Quantifizierung von Fragmentierung, Konnektivität und

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Quantifizierung von Fragmentierung, Konnektivität und
Quantifizierung von Fragmentierung,
Konnektivität und Biotopverbund mit GIS
Thomas BLASCHKE
Zusammenfassung
Immer mehr Untersuchungen beschäftigen sich mit Landschaftsstruktur und landschaftsökologischen Funktionen und Prozessen. Unter Nutzung von GIS-Technologie sind der
deskriptiv-quantitativen Auswertung kaum Grenzen gesetzt. Die ökologische Bedeutung
vieler Parameter, die Formen, Verteilung und Muster einzelner Landschaftselemente oder
Klassen beschreiben, ist oft unklar. Begriffe wie „Fragmentierung“, „Biotopverbund“ oder
„Korridor“ sind nicht leicht zu operationalisieren bzw. intersubjektiv nachvollziehbar zu
quantifizieren. Wenn für entscheidende Parameter der „landscape metrics“ die ökologische
Relevanz hinreichend geklärt ist, können diese Maße zusätzliche Informations- und Planungsparameter schaffen, die zur regionalen Differenzierung der Dringlichkeiten geplanter
Maßnahmen genutzt werden können. Verschiedene Methoden der landscape metrics werden verglichen, inwieweit sie dazu beitragen können, den Vernetzungsgrad von Lebensräumen in einer Landschaft bzw. deren Fragmentierung zu quantifizieren.
1
Landschaftsökologie und GIS: Vom Werkzeug zum Paradigma?
Funktionen und Prozesse in der Landschaft sind längst nicht mehr ein Spezialthema für
Landschaftsökologen. Die Raumplanung und insbesondere die Landschaftsplanung setzt
sich heute mit landschaftlichen Qualitäten und Funktionen auseinander, die in ihren Wirkungszusammenhängen hochkomplex sind und deren Einzelelemente nur mit hohem Aufwand für kleinere Gebiete einigermaßen vollständig erfaßt werden können. Eine moderne,
querschnittsorientierte Landschaftsplanung muß besondere naturräumliche Einzelphänomene und Gegebenheiten berücksichtigen und andererseits die Landschaft als Ganzes nicht aus
dem Auge verlieren. Auf praktisch allen Planungsebenen sind mittlerweile große Mengen
raumbezogener Informationen in Geographischen Informationssystemen erfaßt worden.
Diese Informationen wurden bisher meist für Einzelprojekte und weniger in komplexen,
deskriptiv-quantitative Untersuchungen als Grundlage querschnittsorientierter Planung
genutzt. Prinzipiell stehen heute weitgehend ausgereifte Analyseumgebungen für Geodaten
bereit. Die Forschungen der „landscape metrics“ mit Schwerpunkt in Nordamerika und
Großbritannien liefern ein methodisches Gerüst, explizit räumliche Untersuchungen von
Landschaften und Landschaftselementen durchzuführen und als Grundlage von Planungen
zu verwenden (FORMAN & GODRON 1986, TURNER 1990, GUSTAFSON and PARKER 1994,
HAINES-YOUNG & CHOPPING 1996, GUSTAFSON 1998, FROHN 1998). Warum werden diese
Methoden nicht operationell auf verschiedenen Planungsebenen in Deutschland, Österreich
Thomas Blaschke
und der Schweiz eingesetzt? Dieser Beitrag kann keine vollständige Antwort darauf geben,
illustriert jedoch das Potential dieses Ansatzes und Probleme der Umsetzung.
In der Landschaftsökologie werden ausgehend von Nordamerika zunehmend räumliche
Strukturen und Muster (pattern) von betrachteten Einheiten des Untersuchungsgegenstandes quantifiziert, um sie letztlich mit vergleichbaren Einheiten an anderen Orten oder zu
anderen Zeitpunkten zu vergleichen. Anhand einer Studie im bayerisch-österreichischen
Grenzgebiet werden mit den Programmen FRAGSTATS (M cGARIGAL & M ARKS 1994),
patch analyst und habitat analyst (REMPEL 1999) verschiedene Kenngrößen für Einzelelemente (patches) bzw. Indizes zu ihrer Form und Komposition berechnet. Es wurde in
jüngster Zeit stärker herausgearbeitet, daß Rasterauflösung und Maßstab, Anzahl der Klassen, Erfassungsmaßstab und -genauigkeit der Daten und andere Parameter z.T. einen großen Einfluß auf die Ergebnisse haben, so daß nur mit Vorsicht und viel Sachkenntnis quantitative Werte zu landschaftlichen Strukturen in Bewertungen einbezogen werden können
(BLASCHKE im Druck). Die Grundeigenschaften und das Potential Geographischer Informationssysteme (GIS) und einer weiter gefaßten Geographischer Informationsverarbeitung
(GIV) sind Ende dieses Jahrhunderts hinreichend bekannt, dennoch bleibt der Autor bei
seiner Aussage, daß GIS meist “chronisch unterfordert sind“ (BLASCHKE 1997, S. 277). Der
entscheidenden Vorteil von GIS gegenüber reinen Abfrage-orientierten Auskunftssystemen
ist die Analyse und die Generierung neuer Information durch räumliche Selektion, Berechnungen und Modellbildung.
Einer der Gründe einer bisher geringen analytischen Nutzung war bisher die Tatsache, daß
für den Sachbearbeiter umfassende Softwarekenntnisse im Umgang mit GIS notwendig
waren. Durch die Verlagerung des Auswertearbeitsplatzes an Windows-basierte ClientSysteme wie ArcView oder MapInfo ist diese Hürde heute deutlich niedriger. Zusätzlich
entsteht in diesem Umfeld immer mehr fachspezifische Software. Als Beispiel seien hier
sogenannte User-Extensions für ArcView genannt, die meist von nordamerikanischen Institutionen programmiert und über das Internet kostenlos zur Verfügung gestellt werden, etwa
Animal Movement Extension, Spatial Tools (USGS; vgl. BLASCHKE 1999) und Patch Analyst und Habitat Analyst (REMPEL 1999). Es ist davon auszugehen, daß dies zu einer wesentlich stärkeren Nutzung von GIS-Funktionalität in Umwelt- und Naturschutz, in Landschaftsökologie und Landschaftsplanung und ökologisch orientierter Raumplanung führen
wird, auch im deutschsprachigen Raum.
2
Fragmentierung und Konnektivität
Während der Begriff Fragmentierung strenggenommen einen Prozeß beschreibt, dessen
Ergebnis die Teilung zusammenhängender Flächen in mehrere, nicht mehr zusammenhängende („disjunkte“) Einzelflächen mit einer in der Regel damit einhergehenden Verkleinerung eines Lebensraums erwirkt, reflektieren Isolation und Konnektivität bestehende oder
fehlende Zusammenhänge zwischen Einzelflächen. Viele früher zusammenhängende Lebensräume sind durch menschliche Aktivitäten in den letzten Jahrzehnten in einem bis
dahin nicht beobachteten und nicht mit natürlichen Prozessen vergleichbaren Ausmaß zerstückelt worden. Diese zunehmende Verinselung oder Fragmentierung von Lebensräumen
und Landschaftselementen hat vielfältige negative Auswirkungen. Für verschiedene Lebensgemeinschaften führt diese Inselbildung zum Aussterben von Populationen. Im Sinne
Quantifizierung von Fragmentierung, Konnektivität und Biotopverbund mit GIS
der Metapopulationstheorie ist daher der Aspekt relevant, wie weit die nächstgelegenen
ähnlichen Lebensräume als Quelle einer möglichen Wiederbesiedlung entfernt sind und ob
sie durch Barrieren getrennt oder über Korridore oder Trittsteinbiotope verbunden sind
(HANSKI & GILPIN 1991, SOULÉ & GILPIN 1991, HANSKI 1997). In dieser Arbeit werden
einige wichtige Elemente der landscape metrics hinsichtlich ihrer Operationalisierbarkeit
für die Landschaftsplanung, insbesondere für die Biotopverbundplanung, untersucht. Dabei
wird man immer wieder mit dem grundsätzlichen Problem konfrontiert, daß ein reines
Zählen von Grenzlinien, Kanten, oder Übergangsbereichen zwischen verschiedenen Landschaftselementen äußerst problematisch ist. Die qualitative Bedeutung der Grenzlinien muß
dabei berücksichtigt werden (BLASCHKE 1995).
Viele früher zusammenhängende Lebensräume sind durch die Anlage von Siedlungen,
Straßen und Feldern sowie durch andere menschliche Aktivitäten zerstückelt worden. Als
Fragmentierung (Zerstückelung, Zerschneidung, Verinselung) von Lebensräumen (habitat
fragmentation) bezeichnet man den Prozeß, durch den große, zusammenhängende Biotopflächen sowohl verkleinert als auch in zwei oder mehr Fragmente zerteilt werden (PRIMACK
1993). Der Prozeß der Fragmentierung findet zwar auch auf natürliche Weise statt (z. B. bei
Überschwemmungen, Lawinen, Erdrutsche ...), die durch den Menschen ausgelöste Fragmentierung von Lebensräumen erreicht jedoch in den letzten Jahrzehnten in historischer
Zeit nicht gekannte Dimensionen (EHRLICH 1988, HARRIS & SILVA -LOPEZ 1992, PRIMACK
1993) und ist daher keinesfalls mit natürlichen Vorgängen gleichzusetzen.
100 m
ß à
á
1
0
0
0
m
â
9%
9%
9%
9%
81%
core
area
ß 1000 m à
Abb. 1: Fragmentierung einer homogenen Fläche. Das Rechenbeispiel nach PRIMACK
(1993, verändert) verdeutlicht, daß zwei hypothetische Straßen oder Eisenbahnlinien einen geringen absoluten Flächenverbrauch, aber enorme Randeffekte bewirken. Ein angenommener Störeffekt von 100 m reduziert die verbleibende, ungestörte Fläche auf weniger als die Hälfte, hier von 81% auf 4 mal 9%.
Mit zunehmender Verinselung oder Fragmentierung eines Habitats, eines Vegetationstyps
oder einer komplexeren funktionalen Einheit (z. B. Aue) kommt es zu immer kleineren
naturnahen Lebensräumen, die häufig so individuenarm sind, daß sie langfristig nicht überleben können und bei Störungen möglicherweise erlöschen (BIERREGARD et al. 1992,
HANSKI 1997). Unter diesem Aspekt ist die Frage relevant, wie weit die nächstgelegenen
ähnlichen Ökosysteme entfernt sind, von denen aus eine Wiederbesiedlung erfolgen könnte.
Neben anderen Faktoren (z. B. Erhöhung des Randlinieneffekts) ist der Faktor Isolierung
also ein überlebenswichtiger Parameter für eine Population. Bei starker Fragmentierung
von Lebensräumen muß das Hauptaugenmerk daher immer stärker auf den Schutz von
Metapopulationen gerichtet werden (HANSKI & GILPIN 1991, HANSKI 1997).
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3
Operationalisierung in GIS
Zur Bestimmung dieser Isolation reicht die kürzeste Distanz im euklidischen Raum oft
nicht aus. Benötigt wird vielmehr eine spezifische Distanz im Sinne eines Aufwandes zum
Erreichen eines anderen vergleichbaren Biotoptyps oder Landschaftselements ("patch"). Zu
Grunde liegt die (unbestrittene) Hypothese, daß Wanderungen zwischen patches für einzelne Individuen immer mit Gefahren verbunden sind und daß damit die Wahrscheinlichkeit,
ein patch zu erreichen, mit der tatsächlich zurückgelegten Distanz sinkt. Viele waldbewohnende Vögel, Säugetiere und Insekten überqueren nicht einmal kurze Strecken offenen
Geländes (M ADER 1979, M ADER et al. 1988, SOULÉ & GILPIN 1991, BIERREGARD et al.
1992). Im übertragenen Sinn läßt sich dieser Aufwand zum Erreichen eines Landschaftselementes der gleichen Klasse auch unter ganz anderen Blickwinkeln als unter faunistischtierökologischen Aspekten ermitteln, und Kostenoberflächen dienen als Grundlage der
Modellierung von z.B. sozialräumlichen oder wirtschaftlichen Phänomenen.
In Geographischen Informationssystemen stehen eine Reihe von Operatoren bereit, die über
euklidische Distanzen oder - sofern sich die dazwischen liegenden Flächen vollständig
bewerten lassen - über Kostenoberflächen gegenseitige Erreichbarkeiten und damit letztlich
die Konnektivität ermitteln. Der GIS-Einsatz wäre wohl kaum zu rechtfertigen, könnten sie
nur euklidische Distanzen berechnen. Die Stärke liegt in einer Kombination aus deskriptiver Analyse und Modellbildung. Die meisten Ansätze berücksichtigen nicht explizit die
zwischen den betrachteten Flächen liegenden Gebiete hinsichtlich ihrer Ausbreitungsqualität. Vor allem Methoden die aus der (nordamerikanischen) Forstwirtschaft und Forstwissenschaft kommen betrachten die Landschaft als binäres Gebilde aus Wald und NichtWald. Hierzu existiert eine Reihe von Algorithmen. Einige Beispiele zur Quantifizierung
von Konnektivität unter Berücksichtigung dazwischenliegende Flächen und deren Habitatqualität oder Barrierewirkung sind:
•
•
•
•
Geostatistische Maße für Punktdaten (M AURER 1994)
rasterbasierte Kostenoberflächen (BLASCHKE 1999, LIENHARD 1999)
radiale Transektanalysen (KUHN 1998)
Kopplung von Cellular Automata (GUSTAFSON & GARDNER 1996).
Rasterbasierte Diffusionsanalyse über Kostenoberflächen ermöglichen eine realitätsnahe,
pseudo-kontinuierliche Repräsentation einer Landschaft oder eines Lebensraumes. Auf
einer "quasi-kontinuierlichen" Oberfläche erhält die Ausbreitung zusätzlich zur euklidischen Dimension eine Kostendimension, wobei unter Kosten z.B. aufsummierter Aufwand
des Erreichens einer bestimmten Zelle zu verstehen ist. Ausgehend von einer Quelle
("source") und ein oder mehreren Kostenoberflächen werden die Wanderungskosten pro
Zelle modelliert und die Kosten aufsummiert, bis ein Abbruchskriterium erfüllt ist. Es existieren auch verschiedene Verfahren, über fokale oder zonale Operatoren den Grad der
Fragmentierung einer Landschaft zu ermitteln. Eine weitere Variante rasterbasierter Analyse ist ein zonaler Fragmentation Index (JOHNSSON 1995), der jedoch stark von der "thematischen Auflösung" (Anzahl der Klassen) und der Kartierungsgenauigkeit abhängig ist.
Die Erkenntnisse der Inseltheorie der Biogeographie sind nicht direkt umsetzbar. Abgesehen davon, daß es sich in terrestrischen Ökosystemen um keine echten Inseln handelt,
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bleibt die generelle Bedeutung der Isolation unbestritten. Zunächst muß jedoch geklärt
werden, "wer wovon isoliert" ist. Einerseits sind Ergebnisse aus Formeln, die für Populationen (echter) Inseln und ihrem Grad der Isolierung bzw. der kürzesten Luftliniendistanz
von anderen relevanten Habitaten entwickelt wurden (vgl. SIMBERLOFF 1994), nicht übertragbar und andererseits stellen auch die meisten landschaftlichen Indizes keine Größen dar,
die in ihren absoluten Werten eine ökologische Bedeutung aufweisen (W IENS 1989,
McGARIGAL & M ARKS 1994, HARGIS et al. 1998). Fraktale Maße versprechen hier theoretisch eine Dimensionslosigkeit der Aussagen bzw. eine Maßstabsunabhängigkeit. Der Ansatz ist in Mathematik und Computergraphik hinreichend bekannt. Interessanterweise decken sich die Ergebnisse vieler empirischer Studien nicht mit der theoretischen Erwartung.
Ein Spezifikum gegenüber Indizes, die die Größe und den Durchmesser bzw. die Form von
patches vergleichen, ist, daß bei letzteren und der Annahme einer euklidischen Grundform
wie Quadrat oder Kreis, der Durchmesser bei zunehmender Größe mit der Wurzel der Fläche steigt, also proportional langsamer als die Fläche. Ein Kreis mit der doppelten Fläche
eines anderen hat nur 1,41 mal den Durchmesser. Die fraktale Dimension kann in dieser
Hinsicht auch als ein Maß verstanden werden, wie schnell der Durchmesser mit der Fläche
zunimmt (M AURER 1994). Einen Überblick über die Anwendungsmöglichkeiten in der
Landschaftsökologie gibt M ILNE (1991).
Bei vielen gebräuchlichen Bewertungsverfahren wird der Faktor Isolierung/Vernetzung
grob geschätzt, meist über eine grobe Einteilung der Luftlinienentfernung zum nächstgelegenen Habitat in Entfernungsklassen. Es besteht die paradoxe Situation, daß in manchen
Bewertungsverfahren ein bestehender Verbund und in anderen Ansätzen eine weitgehende
Isolation hinsichtlich der Schutzwürdigkeit hoch bewertet werden. Weiters ergibt sich die
Schwierigkeit, daß eine große Strukturdiversität und eine hohe Anzahl komplexer, langgestreckter und linearer Biotoptypen z.B. in einer traditionell genutzten Kulturlandschaft
positiv erscheint (z.B. gegenüber Flurbereinigungsmaßnahmen), daß aber für viele Biotoptypen eine kompakte Form Vorteile bei einer relativen Isolierung des Lebensraums erzielt.
Bei langgestreckten und/oder zerlappten Formen wird u.a. das Verhältnis von Kernzonen zu
Randzonen ungünstiger und Schadeinflüsse aus der Umgebung werden stärker wirksam
(A NGELSTAM 1992, PRIMACK 1993). Die Formkomplexität einzelner patches wird oft undifferenzierterweise mit dem Grad der Fragmentierung eines Lebensraumes gleichgesetzt.
Allgemein gilt der Zusammenhang, daß in den meisten Ökosystemen ein hoher Grad an
Verzahnung von verschiedenartigen patches im Sinne von komplizierten Grenzverläufen
und Zerlappungen, also im Sinne einer hohen Grenzlinienlänge pro Fläche, einen positiven
Faktor für die Strukturdiversität darstellt. Dieser Aspekt darf nicht mit dem Faktor Fragmentierung/Isolation verwechselt werden, der (zumindest bei einer künstlichen Erhöhung
durch den Menschen) negative Folgen auf Populationen und Metapopulationen aufweist.
Viele Geographische Informationssysteme bieten eine Reihe von (planaren) Formdeskriptoren, die Form und Gestalt von linearen und flächigen räumlichen Objekten beschreiben,
etwa Maße zum Verhältnis einer Fläche zu ihrem Umfang, die als Kompaktheit oder als
Index für die "Zerlappung" dieser Fläche gesehen werden kann (FORMAN & GODRON 1986,
McGARIGAL & M ARKS 1994). Da dieser Wert nicht unabhängig von der absoluten Flächengröße und damit vom Aufnahmemaßstab ist, wird häufig ein standardisierter Index
verwendet, der die Fläche eines Polygons mit einer dem Umfang entsprechenden Kreisfläche vergleicht: Standardisierter Shapeindex = Umfang / 2√π Fläche Die absoluten Ergeb-
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nisse solcher Berechnungen sind wie die meisten dimensionslosen Indizes jedoch für sich
stehend inhaltlich wenig aussagekräftig. Ein einzelnes Kompaktheitsmaß für eine Fläche
oder ein durchschnittliches für einen bestimmten Vegetationstyp führt erst zu einem Informationsgewinn, wenn dieses Maß in einen Zusammenhang mit einer relevanten ökologischen Größe gesetzt wird. Eine Fläche (patch) mit einem standardisierten Shapeindex von
1,4 kann zwar überall in der Welt als relativ kompakt angesehen werden, doch was hat das
für eine ökologische Bedeutung? Erst ein signifikanter Zusammenhang z. B. wenig kompakter, d.h. linearer oder zerlappender Strukturen mit dem Vorkommen einer bestimmten
Tierart oder mit einer landschaftsökologischen Funktion oder Prozeß verleiht einem solchen Index eine Berechtigung.
Shapeindex
1,0
1,42
1,97
Abb. 2: Planare Formdeskriptoren zur Beschreibung von patches. Drei patches mit etwa
gleich großem Flächeninhalt und verschiedenem Shapeindex.
Ein vielversprechender Ansatz ist der des Proximity Index (PX), der nicht nur die minimale
euklidische Distanz zum nächstgelegenen patch oder alle betrachteten patches berücksichtigt sondern zwischen einer räumlich weitabständigen und geclusterten Verteilung unterscheidet sowie die Flächengröße berücksichtigt (GUSTAFSON & PARKER 1994, McGARIGAL
& M ARKS 1994). Der Index eignet sich besonders in "kontrastreichen" Landschaften oder
hinsichtlich einer sich deutlich abhebenden Klasse im Vergleich zu allen anderen Klassen.
Er wird daher meist in forstökologischen Untersuchungen von Waldinseln und deren Isolation oder umgekehrt zur Untersuchung von Kahlschlagflächen in Waldgebieten eingesetzt.
Aus populationsökologischer Sicht und aus Artenschutzsicht sind bei einer Fragmentierung
eines Lebensraumes inmitten einer wenig geeigneten Landschaft (z.B. landwirtschaftlichen
Intensivflächen) großflächige Siedlungsinseln besonders günstig zu beurteilen, da dadurch
Populationsgröße und Habitatvielfalt ansteigt und Populationsschwankungen sowie räumliche und zeitliche Schwankungen im Ressourcenangebot besser ausgeglichen werden können. In der vorliegenden Studie scheint dieser Index weniger geeignet zu sein, zwischen
schwer abzugrenzenden Klassen (z.B. Weichholz-Auwald und Hartholz-Auwald) zu unterscheiden, wohl aber z.B. zur Untersuchung der Feuchtstandorte und Altwasser und deren
Verteilung. Der Index wird für jeden patch i einer gewählten Klasse berechnet, der zumindest teilweise innerhalb einer zu spezifizierenden Anzahl von Pixeln (im Falle der Rasterimplementation des Algorithmus), auch proximity buffer genannt, zu liegen kommt und
setzt sich zusammen aus der Größe des patch (S i ) und der kürzesten Distanz von Grenzlinie
zu Grenzlinie (edge-to-edge distance) zwischen dem patch i und seinen Nachbarn der gleichen Klasse (zi ) innerhalb des proximity buffer.
PX = Σ
n
i=1
(Si / zi )
Quantifizierung von Fragmentierung, Konnektivität und Biotopverbund mit GIS
NEAR 10m PX 94,7
NEAR 10m PX 34,4
10 m
Abb. 3: Proximity Index und Unterschied zur reinen Entfernung des nächsten patches der
gleichen Klasse: Dessen Fläche wird mitberücksichtigt (die hellen Flächen gehen
bei der Berechnung mit ein, sonst wären die Werte für PX noch konträrer).
PX hat einen hohen Wert, wenn ein patch von großen und/oder nahegelegenen patches
umgeben ist und nimmt bei kleiner werdenden Flächen und größeren Abständen ab. Die
ökologische Relevanz dieses Index konnte für forstökologische Studien nachgewiesen
werden (GUSTAFSON & PARKER 1994). Dabei ist jedoch nicht der absolute Wert des Ergebnisses entscheidend, vielmehr sind nur relative Vergleiche des gleichen Landschaftsausschnittes bei unterschiedlichen Kompositionen (z.B. Vorwegnahme geplanter Eingriffe)
sinnvoll. Der PX ist jedoch nicht sensitiv gegenüber echten Barrieren, d.h. nicht das Fehlen
eines bestimmten Habitattyps sondern "aktiv wirksame" Ausbreitungshindernisse. Für viele
Fragestellungen muß neben einer echten räumlichen Betrachtung der Verteilungsmuster
auch die Wirksamkeit von Barrieren einbezogen werden. Die Wirkung von Straßen als
abiotische Barrieren in tierökologischer Hinsicht ist fatal. Sie können Populationen nahezu
vollständig voneinander isolieren und auf diese Weise zum Absterben bringen (M ADER et
al. 1988, HANSKI & GILPIN 1991, SOULÉ & GILPIN 1991, BIERREGARD et al. 1992,
PRIMACK 1993, HANSKI 1997). Für einige Taxa, wie z. B. für Vögel, spielt dies eine geringere Rolle, für viele andere ist es dagegen entscheidend, ob sich zwischen den einzelnen
Habitaten Straßen, Flüsse, Kanäle oder städtische Verbauung befinden. Es existieren eine
Reihe von empirischen Forschungsarbeiten über die Wirksamkeit von Straßen als Barrieren
für bestimmte faunistische Arten oder Gruppen, besonders auf Amphibienpopulationen,
aber auch für Laufkäfer, Spinnen und Kleinsäuger (M ADER 1979, M ADER et al. 1988).
4
Fallstudie: Fragmentierung und verbleibende Konnektivität
einer Auenlandschaft
4.1 Deskriptiv-quantitative Landschaftsanalyse
Für einen Landschaftsausschnitt im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet entlang der
Salzach wird aufbauend auf umfangreiche Daten einer bereits über zehn Jahre dauernden
Studie (BLASCHKE & KÖSTLER 1993, FUCHS 1994, BLASCHKE 1997) die Situation der
verbliebenen Auwaldbereiche hinsichtlich ihrer Fragmentierung und verbliebenen Konnektivität untersucht. In einem bearbeiteten Gebiet mit 11600 ha existieren ca. 5600 ha an
Flächen, die im weiteren Sinne als rezentes Auenökosystem bezeichnet werden können,
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auch wenn darin inselhaft etwa landwirtschaftliche Nutzflächen und Aufforstungen enthalten sind. Analytisch-räumliche Untersuchungen unter Nutzung von FRAGSTATS (McGARIGAL & M ARKS 1994) bzw. Patch Analyst und Habitat Analyst (REMPEL 1999) geben
bereits wichtige Hinweise auf die Formen, Größen und Verteilungen der Einzelelemente
der Landschaft. Als Datengrundlage dienen eine 1:10.000 Nutzungskartierung auf Orthophotobasis und eine 1:5000 Vegetations- und Biotoptypenkartierung des Kernbereichs
des rezenten Auenökosytems. Für die vorliegende Arbeit wird nur ein Teilbereich dieses
Gebietes auf der bayerischen Seite des Flusses zwischen Freilassing und Tittmoning.
Die verbleibenden Auenbereiche erstrecken sich als lineare Strukturen entlang des Flusses.
Dies mit Hilfe eines GIS auch entsprechend nachzuweisen ist jedoch nicht so trivial bzw.
eindeutig implementierbar. Die zusammengefaßte Klasse “Auwald im weiteren Sinn” weist
etwa 32% des Untersuchungsgebietes auf. Die Größen der relevanten Landschaftselemente
(patches) reichen von 0.01 bis 775 ha mit einem Mittelwert von 19 ha. 35% der Flächen
sind jedoch weniger als 0,5 ha groß. Die absoluten Flächenanteile der Klassengrößen folgt
einer S-förmigen Kurve mit großen Flächensummen an beiden Enden der Skala. Dies zeigt
bereits, daß einige wenige Einzelflächen große Bedeutung auch hinsichtlich des Biotopverbundes haben. Die detaillierte Kartierung der Vegetationstypen zeigt eine andere Verteilung: Bei einer Durchschnittsgröße von 1,09 ha sind 60% der Flächen kleiner als 0,5 ha.
Betrachtet man jedoch nur die Klassen des “Auwaldes im engeren Sinn“, sinkt die durchschnittliche Flächengröße auf 0,88 ha, da u.a. landwirtschaftliche Nutzflächen wegfallen.
Abnahme Core Area in ha
110
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Abnahme Core Area in Prozent
100.00
90.00
80.00
70.00
60.00
50.00
40.00
30.00
20.00
10.00
0.00
Abb. 4: Größter zusammenhängender patch und Abnahme seiner core area bei steigender
edge distance: 1:10000 Luftbildinterpretation (schwarze Linie) mit einer groben
Klasse “Auwald” und 1:5000 Vegetationskartierung (helle Linie) mit einer restriktiven Definition von Auwald.
Das Beispiel in Abbildung 4 verdeutlicht, daß die Datengrundlage dem Untersuchungszweck entsprechen muß, was pragmatisch oft übersehen wird. Wenn wie in diesem Beispiel
nur rezente Auwald-Standorte im engeren Sinn für eine Vernetzung in Frage kommen, ist
die thematisch gröbere Datenschicht ungeeignet. Zum zweiten zeigt das Rechenbeispiel,
daß die Wahl wichtiger Parameter der landscape metrics, wie die “edge distance”, die zwischen core area (Kernbereich) und transition zone (Übergangszone mit Randeffekten)
unterscheidet, enorme Auswirkungen auf die Flächenverhältnisse hat. Für den großen,
zusammenhängenden patch der Überblickskartierung verläuft die Flächenabnahme der
Kernzonen bei steigender edge distance langsamer als bei der detaillierteren Kartierung.
Quantifizierung von Fragmentierung, Konnektivität und Biotopverbund mit GIS
In vielen Studien wird die Fläche der forest edge vegetation, also die Übergangszone mit
Randeffekt für Habitatstudien und Voraussagen für Artenvielfalt genutzt. Viele Pflanzen
brauchen Bedingungen der Kernzone (interior species) während andere genau auf die Übergangsbereiche spezialisiert sind. In der Forstwissenschaft und Forstplanung gibt es in
Nordamerika unter Federführung des US Forest Service und kanadischer Forstinstitutionen
hunderte Anwendungen der landscape metrics. Obwohl es DIE edge distance nicht gibt,
wurden in Forstwissenschaft, Tierökologie und Naturschutz verschiedene Richtlinien entwickelt. Die Untersuchungen zum edge effect vereinen damit eine Gruppe sehr unterschiedlicher Anwendungen (A NGELSTAM 1992, A NDRÉN 1995). In den meisten Studien werden
core areas (interior habitats) mit 10 bis 50 m für Pflanzengesellschaften (flora edge) und 50
bis 500 m für Tierarten (fauna edge) angenommen oder empirisch ermittelt. Die höheren
Zahlen gelten meist für Tierarten mit großer home range oder spezifischen Räuber-Beute
Beziehungen.
Fläche gesamt (in ha)
Anzahl Kernzonen
Durchschn. Größe (in ha)
Größte Kernzone (in ha)
Tab. 1a:
10 m
223,5
381
0,59
9,13
15 m
181,9
290
0,63
7,44
20 m
117,5
217
0,54
6,01
25 m
88,8
160
0,56
4,75
30 m
68,4
121
0,57
3,65
Unterschiedliche Werte für die “edge distance” und die verbleibenden Kernzonen für einen Ausschnitt im Südteil des Untersuchungsgebiets.
Fläche gesamt (in ha)
Anzahl Kernzonen
Durchschn. Größe (in ha)
Größte Kernzone (in ha)
Tab. 1b:
Auwald im e. S.
316,6
361
0,89
12,89
Auwald im e. S.
316,6
86
3,68
82,29
10 m
214,3
110
1,95
62,82
15 m
182,0
85
2,14
51,6
20 m
154,5
69
2,24
35,45
25 m
130,6
70
1,87
20,51
30 m
109,9
69
1,59
17,81
Unterschiedliche Werte für die “edge distance” und die verbleibenden Kernzonen für einen Ausschnitt im Südteil des Untersuchungsgebiets. Im Unterschied
zur Tabelle 1a sind alle “Pseudogrenzen” zwischen aggregierten Klassen eliminiert.
Tabelle 1 beleuchtet Flächenbilanzen verbleibender Kernzonen für unterschiedliche Werte
der edge distance. Obwohl hier nur eine relativ schmale Bandbreite zwischen 10 und 30 m
untersucht wird, zeigt sich eine deutliche Abnahme der Flächen in Abhängigkeit dieser
Bandbreite. Im Falle der nicht aggregierten Flächen (Tab. 1a) verbleiben bei einer Distanz
von 30 m nur noch 21,6% der Ausgangsflächen. Faßt man dagegen benachbarte Flächen
zusammen, die in der Originalkartierung z.B. in Hartholz- und Weichholzaue differenziert
werden, so entstehen insgesamt homogenere Flächen, die auch weniger dramatische Flächenverluste bei zunehmender edge distance aufweisen (Tab. 1b), so daß bei 30 m noch
34,7% Kernflächen resultieren.
4.2 Konfiguration – Konnektivität
Relative Maße der Lage und Form von patches beschreiben das Muster (configuration,
pattern) einer Landschaft und ihrer Fragmentierung. In der Literatur wird immer wieder der
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contagion index (CI) als Maß für Konnektivität, andererseits aber auch als Streuungsmaß
(als Faktor für die Klumpung von patches) angewandt. CI variiert zwischen 0 und 100 mit
hohen Werte für Landschaften mit großen, stark geklumpten patches und niedrigen Werten
für fragmentierte und isolierte patches. Dieses Maß wird zunehmend konträr diskutiert.
FROHN (1998) konnte nachweisen, wie stark dieser Index von der räumlichen Auflösung,
der Anzahl der thematischen Klassen und der Orientierung einer Rastermatrix im Raum
abhängt. In der vorliegenden Arbeit werden mit den Programmen FRAGSTATS und Patch
Analyst neben Indizes für Größen/Umfang-Verhältnissen, Kompaktheitsmaßen, fraktalen
Maßen, Grenzliniensummen pro ha usw. auch einige Maße für den räumlichen “Zusammenhang” von patches gleicher Klassen berechnet. Wie in Kap. 3 dargestellt, beruhen diese
Maße auf der Annahme, daß ökologische Prozesse und Organismen von “inter-patch Distanzen” abhängig sind. Auf dem Level der Klassen wird vor allem die mean nearest neighbour distance (MNN) für alle Flächen des Auwalds im eng. Sinn (siehe oben) berechnet.
Diese mittlere Distanz beträgt nur 18 m, was erwartungsgemäß einer Clusterung entspricht.
Die Variabilität dieser nearest neighbour distance wird vielfach als wichtiges Element für
landschaftliche Heterogenität gesehen und wird durch die mean nearest-neighbour standard deviation (MNNSD) ausgedrückt. Letzterer Wert ist im vorliegenden Fall relativ hoch
im Verhältnis zu MNN und ist auf viele kleine Einschnitte und Unterbrechungen durch
Fahrwege und inselhafte landwirtschaftliche Nutzung zu erklären.
Von den zahlreichen verfügbaren Maßen der Komplexität von patches und deren Form
können nach Ansicht des Autors nur diejenigen verwendet werden, für die eine ökologische
Relevanz nachgewiesen werden kann. Zusammenhänge zwischen patch Größe und Form
haben auch eine direkte Auswirkung auf die Grenzliniensummen und –häufigkeiten. Der
bereits diskutierte Shapeindex als Verhältnis von Fläche und Umfang kann für viele Tierarten und ökologische Phänomene und Prozesse ein wesentlicher Faktor sein, seine Bedeutung kann jedoch nicht per se irgendwoher abgeleitet werden. Einzelne Maße können jedoch auch direkt als Indikatoren für Natürlichkeit gesehen werden, so deuten streng geometrische Formen (Rechtecke, Dreiecke) auf menschliche Genese hin. Eine schachbrettartige Landschaft weist in den vielen theoretischen Studien einen mittleren Shape Index
(MSI) von 1 auf. Der Wert von MSI steigt mit zunehmender Irregularität. Im Gegensatz zu
vielen theoretischen Untersuchungen, bei denen die Daten in Matrizen nach bestimmten
Regeln (z.B. Klumpungsmaßen) zufallsgeneriert werden, weist auch die vorliegende Landschaft trotz hohem Grad menschlicher Beeinflussung hohe MSI Werte auf. Die fraktalen
Maße (MPFD und AWMPFD) beschreiben den Grad des 2-dimensionalen Landschaftsmosaiks und der Komplexität. Sie können als “mittelhoch” (Wertebereich 1 bis 2) angesehen
werden, läßt aber keine weitere Differenzierung zu.
Number of Patches
Mean Patch Size
Median Patch Size
Patch Size Coefficient of
Variance
Patch Size Standard Deviation
Total Edge
NumP
MPS
MedPS
PSCoV
86
3,68
0,44
293,8
Mean Patch Edge
Mean Shape Index
Area Weighted Mean Shape Index
Mean Perimeter-Area Ratio
PSSD
TE
Edge Density
ED
10,8
Mean Patch Fractal Dimension
MPFD
1,49
120065 Area Weighted Mean Patch Fractal AWMPFD 1,42
Dimension
379,2
Mean Nearest Neighbour Distance MNN
8,17
Tab. 2: Werte der Landscape Metrics für den Auwald im engeren Sinn.
MPE
MSI
AWMSI
MPAR
1396
2,47
4,01
1508
Quantifizierung von Fragmentierung, Konnektivität und Biotopverbund mit GIS
Der Grad mit dem verschiedene Elemente verbunden sind, wird oft als Konnektivität bezeichnet. Gegenüber der reinen Graphentheorie spielt in der Landschaftsökologie neben der
euklidischen Distanz und der Menge der Verbindungen auch die Qualität der verbindenden
Habitate eine große Rolle. Konnektivität kann auch als Maß für die Komplexität eines Systems gesehen werden. Zwei in Geographie und Verkehrswissenschaften verbreitete Methoden basierend auf der Graphentheorie sind der alpa und gamma index, deren Anwendung in
der Landschaftsökologie von FORMAN and GODRON (1986) vorgestellt wurden, für die es
aber noch kaum empirische Studien gibt. Als kleinste Elemente für die Auwald patches
wurden hier pragmatisch 1 ha gewählt. Patches repräsentieren in dieser Analyse Quellhabitate, die über einen längeren Zeitraum als Lebensraum geeignet sind, während Korridore
(circuits) von den nächstgelegenen patches (nodes des Netzwerks) konstruiert werden. Die
Netzwerk Konstruktion zielt auf die höchste Konnektivität ab, unterliegt jedoch Restriktionen bei der Verknüpfung, die nur in Ausnahmefällen quer zu den Hauptachsen des AuenÖkosystems (praktisch parallel zur Flußrichtung) gerichtet sein dürfen. Für das Testgebiet
im Südteil des UG ergeben sich 72 nodes und 107 Korridore.
Der Gamma Index der Netzwerkkonnektivität wird als Verhältnis der Anzahl der Verbindungen (links) im Netzwerk zur maximal möglichen Anzahl an Links gebildet. Die Anzahl
wurde hier manuell berechnet mit: g = L/Lmax = L/3(V-2), wobei L die Anzahl der links,
lmax die Anzahl der maximal möglichen Links und V die Anzahl der Knoten ist. Der
Gamma Index kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen von “unverbunden” bis ”vollkommen vernetzt”. Hier wurde rechnerisch ein Wert von 53% erreicht, wobei der manuellen
Vorgansgweise eine relativ starke Subjektivität hinsichtlich der Anzahl der möglichen Ve rbindungen gegeben ist und diese Zahl nur als Anhalt gewertet werden soll.
Als zweite Maßzahl wird der Alpha Index als ein Maß für die Zirkularität in einem Netzwerk berechnet. Dabei wird die Anzahl möglicher “Runden” (loops) von Stoff- oder Energieflüssen ermittelt. Ein System ohne mögliche Rundverbindung erhält den Wert 0, ein
perfekt verknüpftes System den Wert 1. Der Wert für a ergibt sich aus: a = L - V + 1 / 2V –
5. Im vorliegenden Fall ergibt sich eine Zirkularität von 42% für das Netzwerk relativ zur
maximal möglichen. Dies würde theoretisch bedeuten, daß z.B. ein Tier eine begrenzte
Anzahl von Routen (42% der maximal möglichen) nehmen kann ohne die geeigneten Habitate zu verlassen. Es muß jedoch bereits an dieser Stelle festgehalten werden, daß die ökologische Relevanz dieser Berechnungen auf Basis der Graphentheorie zweifelhaft ist, solange es sich nicht um eindeutig binäre Systeme (z.B. Wasser-Land) handelt und solange
der Ermittlung der Verbindungen großer Spielraum gegeben ist. Im folgenden Kapitel werden verschiedene Methoden untersucht, die Vernetzung zu erhöhen.
Ein eigener Ansatz wurde entwickelt, in einer Art Kompromiß zwischen diskret abgegrenzten Einheiten und (quasi)-kontinuierlichen Oberflächen die Landschaft in reguläre Zellen
einzuteilen. Als grundlegegende Form wurden Hexagone gewählt. Damit lassen sich – so
die vorläufigen Schlußfolgerungen – abstrakte Kostenoberflächen in pragmatisch handhabbare Einheiten zerlegen. Es können unterschiedlich feine Netzen für bestehende Flächen
eines Verbundes und die dazwischenliegenden Bereiche berechnet werden. Zunächst werden die Anteile der Hexagone an den Verbundflächen berechnet (Abb. 5a) und dann eine
Kostenoberfläche der dazwischenliegenden Bereiche aus Distanz und bewerteter Impedanz
(Stärke des Barriereeffekts). Diese Kostenoberfläche wird in Hexagone unterteilt (5b), die
in weiterer Folge als Grundlage für Planungen dienen sollen.
Thomas Blaschke
a)
b)
Abb. 5: Konnektivitätsanalysen basierend auf Hexagonen. a) Einpassen von Hexagonen in
die bestehenden Untersuchungsflächen zur Bestimmung der Konnektivität (hier
Hexagone mit 0,2 ha Fläche). b) Berechnung der Flächenanteile der Hexagone außerhalb der rezenten Auwaldflächen und Ausummierung der gewichteten Distanzsummen dazwischenliegender Flächen.
5
Diskussion
Die Möglichkeiten der Landschaftsanalyse sind vielfältig, es gibt jedoch noch zu wenig
Studien zur ökologischen Relevanz und zur Stabilität bzw. Abhängigkeit verschiedener
Maße von Auflösung, Maßstab oder Klassenanzahl der Daten. Einzelne Indizes sind relativ
gut erforscht, doch sind Fehlanwendungen nicht auszuschließen. Ein zukünftiges Forschungsfeld sind u.a. Netzwerkanwendungen basierend auf der Graphentheorie, um z.B. die
Rolle von Korridoren in Verbundsystemen zu modellieren. Im vorliegenden Fall wurden in
einem Auen-Ökosystem Klassen einer Vegetationskartierung zusammengefaßt und die
Bereiche “Auwald im engeren Sinn” hinsichtlich ihrer Struktur mit verschiedenen Parametern beschrieben und mit einer gröber-klassigen Luftbildinterpretation verglichen.
Bei vorliegenden Planungsvarianten können die zuvor gewonnenen deskriptiven Maße des
Zusammenhangs rechnerisch leicht ermittelt und die geplanten Varianten genauso wie die
vorhandenen Strukturen hinsichtlich verschiedener Maße der landscape metrics berechnet
werden. Bei relativ geringfügigen Flächenänderungen ergeben sich jedoch in der empirischen Studie jedoch kaum signifikante Veränderungen der relevanten Maße. Eine besondere Herausforderung liegt dann vor, wenn die Handlungsalternativen nicht fix vorgegeben
sind sondern wenn nach den “besten”, “günstigsten” oder “einfachsten” Lösungen gesucht
wird. Die meisten der theoretisch fundierten Konzepte wie Vernetzung, Biotopverbund,
Korridore etc. sind sehr aufwendig und oft nicht in übertragbarer Art und Weise zu operationalisieren. Mit verstärkten interdisziplinären Anstrengungen und weiterer Verbesserung
der Tools sind viele der hier diskutierten Probleme prinzipiell lösbar. Fraglich ist jedoch, ob
die Vorgangsweisen in absehbarer Zeit so vereinfacht werden können, daß der Sachbearbeiter in einer Desktop-GIS Arbeitsumgebung sich auf seine Planungsaufgaben konzentrieren
kann. Einige positive Ansätze im Umfeld von ArcView GIS sind hier beschrieben und
Quantifizierung von Fragmentierung, Konnektivität und Biotopverbund mit GIS
wurden in der vorliegenden Studie angewandt. Eine Zielvorstellung wäre eine Landschaftsstrukturkarte oder Habitatkarte, die weitgehend standardisiert Aussagen über die Landschaftsstruktur, den Grad der Vernetzung, oder den Grad der Fragmentierung einzelner
Teilbereiche ermöglicht und als weitgehend objektive und iterative Planungsgrundlage zur
Verbesserung der Vernetzung dient.
6
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