebensmitteln des betroffenen Bereiches 3 Patientenverlegung in andere Bereiche / Einrichtungen zumindest nicht früher als 72 Std. nach Auftreten des letzten Erkrankungsfalles 2 Aufnahmesperre ist unter bestimmten Bedingungen sinnvoll 2 Besucher der betroffenen Bereiche haben den Hygieneanforderungen (anlassadäquate Händedesinfektion, Schutzkleidung) Folge zu leisten 2 Prompte reinigende Desinfektion von mit Ausscheidungen des NV-Erkrankten verunreinigten Bereichen 2 Im gesamten betroffenen Bereich (d. h. über die Patienten-Isolierungszimmer hinaus) gilt die Empfehlung zur erhöhten Frequenz der Routinedesinfektion, insbesondere der von Türschnallen 2 Anwendung von Verfahren zur Flächen- und Instrumentendesinfektion mit geprüfter viruzider Wirkung gemäß EN 14476; siehe Tabelle 6a / 6b 1 Abschlussreinigung / Schlussdesinfektion (inkludiert Fußböden, Vorhänge, Teppiche, etc.) vor Neuaufnahmen nicht vor Ablauf von 72 Std. nach Beginn der Erkrankung des zuletzt aufgetretenen Falles 2 111 APPENDIX 2: Verfahren zur Flächen-, Instrumenten- und hygienischen Händedesinfektion Verfahren zur Flächen- und Instrumentendesinfektion Für die Flächen- und Instrumentendesinfektion werden Verfahren empfohlen, deren Wirksamkeit zur Desinfektion im medizinischen Bereich durch eine Expertise der österreichischen Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin (ÖGHMP) oder durch ein Zertifikat des deutschen Verbandes für angewandte Hygiene (VAH) bestätigt ist und, die nach dem Wissenstand (September 2006) der Autorengruppe mindestens gegen Polioviren und Adenoviren geprüft - gemäß EN 14476 - und nach diesen Anforderungen für wirksam befunden wurden. 112 Tabelle 6a: Verfahren zur Flächendesinfektion mit geprüft viruzider Wirkung gemäß EN 14476; Präparate am österreichischen Markt erhältlich; laut Kenntnisstand der Autorengruppe vom 09. 2006; ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Wirkstoff lt. Herstellerangabe Handelsname Gebrauchsverdünnung % Mg-Monoperoxyphthalat-hexahydrat Dismozon pur 1 ohne Belastung: 1 % mit Belastung: 4 % Glutaraldehyd, (Ethylendioxy)-dimethanol Kohrsolin Peroxidverbindung Sekusept Pulver classic Alkohole, GlutaralIncidur spray dehyd, Quatäreammoniumverbindung (QAV) Glutaraldehyd und QAV Incidin rapid Einwirkzeit Hersteller/Anbieter bzw. Lieferfirma 1 Std. 1 Std. BODE Chemie GmbH & Co 1% 2 Std. BODE Chemie GmbH & Co 2% 2 Std. Ecolab gebrauchsfertig 2 Std. Ecolab 0,5 % 0,75 % 1 Std. 30 min. Ecolab Äthanol, 1-Propanol Microcid Af liquid 30 min. Schülke & Mayr GmbH Pentakalium bis (peroxy-monosulfat) bis(sulfat) (= Aktivsauerstoff) Perform gebrauchsfertig 2% 30 min. Schülke & Mayr GmbH Glyoxal, Formaldehyd, Glutaraldehyd Buraton 10F 2% 4 Std. Schülke & Mayr GmbH Glutaraldehyd u. QAV Melsept SF 2% 2 Std. B. Braun Formaldehyd, Glutaraldehyd und QAV Melsitt 2% 2 Std. B. Braun Äthanol, 1-Propanol Glutaraldehyd Antiseptica Kombi Spray 1 gebrauchsfertig 60 min Antiseptica nicht zu Desinfektion von merklich mit Blut kontaminierten Flächen oder von porösen Oberflächen (z. B. rohem Holz) geeignet. 113 Tabelle 6b: Verfahren zur Instrumentendesinfektion mit geprüft viruzider Wirkung gemäß EN 14476; Präparate am österreichischen Markt erhältlich; laut Kenntnisstand der Autorengruppe vom 09. 2006; ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Wirkstoff lt. Herstellerangabe Handelsname Peroxidverbindung Sekusept Pulver classic Gebrauchsverdünnung/ Einwirkzeit Hersteller/Anbieter bzw. Lieferfirma 2 % / 2 Std. Ecolab Peroxidverbindung Sekusept aktiv 1 % / 1 Std. 2 % / 10 min. Ecolab Glutaraldehyd, Triethylenglycol Seku extra 3 % / 30 min. 4 % / 15 min. Ecolab Glucoprotamin Sekusept plus Glutaraldehyd, Alkohole Sekucid konz. Ortho-Phthalaldehyd Cidex OPA Glutaraldehyd, QAV Korsolex extra im Ultraschallbad bei 50°C: 5 % / 30 min. 2 % / 1 Std. 4 % / 30 min. gebrauchsfertig / 5 min. Ecolab Ecolab Johnson & Johnson 4 % / 1 Std. 3 % / 2 Std. BODE Chemie GmbH & Co Bernsteinsäuredialdehyd, Gigasept FF Dimethoxytetrahydrofuran 8 % / 30 min. Schülke & Mayr Glutaraldeyd Formacetale 3 % / 30 min 5 % / 15 min Antiseptica Antiseptica Kombi Instrumentendesinfektion – N Verfahren zur hygienischen Händedesinfektion Für die hygienische Händedesinfektion werden ausschließlich Verfahren empfohlen, deren Wirksamkeit zur Desinfektion im medizinischen Bereich durch eine Expertise der österreichischen Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin (ÖGHMP) oder durch ein Zertifikat des Verbandes für angewandte Hygiene (VAH) bestätigt ist und, die nach dem Wissenstand (September 2006) der Autorengruppe mindestens gegen Polioviren und Adenoviren geprüft - gemäß EN 14476 und nach diesen Anforderungen für wirksam befunden wurden. 114 Tabelle 7: Verfahren zur hygienischen Händedesinfektion mit alkoholischen Mitteln mit geprüft viruzider Wirkung gemäß EN 14476, Präparate am österreichischen Markt erhältlich; laut Kenntnisstand der Autorengruppe vom 09. 2006; ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Handelsname Konzentration/ Einwirkzeit Art der Belastung Hersteller bzw. Lieferfirma Sterillium Virugard unverdünnt / 1 min unverdünnt / 1 min. ohne mit 0,3 % RSA + 0,3 % gewaschenen Schaferythrozyten BODE Chemie GmbH & Co. KG Skinman intensiv unverdünnt / 1 min. unverdünnt / 1 min. ohne mit 0,2 % BSA bzw. 10 % FKS Ecolab Manorapid Synergy unverdünnt / 1 min unverdünnt / 1 min ohne mit 0,2 % RSA 14 bzw. 10 % FKS Antiseptica Desderman N unverdünnt / 1 min. unverdünnt / 3 min. ohne mit 0,2 % BSA 14 bzw. 10 % FKS15 Schülke & Mayr Eine gute Zusammenstellung der handelsüblichen Desinfektionsmittel mit Angaben zu Wirkungsbereich, Anwendung und Hersteller kann man der 14. Ausgabe der Liste geprüfter und anerkannter Desinfektionsmittel und -verfahren des RobertKoch- Instituts (RKI) entnehmen. Sie ist auf der Webseite des RKI www.rki.de abrufbar. Die RKI-Liste enthält mit dem Wirkungsbereich B für die Mehrzahl der eingetragenen Mittel und Verfahren Angaben über deren Eignung zur Inaktivierung von Viren, wobei der Nachweis der Wirksamkeit gegen ein definiertes breites Spektrum von Viren die Voraussetzung für die Eintragung dieses Wirkungsbereiches in die RKI-Liste ist. Auf der Website des Schweizer Bundesamtes für Gesundheit (BAG) findet sich die Liste der Desinfektionsmittel, die gemäß Epidemiegesetz bewilligt sind. Die viruzid wirksamen Desinfektionsmittel sind als solche deklariert; www.bag.admin.ch (Suchfunktion: Suchen in BAG) 14 BSA: Bovines Serumalbumin, RSA: Rinderserumalbumin 15 FKS: Fötales Kälberserum 115 116 2 1 Geb. Geschlecht Zimmer Patient (PA) Beginn der datum w/m Personal (P) Erkrankung Bewohner (B) (Datum+ Zeit) Ende der Probe Symptome KörperFallErkrankung untersucht (Ü,E,D,B) 1 temperatur Kategorie (Datum+ Zeit) (J/N) ≥ 37.5°C (1/2/3/4) 2 (J/N) Labordiagnostischer Nachweis erfolgt durch Nukleinsäurenachweis (RT-PCR), Antigennachweis (ELISA), Elektronenmikroskopie Fallkategorie 4 Fall von labordiagnostisch nachgewiesener Infektion bei unbekanntem klinischem Bild: Labordiagnostischer Nachweis bei fehlenden Angaben zum klinischen Bild (nicht ermittelbar oder nicht erhoben). Fallkategorie 3 Fall von labordiagnostisch nachgewiesener Infektion bei nicht erfülltem klinischem Bild: Labordiagnostischer Nachweis bei bekanntem klinischem Bild, das die Kriterien für eine akute NV-Gastroenteritis nicht erfüllt. Hierunter fallen auch asymptomatische Infektionen. Fallkategorie 2 Klinisch-labordiagnostisch bestätigter Fall: Klinisches Bild einer akuten NV-Gastroenteritis und labordiagnostischer Nachweis Epidemiologische Bestätigung: epidemiologischer Zusammenhang mit einem labordiagnostisch bestätigten Fall (Fallkategorie 2, 3, 4) oder Verzehr eines Lebensmittels, in dessen Resten Norovirus labordiagnostisch nachgewiesen wurde Fallkategorie 1 Klinisch-epidemiologisch vermuteter Fall: Klinisches Bild einer akuten NV-Gastroenteritis, ohne labordiagnostischen Nachweis, aber mit epidemiologischer Bestätigung. Ü: Übelkeit, E: Erbrechen, D: Durchfall, B: Bauchschmerzen Name Norovirus-Ausbruch: Fallliste APPENDIX 3 Norovirus-Ausbruch: Fallliste APPENDIX 4 Informationsblatt für an Norovirusinfektion erkrankte Patienten/Heimbewohner, Personal und Besucher 117 APPENDIX 5 Ausbruchs-Informationstafel für Besucher 118 APPENDIX 6 Einsendeschein für labordiagnostische Untersuchungen 119 APPENDIX 7 Quellen-Leitlinien Anonymous (2002). Guideline for Hand Hygiene in Health-Care Settings. Recommendations of the Healthcare Infection Control Practices Advisory Committee and the HICPAC/SHEA/APIC/IDSA Hand Hygiene Task Force, CDC, MMW Recommendations and Reports; 51(RR16); 1 – 44. Anonymous (2004). Anforderungen an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen. Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut (RKI). Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz; 47:51 – 6. Anonymous (2000). Händehygiene. Mitteilungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz; 47:51 – 61, DOI 10.1007/s00103-003-0752-9. Anonymous (2005). Erkrankungen durch Noroviren. RKI-Ratgeber Infektionskrankheiten – Merkblätter für Ärzte. Stand Juli 2006 online verfügbar http://www.rki.de Anonymous (2001). "Norwalk-like viruses". Public health consequences and outbreak management. CDC, Morbidity Mortality Weekly Review; 50:1 – 18 Anonymous (2005). Guidelines for the Management of Norovirus Outbreaks in Hospitals and Elderly Care Institutions. online verfügbar http://www.arphs.govt.nz/Services/DC/Disease/NLV_Outbreaks.pdf P. R. Chadwick, G. Beards, D. Brown, et al. (2000). Management of hospital outbreaks of gastroenteritis due to small round structured viruses. Report of the Public Health Laboratory Service viral Gastro enteritis Working group. J Hosp Infect; 45: 1 – 10 Article no. jhin.2000.0662, online verfügbar http://www.idealibrary.common Anonymous (2003). National Guidelines on The Management of Outbreaks of Norovirus infection in Health care settings. Viral Gastroenteritis Subcommittee of the Scientific Advisory Committee of the National Disease Surveillance Centre (NDSC). ISBN 0-9540177-4-9. Republic of Ireland Anonymous (2004). Noroviren: Maßnahmen bei Ausbrüchen in Krankenhäusern und Einrichtungen der stationären Pflege. Empfehlungen des „Zentrum für Gesundheitsschutz“ – Staatliches Untersuchungsamt Hessen, Deutschland 120 Impressum Herausgeber: AGES – Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH A-1226 Wien, Spargelfeldstraße 191 Titelblatt: Norovirus-Ausbruch Burgenland, Oktober 2003: Elektronenmikroskopische Aufnahme des Norovirus aus der Stuhlprobe infizierter Patienten (Negativkontrastierung mit Uranylacetat; Balken: 30 nm). Fotografiert von Dr. rer. nat. Susanne Richter, Institut für veterinär-medizinsche Untersuchungen Mödling, AGES Mödling, Abt. für Elektronenmikrokopie Grafische Gestaltung: Atelier Simma, www.simma.net Hersteller: Hans Jentzsch & Co GmbH, A-1210 Wien Auflage und Stand 2. Auflage, Oktober 2006 © 2006 Alle Rechte vorbehalten. Nachdrucke – auch auszugsweise – oder sonstige Vervielfältigung, Verarbeitung oder Verbreitung, auch unter Verwendung elektronischer Systeme, nur mit schriftlicher Zustimmung der AGES – Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH zulässig. 121 NOTIZEN 122 123