Sexuell übertragbare Infektionen
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Sexuell übertragbare Infektionen
MEDIZIN FORUM Weiterhin auf dem Vormarsch Sexuell übertragbare Infektionen o Geschlechtskranheiten (sexually transmitted infections, STI) stellen weltweit und so auch in Europa ein bedeutendes Problem für die Medizin und das öffentliche Gesundheitswesen dar. Sie betreffen überproportional Frauen, Randständige und diejenigen mit Risikokontakten, weshalb die STI seit Jahren im Fokus der Europäischen Gesundheitspolitik stehen. Insbesondere in der dritten Welt gehören die STI zu den häufigsten Krankheits- und Todesursachen und haben nicht nur erhebliche gesundheitliche, sondern auch bedeutende soziale und wirtschaftliche Konsequenzen. In Afrika ist beispielsweise die Syphilis immer noch hauptverantwortlich für die perinatale Mortalität der Neugeborenen. Prof. f. Dr. med. han Lautenschlager Stephan Zürich Abb. 1: Isoliertes Ulkus bei rezidivierendem rendem Herpes genitalis Am häufi ufigsten sin sind Infektionen mit humanen PapillomviV), Herpesviren, Chlamydien Ch noko ren (HPV), und Gonokokken, während nen mit Hepatitis B, HIV HI oder Syphilis phil vergleichsweise Infektionen seltener auftreten. Gemäss Schätzungen der Weltgesundheits-Orisation (WHO, 2005) erfolgen weltweit 4448 Millionen heilbare ganisation Is (Syphilis, Gonorrhoe, Chlamydien-Infektion Chlamydien-I STIs und Trichomoiasis) bei 15 – 49 Jährigen pro Jahr. Bei adäquater Diagnostik und niasis) Therapie Therapie sind diese Krankheiten mit wirksamen Antibiotika heilinschränkung der beängstigenden b bar, mit der Einschränkung Resistenzprobleorrhoe (1). Eine Ei ungenügende Diagnostik und matik bei der Gonorrhoe Therap gravier erapie kann jedoch gravierende Auswirkungen auf Betroffene aber auch auf Schwangerschaft rsch en und Neugeborene haben. Eine nbehandelte Frühsyphilis Frühsyphi in der Schwangerschaft führt in über unbehandelte u einer Übertragung Übertragun auf das Neugeborene mit Todesfolge bei 60% zu m Drittel und z.T. ausgeprägten, stigmatisierenden Veränüber einem h in d derungen. Auch der Schweiz muss wieder mit der Lues connata ger den weshalb das vergleichsweise günstige Screening gerechnet werden, in de der Schwangerschaft durchgeführt werden sollte (2). Beim Neugebor geborenen können schwerste neurologische Langzeitfolgen oder Tod auch au bei einer Herpes simplex Infektion resultieren (Herpes neona neonatorum). Als wichtigste Komplikationen sind bei der Frau die aufste aufsteigende Infektion, Extrauteringravidität und Infertilität, insbesond sondere bei einer Chlamydieninfektion zu nennen. Zusätzlich sind ST STIs (HPV, Hepatitis B) wichtige Ko-Faktoren bei der Entwicklung von Malignomen. Für alle Geschlechtskrankheiten - in erhöhtem Ausmass gilt dies für die ulzerierenden Formen (Abb. 1) - ist zusätzlich von Bedeutung, dass sie mit einem erhöhten Risiko der Akquisition und der Transmission von HIV einhergehen (3). Abb. 2: Vulväre äre Condylomata acuminata Abb. 3: Syphilitischer Primäraffekt der Zunge eltweit sind mehr als 30 sexuell übertragbare Errege Erreger bekannt, die Bakterien, Viren, Pilze, Protozoen und Ektopara Ektoparasiten umger ne kt fassen (Tabelle 1). Alleine seit 1975 sind zwölf Erreger neu entdeckt beworden, darunter z.B. die unterschiedlichen Mykoplasmen - insbeyp 8, sondere Mycoplasma genitalium -, das humane Herpesvirus Typ das Hepatitis C Virus und selbstverständlich HIV. W der informierte arzt _ 08 _ 2012 23 MEDIZIN FORUM In Westeuropa konnte bis Anfang der neunziger Jahre eine deutlich abnehmende Inzidenz klassischer STI dokumentiert werden, dies wurde einerseits den AIDS-Präventionskampagnen zugeschrieben, andererseits scheint die anfänglich hohe AIDS Mortalität bei Hochrisikogruppen zu dieser Entwicklung beigetragen zu haben. Trends in Westeuropa zeigen jedoch seit 1995 wieder ein vermehrtes Auftreten, was durch die zur Verfügung stehenden Überwachungsdaten mit Verzögerung auch in der Schweiz bestätigt werden konnte (4). Auch für das erste Halbjahr 2012 ist gemäss BAG (Labormeldepflicht von Infektionen mit Chlamydia trachomatis, Neisseria gonorrhoeae, Treponema pallidum sowie Hepatitis A, B, C und HIV) mit weiter steigenden Zahlen der klassischen STI zu rechnen. TAB. 1 Sexuell übertragbare Krankheiten und assoziierte Erreger Bakterien Syphilis Ulcus molle hilus ducreyi Haemophilus ma venereum Lymphogranuloma a trach Chlamydia trachomatis Serotypen L1–L3 Donovanose Kleb anulomatis Klebsiella granulomatis Gonorrhoe NGU** Bakterielle Vaginose Erfreuliche Trends Vielversprechende Publikationen aus Australien konnten eine massive Reduktion der Inzidenz von Condylomata acuminata bei jungen Frauen (Abb. 2) dokumentieren, die mit der quadrivalenten HPV-Impfung (gegen die Typen 6,11,16,18) geimpft wurden. Erfreulicherweise zeigte sich auch eine markante Reduktion der Kondylome bei gleichaltrigen Männern, jedoch nicht bei ungeimpften n (5). E älteren Personen und bei homosexuellen Männern Erstmalig uktion der d HPVliess sich bei geimpften Männern auch eine Reduktion mpfteen Frauen n bedingten genitalen Veränderungen und bei geimpft nauch ein Rückgang der Inzidenz von zytologischen Zervixveränderungen nachweisen. Inwiefern sich diese erfreulichen Daten auf mpfdie Schweiz mit einer im Vergleich zu Australien viel tieferen Impfli rate übertragen lassen wird die Zukunft weisen. Weiter erfreulich ist das beinahe vollständige Verschwinden der Pediculosis pubis. g Dies widerspiegelt jedoch lediglich den aktuellen Trend der genitalen Depilation. Treponema ap pallidum Enteritis (v.a. bei MSM*) Neisseria gonorrhoeae N rhoeae Chlamydia trachomatis, Ch is, Ureaplasma urealyticum, Mycoplasma genitalium urealyti (?) und hominis (?) hom Gardnerella vaginalis, Mycoplasma Mycopla hominis, nis, Mobi-luncus spp und andere vaginale Anaerobier Shigella spp, Campylobacter ampylobact spp, Branhamella u.a. Viren AIDS HIV Condylomata dylomata acuminata Papillom Viren Humane Papillo Hepatitis patitis Hepatitis A-,B- und C-virus itis A-,B Herpes erpes genitalis Herpes sim simplex Typ 1 und 2 Kaposi Sarkom Humanes Herpes Virus Typ 8 ma Molluscum contagiosum m Molluscum contagiosum Virus (PoxviMollu ren) ren Mononucleose Mononu Zytomegalie Virus, Epstein-Barr Virus Z Pilze Vulvovaginitis, Balanitis ovaginitis, Balani NGU** Candida spp Protozoen Trichomoniasis, NGU NGU** T Trichomonas vaginalis Unerfreuliche Trends Giardiasis (MSM*) Giard *) Giardia lamblia Seit 1996 nimmt die Inzidenz der Gonokokken-Infektion kken-In in der Schweiz praktisch linear zu. Dies konntee bislang fo folgenlos hinit korrekter W genommen werden, da die Infektion mit Wahl und ms problemlos emlos zur AbheiAbh Darreichungsform des Antibiotikums n ist es jedoch lung gebracht werden konnte. In den letzt letzten Jahren enzentwicklung gekommen, men, was zu einer beängstigenden Resistenzentwicklung unehmende Gefahr der d unbehanhanaktuell in der Literatur als „zunehmende chnet wird (1). Nur noc delbaren Gonorrhoe“ bezeichnet noch die 3. Genellten hier verwendet werden, wobe ration der Cephalosporine sollten wobei rmen ebenfalls ein rasant zuzu bei den peroral verabreichten Formen höhter minimaler Hem nehmender Anteil an Stämm Stämmen mit erhöhter Hemmkonzentration zu beobachten ist. In dieserr Situation kan kann nur len werd noch Ceftriaxon 1 x 250 – 500 mg i.m. empfohlen werden. ZuD sätzlich sehen die Amerikanischen, Britisc Britischen und Deutschen Guidelines die gleichzeitige Gabe von 1g Azithr Azithromycin per os theor vor, um derr Resistenzentwicklung aufgrund theoretischer Überen entgegen zu wirken. Bei der Urethritis Urethri ist zusätzlich legungen unehmende Anteil an M der zunehmende Mycoplasma genitalium verursachten n zu erwähnen, was diagnostische diag Fällen und therapeutsche chwierigkeiten zur Folge hat. Da Schwierigkeiten Das biologische Verhalten und die Ansteckraten sind vergleich vergleichbar mit denjenigen von Chlamydia trachomatis. tra Die Schweiz bel belegte in den letzten Jahren bezüglich Inzidenz der Syphilis gemäss einem Ve Vergleich des Robert Koch Instituts einen unrühmlichen Spitzenplatz in Eu Europa (6). Während Nachbarländer wie Amöbiasis (MSM*) Amöbi Entamoeba histolytica 24 Ektoparasiten Ektopa Pediculosis pubis Pedicu Phthirius pubis Skabies Skabie Sarcoptes scabiei MSM* = males who have sex with males (homosexuelle Männer) MSM NGU** = Nicht-gonorrhoische Urethritis NG z.B. Deutschland und Italien bei einem vergleichbaren Meldesystem deutlich tiefere annualisierte Inzidenzen aufweisen, ist der nunmehr seit 10 Jahren dauernde Anstieg der Zahlen in der Schweiz auch im 2012 gemäss den Meldungen ans BAG ungebrochen. Um Risikopatienten besser identifizieren zu können, muss in der täglichen Praxis auch die Sexualanamnese angesprochen werden. Gemäss einer aktuellen Patientenbefragung aus Lausanne (7) erwünschen sich über 90% der Patienten eine Sexualanamnese, was jedoch in weniger als der Hälfte bisher durchgeführt wurde. Gerade bei der Syphilis sollte insbesondere bei unklaren Exanthemen oder Ulzera (Abb.3), bei Patienten mit anderen sexuell übertragbaren Infektionen oder nach Risikokontakten, bei häufig wechselnden Partnern sowie in jeder Schwangerschaft ein Screening durchgeführt werden. In der täglichen Praxis sollten wir nicht nur bei klassischen Zeichen sondern ebenfalls bei diffuser oder gering ausgeprägter Symptomatik vermehrt an das Vorliegen 08_ 2012 _ der informierte arzt MEDIZIN FORUM möglicher Geschlechtskrankheiten denken und Patienten und Patientinnen individuell über mögliche Risiken informieren und gemäss den gängigen Guidelines (9-10) behandeln. Prof. Dr. med. Stephan Lautenschlager Chefarzt Dermatologisches Ambulatorium Stadtspital Triemli Herman Greulich Str. 70, 8004 Zürich Email: [email protected] Literatur: 1. Bolan GA, Sparling PF, Wasserheit JN. The emerging threat of untreatable gonococcal infection. N Engl J Med 2012;366:485-487. 2. Meyer Sauteur PM, Truck J, Bosshard PP et al. Congenital syphilis in Switzerland: gone, forgotten, on the return. Swiss Med Wkly 2012;141:w13325. 3. Ward H, Ronn M. Contribution of sexually transmitted infections to the sexual transmission of HIV. Curr Opin HIV AIDS 2010;5:305-310. 4. Lautenschlager S. Sexually transmitted infections in Switzerland: return of the classics. Dermatology 2005;210:134-142. 5. Read TR, Hocking JS, Chen MY, Donovan B, Bradshaw CS, Fairley CK. The near disappearance of genital warts in young women 4 years after commencing a national human papillomavirus (HPV) vaccination programme. Sex Transm Infect 2011;87:544-547. 6. Robert Koch Institut. Syphilis in Deutschland im Jahr 2008. Epid Bull 2009;49:503-512. 7. Meystre-Agustoni G, Jeannin A, de HK, Pecoud A, Bodenmann P, Dubois-Arreceiv ber F. Talking about sexuality with the physician: are patients receiving what they wish? Swiss Med Wkly 2011;141:w13178. Take-Home Message ◆ In der Schweiz sind die STIs weiterhin zunehmend nehm ◆ Bei rechtzeitiger und kon konsequenter quadrivalenter driv HPV-Impfung können Kondylome lome und ggenitale Dysplasien asien verhindert werden ◆ Infolge bedrohlicher ohlicher Z Zunahme der Resistenzentwicklung stenze bei Neisseria gonorrhoeae e so sollte wenn immer möglich h mit Cef Ceftriaxon 1x250 500mg i.m. in Ko Kombination mitt Az Azithromycin ycin 1x1g p p.o. behandelt werden ◆ Bei unklaren Exanthemen, nach Risikokontakten, kten, bei häufig wechselnden Partnern n und in der S Schwangerschaft istt neben einem Screening auf HIV auch eine Luesa Luesabklärung durchzuführen ◆ Auch in der Grundversorgung ersorgung sollte die Sexualanamnese erhoben werden ◆ Bei der Abklärung und Therapie von STI sollte gemäss Guide Guidelines vorgegangen werden fect 8. Ward H, Ronn M. Contribution of ssexually transmitted infections to the sexual ssion of HIV. Curr Opin HIV AID 10. transmission AIDS 2010;5:305-310. exually Transmitted Diseases Treatment Guidelines, Guideli 9. CDC. Sexually 2010. MMWR 010;59. 2010;59. nternational Union against STI. European Treatment Treatmen Guidelines 2011. 10. International http://www.iusti.org/regions/Europe/euroguideline http://www.iusti.org/regions/Europe/euroguidelines.htm